73 Geologica Bavarica, 105: 7384, München 2000 Die Altersstellung des ostbayerischen Grundgebirges Von JOHANN ROHRMÜLLER, DIETER GEBAUER und HUBERT MIELKE Mit 4 Abbildungen und 2 Tabellen S c h l ü s s e l w o r t e : Ostbayern Saxothuringikum Moldanubikum variszische Orogenese cadomische Orogenese Böhmische Masse Fossilien K u r z f a s s u n g : Hinsichtlich der stratigraphischen Altersstellung und der paläogeographischen Entwicklungsgeschichte gibt es zwischen Saxothuringikum und Moldanubikum viele Parallelen, die eine Abgrenzung im traditionellen Sinne, als zwei absolut verschiedene geologische Großeinheiten, nicht mehr für sinnvoll erachten lassen. Beide Bereiche sind vom präkambrischen bis kambrischen Superkontinent Gondwana abzuleiten. Sowohl im Saxothuringikum als auch im Moldanubikum existieren ähnliche, postcadomische lithologische Abfolgen, in denen leukokrate Orthogneise (Metavulkanite) kambroordovizische Bildungsalter besitzen. Funde von stratigraphisch verwendbaren Mikrofossilien haben in den vergangenen Jahren gesicherte Alterseinstufungen für einige Gesteinsserien im metamorphen Grundgebirge ermöglicht (z. B. REITZ 1992). Hinweise, daß auch Makrofossilien, in diesem Fall vermutlich Brachiopoden, in metamorphen Gesteinen noch reliktisch erhalten sein können, liefern Funde aus dem Raum Stadlern (Oberpfalz) und Grünberg (Fichtelgebirge). On the age of Bavarian part of the Bohemian massiv (E-Bavaria) K e y w o r d s : E-Bavaria Saxothuringian Moldanubian Variscan orogeny Cadomian orogeny Bohemian massif fossils A b s t r a c t : The stratigraphy and palaeogeographic history of the Saxothuringian and the Moldanubian zone are very similar. Both units originated from the periphery of the Precambrian-Cambrian supercontinent Gondwana. The post-Cadomian lithologic sequences in both the Saxothuringian and the Moldanubian units are similar. There are Cambrian and lower Ordovican acidic metavolcanics in both zones. Microfossils in metamorphic rocks give indications for their stratigraphical age. Furthermore there are relicts of brachiopod-like shells in high grade metamorphic rocks in the Moldanubian and Saxothuringian part of Oberpfalz. Inhalt 1. Einleitung .......................................................................................................................................... 74 2. Geologische Übersicht ...................................................................................................................... 74 3. Abriß der geologischen Entwicklungsgeschichte ............................................................................. 78 4. Stand der Alterseinstufung der geologischen Einheiten Ostbayerns ................................................ 80 5. Literatur ............................................................................................................................................ 83 Anschriften der Verfasser: Dr. HUBERT MIELKE, Hauptstr. 66, D-85737 Ismaning; Dr. JOHANN ROHRBayerisches Geologisches Landesamt, Außenstelle Marktredwitz, Leopoldstr. 30, D-95615 Marktredwitz; Prof. Dr. DIETER GEBAUER, Institut für Isotopengeologie und Mineralische Rohstoffe, Departement für Erdwissenschaften ETH-Zentrum, NO C 61, CH-8092 Zürich. MÜLLER, 74 JOHANN ROHRMÜLLER, DIETER GEBAUER & HUBERT MIELKE 1. Einleitung Ergebnisse radiometrischer Altersdatierungen an Metamagmatiten und Metasedimenten, hier insbesondere Einzelzirkondatierungen, haben in den vergangenen 20 Jahren wesentliche neue Erkenntnisse über die Altersstellung der metamorphen Gesteine des ostbayerischen Kristallins geliefert sind (z. B. GEBAUER et al. 1989; GEBAUER 1993). Darüber hinaus ergaben mikropaläontologische Untersuchungen an metamorphen Sedimentgesteinen erstmals stratigraphisch verwendbare Artenspektren von Acritarchen und Sporen (z. B. REITZ 1992). So ist davon auszugehen, daß die sedimentären und magmatischen Ausgangsgesteine der Metamorphite meist nicht älter als oberstes Jungpräkambrium sind (Zeitraum vor ca. 600650 Millionen Jahren), der überwiegende Teil jedoch altpaläozoische Sedimentationsalter besitzt. Belege für ältere geologische Ereignisse aus dem ostbayerischen Raum existieren nur durch Einzelzirkondatierungen an zonar gebauten Zirkonmineralen, die in ihrer geologischen Entwicklungsgeschichte mehrfach recycelt wurden, d. h., die in der erdgeschichtlichen Entwicklung mehrmals einen Zyklus mit Erosion, Sedimentation, Versenkung mit Metamorphose oder einem erneuten magmatischen Stadium durchliefen. Flächenhafte Gesteinsareale mit einem präkambrischen Sedimentationsalter oder einem magmatischen Bildungsalter älter als ca. 650 Millionen Jahre konnten bisher in Ostbayern nicht geochronologisch nachgewiesen werden. Hinweise auf eine cadomische Metamorphose bzw. einen cadomischen Sockel der altpaläozoischen Sedimentabfolgen existieren bisher im bayerischen Bereich der Böhmischen Masse nicht. Im Westteil des Tepla-Barrandiums in Westböhmen konnten kambrische, granitoide Intrusiva in cadomisch metamorphen Metasedimenten nachgewiesen werden (ZULAUF et al. 1997; DÖRR et al. 1998). Daraus kann für die metamorphen Rahmengesteine der teilweise deformierten Gabbros und Diorite der Gabbroamphibolitmasse von Neukirchen b. Hl. Blut, die den Südwestteil des Tepla-Barrandiums bildet, ebenfalls ein präcadomisches Eduktalter gefolgert werden. 2. Geologische Übersicht Das ostbayerische Grundgebirge vom Frankenwald im N bis zum Passauer Wald im S bildet den Westteil der Böhmischen Masse (Abb. 1). Dieser Oberflächenanschnitt von paläozoischen und präkambrischen Gesteinseinheiten in Mitteleuropa stellt den östlichen Abschnitt des europäischen variszischen Orogens dar. Das ostbayerische Grundgebirge umfaßt Bereiche mit hauptsächlich paläozoischen und untergeordnet vermutlich älteren, jungpräkambrischen Gesteinen. Die Einheiten liegen zum einen noch als Sedimentgesteine vor oder wurden zum anderen unterschiedlich stark metamorph überprägt. Das ostbayerische Grundgebirge beinhaltet ferner meist nicht mehr verformte (deformierte) variszische Intrusivgesteine. Vor allem im Oberkarbon sind diese Intrusiva, überwiegend Granite, meist nach Abschluß der jungvariszischen Metamorphose in die älteren Gesteinskomplexe eingedrungen und auskristallisiert (ROHRMÜLLER et al. 1996). Die grundlegenden, anfangs des 20sten Jahrhunderts erstellten Gliederungen des mitteleuropäischen Grundgebirges (KOSSMAT 1927 u. a.) in Moldanubische Region (Moldanubikum), Saxothuringische Zone (Saxothuringikum) und Rhenohercynische Zone haben dahingehend noch Bestand, daß damit Einheiten abgegrenzt werden, die zum Teil unterschiedliche tektonometamorphe Entwicklungen aufweisen. Hinsichtlich der stratigraphischen Altersstellung und der paläogeographischen Entwicklungsgeschichte gibt es jedoch vielfach Konvergenzen, die 75 Die Altersstellung des ostbayerischen Grundgebirges R Hrück ns Hu Nö P it Kr i T IN ZO Ruhla llin sta R e ll we C G H I SMünchberger Masse Wildenfels E lhte e Fic birg e g Schwarzwald MOLD Prag TeplaBarrandium b ik Straßburg ANU C BIS HE N ESächsisches- Granulitgebirge Elb rg e-Z be n on e k e n e irg Fra b e g z Er u O AX HU h Sc e Spessart Odenwald he S he y n Kyffhäuser an M ol d c uts rd lic h o E V e s unu Ta H -Z H ZE teld M it O R N ZY ll EN E IS C NE um R E N Harz ZO IO G Ba ye s.str. Do r is c na ura her nd Pf br ah uc l h München 0 50 100 km Abb. 1. Gliederung des mitteleuropäischen Variszikums (ZEV: Zone von Erbendorf-Vohenstrauss). eine Abgrenzung von Moldanubikum und Saxothuringikum im traditionellen Sinne nicht mehr erlauben. Sowohl Moldanubikum als auch Saxothuringikum sind vom Superkontinent Gondwana abzuleiten. In beiden Regionen dominieren paläozoische Sedimentationsalter. Nach GEBAUER (1993) können in detritischen Zirkonen der metamorphen Grundgebirgseinheiten Ostbayerns folgende präkambrische geologische Zeitereignisse in den jeweiligen, der Erosion unterlegenen Herkunftsgebieten der Zirkone nachgewiesen werden: 3,8 Milliarden Jahre, 2,62,5 Milliarden Jahre, 2,12,0 Milliarden Jahre, um 1 Milliarde Jahre und 600 Millionen Jahre. Diese Abfolge von Altersbereichen, die auch in vielen anderen Gebieten der europäischen Varisziden typisch ist, belegt die Zugehörigkeit zum präkambrischen Superkontinent Gondwana. Die Ähnlichkeit zwischen Saxothuringikum und Moldanubikum wird auch durch Altersdatierungen von sauren Metamagmatiten aus den beiden Regionen belegt. Sowohl moldanubische als auch saxothuringische Proben lieferten kambroordovizische magmatische Bildungsalter (Tab. 1). Gesteine des Superkontinents Laurasia (Laurentia-Baltica-Russia) ließen sich aufgrund charakteristischer Altersabfolgen in der Böhmischen Masse bisher nur untergeordnet am südöstlichen Rand, im Grenzbereich Moldanubikum/Moravikum, nachweisen. 76 JOHANN ROHRMÜLLER, DIETER GEBAUER & HUBERT MIELKE Tabelle 1: Zusammenfassende, schematische Übersicht über die geologische Entwicklungsgeschichte des ostbayerischen Grundgebirges und angrenzender geologischer Einheiten aufgrund geochronologischer Daten (nach GEBAUER, in Vorb.: Beitrag zu Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern 1: 25 000, Blatt Nr. 6944 Bodenmais) Alter in Mio. J. Geologische Ereignisse ca. 3800 magmatische Bildung von Zirkon im ältesten zum Sedimentinhalt der moldanubischen Paragneise beitragenden Liefergebiet ca. 27002500 bedeutende gebirgsbildende Vorgänge in einem Teil der das sedimentäre Ausgangsmaterial der moldanubischen Paragneise liefernden Hochgebiete ca. 2000 wie im Zeitabschnitt 25002700 Mio. J.; Intrusion granitoider Plutone in Südböhmen 1380 Platznahme des granitischen Magmas des Dobra-Gneises im südlichen Böhmischen Massiv ca.12001000 mögliche Bildung mafischer Schmelzen aus einem subozeanischen Mantel; Bildung zahlreicher granitischer und metamorpher Gesteine während einer mittelproterozoischen (riphäischen) Orogenese; felsische, riphäische Gesteine sind in der kontinentalen Kruste im heutigen Erosionsniveau nicht angeschnitten bzw. noch nicht nachgewiesen; jedoch Nachweis entsprechender detritischer Zirkone aus diesen Gesteinen ca. 600510 panafrikanische (assyntische = cadomische) Orogenese(n) im das Material der hauptsächlich post-panafrikanischen (Meta)-Sedimente des Moldanubikums und Saxothuringikums liefernden Hochgebiet; im bayerischen Teil des Moldanubikums im heutigen Erosionsniveau radiometrisch nicht eindeutig und im österreichischen Teil lediglich im Dobra-Gneis (Amphibolitfazies-Metamorphose ca. 600 Mio. J.) nachgewiesen; am Westrand des Tepla-Barrandiums Intrusion granitoider Magmen (ca. 520 Mio J.) in Metasedimente; Intrusion und/oder Extrusion magmatischer Edukte von leukokraten Orthogneisen auf Blatt Nr. 7345 Vilshofen vor 538 Mio. J. und auf Blatt Nr. 7446 Passau vor ca. 580 Mio. J. ca. 510450 sukzessives Rifting und Abdriften von Mikrokontinenten von Gondwana; Bildung von intrakontinentalen und ozeanischen Becken und möglicherweise von Inselbögen verschiedener Größe inklusive Bildung der entsprechenden mafisch-ultramafischen Gesteine, z. B. der Protolithe der Gabbroamphibolite des Hohen Bogens (Neukirchen-Kdyne), der Amphibolite Niederösterreichs, der Eklogite, Amphibolite und Metagabbros der Zone von Erbendorf-Vohenstrauss (ZEV), der Münchberger Masse (MM) und des Erzgebirges; Extrusion und Intrusion möglicherweise riftbedingter Vulkanite und Granitoide (Moldanubikum der Oberpfalz u. des Bayerischen Waldes, ZEV u. MM); Sedimentation des Ausgangsmaterials der meisten heutigen Metasedimente des Moldanubikums und des Saxothuringikums ca. 480460 regionale Metamorphose und Anatexis in Verbindung mit intensiver Durchbewegung und Deformation, v. a. in Einheiten des Moldanubikums, aber auch der ZEV und der MM; Deckenbildung? In- und Extrusionen granitischer Magmen; Palitbildung? ca. 430 Metamorphose, Eklogitbildung, Granulitbildung in flächenmäßig untergeordneten, tektonischen Bereichen der MM und des Moldanubikums; Subduktion, Entstehung von Back-arc-Becken, Deckenbildung? ca. 390380 Metamorphose und Deformation in Teilbereichen der MM, ZEV und anderen Teilen des Grundgebirges; Intrusionen granitischer Schmelzen in der ZEV; Hochdruckmetamorphosen in Teilbereichen der MM, ZEV und im sächsischen Granulitgebirge; Subduktion, Entstehung von Back-arc-Becken, Deckenbildung? Die Altersstellung des ostbayerischen Grundgebirges 77 ca. 350340 Hoch- und Mitteldruckmetamorphose mit Eklogit- und Granulitbildung in Teilbereichen des Moldanubikums und Saxothuringikums (Sächsisches Granulitgebirge, Erzbebirge), Subduktion, Entstehung von Back-arc-Becken? 340320 Niederdruckmetamorphose in Moldanubikum und Saxothuringikum; auf Blatt Nr. 6944 Bodenmais Anatexis vor ca. 330 Mio. J.; Intrusion gabbroider, dioritischer und granitischer Gesteine; wahrscheinlich Deckenbildung während Kollisionstektonik 320280 Intrusionsbereich der Hauptmasse der moldanubischen Granite Ostbayerns ab ca. 320 Blastomylonitbildung, Mylonitisierung, Diaphthorese, Bruchtektonik, Beginn der differentiellen Heraushebung ca. 250 Rift- und Wrench-Tektonik, Bildung von Mineralgängen (z. B. Bayerischer Pfahl) 280215 differentielle Heraushebung des Grundgebirges entlang Störungszonen; Abkühlung unter ca. 270 °C zuerst in der MM vor ca. 280 Mio. J. und zuletzt im Passauer Wald und im Hohen-Bogen-Gebiet vor ca. 215 Mio. J. nach ca. 200 Abkühlung der meisten Bereiche des Grundgebirges auf unter 120 °C wahrscheinlich um ca. 200 Mio. J.; durch mögliche mesozoische Sedimentüberdeckung und damit verbundener, teilweiser Subsidenz sowie durch erhöhte, tertiäre geothermische Gradienten infolge Riftbildung und Vulkanismus (z.B. Egergraben) erneute leichte Aufheizung einzelner Grundgebirgsbereiche Aufgrund der stratigraphischen Entwicklung beginnend mit mittelkambrischen bis unterordovizischen Sedimenten und Vulkaniten müssen sich in diesem Zeitraum bereits im Randbereich von Gondwana Randbecken und kontinental beeinflußte Riftbecken gebildet haben. Das Ende der cadomischen Orogenese ist je nach Vorkommensbereich in den Zeitraum von ca. 600 bis 510 Millionen Jahren zu stellen. Zeitlich nicht exakt zu fassen ist in diesem Zusammenhang der Beginn der paläozoischen Beckenentwicklung in postcadomischer Zeit. Paläomagnetische und paläogeographische Rekonstruktionen von TAIT et al. (1996, 1997, 1999) zeigen eine Abtrennung Armoricas bzw. der armoricanischen Terraneansammlung, zu der die ostbayerischen Saxothuringikum- und Moldanubikum-Einheiten aus paläogeographischer Sicht gehören, von Gondwana ab dem Zeitraum des mittleren bis oberen Ordoviziums (Llanvirn bis Caradoc) durch Rifting (Abb. 2 u. Tab. 2). Tabelle 2: Entwicklung des saxothuringischen Terranes nach LINNEMANN et al. (1999) Alter in Mio J. Geologische Ereignisse 575540 Akkretions- und Subduktionsvorgänge eines Inselbogen- und Randbeckensystems im Randbereich von Gondwana 545540 cadomische Orogenese im ältesten Kambrium, Intrusion postkinematischer Plutonite 540505 Entstehung von lokalen Pull-apart-Becken im Randbereich von Gondwana 505495 Heraushebung und Entstehung einer chemisch verwitterten Kruste unter humiden bis subtropischen Bedingungen (Oberkambrium) 495445 Metastabiler Schelf und Riftstadium im Ordovizium mit starker Absenkung und hohen Sedimentationsraten Ca. 445 Trennung des Saxothuringischen Terranes von Gondwana, Beginn seiner Nordwärtsdrift ab Ende Ashgill (Oberordovizium) 78 JOHANN ROHRMÜLLER, DIETER GEBAUER & HUBERT MIELKE Abb. 2. Paläogeographische Rekonstruktionen von Plattenbewegungen vom unteren Ordovizium bis zum Devon nach TAIT et al. (1996, 1997). 3. Abriß der geologischen Entwicklungsgeschichte Der ostbayerische Grundgebirgsanschnitt ist das Produkt einer mehrphasigen orogenen (gebirgsbildenden) Entwicklung, die mit der variszischen Gebirgsbildung im Karbon ihren Abschluß fand, d. h., in dem variszischen Gebirge finden sich auch Belege für vorvariszische metamorphe Prägungen und Verformungen. Die Entstehung der jetzt vorliegenden Grundgebirgseinheiten ist im Zusammenhang mit plattentektonischen Vorgängen im frühen und mittleren Paläozoikum zu sehen. Durch sich voneinander weg bewegende Krustenplatten entstanden ab dem mittleren Kambrium und besonders durch das Abdriften von Armorica ab dem mittleren bis höheren Ordovizium Becken am Nordrand von Gondwana. In diesen Riftbecken und Ozeanen bildete sich an mittelozeanischen Rückensystemen neue basaltische Kruste. Flußsysteme verfrachteten von den damaligen Festlandbereichen Abtragungsprodukte der Verwitterung in diese Ozeane. Die Die Altersstellung des ostbayerischen Grundgebirges 79 Abb. 3 a. Dünnschliffaufnahme linsenförmiger Formrelikte vermutlich ehemaliger Brachiopodenschalen aus Metasedimenten des Fichtelgebirges (Lokation: Graben der Ferngasleitung zwischen Grünberg und Brand). Abb. 3 b. Brachiopodenreste im Kalifeldspat-Cordierit-Gneis, Stadlern/Oberpfalz; Exemplar mit zwei divergierenden Rippen, die keinen Bezug zu tektonischen Vorgängen erkennen lassen. 80 JOHANN ROHRMÜLLER, DIETER GEBAUER & HUBERT MIELKE Sedimente (je nach Transportweite und Material aus dem Liefergebiet z. B. Sande, Tone etc.) wurden entweder im Küstenbereich, im Schelfbereich oder im tieferen Ozeanbeckenbereich abgelagert. Im Paläozoikum entwickelten sich sowohl die Pflanzenwelt als auch die Tierwelt mit den wirbellosen Tieren und den Wirbeltieren sprunghaft. Am Sedimentaufbau war erstmals mit Schalen- und Skelettresten auch eine Vielzahl von Relikten der Lebewelt beteiligt. Bei Subduktionsprozessen wurden Teile der an der Erdoberfläche gebildeten Sedimente und Vulkanite in tiefere Krustenbereiche versenkt und dort metamorph umgewandelt. Hauptsächlich im Karbon kam es zum Teil zur Aufschmelzung dieses subduzierten Krustenmaterials, es bildeten sich Schmelzen, die entlang von Bruchstrukturen oder Schwächezonen wiederum in ein höheres Krustenstockwerk abwandern konnten und dort je nach Zusammensetzung als Granit oder Granodiorit etc. auskristallisierten. Durch die Subduktions- und Exhumationsvorgänge wurden Krustenbereiche zusammengebracht, die vorher an ganz verschiedenen, zum Teil weit voneinander entfernten Stellen der Erdoberfläche entstanden sind. Die Kollision zwischen dem präkambrischen bis altpaläozoischen Südkontinent Gondwana und den präkambrischen bis altpaläozoischen Kontinentblöcken Laurentia, Baltica und Russia führte im Devon und Karbon zur Bildung des variszischen Orogens. Bei dieser Kollision wurde auch eine Anzahl kleinerer, teils bereits vorher im Ordovizium und Silur miteinander kollidierter Kontinentblöcke (Mikrokontinente), die zwischen den vorher genannten großen Kontinentmassen lagen, mit erfaßt und teils subduziert, teils deformiert oder an die großen Kontinentblöcke angeschweißt. Benennungen für solche paläozoischen Mikrokontinente mit jeweils eigener altpaläozoischer Entwicklungsgeschichte sind zum Beispiel Avalonia oder Armorica (Abb. 2). Der Nordteil des variszischen Gebirges in Mitteleuropa, das Rhenohercynikum, wird zu Avalonia gezählt. Zu Armorica gehören das Saxothuringikum, das Tepla-Barrandium sowie die Moldanubische Region. 4. Stand der Alterseinstufung der geologischen Einheiten Ostbayerns Die stratigraphische Einordnung der Gesteinsserien ist nicht in allen Fällen zweifelsfrei möglich. In den nichtmetamorphen paläozoischen Sedimenteinheiten des Frankenwaldes und Fichtelgebirges liefern Fossilien meist eindeutige Belege für das stratigraphische Alter. Schwieriger wird dies bei metamorphen Gesteinen. Dabei entfällt in der Regel die stratigraphische Einordnung mittels Fossilien. Verformung und Metamorphose ließen Fossilien, falls etwa vorhanden, meist unkenntlich werden. Neben Mikrofossilien wurden in den letzten Jahren in den metamorphen Einheiten des Saxothuringikums und des Moldanubikums nun auch Formrelikte gefunden, die dem Aussehen nach am ehesten Brachiopoden zugeordnet werden können. MIELKE (1985) beschrieb solche im Querschnitt linsenförmige Strukturen aus Metasedimenten des Saxothuringikums im Fichtelgebirge (Abb. 3 a). Dabei handelt es sich vermutlich um Querschnitte ehemals hornschaliger Brachiopoden, die heute umkristallisiert mit einem apatitreichen Rand und einem apatitarmen Kern vorliegen. U-Pb-Zirkondatierungen von sauren Metavulkaniten im Bereich dieser formrelikteführenden Metasedimente lieferten ein ordovizisches Alter (480 ± 8 Ma) für die magmatische Bildung der vulkanischen Eduktgesteine (Datierung mittels Ionensonde SHRIMP durch GEBAUER in MIELKE et al. 1996). In moldanubischen Kalifeldspat-Cordierit-Gneisen wurde bei Stadlern SE Schönsee/Opf. eine Gesteinsplatte mit Formrelikten angetroffen, die ebenfalls als Brachiopodenreste angese- 81 Die Altersstellung des ostbayerischen Grundgebirges 12° 13° 0 20 40 km Hof 472 Ma 470 Ma Paläozoische Sedimente 46° TSCHECHIEN Perm Karbon, Devon, Silur 470 Ma Ordovizium Kambrium 472 Ma Metamorphe Gesteine Gneise, Glimmerschiefer Wunsiedler Marmor 474 Ma Metabasit, Diabas Mylonit ("Pfahlschiefer") z.T. mit Quarzgängen 538 Ma 47° Magmatische Gesteine Basaltische Gesteine (Tertiär) Granite Dioritische Gesteine Verwerfung und Deckengrenze Passau Abb. 4. Geologische Übersichtskarte des ostbayerischen Grundgebirges mit Bildungsaltern von leukokraten Orthogneisen (saure Metavulkanite und Granitoide) im Saxothuringikum und Moldanubikum. hen werden können. Das Innere dieser im Querschnitt ca. 1 bis 1,5 cm langen, sphärischen, kalksilikatischen Gebilden ist mit einem Gemenge aus feinkörnigem Biotit, Graphit und ± Granat erfüllt. Die Körper haben divergierende Rippen (Abb. 3 b) sowie einem Stielloch ähnelnde Texturen. Manche Oberflächen zeigen eine reliktische, engständige Rasterung. Nach J. GANDL (mündliche Mitteilung) sind diese Formen in den Zeitraum Oberes Silur bis Devon einzuordnen, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um ein Spiel der Natur. Bei der Vielzahl der noch erkennbaren Formrelikte ist letzteres aber eher unwahrscheinlich. Aus dem Ostteil der Böhmischen Masse sind von SUK (1984) ebenfalls Brachiopodenrelikte aus Granat-führenden Metamorphiten beschrieben. Vielfach wurden in den metamorphen Sedimentgesteinen lithostratigraphische Gliederungen aufgestellt, die meist auf nicht sicheren Altersbelegen basierten. Bei einer rein lithologischen Gliederung muß aber beachtet werden, daß chemisch und lithologisch gleich nicht 82 JOHANN ROHRMÜLLER, DIETER GEBAUER & HUBERT MIELKE immer auch altersgleich bedeutet. In verschiedenen erdgeschichtlichen Zeitabschnitten können sich die gleichen Sedimentationsvorgänge, die zur gleichen Gesteinsausbildung und zum gleichen Chemismus führen, ja durchaus wiederholen. Die zeitliche Einordnung der geologischen Vorgänge mittels radiometrischer Datierungen wird durch die polymetamorphe Überprägung der meisten Gesteine des Grundgebirges erschwert. Das letzte thermische Ereignis kann bei durchgreifender Prägung die Spuren des vorausgegangenen teilweise oder völlig auslöschen und verjüngt so das in Wirklichkeit ältere Gestein. In den saxothuringischen Einheiten des Frankenwaldes und des Fichtelgebirges liegen Abfolgen von Sedimenten und Vulkaniten vom mittleren Kambrium bis zum Unterkarbon vor (GANDL 1998). Während im Bereich der Bayerischen Fazies das Mittelkambrium eindeutig fossilbelegt ist, gibt es für die kambrische Einstufung der Warmensteinacher Serie der Thüringischen Fazies im Fichtelgebirge bisher keine Fossilbelege oder radiometrischen Hinweise. Die lithologische Ausbildung und die Wechsellagerung mit sauren Metavulkaniten, sogenannten Epigneisen, können bei letztgenannter Serie für eine unterordovizische bzw. oberkambrische bis unterordovizische Einstufung sprechen. Die metamorphen Serien des zentralen Fichtelgebirges zeigen hinsichtlich ihrer Alterseinstufung bisher auch kein konsistentes Bild. Die leukokraten Gneise liefern ordovizische magmatische Bildungsalter (MIELKE et al. 1996; SIEBEL et al. 1997). Aus den charakteristischen Metasedimenten fehlen bisher eindeutige Fossilbelege. Die Abfolgen mit Marmor und Graphitschiefern können aufgrund von lithologischen Vergleichen mit datierten Serien im sächsischen Teil des Saxothuringikums ältestenfalls ins Kambrium eingestuft werden. Eine präkambrische Einordnung ist nicht möglich. Aus dem Bereich der Münchberger Masse existieren kambroordovizische Bildungsalter (Intrusionsalter) für die Edukte der Metamagmatite (MÜLLER-SOHNIUS et al. 1987; GEBAUER 1993). In Phylliten der Prasinit-Phyllit-Serie bei Schwarzenbach/Saale und bei Sparneck konnte REITZ (in HEUSE et al. 1994) jungpräkambrische Acritarchen nachweisen (Vendium). Diese Gesteine sind demnach die ältesten fossildatierten Gesteine Bayerns. In der Zone von Erbendorf-Vohenstrauß (ZEV) sind die Metasedimente und die Metavulkanite bisher nicht datiert. Die Metagabbros liefern kambroordovizische Intrusionsalter, Metapegmatite ordovizische Bildungsalter (QUADT 1990, 1994; ARENDT et al. 1997). Im Bereich des ostbayerischen Moldanubikums existieren bisher nur wenige harte Daten für eine Alterseinstufung der Gesteinsserien (MIELKE et al. 1996). Leukokrate Gneise (saure Metavulkanite) aus den Gebieten um Waldmünchen, Rötz, Lam und von Vilshofen (Sandbach) liefern ordovizische und kambrische Alter für Extrusion dieser Vulkanite durch Zirkoneinzelkornuntersuchung mittels U-Pb-Datierung an der Ionensonde SHRIMP (Abb. 4). Diese Alterswerte geben damit auch den Zeitraum für die Ablagerung der Sedimente an, die jetzt metamorph als Gneise vorliegen und in die die Metavulkanite eingelagert sind. In Glimmerschiefern des nördlichen Bayerischen Waldes bei Rittsteig konnte R EITZ (1992) silurische Sporen nachweisen. Leider existieren aus sonstigen Bereichen des Bayerischen und Oberpfälzer Waldes sowie des Regensburger Waldes bis jetzt überhaupt keine Datierungen, so daß hier noch ein großer Handlungsbedarf besteht, damit die stratigraphische Einordnung dieser Gesteine auf eine sichere Datenbasis gestellt werden kann. Die Altersstellung des ostbayerischen Grundgebirges 83 5. Literatur AHRENDT, H., GLODNY, J., HENJES-KUNST, F., HÖHNDORF, A., KREUZER, H., KÜSTNER, W., MÜLLERSIGMUND, H., SCHÜSSLER, U., SEIDEL, E. & WEMMER, K. (1997): Rb-Sr and K-Ar mineral data of the KTB and the surrounding area and their bearing on the tectonothermal evolution of the metamorphic basement rocks. Geol. Rdsch., 86: 251257, Berlin. DÖRR, W., FIALA, J., VEJNAR, Z. & ZULAUF, G. (1998): U-Pb zircon ages and structural development of metagranitoids of the Tepla crystalline complex: evidence for pervasive Cambrian plutonism within the Bohemian massif (Czech Republic). Geol. Rdsch., 87: 135149, Berlin. GANDL, J. 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