336 9 9 Grundlagen von Defibrillation und antitachykarder Stimulation Grundlagen von Defibrillation und antitachykarder Stimulation Defibrillation ! S. Accinelli, B. Schubert, S. Hahn, R. Willems und G. Fröhlig Das Wichtigste in Kürze Bei Kammerflimmern erzeugen Defibrillatoren ein elektrisches Feld, das erregbares Ventrikelmyokard einheitlich depolarisiert und die Refraktärität bereits erregter Zellen soweit verlängert, dass die Fortleitung von Flimmerwellen blockiert und Kammerflimmern terminiert wird. Bedingung ist, dass trotz inhomogener Feldverteilung eine „abgestufte Antwort“ regionaler Myokardbezirke vermieden und überall die „obere Vulnerabilitätsgrenze“ erreicht wird, jenseits derer die Schockeinwirkung neue Wellenfronten nicht entstehen lässt. Die Beziehung zwischen Stärke des Schocks und Defibrillationserfolg gehorcht nicht einer singulären Schwellenbedingung, sondern folgt einer S-förmigen Wahrscheinlichkeitsfunktion, die sich nur mit sehr hohen Feldstärken der 100 %-Marke annähert. Wesentliche Einflussfaktoren sind die Elektrodenkonfiguration (single-, dual coil, hot can), die Morphologie des Schockimpulses (Tilt, Pulsbreite, monooder biphasische Charakteristik) und individuelle Faktoren (linksventrikuläre Masse, Ischämie, Medikation). Epikardiale Systeme sind historisch, allenfalls die Alternative bei venösen Implantationshindernissen; wegen ihrer überlegenen Komplikationsstatistik ist die endokardiale Sondenanordnung die Voraussetzung auch für primärpräventive Behandlungsstrategien. Kammerflimmern und ventrikuläre Defibrillation Kammerflimmern (VF) ist eine völlig desorganisierte Rhythmusstörung der Ventrikel. Elektrokardiographisch ist es durch ein scheinbar verrauschtes, niederamplitudiges Signal ohne diskret erkennbare QRSKomplexe gekennzeichnet. Zugrunde liegen multiple elektrische Erregungsfronten, die zufällig und scheinbar zusammenhanglos innerhalb des Kammermyokards kreisen. Die Desorganisation während VF führt zur elektromechanischen Entkopplung und zum Verlust einer geordneten ventrikulären Kontraktion. Die Folgen sind das Versiegen jeder Pumpleistung des Herzens und der hämodynamische Zusammenbruch. Kammerflimmern ist eine schwerwiegende Arrhythmie, die ohne sofortige Therapie zum irreversiblen Schaden an Hirn und Herz und binnen Minuten zum Tod führt. Kammerflimmern ist für 75–85 % aller plötzlichen Todesfälle bei Menschen mit kardialen Erkrankungen verantwortlich. Die häufigste Ursache für Kammerflimmern ist der Myokardinfarkt; die Liste von Umständen, die sonst zu dieser fatalen Arrhythmie führen können, umfasst: ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ neben akuten auch zurückliegende Herzinfarkte, die akute Myokardischämie, kongenitale Anlagestörungen des Herzens, Erkrankungen des Herzmuskels (Kardiomyopathien), genetische Störungen (Long QT-, Brugada-Syndrom), Elektrolytverschiebungen (Hypokaliämie, Effekte von Natrium- oder Kaliumkanalblockern, Diuretika), Störungen des Säure-Basen-Haushalts, Elektrounfälle oder direktes Herztrauma, und Ertrinken. Kammerflimmern ist ein medizinischer Notfall; um das Leben zu retten, müssen sofort Maßnahmen zur kardiopulmonalen Reanimation eingeleitet werden. Dies geschieht mittels externem oder internem Defibrillator, welcher transthorakal oder von innerhalb des Herzens einen elektrischen Schock abgibt und Kammerflimmern terminiert. Um den wiederhergestellten Rhythmus und die hämodynamische Funktion zu stabilisieren, sind oft begleitende Akutmaßnahmen im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation notwendig. Nach erfolgreicher Rhythmuskonversion muss nach Ursachen der Rhythmusstörung gefahndet werden, um neuerlichen Episoden vorbeugen zu können. Historischer Hintergrund Kammerflimmern wurde erstmalig von Ludwig und Hoffa im Jahre 1849 beschrieben. 1888 notierte der Kliniker MacWilliam, dass Kammerflimmern die Ursache des plötzlichen Herztodes sein könnte und begründete so die Idee der Defibrillation (15). Elf Jahre später entdeckten Prevost und Batelli, dass Kammerflimmern unterbrochen werden konnte, wenn man auf das Herz eines Tieres eine hohe elektrische Spannung einwirken ließ. Die erste klinische Erfahrung mit externen Defibrillatoren begann im Jahre 1932 mit Kouwenhoven (20, 27). Die erste erfolgreiche Defibrillation eines menschlichen Herzens wurde aber erst 1947 durch Beck, einen Chirurgen aus Cleveland, mitgeteilt (16). Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag Defibrillation 1956 führte Zoll die erste erfolgreiche externe Defibrillation am geschlossenen Thorax eines Menschen durch (50). Die frühen Konzepte elektrischer Defibrillation nutzten haushaltsüblichen 60 Hz-Wechselstrom, der mittels Step-up-Transformator auf höhere Spannungen gebracht wurde. Aus Gründen der Portabilität wurden in den 1950er Jahren Gleichstrom-Defibrillatoren entwickelt und deren höhere Effektivität belegt. Der erste tragbare Defibrillator wurde an der Johns Hopkins-Universität entwickelt. Über eine Entladedauer von 14 ms sah er Schocks mit einer positiven und einer negativen Phase von je 100 Joules (J) vor. Mit Zubehör wog die Einheit nur 50 amerikanische Pfund (22,5 kg), während das Gewicht eines Standard-Defibrillators typischerweise bei mehr als 250 Pfund lag (112,5 kg). Das System wurde nur kurz in der Elektrogeräte-Industrie vermarktet. Fortschritte in der Technologie elektrischer Komponenten ermöglichten schließlich batteriebetriebene Gleichstrom-Defibrillatoren. 1966 konnten Pantridge und Geddes (Belfast) berichten, dass die Nutzung solcher Geräte durch eine koronare Rettungseinheit das Überleben nach Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses verbesserte (34). Über die nächsten 20 Jahre gewann die Schocktherapie Akzeptanz. Erste Prototypen automatischer externer Defibrillatoren (AED) wurden zwischen 1974 und 1980 durch Diack, Rullman, Welborn und andere entwickelt und kommerziell ab Mitte der 1970er Jahre vertrieben. Der implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD) wurde von Mirowski konzipiert und 1980 erstmalig einem Menschen implantiert (29). Dieser ICD wog etwa 250 g. Technologischer Fortschritt hat ICDs seither wesentlich kleiner werden lassen und mit hoch entwickelten Mikrocomputern ausgestattet, die eine große Spannbreite ventrikulärer Arrhythmien behandeln können. Viele Studien wie MADIT, MUSTT, AVID, MADIT II und SCD-HeFT (Kapitel 8 ICD-Indikationen) haben eine statistisch signifikante Verbesserung des Überlebens durch ICD-Therapie belegt. Die Bedeutung dieser The- 337 rapieform ist an gegenwärtig 100.000 Implantationen jährlich abzulesen. Die Mehrzahl plötzlicher Herztodesfälle infolge Kammerflimmerns ereignet sich ohne Vorwarnung in Populationen mit scheinbar niedrigem Risiko. Erfolgreiche Wiederbelebung außerhalb der Klinik ist selten; das Überleben nach dokumentiertem Kammerflimmern variiert zwischen 4 und 32 % (14) und hängt von der Verfügbarkeit einer Schock-Ausrüstung an Orten außerhalb des Krankenhauses und von der Reaktionszeit der Rettungsteams ab, die mit der Verkehrsbelastung in großen Städten zunimmt. Für Patienten, die dennoch erfolgreich reanimiert werden, beträgt das Risiko eines Arrhythmie-Rezidivs im nächsten Jahr 25–30 % (1). Grundlagen Elektrophysiologie des Kammerflimmerns Monomorphe Kammertachykardien entstehen unter Bedingungen, die eine rasche, immer wiederkehrende Aktivierung des Ventrikels durch eine einzige Erregungsfront erlauben. Sie können aus ➤ abnormer Automatie ventrikulärer Zellen, ➤ getriggerter Aktivität oder ➤ ventrikulären Reentry-Kreisen entstehen. Kammerflimmern ist eine besonders maligne Form der Tachykardie, bei der die elektrische Aktivität der Ventrikel in viele Erregungsfronten zersplittert wird. Elektrokardiographisch imponiert VF gewöhnlich als niederamplitudiges, fragmentiertes Signal ohne erkennbare QRS-Komplexe, dessen Morphologie sich stets wandelt und Frequenzen jenseits 250–300 min-1 aufweist (Abb. 9.1). Die fragmentierte Erregung der Ventrikel lässt einzelne Myokardabschnitte unkoordiniert arbeiten und keine wirksame Kontraktion mit Auswurf von Blut mehr zustande kommen. Abb. 9.1 Typische Elektrokardiographie von Sinusrhythmus (oben) und Kammerflimmern (unten). Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag 338 9 Grundlagen von Defibrillation und antitachykarder Stimulation In den 1940er Jahren beschrieb Wiggers 4 Phasen des Kammerflimmerns (45): 1. die „undulatorische“ Phase beginnt mit den ersten wenigen Zyklen (1–2 s) und stellt den Übergang von Sinusrhythmus zu Kammerflimmern dar. Diese Phase kann mit einer oder einigen Depolarisationen beginnen, die noch eine bescheidene Kontraktion des Ventrikels erlauben. In diesem Stadium könnte ein normaler Rhythmus relativ leicht wiederhergestellt werden, doch ist der Zeitraum zu kurz, um als Gelegenheit genutzt zu werden. 2. Die ersten schnellen Aktionen lassen das Aktionspotential kürzer und die Leitungsgeschwindigkeit geringer werden mit der Folge, dass die Erregungsfront degeneriert. Die „konvulsive“ Phase stellt demnach die initiale Auftrennung in viele kleine Einzelerregungen dar; sie dauert 30–40 s. 3. Mit Ausbildung einer Ischämie verlangsamt sich die Erregungsleitung noch mehr, und die Aufsplitterung der Erregung schreitet fort. Die kleinen Depolarisationswellen beginnen langsamer um den Ventrikel zu wandern und leiten das „tremulous“ (Zitter-) Stadium ein, das 2–3 min dauert. Während dieser Phase können Defibrillationsversuche erfolgreich sein, doch sind Wiederbelebungsmaßnahmen und medikamentöse Interventionen nötig, um den Patienten zu stabilisieren. 4. Nach etlichen Minuten des Kammerflimmerns bilden sich schließlich die metabolischen Folgen der Ischämie aus und verlangsamen die Erregungsleitung bis zu einem Punkt, an dem das Ventrikelmyokard nicht länger so viele Erregungswellen unterhalten kann. Die Erregungsfronten vereinigen sich, werden noch langsamer und enden im „atonischen“ Stadium, das bald keine elektrische Aktivität mehr zulässt. Holter-Aufzeichnungen zur Zeit des plötzlichen Herztodes zeigen gewöhnlich den Stadienablauf, wie er von Wiggers beschrieben wurde. Mechanismen der Defibrillation Grundsätzlich ist Ziel eines Defibrillationsschocks, die Ventrikel mit einem elektrischen Feld zu überziehen, das ihre zellulären Aktionspotentiale verändert, die weitere Ausbreitung von Flimmerwellen blockt und mit der nächsten Sinuserregung die physiologische Aktivierung der Kammern ermöglicht. Als erster forderte Wiggers, das gesamte Myokard zu depolarisieren und so sämtliche Flimmerwellen auszulöschen. In den 1970er Jahren schlug Mower vor, dass nur ein kritischer Teil des Myokards (die „kritische Masse“) depolarisiert werden müsse, weil kleine Regionen von Herzmuskulatur Flimmern nicht unterhalten könnten (30). Kürzlich jedoch zeigte Zhou, dass nach einem Elektroschock weniger als 10 % der Myokardmasse neuerliches Kammerflimmern initiieren und – vielleicht noch bedeutsamer – dass diese neue Erregungsfront durch den Schock selbst ausgelöst sein könnte (48). Falls also überhaupt eine kritische Masse für die Defibrillation existiert, so müsste sie schon einen sehr hohen Prozentsatz des Herzens umfassen, oder die komplette Depolarisation könnte notwendige, wenn auch nicht immer ausreichende Bedingung erfolgreicher Defibrillation sein. Da während Kammerflimmerns eine große Zahl von Erregungswellen sich über die Ventrikel ausbreiten und in der Lage sind, nicht mehr refraktäre Muskelbezirke stets von Neuem zu depolarisieren, ist zu erwarten, dass die große Mehrheit ventrikulärer Zellen sich in erregtem oder refraktärem Zustand befindet und durch einen elektrischen Impuls nicht unmittelbar depolarisiert werden kann. Auch wenn ein elektrischer Stimulus (oder Schock) refraktäre Zellen während Flimmerns nicht depolarisiert, so wird ihre Refraktärität verlängert (5, 12, 13, 23) und die Leitung von Flimmerwellen damit blockiert. Ein Elektroschock, der zum Herzen oder Thorax abgegeben wird, produziert kein perfekt uniformes Feld. Myokard in Regionen höherer Feldstärke (typischerweise nahe der Defibrillationselektrode) wird deshalb größere Effekte bei De- und Repolarisation aufweisen, als das Zellen im schwächeren elektrischen Feld tun. Die Variabilität der zellulären Antwort in einem inhomogenen Schockfeld wird als „graded response“ bezeichnet (25). Die abgestufte Antwort auf einen Elektroschock kann Bedingungen herbeiführen, unter denen der Schock alle bestehenden Flimmerwellen stoppt, jedoch neue Wellenfronten erzeugt und die Defibrillation letztlich scheitern lässt (44). Wiggers und Wegria haben gezeigt, dass Kammerflimmern sich induzieren ließ, wenn ein elektrischer Stimulus (oder Schock) in die Repolarisationsphase normaler Sinusaktionen (der so genannten „vulnerablen Phase“) abgegeben wurde. Erreichte der Schock jedoch eine bestimmte Schwellenstärke, so löste er kein Flimmern mehr aus. Der Befund wird mit dem Begriff der oberen Vulnerabilitätsgrenze („upper limit of vulnerability“, ULV) beschrieben. In den 1980er Jahren erweiterte Chen das Konzept (10) und forderte, dass ein Defibrillationsschock stark genug sein (jenseits des ULV liegen) müsse, um existierende Erregungswellen zu blockieren und neue nicht entstehen zu lassen. ! Die Hypothese von der oberen Vulnerabilitätsgrenze hat auch praktisch klinische Bedeutung, weil sie eine Methode zur Testung der Schockeffektivität begründet, die ohne Induktion von Kammerflimmern auskommt (9). Da Kammerflimmern aus vielen Erregungsfronten besteht, die sich in stetig wechselnder Konfiguration fortpflanzen, wird die kardiale Defibrillationsantwort von einem zum anderen Schock variieren. Defibrillation ist deshalb kein stetiger Prozess. Der Schock, welcher eine erste Flimmerepisode konvertiert, mag bei der zweiten ineffektiv sein und – umgekehrt – kann ein Schock das Flimmern beim ersten Versuch nicht, beim zweiten jedoch erfolgreich terminieren. Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag Defibrillation Die Beziehung zwischen Stärke des Schocks und Defibrillationserfolg beschreibt denn auch eine „Dose-response“-Kurve oder „Wahrscheinlichkeitsfunktion“, die für die Schockanwendung einen S-förmigen Verlauf aufweist. Sehr schwache Schocks besitzen danach kaum eine Konversions-Chance, ab einem bestimmten Schwellenwert steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit steil an, und nur mit sehr hohen Feldstärken nähert sich die Effektivitätserwartung der 100 %-Marke an. ! Für die interne Defibrillation mittels ICD bietet eine Schockenergie von 20 J für ≥ 99 % der Patienten eine Konversions-Wahrscheinlichkeit nahe 100 %, so dass ein Gerät, dessen maximale Schockenergie 30 J beträgt, die üblicherweise geforderte „Sicherheitsmarge“ von 10 J einhält. 339 Als „intrinsische“ Faktoren können solche verstanden werden, die mit dem implantierten ICD-System zusammenhängen. Dies sind: ➤ Typ, Anzahl, Größe, Material, Geometrie und Lokalisation der Defibrillationselektroden im bzw. am Herzen, ➤ die Defibrillationskonfiguration, welche den Schockvektor bestimmt und das Aggregatgehäuse als Elektrode nutzt oder nicht einbezieht und ➤ die Morphologie und Polarität des Defibrillationsschocks. Unter „extrinsisch“ können solche Faktoren zusammengefasst werden, welche vom individuellen Patienten vorgegeben sind oder mit den Umständen zusammenhängen, die eine Defibrillation begleiten: Defibrillationsschocks extremer Stärke garantieren den Schockerfolg nicht unbedingt. Wie Schuder gezeigt hat (39), gilt dies v.a. für die externe Defibrillation. Die nahe liegende Begründung ist eine Überstimulation der Zellen, die im Bereich höchster Feldstärke vom Schock erfasst werden und Schädigungen erfahren, welche von funktionellen Störungen bis zur „Elektroporation“ von Zellen reichen (2, 24, 26, 41). Abhängig von der Schockstärke kann die Zelldysfunktion vorübergehend oder irreversibel sein und zum Zelltod führen. ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ ➤ Kritische Bedingungen erfolgreicher Defibrillation Einige dieser Einflussfaktoren sollen im Folgenden eingehender betrachtet werden. Für Patienten, die außerhalb des Krankenhauses eine Episode von Kammerflimmern erfahren, bestimmt die Dauer bis zur kardiopulmonalen Reanimation (CPR) die Prognose. Nach Studiendaten reduziert sich die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen CPR mit jeder Minute um etwa 10 % (8). Bei der externen Defibrillation beweist anteroposteriore Orientierung der Flächenelektroden hohe Effektivität, ist in der Ausführung aber unpraktisch. Alternativ kommt die Anordnung des Schockvektors von anterior nach linkslateral oder von rechts-subklavikulär nach linkssternal in Betracht. Abhängig von der individuellen Patientencharakteristik in Anatomie und kardialer Pathologie mag eine Anordnung besser als die andere sein. Für die interne Defibrillation mittels ICD ist ein bedeutsamer Faktor die Elektrodenposition (s.u.). Dabei sollte die rechtsventrikuläre Sonde so tief wie möglich zur Spitze der Kammer vorgeschoben (35) oder (nach einigen Studien) entlang des anterioren Septums platziert werden (17). Ganz offensichtlich determiniert die Schockstärke den Defibrillationserfolg. Warum dieser nicht durch einen festen Schwellenwert für die Impulsstärke definiert ist, sondern der bereits beschriebenen sigmoidalen Wahrscheinlichkeitsfunktion folgt (Mechanismen der Defibrillation), ist nicht völlig geklärt. Allerdings können einige Faktoren benannt werden, welche neben der Impulsstärke die Konversionsrate bestimmen und intrinsischer oder extrinsischer Natur sein können: Alter und Geschlecht, Herzgröße und Körpergewicht, zugrunde liegende Herzkrankheit, Ejektionsfraktion der linken Kammer, NYHA-Klasse, metabolischer oder Elektrolytstatus, autonomer Status, pharmakologische Begleittherapie und Zeitintervall zwischen Flimmerbeginn und erstem Schock. Defibrillationskonfiguration und Schockvektor Eine effektive Defibrillation setzt voraus, dass elektrische Energie in Form von Hochspannungsschocks möglichst ungehindert auf das Herz einwirken kann. Solche Schocks erfordern Elektroden, die hohe Ströme leiten und über das Herz verteilen können. Epikardiale Systeme: Frühe ICD-Systeme nutzten epikardiale, aus einem Drahtgeflecht bestehende, auf der Rückseite isolierte Patch-Elektroden, die per Sternotomie, lateraler Thorakotomie oder subxiphoidalen Zugang implantiert wurden. Die Flächenelektroden wurden anteroposterior oder in einer Kombination aus rechts- und linksventrikulär-lateralem Patch (Abb. 9.2) angeordnet. Allerdings legen einige Studien nahe, dass die apikobasale Ausrichtung der Elektroden zwischen linksventrikulärer Spitze und rechtsventrikulärer Basis das Kammerseptum besser einbezieht und den Energiebedarf für die Defibrillation mindert. Hauptvorteil des epikardialen Zugangs ist der geringe Übertragungswiderstand zwischen Flächenelektroden und großen Teilen des Herzens, Hauptnachteil sind die bedeutsame Morbidität und perioperative Mortalität (4,1 %), welche den chirurgischen Eingriff belasten (49). Er beschränkt sich deshalb auf Situationen, bei denen Implantationshindernisse einem transvenösen Vorgehen entgegenstehen oder aus anderen Gründen ein Eingriff am offenen Thorax durchgeführt wird. Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag 340 9 Grundlagen von Defibrillation und antitachykarder Stimulation die Sonde möglichst tief in die Spitze der rechten Kammer zu platzieren, weil bereits die Lageänderung um einen Zentimeter den Energiebedarf um 30–50 % variieren kann (43). Bei hoher Defibrillationsschwelle (DFT) während Implantation sollte deshalb ein Versuch zur Repositionierung der Sonde erster Verbesserungsansatz sein. Als erfolgreich wird dabei eine Technik beschrieben, welche die Sonde entlang des anterioren Septums platziert (46). Bei unzureichender DFT kann mit zusätzlichen subkutanen oder Koronarsinus-Elektroden versucht werden, das elektrische Feld in Richtung des linken Ventrikels auszudehnen und so die Defibrillationsschwelle zu reduzieren. Abb. 9.2 Epikardiale Patch-Elektroden mit Positionierung an rechts- und linksventrikulärer Seitenwand. Endokardiale/Non-Thorakotomie-Systeme: Eine bedeutende Einzelentwicklung in der Geschichte der ICDTherapie war die Konstruktion von Defibrillationselektroden, die man transvenös endokardial implantieren konnte. Solche Systeme reduzierten Morbidität und Mortalität des Therapieverfahrens dramatisch und machten es zu einer realistischen Option für große Patientengruppen. Ähnlich einer Schrittmacherimplantation sieht das Verfahren den Zugang über die V. cephalica oder subclavia und die Positionierung einer Defibrillationssonde im rechten Ventrikel vor. ICD-Sonden sind mit einer einzigen Schockwendel für die Platzierung im rechten Ventrikel erhältlich, oder sie tragen eine zweite weiter proximal, die typischerweise im rechten Vorhof, in der V. cava superior oder subclavia positioniert wird. Eine kleine Spitzenelektrode oder die Dipolanordung ähnlich bipolaren Schrittmachersonden („true bipolar“) dienen der Wahrnehmung und der antibradykarden Stimulation. Um ausreichende Feldstärken in allen Ventrikelabschnitten (einschließlich des Septums, der Herzspitze und der linken Kammer) zu erzeugen und mit einem energetischen Mindestaufwand die höchstmögliche Defibrillationseffektivität zu erreichen, ist die Positionierung der Schockwendel bedeutsam. Die Lokalisation der Wendel(n) in rechtem Ventrikel (und obererer V. cava) resultiert in einer ziemlich uneinheitlichen Feldverteilung, welche den rechten Ventrikel bevorzugt und die Spitze sowie laterale Abschnitte der linken Kammer am wenigsten erreicht. Um dennoch für sichere Defibrillation zu sorgen, ist es wichtig, Hot-can-Konfiguration: Nahezu alle heute implantierten ICD-Systeme nutzen dagegen ein elektrisch aktives Aggregatgehäuse („hot can“), das in pektoraler Position die Defibrillationsschwellen deutlich mindert (4, 18). Grundsätzlich bieten „Hot can“-Systeme 2 Konfigurationsmöglichkeiten (Abb. 9.3): eine „Single-coil“-Sonde mit dem Schockvektor von rechtsventrikulär zum ICD-Gehäuse (als „unipolar“ bezeichnet) und eine „Dual-coil“-Sonde mit dem Defibrillationsfeld zwischen rechtem Ventrikel, V. cava superior und Gehäuse („Triad“-Konfiguration). Sorgfältig kontrollierte Tierversuche ermittelten das letztgenannte System als energetisch günstigste Schockkonfiguration, während die unipolare Anordnung einen etwa 25–30 % höheren Energiebedarf aufweist (37). Variationen der genannten Grundtypen betreffen die Polarität der Schockkonfiguration und die anatomische Platzierung des ICD-Aggregats. Die meisten ICDSysteme sind auf eine Polung voreingestellt, welche die rechtsventrikuläre (RV) Schockwendel als Kathode sowie die Wendel in der oberen Hohlvene und/oder das Gehäuse als Anode nutzt. Es ist gezeigt worden, dass die Polaritätsumkehr (mit der RV-Sonde als Anode) den Energiebedarf für die Defibrillation senken kann (31). Dies scheint v.a. für ältere Systeme mit „monophasischer“ Impulsform, aber auch für neuere Systeme mit „biphasischer“ Impulsmorphologie zu gelten. Da die Polaritätsumkehr mittels Programmierung sehr einfach zu bewerkstelligen ist, wird sie häufig als erste Maßnahme eingesetzt, wenn der Patient eine inakzeptabel hohe Defibrillationsschwelle aufweist. Gelegentlich muss der ICD aus anatomischen Gründen oder auf Patientenwunsch rechtspektoral implantiert werden. Kohortenstudien deuten darauf hin, dass diese Konfiguration einen 30 % höheren Energieeinsatz fordert, als wenn das Aggregat auf der linken Seite platziert wäre (36), doch ist dies in der Mehrzahl der Patienten akzeptabel. Morphologie der Schockimpulse Die elektrischen Schocks, welche ein ICD abgibt, werden durch Kondensatorentladung generiert. Die Spannung des Kondensators folgt während der Entladung bekannten physikalischen Gesetzen. Die Zeitkonstante Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag Defibrillation 341 Abb. 9.3 Schockkonfigurationen transvenöser ICD-Systeme. Links: Dual-coil-System mit „cold can“; Mitte: Single-coil-Sonde mit „hot can“ (so genanntes unipolares System); rechts: Dual-coil-Anordnung mit „hot can“ (TRIAD). Die Anordnung der Pall-SenseElektroden ist „true bipolar“ (Mitte), sonst „integrated bipolar“. des exponentiellen Spannungsabfalls (τ) hängt von der Kapazität des Schockkondensators (C) und der Impedanz im Entladekreis (R) ab: τ=R×C Änderungen von Kapazität oder Impedanz bewirken einen schnelleren oder langsameren Spannungsabfall bei der Entladung (Abb. 9.4). Physikalische Grenzen der Kondensatortechnologie und die räumliche Begrenzung innerhalb eines ICD-Gehäuses lassen den Schockkondensator eine Spannung von maximal 750–800 V erreichen. Um Energie in der Größenordnung von 30 J speichern zu können, benötigt man eine Kondensatorkapazität von 100–125 µF. Frühe Schockexperimente, die Schuder mit Impulsen aus Kondensatorentladungen vornahm, haben gezeigt, dass der vorzeitige Abbruch der Entladung („truncation“) eine sehr viel bessere Schockeffektivität ergab, als wenn man die Kondensatorladung ganz abfließen ließ (40). Mögliche Erklärungen könnten sein, dass ➤ lange Pulse (jenseits etwa 20 ms) den Energiebedarf unnötig erhöhen oder dass ➤ niedrige Spannungen, die für eine ganze Weile auf das Herz einwirken, Flimmern reinitiieren können. Schockimpulsformen mit unterbrochener Entladecharakteristik können in einem ICD durch Vorgabe der Entladezeit („fixed time“; [ms]) oder der Spannung verwirklicht werden, bei der die Entladung endet („fixed tilt“) (Abb. 9.5). Der Tilt ist definiert als Spannungsdifferenz zwischen Beginn und Ende der Kondensatorentladung, bezogen auf die Anfangsspannung: T = (Vinit – Vtrunc)/Vinit Dabei bedeutet T den Tilt, Vinit die Anfangs- und Vtrunc die Spannung beim Abbruch des Pulses. Gebräuchlich ist die Angabe in %. Bei „fixed tilt“ variiert die Entladezeit mit der Impedanz des Schocksystems, davon unabhängig bleibt die abgegebene Ladung jedoch konstant. Mit „fixed time“ bleibt die Impulsbreite konstant, doch variieren mit der Schockimpedanz die Steilheit der Entladungskurve und damit auch die abgeflossene Ladungsmenge. ! Alle modernen ICDs arbeiten mit „fixed tilt“, auch wenn manche Geräte andere Programmierungen der Schockform erlauben. Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag 342 9 Grundlagen von Defibrillation und antitachykarder Stimulation Abb. 9.4 Exponentielle Spannungscharakteristik bei einer Kondensatorentladung; aus (6), RCKonstante = Zeitkonstante errechnet sich aus Widerstand (R) und Kapazität des Kondensators (C). 800 Anfangsspannung 700 600 Spannungsabfall in Abhängigkeit von der RC-Konstante Spannung (V) 500 400 300 tilt = % Spannungsabfall der Anfangsspannung 200 100 0 –100 0 1 2 3 4 5 Defibrillation Herzschrittmacher –200 6 7 8 9 10 Pulsdauer (ms) –300 Zeit (ms) 800 30 Ω 50 Ω 70 Ω 700 600 Abb. 9.5 Festlegung der Schockimpuls-Charakteristik mit „fixed time“ (a) oder „fixed tilt“ (b); aus (6). Spannung (V) 500 400 300 200 100 0 –100 0 1 2 3 4 5 6 Zeit (ms) 7 8 9 10 –200 –300 a 800 30 Ω 50 Ω 70 Ω 700 600 Spannung (V) 500 400 300 200 100 0 –100 0 1 2 3 4 5 6 Zeit (ms) 7 8 9 10 –200 –300 b Monophasische Schockimpulse: Die einfachste Schockform ist ein monophasischer Impuls, der zwischen Start und Stopp der Entladung keine Unterbrechung oder Polaritätsumkehr erfährt (Abb. 9.4–9.6). Monophasische Impulse reichten in frühen ICD-Systemen mit epikar- dialen Patches aus. Mit der Einführung endokardialer Sondensysteme stieg die geforderte Impulsstärke jedoch sprunghaft an, so dass monophasische Schocks bei bis zu 25 % der Patienten ineffektiv blieben. Demgegenüber reduzierten biphasische Impulsformen den Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag Defibrillation Energiebedarf signifikant (um 30–50 %) und versprechen heute mit rein endokardialer Sondenanordnung für fast alle Patienten Defibrillationssicherheit. Biphasische Schockimpulse: Ein biphasischer Impuls ist eine Kondensatorentladung, die in zwei Teile entgegengesetzter Polarität aufgespalten ist. Die erste Phase ist einem monophasischen Puls in Amplitude, Tilt und Dauer vergleichbar; mit Abbruch der Entladung werden die elektrischen Verbindungen im Systems sehr schnell (in weniger als 1 ms) umgepolt und die zweite Phase ausgelöst. Alle modernen ICDs benutzen solche biphasischen Schocks (Abb. 9.6). ! Es wird allgemein angenommen, dass die Schockform dann am effektivsten ist, wenn die erste Phase länger als die zweite dauert, und dass die Polarität der ersten Phase nur dann bedeutsam ist, wenn sie über mehr als 10 ms ausgedehnt wird (38). Ob getrennte Kondensatoren benutzt werden, um die beiden Phasen unabhängig voneinander in Pulsbreite und Amplitude mani- 343 pulieren zu können, macht dabei keinen wesentlichen Unterschied. Alle ICD-Systeme verwenden deshalb Einzelkondensatoren, die zu Beginn der zweiten Entladungsphase die gleiche Spannung wie am Ende der ersten aufweisen. Die Kapazität des Kondensators bestimmt die Steilheit des exponentiellen Spannungsabfalls und die Impulsbreite (Abb. 9.7). Da die Defibrillation einer ähnlichen Reizzeit-Spannungskurve folgt wie die Stimulationsimpulse eines Schrittmachers, braucht man bei kürzerer Impulsbreite höhere Spannungen und umgekehrt (Abb. 9.8a). Die Kurve beschreibt für sehr lange Pulsbreiten einen asymptotischen Verlauf zur Zeitachse und markiert dabei die Mindestspannung, die für Reizantwort oder Schockerfolg notwendig ist. Die Beziehung zwischen Reizzeit und Energie zeigt dagegen einen mehr parabolischen Verlauf mit hohem Energiebedarf bei sehr kurzer Pulsbreite, einem Minimum bei mittlerer und wieder ansteigender Energie bei langer Entladezeit (Abb. 9.8b). Für monophasische Impulsformen kann diese Charakteristik steile Flanken aufweisen, wobei das Energieminimum bei einer Pulsbreite von 0,5–2,0 ms liegt. Daher rührt die Empfeh- 800 monophasisch biphasisch 700 Abb. 9.6 Biphasischer (schwarz) und monophasischer (rot) Schockimpuls; aus (6). 600 Spannung (V) 500 400 300 200 100 0 –100 0 1 2 3 4 5 6 Zeit (ms) 7 8 9 10 –200 –300 800 125 µF 90 µF 60 µF 700 600 Abb. 9.7 Abhängigkeit der Steilheit der Entladekurve und der Pulsdauer von der Kapazität des Schockkondensators, aus (6) Spannung (V) 500 400 300 200 100 0 –100 0 1 2 3 4 5 6 Zeit (ms) 7 8 9 10 –200 –300 Fröhlig, Carlsson, Jung, Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie (ISBN 3131171812), © 2006 Georg Thieme Verlag