Thrombosen der Netzhaut und der angrenzenden

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Thrombosen der Netzhaut und der angrenzenden
Gefäße – eine therapeutische Herausforderung
SUSAN HALIMEH, GEMEINSCHAFTSPRAXIS FÜR LABORATORIUMS- UND TRANSFUSIONSMEDIZIN H. ROTT - H. TROBISCH - G. KAPPERT, DUISBURG
Retinale Gefäßverschlüsse sind die zweithäufigste Augengefäßerkrankung nach der diabetischen Retinopathie. In einer großen Studie
konnten DAVID R et al. zeigen, dass 2,14 von
1.000 betroffenen Patienten älter als 40 Jahre
und 5,36 von 1.000 Patienten älter als 60 Jahre
waren [1].
Die Folgen retinaler
Gefäßverschlüsse sind
gravierend. Sie führen
letztlich zum Absterben
des Auges.
Die Folgen retinaler Gefäßverschlüsse sind
gravierend. Sie führen letztlich zum Absterben
des Auges. In den verschiedenen Studien
konnten folgende Risikofaktoren für retinale
Gefäßverschlüsse festgestellt werden: Bluthochdruck, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen,
Hypercholesterinämie und ein erhöhter Augeninnendruck [2, 3, 5, 6, 7, 8, 10]. Thrombophile
Risikofaktoren wie Antithrombin- Mangel,
Protein-C- oder Protein-S-Mangel, Faktor-VLeiden-Mutation, Prothrombin-Mutation und
erhöhte Lipoprotein(a)-Werte sind dagegen eher
mit tiefen Beinvenenthrombosen assoziiert.
Tabelle 1: Risikofaktoren für einen
Zentralvenenverschluss des Auges
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Hypertonus
73 %
Nikotin
32 %
Cholesterin
18 %
Diabetes mellitus
16 %
Hyperurikämie
7%
Polyglobulie
5%
VASCULAR CARE 2/2007 VOL. 13
Mittlerweile existieren zwar einzelne Studien
zu Augenvenenthrombosen. Die erfassten Fallzahlen sind aber noch so klein, dass keine
klare Aussage hinsichtlich der therapeutischen
Möglichkeiten bei retinalem Verschluss getroffen
werden kann [4, 9]. Auch die Entstehung der
retinalen Venenverschlüsse ist letztendlich nicht
geklärt. Die gehäufte Kombination von arteriosklerotischen Risikofaktoren und Venenverschlüssen legt aber die Vermutung nahe, dass
besonders bei älteren Menschen dem Verschluss
eine sklerotische Veränderung der begleitenden
Arterie ursächlich zu Grunde liegt.
Der Spontanverlauf retinaler Verschlüsse bezüglich des Visus ist schlecht. Nach einem Venenastverschluss (VAV) enden bis zu 46 % der Patienten bei einer Sehschärfe unter 10 %.
Das Behandlungsergebnis bei Patienten mit
retinalen Verschlüssen ist noch immer sehr unbefriedigend. Von den bisher erprobten Therapien
haben sich lediglich die Hämodilution und die
Photokoagulation als wirksam erwiesen. Dennoch bleibt die Sehschärfe der Betroffenen in
den meisten Fällen schlecht. Es wird deshalb
nach Möglichkeiten gesucht, das therapeutische
Spektrum zu erweitern.
Der Zentralvenenverschluss
Klinisch ist ein Verschluss der Zentralvene im
Auge durch folgende Symptome gekennzeichnet:
• leichte bis ausgeprägte Reduzierung
der Sehschärfe
• langsame Entwicklung der Symptome
über Stunden bis Tage
• dunkle Gesichtsfeldschleier
Abbildung 1: Bild einer gesunden Netzhaut
Normales
Netzhautbild
Des Weiteren zeigt der Augenhintergrund der
Patienten mit Zentralvenenverschluss folgende
charakteristischen Befunde:
•
•
•
•
Venenstau
Cotton-wool-Herde
Papillenödem
gegebenenfalls retinale Blutungen
Abbildungen 1 und 2 zeigen eine gesunde
Netzhaut bzw. eine Netzhaut mit Zentralvenenverschluss im Vergleich.
Für das Entstehen von Zentralvenenverschlüsse
gibt es zahlreiche Risikofaktoren. Sie sind in
Tabelle 1 aufgeführt (Tab. 1)
Abbildung 2: Netzhaut eines Patienten mit Zentralvenenverschluss
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Studie zur
Augenvenenthrombose
In die vorliegende Studie wurden über 90
Patienten mit einer Augenvenenthrombose
eingeschlossen. Alle Patienten wurden einem
Thrombophiliescreening unterzogen. Zusätzlich sind die Laborparameter Gesamtcholesterin,
LDL/HDL und Triglyceride sowie HbA1c ermittelt worden. Anamnestisch wurde festgehalten,
welche Studienteilnehmer Raucher sind.
Die Patienten wurden nach
Erstellung der Diagnose
einer Augenvenenthrombose
mit einem niedermolekularen Heparin (Dalteparin)
behandelt.
Die Patienten wurden nach Erstellung der
Diagnose einer Augenvenenthrombose mit
einem niedermolekularen Heparin (Dalteparin) behandelt. Als Kriterien für einen Therapieerfolg wurden Verbesserungen des Visus, des
Gesichtsfeldes oder des Augenhintergrundes
(Verschwinden eines Ödems an der Makula)
gewertet.
Ergebnisse dieser Untersuchung
In die Studie wurden insgesamt 56 Frauen
(62,2 %) und 34 Männer (37,8 %) eingeschlossen. Das mediane Alter betrug 56,6 Jahre. Die
ermittelten Laborparameter der in die Studie
aufgenommenen Patienten sind in Tabelle 2
zusammengefasst.
5/90 Patienten (8,89 %) hatten eine Faktor-VLeiden-Mutation (p = 0,482). Bei insgesamt 14
von 90 Personen (14 %) wurde ein Glykoprotein
1a T807T (p = 0,752) festgestellt. Bei fünf der
90 Studienteilnehmern (5,56 %) ließ sich eine
heterozygote Prothrombin-Mutation nachweisen
(p = 0,016). Glykoprotein HPA 1a/1b HPA 1b/1b
war bei 36 Patienten (40 %) zu finden (p = 0,029).
Die Konzentration des Lipoproteins (a) war bei
37 von 90 Patienten (30 %) signifikant erhöht
(p = 0,000).
Die Therapie mit Dalteparin (5.000 I.E. pro Tag)
erfolgte über mindestens drei Monate. Sie war
bei 75 von 90 Patienten erfolgreich (83,3 %),
d.h., es konnte in 83 % der Fälle eine Verbesserung von Visus, Gesichtsfeld oder Augenhintergrund festgestellt werden (Abb. 3 und 4).
Tabelle 2: Laborparameter der 90
Patienten mit Augenvenenthrombose
Laborparameter
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Anzahl Patienten/
Gesamtzahl
Anteil in %
Faktor-VIII-Erhöhung > 150 %
29/90
28,9 %
Homocystein > 12 µmol/l
16/90
17,8 %
Fibrinogen > 350 mg/dl
26/90
28,9 %
D-Dimere > 200 µg/l
24/90
26,7 %
Faktor-XII-Erniedrigung
6/90
6,7 %
Cholesterin > 200 mg/dl
56/90
62,2 %
LDL > 100 mg/dl
15/90
16,7 %
HDL < 35 mg/dl
47/90
52 %
Triglyceride > 200 mg/dl
17/90
18,9 %
Raucher
28/90
31,1 %
Generelle Thrombosetherapie
bei Augenvenenthrombose?
Die Untersuchung belegt die Wirksamkeit von
Dalteparin bei Patienten mit Augenvenenthrombosen. Die Ergebnisse werfen die Frage auf, ob
man eine Augenvenenthrombose nicht wie jede
andere Thrombose behandeln sollte?
Abbildung 3: Augenvenenthrombose: Bild eines
Patienten bei Aufnahme in die Studie vor der
Behandlung mit Dalteparin
Tag 1 Infarkt
Unsere Arbeitsgruppe hat sich auf Grund
der vorliegenden Resultate dazu entschlossen,
Patienten mit einer Augenvenenthrombose generell mindestens über drei bis sechs Monate
mit niedermolekularen Heparinen zu behandeln.
Aggregationshemmer haben sich bei dieser
speziellen Indikation nicht als gleichwertig wirksam erwiesen. Die Patienten, die mit Acetylsalicylsäure (ASS 100) behandelt worden waren,
wiesen ausgeprägte Fundusblutungen unter
der Therapie auf. Die Blutungen waren nach
Umstellung der Therapie auf NMH eindeutig
rückläufig. Eine Antikoagulation mit Marcumar®
zeigte ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg;
auch unter Marcumar® traten ausgeprägte Blutungen im Bereich des Fundus auf.
Noch offen bleibt die Frage, wie die Behandlung
nach den drei bis sechs Monaten fortgeführt
werden sollte. In unserer Arbeitsgruppe werden die Patienten auf ASS (100 mg) umgestellt.
Zusätzlich vorliegende Risikofaktoren für eine
Thrombose wie Hypertonus, Diabetes mellitus
und eine Hypercholesterinämie werden in
Zusammenarbeit mit den Internisten eingestellt.
Abbildung 4: Bild des selben Patienten nach 40-tägiger
Behandlung mit Dalteparin
Tag 40 nach Dalteparin
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Literatur
[1] David R, Zangwill L, Badara M et al.: Epidemiology of retinal vein
occlusion and ist assoziation with glaucoma and increased intraocular pressur. Ophthalmologica 197 (1988) 69-74
[2] Dryden RM: Central retinal vein occlusion and chronic simple glaucoma. Arch Ophthalmol 73 (1965) 59-63
[3] Hayneh SS; Zimmermann B, Mc Carthy MJ et al.: Systemic
diseases associated with various types of retinal vein occlusion.
Am J Ophthalmol 131 (2001) 61-77
[4] Larson J, Hillkamp A et al.: Activated protein C resistance and
anticoagulant proteins in young adult with central retinal vein
occlusion. Acta Ophthalmol Scand 77 (1999) 634 -7
[5] Prisco D, Marcucci R, Bertini L et al.: Cardiovascular and thrombophilic risk factors for central vein occlusion. Eur J Intern Med
13 (2002) 163-9
[6] Prisco D, Marcucci R: Retinal vein thrombosis risk factors, pathogenesis and therapeutic approach. Pathophysiol Haemost Thromb
32 (2002) 308-11
[7] Reccia FM, Brown GC: Systemic disorders associated with retinal
vascular occlusion. Curr Opin Ophthalmol 11 (2.000) 462-67
[8] Sperduto RD, Hiller R, Chew I et al.: Risk factor for hemiretinal
vein occlusion: comparison with risk factors for central and
branch retinal vein occlusion: the eye disease case-control study.
Ophthalmology 105 (1998) 765-71
[9] Tekeli O, Gursel E et al.: Protein C, protein S and antithrombin III
deficiencies in retinal vein occlusion. Acta Ophthalmol Scand 77
(1999) 628-30
[10] Vannas S, Tarkkanen A: Retinal vein occlusion and glaucoma tonographic signifcance. Br Ophtalmol 44 (1960) 583-89
Dr. med. Susan Halimeh
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
Fachärztin für Hämostasiologie und
Transfusionsmedizin
Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsund Transfusionsmedizin
Dr. med. H. Rott, Prof. Dr. med. H. Trobisch,
Dr. med. G. Kappert
Königstraße 53
47051 Duisburg
e-mail: [email protected]
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