Die Freisetzung von BDNF an glutamatergen Synapsen und die

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6 Zusammenfassung
6.1 Synaptische BDNF-Freisetzung nach Depolarisation
glutamaterger Hippokampusneurone
Die aktivitätsabhängige Modulation der synaptischen Transmission wird als das
Korrelat für Lernen und Gedächtnis im Säuger-ZNS angesehen. Solche Effekte
werden z.B. bei der Langzeitpotenzierung (LTP) beobachtet. Der allgemein
anerkannte Startpunkt für LTP an vielen glutamatergen Synapsen beruht auf der
Induktion der LTP durch Aktivierung der postsynaptischen NMDA-Rezeptoren.
Für präsynaptische Veränderungen nach Induktion der LTP wird eine aktivitätsabhängige Freisetzung des brain-derived neurotrophic factor (BDNF) mit nachfolgender
Wirkung auf die präsynaptische Zelle verantwortlich gemacht. Fungiert BDNF als
retrograder Botenstoff, so würde es nach Induktion von LTP durch den NMDARezeptor postsynaptisch freigesetzt, um seine präsynaptische Wirkung zu entfalten.
Zum Beweis der Hypothese von BDNF als retrogradem Botenstoff bei LTP fehlt
jedoch der direkte Nachweis, dass BDNF aktivitätsabhängig an glutamatergen
Synapsen freigesetzt wird. Dieser Nachweis sollte in der vorliegenden Arbeit
erbracht werden.
In den Experimenten wurde ein Fusionsprodukt aus BDNF und dem green fluorescent
protein GFP verwendet (Haubensak et al., 1998). In der vorliegenden Arbeit konnte
gezeigt werden, dass BDNF-GFP an glutamatergen, aber nicht an GABAergen
Synapsen angereichert wird. Ein Hinweis auf ein präferentiell postsynaptisches
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Vorkommen ist die Tatsache, dass 96 % des in Zellfortsätzen lokalisierten BDNF-GFP
in Dendriten vorliegt.
In lebenden Neuronen gelang die Zuordnung der BDNF-GFP-Cluster zu Synapsen
durch eine Färbung mit dem Fluoreszenzfarbstoff FM 4-64. Mit zeitaufgelöster
Videomikroskopie konnte gezeigt werden, dass die synaptischen BDNF-GFPAnsammlungen durch
Depolarisation mit Kalium an Fluoreszenzintensität ver-
lieren. Diese Abnahme war abhängig vom Vorhandensein extrazellulären Kalziums.
Auch die Präinkubation der Neurone mit Tetanustoxin verhinderte die Fluoreszenzabnahme. Beide Ergebnisse sind Anzeichen für eine regulierte Exozytose aus
sekretorischen Vesikeln. Zusätzlich gelang der Nachweis von freigesetztem BDNFGFP im Überstand stimulierter neuronaler Kulturen. Damit war die Ausschüttung
von BDNF-GFP nach Ca2+-Influx die einzig überzeugende Erklärung für die
Abnahme der Fluoreszenz. Zusammen mit dem Befund der präferentiell
dendritischen Lokalisation ist damit das Modell, dass BDNF als retrograder
Botenstoff postsynaptisch und aktivitätsabhängig an glutamatergen Synapsen
freigesetzt wird, höchst plausibel.
In über diese Arbeit hinausgehenden Experimenten gelang es, mittels hochfrequenter
elektrischer Stimulation ebenfalls BDNF-GFP freizusetzen. Die in diesen Versuchen
verwendeten Stimulationsparameter entsprachen denen, die zur Induktion von LTP
verwendet werden. Es gelang der Nachweis, dass für die Ausschüttung von BDNFGFP die Depolarisation der postsynaptischen Membran durch die ionotropen
Glutamatrezeptoren notwendig ist. Der direkte Nachweis einer postsynaptischen
Freisetzung von BDNF ist damit zum ersten Mal glaubhaft gelungen (Hartmann et
al., 2001).
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6.2 Der trunkierte Tyrosinkinaserezeptor TrkB.T1 und seine
Funktion in der Entwicklung dendritischer Filopodien
hippokampaler Neurone
Neben vielen anderen Faktoren spielen auch die Mitglieder der Neurotrophinfamilie
eine Rolle in der Bildung und Modulation neuronaler Verschaltungen. Das Neurotrophin BDNF ist sowohl auf der Ebene der Synapsenentstehung und -modulation
als auch auf der Ebene der Regulation der Neuritenbaumkomplexität involviert.
Der BDNF-Rezeptor TrkB wird in verschiedenen Spleißvarianten exprimiert.
Besonders die Funktionen der kinasedefizienten Isoform TrkB.T1 sind noch wenig
erforscht. Neuere Daten weisen dem TrkB.T1 eine Rolle in der Entstehung von
Filopodien nach Expression in sekundären Zelllinien zu (Hartmann, 1999; Haapasalo
et al., 1999). Da Filopodien für die Vorstufen von Dendriten oder von spines (dem
postsynaptischen Anteil glutamaterger Synapsen) gehalten werden, sollte dieser
filopodieninduzierende Effekt des TrkB.T1 in Neuronen untersucht werden.
Es gelang, durch die Expression von TrkB.T1 in Neuronen die Bildung solcher
aktinhaltiger Fortsätze zu induzieren. Diese konnten durch ihr ausschließlich
dendritisches
Vorkommen
als
Filopodien
eingeordnet
werden.
Die
Expressionsmuster der TrkB-Rezeptorformen selbst zeigten keine Präferenz für eine
axonale oder somatodendritische Lokalisation.
Die TrkB.T1-exprimierende Hippokampusneurone wiesen gegenüber TrkB.FL- und
GFP-Kontrollen eine statistisch signifikant erhöhte Filopodiendichte auf. Es konnte
gezeigt werden, dass die Steigerung der Filopodiendichte kein verstärktes
Dendritenwachstum und keine Erhöhung der Synapsendichte zur Folge hatte.
Letzteres Ergebnis ist jedoch aufgrund des zu dichten Neuronenbesatzes der
verwendeten Kulturen nur eingeschränkt aussagekräftig.
Die Expression einer Deletionsmutante des TrkB.T1, der die intrazelluläre Domäne
des trunkierten Rezeptors fehlte, hatte den gleichen Effekt wie der Wildtyp-TrkB.T1.
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Folglich ist der intrazelluläre Anteil des TrkB.T1 nicht an der Vermittlung der
Filopodienerhöhung beteiligt, und es musste nach einem für diesen Zweck
geeigneten Interaktionspartner der extrazellulären Domäne gesucht werden.
Ein geeigneter Kandidat für diese Funktion war die kinasepositive TrkB-Isoform
(TrkB.FL).
Die
Koexpression
von
TrkB.FL
und
TrkB.T1
verringerte
die
Filopodiendichte jedoch auf basale Werte. Dieser dominant inhibitorische Effekt des
TrkB.FL beruhte nicht auf seiner Tyrosinkinaseaktivität. Vermutlich interferiert die
Interaktion zwischen TrkB.T1 und TrkB.FL mit der Bindung des TrkB.T1 an ein
weiteres Membranprotein, dass die Signaltransduktion der Filopodienentstehung
vermittelt. Der Nachweis, dass der niedrigaffine Neurotrophinrezeptor p75 hier eine
Rolle spielt, gelang durch Experimente mit Inhibitoren der p75-Signaltransduktion.
Die Verwendung von Spiroepoxid, einem Inhibitor des Ceramid-Signalweges, führte
zu einer Reduktion der Erhöhung der Filopodiendichte in TrkB.T1-transfizierten
Neuronen auf basale Werte. Ein ähnlicher Effekt stellte sich ein, wenn ein gegen den
p75-Rezeptor gerichteter Antikörper (MC192) verwendet wurde.
Dass die Aktivierung des p75-Rezeptors notwendig aber nicht hinreichend für die
Erhöhung der Filopodiendichte ist, zeigte ein Experiment, in dem das Neurotrophin
NGF zu kontrolltransfizierten Zellen gegeben wurde. Hierdurch wird zwar p75
aktiviert, aber der Effekt des TrkB.T1 konnte nicht nachgeahmt werden.
Vermutlich ist der Effekt der Filopodienentstehung abhängig von der p75Stimulationsintensität oder von der Einbeziehung weiterer Signalwege, die in
geeigneter Weise nur vom TrkB-T1-Rezeptor aktiviert werden. Die extrazelluläre
Domäne des TrkB.T1 stellt wahrscheinlich einen Liganden für den p75 Rezeptor dar.
Weitere Untersuchungen, insbesondere die Unterschiede zur Wirkung des p75Liganden NGF, könnten zusätzliche Erkenntnisse zu den überraschenden Effekten
der TrkB.T1-Expression liefern.
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