Musikstunde One Hit Composer

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Musikstunde One Hit Composer,
Folge 4: Gustav Holst (13. 10. 2011)
Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten. Sie
kennen diesen Satz vielleicht, mit dessen Hilfe man sich die
Reihenfolge der Planeten merken kann. Sie beginnen mit den
gleichen Anfangsbuchstaben wie die Worte dieses Merksatzes:
Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto.
Inzwischen gibt es allerdings nicht mehr neun, sondern nur noch acht
Planeten - Pluto wurde 2006 von der Internationalen
Astronomischen Union zum Zwergplaneten herabgestuft. Doch für
unseren Zusammenhang ist das ohne Belang, weil Gustav Holst ihn
ohnehin nicht in seine Orchester-Suite mit PlanetenCharakterisierungen aufnahm. Das konnte er auch gar nicht, denn
Holsts „Planeten“ entstanden zwischen 1914 und 1917, Pluto
dagegen wurde erst 1930 überhaupt entdeckt. Dem Himmelskörper
war also nur 76 Jahre lang eine Existenz als vollwertiger Planet
beschieden. Die Erde fehlt bei Holst auch, es bleiben also sieben
Planeten-Porträts. „Diese Stücke wurden angeregt durch die
Kenntnis der astrologischen Bedeutung der Planeten; es handelt sich
bei ihnen nicht um Programm-Musik. Ein Zusammenhang mit den
gleichnamigen Gottheiten der klassischen Mythologie besteht nicht.
Falls die Musik einer Einführung bedarf, dürfte der Untertitel jedes
Stückes ausreichen,“ schrieb Holst 1920 anlässlich der ersten
kompletten Aufführung des Gesamtzyklus. Der Mars zum Beispiel
heißt im Untertitel „The bringer of war“; er stand schon in der
Antike für Krieg und Zerstörung, und das in ganz unterschiedlichen
Kulturen; bei den Griechen und Römern ohnehin, aber auch in der
nordischen Mythologie und selbst bei den Azteken, die ihn
Huitzilopochtli nannten, den Zerstörer von Menschen und Städten.
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--------------Musik 1: Gustav Holst, Die Planeten. Nr. 1: Mars. Royal
Philharmonic Orchestra, Dir: André Previn.
Telarc CD-80133. Tr. 1. Dauer: 7’12”
--------------Die erste von Gustav Holsts Planeten-Charakterisierung, der Mars,
wurde interpretiert vom Royal Philharmonic Orchestra unter André
Previn. Auch Holst ist ein One-Hit-Composer, kein anderes seiner
Werke ist auch nur entfernt so populär wie seine Orchester-Suite
„Die Planeten“. Es ist sicher kein Zufall, dass dieses Werk
zumindest in Deutschland erst seit dem HiFi-Zeitalter wirklich
populär wurde – es eignet sich durch seine äußerst effektvolle und
abwechslungsreiche Instrumentierung vorzüglich zur Demonstration
der Leistungsfähigkeit von HiFi-Anlagen. Die „Musikstunde“ ist ja
keine CD-Sendung, deshalb ist es unüblich, das Label zu nennen,
auf dem die jeweilige Aufnahme erschienen ist. Beim „Mars“ eben
hörten wir eine Telarc-Produktion und auch das ist kein Zufall;
Telarc ist ein amerikanisches CD-Label, das besonders hohen Wert
auf die Klangqualität legt.
„Der enorme Erfolg der „Planeten“, bei den Zeitgenossen wie im
Nachleben, hat eine differenzierte Holst-Rezeption weitgehend
verhindert,“ steht unter dem Stichwort Holst im
musikwissenschaftlichen Nachschlagewerk „Musik in Geschichte
und Gegenwart“. Da ist ganz sicher was dran. Gustav Holst dagegen
hielt „Die Planeten“ nicht für sein bestes Werk, und besonders
typisch für seine Klangsprache sind sie auch nicht. Andererseits:
Was ist schon typisch für die Klangsprache von Gustav Holst? Er
ließ sich von Richard Wagner beeinflussen, wie das viele
Komponisten taten, die um 1870 zur Welt kamen. Schon
ungewöhnlicher ist sein Interesse an Astrologie und an indischer
Philosophie. Doch genauso beschäftigte er sich mit alter Musik und
mit Volkslied-Bearbeitungen; er schrieb geistliche Musik genauso
wie Stücke für Amateurmusiker – all diese Einflüsse haben Spuren
in seinem Werk hinterlassen.
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Geboren wurde Gustav Theodore von Holst 1874 in Cheltenham in
Süd-England. Das deutsche „von“ hatte er von seinem Urgroßvater
Matthias von Holst geerbt, der 1799 nach England ausgewandert
war. Das deutsche Adelsprädikat legte er allerdings in der Spätphase
des ersten Weltkriegs ab, es war zu dieser Zeit nicht vorteilhaft, mit
etwas deutschem in Verbindung gebracht zu werden. Auch das
englische Königshaus hatte damals seinen ursprünglichen Namen
Sachsen-Coburg-Gotha ausgetauscht gegen das englische Windsor.
Holsts musikalische Ausbildung verlief unauffällig; Er studierte seit
1893 für fünf Jahre am Royal College of Music, leitete daneben den
Hammersmith Socialist Choir und lernte dabei seine spätere Frau
kennen – alles nichts Ungewöhnliches. Natürlich komponierte er in
dieser Zeit auch, 1897 zum Beispiel „A Winter Idyll“.
------------Musik 2: Gustav Holst, A Winter Idyll.
Archiv-Nr. 19-036729. Tr. 1. Dauer: 7’02“
------------Das war das London Philharmonic Orchestra unter David Atherton
mit einem Jugendwerk von Gustav Holst: „A Winter Idyll“.
Einige Jahre nach diesem Idyll schrieb Holst seine erste Oper „Sita“.
Holst war schon länger fasziniert von der indischen Götterwelt und
Mythologie. Er bemühte sich sogar darum, selber Sanskrit zu lernen,
die Sprache der klassischen indischen Kultur, auch wenn er es
offensichtlich nicht sehr weit darin brachte. Sita ist die Pflegetochter
des Königs Janaka, es gibt mit ihr und um sie eine Reihe von
unappetitlichen Auseinandersetzungen zwischen Rama, dessen
Halbbruder Lakshmena und dem Dämonenkönig Ravana, die so
ähnlich auch in jeder besseren Barock-Oper vorkommen könnten.
Holst komponierte „Sita“ für einen Kompositionswettbewerb, den
der Ricordi-Verlag ausgeschrieben hatte. Am Schluss fehlte Holst
eine Juroren-Stimme zum Wettbewerbs-Sieg – man weiß zwar nicht
genau, wessen Stimme das war, doch es war allgemein bekannt,
dass Charles Stanford, Holsts Kompositionslehrer und damals JuryMitglied, gar nichts von Holsts Opernversuch hielt. Holst selber
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offenbar auch nicht, die Oper sei allzu deutlich geprägt von seiner
Wagner-Begeisterung, der Komponist sprach von „good old
Wagnerian bawling“ – von gutem alten Wagnerischem Gegröle.
Aufgeführt wurde die komplette Oper nie, immerhin schaffte es das
Zwischenspiel aus dem dritten Akt gelegentlich auf
Konzertprogramme. Gegrölt wird hier zwar nicht, das Zwischenspiel
ist rein instrumental; das Leitbild Wagner ist trotzdem unschwer zu
erkennen.
------------Musik 3: Gustav Holst, Sita – Interlude.
Archiv-Nr. 19-036729. Tr. 5. Dauer: 5’47“
-------------Sie hörten wieder das London Philharmonic Orchestra unter David
Atherton, diesmal mit einem Zwischenspiel aus Gustav Holsts Oper
„Sita“.
Im Jahre 1895 wurde unter demselben Charles Stanford, der einige
Jahre später Holst den Sieg im Kompositionswettbewerb vermasseln
sollte, Henry Purcells „Dido und Aeneas“ zum ersten Mal in der
Moderne von Studenten aufgeführt, mit dabei in dem für das heutige
Stilempfinden fürchterlich aufgeblähten Orchester: Gustav Holst und
Ralph Vaughan Williams, deren Freundschaft von den gemeinsamen
Studientagen bis zu Holsts Tod dauerte. Anlass der PurcellAufführung waren die Feiern zum 200. Todestag dieses
Komponisten – ein in England vielbeachtetes Ereignis, das eine
Welle der Begeisterung für elisabethanische Musik auslöste.
Tatsächlich hat das Interesse an alter Musik und damit die historisch
informierte Aufführungspraxis im ausgehenden 19. Jahrhundert ihre
Wurzeln. Indiz dafür ist der gewaltige Eindruck, den Purcells Musik
auf Gustav Holst machte. 1911 setzte er, jetzt mit seinen Schülern,
die erste moderne Aufführung von Purcells „The Fairy Queen“ ins
Werk.
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-------------Musik 4: Henry Purcell, The fairy Queen. 3. Akt: “If love’s a sweet
passion”. Catherine Bott, Sopran; The Amsterdam Baroque
Orchestra and Choir, Dir: Roger Norrington.
Erato 4509-98507-2. CD 1, Tr. 21. Dauer: 4’08”
-------------Catherine Bott, Sopran und Amsterdam Baroque Orchestra und Chor
unter Ton Koopman waren das mit dem Beginn des dritten Aktes aus
Henry Purcells Oper “The Fairy Queen”, deren erste Aufführung in
der Moderne 1911 von Gustav Holst geleitet wurde.
In Gustav Holsts Kompositionen wie wohl auch in seinem Leben
zeigen sich antagonistische Tendenzen. Da gibt es auf der einen
Seite sein Faible für Indien und überhaupt für spirituelle Themen –
beides war gar nicht typisch für englische Komponisten zu Beginn
des 20. Jahrhunderts. Doch genauso beteiligte sich Holst an den
damals aktuellen Trends in der englischen Musik: Beispiele sind die
Hinwendung zur alten Musik, besonders zu der des
elisabethanischen Zeitalters, und die Einbeziehung von Volksliedern
und deren Bearbeitung. 1911 schrieb Holst seine zweite Suite für
Militärband über Volkslied-Themen – offensichtlich tat er das eher
nebenbei, eigentlich hatte er anderes zu tun, zum Beispiel eine
Komposition anzufertigen für die bevorstehende Krönung König
George V. Vielleicht deshalb hat er die Suite weg gelegt und dann
vergessen, bis er 1922, also elf Jahre nach der Komposition, nach
einem Werk für Militärband gefragt wurde. Volksmusik-Themen
benutzte er auch in einigen anderen Werken, oft sogar die gleichen
Themen wie in der Suite – auch das mag ein Grund dafür gewesen
sein, dass er die Suite schlichtweg vergaß. Die Kritik jedenfalls war
nach der späten Uraufführung der zweiten Suite begeistert: „Hier ist
Musik, die jedermann verstehen kann, welche aber auch bei den
Musikern Gefallen findet. Sie sollte die schlechte Musik...ersetzen,
die von den Military Bands so gern gespielt wird, und von der sie
glauben, es sei die einzige Musik, die das Publikum wünscht.“
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-------------Musik 5: Gustav Holst, 2. Suite in F op. 28, Nr. 2
Archiv-Nr. 19-066748. Tr. 4. Dauer: 1’29“
-------------Das Sinfonische Blasorchester Württembergisches Allgäu unter
Thomas Herz spielte den dritten Satz aus Gustav Holsts zweiter
Suite in F: „Song of the Blacksmith“.
Gustav Holst hat ein Gesamtwerk von beeindruckendem Umfang
hinterlassen. Darunter sind zwar nur wenige Werke für
Kammermusik und für Klavier, umso mehr dafür für groß besetzte
Gattungen. Besonders eifrig komponierte er Chorwerke, was sicher
mit seiner Sozialisation zusammenhängt; schon vor seinem
Musikstudium arbeitete er in der Umgebung seines Geburtsortes
Cheltenham als Organist und Chorleiter. Klangmächtige Chorwerke
mit Orchesterbegleitung durchziehen sein gesamtes
kompositorisches Leben. Wobei solche Chormusik bei Holst
durchaus nicht identisch ist mit geistlicher Musik. Die gibt es zwar
auch, aber den größeren Anteil haben nicht-geistliche Texte; Texte
englischer Dichter überwiegen dabei mit großem Abstand: John
Keats, Robert Bridges, Thomas Hardy und natürlich William
Shakespeare. Als der Organist der Gloucester Cathedral Holst um
ein Stück mit konzertantem Orgelpart bat, griff dieser zu einer
Dichtung von Robert Bridges, die Bridges zur 200 Jahr-Feier von
Purcells Todestag 1895 verfertigt hatte – Holst hatte bei diesem
Anlass bei der Festaufführung von Purcells „Dido und Aeneas“
mitgewirkt. Jetzt schrieb er ein Stück, das er „A Choral Fantasia“
nannte: ein groß besetztes oratorisches Werk für Solo-Sopran, Chor,
Orgel und Orchester auf Robert Bridges Ode. Während Holst die
Choral Fantasia komponierte, starb Bridges, deshalb ist das Werk
ihm gewidmet.
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--------------Musik 6: Gustav Holst, A Choral Fantasia. Lynne Dawson, Sopran.
Guildford Choral Society; Royal Philharmonic Orchestra; John
Birch, Orgel; Dir: Hilary Davan Wetton.
Hyperion CDA 66660. Tr. 4+5. Dauer gesamt: 7’35”
-------------Das waren Lynne Dawson, Sopran; die Guildford Choral Society;
das Royal Philharmonic Orchestra und John Birch, Orgel, unter der
Leitung von Hilary Davan Wetton mit dem Ende der „Choral
Fantasia“ von Gustav Holst.
Sie kennen vielleicht das hübsche Frühlingsliedchen „Now is the
Month of Maying“, das zu den bekanntesten englischen Madrigalen
überhaupt zählt. Thomas Morley setzte es lustvoll in Musik und
veröffentlichte das Madrigal 1595. Es erfreut sich in Laienchören
größter Beliebtheit.
--------------Musik 7: Thomas Morley, „Now is the Month of Maying“.
Regensburger Domspatzen.
Archiv-Nr. 12-047639. Tr. 16. Dauer: 2’15“
--------------Das waren die Regenburger Domspatzen mit Thomas Morleys
populärem Madrigal “Now is the Month of Maying”. Den gleichen
Text hat auch Gustav Holst vertont, und zwar ohne dass er die
Vertonung Morleys gekannt hätte. Die fröhliche Grundstimmung in
beiden Liedern haben wir dem frühlingstrunkenen Text zu
verdanken; es geht um die erwachenden Lebensgeister und
Liebesgefühle im Frühling. Kommentierte die Musical Times: „Es
ist immer angenehm, über den Mai nachzudenken, besonders wenn
im April die Winde blasen.“
--------------Musik 8: Gustav Holst: „Now is the Month of Maying“. The City of
Birmingham Symphony Chorus, Dir: Simon Halsey.
Archiv-Nr. 19-061564. CD 1, Tr. 13. Dauer: 1’31“
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Gustav Holsts Version des Frühlingsliedes „Now is the Month of
Maying“ mit dem City of Birmingham Symphony Chorus unter
Simon Halsey.
Das wohl prominenteste Beispiel für eine weltliche Chorkomposition
von Gustav Holst findet sich in den „Planeten” – wo denn auch
sonst? Deren letzter Satz ist dem Neptun gewidmet, der nach der
Degradierung des Pluto inzwischen wieder als letzter Planet gilt,
etwa 4,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt und mit
entsprechend frostigen Temperaturen. Wohl deshalb hat Holst ihm
den Untertitel „Der Mystische“ gegeben, hat ihn fast durchweg in
einer pianissimo-Klangwelt angesiedelt, in die sich die kaum
hörbaren Vokalisen des Frauenchors perfekt einfügen. Gespenstische
Musik, die so weit entfernt wirkt wie der Neptun.
-------------Musik 9: Gustav Holst, Die Planeten. Nr. 7: Neptun. Royal
Philharmonic Orchestra, Dir: André Previn.
Telarc CD-80133. Tr. 7, 4’05“ – 7’41“. Dauer: 3’36”
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