DGBS e. V. Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. (manisch-depressive Erkrankungen) www.dgbs.de Manisch-depressiv – eine „Achterbahn der Gefühle” Mit dem Herzen sehen „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ – diese „Achterbahn der Gefühle“ macht vielen Menschen mit einer bipolaren Erkrankung zu schaffen. Wenn die Betroffenen ihre Lebensgeschichte erzählen, so findet man hinter dem individuellen Schicksal immer ein bestimmtes Erkrankungsmuster. Sie fallen von einem Gefühl des Glücks, in der sie „Bäume ausreißen“ könnten, plötzlich in Trauer und Verzweiflung. Bipolare (manisch-depressive) Erkrankungen sind keine Erscheinungsform unserer Zeit. Der Zusammenhang zwischen © Dr. Joachim Hein, München manischen Zuständen und melancholischen Depressionen wurde schon vor 2000 Jahren beschrieben. Heute werden manisch-depressive Stimmungsschwankungen unter dem Begriff bipolare Störungen zusammengefasst. Berücksichtigt man das ganze Spektrum bipolarer Erkrankungen, sind in Deutschland rund vier Millionen Menschen betroffen. Viele Patienten fühlen sich stigmatisiert. Angehörige sind häufig überfordert, schotten sich und den Patienten von der Umwelt ab. Der hohe Prozentsatz von Alkohol- und Medi- kamentenmissbrauch sind ein Zeichen der Verzweiflung und Hilflosigkeit. Schamgefühle und falsches Mitleid müssen überwunden werden. Aber nur 30% der Betroffenen finden den Weg zum Hausarzt, 10% zum Nervenarzt. Dabei ist Hilfe so wichtig: Gerade zu Beginn der Erkrankung ist das Selbstmordrisiko extrem hoch – bis zu 30fach höher als in der Normalbevölkerung. Auch die Partner und Familien leiden bis zur Selbstaufgabe und brauchen Unterstützung. Wirksame Hilfe kommt aber oft erst sehr spät – die richtige Diagnose wird häufig erst nach langen Jahren gestellt. Doch es besteht auch Grund zur Hoffnung. Mit neuen medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten können die Betroffenen aus ihren Krankheitsphasen „herausgeholt“ werden, der Leidensdruck gelindert und ein Rückfall vermieden werden. Aber die Behandlung ist keine medizinische Einbahnstraße – der Patient, die Angehörigen und der Arzt müssen am gleichen Strang ziehen. Die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. will mit ihrer Arbeit einen Beitrag dafür leisten. Dr. Heinz Grunze Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Universität München 1. Vorsitzender (komm.) der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. SEITE 2 Wege aus der Krankheit suchen Je früher die Behandlung, desto besser die Chancen Hoffnung nach langer Leidenszeit bipolare Störungen, die man früher manisch-depressive Erkrankungen nannte, standen lange im Schatten der medizinischen Forschung – und mit ihr die Betroffenen. Dazu gehören auch die Angehörigen, welche zusammen mit den Patienten eine schwere Last tragen, die man ohne professionelle Hilfe und die fürsorgliche Begleitung persönlich Nahestehender nicht mehr los wird. Die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V (DGBS e. V.) will mit dieser Beilage auf das Krankheitsbild der bipolaren Störungen und das Schicksal bipolar Erkrankter aufmerksam machen. Menschen also, deren Empfindungen bis an die Grenzen der beiden emotionalen Pole – bis hin zur Manie oder Depression – schwanken. Die Beiträge auf den folgenden Seiten und ihre Autoren machen die vielen Facetten dieser Erkrankung deutlich. Gleichzeitig gilt es, die Stigmatisierung psychisch Kranker in unserer Gesellschaft zu überwinden und sich für effektive Behandlungsmöglichkeiten sowie die Chance auf soziale Reintegration einzusetzen. Diese Beilage wurde erstellt anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung 2003 der DGBS e.V. und der International Group for the Study of Lithium-Treated Patients e.V. (IGSLI e.V.), einer Forschergruppe, die seit mehr als 15 Jahren die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung beforscht (Internet: www.igsli.org). Wir wünschen Ihnen eine interessante Entdeckung bzw. Vertiefung Ihres Wissens über die Erkrankung Bipolare Störungen und erhoffen uns, Ihr eigenes Verständnis für diese Krankheit und für die davon betroffenen Patienten zu entwickeln und zu fördern. Priv.-Doz. Dr. Dr. Michael Bauer (Tagungsvorsitzender), Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité-Mitte Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Sie fragen – Wir antworten Chat-Tage Bipolare Störungen für Betroffene und Angehörige 1., 3. und 18. Dezember 2003 Treffen Sie Experten im Internet · Stellen Sie Fragen, die Ihnen wichtig sind http://www.manic-depressive.de/chat/ Montag, 1. Dez. 2003 18.00 – 19.00 Uhr Diagnose bipolarer Störungen Informieren Sie sich, welche Symptome bipolare Störungen zeigen und wie der Verlauf der Erkrankung ist Als Experte steht Ihnen zur Verfflgung Prof. Dr. Peter Bräunig Klinik für Psychiatrie, Verhaltensmedizin und Psychsomatik Klinikum Chemnitz Mittwoch, 3. Dezember 2003 18.00 – 19.00 Uhr Therapie bipolarer Störungen Informieren Sie sich, wie bipolare Störungen behandelt werden können Als Experte steht Ihnen im Chat zur Verfügung Dr. Heinz Grunze Psychiatrische Klinik und Poliklinik Ludwig Maximilians – Universität, München INHALT SEITE 1 Manisch-depressiv – Eine „Achterbahn der Gefühle“ Lieber Leser, liebe Leserin, SEITE 3 Behandlungsmöglichkeiten aus medizinischer Sicht Kampf gegen Stigmatisierung und 2. Klasse-Medizin SEITE 4 Krisenprophylaxe und -intervention Blick in die Forschung Literaturhinweise Donnerstag, 18. Dezember 2003 18.00 – 19.00 Uhr Bipolare Störungen und Kinderwunsch Informieren Sie sich über alle Fragen vor und während der Schwangerschaft und Stillzeit Als Expertin steht Ihnen im Chat zur Verfügung Priv.-Doz. Dr. Stephanie Krüger Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Dresden Hinweise: Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, deshalb können vorraussichtlich nicht alle ChatTeilnehmer die Experten direkt erreichen. Bitte besuchen Sie daher rechtzeitig, d.h. ca. 20 Minuten vor Beginn des Chats die Internetseite – auch, um sich mit dem Chat-System vertraut zu machen. Weitere Informationen zum Ablauf und zur Technik werden auf der Internetseite beantwortet: http://www.manic-depressive.de/chat/ Wir wünschen Ihnen viel Spaß und viele interessante Informationen. Ihre Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS e.V.) Postf. 920249, 21132 Hamburg, Tel.: 040/85408883, mailto: [email protected], www.dgbs.de www.dgbs.de Seite 2 Wege aus der Krankheit suchen Interview mit Privatdozent Dr. Thomas Bock, Hamburg Bipolare (manisch-depressive) Erkrankungen werden auch als „Krankheit der Erfolgreichen“ bezeichnet. Dr. Bock: Es stimmt, dass diese Erkrankung bis in die obersten Etagen der Wirtschaft, Politik und Kunst vorkommt. Vielleicht spielt dabei eine Rolle, dass man zeitweilig ungeheuer viel Energie zur Verfügung hat und es – zeitweilig – auch schafft, sie konstruktiv einzusetzen. Ich glaube aber, dass es eine Erkrankung aller Bevölkerungsschichten ist. Wie werden bipolar Kranke von ihrer Umgebung wahrgenommen und wie nehmen sie sich selbst wahr? Dr. Bock: Depressive Phasen werden von den Angehörigen relativ leicht wahrgenommen und oft mit vielen Mühen getragen, manchmal vielleicht auch verharmlost. Dramatisch wird die Fremdwahrnehmung bei Manien. Vor allem, weil Menschen mit einer Manie die Konventionen auf den Kopf stellen und alle „Spielregeln“ brechen. Menschen mit einer bipolaren Erkrankung sind hilfebedürftig. Aber das, was sie tun, gehört auch zum Spektrum menschlicher Möglichkeiten. Sie schöpfen die Extreme, die in uns angelegt sind, nur deutlich weiter aus. Depression ist nicht zu verwechseln mit Traurigkeit, Depression ist eher eine Unfähigkeit zu trauern. In der Manie schlägt diese Flucht in die innere Leere dann um in eine Flucht nach vorne in hektische Betriebsamkeit immer weiter weg von sich selbst. Momente der Niedergeschlagenheit oder des Hochgefühls sind völlig normal. Es wäre schrecklich, wenn wir immer alle gleich gestimmt wären. Fortsetzung auf Seite 3 Je früher die Behandlung, desto besser die Chancen Die Krankheitsdimension bipolarer Störungen Die bipolare (manisch-depressive) Störung war jahrzehntelang die wenig beachtete Stiefschwester der unipolaren Depression. Neue Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass wahrscheinlich bis zu 8% aller Menschen an einer bipolaren Störung erkrankt sind. Je nach diagnostischem Maßstab sind vielleicht sogar 12% irgendwann im Leben betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mahnte 2002 mit dramatischen Zahlen: Bipolare Störungen gehören zu den zehn Krankheitsbildern, die weltweit am häufigsten zu andauernder Behinderung führen. Die bipolaren Störungen sind in ihrem Erscheinungsbild sehr unterschiedlich: Das Spektrum reicht vom leicht kranken Menschen, der gelegentlich an Phasen des Überschwangs Hoffnung nach langer Leidenszeit – der Fall Claudia Der vorliegende Fallbericht einer bipolaren (manisch-depressiven) Patientin macht deutlich, dass diese Erkrankung die Betroffenen privat und beruflich nachhaltig aus der Bahn werfen kann. Das Beispiel zeigt aber auch, dass selbst nach Jahren schwerer Krankheit Aussicht auf eine erfolgreiche soziale Reintegration besteht. Der Lebensweg der Patientin – nennen wir sie Claudia – verläuft zunächst wenig auffällig: Geboren 1962, Abitur und geisteswissenschaftliches Studium, das sie erfolgreich 1996 abschließt. Aufgewachsen in einem AkademikerHaushalt, werden Kindheit und Jugend als eine Zeit großer Verunsicherung und Einsamkeit empfunden. Die Eltern streiten sich oft. Gefühle und Konflikte jeglicher Art werden tabuisiert. Drogenprobleme des Bruders belasten die familiäre Situation zusätzlich. Die Patientin arbeitet jahrelang erfolgreich im Bereich Künstlerbetreuung. Dies bedeutet oft Arbeit auch an Wochenenden und Feiertagen. Die Betreuung zahlreicher Künstler auch in der Freizeit führt im Zusammenhang mit dem Studium etc. zu einer ständigen Überforderung. Ende 1996 Aufenthalt im Ausland, dort Aufbau einer Partnerbeziehung mit Heiratsabsichten. Umzug im Juni 1997. Bis dahin lebte sie in einer eigenen Wohnung im Haus der Eltern in einem quasi-Abhängigkeitsverhältnis. Mitte 1997 geht die Beziehung vor der geplanten Heirat auseinander. Dieses Ereignis war vermutlich der Auslöser für die erste schwere depressive Episode. Danach schlossen sich mehrere Selbstmordversuche mit nachfolgender Krankenhausbehandlung (geschlossene Psychiatrie, psychosomatische Kur) an. Es folgen zwei schwere depressive Episoden, unterbrochen von zwei schweren Manien mit stationärer und danach teilstationärer Behandlung in einer psychiatrischen Tagesklinik. In den phasenfreien Zeiten arbeitet die Patientin in Managementjobs, die sie aber mit jedem Krankheitsausbruch wieder verliert. Zahlreiche medikamentöse Therapieversuche mit einer Kombinationsbehandlung mit Antidepressiva, Stimmungsstabilisierern und klassischen Neuroleptika führten zu keiner ausreichenden Stabilisierung. Seit Mai 2003 ist die Patientin unter einer Monotherapie mit einem modernen atypischen Neuroleptikum symptomfrei, das auch nebenwirkungsfrei vertragen wird. Als Krankheitskatalysatoren nennt die Patientin Verluste auf menschlicher und materieller Ebene, aber auch ständige berufliche und emotionale Überforderung. Weitere Faktoren sind Existenz- und Abhängigkeitsängste sowie der Mangel an sozialen Kontakten zur Anfangszeit in Hamburg. Auch fehlende berufliche Perspektiven führten oft zu Verunsicherung und Extrembelastungen. Ab Herbst 2003 ist eine einjährige Reha-Maßnahme über ARINET (Arbeitsintegrationsnetzwerk Hamburg für Menschen mit psychischen Behinderungen) mit dem Ziel der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt geplant. Träger ist das Arbeitsamt Hamburg. Dipl.-Psych. Dietrich Koch LBK Hamburg, Klinikum Nord leidet oder sich ein paar Wochen zurückzieht und dabei von seinen Mitmenschen allenfalls etwas belächelt wird bis hin zum schwer und lebensbedrohlich Erkrankten, der in seinen manischen Phasen sich und andere um Haus und Hof bringt und in den Depressionen versucht, sich das Leben zu nehmen. Das damit verbundene persönliche Leid ist oft nicht zu beschreiben, Lebenspartnerschaften oder Familie zerbrechen oft an dem Auf und Ab, die berufliche Laufbahn wird zerstört. Am Ende steht der soziale Abstieg, der auf den Verlauf der Erkrankung wie ein Teufelskreis wirkt. Mindestens jeder 4. Patient unternimmt einen Selbstmordversuch, bei jedem 5. ist er irgendwann im Verlauf der Erkrankung erfolgreich. Doch auch in anderen Bereichen der Gesundheit sind bipolar Erkrankte erhöhten Risiken ausgesetzt: So sind das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen um den Faktor 2,1 und das Risiko von Krebserkrankungen um den Faktor 1,4 erhöht. Häufig leiden bipolare Patienten gleichzeitig unter anderen psychischen Erkrankungen, meist Sucht- und Angsterkrankungen. Der Erkenntnisgewinn auf dem Gebiet der bipolaren Störungen ist enorm. Aber in der Diskussion um das Wie und Womit der Therapie gerät oft außer Acht, dass bislang nur ein verschwindend kleiner Teil der Betroffenen korrekt behandelt wird. Die Versorgungssituation ist unzureichend und geht oft an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei. Man schätzt, dass weniger als die Hälfte der bipolar Erkrankten aufgrund ihrer Beschwerden je einen Arzt aufsuchen und weniger als 10% jemals Kontakt zu einem Fachmann – einem Neurologen, Psychiater oder Psychotherapeuten – haben. Viele werden jahrelang unter einer falschen Diagnose behandelt, weil das große Spektrum an Symptomen die klinische Diagnose erschwert. Schätzungsweise wird bei weniger als 5% der Betroffenen je die korrekte Diagnose gestellt und bei noch weniger die richtige Behandlung eingeleitet. Bei denjenigen, die letztlich korrekt als bipolar diagnostiziert wurden, sind im Schnitt zehn Jahre zwischen der ersten Erkrankung und der korrekten Diagnose vergangen. Gerade das aber ist fatal, denn die bipolare Störung ist mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln sehr gut zu behandeln, und je früher die Behandlung beginnt, desto besser sind die Chancen, dass die Krankheit ihren dramatischen Verlauf nicht nimmt. Dr. Anne Berghöfer Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité-Mitte Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. (DGBS) · (manisch-depressive Erkrankungen) Mitglieder Professionelle, Betroffene, Angehörige, Interessierte Ziele › Verbesserung der medizinischen Versorgung für Menschen mit bipolaren Störungen › Mehr Aufmerksamkeit für bipolare Erkrankungen in Fachkreisen, Gesundheitspolitik und Öffentlichkeit › Unterstützung von Selbsthilfeinitiativen › Förderung der Forschung und Lehre über die Ursachen, Diagnose und Therapie › Enge Zusammenarbeit mit psychiatrischen Fachgesellschaften, Angehörigen- und Betroffeneninitiativen Informationen: DGBS e. V., Postfach 920249, 21132 Hamburg Tel. 040-85408883 (Di.+Do. 14 - 18 h), E-Mail: [email protected] Internet: www.dgbs.de Mitteilungsorgan: Psychoneuro, Karl Demeter Verlag Spendenkonto Kto-Nr. 5031826, BLZ 200 906 02 Deutsche Apotheker- und Ärztebank Hamburg www.dgbs.de Behandlungsmöglichkeiten aus medizinischer Sicht Die Behandlung bipolarer Störungen bedeutet eine lebenslange Behandlung. Symptome neuer Krankheitsphasen können in verschiedenster Weise erfolgreich behandelt bzw. verhindert werden; nichtsdestotrotz bleibt jedoch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko immer bestehen. Daher macht jegliche Behandlung nur Sinn, wenn sich der Patient damit wohl fühlt und sich daran hält. Nur wer auch die Risiken der Erkrankung versteht, kann eine effektive Vorbeugung selbstverantwortlich mit betreiben. Daher ist schon zu Beginn der Behandlung eine umfangreiche Aufklärung über bipolare Störungen und die Risiken, aber auch die Behandlungsmöglichkeiten unumgänglich. Dies kann im Seite 3 Einzelgespräch (am besten unter Hinzuziehung von Angehörigen), aber auch im Gruppengespräch in psychoedukativen Sitzungen erfolgen. Die medikamentöse Vorsorgebehandlung richtet sich in erster Linie nach den Symptomen der Erkrankung. Sehr vielen Patienten kann gut mit Lithium geholfen werden, aber ein Teil der Patienten braucht entweder andere oder zumindest zum Lithium zusätzliche Medikamente. Die Forschung der letzten Jahre hat diesbezüglich unsere Möglichkeiten bereichert. Einige Medikamente, die ursprünglich gegen Epilepsie und Schizophrenie entwickelt wurden, haben in den letzten Jahren nicht nur akute, sondern auch langfristige Wirksamkeit zur Verhütung bipolarer Störungen gezeigt. Die meisten von ihnen zeichnen sich zudem durch eine gute Verträglichkeit aus, was naturgemäß die Bereitschaft zur langfristigen Einnahme fördert. Neben Aufklärung über die Erkrankung und medikamentöse Therapie spielt die Psychotherapie bei bipolaren Störungen eine zunehmende Rolle. Durch sie kann der Patient lernen, mit sonst „krank machenden“ Lebensumständen und Stress besser umzugehen. Auch lernt er Frühsymptome neuer Krankheitsepisoden rechtzeitig zu erkennen, um beispielsweise durch Veränderung der medikamentösen Behandlung und Stressabbau einer erneuten Krankheitsphase entgegenwirken zu können. Insgesamt ist die Behandlung bipolarer Störungen heute wesentlich facettenreicher und individueller, als sie lange Zeit gewesen ist. Medikamentöse Kombinationstherapien, zusammen mit zusätzlichen psychotherapeutischen Maßnahmen, werden in Zukunft häufiger als bisher die Regelbehandlung bipolarer Störungen darstellen. Dr. Heinz Grunze und Priv.-Doz. Dr. Dr. Michael Bauer Kampf gegen Stigmatisierung und 2. Klasse-Medizin Selbsthilfegruppen der Angehörigen als Lobby der Betroffenen Der Ausbruch einer psychischen Erkrankung bei einem Familienmitglied erschüttert das Leben der gesamten Familie nachhaltig. Angst, Unsicherheit, Schuldgefühle beherrschen das Familienleben; materielle Sorgen kommen hinzu. Die Angehörigen erleben schmerzhaft mit, wie sich das Familienmitglied durch die Krankheit verändert. Viele Familien zerbrechen unter dieser Konfliktsituation und erkranken ebenfalls. Aus diesen Gründen haben sich Angehörige in einer Selbsthilfegruppe zusammengefunden und 1989 den Landesverband Berlin der Angehörigen psychisch Kranker e.V. gegründet. Er hat heute ca. 330 Mitglieder. Die Diagnosen psychisch kranker Familienmitglieder/ Partner sind aus dem Kreis der schizophrenen Psychosen, bipolaren Störungen (manisch-depressiven Psychosen), depressiven Störungen, Doppeldiagnosen Psychose/ Sucht und Persönlichkeitsstörungen. In unserem Verband leiden schätzungsweise ca. 1/3 der erkrankten Familienmitglieder unter bipolaren Störungen – manisch-depressiven Psychosen. Psychisch kranke Menschen können aus Krankheitsgründen ihre Rechte oft nicht selbst einfordern. Die Angehörigen sehen sich daher als DIE Lobby der Betroffenen! Mit unserer Arbeit wollen wir, wie in den anderen Bundesländern auch, für psychisch kranke Menschen und ihre Familien bessere Lebensbedingungen erreichen. Durch Gespräche entlasten und stärken wir unsere Selbsthilfe. Wir informieren und beraten die Mitglieder, weisen auf Hilfsmöglichkeiten in der Stadt hin. Der Verband macht auch auf Versorgungs-Missstände aufmerksam und dringt auf Abhilfe. Noch immer gibt es psychisch kranke Menschen, die an der psychiatrischen Versorgung nicht teilnehmen können. Sie sind infolge ihrer Erkrankung nicht krankheitseinsichtig und weigern sich, einen Arzt aufzusuchen. Oft müssen die Familien diese Angehörigen aufnehmen, sie betreuen und versorgen. Die Familie ist somit die größte, kostenlose Versorgungseinrichtung für den Berliner Senat. Nicht versorgte Kranke gleiten oft in die Obdachlosigkeit und Verelendung ab. Psychisch kranke Menschen brauchen dringend aufsuchende, nachgehende Hilfe durch außerstationäre mobile Dienste rund um die Uhr. Sie benötigen Unterstützung durch nervenärztliche / psychiatrische Behandlung, Zeit für Gespräche mit dem Arzt. Wir sehen aber mit Sorge, dass dieses Behandlungsangebot immer unzureichender wird. Die Budgetierung der ärztlichen psychiatrischen Versorgung lässt keine ausreichende Behandlung mehr zu. Aus Kostengründen werden oft nebenwirkungsärmere neue Medikamente wie die modernen atypischen Antipsychotika und Antiepileptika nicht verordnet, obwohl wissenschaftlich nachweisbar die Einnahme dieser Medikamente die Lebensqualität steigert und Klinikeinweisungen verringert. Hier darf nicht auf Kosten psychisch kranker Menschen gespart werden! Bei unserer Vereinsarbeit wird uns bewusst, dass nach wie vor ein Großteil der Bevölkerung von Vorurteilen, Ablehnung und Misstrauen gegenüber psychisch Kranken beherrscht wird. Darunter leiden psychisch Kranke und ihre Angehörigen sehr. Angesichts dieser Vorbehalte zeigt auch die Politik wenig Neigung, sich intensiver mit der besonderen Problematik psychisch Kranker zu befassen und ihre soziale Wiedereingliederung voranzutreiben. Stigmatisierung und Diskriminierung können aber nur beseitigt werden, wenn das Thema der psychischen Erkrankung – es kann jeden treffen! – in die Öffentlichkeit getragen wird. Politik, Medien und andere einflussreiche gesellschaftliche Kreise sind aufgerufen, zur Verbesserung der Lebenssituation psychisch kranker Menschen beizutragen! Interview mit Dr. Bock, Hamburg (Forts. von Seite 2) Problematisch wird es dann, wenn sich eine Eigendynamik auf verschiedenen Ebenen entfaltet. Entbehrungen und Unglück können zu Veränderungen im Hirnstoffwechsel führen, die dann den Betroffenen immer verletzbarer machen. Man bezeichnet dies als „biologische Narbe“. Vor allem aber ändert sich das Selbstbild. So nimmt man während einer Depression nur die eigenen Schwächen wahr und sieht die Stärken nicht. Umgekehrt ist man in einer Manie derart von sich überzeugt, dass man auch die Menschen, die man liebt und braucht, nicht mehr wahrnehmen kann. Auch eine negative soziale Dynamik kann entstehen, wenn z. B. Angehörige oder Kollegen auf leichte Veränderungen „überreagieren“ und so den Teufelskreis anheizen. Deshalb brauchen gerade bei dieser Erkrankung auch die Angehörigen Hilfe. Sie müssen lernen, mit ihren Gefühlen für den Betroffenen eine gesunde Distanz zu wahren, damit sie selbst nicht beschädigt werden, dem Betroffenen aber weiter nahe sein können. Viele bipolare Patienten begehen im Laufe ihrer Erkrankung einen Selbstmordversuch. Wann ist die Gefahr am größten? Dr. Bock: Das Selbstmordrisiko ist nicht auf dem Höhepunkt der Depression am größten, weil die Depression meist nicht nur Verzweiflung, sondern auch Lähmung bedeutet. Die Gefahr ist am größten beim „Auftauchen“ aus der Depression, beispielsweise beim unvorsichtigen Einsatz von Antidepressiva. Hier ist der Kranke noch verzweifelt, aber kann wieder so viel Initiative entwickeln, seine Selbstmordpläne umzusetzen. Das unterstreicht, wie wichtig eine tragfähige (psycho-)therapeutische Beziehung ist. Bei der Medikation gibt es eine Trendwende weg von der allzu forschen Akutbehandlung hin zu sog. „Phasenprophylaktika“. Für den Einsatz von Medikamenten gilt daher, die aktuellen Symptome zu behandeln und gleichzeitig einen Stimmungsumschwung in das andere Extrem zu verhindern, beispielsweise mit Phasenprophylaktika. Das zweite Standbein der Behandlung ist ein enges und vertrauensvolles Arzt-Patient-Verhältnis. Gerade in der Depression ist dies ein echtes Ringen um Kontakt. Für die Angehörigen ist der wichtigste Rat, nicht in Panik zu verfallen, wenn Selbstmordgedanken geäußert werden. Und sie sollten sich nicht scheuen, aktiv Hilfe zu holen. Denn es gehört zu der Erkrankung, dass man am Leben zweifelt. Eine Kontroverse zwischen Arzt und Patient wird oft durch die Frage ausgelöst, wie lange eine Behandlung nötig ist. Dr. Bock: Durch die therapeutische Begleitung von bipolaren Patienten wissen wir, dass man auch hier lernen kann, damit umzugehen und aufkeimende Krankheitsphasen aufzufangen. Dazu gehören Konfliktstrategien und Medikamente. Man ist nicht dazu „verurteilt“, sich als lebenslanger Gefangener dieser Krankheit zu fühlen, sondern kann sogar anfangen, aus den Phasen zu lernen. Nach meiner Erfahrung haben bipolare Menschen in ihrem Leben eher zu viele Normen verinnerlicht als zu wenig. Sie müssen lernen, eigene Maßstäbe zu entwickeln und Ungewöhnliches in den Alltag zu integrieren, statt es quasi für die Manie aufzubewahren. Eine Medikation ist oft wichtig, um die körperliche Eigendynamik einzudämmen, aber nicht ausreichend, um die Erkrankung langfristig unnötig zu machen. Psychotherapeutische Begleitung muss hinzukommen. Wir haben in Hamburg gute Erfahrungen mit Gruppentherapien gemacht. Hier begegnen sich manische und depressive Patienten und lernen so, die jeweils andere Seite nicht auszublenden, sondern im anderen sich selbst vollständiger wahrzunehmen. So wird quasi von selbst eine Tendenz zur Mitte gefördert. Gerade in der Gruppe kann man die wirklich kleinsten Schritte finden, die aus der Depression hinausführen, und kann Hypomanien so nutzen, dass sie nicht zu Manien werden müssen. Priv.-Doz. Dr. Thomas Bock, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Jutta Crämer, Angehörige psychisch Kranker, Landesverband Berlin e.V., Mannheimer Str. 32, 10713 Berlin, Tel. 030-863 95701/03 Weitere Informationen: Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V., Thomas-Mann-Str. 49a, 53111 Bonn, Tel. 0228-632646, E-Mail [email protected], www.bapk.de www.dgbs.de Seite 4 NEUERSCHEINUNG „Mit gebrochenen Flügeln fliegen...“ Menschen berichten über bipolare Erkrankungen Krisenprophylaxe und -intervention Eine völlig neue Sicht auf eine alte psychische Krankheit zeigt das Buch „Mit gebrochenen Flügeln fliegen“, das die Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen e. V. (manisch-depressive Erkrankungen) am 25. September 2003 auf ihrer diesjährigen Jahrestagung in der Charité, Berlin vorgestellt hat. Die Autoren schildern ihren ganz persönlichen Umgang mit ihrer Erkrankung, mit den Höhen und Tiefen, den Depressionen und Manien, der Hoffnung und der Trauer, dem Rückfall und der Besserung. Aus den mit viel Herzblut verfassten Berichten wird deutlich, dass hinter der Krankheit immer sehr individuelle Lebensgeschichten stehen. Nur wenn die Therapeuten dies erkennen, werden sie Zugang zu ihren Patienten finden und ihnen helfen können. Auch hierzu möchte das neue Buch einen Beitrag leisten. Diese Sammlung von Lebensberichten in diesem Buch ist in deutscher Sprache einmalig. Sie will dazu beitragen, dass die Krankheit mehr Verständnis erfährt und ihr Stigma verliert. Dr. Renate Kingma (Redaktion) Mit gebrochenen Fügeln fliegen... Menschen berichten über bipolare Störungen 296 Seiten, Zahlreiche Abbildungen, Gebunden BoD, Norderstedt (2003), € 28,00. ISBN 3-8330-0662-5 LITERATURHINWEISE H. Helmchen, O. Rafaelsen, M Bauer: Depression und Manie: Wege zurück in ein normales Leben. Trias Thieme, Hippokrates Enke Verlag, Grundlage einer gut funktionierenden Krisenprophylaxe ist die optimal abgestimmte Kommunikation aller Beteiligten. Der Patient sollte im Verlauf der Erkrankung mit seinem behandelnden Arzt/Psychotherapeuten und seinen nächsten Angehörigen lernen, seine Krankheitssymptome - Anzeichen einer Depression oder Manie - frühzeitig zu erkennen. Nur so kann der Arzt rechtzeitig medikamentös intervenieren. Regelmäßige Arztbesuche helfen, den Krankheitsverlauf besser einzuschätzen, neue Symptome im Anfangsstadium zu erkennen und die (medikamentöse) Therapie zu optimieren. Ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt ist eine wichtige Basis für Maßnahmen in einer Krisensituation. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann für den Patienten die Auseinandersetzung mit der Erkrankung und den Symptomen erleichtern. Es muss jeweils individuell entschieden werden, ob neben einer notwendigen medikamentösen Langzeitbehandlung eine Psychotherapie sinnvoll ist. Die Angehörigen sollten ebenso wie der Patient über Krankheitssymptome, den Langzeitverlauf und Behandlungsoptionen informiert sein, um den Betroffenen bei Eintritt einer Krise begleiten zu können. Grundlage eines wirksamen vorbeugenden Schutzes ist die regelmässige Einnahme der verordneten phasenprophylaktischen Medikamente. Änderungen sollten nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Ohne optimalen vorbeugenden Schutz oder bei unbehandelter Erkrankung kann es zu Rückfällen kommen - im Einzelfall sogar trotz einer gewissenhaft durchgeführten Behandlung. Betroffene, Angehörige und Hausärzte sollten für den Notfall die wichtigsten Strategien kennen. Bei ersten Symptomen sollte man sofort Kontakt zum Blick in die Forschung Stuttgart (2001); ISBN 3893736352; € 14,95 Rosa Geislinger, Heinz Grunze: Bipolare Störungen (manisch-depressive Erkrankungen) – Ratgeber für Betroffene und Angehörige. Herausgeber: DGBS e. V.; BoD, Norderstedt (November 2002); ISBN 3-8311-4519-9; € 8,60 Jörg Walden, Heinz Grunze: Die bipolaren Störungen, manisch-depressive Erkrankungen, Ratgeber für Betroffene und Angehörige. G. Thieme Verlag (Juli 2003), Stuttgart; ISBN 313105672X; € 17,50 Thomas Bock: Achterbahn der Gefühle. Mit Manie und Depression leben lernen. Herder Verlag, Freiburg (September 2002); ISBN 3451052822; € 8,90 Eberhard Wormer: Bipolar. Depression und Manie (Wurde mit dem Bipolar - Medienpreis 2003 ausgezeichnet). Knaur Verlag (Juli 2003); ISBN 3426667487; € 16,90 Kay Redfield Jamison: Meine ruhelose Seele. Die Geschichte einer manischen Depression. Goldmann Verlag (September 1999); ISBN 3442150302; € 7,50 Weitere Schriften der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. sind bei BoD, Norderstedt erschienen und im Buchhandel erhältlich. Eine Liste der Buchtitel gibt es auch unter www.dgbs.de IMPRESSUM Herausgeber Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. (DGBS) Postfach 920249 · 21132 Hamburg Schriftleitung Priv.-Doz. Dr. Dr. Michael Bauer, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte Schumannstraße 20-21 10117 Berlin Redaktion Dr. Alexander Kretzschmar, München Layout Tim Krüger Herstellung taz nord Verlags GmbH Auflage 90.000 Exemplare Erscheinungstermin 19.09.03 (Beilage 4B) Diese Beilage wurde unterstützt durch das Unternehmen AstraZeneca GmbH, Wedel. Hier vertretene Standpunkte geben die Ansicht des Herausgebers und der Autoren wieder, sie stellen in keiner Weise die offizielle Meinung unserer Fördermitglieder dar. Obwohl der berühmte deutsche Psychiater Kraepelin schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Interesse der Medizin auf bipolare Störungen lenkte – er sprach vom „manisch-depressiven Irresein“ – besteht heute weltweit noch ein beträchtliches Defizit in der Erforschung der Ursachen und Behandlung dieser Erkrankung. Dies ist um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es sich hier um eine häufige Erkrankung handelt mit hoher sozial-ökonomischer Bedeutung: früher Beginn der Erkrankung zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, hohe Rückfallneigung sowie hohe Suizidrate (bis zu 15%) tragen zum Leid der Betroffenen und Angehörigen sowie zu den hohen Kosten für die Gesellschaft bei. In den vergangenen fünf bis zehn Jahren konnte zumindest in den USA ein Wandel in der Forschungspolitik und verstärkte Zuwendung hin zu den bipolaren Erkrankungen beobachtet werden. Dies drückt sich unter anderem darin aus, dass das nationale Institut für seelische Gesundheit (NIMH) große Forschungsprogramme initiiert hat. Diese sollen nicht nur die Ursachen dieser Erkrankung aufklären, sondern auch wis- senschaftlich gesicherte Erkenntnisse über den wirksameren Einsatz der bereits verfügbaren Medikamente gewinnen. Im Vergleich zu den USA sind in Deutschland diesbezügliche Forschungsförderungen und Forschungsbemühungen allerdings vergleichsweise gering. Bei der Ursachenforschung konzentriert sich die Psychiatrie derzeit auf Methoden wie der Genetik und bildgebende Verfahren. Aufgrund von Ergebnissen aus Familien- und Zwillingsstudien ist schon lange bekannt, dass genetische Ursachen bei der Entstehung eine wichtige Rolle spielen. Forschung zu den genetischen Ursachen gilt heute auch als der vielversprechendste Ansatz für die Entwicklung innovativer Behandlungsmöglichkeiten. Mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren, wie etwa der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), wird versucht, Hirnregionen mit abnormaler Aktivität sowie fehlgesteuerte Verschaltungen von Nervenzellverbänden im Gehirn bipolar Erkrankter zu entdecken. Mit der Entdeckung der Lithiumsalze in den 50er Jahren des behandelnden Arzt aufnehmen, andernfalls den Erstkontakt zu einem Psychiater herstellen. Im Notfall helfen Rettungsstellen und Erste-Hilfe-Stellen von Allgemein- und Fachkrankenhäusern. Adressen von Ärzten und Kliniken haben auch Patienten-Service-Stellen der Krankenkassen, psychologische Beratungsstellen und Kriseninterventionsdienste. Bei Notfallsituationen zuhause, etwa Selbstmord-Absichten oder aggressives Verhalten, können der ärztliche Bereitschaftsdienst bzw. die Feuerwehr Erste Hilfe leisten und bei Bedarf eine Klinikaufnahme anbahnen. Sehr wichtig ist neben der – akuten – medikamentösen Behandlung der enge psychotherapeutisch geführte Arztkontakt, insbesondere bei Selbstmordgedanken. Gerade bis zum Eintreten der Medikamentenwirkung ist die Bedeutung einer psychotherapeutischen Basisbehandlung nicht zu unterschätzen. Johanna Sasse und Dr. Mazda Adli Charité Universitätsmedizin, Campus Charité-Mitte, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie letzten Jahrhunderts konnte zwar schon vergleichsweise früh ein wirksames Medikament entdeckt werden. Es dauerte aber weitere 30 Jahre, bis Ergänzungen zur Lithium-Therapie beziehungsweise notwendige Alternativen (z. B. Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Valproat oder Lamotrigin sowie atypische Neuroleptika) zur Anwendung gelangten. Nach wie vor besteht heute ein erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich der medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung von bestimmten Untergruppen bipolarer Störungen (z. B. bei Patienten mit schnellem Phasenwechsel oder mit sog. Mischformen) sowie in der Langzeitbehandlung und bei depressiven Phasen, die bei vielen Betroffenen schwierig zu behandeln sind. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen aber auch ermutigende Resultate, etwa was den – neben der medikamentösen Behandlung – zusätzlichen Einsatz von Psychoedukation und kognitiver Verhaltenstherapie angeht. Diese Verfahren sind vermutlich neben der medikamentösen Kombinationstherapie in der Zukunft ein zentrales Element in der Behandlung bipolarer Störungen. Priv-Doz. Dr. Dr. Michael Bauer