Der Schatten in der Psychologie l l Astrolog 192 | 2013 Grundlagen der Astronomie D e r P u n k t d e r Ta g u n d n a c h t g l e i c h e n Am 20. März 2013 war auf der Nordhalbkugel astronomischer Frühlingsanfang. Die Sonne stand um 12:02 Uhr senkrecht über dem Äquator. Das wiederholt sich, aufgrund der Erdachsenneigung und der Erdumlaufbahn, jedes Jahr nach genau 365,242 Tagen. Als Frühlingspunkt wird in der Astronomie der Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Ekliptik bezeichnet, an dem die Sonne zum Frühlingsanfang der Nordhalbkugel (Herbstanfang der Südhalbkugel) steht. Frühlings- und Herbstpunkt werden daher auch als Äquinoktialpunkte, bzw. Äquinoktien bezeichnet. Bruno Landolt D ASTRONOMIE er Der Frühlingspunkt auch Widderpunkt, (lat./engl. Aries) ist der Punkt auf der imaginären Himmelskugel, bei dem die Sonne auf ihrer auf diese Kugel projizierten Bahn, der Ekliptik, auf dem Weg von Süden nach Norden den Himmelsäquator durchschneidet. Der Frühlingspunkt ist zwar kein direkt beobachtbarer und messbarer Punkt, aber seine Lage kann stets aus geeigneten Beobachtungen rechnerisch ermittelt werden. In diesem Schnittpunkt der zwei Fundamentalebenen steht die Sonne jeweils am 20. oder 21. März. Durch die Präzession (langsamer sich im Laufe eines Platonischen Weltenjahres von ca. 25.800 Jahren um 360 Grad. Der Frühlingspunkt ist jedoch inzwischen aufgrund der Präzession ins Sternbild Fische gerück beziehungsweise bereits im Überlappungsbereich dieses Sternbildes mit dem Sternbild des Wassermannes. Für die westliche Astrologie ist dies allerdings nicht von Belang. Sie arbeitet mit dem so genannten tropischer Tierkreis, dessen Beginn (0 Grad Widder) der Frühlingspunkt ist. Die Achse 0° Widder / 0° Waage nennt man entsprechend Äquinoktinalachse. Sie trennt die Sommertierkreiszeichen und die Wintertierkreiszeichen voneinander. Siderische und tropische Astrologie In der Astrologie bestehen zwei verschiedene Systeme nebeneinander. Das erste System ist die klassische, tropische Astrologie. Diese baut auf den zwölf tropischen Tierkreiszeichen auf. Es handelt sich dabei um die allgemein anerkannte Form der sogenannten «klassischen» Astrologie, die vor allem im Westen (von verschiedenen Schulen) praktiziert wird. Das zweite System, die siderische Astrologie, bezeichnet diejenige Astrologie, welche die zwölf siderischen Sternbilder zu Grunde legt. indischen Astrologie vor. Die siderische Astrologie arbeitet mit den 20 siderischen Sternbildern. Vom lateinischen Wort «sidus» für «Gestirn» leitet sich der Name des «siderischen» Tierkreises her. Es werden die Sternbilder, Tierkreisbilder oder auch – wie im englischen, amerikanischen, französischen und spanischen Sprachraum – «Konstellationen» bzw. «stellaren Konstellationen» beschrieben Das siderische Jahr (Sternjahr) ist die wahre Dauer eines Umlaufs der Erde um die Sonne. Nach einem siderischen Jahr steht die Sonne in Bezug auf die Sterne wieder an der gleichen Stelle des Himmels. Der Mond benötigt für einen Umlauf um die Erde einen ‹siderischen Monat›, das sind genau 27,322 Tage. Dagegen beträgt der synodische Monat (Zeit zwischen zwei Neumonden) im Mittel 29,531 Tage. Wanderung der Äquinoktialpunkte Die Gravitationskräfte von Sonne, Mond und den übrigen Planeten versuchen, den Äquatorwulst der um 23,5° gegen die Ekliptikebene geneigten Erde in diese Ebene zu ziehen und so die Erde bezüglich der Ekliptik «aufzurichten». Die Erde richtet sich jedoch nicht auf. Vielmehr weicht die Erdachse aufgrund des Trägheitsmomentes unter Beibehaltung ihres Neigungswinkels seitlich aus, so dass Astrolog 192 | 2013 Grundlagen der Astronomie l BERATUNG UND AUSBILDUNG die Richtung, in die sie geneigt ist, in etwa 25.800 Jahren einmal volle 360° durchläuft. Die senkrecht auf der Erdachse stehende Äquatorebene nimmt an dieser Bewegung teil, so dass die Äquinoktialpunkte als Schnittpunkte von Äquatorebene und Ekliptikebene in 25.800 Jahren einmal rund um die Ekliptik laufen. Diese Bewegung der Erdachse bzw. der Äquinoktialpunkte wird als Präzession (lat. «Vorangehen») bezeichnet. Die Äquinoktialpunkte verschieben sich dabei pro Jahr um etwa 50 Bogensekunden in westlicher Richtung entlang der Ekliptik. Dieser Effekt ist so groß, dass er über einen Beobachtungszeitraum von wenigen Jahrzehnten auffällt, und daher in der Antike schon bekannt war. Der Astronom Hipparchos Im 2. Jahrhundert vor unserer Zeit entdeckte der griechische Astronom Hipparchos (190 bis 120 v. Chr.) die Verschiebung des Frühlingspunktes, welcher sich damals am Anfang des Sternbilds Widder befand, in bezug auf den Sternenhimmel auf Grund der heute bekannten Erdachsenpräzession. Hipparchos war der bedeutendste griechische Astronom seiner Zeit. Er gilt als Begründer der wissenschaftlichen Astronomie und war auch Mathematiker und Geograph. Hipparchos ging bei seinen Forschungsarbeiten mit äußerster Genauigkeit vor. Beim Vergleich seiner eigenen Himmelsstudien mit denen früherer (auch babylonischer) Astronomen, wie zum Beispiel Aristyllos und Timocharis, entdeckte Hipparchos die langsame Präzession der Erdachse anhand der Verschiebung der Äquinoktien. Mit Äquinoktium (lat. aequus «gleich», nox «Nacht») oder Tagundnachtgleiche wird in der Regel einer der beiden Tage im Jahr bezeichnet, an denen der lichte Tag und die Nacht gleich lang sind. Die Tagundnachtgleichen markieren den Beginn des astronomischen Frühlings bzw. des astronomischen Herbstes. Die Sonne überquert an diesen Tagen den Himmelsäquator, steht also senkrecht über dem Erdäquator. Wie der Frühling Symbol für den Jahresanfang ist, wurde und blieb der «initiative» Widder Symbol für den Beginn des Tierkreises. Die Astrologen richteten die Planetenpositionen von da an nicht mehr an den tatsächlichen Sternen, sondern an den mathematischtheoretischen Gebilden der Tierkreiszeichen aus, ohne die Verschiebung des Frühlingspunktes in das Sternbild Fische (und bald Wassermann) zu berücksichtigen. Hipparchos Berechnung des tropischen Jahres (der Länge des von den Jahreszeiten bestimmten Jahres) weicht nur 6,5 Minuten von modernen Messungen ab. Er ersann eine Methode, um Positionen auf der Erde mit Hilfe der geo­grafischen Breite und Längen zu ermitteln. Das Koordinatensystem von Kugeln Koordinatensysteme dienen der Bestimmung (d.h. dem Auffinden) Von Punkten auf einer Fläche oder im Raum. Um einen bestimmten Punkt auf der Kugel zu finden, benötige ich drei Größen: 1. Einen festgelegten Bestimmungskreis, den so genannten Fundamentalkreis. 2. Eine Polachse, die rechtwinklig durch den Fundamentalkreis hindurch geht. 3. Einen willkürlich festgelegten Anfangspunkt auf dem Fundamentalkreis. Wenn man den Anfangspunkt auf dem Grundkreis kennt, kann man jeden beliebigen Punkt auf der Kugel eindeutig festlegen und auffinden: Man braucht nur zu zählen wieviele Grad man jeweils auf dem Fundamentalkreis wandern muss um sich senkrecht unter dem gesuchten Punkt zu befinden und dann die Entfernung messen, die sich der Punkt über oder unter dem Grundkreis befindet. l Polachse Fundamentalkreis Anfangspunkt 21