SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Das inszenierte Fremde: das Exotische in der Musik (5) Von Wolfgang Sandberger Sendung: Freitag, 25. September 2015 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de … mit Wolfgang Sandberger, einen schönen guten Morgen! Auch heute geht es in der Musikstunde noch einmal um das inszenierte Fremde: um das Exotische in der Musik. Wir sind im Land des Lächelns: Der zweite Akt dieser Operette von Franz Lehar entführt uns nach China, zum Palast des Prinzen Sou-Chong. Die Wände des Palastes sind mit goldenen Phantasie-Tieren geschmückt - mit Drachen, Eidechsen und schillernden Blumen, so heißt es in der Regieanweisung. Hinter den mit Pergament überzogenen Schiebetüren blicken wir in einen chinesischen Garten. Dorthin ist Lisa, das Mädchen aus Wien, ihrem angebeteten Prinzen gefolgt - gegen den Willen und die Warnungen des Vaters. „Das Land des Lächelns“ ist eine zum Scheitern verurteilte chinesisch-europäische Liaison. Mit Pentatonik, mit Parallelklängen und einer raffinierten Instrumentation führt Franz Lehar das Exotische vor - etwa im chinesischen Hochzeitszug. Die Verheiratung des Prinzen mit gleich vier Chinesinnen bedeutet das Ende von Lisas Liebes-Illusionen… Musik 1 Franz Lehar Das Land des Lächelns, daraus: Chinesischer Hochzeitszug Festival Orchester Mörbisch Ltg. Rudolf Bibl Oehms OC 221 LC 12424 2.06‘‘ Der Gong, einige Lampions, ein Drache, eine Buddastatue, ein chinesischer Garten: auch im „Land des Lächelns“ gibt es die typischen Accessoires, die dem OperettenPublikum die exotische Welt Chinas vorgaukeln sollten: Das ist bei Giacomo Puccini nicht anders, in der Japan-Oper „Madame Butterfly“ oder der chinesischen „Turandot“. Dabei hat auch Puccini keine authentische japanische oder chinesische Musik geschrieben, sondern ein eigentümliches „Gemisch von italienischen, französischen, und japanischen Elementen“, wie die „Vossische Zeitung“ über die Musik in der „Butterfly“ geschrieben hat. Auch die „Daily News“ in London kritisierte, dass sich das Japanische dieser Oper „kontinuierlich in musikalischen Idiomen des modernen Italiens ausdrücke. Die Konsequenz sei, dass alles nicht wirklich echt“ wirke. Das Publikum aber ist von dem exotischen Spektakel begeistert gewesen, hat sich von der chinesischen Welt etwa der Turandot verzaubern lassen. Wie sehr es dabei auch um eine kulturelle Mode gegangen ist, mag die folgende Komposition zeigen, die auf dieser modischen Erfolgswelle mitgeschwommen ist: die orientalische Fantasie „In einem Chinesischen Tempelgarten“ des Engländers Albert Ketélbey. 1923 hat der erfolgreiche Stummfilmkomponist diese farbige Salon-Fantasie geschrieben, die ebenfalls nicht wirklich authentische chinesische Musik, sondern einen inszenierten Exotismus bietet. Da entführt uns Ketélbey in einen Chinesischen Tempel mit Priestergesang und dem musikalischen Parfum exotischer Blumen, plötzlich ist dann da eine eher wienerische Liebesmelodie, die uns zu einer ManchuHochzeitsprozession führt, nach einem exotischen Gong hören wir dann auch Straßengeräusche, ja das bunte Treiben der Stadt wird eingeblendet, mit dem 2 Gewimmel chinesische Lastenträger unter Reishüten. Eine pittoreske Komposition, die sehr viel vom Film gelernt zu haben scheint, mit Episoden und raschen Schnitten, und die uns atmosphärisch vom ersten Takt an klar machen soll, dass wir uns in einer fremden Welt bewegen… Musik 2 Albert Ketélbey „In a Chinese Temple Garden“ - Orientalische Fantasie The Palm Court Theatre Orchestra Ltg. Anthony Godwin Chandos 6676 6.08‘‘ Die Suche nach einem musikalischen Exotismus ist auch als Inspirationsquelle für neue kompositorische Ansätze zu verstehen. Einem Musiktheoretiker sind in diesem Zusammenhang schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts „leise Zweifel an der Unerschöpflichkeit der europäischen Musik gekommen“ – kein Wunder angesichts der ausufernden Salonmusik, die damals den Musikmarkt überflutet hat. Georg Capellen, so heißt der Musikgelehrte, Georg Capellen also hat damals ein programmatisches Buch geschrieben mit dem Titel „Ein neuer exotischer Musikstil“, erschienen in Stuttgart 1906. Die zentrale Frage des Autors lautet: „Bei der enormen Erweiterung unseres geistigen und politischen Horizontes in den letzten Jahrzehnten hätte uns vielleicht die Frage kommen sollen, ob nicht vielleicht der Orient auch musikalisch uns anregen und befruchten könnte“. Auf seine Weise Ernst gemacht hat damit nur wenig später Gustav Mahler, mit seinem „Lied von der Erde“ aus dem Jahr 1909. Dieser sinfonische Liederzyklus basiert auf den Übersetzungen chinesischer Gedichte durch Hans Bethge. Die chinesischen Originale stammen aus der Tangzeit, zumeist von Li-Tai-Po, dem wohl berühmtesten Dichter des chinesischen Altertums. Echte musikalische Exotik kommt bei Mahler nur wenig vor, auch wenn der gerade gescheiterte Wiener Operndirektor mit dieser Musik neue Grenzbereiche berührt: von Nähe und Ferne, von Banalität und Transzendenz. Gelegentlich hat Mahler im „Lied von der Erde“ originale chinesische Tonfolgen benutzt, doch die verwandeln sich in seiner Musik eher zu einer Art deutscher Chinoiserie. Von besonderem exotischen Reiz ist das dritte Lied: „Von der Jugend“. Klanghell und lieblich, ein Stück, das in Bethges Vorlage noch den Titel trägt: „Der Pavillon aus Porzellan“. Mahlers Orchesterlied beginnt mit einem pentatonischen Orchestervorspiel und lässt mit dem feinen Klang von Triangel, Zymbal, Holzbläsern und Piccolo vor unserem Auge das Bild eines chinesischen Gartens entstehen. Eine tatsächlich an rokokohafte Chinoiserien erinnernde Heiterkeit liegt über dem ganzen Lied: „Mitten in dem kleinen Teiche steht ein Pavillon aus grünem und aus weißem Porzellan… 3 Musik 3 Gustav Mahler Von der Jugend, aus: Das Lied von der Erde Michael Schade, Tenor Wiener Philharmoniker Ltg. Pierre Boulez DG 469 526 2 LC 0173 3.02‘‘ Die Texte zum „Lied von der Erde“ hat sich Mahler aus dem damals ganz neu erschienenen Insel-Bändchen „Die chinesische Flöte“ zusammengestellt Nachdichtungen chinesischer Lyrik, so der Untertitel dieser Sammlung von Hans Bethge. Exotische Literatur hat im 19. Jahrhundert viele Dichter inspiriert, von Stendhal, Victor Hugo, Merimee, Flaubert bis hin zu Baudelaire, Oscar Wild oder auch Gustav Meyrink. Ein Dichter ist dem Exotismus besonders erlegen, der Franzose Theophile Gautier, der den Begriff „Exotismus“ auch geprägt hat: 1863. Er habe „Konstantinopel mit glänzenderen Farben gemalt als die Natur selbst, sein Bild sei wahrer als die Wirklichkeit selbst“, so Gautier, der dann auch die Forderung erhoben hat, dass die „Wirklichkeit es nötig habe, ihre traurige Nacktheit mit einem Mantel zu bedecken. Jeder Mensch trage „in seinem Herzen sein Kanaan und sein Eldorado weit jenseits des Ozeans.“ Diese Art von exotischer Weltflucht entzieht sich der Gegenwart mit ihren Problemen. Und so prägt unser ästhetischer Gewährsmann Gautier nicht nur den Begriff des Exotismus, sondern auch das Schlagwort „L’art pour l’art“, ein Begriff, der zunächst von allen ethischen, politischen Aspekten frei ist und eine ganz sensualistische, ja durchaus auch egozentrische Kunst propagiert. Theophile Gautier unterscheidet dabei in seinen ästhetischen Schriften zwischen einem Exotismus der räumlichen und einem Exotismus der zeitlichen Entfernung. In der Märchenerzählerin Sheherazade in Tausend und einer Nacht kommt beides zusammen: zeitliche und räumliche Entfernung. Maurice Ravel hat diese exotische Geschichtenerzählerin zu einer Opernfigur machen wollen, doch von diesem Projekt aus dem Jahr 1898 ist nur die Ouvertüre übrig geblieben, wenige Jahre später aber hat Ravel drei Orchesterlieder geschrieben mit dem Titel Sheherazade, nach Texten von Tristan Klingsor. Die dritte Miniatur ist die intimste in diesem Zyklus, flüsternd, zerbrechlich und voller exotischer Impressionen. Ein gleichgültiger Jüngling geht da vorüber, mit Augen so schön wie die eines jungen Mädchens. Das lyrische Ich nimmt den Gang des jungen Mannes und seinen Gesang war: „Dein Mund singt vor meiner Tür in einer unbekannten und bezaubernden Sprache – wie fremdartige Musik“: Musik 4 Maurice Ravel Sheherazade, daraus: „L‘Indifférent“ Renée Fleming, Sopran Orchestre Philharmonique de Radio France Ltg. Alan Gilbert Decca 478 3500 4.03‘‘ 4 Im französischen Impressionismus sind die Künstler und Komponisten besonders offen für den Orientalismus. Kein Wunder: Frankreich ist nach Großbritannien die zweitgrößte militärische Kolonialmacht in Nordafrika und Nahost. Der Orientalismus steht damit hoch im Kurs, in der Malerei, der Literatur, aber eben auch in der Musik. Der Literaturtheoretiker Edward Said hat diesen Orientalismus in den 1970er Jahren recht kritisch definiert als einen „Stil der Herrschaft, der Umstrukturierung und des Autoritätsbesitzes über den Orient“. Das orientalisch „Andere“ werde aus dem begehrlich-lasziven Blickwinkel des abendländischen Künstlers tatsächlich oft zu einem mysteriösen Konstrukt zwischen Dämon und Lustobjekt. Doch die Kritik an einem abendländischen Sexismus ist mitunter übertrieben worden. Das Fremde hat doch auch auf der rein ästhetischen Ebene die Künstler fasziniert. Die Lichtexperimente, die Farbigkeit, die Motivsuche, als das findet in der Welt des Orients Anregungen. Der Maler Claude Monet hat sich freiwillig ins Regiment der Afrikanischen Infanterie einziehen lassen und aus Algerien viele Eindrücke und Motive mitgebracht. Auch Auguste Renoir hat in Nordafrika künstlerische Entdeckungen gemacht. Das „weiß“ zum Beispiel habe er nun mit ganz neuen Augen gesehen. Alles sei in Marokko weiß, die Burnusse, die Mauern, die Minarette, die Straße. Vor allem die Architektur in Nordafrika hat Renoir fasziniert, wie sein Bild „Moschee in Algier“ zeigt. Das musikalische Pendant zu solchen Bildern könnte die Orchestersuite „Algerienne“ von Camille Saint Saens sein. Ägypten und Algerien wurden in späteren Jahren zu den beliebtesten Ferienorten des französischen Komponisten, der auf seiner letzten Reise durch Nordafrika sogar in Algier gestorben ist: im Dezember 1926. Die persönlichen Reise-Erfahrungen des Komponisten spiegeln sich vielfach in seiner Musik: Einer Fantasie für Klavier und Orchester hat Camille Saint Saens den simplen Titel „Afrika“ gegeben, und das fünfte Klavierkonzert trägt den Untertitel „Ägypten“. Die Orchesteresuite „Algerienne“ hat letztlich sogar einen kulturpolitischen Hintergrund: geschrieben nämlich ist diese Musik, um den neuen politischen Status von Algerien musikalisch zu würdigen. Aus der Militärkolonie war ein französisches Departement geworden. Die erste Fassung dieser Suite „Algerienne“ ist mit großem Erfolg in Paris herausgekommen - 1879, zu einer Zeit, als der Verleger Saint-Saens ermuntert hat, überhaupt mehr „pittoreske“ Stücke zu schreiben. Pittoresk in diesem Sinne ist der zweite Satz dieser Suite Algerienne: die maurische Rhapsodie… Musik 5 Camille Saint Saens Suite Algerienne, op. 60 2. Satz: Maurische Rhapsodie (Ausschnitt) London Symphony Orchestra, Leitung: Yondani Butt ASV, CD DCA 599 3.24“ Die Welt ist schon Ende des 19. Jahrhunderts enger zusammengerückt - nicht erst heute in Zeiten der Globalisierung. Beispiel: die großen Weltausstellungen, wie etwa die in Paris, 1889. Eine Leistungsschau ist das gewesen, die der Welt zeigen sollte, 5 was in Frankreich möglich ist, nicht zuletzt in technischer Hinsicht. Der Eiffelturm ist damals der Welt gezeigt worden, als eindrucksvolles Beispiel französischer Ingenieurs-Kunst – bis heute d a s Wahrzeichen von Paris. Daneben aber hat sich Frankreich auch als Kolonialmacht präsentiert – schlicht auch dadurch, dass man musikalische Ensembles eingeladen hatte aus den französischen Kolonien in Indochina. Dazu hat auch ein komplettes Gamelanorchester gehört, das im javanischen Pavillon dieser Weltausstellung gespielt hat. Um das Exotische dieser fernöstlichen Welten noch zu betonen, haben die Franzosen auch gleich noch etliche Pagoden nachgebaut, buddistische mehrterassige Tempel also, die damals einen großen Eindruck gemacht haben. Claude Debussy ist einer, der von dieser Pariser Weltausstellung besonders fasziniert gewesen ist. Wochenlang hat er sich in diese exotische Welt vertieft, in die eigenartigen Klänge der javanischen Musikensembles. In einem späteren Klavierstück spiegelt sich diese Begeisterung Debussys, in der Klavierminiatur Pagodes, benannt also nach dem buddistischen Tempelbau. Und der Klangeindruck eines javanischen Gamelan-Ensembles wird in dieser Klaviermusik unmittelbar nachgeahmt: mit einer pentatonischen, irgendwie exotisch klingenden Skala und mit Klangschichtungen, die eben auch an den großen Gong und die Metalplatten eines Gamelan-Orchesters erinnern. Unser Klangmagier ist Sviatoslav Richter. Pagodes von Claude Debussy: Musik 6 Claude Debussy „Pagodes“, aus „Estampes“ Sviatoslav Richter, Klavier Decca 478 6778 LC 0171 6.00“ Pagodes. Aus der Sammlung Estampes von Claude Debussy. Von den exotischen Tempeln und der javanischen Musik auf der Pariser Weltausstellung 1889 hat sich Claude Debussy zu dieser Musik inspirieren lassen. Vier Jahre später, 1893, ist die Weltausstellung in Chicago über die Bühne gegangen: Mehr als 27 Millionen Menschen haben damals das Ausstellungsgelände besucht, die „Weiße Stadt“ in der Lagunenparklandschaft am Michigan See. 70.000 Aussteller haben sich präsentiert in den üppig dekorierten Hallen aus Stahl und Gips mit grandiosen Ausmaßen. Die Idee der Weltausstellung: sie sollte eine große amerikanische Volks-Universität sein, ein Ort der geistigen Bereicherung und es hat ja auch etliche technische Sensationen gegeben: ein elektrisch beleuchtetes Alpenpanorama zum Beispiel, dann den Edison-Phonographen, mit dem man Musik hat konservieren können oder das Kinematoscop, aus dem später der Film hervorgegangen ist. Das ist die eine Seite, auf der anderen hat es auch etliche Skandale im prüden Amerika gegeben, vielleicht der heftigste – die Tänzerin Little Egypt hat mit ihrer Frauentanztruppe einen orientalischen Bauchtanz in Chicago vorgeführt und damit auf der Amüsiermeile einen öffentlichen Eklat ausgelöst. Die Faszination für alles Exotische und Orientalischen hat damals allerdings in der Luft gelegen. Sergei Rachmaninov etwa hat kurz vor der Weltausstellung in Chicago einen Tanz geschrieben, der seinen aparten Reiz gerade aus der exotischen Folklore 6 bezieht – oder dem, was Sergei Rachmaninov dafür gehalten hat. Dieser orientalische Tanz op. 2 ist übrigens eine der wenigen Originalkompositionen von Rachmaninov für Violoncello und Klavier. Um die knisternde Spannung vor diesem erotischen Tanz zu erhöhen, hat der Komponist noch ein Vorspiel vorgesehen, ein Präludium, das indes auch entbehrlich ist: der Cellist Truls Svane und die Pianistin Elena Margolina kommen jedenfalls gleich zur Sache: der orientalische Tanz op. 2 von Sergei Rachmaninov: Musik 7 Sergei Rachmaninov Danse orientale op. 2 Troels Svane, Cello Elena Margolina, Klavier Ars FCD 368 410 LC 06900 5.47‘‘ Nach diesem exotischen orientalischen Tanz wird’s jetzt noch eine Spur aufregender in der SWR 2 Musikstunde – bei Salomes Tanz der sieben Schleier von Richard Strauss, jenem orientalischen Tanz, der seit Herodes vor allem Männerphantasien angeregt hat und Salome zur lasziven, männermordenden „femme fatale“ gemacht hat: Die Prinzessin Salome, die im späten 19. Jahrhundert von Oscar Wilde auf die Theaterbühne geholt worden ist. Mit einem Stück, das die Gemüter erregt hat. Schon die geplante Uraufführung in London ist von einem Theaterzensor verboten worden, obwohl die Theater-Proben bereits begonnen hatten. Doch nicht nur Oscar Wild ist von der Figur der Salome fasziniert gewesen, auch etliche Maler sind diesem Motiv erlegen, Max Slevogt zum Beispiel, der 1895 die tanzende Salome auf faszinierende Weise ins Bild gebracht hat. Die Szene sei kurz in Erinnerung gerufen: Nachdem Salome ihrem Stiefvater Herodes anfänglich die kalte Schulter zeigt, ist sie doch bereit für ihn zu tanzen, nachdem Herodes versprochen hat, ihr, Salome, nach dem Tanz jeden Wunsch zu erfüllen. Das Wilde dieses Tanzes ist zu verstehen als die orientalische Zurückweisung der vermeintlich edlen antiken Zivilisation der Griechen, Juden, Ägypter und Römer, und die von Herodes gierig verfolgte Entblößung ist alles andere als eine Stilisierung, sprich: Verstellung, nein sie ist die Enthüllung einer elementaren Körperlichkeit, der Nacktheit von Salome. Das orientalische Kolorit dieser Nummer ist denn auch keine exotische „couleur locale“, sondern wie Richard Strauss im Tagebuch festgehalten hat, ein „wirklich östliches Kolorit und glühende Sonne“. Der Tanz kann beginnen, „sehr schnell und heftig“, wie es in der Partituranweisung heißt: Musik 8 Richard Strauss Tanz der sieben Schleier, aus der Salome (Ausschnitt) Staatskapelle Dresden Ltg. Seiji Ozawa Philips 454315-2 4‘50“ 7 Der Tanz der sieben Schleier ist übrigens bei den Tempelpriesterinnen einst tatsächlich ein heiliges Ritual gewesen. Die sieben Gewänder bedeuteten, wie schon bei der Göttin Isis, nichts anderes als die sieben Hüllen des weltlichen Seins. Mit jedem zarten Schleier sollte auch eine weltliche Schicht fallen: eine Schicht der Täuschung, Verstrickung und Irritation. Am Ende, sprich: wenn alle Hüllen gefallen sind, offenbart sich das Wahre unseres Seins. Wie dem auch sei: In der Version von Richard Strauss, auf der Opernbühne also hat dieser Tanz der sieben Schleier für manchen Skandal gesorgt. …. 8