B r u st k r e b s do s s i e r For sc h u ng For sc h u ng Zur Person Prof. Dr. phil. nat. Rolf Jaggi hat in Bern Zell- und Entwicklungsbiologie studiert. Anschliessend arbeitete er zuerst im Ludwig-Institut für Krebsforschung und anschliessend im Institut für klinisch-experimentelle Tumorforschung in Bern, wo er sich erstmals mit der Entwicklung von Brustkrebs befasste. Seit rund zehn Jahren betreibt er zell- und molekularbiologische Forschung im Departement Klinische Forschung der Universität Bern. Brustkrebs – die meisten Frauen mit dieser Diagnose denken sofort daran, dass sie an dieser Krankheit sterben können. Doch in den letzten Jahrzehnten haben sich die Aussichten auf Heilung gebessert: 80% der Patientinnen sind fünf Jahre nach der Diagnose noch am Leben. Zahlreiche neue Therapien machen diesen Fortschritt möglich. Der Entscheid, wie eine Patientin behandelt werden soll, fällt den Ärzten aber oft nicht leicht. Denn Brustkrebs ist nicht einfach Brustkrebs. Die einzelnen Tumoren unterscheiden sich stark, zum Beispiel bei der Wachstumsgeschwindigkeit. Deshalb wirken nicht alle Medikamente bei allen Patientinnen gleich gut. Die Vergangenheit erforschen, um die Zukunft zu verbessern Prof. Rolf Jaggi entwickelt innovative Methoden zur Diagnostik von Brustkrebs. Dabei untersucht er Krebs­zellen, die schon vor mehr als zehn Jahren konserviert wurden. Diese «alten» Zellen enthalten immer noch wichtige Informationen, mit denen sich die Behandlung von Krebs­­pa­tientinnen 10 optimieren lässt. Wie aggressiv ist eine Tumorzelle? Prof. Rolf Jaggi arbeitet am Departement Klinische Forschung der Universität Bern daran, diese Situation zu verbessern. «Bei relativ vielen Frauen ist nach der Operation nicht klar, mit welcher Therapie man weiterfahren soll», sagt er. «Eine stark belastende Chemotherapie ist nur bei aggressiven, rasch wachsenden Tumoren sinnvoll.» Die Untersuchung von Tumorgewebe durch den Pathologen hilft nicht immer weiter. Doch neue, molekulare Methoden liefern wichtige Zusatzinformationen. Herauszufinden, wie bösartig ein Tumor ist, war bisher allerdings sehr aufwändig, denn die Tests konnten nur an frischem Tumorgewebe vorgenommen werden. Jaggi hat nun ein einfacheres diagnostisches Verfahren entwickelt. Es lässt sich an bereits konserviertem Gewebe durchführen und ermöglicht, Tumoren mit molekularen Markern nach ihrer Gefährlichkeit einzuteilen. «Mit un­ serem Verfahren untersuchen wir das Gen­ profil einer Tumorzelle. Stellt sich heraus, dass eine Patientin gemäss dem Genprofil einen langsam wachsenden, unaggressiven Tumor hat, kann auf eine Chemotherapie verzichtet werden – ohne Nachteile für die betroffene Frau.» Gewebeproben aus dem letzten Jahrhundert Momentan untersucht Rolf Jaggi mit seinem Verfahren Krebszellen, die in den Jahren 1998 bis 2003 im Rahmen einer Studie gewonnen wurden. Solches Gewebe hat einen riesigen Vorteil: Man weiss, wie die Krankheit bei der Patientin, von der es stammt, verlaufen ist. «Mit diesen Gewebeproben können wir unser Diagnoseverfahren testen und verbessern», erklärt er. «Wir erstellen von jedem Tumor mit der neuen Diagnostik das Genprofil und identifizieren diejenigen Tumoren, die ein ‹unaggressives› Profil haben. Unser Ergebnis vergleichen wir mit der Realität: Ist die Krankheit bei den Patien­ tinnen mit einem ‹unaggressiven› Profil tatsächlich gut verlaufen?» Diese Forschungsarbeit ist nur möglich, weil eine ganze Reihe von Institutionen aus der ganzen Schweiz und Experten aus verschiedenen Fachbereichen eng zusammenarbei­ten – Bioinformatiker, Pathologen, Onkologen, Statistiker und Molekularbiologen wie Rolf Jaggi. Ihr gemeinsames Ziel: die Behandlung von Brustkrebs noch mehr den Merkmalen des Tumors und damit den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Frau anzupassen. Text: Dr. med. Eva Ebnöther 11