M e l a M eierha n s erhielt bereits in ihrem Elterhaus erste wichtige künst­ lerische Impulse aus zeitgenössischer Musik und Malerei. Seit 2003 liegt ihr Arbeitsschwerpunkt im Bereich Musiktheater und Musik im (öffentlichen) Raum. In diesem Kontext arbeitete sie wiederholt mit MaerzMusik Berlin, mit dem Staatstheater Hannover sowie dem Forum für zeitgenössische Musik Leipzig zusammen. Sie erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge u.a. von Lucerne Festival, MaerzMusik, Sinfonieorchester Basel, Roosevelt Ensemble Washington, Klangwerkstatt Berlin, basel sinfonietta, Gare du Nord Basel und Nouvel Ensemble Contemporain. Von 1998 bis 2000 war Mela Meierhans Gastkomponistin im Elektronischen Studio der Musik-Akademie Basel, 2008 wurde sie von der Pro Helvetia als Composerin-residence mehrere Monate nach Kairo eingeladen. Die Werke von Mela Meierhans entstehen in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Persönlichkeiten aus Musik, Literatur, Architektur, Tanz, Theater und Film. Für sie bedeutet Komponieren, den Alltag zu strukturieren und den Raum zu gestalten; Komponieren heißt für sie, Grenzen zu setzen und gleichzeitig Grenzen zu überschreiten. Als Grenzgängerin par excellence erweist sie sich in ihrem mehrteiligen Musiktheater „Jenseitstrilogie“, in dem sie sich mit christ­lichen, islamischen und jüdischen Toten- und Trauer­ritualen auseinandersetzt. Bereits die ersten beiden Teile der Trilogie wurden bei MaerzMusik aufgeführt: 2006 Teil I „Tante Hänsi“, 2010 folgte die Uraufführung des Teil II, „Rithaa“. 2014 hat nun der dritte Teil „Shiva for Anne“ bei MaerzMusik Premiere. I ri n a Ung urea n u studierte Gesang an der Zürcher Hochschule der Künste bei Jane Thorner Mengedoth. Besondere Aufmerksamkeit schenkt sie der zeitgenössischen und der Alten Musik, der freien Improvisation, dem Liedund Oratorienrepertoire und der rumänischen Volksmusik, welche die in Bukarest geborene Sopranistin seit ihrer frühen Kindheit begleitet. Sie tritt in festen sowie in wechselnden Formationen regelmäßig in Projekten, Konzerten und im Musiktheater auf. Sie unterrichtet Sologesang an der Pädagogischen Maturitätsschule (PMS) Kreuzlingen. R ebe cca O c ken de n studierte nach ihrem Abschluss an der Universität Oxford Gesang am Centre de musique baroque de Versailles. Es folgten zahlreiche Oratorienaufführungen und Soloabende in Deutschland, Frankreich und England. Das Repertoire der Sopranistin ist breit gefächert: Sie sang Rollen in Opern von Mozart, Telemann, Lully, Britten, Kagel und Dusapin. Mit William Christie und Les Arts Florissants nahm sie als Solistin „Grands Motets“ von Henry Desmarest und „Zéphyre“von Jean-Philippe Rameau auf. Zu hören war sie auch in Henry Purcells „King Arthur“ in den USA und in Claudio Monteverdis „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ in New York, Wien, London und Paris oder etwa in Purcells „Fairy Queen“ an der Opéra de Lyon und in Francesco Cavallis „Didone“ im Amster­damer Concertgebouw. B arbara Sc hi n g n it z entwickelt Soloprogramme für Schlagzeug und Perkussion, die er weltweit aufführt. Er arbeitet spartenübergreifend unter anderen mit dem Architekten Boa Baumann, der Lichtgestalterin Brigitte Dubach, der Regisseurin Barbara Frey und dem Choreografen Joachim Schloemer. Er schrieb Kompositionen für Schlagzeugensembles und Schlagzeugsolisten, Klanginstallationen, Radiohörspiele, Theater, Kammeroper, Ausstellungen, Musik zu Filmen und Lesungen. Fritz Hauser hat die Werke verschiedener Komponisten uraufgeführt und spielt mit improvisierenden Musikern rund um den Globus. studierte parallel zu ihrem Studium der Musikpädagogik, der Musikwissenschaft, der neuen deutschen Literatur und der Medienwissenschaft Sologesang an der Musikhochschule in Basel bei Verena Schweizer. Die Mezzo­sopranistin besuchte Meisterkurse u. a. bei Peter Schreier, Margreet Honig, Anne-Sofie von Otter, Vesselina Kasarova und Graham Johnson. Gegenwärtig erweitert sie mit Adrian Baianu ihr sängerisches Repertoire. Sie tritt als Konzertsängerin sowie als Solistin in szenischen Musiktheaterprojekten auf; weitere Schwerpunkte umfassen die kammermusikalische Arbeit, die Ensembletätigkeit in verschiedensten Formationen sowie die Interpretation neuer Musik und des Lieds. B ri gitte D uba c h Les lie Le o n F rit z H auser gestaltet Lichträume für Tanz-, Theater- und Musik­ projekte. Mit Vorliebe gestaltet sie das Licht für tanzende Menschen. Als ehemalige Turn- und Sportlehrerin hat sie sich zunächst im Bereich Tanz- und Bewegungstheater aus- und weitergebildet. Danach folgten Assistenzen bei renommierten Lichtgestaltern. Mit Fritz Hauser verbindet sie eine langjährige und intensive Zusammenarbeit: Zum ersten Mal haben die beiden bei „A manca di Orione“ zusammen gearbeitet, zuletzt im Rahmen der Produktion „Schallmaschine Maximus“ im Römischen Theater Augusta Raurica. In a Bo es c h ist Kulturwissenschaftlerin und Publizistin. Sie war viele Jahre als Kulturredakteurin und Autorin beim Kulturkanal des Schweizer Radios engagiert sowie als Dozentin an der Hochschule der Künste Zürich und der Universität Zürich. Heute arbeitet sie als freischaffende Wissenschaftlerin, Autorin von Sachbüchern (u. a. „Codetta“ 2013, „Grenzfälle“ 2008) und in der Kulturvermittlung. Dort leitet, konzipiert und evaluiert sie Kulturprojekte. Sie ist Co-Initiantin und Kuratorin der Kulturplattform „hexperimente“. A n n e Bl on stei n (1958 – 2011) studierte Naturwissenschaften und promovierte in Genetik an der Cambridge University. Ab 1983 wohnte sie in Basel, wo sie als Übersetzerin und Lektorin arbeitete. Sie gilt als eine der bedeutenden englischsprachigen Dichterinnen der Gegenwart. Ihre Gedichte und Prosadichtungen veröffentlichte sie in Zeitschriften und Anthologien in Nordamerika, Großbritannien und der Schweiz. Zu ihren Publikationen gehören: „the blue pearl“ (2003), „worked on screen“ (2005), „memory´s morning“ (2008) und „correspondence with nobody“ (2008). Mit der Komponistin Mela Meierhans verband sie eine langjährige Zusammenarbeit. R ap hae l I mm o o s studierte Kirchenmusik an der Musikhochschule Luzern und schloss mit dem Berufsdiplom für Orgel und Chor­leitung ab. Er besuchte Meisterkurse in Orchesterleitung im In- und Ausland. Er arbeitet als Dozent für Chor­leitung und dirigiert renommierte Ensembles, Orchester und Chöre. Die Aufführung zeitgenössischer Musik (u.a. von Caspar Diethelm, Roland Moser) ist ihm ein großes Anliegen. MM14_6stg_16.03._Meierhans_Shiva__RZ.indd 1 Die Mezzosopranistin studierte in Berlin und Hamburg und ist neben ihrer Bühnentätigkeit in Oper, Konzert und Oratorium eine gefragte Interpretin zeitgenössischer Musik. Sie erhielt Einladungen unter anderem zu Festivals wie Wien Modern, Musikfest Berlin und MaerzMusik, Festival de Mexico en el Centro Histórico, Theaterspektakel Zürich und Warschauer Herbst. Sie arbeitet mit Ensembles wie dem Klangforum Wien, dem ensemble für neue musik zürich und dem Gewandhausorchester Leipzig zusammen und brachte zahlreiche für sie geschriebene Werke in Musiktheater und Konzert zur Uraufführung. Aktuell wird die Arbeit der Sängerin durch das Pro-Exzellenzia-Stipendium der Europäischen Union und der Stadt Hamburg sowie durch ein Stipendium der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover gefördert. Danie l I ssa nahm nach einem Architekturstudium an der Universität von São Paulo seine Gesangsstudien an der Schola Cantorum Basiliensis und der Musikhochschule Luzern auf und schloss sie mit dem Diplom ab. Zu hören ist der Tenor sowohl in Opern (etwa „The Fairy Queen“, „Le Nozze di Figaro“, „La Sonnambula“) als auch in zeitgenössischen Werken („Un Tango pour Monsieur Lautrec“, „Mord im Sankt Johann“) und auf der Konzertbühne („Johannespassion“, „Magnificat“, „Les Noces“ u.a.). Seine bisherige Konzerttätigkeit erstreckt sich auf die Länder Frankreich, Italien, Monaco, Österreich, die Tschechische Republik, Deutschland, Lettland, Brasilien und China. Ro bert Ko l l er studierte nach seinem Diplom in Komposition und Musiktheorie am Konservatorium Basel Sologesang bei László Polgár an der Musikhochschule Zürich / Winterthur. Seine Schwerpunkte liegen im Barock und in der neuen Musik: So trat er beispielsweise mit dem Venice Baroque Orchestra auf oder unter Jordi Savall mit dem Ensemble Contrechamps Genf und dem Kollegium Novum Zürich. Der Bariton bestritt verschiedene Hauptrollen: unter anderem in „Extravagancia“, Teatro Colón / Buenos Aires; in „Nacht“ von Georg Friedrich Haas, Lucerne Festival; in „El Cimarron“ von Hans Werner Henze, Semperoper Dresden. 2014 wird er unter Heinz Holliger in der Tonhalle Zürich den Solopart in „Dunkle Spiegel“ bestreiten. T ia g o M ota machte nach einem Studium am Nationalen Konservatorium Lissabon einen Master an der Schola Cantorum Basiliensis. Gegenwärtig arbeitet der Bass mit den Basler Madrigalisten, dem Choeur de Chambre de Namur und dem Huelgas Ensemble zusammen. Daneben tritt er sowohl als Solist auf als auch in Theaterproduktionen. A l e x a n dre B abe l studierte Schlagzeug am Konservatorium Genf. In New York war er Schüler von Ben Perowski und Jeff Hirshfield. Er ist sowohl in der zeitgenössischen Musik als auch in der improvisierten und experimentellen Musik aktiv. 2002 gründete er das Drumset Duo Buttercup Metal Polish, mit dem er zahlreiche Tourneen bestritt und etliche Projekte realisierte. Er ist seit 2009 Mitglied des Ensemble KNM Berlin und seit September 2008 Gast­professor an der Hochschule für Musik in Genf. R ie Watan abe begann ihr Schlagzeugstudium an der National Uni­ versity of Fine Arts and Music in Tokyo und schloss es an der Hochschule für Musik in Karlsruhe ab. Anschließend war sie Mitglied des Ching-Dong Orchesters „chantiki tornade“ in Tokyo, heute ist sie beim Ensemble für neue Musik „Ensemble Bois“, Tokyo. Die Schlagzeugerin ist im Duo vielseitig engagiert: 2006 gründete sie mit Shingo Inao (Japan / Berlin) ein Duo für Schlagzeug und elek­tronische Musik (Rhyngo), 2012 mit Mirjam Schröder ein Duo für Harfe und Schlagzeug (MiRi) und mit Jens Ruland das Schlagzeug-Duo 232 Percussion. Sie ist auch Mitglied im Ensemble Garage. M i c hae l W ei l ac her ging nach einem Schlagzeugstudium in Rochester und Cincinatti als Assistent von Robert van Sice ans Konservatorium von Rotterdam. Nachdem er in den USA Erfahrungen im Zusammenspiel sowohl mit Rockmusikern als auch mit Orchestern gesammelt hatte, rückte in Europa die zeitgenössische Musik zunehmend ins Zentrum seiner künstlerischen Aktivitäten. Er arbeitete unter anderen mit Helmut Lachenmann, Mauricio Kagel und Frederic Rzewski eng zusammen und konzertiert regelmäßig mit verschiedenen renommierten Ensembles für zeitgenös­ sische Musik. In den letzten Jahren ist er zunehmend mit eigenen Werken und Improvisationen hervorgetreten. Dan ie l Ei c hho l z studierte Klassische Perkussion an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Er ist mehrfacher Preisträger und spielte in Orchestern wie dem NDR-Sinfonieorchester, dem Orchester der Staatsoper Hamburg unter Ingo Metzmacher und mit dem Schlagzeugensemble der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle. Als Drummer, Perkussionist und Komponist ist er Mitglied der Formationen Hypercussion, 2raumwohnung, Toni Kater, Schulz und Söhne, Tenement und Squintaloo. Als Studio-Drummer trat Eichholz bei CD-Produktionen u. a. für die Bands Tocotronic, Marlon und Redkey in Erscheinung. Er lebt und arbeitet in Berlin. J an S auer erhielt seine erste musikalische Ausbildung bei den Aurelius Sängerknaben Calw. Nach seinem Studium bei Prof. Bernd Göpfert an der Musikhochschule Freiburg im Breisgau und bei Richard Wistreich an der Newcastle University in England begann sich der Bariton auf den Bereich Oratorium zu konzentrieren. Die Arbeit mit dem Freiburger Madrigalquintett Filo Rosso und die Beschäftigung mit dem Lied liegen ihm besonders am Herzen. Szenische Ensembleprojekte führten ihn in den letzten Jahren an Opernhäuser in Freiburg, Basel, Berlin, Luxemburg, Salzburg, Aix-enProvence und Warschau. Jan Sauer wird regelmäßig von renommierten Chören angefragt, darunter Amsterdam Baroque oder das Vocalconsort Berlin. K atja Nest l e Die Kostümbildnerin erhielt eine Eurythmieausbildung in Den Haag und unterrichtete an der Freien Waldorfschule Mitte, Berlin. Anschließend bildete sie sich in Berlin zur Damenmaßschneiderin aus. Neben ihrer Lehr- und Ausbildungstätigkeit im Bereich Schneiderei betreibt sie ein eigenes Label: Onnenlinna. Sie entwarf Kostüme oder Konzertbekleidung für so unterschiedliche Werke wie beispielsweise für die Soloperformance von Melanie Mcdonald, Wassersaal Bochum, für das Jugendprojekt Compagnia Phoenix, Berlin, für die Soloperformance von Vera Koppehel, Basel, und für das Eurythmiekollegium Witten. MELAMEIERHANS 16 / 17 / 18 0 3 2 014 2 0 U H R HAUSD E RBE R LI N E RF E STS P I E LE MAE R ZM U S I KF E STIVALF Ü RAKTU E LLEM U S I K MUS IKTH EATER M e l a M eierha n s Shiva for Anne – Jenseitstrilogie III (2013) UA 70’ Anne Blonstein, Lyrik Fritz Hauser, Regie Brigitte Dubach, Licht Ina Boesch, Dramaturgie Katja Nestle, Kostüme Banu Davrak, Regieassistenz Shulamit Bruckstein Çoruh/TASWIR projects, künstlerische und konzeptionelle Beratung Mela Meierhans, Künstlerische Gesamtleitung / Komposition Irina Ungureanu / Rebecca Ockenden, Sopran Barbara Schingnitz / Leslie Leon, Mezzosopran Daniel Issa, Tenor Jan Sauer, Bariton Robert Koller, Bariton / Sprecher Tiago Mota, Bass Alexandre Babel / Rie Watanabe / Michael Weilacher / Daniel Eichholz, Schlagzeug Raphael Immoos, Musikalische Leitung Nathalie Buchli, Produktionsleitung Kulturist GmbH Helma Schleif, Produktion Berlin Charles Lock / Kathrin Schaeppi, Interviewpartner Christoph Nöthlings / Julia Wolf, Übersetzer Eine Produktion von Kulturist GmbH in Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele / MaerzMusik, Lucerne Festival, oh-r 42 e.V. Berlin und TASWIR projects. Mit Unterstützung von Pro Helvetia − Schweizer Kulturstiftung, UBS Kulturstiftung, Landis & Gyr Stiftung, Kulturförderung Kanton Luzern und Haus der Kulturen der Welt. Gefördert durch Kulturstiftung des Bundes Weitere Aufführungen am 17. und 18. März 2014 20:00 Uhr Berliner Festspiele Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Intendant Dr. Thomas Oberender Kaufmännische Geschäftsführung Charlotte Sieben Künstlerischer Leiter Matthias Osterwold Organisationsleitung Ilse Müller Mitarbeit Ina Steffan / Hélène Philippot / Chloë Richardson / Marie von der Heydt Programmberatung Volker Straebel Redaktion Barbara Barthelmes / Melanie Uerlings / Christina Tilmann Technische Leitung Matthias Schäfer / Andreas Weidmann Grafik Ta-Trung, Berlin Christine Berkenhoff (Berliner Festspiele) / Fleck · Zimmermann Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten Das Gesamtprogramm des Festivals ist zum Preis von 5 € erhältlich BFS_MM14_Titelseiten_Abendzettel_11-20_RZ.indd 2 28.02.14 11:58 28.02.2014 19:08:57 M e la M eierha n s Shiva fo r An n e – J e n seitstri l o gie I I I Das hebräis che Alphabet in der Komposition … Meierhans’ Komposition für 8 Stimmen und 4 Schlagzeuge liegt ein komplexes System zugrunde. Zum einen nimmt sie Bezug auf die Zwölftonreihe, auf der Arnold Schönbergs Opernfragment „Moses und Aron“ basiert (Grundform und komplementäres Paar). Zum anderen führt sie ihre Verfahrensweise weiter, das Alphabet auf Töne zu übertragen. Analog zu „Rithaa“, dem zweiten Teil der Jenseitstrilogie, wo sie die Tonreihen aus dem arabischen ABC herleitete, bezieht sie sich in der Komposition des dritten Teils auf das hebräische Alphabet: Das heißt konkret, sie generiert aus den ersten zwölf Buchstaben des hebräischen Alphabets Zwölfton­ reihen (aus Aleph wird as, aus Beth b usw.). Jeder der zwölf Buchstaben – und damit verbunden die jeweilige Zwölftonreihe – ist in alphabetischer Ordnung den ersten sechs Tagen und den sechs Nächten der Schiwa zugeordnet. Der siebte Tag beziehungsweise der dreizehnte Teil ist nicht durch einen Buchstaben definiert – wohl aber durch einen Ton: „Shiva for Anne“ klingt mit dem a aus. Schließlich folgt Meierhans kompositorisch auch dem dramaturgischen Bogen der Schiwa: Die Katharsis führt vom Chaos zur Ganzheit, von zersplitterten zu vollständigen Tönen. … un d im Librett o Anne Blonstein hat ebenfalls mit dem hebräischen Alphabet gearbeitet, es poetisch verdichtet. In ihrer unveröffentlichten Lyriksammlung „Dangerous skin“ tragen die Gedichte jeweils hebräische Buchstaben als Titel. Es lag für Mela Meierhans auf der Hand, den jeweiligen Tagen und Nächten den dazugehörenden Buchstaben beziehungsweise Text zuzuweisen: Aleph bis Lamed. Der siebte Tag trägt keinen Buchstaben: Er endet – in die Zukunft weisend – mit dem Text „to be continued“. An den übrigen sechs Tagen und sechs Nächten lassen die Sängerinnen und Sänger die höchst verrätselten Gedichte auf der Zunge „zergehen“: Sie werden gesungen, geflüstert, gesprochen oder gar gehäckselt. Ganz anders kommen die Zeilen daher, welche die Bibel­ kennerin Blonstein auf den Rückseiten der Gedichte notiert hat: Zitate von Propheten. Diese psalmodierend vorgetragenen Kompositionen markieren jeweils die Dämmerung zwischen Tag und Nacht. Eine wichtige Rolle spielt der Sprecher: Als fiktiver Trauernder erinnert er sich an seine Freundin. Die zugrunde liegenden Texte basieren auf Gesprächen mit realen Freunden Anne Blonsteins: Erinnerungen etwa an ihren Humor, an ihre Faszination für Paul Klee oder an ihre Auseinandersetzung mit dem Judentum. Ab und an nimmt er an Diskussionen über ihre Gedichte teil, versucht ihre Kunstsprache zusammen mit anderen Trauergästen zu enträtseln – in Anlehnung an die jüdische Tradition, einen Text fortwährend zu interpretieren. Mela Meierhans © Diane Eaton „Shiva for Anne“ ist eine Hommage und zugleich ein Requiem: Mit diesem Musiktheater ehrt die Komponistin Mela Meierhans eine der herausragenden englischsprachigen Dichterinnen der Gegenwart, gleichzeitig nimmt sie Abschied von einer Freundin. Als sich Meierhans im April 2011 mit dem dritten Teil ihrer Jenseits­ trilogie zu Trauerritualen und Totenklagen zu beschäftigen begann, starb die britische Lyrikerin Anne Blonstein an Krebs. Ursprünglich hätte sie das Libretto für dieses Werk über Trauer und Klage im Judentum schreiben sollen. Sie war dazu prädestiniert gewesen, beschäftigte sich doch die in einem konvertierten Elternhaus aufgewachsene Jüdin intensiv mit ihrer Herkunft. Die beiden Künstlerinnen Mela Meierhans und Anne Blonstein verband – trotz geografischer Distanz – nicht nur eine langjährige Freundschaft, sondern auch eine fruchtbare Zusammenarbeit. Blonstein, die in Basel lebte und arbeitete, war von Buchstaben und Zahlenreihen ebenso fasziniert wie Meierhans, die in Berlin komponierte. Sie waren Seelenverwandte und brauchten für ihren künstlerischen Austausch keinen regel­ mäßigen Kontakt. Aus dieser stillen Verbindung schuf Meierhans fünf Werke: „Canthus to Canthus“ (1998), „4S“ (2001), „Prelude and Echo“ (2003), „... and the sound of a distance falling“ (2008), „preludes for voice and tuba“ (2009). R es p ekt voll e In s z e n ieru ng Bühnenstücke über jüdische Motive sind heikel. Insbesondere in Deutschland, wo eine Insze­ nierung schnell einmal dem Vorwurf ausgesetzt ist, sie sei entweder klischeehaft oder anti­ semitisch oder philosemitisch – auf jeden Fall nicht korrekt. Darüber hinaus ist die bühnengerechte Umsetzung eines Rituals an sich eine große Herausforderung. Dass die künstlerische Transformation der Schiwa adäquat ist und nicht etwa zu einem Ethnokitsch verkommt, dafür garantieren Blonsteins dichte Sprache und Meierhans’ mehrschichtige Komposition. Dafür sorgt auch die zurückhaltende Inszenierung, die weder eine realitätsnahe Abbildung eines jüdischen Trauerrituals anstrebt noch die Repräsentation jüdischer Kultur. Das hätte Anne Blonstein auf keinen Fall gewollt. Auch in diesem Sinn ist „Shiva for Anne“ eine Verbeugung vor der großen Dichterin. Sc hiwa sit z e n In „Shiva for Anne“, dem sechsten Werk aus dieser geistigen Verbindung, steht sowohl die Arbeit Anne Blonsteins im Zentrum als auch sie selbst. Ihr gilt die Schiwa, das jüdische Trauerritual. Ihrer wird auf der Bühne gedacht. Sieben Tage und sechs Nächte lang – kondensiert auf siebzig Minuten. Im realen jüdischen Leben müssen nahe Verwandte für einen verstorbenen Menschen sieben Tage (und sechs Nächte) Schiwa (hebr.: Sieben) sitzen. Während dieser Zeit empfangen sie Kondolenzbesucher, tauschen Erinnerungen aus, vielleicht schauen sie sich gemeinsam Fotos an, es wird geweint, gelacht und manchmal auch gestritten. Die Trauerfamilie hält sich je nach dem Grad ihrer Religiosität mehr oder minder streng an einen Verhaltensund Gebotskodex: nicht arbeiten, nicht haushalten, nicht kochen, auf niedrigen Schemeln sitzen etc. Die Haustür ist immer offen, Trauergäste kommen und gehen. In „Shiva for Anne“ orientieren sich Komposition und Aufführung sowohl am Charakter als auch am Rhythmus der Schiwa. MM14_6stg_16.03._Meierhans_Shiva__RZ.indd 2 Ina Boesch Mela Meierhans, Skizze zu „Shiva for Anne“, 2013 © Mela Meierhans 28.02.2014 19:08:57