SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Das inszenierte Fremde:
das Exotische in der Musik (5)
Von Wolfgang Sandberger
Sendung:
Freitag, 25. September 2015
9.05 – 10.00 Uhr
Redaktion: Ulla Zierau
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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… mit Wolfgang Sandberger, einen schönen guten Morgen! Auch heute geht es in
der Musikstunde noch einmal um das inszenierte Fremde: um das Exotische in der
Musik.
Wir sind im Land des Lächelns: Der zweite Akt dieser Operette von Franz Lehar
entführt uns nach China, zum Palast des Prinzen Sou-Chong. Die Wände des
Palastes sind mit goldenen Phantasie-Tieren geschmückt - mit Drachen, Eidechsen
und schillernden Blumen, so heißt es in der Regieanweisung. Hinter den mit
Pergament überzogenen Schiebetüren blicken wir in einen chinesischen Garten.
Dorthin ist Lisa, das Mädchen aus Wien, ihrem angebeteten Prinzen gefolgt - gegen
den Willen und die Warnungen des Vaters. „Das Land des Lächelns“ ist eine zum
Scheitern verurteilte chinesisch-europäische Liaison. Mit Pentatonik, mit
Parallelklängen und einer raffinierten Instrumentation führt Franz Lehar das
Exotische vor - etwa im chinesischen Hochzeitszug. Die Verheiratung des Prinzen
mit gleich vier Chinesinnen bedeutet das Ende von Lisas Liebes-Illusionen…
Musik 1
Franz Lehar
Das Land des Lächelns, daraus: Chinesischer Hochzeitszug
Festival Orchester Mörbisch
Ltg. Rudolf Bibl
Oehms OC 221 LC 12424
2.06‘‘
Der Gong, einige Lampions, ein Drache, eine Buddastatue, ein chinesischer Garten:
auch im „Land des Lächelns“ gibt es die typischen Accessoires, die dem OperettenPublikum die exotische Welt Chinas vorgaukeln sollten: Das ist bei Giacomo Puccini
nicht anders, in der Japan-Oper „Madame Butterfly“ oder der chinesischen
„Turandot“. Dabei hat auch Puccini keine authentische japanische oder chinesische
Musik geschrieben, sondern ein eigentümliches „Gemisch von italienischen,
französischen, und japanischen Elementen“, wie die „Vossische Zeitung“ über die
Musik in der „Butterfly“ geschrieben hat. Auch die „Daily News“ in London kritisierte,
dass sich das Japanische dieser Oper „kontinuierlich in musikalischen Idiomen des
modernen Italiens ausdrücke. Die Konsequenz sei, dass alles nicht wirklich echt“
wirke. Das Publikum aber ist von dem exotischen Spektakel begeistert gewesen, hat
sich von der chinesischen Welt etwa der Turandot verzaubern lassen. Wie sehr es
dabei auch um eine kulturelle Mode gegangen ist, mag die folgende Komposition
zeigen, die auf dieser modischen Erfolgswelle mitgeschwommen ist: die orientalische
Fantasie „In einem Chinesischen Tempelgarten“ des Engländers Albert Ketélbey.
1923 hat der erfolgreiche Stummfilmkomponist diese farbige Salon-Fantasie
geschrieben, die ebenfalls nicht wirklich authentische chinesische Musik, sondern
einen inszenierten Exotismus bietet. Da entführt uns Ketélbey in einen Chinesischen
Tempel mit Priestergesang und dem musikalischen Parfum exotischer Blumen,
plötzlich ist dann da eine eher wienerische Liebesmelodie, die uns zu einer ManchuHochzeitsprozession führt, nach einem exotischen Gong hören wir dann auch
Straßengeräusche, ja das bunte Treiben der Stadt wird eingeblendet, mit dem
2
Gewimmel chinesische Lastenträger unter Reishüten. Eine pittoreske Komposition,
die sehr viel vom Film gelernt zu haben scheint, mit Episoden und raschen Schnitten,
und die uns atmosphärisch vom ersten Takt an klar machen soll, dass wir uns in
einer fremden Welt bewegen…
Musik 2
Albert Ketélbey
„In a Chinese Temple Garden“ - Orientalische Fantasie
The Palm Court Theatre Orchestra
Ltg. Anthony Godwin
Chandos 6676
6.08‘‘
Die Suche nach einem musikalischen Exotismus ist auch als Inspirationsquelle für
neue kompositorische Ansätze zu verstehen. Einem Musiktheoretiker sind in diesem
Zusammenhang schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts „leise Zweifel an der
Unerschöpflichkeit der europäischen Musik gekommen“ – kein Wunder angesichts
der ausufernden Salonmusik, die damals den Musikmarkt überflutet hat. Georg
Capellen, so heißt der Musikgelehrte, Georg Capellen also hat damals ein
programmatisches Buch geschrieben mit dem Titel „Ein neuer exotischer Musikstil“,
erschienen in Stuttgart 1906. Die zentrale Frage des Autors lautet: „Bei der enormen
Erweiterung unseres geistigen und politischen Horizontes in den letzten Jahrzehnten
hätte uns vielleicht die Frage kommen sollen, ob nicht vielleicht der Orient auch
musikalisch uns anregen und befruchten könnte“.
Auf seine Weise Ernst gemacht hat damit nur wenig später Gustav Mahler, mit
seinem „Lied von der Erde“ aus dem Jahr 1909. Dieser sinfonische Liederzyklus
basiert auf den Übersetzungen chinesischer Gedichte durch Hans Bethge. Die
chinesischen Originale stammen aus der Tangzeit, zumeist von Li-Tai-Po, dem wohl
berühmtesten Dichter des chinesischen Altertums. Echte musikalische Exotik kommt
bei Mahler nur wenig vor, auch wenn der gerade gescheiterte Wiener Operndirektor
mit dieser Musik neue Grenzbereiche berührt: von Nähe und Ferne, von Banalität
und Transzendenz. Gelegentlich hat Mahler im „Lied von der Erde“ originale
chinesische Tonfolgen benutzt, doch die verwandeln sich in seiner Musik eher zu
einer Art deutscher Chinoiserie. Von besonderem exotischen Reiz ist das dritte Lied:
„Von der Jugend“. Klanghell und lieblich, ein Stück, das in Bethges Vorlage noch den
Titel trägt: „Der Pavillon aus Porzellan“. Mahlers Orchesterlied beginnt mit einem
pentatonischen Orchestervorspiel und lässt mit dem feinen Klang von Triangel,
Zymbal, Holzbläsern und Piccolo vor unserem Auge das Bild eines chinesischen
Gartens entstehen. Eine tatsächlich an rokokohafte Chinoiserien erinnernde
Heiterkeit liegt über dem ganzen Lied: „Mitten in dem kleinen Teiche steht ein
Pavillon aus grünem und aus weißem Porzellan…
3
Musik 3
Gustav Mahler
Von der Jugend, aus: Das Lied von der Erde
Michael Schade, Tenor
Wiener Philharmoniker
Ltg. Pierre Boulez
DG 469 526 2 LC 0173
3.02‘‘
Die Texte zum „Lied von der Erde“ hat sich Mahler aus dem damals ganz neu
erschienenen Insel-Bändchen „Die chinesische Flöte“ zusammengestellt Nachdichtungen chinesischer Lyrik, so der Untertitel dieser Sammlung von Hans
Bethge.
Exotische Literatur hat im 19. Jahrhundert viele Dichter inspiriert, von Stendhal,
Victor Hugo, Merimee, Flaubert bis hin zu Baudelaire, Oscar Wild oder auch Gustav
Meyrink. Ein Dichter ist dem Exotismus besonders erlegen, der Franzose Theophile
Gautier, der den Begriff „Exotismus“ auch geprägt hat: 1863. Er habe
„Konstantinopel mit glänzenderen Farben gemalt als die Natur selbst, sein Bild sei
wahrer als die Wirklichkeit selbst“, so Gautier, der dann auch die Forderung erhoben
hat, dass die „Wirklichkeit es nötig habe, ihre traurige Nacktheit mit einem Mantel zu
bedecken. Jeder Mensch trage „in seinem Herzen sein Kanaan und sein Eldorado
weit jenseits des Ozeans.“ Diese Art von exotischer Weltflucht entzieht sich der
Gegenwart mit ihren Problemen. Und so prägt unser ästhetischer Gewährsmann
Gautier nicht nur den Begriff des Exotismus, sondern auch das Schlagwort „L’art
pour l’art“, ein Begriff, der zunächst von allen ethischen, politischen Aspekten frei ist
und eine ganz sensualistische, ja durchaus auch egozentrische Kunst propagiert.
Theophile Gautier unterscheidet dabei in seinen ästhetischen Schriften zwischen
einem Exotismus der räumlichen und einem Exotismus der zeitlichen Entfernung. In
der Märchenerzählerin Sheherazade in Tausend und einer Nacht kommt beides
zusammen: zeitliche und räumliche Entfernung. Maurice Ravel hat diese exotische
Geschichtenerzählerin zu einer Opernfigur machen wollen, doch von diesem Projekt
aus dem Jahr 1898 ist nur die Ouvertüre übrig geblieben, wenige Jahre später aber
hat Ravel drei Orchesterlieder geschrieben mit dem Titel Sheherazade, nach Texten
von Tristan Klingsor. Die dritte Miniatur ist die intimste in diesem Zyklus, flüsternd,
zerbrechlich und voller exotischer Impressionen. Ein gleichgültiger Jüngling geht da
vorüber, mit Augen so schön wie die eines jungen Mädchens. Das lyrische Ich nimmt
den Gang des jungen Mannes und seinen Gesang war: „Dein Mund singt vor meiner
Tür in einer unbekannten und bezaubernden Sprache – wie fremdartige Musik“:
Musik 4
Maurice Ravel
Sheherazade, daraus: „L‘Indifférent“
Renée Fleming, Sopran
Orchestre Philharmonique de Radio France
Ltg. Alan Gilbert
Decca 478 3500
4.03‘‘
4
Im französischen Impressionismus sind die Künstler und Komponisten besonders
offen für den Orientalismus. Kein Wunder: Frankreich ist nach Großbritannien die
zweitgrößte militärische Kolonialmacht in Nordafrika und Nahost. Der Orientalismus
steht damit hoch im Kurs, in der Malerei, der Literatur, aber eben auch in der Musik.
Der Literaturtheoretiker Edward Said hat diesen Orientalismus in den 1970er Jahren
recht kritisch definiert als einen „Stil der Herrschaft, der Umstrukturierung und des
Autoritätsbesitzes über den Orient“. Das orientalisch „Andere“ werde aus dem
begehrlich-lasziven Blickwinkel des abendländischen Künstlers tatsächlich oft zu
einem mysteriösen Konstrukt zwischen Dämon und Lustobjekt. Doch die Kritik an
einem abendländischen Sexismus ist mitunter übertrieben worden. Das Fremde hat
doch auch auf der rein ästhetischen Ebene die Künstler fasziniert. Die
Lichtexperimente, die Farbigkeit, die Motivsuche, als das findet in der Welt des
Orients Anregungen. Der Maler Claude Monet hat sich freiwillig ins Regiment der
Afrikanischen Infanterie einziehen lassen und aus Algerien viele Eindrücke und
Motive mitgebracht. Auch Auguste Renoir hat in Nordafrika künstlerische
Entdeckungen gemacht. Das „weiß“ zum Beispiel habe er nun mit ganz neuen Augen
gesehen. Alles sei in Marokko weiß, die Burnusse, die Mauern, die Minarette, die
Straße. Vor allem die Architektur in Nordafrika hat Renoir fasziniert, wie sein Bild
„Moschee in Algier“ zeigt. Das musikalische Pendant zu solchen Bildern könnte die
Orchestersuite „Algerienne“ von Camille Saint Saens sein. Ägypten und Algerien
wurden in späteren Jahren zu den beliebtesten Ferienorten des französischen
Komponisten, der auf seiner letzten Reise durch Nordafrika sogar in Algier gestorben
ist: im Dezember 1926.
Die persönlichen Reise-Erfahrungen des Komponisten spiegeln sich vielfach in
seiner Musik: Einer Fantasie für Klavier und Orchester hat Camille Saint Saens den
simplen Titel „Afrika“ gegeben, und das fünfte Klavierkonzert trägt den Untertitel
„Ägypten“. Die Orchesteresuite „Algerienne“ hat letztlich sogar einen kulturpolitischen
Hintergrund: geschrieben nämlich ist diese Musik, um den neuen politischen Status
von Algerien musikalisch zu würdigen. Aus der Militärkolonie war ein französisches
Departement geworden. Die erste Fassung dieser Suite „Algerienne“ ist mit großem
Erfolg in Paris herausgekommen - 1879, zu einer Zeit, als der Verleger Saint-Saens
ermuntert hat, überhaupt mehr „pittoreske“ Stücke zu schreiben. Pittoresk in diesem
Sinne ist der zweite Satz dieser Suite Algerienne: die maurische Rhapsodie…
Musik 5
Camille Saint Saens
Suite Algerienne, op. 60
2. Satz: Maurische Rhapsodie (Ausschnitt)
London Symphony Orchestra, Leitung: Yondani Butt
ASV, CD DCA 599
3.24“
Die Welt ist schon Ende des 19. Jahrhunderts enger zusammengerückt - nicht erst
heute in Zeiten der Globalisierung. Beispiel: die großen Weltausstellungen, wie etwa
die in Paris, 1889. Eine Leistungsschau ist das gewesen, die der Welt zeigen sollte,
5
was in Frankreich möglich ist, nicht zuletzt in technischer Hinsicht. Der Eiffelturm ist
damals der Welt gezeigt worden, als eindrucksvolles Beispiel französischer
Ingenieurs-Kunst – bis heute d a s Wahrzeichen von Paris. Daneben aber hat sich
Frankreich auch als Kolonialmacht präsentiert – schlicht auch dadurch, dass man
musikalische Ensembles eingeladen hatte aus den französischen Kolonien in
Indochina. Dazu hat auch ein komplettes Gamelanorchester gehört, das im
javanischen Pavillon dieser Weltausstellung gespielt hat. Um das Exotische dieser
fernöstlichen Welten noch zu betonen, haben die Franzosen auch gleich noch etliche
Pagoden nachgebaut, buddistische mehrterassige Tempel also, die damals einen
großen Eindruck gemacht haben. Claude Debussy ist einer, der von dieser Pariser
Weltausstellung besonders fasziniert gewesen ist. Wochenlang hat er sich in diese
exotische Welt vertieft, in die eigenartigen Klänge der javanischen Musikensembles.
In einem späteren Klavierstück spiegelt sich diese Begeisterung Debussys, in der
Klavierminiatur Pagodes, benannt also nach dem buddistischen Tempelbau. Und der
Klangeindruck eines javanischen Gamelan-Ensembles wird in dieser Klaviermusik
unmittelbar nachgeahmt: mit einer pentatonischen, irgendwie exotisch klingenden
Skala und mit Klangschichtungen, die eben auch an den großen Gong und die
Metalplatten eines Gamelan-Orchesters erinnern.
Unser Klangmagier ist Sviatoslav Richter. Pagodes von Claude Debussy:
Musik 6
Claude Debussy
„Pagodes“, aus „Estampes“
Sviatoslav Richter, Klavier
Decca 478 6778 LC 0171
6.00“
Pagodes. Aus der Sammlung Estampes von Claude Debussy. Von den exotischen
Tempeln und der javanischen Musik auf der Pariser Weltausstellung 1889 hat sich
Claude Debussy zu dieser Musik inspirieren lassen.
Vier Jahre später, 1893, ist die Weltausstellung in Chicago über die Bühne
gegangen: Mehr als 27 Millionen Menschen haben damals das Ausstellungsgelände
besucht, die „Weiße Stadt“ in der Lagunenparklandschaft am Michigan See. 70.000
Aussteller haben sich präsentiert in den üppig dekorierten Hallen aus Stahl und Gips
mit grandiosen Ausmaßen. Die Idee der Weltausstellung: sie sollte eine große
amerikanische Volks-Universität sein, ein Ort der geistigen Bereicherung und es hat
ja auch etliche technische Sensationen gegeben: ein elektrisch beleuchtetes
Alpenpanorama zum Beispiel, dann den Edison-Phonographen, mit dem man Musik
hat konservieren können oder das Kinematoscop, aus dem später der Film
hervorgegangen ist. Das ist die eine Seite, auf der anderen hat es auch etliche
Skandale im prüden Amerika gegeben, vielleicht der heftigste – die Tänzerin Little
Egypt hat mit ihrer Frauentanztruppe einen orientalischen Bauchtanz in Chicago
vorgeführt und damit auf der Amüsiermeile einen öffentlichen Eklat ausgelöst. Die
Faszination für alles Exotische und Orientalischen hat damals allerdings in der Luft
gelegen. Sergei Rachmaninov etwa hat kurz vor der Weltausstellung in Chicago
einen Tanz geschrieben, der seinen aparten Reiz gerade aus der exotischen Folklore
6
bezieht – oder dem, was Sergei Rachmaninov dafür gehalten hat. Dieser
orientalische Tanz op. 2 ist übrigens eine der wenigen Originalkompositionen von
Rachmaninov für Violoncello und Klavier. Um die knisternde Spannung vor diesem
erotischen Tanz zu erhöhen, hat der Komponist noch ein Vorspiel vorgesehen, ein
Präludium, das indes auch entbehrlich ist: der Cellist Truls Svane und die Pianistin
Elena Margolina kommen jedenfalls gleich zur Sache: der orientalische Tanz op. 2
von Sergei Rachmaninov:
Musik 7
Sergei Rachmaninov
Danse orientale op. 2
Troels Svane, Cello
Elena Margolina, Klavier
Ars FCD 368 410 LC 06900
5.47‘‘
Nach diesem exotischen orientalischen Tanz wird’s jetzt noch eine Spur aufregender
in der SWR 2 Musikstunde – bei Salomes Tanz der sieben Schleier von Richard
Strauss, jenem orientalischen Tanz, der seit Herodes vor allem Männerphantasien
angeregt hat und Salome zur lasziven, männermordenden „femme fatale“ gemacht
hat: Die Prinzessin Salome, die im späten 19. Jahrhundert von Oscar Wilde auf die
Theaterbühne geholt worden ist. Mit einem Stück, das die Gemüter erregt hat. Schon
die geplante Uraufführung in London ist von einem Theaterzensor verboten worden,
obwohl die Theater-Proben bereits begonnen hatten. Doch nicht nur Oscar Wild ist
von der Figur der Salome fasziniert gewesen, auch etliche Maler sind diesem Motiv
erlegen, Max Slevogt zum Beispiel, der 1895 die tanzende Salome auf faszinierende
Weise ins Bild gebracht hat. Die Szene sei kurz in Erinnerung gerufen: Nachdem
Salome ihrem Stiefvater Herodes anfänglich die kalte Schulter zeigt, ist sie doch
bereit für ihn zu tanzen, nachdem Herodes versprochen hat, ihr, Salome, nach dem
Tanz jeden Wunsch zu erfüllen. Das Wilde dieses Tanzes ist zu verstehen als die
orientalische Zurückweisung der vermeintlich edlen antiken Zivilisation der Griechen,
Juden, Ägypter und Römer, und die von Herodes gierig verfolgte Entblößung ist alles
andere als eine Stilisierung, sprich: Verstellung, nein sie ist die Enthüllung einer
elementaren Körperlichkeit, der Nacktheit von Salome. Das orientalische Kolorit
dieser Nummer ist denn auch keine exotische „couleur locale“, sondern wie Richard
Strauss im Tagebuch festgehalten hat, ein „wirklich östliches Kolorit und glühende
Sonne“. Der Tanz kann beginnen, „sehr schnell und heftig“, wie es in der
Partituranweisung heißt:
Musik 8
Richard Strauss
Tanz der sieben Schleier, aus der Salome (Ausschnitt)
Staatskapelle Dresden
Ltg. Seiji Ozawa
Philips 454315-2
4‘50“
7
Der Tanz der sieben Schleier ist übrigens bei den Tempelpriesterinnen einst
tatsächlich ein heiliges Ritual gewesen. Die sieben Gewänder bedeuteten, wie schon
bei der Göttin Isis, nichts anderes als die sieben Hüllen des weltlichen Seins. Mit
jedem zarten Schleier sollte auch eine weltliche Schicht fallen: eine Schicht der
Täuschung, Verstrickung und Irritation. Am Ende, sprich: wenn alle Hüllen gefallen
sind, offenbart sich das Wahre unseres Seins. Wie dem auch sei: In der Version von
Richard Strauss, auf der Opernbühne also hat dieser Tanz der sieben Schleier für
manchen Skandal gesorgt. ….
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