Die kosmische Gärt Vor rund 50 Jahren passierte die Sache mit den Radieschen, die Maria Thun antrieb, die Einflüsse von Sonne, Mond und Sternen auf das Wetter und die Pflanzen zu erforschen. Heute lebt die 81-jährige Gärtnerin auf einem Bauernhof in der Nähe von Marburg (D) und gibt noch immer jedes Jahr ihren berühmten Aussaat-Kalender heraus. Text: Reinhard Eichelbeck F ür das Jahr 2002 sagte sie «schwere Gewitter mit Stürmen und Überschwemmungen» voraus und für 2003 «einen herzhaften Sommer», der, verglichen mit dem Vorjahr, «fast eine Verdoppelung der Licht- und Wärmeimpulse» bringen sollte. Dass Maria Thun Recht hatte, wird kein Meteorologe bestreiten – aber die Art und Weise, wie sie zu ihren Aussagen 54 Natürlich | 1-2004 Fotos: Matthias Thun kam, werden die meisten wohl mindestens mit einem Naserümpfen kommentieren. Es war nämlich der Lauf der Planeten durch die Sternbilder und ihre Winkelstellungen zueinander, woraus sie ihre Wetterprognosen ableitete – und gegen solche «astrologischen Anwandlungen» sind die meisten Wissenschaftler allergisch. Aber Maria Thun arbeitet streng empirisch und erforscht mittlerweile die Einflüsse kosmischer Kräfte auf das Wetter und das Wachstum von Pflanzen seit mehr als 50 Jahren. Und sie entwickelte auf Grund ihrer Erfahrungen eine sehr erfolgreiche Methode der ökologischen Gartenbearbeitung, mit der sich der Ertrag und die Qualität von Nahrungspflanzen erheblich steigern lassen. nerin Maria Thun bei der Apfelernte. Auch hier gibt es günstige und ungünstige Zeiten. An «Fruchttagen» bei aufsteigendem Mond geerntet, bleiben die Äpfel länger frisch und saftig. Kunst und Werken an einer Waldorfschule. Durch ihn kam sie mit den Schriften Rudolf Steiners in Berührung und interessierte sich vor allem für den «Landwirtschaftlichen Kurs», mit dem er 1924 die biologisch-dynamische Landwirtschaft begründet hatte. Maria Thun pachtete einen kleinen Garten in Marburg und begann, nach den Prinzipien Steiners, mit Kompost und den speziellen biologisch-dynamischen Präparaten zu arbeiten. Und eines Tages passierte dann die Sache mit den Radieschen, die Maria Thun wunderte und neugierig machte. Sie hatte die Samen an verschiedenen Tagen ausgesät, und so beschloss sie nachzuprüfen, ob der Aussaatzeitpunkt hier eine Rolle gespielt hatte. Tag für Tag säte sie ihre Radieschen, später dann auch andere Pflanzen wie zum Beispiel Spinat, Kohlrabi, Zwiebeln und Möhren, Erbsen und Bohnen, und kontrollierte sehr genau ihr Wachstum und ihre Qualität. Ausserdem beobachtete sie gleichzeitig das Wetter und machte sich Notizen. «Ich hatte mir einen Taschenkalender besorgt», erzählt sie, «und darin habe ich dann alles aufgezeichnet. Wenn es Gewitter gab, habe ich zum Beispiel einen Blitz hingemalt, und wenn es regnete ein paar Wassertropfen, und so weiter.» Die Sache mit den Radieschen Schuld an allem waren, wenn man so will, einige Dutzend Radieschen. Maria Thun hatte sie 1952 in ihrem Garten ausgesät, und sie entwickelten sich – obwohl von gleicher Sorte, im gleichen Beet gesät und gleich behandelt – sehr unterschiedlich. Einige waren kräftig und saftig, andere klein und schmal, aber mit üppigem Blattwuchs, wieder andere schossen rasch empor und bildeten, früher als der Rest, Blüten aus. So mancher Gärtner hätte sich vielleicht darüber geärgert, die Schultern gezuckt, den Misswuchs weggeworfen und weitergemacht wie zuvor. Maria Thun aber wollte wissen, was dahintersteckt. Die junge Frau war in der Nähe von Marburg auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte sich schon als Kind lebhaft für alle Vorgänge in der Natur interessiert. Als Krankenschwester hatte sie während des Krieges ihren Mann kennen gelernt, den Anthroposophen Walter Thun, Lehrer für Kosmische Kräfte fördern das Wachstum Nach 9 Jahren endlich war sie sich ihrer Beobachtungen so sicher, dass sie eine erste Veröffentlichung ihrer Versuchs- Porträt GESELLSCHAFT ergebnisse wagte. Und seit 1963 gibt sie jedes Jahr einen Kalender mit den günstigen Aussaattagen heraus, der mittlerweile in 26 Sprachen erscheint. Was Maria Thun herausgefunden hatte, war ein deutlich erkennbarer Einfluss kosmischer Kräfte auf das Wachstum von Pflanzen, der vor allem mit der Stellung des Mondes vor den verschiedenen Sternbildern in Beziehung stand. Die Sternbilder werden traditionell in Dreiergruppen den 4 Elementen zugeordnet: Stier, Jungfrau und Steinbock der Erde; Krebs, Skorpion und Fische dem Wasser; Zwillinge, Waage und Wassermann der Luft; Widder, Löwe und Schütze dem Feuer. Diesen 4 Prinzipien gemäss vermittelt der Mond offenbar entsprechende Wachstumsimpulse an die Pflanzen: steht er vor den Erdzeichen, wird das Wurzelwachstum verstärkt; vor den Wasserzeichen vermehrt sich die Blattbildung; vor Luftzeichen wird die Bildung der Blüten und vor Feuerzeichen die Bildung der Früchte und Samen gefördert. Durch die Bodenbearbeitung werden diese kosmischen Impulse auf die Ackeroder Gartenerde übertragen. Aussaat und spätere Pflegearbeiten sollten also an den Tagen erfolgen, die dem jeweiligen Pflanzentyp entsprechen: «Wurzeltage» (Mond vor Stier, Jungfrau oder Steinbock) sind günstig beispielsweise für Radieschen, Möhren, Rote Beete, Knollensellerie, Kartoffeln und Zwiebeln. «Blatttage» (Mond vor Krebs, Skorpion oder Fische) sind gut für die meisten Kohlarten (ausser Brokkoli), Salat, Spi- Radieschen, an verschiedenen Tagen gesät, zeigen markante Unterschiede, besonders deutlich rechts aussen zu sehen: oben bei Mond im Skorpion ( = Wasser/Blatttage), unten bei Mond im Steinbock ( = Erde/Wurzeltage). GESELLSCHAFT Porträt Biologisch-dynamische Landwirtschaft Die biologisch-dynamische Landwirtschaft beruht auf Grundsätzen, die Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, 1924 in seinem «Landwirtschaftlichen Kurs» niederlegte. Kernpunkt ist die Auffassung, dass der Mutterboden lebendig ist, und alle landwirtschaftlichen Massnahmen dazu dienen sollen, diese Lebendigkeit zu fördern. Dies geschieht vor allem durch die Einarbeitung von Kompost und Anwendung spezieller Präparate. Die wichtigsten sind «Hornmist», der aus Rinderdung, und «Hornkiesel», der aus Quarzmehl hergestellt wird, sowie 6 Präparate zur Verbesserung des Kompostes aus Schafgarbe, Kamille, Brennnessel, Löwenzahn, Eichenrinde und Baldrian. Es gibt weder chemische Spritzgifte noch Mineraldünger. Zur Düngung werden nur Kompost und Pflanzenjauchen verwendet, zur Schädlingsbekämpfung Kräuteraufgüsse oder verbrannte und potenzierte Körper von Schadinsekten. Vor allem aber sollen durch die Vitalisierung des Bodens die Abwehrkräfte der Pflanzen gestärkt werden, so dass sie sich selber gegen Schädlinge wehren können. Bei Aussaat und Ernte werden kosmische Rhythmen berücksichtigt, insbesondere solche, die mit dem Mond zusammenhängen. nat, Petersilie, Gemüsefenchel und Rasen. Zu den «Blütentagen» (Mond vor Zwillinge, Waage oder Wassermann) passen Blumen, Blumenzwiebeln, viele Heilpflanzen und der Brokkoli. Und die «Fruchttage» (Mond vor Widder, Löwe oder Schütze) schliesslich fördern die Entwicklung von Bohnen, Erbsen, Mais, Tomate und Paprika, Kürbis und Gurken, sowie allen Getreiden. Aussaat und Pflege zum richtigen oder falschen Zeitpunkt ergaben in Maria Thuns Versuchen Ertragsunterschiede von beispielsweise etwa 30 % beim Spinat und teilweise bis zu 40 % bei Radieschen. Unterschiedliche Wirkungen zeigten sich auch im Zusammenhang mit den Mondphasen, dem Aufsteigen beziehungsweise Absteigen des Mondes, den Mondknoten sowie Erdnähe oder Erdferne unseres Trabanten. Bei absteigendem Mond ziehen sich die Kräfte der Pflanze in die unterirdischen 56 Natürlich | 1-2004 Teile zurück, diese Zeit ist gut für die Pflanzarbeiten, auch für das Stecken von Stecklingen. Schneiden sollte man diese allerdings bei aufsteigendem Mond, denn dann strömen die Kräfte der Pflanzen in die oberirdischen Teile. Diese Periode ist auch günstig für die Ernte von Früchten. Ausserdem sollte man hier auch die entsprechenden Tage berücksichtigen, also Früchte an «Fruchttagen» ernten, Blattgemüse an «Blattagen», und Blütenpflanzen an «Blütentagen». Für die Ernte von Wurzelgemüse eignen sich demgemäss besonders gut die «Wurzeltage» bei absteigendem Mond. Dass Aussaat bei Vollmond viel Ertrag bringt, allerdings auf Kosten der Qualität und Haltbarkeit, ist nicht erst seit den Versuchen von Maria Thun bekannt. Dies ist eine uralte Erkenntnis, die sich bereits in den Schriften des römischen Historikers Plinius wiederfindet. Ein Familienunternehmen 1971 kauften die Thuns in Dexbach, nicht weit von Marburg entfernt, einen kleinen Bauernhof, und 1976, als Walter Thun pensioniert wurde, zogen sie ganz dorthin. Maria Thun konnte nun auf einer viel grösseren Fläche ihre Versuchsfelder einrichten, und ihr Sohn Matthias, gelernter Imkermeister, fand hier Platz für seine Bienenvölker – die übrigens auch von den kosmischen Rhythmen beeinflusst werden. Er arbeitet ausserdem am Aussaatkalender mit und ist für die fotografische Dokumentation der Versuche zuständig. Bald wurde auch ein Labor eingerichtet, um die Be- standteile der Pflanzen genauer analysieren zu können. Es wird heute von einem Enkel Maria Thuns geleitet, der promovierter Chemiker ist. Tatsächlich führten diese Analysen zu sehr interessanten Ergebnissen, beispielsweise fand man bei Möhren nach Behandlung mit dem biologischdynamischen Kieselpräparat einen um 6% erhöhten Zuckeranteil. Auch die Anwendung solcher Präparate unterliegt dem Einfluss der kosmischen Rhythmen. Zum falschen Zeitpunkt eingesetzt, können sie eher schädlich als fördernd wirken. Im Verlauf ihrer Arbeit entdeckte Maria Thun, dass auch die Stellung der Planeten zueinander von Bedeutung war, und teilweise sogar stärker wirkte als der Einfluss des Mondes. Allerdings wurde diese Wirkung bei künstlicher Bewässerung verwischt, teilweise sogar ausgelöscht, und die Mondwirkung dominierte wieder. Schon vorher hatte man festgestellt, dass die Bodenbearbeitung an den verschiedenen Tagen den Stoffwechsel der Pflanzen veränderte. So zeigte zum Beispiel Spinat, der an «Wurzeltagen» (Mond vor Erdzeichen) gehackt wurde, einen enorm erhöhten Nitratgehalt. Andere Pflanzen reagierten ähnlich. Die Einflüsse der Planeten wiesen in die gleiche Richtung. Bei Oppositionen (180° Winkel) des Mars zu anderen Planeten nehmen die Pflanzen zum Beispiel vermehrt Eisen auf, und bei Merkuroppositionen reichern sie sich mit Kupfer an. Mit dieser Erfahrung geriet Maria Thun allerdings in Konflikt mit anthroposophischen Wissenschaftlern, die traditionell das Kupfer dem Planeten Venus zuordnen. In Dexbach hat Maria Thun inzwischen fast 50 000 m2 Land für ihre Versuche zur Verfügung. Gurken gedeihen besonders gut, wenn sie an «Fruchttagen» gesät werden. Bei diesen Exemplaren zeigt sich sehr klar der Unterschied von Aussaaten an günstigen (vorne links) und ungünstigen Tagen (hinten rechts). «Einige haben danach nicht mehr mit mir gesprochen», erzählt Maria Thun. «Aber was sollte ich machen? Ich kann ja meine Ergebnisse nicht verleugnen, nur weil sie nicht mit bestimmten Meinungen zusammenpassen.» Im Jahr 2004 mehr Niederschläge Im kommenden Jahr will sie neue Versuchsreihen durchführen, mit über den Tag verteilten stündlichen Aussaaten, um auch hier weiteren irdischen und kosmischen Rhythmen auf die Spur zu kommen. Sie hält weiterhin Vorträge und Kurse und berät zahlreiche Biohöfe, unter anderem auch die nach biologischen und anthroposophischen Richtlinien geführte SekemFarm in Ägypten, die 2003 den «Alternativen Nobelpreis» erhielt. Und in Anbetracht ihrer Arbeit wäre Maria Thun sicherlich auch eine gutee Anwärterin für diese Auszeichnung. ■ Bücher von Maria Thun: – «Aussaattage 2004» – «Das Handbuch zu den Aussaattagen» – «Milch und Milchverarbeitung» – «Das Bild der Sterne im Wandel der Zeit» – «Hinweise aus der Konstellationsforschung» – «Bäume, Hölzer und Planeten» – «Tausendgulden- und Hellerkräuter» (alle im Thun-Verlag) – «Erfahrungen für den Garten» (Franckh-Kosmos-Verlag) Adresse: M. Thun-Verlag, Rainfeldstr. 16 D-35216 Biedenkopf / Dexbach Telefon (06461) 3227, Fax (06461) 4714 E-Mail: [email protected] Sonne, Mond und Sterne im Jahreslauf Entsprechend der jeweiligen Position der Erde auf ihrer Umlaufbahn sieht man die Sonne im Verlauf des Jahres vor dem Hintergrund verschiedener Fixsterne, die in ihrer Zusammenstellung wiedererkennbare Muster bilden. Schon vor vielen tausend Jahren haben die Menschen 12 solcher Sternbilder, die in der Ebene der Erdumlaufbahn (der so genannten Ekliptik) liegen, voneinander unterschieden und mit Namen versehen: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische. Die Gesamtheit dieser Sternbilder nannte man den «Tierkreis». Auch der Mond durchwandert bei seinem Umlauf um die Erde diesen «Tierkreis», und steht dabei jeweils einige Tage vor einem der verschiedenen Sternbilder. Der «Tierkreis» der heutigen Astrologie beginnt mit dem Frühlingsäquinoktium am 20./21. März und teilt die Erdumlaufbahn in 12 gleiche Teile von je 30°. Diese Abschnitte wurden zwar nach den verschiedenen Sternbildern benannt, aber sie entsprechen ihnen nicht ganz, da die Ausdehnung der Sternbilder teils länger (z. B. Jungfrau), teils kürzer (z. B. Krebs) als 30° ist. Ausserdem verschiebt sich durch die Pendelbewegung der Erdachse die Position des Frühlingsäquinoktiums, und deshalb steht die Sonne an diesem Tag heute am Beginn des Sternbildes Wassermann. Und sie wandert während jenes Zeitraums, den die Astrologie dem Tierkreiszeichen Widder (21. März bis 19. April) zuordnet, durch das Sternbild der Fische. Die Sternbilder stimmen also nicht mehr mit den Tierkreiszeichen überein. Maria Thun bezieht sich bei ihren Aussagen auf die tatsächlichen Sternbilder und nicht auf den astrologischen «Tierkreis». Natürlich | 1-2004 57 Foto: Andreas Walker Auch bei ihren Beobachtungen der Wirkung von Planeten auf das Wetter fand Maria Thun Widersprüche zu traditionellen Auffassungen. Aufgrund ihrer Erfahrungen ordnete sie Mars, Mond und Neptun dem Element Wasser zu, Jupiter Venus und Uranus der Luft, Saturn, Merkur und Pluto der Wärme und die Sonne der Erde. Mars aber gilt gemeinhin als Vertreter des Trockenen, der Saturn gilt als kalt und die Sonne als feurig. Heute sieht Maria Thun auf Grund ihrer Erfahrungen einen klaren Zusammenhang zwischen der Stellung von Planeten vor bestimmten Sternbildern und dem Wetter. «Zieht ein Wärmeplanet wie Merkur vor dem Sternbild Widder vorbei, dann verstärkt sich seine Wirkung», so schreibt sie beispielsweise. Und auch: «Ziehen der Mond oder Planeten, die über das Element Wasser wirken, vor eine Region des Tierkreises, die sich ebenfalls über das Wasser bemerkbar macht, dann muss man bei uns mit Niederschlagsperioden rechnen». Auf solchen Zuordnungen beruhte ihre – sehr zutreffende – Prognose für das Wetter im Jahr 2003 und den besonders warmen Sommer. «Für das Jahr 2004 verändert sich diese Situation schon wieder», schreibt sie allerdings in der neuen Ausgabe ihres Aussaatkalenders, und meint, «dass die Wärmeepochen Merkurs sehr verkürzt und mehr Niederschläge zu erwarten sind». Immerhin bleibt er um die Jahresmitte einige Zeit im Löwen «und wird uns dann den Sommer gründlich erwärmen». Ihre Prognosen seien zu etwa 80% richtig gewesen, meint Maria Thun rückblickend. Sehr viele unterschiedliche Faktoren sind am Wetter und am Pflanzenwachstum beteiligt, und sie glaubt keineswegs, schon alle zu kennen. Ihre Neugierde ist immer noch wach, und ihr Arbeitseifer trotz ihrer 81 Jahre ungebrochen. «Es gibt noch so viel zu erforschen», sagt sie.