Genetische Tests in der Patientenversorgung 21 Hydroxylase

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Genetische Tests in der Patientenversorgung
21HydroxylaseMangel und andere Ursachen
des kongenitalen adrenogenitalen Syndroms
Wolfgang Höppner
Labor für Molekulare Genetik,
Bioglobe GmbH, Hamburg
Abb 1 Position und
phänotypische Auswir
kung der wichtigsten
AGSauslösenden Mu
tationen im CYP21Gen
bei homozygoter Kon
stellation.
Zusammenfassung
Der Begriff kongenitales adrenogeni
tales Syndrom AGS) (im Englischen
„congenital adrenal hyperplasia“ –
CAH) fasst mehrere autosomalrezes
siv vererbte Stoffwechselerkrankun
gen zusammen, die zum Cortisolman
gel und inadäquaten Konzentrationen
von Mineralocorticoiden und andro
genen Steroiden führen. Hormonex
zess oder mangelsyndrome können
je nach Enzymdefekt auftreten. Der
unbehandelte Cortisolmangel führt zur
permanenten Stimulation der adrena
len Hormonproduktion und dadurch
zur Hyperplasie. Als Folge können
Intersexualität bei Mädchen und Kna
ben sowie Störungen des Mineral
haushaltes auftreten.
Die verschiedenen Formen des AGS
können durch genetische Tests unter
schieden werden. Die häufigste Ursa
che für das AGS ist der 21Hydroxy
laseMangel (über 90% der Fälle). Der
molekularbiologische Nachweis die
ser Form des AGS spielt in der pädia
trischen und gynäkologischen Endo
krinologie sowie in der humangeneti
schen Beratung eine zentrale Rolle für
die Bestätigung der Diagnose, die Ab
schätzung des zu erwartenden Phä
notyps und als Grundlage für die prä
natale Therapie mit Dexamethason.
Schlüsselwörter
kongenitales adrenogenitales Syn
drom, AGS, 21HydroxylaseMangel,
HormonexzessSyndrom, Hormon
mangelsyndrom
292
medgen 16 (2004)
Hydroxylase deficiency and other
forms of congenital adrenogenital
syndrome
Abstract
The term congenital adrenogenital
syndrome (also known as congenital
adrenal hyperplasia – CAH) comprises
several inborn errors of metabolism
leading to cortisol deficiency and in
adequate concentrations of mineralo
corticoids and androgenic steroids.
Hormone excess or deficiency syn
dromes can occur according to the
affected step of adrenal steroido
genesis. If untreated, the lack of
cortisol leads to a permanent stimu
lation of hormone synthesis and sub
sequently to adrenal hyperplasia. The
clinical consequences can be am
biguous genitalia in girls and boys as
well as sodium imbalance.
The different forms of AGS can be
distinguished by genetic testing. The
most common cause for AGS is 21
hydroxylase deficiency (more than
90%). The genetic test for this form of
AGS plays a pivotal role in paediatric
and gynaecological endocrinology as
well as in genetic counselling. It is
important for the confirmation of the
diagnosis, prediction of the pheno
type identification of heterozygous
carriers and as a basis for a prenatal
therapy with dexamethason.
Keywords
congenital adrenal hyperplasia, CAH,
AGS, hormone excess syndrome,
hormone deficiency syndrome
Einleitung
Unter dem Begriff „kongenitales adre
nogenitales Syndrom (AGS)“ (Syn
onym: congenitale adrenale Hyperpla
sie (CAH); vor allem in der englisch
sprachigen Fachliteratur verwendet)
werden mehrere Stoffwechselerkran
kungen zusammengefasst, die zu ei
nem Cortisolmangel und zu inadä
quater Synthese adrenaler Steroid
hormone führen.
Es handelt sich um autosomalrezes
siv vererbte Defekte der Cortisolsyn
these, die in allen sechs an der Syn
these der Steroidhormone beteiligten
Enzymen vorkommen können. Nur
Cortisol ist als Endprodukt des Stoff
wechselweges in der Lage im Hypo
thalamus die Sekretion des Cortico
tropinreleasingHormons (CRH) und
in der Hypophyse die Sekretion des
adrenocorticotropen Hormons (AC
TH) abzuschalten. Der nicht behan
delte Cortisolmangel führt zu einer
permanenten Stimulation der Hor
monproduktion in der Nebennieren
rinde und damit zur Ausbildung einer
Hyperplasie. Je nachdem, auf wel
cher Stufe der Hormonsynthese der
Defekt vorliegt, akkumulieren die
Zwischenprodukte vor dem Block und
es kommt zu inadäquaten Konzentra
tionen von Mineralocorticoiden und
androgenen Steroiden. Hormonex
zess oder mangelsyndrome können
je nach Enzymdefekt auftreten.
Steroidbiosynthese
Der Ausgangsmetabolit der Steroid
hormonsynthese ist das Cholesterin.
Die wichtigsten Endprodukte in der
Nebennierenrinde sind das Cortisol
Stoffwechselstörung
Inter
sexuelles
Genitale
Salz
Post
Plasmasteroide
verlust natale
erhöht
Virili
sierung
Lipoidhyperplasie (StARGen)
Jungen
Ja
Nein
HSD3B2Mangel
Jungen
Ja
CYP21Mangel mit Salzverlust
Mädchen
Cyp21Mangel ohne Salverlust
CYP11B1Mangel
Plasmasteroide
erniedrigt
Nein
Alle Steroide
Ja
DHEA, Pregnenolon, 17 OHPregnenolon
Aldosteron, Cortisol,Testosteron,
17 OHProgesteron
Ja
Ja
17 OHProgesteron, Androstendion, Testosteron Aldosteron, Cortisol
Mädchen
Nein
Ja
17 OHProgesteron, Androstendion, Testosteron Cortisol
Mädchen
Nein
Ja
Deoxycorticosteron, 11Desoxycorticosol,
Aldosteron, Cortisol
Jungen
Nein
Nein
Desoxycorticosteron, Corticosteron
Cortisol, Testosteron
AldosteronsynthaseMangel Typ 2
Nein
Ja
Nein
18OHCorticosteron
Aldosteron
AldosteronsynthaseMangel Typ 1
Nein
Ja
Nein
Desoxycorticosteron, Corticosteron
Aldosteron
CYP17Mangel
als Stresshormon, das Aldosteron zur
Regulation des Mineral und Wasser
haushalts sowie Dehydroepiandrost
eron (DHEA) und DHEASulfats (DHE
AS), die als Vorläufermetabolite für
androgene Steroide und Östrogen
dienen. Die Nebennierenrinde besteht
aus drei unterschiedlichen Schichten,
der Zona glomerulosa, der Zona fas
ciculata und der Zona reticularis, die
als Kompartimente der Mineralocorti
coid, der Glucocorticoid und der An
drogensynthese dienen. Die Regula
tion der Cortisolsynthese in der Zona
fasciculata erfolgt im Wesentlichen
durch ACTH. Fünf enzymatische
Schritte (Abb. 2) sind ausgehend vom
Cholesterin zur Bildung von Cortisol
erforderlich. Daneben wird in der
Zona fasciculata auch Corticosteron
gebildet.
Die Regulation der Aldosteronsynthe
se in der Zona glomerulosa erfolgt
über KaliumIonen und Angiotensin II.
Die enzymatische Austattung der
Zona glomerulasa entspricht weitge
hend der der Zona fasciculata. Aller
dings ist für die Aldosteronsynthese
die Aldosteronsynthase (CYP11B2) in
diesem Kompartiment von besonde
rer Bedeutung. Die Zona reticularis
setzt DHEA frei, welches in der Peri
pherie in Testosteron oder Östrogen
umgewandelt wird. DHEA selbst hat
schwach androgene Wirkung.
Klinik
Einteilung und Symptome
Hormonelle Änderungen
Die genetischen Defekte in den ver
schiedenen Enzymen der Steroidbio
synthese resultieren typischerweise in
unterschiedlichen Konstellationen von
Über oder Unterproduktion bestimm
ter Hormone (Tabelle1). Ein AGS mit
Androgenüberproduktion entwickelt
sich beim 21HydroxylaseMangel
(CYP21) (White, 2000) und beim 11β
HydroxylaseMangel (CYP 11B1) (Pe
ter, 2002). Bei der Lipoidhyperplasie
(20,22DesmolaseMangel, StARPro
tein) (Stocco 2002), beim 17αHydro
xylaseMangel (CYP17) (Miller, 2004)
und beim 3βDehydrogenaseMangel
(HSD3B2) (Simard, 2002) liegt eine
CAH mit Androgenmangel vor. Nor
male Cortisolspiegel sind bei be
stimmten Defekten der CYP17 (17,20
LyaseMangel) und der Aldosteron
synthase (CYP11B2) (White, 2004) zu
erwarten. Defekte im CYP11B1 resul
tieren in einer erhöhten Desoxycorti
solProduktion, die den Aldosteron
Mangel kompensiert (kein Salzverlust)
und zu einem arteriellen Hypertonus
mit möglichen Folgesymptomen wie
Linksherzhypertrophie und Retinopa
thie führen kann (Zhu 2003).
Klassische Formen
Bei den klassischen Formen der CAH
sind die wichtigsten Symptome be
reits bei der Geburt vorhanden. An
drogenexzess führt zur pränatalen Vi
rilisierung bei Mädchen (intersexuel
les Genitale, Pseudohermaphroditi
tismus) und einer Pseudopubertas
praecox bei beiden Geschlechtern.
Eine verminderte Androgenproduktion
führt bei Knaben zu unzureichend vi
rilisiertem Genitale. Verminderte Östro
genproduktion bewirkt bei Mädchen
eine Pubertas tarda mit primärer
Amenorrhoe. Die verminderte Corti
solproduktion führt zu Müdigkeit,
Apathie, verminderter Stresstoleranz,
Hypoglykämien, erhöhter Infektnei
gung und Addisonähnlichen Krisen.
Die verminderte Aldosteronproduktion
resultiert in Hyperkaliämie, Hyponatri
ämie, Salzverlustsyndrom, metaboli
scher Azidose und Blutdruckabfall.
Genetische Tests in der Patientenversorgung
Tab 1 Klinische und biochemische Veränderungen bei kongenitaler adrenaler Hyperplasie
Nicht klassische Formen
Je nach Schwere des genetischen
Defektes können sich die Symptome
bei den nicht klassischen Formen der
CAH, die mit Androgenexzess einher
gehen, in unterschiedlichem Lebens
alter manifestieren. Vor der Pubertät
kann sich die Erkrankung bei Mäd
chen in prämaturer Pubarche oder
Adrenarche, akzeleriertem Knochen
alter, Kleinwuchs und Klitorishypertro
phie manifestieren. Bei erwachsenen
Frauen treten Hirsutismus, Akne, Se
borrhoe, tiefe Stimme, Klitorishyper
trophie, temporärer Haarausfall, Stirn
glatze, primäre oder sekundäre Ame
norrhoe, Oligomenorrhoe als typische
Symptome auf (Forest 2004).
Kongenitale Lipoidhyperplasie
(20,22$Desmolase$Mangel, StAR$
Protein)
Knaben entwickeln ein phänotypisch
weibliches oder intersexuelles Geni
tale, während Mädchen ein normales
Genitale aufweisen. Bei der Geburt
sind die Nebennieren massiv vergrö
ßert und mit Einlagerungen von Cho
lesterinestern durchsetzt, wodurch
die Krankheit ihren Namen bekom
men hat. Auch wenn unmittelbar nach
der Geburt noch Steroidhormonspie
gel messbar sind, kommt es ohne Be
handlung zu einem kompletten Aus
medgen 16 (2004)
293
Genetische Tests in der Patientenversorgung
costeronKonzentrationen. Deren mi
neralocorticoide Wirkung führt zur
Hypertonie, Hyperkaliämie, Hypona
triämie und metabolischer Alkalose.
Die PlasmaReninAktivität ist ernie
drigt.
3 β$Hydroxysteroid$
Dehydrogenase$Mangel
Der schwere HSD3B2Mangel führt
zu einem Cortisol und Aldosteron
Mangel sowie einer Störung der Tes
tosteronbiosynthese. Klinisch tritt
häufig ein schweres Salzverlustsyn
drom auf. Männliche Neugeborene
weisen aufgrund des AndrogenMan
gels ein intersexuelles Genitale auf.
Die hohen DHEAKonzentrationen,
die bei diesem Krankheitsbild auftre
ten, können wegen der leichten An
drogenwirkung dieses Metaboliten bei
weiblichen Neugeborenen leichte Vi
rilisierungserscheinungen (Klitorishy
pertrophie) auslösen. Der HSD3B2
Mangel ist für ca. 1% der klassischen
Formen der CAH verantwortlich.
Abb 2 Übersicht der Steroidbiosynthese
Abb 3 Genlocus des 21HydroxylaseGens (Cyp21) und des Pseudogens (Cyp21P) auf dem
langen Arm von Chromosom 6.
C2, C4 Komplementfaktoren, Bf Properdinfaktor, RP1 nukleäres Protein mit unbekannter Funktion,
RP2 verkürzte Kopie des RP1Gens, TNX Tenascin XGen, A/B Pseudogen /aktives Gen
fall aller Nebennierensteroide und kli
nisch zu einer akuten AddisonKrise.
Diese Form der CAH ist sehr selten.
17 α$Hydroxylase$/12,20$Lyase$
Mangel
Etwa 1% der klassischen Formen der
CAH basieren auf Defekten im
CYP17Gen. Patienten mit CYP17
294
medgen 16 (2004)
Mangel können keine Geschlechts
hormone bilden. Männliche Neugebo
rene fallen durch ein intersexuelles
Genitale auf. Bei Mädchen bleibt die
spontane Pubertätsentwicklung aus,
und es besteht ein primäre Amenor
rhö. Die Blockade im Stoffwechsel
weg der Steroidbiosynthese führt zu
erhöhten Desoxycortisol und Corti
Mehrere Autoren diskutieren, dass
nichtklassische Formen des HSD3B2
Mangels wesentlich häufiger vorkom
men und die Ursache von prämaturer
Pubarche, Hirsutismus, Menstrua
tionsstörungen und polycystischen
Ovarien sind.
21$Hydroxylasemangel
In über 90% der klassischen Formen
des AGS liegt ein CYP21Mangel vor.
Wegen der großen klinischen Rele
vanz wird in dem vorliegenden Artikel
auf diese Form des AGS ausführlicher
eingegangenen.
Die Heterozygotenfrequenz in der
deutschen Bevölkerung liegt bei ca.
1:50, was in etwa auch mit anderen
europäischen Ländern und Nordame
rika übereinstimmt. Die Häufigkeit
nichtklassischer Formen dürfte ca.
bei 1:350 liegen, wobei davon auszu
gehen ist, dass dieses Krankheitsbild
unterdiagnostiziert ist.
Der CYP21Mangel kann sich in drei
Formen manifestieren.
– Klassisches einfach virilisierendes
AGS
– Klassisches AGS mit Salzverlust
syndrom
– Nichtklassisches (lateonset) AGS
Beim klassischen einfach virilisieren
den AGS treten bereits in utero Virili
sierungen bei weiblichen Feten auf.
Das äußere Genitale kann dabei je
nach Schweregrad des Enzymdefek
tes von einer einfachen Klitorishyper
trophie bis zu einer kompletten Fu
sion der Labioskrotalfalten mit einer
penisartigen Vergrößerung der Klito
ris und Extension der Urethra auf die
Glans penis reichen. Die Klassifizie
rung der Missbildung erfolgt nach
Prader. Das innere Genitale ist immer
weiblich. Weibliche Neugeborene
können bei der Geburt als Knaben
verkannt werden. Das Genitale männ
licher Neugeborener ist bis auf gele
gentliche Pigmentierung des Skro
tums unauffällig.
Ohne Behandlung manifestiert sich
bei den AGSKindern beiderlei Ge
schlechts eine Pseudopubertas prae
cox mit frühem Auftreten von Pubes
behaarung und Penis bzw. Klitorishy
pertrophie. Der Androgenüberschuss
führt zunächst zu einem akzelerierten
Knochenwachstum, dann aber zu ei
nem vorzeitigen Schluss der Wachs
tumsfugen, so dass insgesamt ein
Kleinwuchs resultiert. Nicht behandel
te AGSMädchen bleiben primär ame
norrhoisch.
Das klassische AGS mit Salzverlust
tritt auf, wenn ein (nahezu) komplet
ter Verlust der CYP21Aktivität vor
liegt. Zu den Virilisierungserscheinun
gen kommt ein lebensbedrohendes
Salzverlustsyndrom hinzu. Dieses ma
nifestiert sich in der Regel erst in der
zweiten bis dritten Lebenswoche
durch Trinkschwäche, Erbrechen,
Elektrolytveränderungen, Exsikkose,
metabolische Azidose und zuneh
mende Apathie. Bei nicht rechtzeitig
angepasster Behandlung kann auch
in späterem Lebensalter unter akuten
StressSituationen (Infektionen, Fie
ber, Gastroenteritis, Operationen) eine
Salzverlustkrise auftreten.
Das nichtklassische AGS kann sich
sehr variabel manifestieren. Schwere
re Formen führen bereits in der Ju
gend zu prämaturer Pubarche, Groß
wuchs und Klitorishypertrophie. Mil
dere Formen werden meist nur bei
weiblichen Genträgern manifest. Be
troffene Männer mit entsprechender
genetischer Veranlagung entwickeln
nur selten klinische Symptome. Bei
erwachsenen Frauen führen die Aus
wirkungen der Hyperandrogenämie zu
Symptomen wie Hirsutismus, Akne,
Seborrhoe, tiefe Stimme, leichte Kli
torishypertrophie, temporärem Haar
ausfall, Stirnglatze, primäre oder se
kundäre Amenorrhoe oder Oligome
norrhoe. Von Bedeutung ist die diffe
rentialdiagnostische Abgrenzung der
milden nichtklassische Form des
CYP21Mangels vom Syndrom der
polyzystischen Ovarien (PCO).
11 β$Hydroxylase$Mangel
Etwa 5% der klassischen Formen des
AGS werden durch einen CYP11B1
Mangel hervorgerufen. Diese Form
der adrenalen Hyperplasie zeichnet
sich durch einen Androgen und Mi
neralocorticoidExzess aus. Mädchen
werden mit einem intersexuellen äu
ßeren Genitale geboren. Bei betroffe
nen Jungen entwickelt sich eine
Pseudopubertas praecox. Das ver
mehrt gebildete Desoxycorticosteron
hat mineralocorticoide Wirkung und
kompensiert den AldosteronMangel.
Es kommt meist in den ersten Le
bensjahren zu einer arteriellen Hyper
tonie in dessen Folge sich später eine
Linksherzhypertrophie und/oder Reti
nopathie entwickeln kann. Da die Vi
rilisierungssymptomatik sich von der
des CYP21Mangels kaum unter
scheidet, die Hypertonie aber be
handlungsbedürftig ist, ist eine diffe
rentialdiagnostische Klärung sehr
wichtig. Neben der schweren klassi
schen Form des CYP11B1Mangels
werden ähnlich dem CYP21Mangel
auch nichtklassische Formen postu
liert.
Aldosteronsynthase$Mangel
Ein Hypoaldosteronismus bei norma
lem Cortisol und AndrogenSpiegeln
wird durch einen Mangel des Enzyms
11bHydroxylase Typ B2 (CYP11B2)
hervorgerufen. Dieses Enzym wird für
die letzen beiden Schritte der Aldo
steronSynthese aus Desoxycorti
costeron (Abb. 2) benötigt. Neugebo
rene mit diesem Defekt erkranken in
den ersten Lebenswochen an einer
lebenbedrohlichen Salzverlustkrise,
rezidivierendem Erbrechen und Ge
deihstörungen. Mit zunehmendem Al
ter nimmt die Schwere der Erkran
kung ab und ist im Erwachsenenalter
häufig auch ohne Behandlung asymp
tomatisch. Dieses Krankheitsbild ist
selten. Lediglich in bestimmten Be
völkerungsgruppen tritt aufgrund kon
sanguiner Ehen eine gewisse Häufung
auf.
Genetische Tests in der Patientenversorgung
Die Inzidenz der klassischen Formen
des 21Hydroxylasemangels wird mit
1:12.000 Geburten bei Kaukasiern an
gegeben. In einigen ethnischen Grup
pen liegt die Häufigkeit jedoch erheb
lich höher (z.B. 1:700 bei Yupik Eski
mos, Alaska).
Molekulargenetik des AGS
20,22 Desmolase, StAR$Protein
Bei diesem Defekt ist die Abspaltung
der Seitenkette zwischen C20 und
C22 des Cholesterins gestört, die zu
Pregnenolon führt. Katalysiert wird
diese Reaktion durch das SideChain
CleavageEnzym (P450scc). Bei kei
nem der Patienten mit Lipoid Hyper
plasie wurden jedoch Mutationen im
Gen für dieses Enzym gefunden. 1995
wurden Mutationen im Gen für das
StARProtein (Steroidogenic acute re
gulatory protein) nachgewiesen, das
für den Cholesterintransport zur äu
ßeren Mitochondrienmembran verant
wortlich ist. Dieses Protein scheint so
essentiell für den ersten Schritt der
Steroidhormonbiosynthese zu sein,
dass inaktivierende Mutationen das
Krankheitsbild auslösen. Das StAR
Gen ist auf Chromosom 8 (8p11.2) lo
kalisiert und besteht aus 7 Exons. Als
pathogene Mutationen werden Mis
sense und NonsenseMutationen so
wie kleinere Deletionen und Insertio
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Genetische Tests in der Patientenversorgung
nen bei Patienten mit congenitaler Li
poidhyperplasie nachgewiesen.
17 α$Hydroxylase/17,20$Lyase
(CYP17)
Das Enzym CYP17 ist ein Protein mit
zwei katalytischen Aktivitäten. Es be
sitzt sowohl 17αHydroxylaseAkti
vität als auch 17,20LyaseAktivität
und kann damit sowohl die 17α
Hydroxylierung von Pregnenolon und
Progesteron zu 17αHydroxypregne
nolon und 17αHydroxyprogesteron
katalysieren als auch deren weitere
Umwandlung zu DHEA bzw. Andro
stendion (Abb. 2) durch die 17,20Ly
aseAktivität. Die meisten Defekte in
diesem Gen verhindern die Hydroxy
lierung an C17 und die 17,20Lyase
Aktivität. Damit ist die Synthese der
Vorstufen des Cortisols und des
DHEA und Androstendion blockiert.
Weder Cortisol noch Testosteron und
Östrogen können gebildet werden. In
seltenen Fällen ist aber auch nur die
17,20LyaseAktivität durch die Muta
tionen beeinträchtigt, so dass norma
le Cortisolspiegel bei Testosteron und
Östrogenmangel vorliegen. Das
CYP17Gen ist auf Chromosom 10
(10q24.3) lokalisiert und besteht aus
acht Exons. In allen Exons können
pathogene Mutationen vorkommen.
3 β$Hydroxysteroid$
Dehydrogenase (HSD3B2)
Die 3βHydroxysteroidDehydrogena
se ist als Schlüsselenzym sowohl für
die Minearolocorticoide, das Cortisol
als auch für die Synthese der Ge
schlechtshormone notwendig. Es hat
IsomeraseEigenschaften und kann
die Reaktion in beide Richtungen ka
talysieren. Es gibt zwei Gene, die En
zyme mit 3βHydroxysteroidDehy
drogenaseAktivität kodieren: HSD3
B1, das in der Plazenta, Haut und
Fettgewebe exprimiert wird und
HSD3B2, das in der Nebenniere und
den Gonaden aktiv ist und in dem in
aktivierende Mutationen zum AGS
führen können. Das HSD3B2Gen ist
auf Chromosom 1 (1p13.1) lokalisiert
und besteht aus vier Exons, von de
nen jedoch nur drei für das Protein
kodieren. Krankheitsauslösende Mu
tationen können in allen kodierenden
Exons vorkommen.
296
medgen 16 (2004)
21$Hydroxylase$Mangel (Cyp21)
Das Cyp21Gen ist auf dem kurzen
Arm des Chromosom 6 (6p21.3) mit
ten im Genort für den HLAHistokom
patibilitätskomplex und den Komple
mentfaktor C4 lokalisiert (Abb. 3). Sei
ne Struktur ist vollständig aufgeklärt.
Neben dem aktiven Gen befindet sich
in unmittelbarer Nachbarschaft (Ab
stand ca. 30 kB) ein Pseudogen so
wohl für das CYP21Gen (Cyp21P)
als auch für das Gen des Komple
mentfaktors C4 (C4A). Beide sind
wahrscheinlich in der frühen Entwick
lungsgeschichte des Menschen durch
eine Duplikation gemeinsam entstan
den und dann durch die Akkumulation
von Mutationen inaktiv geworden. Die
Sequenzhomologie zwischen aktivem
Gen und Pseudogen beträgt im Be
reich der Exons 98%. Das CYP21
Gen besteht aus 10 Exons und hat
eine Größe von 3,1 kB.
Die Anwesenheit der Pseudogene in
unmittelbarer Nachbarschaft der akti
ven Gene und die hohe Sequenzho
mologie ist der Grund für die Häufig
keit von inaktivierenden Mutationen
im CYP21Gen. Zwei Mechanismen
sind für pathogene Veränderungen
verantwortlich:
1) In etwa 2025% der klassischen
AGSFälle liegt eine Deletion von
ca. 30 kb des Cyp21 und C4Gens
vor. Diese Art von Mutation ent
steht wahrscheinlich durch ein un
gleiches Crossingover während
der Meiose. Der Bruchpunkt liegt in
der Regel irgendwo zwischen Exon
3 und 8 des Cyp21 und überspannt
den Bereich des Cyp21 und C4
Gens bis zur entsprechenden Stel
le im Cyp21P.
2) Bei 75% liegen eine oder mehrere
Mutationen vor, die durch Genkon
versionen aus dem Pseudogen
stammen (TusiéLuna 1995).
Die verschiedenen aus dem Pseudo
gen stammenden Mutationen sind
biochemisch danach charakterisiert,
wie viel enzymatische Restaktivität
noch vorliegt. Daraus lassen sich Re
geln für eine GenotypPhänotypKor
relation ableiten (Abb. 1).
Mutationen, die dazu führen, dass
kein aktives Enzym gebildet werden
kann, führen in homozygoter Form zur
schweren Form des AGS mit Salzver
lust (SW: salt wasting). Eine Restakti
vität von 2–4% reicht aus, genügend
Aldosteron zu bilden, um ein Salzver
lustsyndrom zu verhindern. Solche
Mutationen führen in homozygotem
Zustand phänotypisch zu einer ein
fach virilisierenden Formen (SV: sim
ple virilizing) des AGS. Mutationen,
bei denen im Protein noch deutlich
enzymatische Restaktivität vorhanden
ist, lassen in homozygotem Zustand
ein nichtklassisches AGS (NC: non
classical AGS) erwarten (Abb. 1).
Bei gemischt heterozygoten Genträ
gern gilt die Regel, dass sich der
Phänotyp nach der milderen Muta
tion, also nach dem Allel richtet, wel
ches zu einem Enzym mit höherer
Restaktivität führt.
11 β$Hydroxylase
(CYP11B1, CYP11B2)
Die CYP11 katalysiert die Umwand
lung von 11Desoxycortisol in Corti
sol aber auch die Umwandlung von
Desoxycorticosteron (DOC) in Corti
costeron. Es wurden zwei Gene ent
deckt, die für Enzyme mit CYP11Ak
tivität kodieren. Zunächst wurde das
Gen auf Chromosom 8 (8q21) lokali
siert (CYP11B1). Es hat eine Größe
von ca. 7 kB und besteht aus neun
Exons. Später wurde ein homologes
Gen kloniert, das in unmittelbarer
Nähe auf Chromosom 8 (8q21) lokali
siert ist. Es unterscheidet sich vom
Isoenzym CYP11B1 dadurch, dass
neben der 11HydroxylaseAktivität
zusätzlich eine 18OxidaseAktivität
vorhanden ist und 11Desoxycorti
costeron zunächst zu Corticosteron
und dann weiter zu Aldosteron umge
wandelt werden kann. Die Größe bei
der Gene ist nahezu identisch und es
besteht in den kodierenden Bereichen
eine Homologie von 95%.
Molekulare Diagnostik des AGS
Da für alle Varianten des AGS die ver
ursachenden Gene vollständig be
kannt sind, kann im Prinzip jede Form
bei entsprechendem klinischen und
biochemischem Verdacht durch eine
molekulare Diagnostik überprüft und
bestätigt werden. Dabei wird in der
Regel eine komplette Sequenzierung
des jeweiligen Gens notwendig sein,
da es bis auf wenige Ausnahmen kei
Bei der molekularen Diagnostik ist zu
beachten, dass die meisten Enzyme
der Steroidbiosynthese zur Familie
der CytochromP450Oxidasen gehö
ren und daher verwandte Gene mit
hoher Sequenzhomologie existieren.
Für mehrere Enzyme gibt es Isoenzy
me, deren Gene ebenfalls weitgehend
homolog sind, und für das StARGen
und das CYP21Gen existieren Pseu
dogene mit Homologien über 95%.
Beim Aufbau von molekulargeneti
schen Tests basierend auf der Poly
meraseKettenReaktion (PCR) muss
daher besonders auf die Spezifität
der Amplifikationsreaktionen geach
tet werden.
In der klinischen Routine spielt der
molekulargenetische Nachweis des
CYP21Mangels wegen der großen
Häufigkeit, der teilweise schwierigen
Diagnostik über klinische und bioche
mische Parameter und nicht zuletzt
wegen der therapeutischen Konse
quenzen, insbesondere der pränata
len Therapie, die mit Abstand wichtig
ste Rolle.
Molekulare Diagnostik des CYP21$
Mangels
Die verschiedenen Arten von mög
lichen Mutationen und die Anwesen
heit des Pseudogens (CYP21P) mit
hoher Sequenzhomologie (≈98%) zum
aktiven Gen (CYP21) machen die mo
lekulare Diagnostik des CYP21Man
gels recht kompliziert.
Nachweis von Deletionen, Duplikatio
nen und Hybridgenen des CYP21
Um komplette oder partielle Deletio
nen oder Duplikationen des aktiven
Gens bzw. Pseudogens zu erfassen,
ist eine quantitative PCR oder eine
SouthernBlotAnalyse notwendig.
Für die quantitative PCR müssen die
verwendeten OligonukleotidPrimer
sowohl im Pseudo als auch im akti
ven Gen binden. Die Amplifikate müs
sen aber bezüglich ihrer Herkunft
unterscheidbar sein, d.h. z.B. in der
Größe differieren, um die Relation von
aktivem Gen zu Pseudogen abschät
zen zu können. Damit auch partielle
Deletionen bzw. Hybridgene zu erfas
sen, ist es notwendig, an zwei bis drei
Positionen PCRPrimer zu positionie
ren.
Sequenzanalyse des CYP21
Zum Nachweis von Punktmutationen
oder kleineren Genkonversionen
durch DNASequenzierung müssen
PCRPrimer spezifisch im aktiven
Gen binden. Aus den für das CYP21
Gen spezifischen Amplifikaten kann
dann eine direkte Sequenzierung er
folgen. Dabei sind die Primerpositio
nen sehr sorgfältig auszuwählen, da
neben den pathologisch relevanten
Mutationen auch eine Reihe von funk
tionell nicht relevanten Mutationen
aus dem Pseudogen (“Polymorphis
men”) im aktiven Gen vorkommen
können und das Hybridisieren der Pri
mer verhindern könnte. Wegen des
Auftretens von Hybridgenen zwischen
aktivem Gen und Pseudogen und der
Möglichkeit partieller Deletionen,
kann es passieren, dass ein solches
defektes Allel nicht amplifiziert wird
und die Sequenzierung des vorhan
denen intakten Allels zu dem Schluss
führt, dass beide Genkopien vorhan
den sind. Es lägen dann alle polymor
phen Stellen in diesem Bereich an
scheinend homozygot vor, obwohl es
sich in Wirklichkeit um eine “hemizy
gote” Sequenz handelt und der Pa
tient heterozygoter Anlageträger für
AGS ist. Es ist daher sinnvoll, mit
mehreren überlappenden PCRFrag
menten und unter Zuhilfenahme des
Ergebnisses der quantitativen PCR
eine Abschätzung der vorhandenen
Verhältnisse vorzunehmen.
Indikationen für die molekulare
Diagnostik des 21$Hydroxylase$
Mangels
Neugeborenenscreening
In der Vergangenheit wurden Fami
lien, in denen die Eltern heterozygote
Anlageträger für AGS sind, meist erst
durch die Geburt eines betroffenen
Kindes entdeckt.
Werden Mädchen mit intersexuellem
Genitale geboren, so ist die Ver
dachtsdiagnose zunächst der CYP21
Mangel, da dieses mit Abstand die
häufigste Ursache ist (Therell 2001).
Männliche Neugeborene fallen in der
Regel nur auf, wenn es zu Gedeihstö
rungen im Rahmen eines Salzverlust
syndroms kommt. Gelegentlich liegt
eine Pigmentierung des Scrotums vor.
Man kann davon ausgehen, dass in
der Vergangenheit hinter manch ei
nem plötzlichen Kindstod von Knaben
ein nicht erkanntes AGS mit Salzver
lust steckte. Bis vor wenigen Jahren
war man davon ausgegangen, dass
Mädchen und Knaben im Verhältnis
3:1 betroffen sind. Tatsächlich gibt es
keine Geschlechtspräferenz für den
CYP21Mangel.
Genetische Tests in der Patientenversorgung
ne häufigen Mutationen gibt. Ausnah
men stellen abgeschlossene um
schriebene Bevölkerungsgruppen dar,
in denen einzelne Mutationen durch
Konsanguinität eine starke Verbrei
tung haben. Eine weitere Ausnahme
ist das CYP21Gen, bei dem über
90% der vorkommenden Mutationen
aus dem Pseudogen (CYP21P) stam
men. In den kodierenden Regionen
des CYP21PGens liegen insgesamt
13 Sequenzabweichungen vom akti
ven Gen vor, die zu einer kompletten
oder teilweisen Aktivitätsminderung
führen und pathogenetisch von Be
deutung sind. Die Verteilung der Mu
tationen im Gen führt dazu, dass de
facto eine komplette Sequenzierung
notwendig ist.
Es wird daher heute ein flächende
ckendes Neugeborenenscreening ge
fordert, um Betroffene in den ersten
Lebenstagen zu erkennen und recht
zeitig zu substituieren. Als Parameter
dient zunächst das basale 17Hy
droxyprogesteron, das aus den ge
trockneten Bluttropfen der für das
NeugeborenenScreening verwende
ten GuthrieKarten bestimmt werden
kann. Bei erhöhten Werten ist sofort
eine zweite Bestimmung aus Blut er
forderlich und bei weiterhin erhöhten
Werten eine molekularbiologische Ab
klärung indiziert. Wenn es sich nicht
um einen CYP21Mangel handelt,
kann durch die Hormonprofile im
Plasma und Urin eine weitere Einen
gung des Enzymdefektes erfolgen.
Beim CYP21Mangel ist vor allem
wichtig, dass man aus der Kenntnis
der vorliegenden Mutationen ab
schätzen kann, ob es zu einem Salz
verlust kommen wird. Für diesen Fall
würde zusätzlich zum Hydrocortison
eine Substitution mit Fluorocortison
(Astonin H) durchgeführt. Das mole
kulargenetische Ergebnis ist gleich
medgen 16 (2004)
297
Genetische Tests in der Patientenversorgung
zeitig Grundlage für eine genetische
Beratung des Paares und der Ab
schätzung des Wiederholungsrisikos
bei weiteren Schwangerschaften.
Pränatalscreening und therapie
Haben Eltern bereits ein Kind mit
AGS oder ist aus anderen Gründen
bekannt, dass beide Eltern Träger von
Mutationen im CYP21Gen sind, ist
eine humangenetische Beratung bei
Kinderwunsch in Hinblick auf eine
pränatale Diagnostik und Therapie in
diziert. Tragen beide Eltern Mutatio
nen im CYP21Gen, die zu einem ein
fach virilisierenden AGS oder zu ei
nem AGS mit Salzverlust führen kön
nen (Abb 1), sollte mit Bekanntwerden
der Schwangerschaft Dexamethason
als plazentagängiges Cortisolderivat
gegeben werden. Die Synthese von
androgenen Steroiden im Feten wird
dadurch supprimiert. Diese Behand
lung muss vor der 6. Schwanger
schaftswoche beginnen, da zu die
sem Zeitpunkt die Geschlechtsdiffe
renzierung des Urogenitalsystems be
gonnen hat. In der 10.–12. Schwan
gerschaftswoche sollte aus einer
Chorionzottenbiopsie das Geschlecht
des Feten und der Genotyp bezüglich
der Mutationen im CYP21Gen be
stimmt werden. Nur bei weiblichen
Feten, die homozygot oder gemischt
heterozygot für die AGSMutationen
sind, ist die Fortführung der Dexame
thasonBehandlung bis zum Ende der
Schwangerschaft indiziert. Andern
falls ist zur Vermeidung von Neben
wirkungen bei der Mutter die Behand
lung abzubrechen (New 2001).
Molekulare Diagnostik bei nichtklas
sischem AGS im Kindesalter
Pseudopubertas pracox ist die auffäl
ligste Manifestation des nichtklassi
schen AGS bei Mädchen und Kna
ben. Hinzu kommt das akzelerierte
Knochenalter und zunächst beschleu
nigte Längenwachstum. Bei entspre
chendem Verdacht sollte das Kind ei
nem pädiatrischen Endokrinologen
vorgestellt werden. Nach biochemi
scher Bestätigung über einen ACTH
Test und Ermittlung des Profils der
Steroidhormone sollte gezielt eine
molekulargenetische Bestätigung er
folgen. Das Ergebnis hat Einfluss auf
die Therapiewahl (z.B. Cortisol oder
Antiandrogene je nach Schwere der
298
medgen 16 (2004)
Mutationen) und dient als Grundlage
für die genetische Beratung der Fami
lie.
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Molekulare Diagnostik bei nichtklas
sischem AGS bei erwachsene Frauen
In der Gynäkologie ergibt sich der
Verdacht auf ein nichtklassisches
AGS bei der differentialdiagnosti
schen Abklärung von Hyperandrogen
ämien. Bei Hirsutismus, Akne, Sebor
rhoe, tiefer Stimme, Klitorishypertro
phie, temporärem Haarausfall, Stirn
glatze, primärer oder sekundärer
Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe
muss auch ein nichtklassisches AGS
in Erwägung gezogen werden. Ursa
che können gemischt heterozygote
milde Mutationen oder Heterozygotie
für schwerwiegende Mutationen im
21HydroxylaseGen sein; in seltenen
Fällen auch im HSD3B oder im
CYP11B1Gen. Da die basalen
17OHPWerte oft nicht aussagekräf
tig sind, sollte in der frühen Follikel
phase ein ACTHTest erfolgen. Bei
pathologischem Anstieg des 17OHP
(≥ 2,6 ng/ml) ist eine molekulargene
tische Bestätigung indiziert. Die Be
deutung der molekulargenetischen
Bestätigung liegt nicht so sehr in der
Therapieentscheidung, die zumeist
ohnehin empirisch erfolgt, sondern in
der Tatsache, dass bisher nicht be
kannte Anlageträgerinnen von CYP21
Mutationen erkannt werden und im
Rahmen einer humangenetischen Be
ratung darauf hingewiesen werden
können, dass wegen der hohen Fre
quenz heterozygoter Genträger bei ei
nem Kinderwunsch der Genträgersta
tus des Partners überprüft werden
sollte und gegebenenfalls die Mög
lichkeit einer pränatalen Diagnostik
und Therapie besteht. Da man davon
ausgehen kann, dass viele Frauen mit
Mutationen im CYP21Gen im Laufe
ihres Lebens gynäkologischendokri
nologische Probleme bekommen, be
steht in der Erfassung dieser Fälle die
Chance die unerwartet auftretenden
AGSFälle bei Neugeborenen deutlich
zu reduzieren.
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Höppner
Labor für Molekulare Genetik
Bioglobe GmbH
Grandweg 64
22529 Hamburg
Tel. 04046069313
Fax 04046069310
[email protected]
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