Die Konstruktion der rationalen Zahlen und ihrer Ordnung

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“Logische Grundlagen der Mathematik”, WS
2014/15
Thomas Timmermann
3. Dezember 2014
Wiederholung: Konstruktion der ganzen Zahlen
(i) Betrachten formale Differenzen a − b := (a, b) mit a, b ∈ N0
(ii) Setzen a − b ∼ c − d, falls a + d = b + c
(iii) ganze Zahlen sind Äquivalenzklassen formaler Differenzen:
Z := (N0 × N0 )/∼
(iv) definieren Addition und Multiplikation formaler Differenzen:
(a − b) + (c − d) := (a + c) − (b + d)
(a − b) · (c − d) := (ac + bd) − (ad + bc)
(v) diese Operationen sind mit der Äquivalenzrelation verträglich und liefern die
Addition und Multiplikation auf Z
(vi) es gelten die Assoziativitäts-, Kommutativitäts- und Distributiv- gesetze und
(Z, +) ist eine abelsche Gruppe
4.1
Die Konstruktion der rationalen Zahlen
Wir wollen rationale Zahlen als formale Brüche ganzer Zahlen darstellen, also als
Paare aus Zähler und Nenner, und schreiben
a
:= (a, b) ∈ Z × N,
b
1
4.1
Die Konstruktion der rationalen Zahlen
wobei N := N0 \ {0}. Wann stellen zwei formale Brüche dieselbe Zahl dar?
Lemma. Durch
a
c
∼
:⇔ ad = cb
b
d
(1)
wird eine Äquivalenzrelation auf Z × N definiert.
Beweis. Reflexivität und Symmetrie sind einfach. Beweisen wir die Transitivität.
Seien ba ∼ dc , also ad = bc, und dc ∼ fe , also cf = de. Wir müssen zeigen: ba ∼ fe ,
also af = be. Aber die Annahme liefert adcf = bcde und die Kürzungsregel für
die Multiplikation af = be.
Definition. Die rationalen Zahlen sind die Äquivalenzklassen Q := (Z × N)/∼ .
Nun definieren wir die Rechenoperationen auf formalen Brüchen durch:
a c
ac
· =
= (ac, bd),
b d
bd
a c
ad + cb
+ =
= (ad + bc, cd).
b d
bd
Lemma. Die Operationen sind mit der Äquivalenzrelation ∼ verträglich.
Beweis. Sei
•
a
b
·
•
a
b
+
c
d
a
b
=
c
d
∼
ac
bd
=
a0
b0 ,
∼
also ab0 = a0 b, und
a0 c
b0 d
ad+bc
bd
=
∼
a0
b0
c
d
c0
d0 ,
∼
also cd 0 = c 0 d. Dann folgt
· dc , weil acb0 d = a0 cbd;
a0 d+b0 c
b0 d
=
a0
b0
+ dc , weil
(ad + bc)(b0 d) = adb0 d + bcb0 d = a0 dbd + b0 cbd = (a0 d + b0 c)(bd),
und ähnliche Rechnungen zeigen
a0
b0
·
c
d
∼
a0
b0
·
c0
d0
sowie
a0
b0
+
c
d
∼
a0
b0
+
c0
d0 .
Nun können wir die Addition und Multiplikation als Abbildungen Q × Q → Q definieren durch
[(a, b)] · [(c, d)] := [(a, b) · (c, d)].
[(a, b)] + [(c, d)] := [(a, b) + (c, d)],
Lemma. Auf Q gelten die üblichen Kommutativ-, Assoziativ- und Distributivgesetze.
Beweis. Einfach und langweilig.
2
4.1
Die Konstruktion der rationalen Zahlen
Bemerkung. Kommutativität und Assoziativität gilt bereits für formale Brüche,
also auf Z × N, Distributivität aber nicht:
a c e
ad + bc e
ade + bce
ae
ce
a e
c e
aedf + bf ce
+
=
· =
∼
=
+
= · + ·
6=
b d f
bd
f
bdf
bf df
bf
df
b f
d f
Satz. Q bildet bezüglich der Addition und Multiplikation ein Körper:
(i) (Q, +) ist eine abelsche Gruppe,
(ii) (Q \ {0}, ·) ist eine abelsche Gruppe,
(iii) es gelten die Distributivgesetze.
Beweis. (i) Bzgl. Addition neutrales Element ist
−a b , denn
0
1
, inverses Element zu
a
b
ist
a −a
ab − ba
0
0
+
=
=
∼ .
b
b
bb
bb
1
1
(ii) Bzgl. Multiplikation neutrales Element ist 1 , inverses Element zu ba ist ba .
(iii) Bereits festgestellt.
Man kann nun nachprüfen, dass ein Repräsentantensystem für Q gegeben ist durch
na
o
∈ Z × N0 | a, b teilerfremd, d.h. 6 ∃c, d, e ∈ Z : c 6= 1, cd = a, ce = b ,
b
dass also die Abbildung
Z → Q, a 7→
hai
1
injektiv ist, und dass die Operationen auf Q die von Z fortsetzen.
Die Ordnung auf den natürlichen, ganzen und rationalen Zahlen
Für die Konstruktion der reellen Zahlen als Grenzwerte von Cauchy-Folgen rationaler Zahlen benötigen wir die Betragsfunktion auf Q und implizit damit auch die
gewöhnliche Ordnungsrelation.
Satz.
(i) Auf N0 wird eine Ordnung definiert durch a ≤ b :⇔ (a ∈ b) ∨ (a = b).
Für alle a, b, c, d ∈ N0 gilt:
a ≤ b ⇔ a + c ≤ b + c,
(a ≤ b) ∧ (c ≤ d) ⇒ (a + c) ≤ (b + d).
3
4.1
Die Konstruktion der rationalen Zahlen
(ii) Auf Z wird eine Ordnung definiert durch [a − b] ≤ [c − d] :⇔ a + d ≤ c + b.
Für alle x, y , z, d ∈ Z mit d > 0 gilt: x ≤ y ⇔ x + z ≤ y + z und x ≤ y ⇔
xd ≤ y d ⇔ y (−d) ≤ x(−d).
(iii) Auf Q wird eine Ordnung definiert durch ba ≤ dc :⇔ ad ≤ bc. Für alle
x, y , z, d ∈ Q mit d > 0 gilt: x ≤ y ⇔ x + z ≤ y + z und x ≤ y ⇔ xd ≤ y d.
Beweis. Wir gehen nicht alle Details durch.
(i) Reflexivität ist klar.
Transitivität: Sei a ≤ b und b ≤ c. Falls a = b oder b = c, folgt direkt a ≤ c. Sonst
ist a ∈ b ∈ c. Wegen der Transitivität von c (eine der definierenden Eigenschaften
natürlicher Zahlen) folgt a ∈ c, also a ≤ c.
Anti-Symmetrie: Sei a ≤ b und b ≤ a und a 6= b. Dann folgt a ∈ b ∈ a, mit obigem
also a ∈ a. Aber die Elementen von a sind durch c ≤a d :⇔ (c ∈ d) ∨ (c = d)
geordnet (eine der definierenden Eigenschaften natürlicher Zahlen). Es folgt a ≤a
b ≤a a, also a = b. Widerspruch.
Verträglichkeit mit Addition: Erste Äquivalenz folgt per Induktion über c, weggelassen. Zweite Implikation: (a ≤ b) ∧ (c ≤ d) impliziert a + c ≤ b + c ≤ b + d.
(ii) Wohldefiniertheit der Relation: Seien [a0 − b0 ] = [a − b] und [c − d] = [c 0 − d 0 ].
Wir müssen zeigen:
a+d ≤c +b
⇔
a0 + d 0 ≤ c 0 + b 0 .
Aber aus (i) folgt
a+d ≤c +b
⇔
(a + d) + (c 0 + b0 ) ≤ (c + b) + (c 0 + b0 )
a0 + d 0 ≤ c 0 + b 0
⇔
(a0 + d 0 ) + (c + b) ≤ (c + b) + (c 0 + b0 )
und die Annahme liefert
(a + d) + (c 0 + b0 ) = (a + b0 ) + (c 0 + d)
= (a0 + b) + (c + d 0 ) = (a0 + d 0 ) + (b + c)
Reflexivität, Antisymmetrie sind einfach.
Transitivität: Sei
• [a − b] ≤ [c − d], also a + d ≤ c + b,
• [c − d] ≤ [e − f ], also c + f ≤ e + d.
4
4.1
Die Konstruktion der rationalen Zahlen
Dann folgt
a+c +d +f ≤c +b+e+d
und mit (i) a + f ≤ b + e, also [a − b] ≤ [e − f ].
Verträglichkeit mit Addition und Multiplikation: weggelassen.
(iii) Ähnliches Vorgehen wie bei (ii), weggelassen.
Nun definieren wir die Betragsfunktion
Q → Q,
x 7→ |x| :=
(
x,
−x,
x ≥ 0,
x ≤0
mit ihren bekannten Eigenschaften. Wir benötigen insbesondere:
|x + y | ≤ |x| + |y |,
|xy | = |x||y |.
Die Beweise erfordern jeweils Fallunterscheidungen.
Richard Dedekind und die Zahlen
Blitz-Studium
• 1848 Beginn des Studiums
• 1852 Promotion bei C.F. Gauss
• 1854 Habilitation
Beschäftigung mit den Zahlen
• Bildung der Begriffe Ring und Körper
• 1872 Axiomatisierung reeller Zahlen durch Dedekindsche Schnitte
• 1888 Axiomatisierung der natürlichen Zahlen in “Was sind und was
sollen die Zahlen?”
5
Richard Dedekind
(1831–1916)
4.1
Die Konstruktion der rationalen Zahlen
• Studium ganzer Zahlen in algebraischen Zahlkörpern
Zwischen Q und C — algebraische Zahlen
Évariste Galois
(1811–1832)
6
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