Kein Kinderspiel Röteln: Kleine und große Patienten

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Kein Kinderspiel
Röteln: Kleine und große Patienten
Meist stecken sich Kinder mit dem Rötelnvirus an. Manchmal trifft es
aber auch Erwachsene. Im Normalfall verläuft die Krankheit harmlos.
Allein: Je älter man wird, desto gefährlicher – insbesondere für
Schwangere. Schutz bieten Impfung und die Erkrankung selbst.
Dr. Maria Lingenhel-König ist Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und betreibt seit 13 Jahren eine Praxis in Bregenz, wo
Säuglinge, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre betreut werden.
Kinder-und Jugendärztin zu sein, bedeutet für sie unter anderem der
einfühlsame Umgang mit den „kleinen“ Patienten, um ihnen die
Angst vor dem Arztbesuch zu nehmen. In ihrer Praxis bietet
Lingenhel-König auch alternative Behandlungsmöglichkeiten, wie
Akupunktur und Homöopathie. Auch haben Ernährung- und
Impfberatung bei ihr einen hohen Stellenwert.
Ein Gespräch rund um die Kinderkrankheit Röteln, warum diese für Schwangere und vor allem
deren ungeborene Kinder gefährlich sein kann und warum es so wichtig ist, sich impfen zu
lassen.
Röteln – was ist das überhaupt?
Röteln wird zu den Kinderkrankheiten gezählt und ist eine ansteckende, weltweit verbreitete, virale
Infektionskrankheit. Das Rötelnvirus wird per Tröpfcheninfektion beim Sprechen, Niesen und Husten
von Mensch zu Mensch übertragen. Zwischen Infektion und Ausbruch der Erkrankung liegen circa
zwei bis drei Wochen. Diese Zeit nennt man Inkubationszeit.
Die Viren dringen über die Schleimhäute der oberen Atemwege ein, vermehren sich im lymphatischen
System und werden dann in die Blutbahn ausgeschüttet. Das bedeutet, dass die Viren sich dann im
Blut befinden. In der Fachsprache sagen wir Virämie dazu. Übrigens hinterlässt die Erkrankung eine
lebenslange Immunität. Das heißt: Wer einmal Röteln hatte, kann sich nie mehr mit dem Virus
anstecken.
Und wie zeigt sich die Krankheit?
Zu Beginn der Erkrankung zeigen sich Symptome einer harmlosen Erkältung wie Kopf- und
Gliederschmerzen, Schnupfen, leichtes Fieber, Husten und manchmal gerötete Augenbindehäute. Die
Lymphknoten im Nacken und hinter den Ohren schwellen an und können schmerzen. Ein oder zwei
Tage später kommt es zu einem rötlich-fleckigen Ausschlag, der hinter den Ohren beginnt, sich
innerhalb kurzer Zeit auf Gesicht, Hals, Arme, Beine und den übrigen Körper ausbreitet und etwa zwei
bis drei Tage sichtbar ist. Daher auch der Name „Röteln“.
Das heißt: In den ersten Tagen weiß man gar nicht, dass es sich um Röteln handelt?
Ja. Aber nicht nur die anfänglichen Symptome sind ziemlich unspezifisch, sondern sämtliche
Symptome. Daher können sie leicht mit anderen fieberhaften Erkrankungen mit Ausschlag
verwechselt werden. Ein Beispiel wäre etwa das Dreitagefieber.
Abgesehen davon ist zu sagen: Die meisten Rötelnpatienten fühlen sich nur leicht krank. Allerdings ist
der Patient eine Woche vor bis zehn Tage nach Auftreten des Exanthems (Anm.: akut auftretender
Hautausschlag) ansteckend und solange sollte er auch zuhause bleiben, also zum Beispiel
Kindergarten und Schule nicht besuchen.
Ist es denn möglich, dass man die Erkrankung gar nicht sieht?
Ja. Circa 50 Prozent der Infizierten weisen keine Symptome auf, was wir einen asymptomatischen
Verlauf nennen. Dennoch sind diese Personen danach lebenslang gegen Röteln immun. Aber auch
Patienten ohne Krankheitssymptome können sehr wohl empfängliche Menschen anstecken!
Wie wird Röteln behandelt?
Eine besondere Behandlung ist nicht notwendig. Gegen Fieber helfen Antipyretika, das sind
fiebersenkende Medikamente. Bei Kopf- oder Gelenksschmerzen werden manchmal Analgetika bzw.
Schmerzmittel verschrieben. Eines ist jedoch sehr, sehr wichtig und zwar, dass der Erkrankte nicht mit
schwangeren Frauen, die weder durch Erkrankung noch Impfung gegen Röteln immun sind, in
Kontakt kommen sollte. Daher weise ich auch immer Patienten bzw. Eltern von erkrankten Kindern auf
die mögliche Gefahr für empfängliche Schwangere hin.
Wie lange dauert der Heilungsprozess?
In typischen Fällen dauert die Erkrankung etwa eine Woche bis maximal zehn Tage. Komplikationen
sind glücklicherweise sehr selten, nehmen aber mit zunehmendem Alter zu.
Zu den Komplikationen zählen erstens und vor allem bei Jugendlichen Gelenksentzündungen.
Zweitens kann eine vorübergehende Erniedrigung der Blutplättchenzahl (Anm.: Thrombopenie)
auftreten. Und drittens kommt es manchmal auch zu einer Entzündung des Herzmuskels (Anm.:
Myocarditis) oder des Gehirns (Anm.: Encephalitis).
Wie unterscheidet sich die Krankheit bei Erwachsenen von jener bei Kindern?
Vorweg: Ein Erwachsener kann eine Kinderkrankheit wie Röteln in der Regel nur dann bekommen,
wenn er die Erkrankung im Kindesalter nicht durchgemacht hat oder wenn er nicht bzw. nicht zwei Mal
gegen Röteln geimpft wurde. Der Verlauf selbst ist, wie schon gesagt, meistens schwerer als beim
Kind, da mit zunehmendem Alter Infektionen einen schwereren Verlauf nehmen. Typisch sind die
Gelenksentzündungen (Anm.: Arthritis), die besonders häufig bei jungen Frauen auftreten können.
Apropos Frauen: In der Schwangerschaft stellt eine Rötelninfektion eine besondere Gefahr dar!
Inwiefern?
Im Falle einer Schwangerschaft kann eine Übertragung des Virus über den Mutterkuchen, die
Plazenta, auf das ungeborene Kind erfolgen. Auch wenn die Erkrankung für die Frau selbst meist
harmlos oder sogar unbemerkt verläuft, so kann das Ungeborene schwere gesundheitliche Schäden
davontragen!
Infiziert sich die Schwangere in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen mit dem Rötelnvirus, so
führt dies in 90 Prozent der Fälle zu einer schweren Schädigung des Embryos, der so genannten
„Rötelnembryopathie“. Die Folgen können Herzfehler, Linsentrübung am Auge und/oder
Innenohrschwerhörigkeit sein. Nach der zwölften Schwangerschaftswoche sinkt das
Erkrankungsrisiko des ungeborenen Kindes deutlich ab, da die Entwicklung der Organe
abgeschlossen ist.
Können Schwangere in irgendeiner Art und Weise vorbeugen?
Nun, die Blutuntersuchung auf Rötelnantikörper am Beginn einer Schwangerschaft gehört zur
Schwangerenvorsorge bzw. Mutter/Kind-Passuntersuchung. Lassen sich im Blut der Schwangeren
keine Rötelnantikörper nachweisen, dann ist sie gegenüber einer Rötelninfektion ungeschützt! Da die
Rötelnimpfung jedoch eine Lebendimpfung (Anm.: Impfstoff mit abgeschwächten Viren) ist, sollten
Schwangere nicht geimpft werden. Eine aktive Impfung kann somit erst nach der Geburt erfolgen, um
im Falle einer weiteren Schwangerschaft geschützt zu sein.
Schwangere, die nicht gegen Röteln immun sind, müssen also „einfach“ vorsichtig sein?
Na ja, Vorsicht ist immer gut. Aber in dieser Hinsicht ist das natürlich schwierig. Man kann ja nicht
sagen, dass sich Schwangere von Kindern fernhalten sollten – insbesondere dann nicht, wenn sie
bereits ein Kind haben. Umso wichtiger ist es, dass ungeimpfte oder noch nicht bzw. nie an Röteln
erkrankte Frauen mit Kinderwunsch ihr Blut schon vor Eintritt einer Schwangerschaft auf
Rötelnantikörper untersuchen und sich gegebenenfalls zwei Mal impfen lassen!
Wie viele Personen erkranken heutzutage noch an Röteln?
2007 wurde die gesetzliche Meldepflicht von gesicherten Rötelninfektionen in Österreich eingeführt.
Bei unvollständiger Durchimpfung der Bevölkerung, das heißt, wenn unter 97 Prozent geimpft werden,
kann es zu sporadischen Rötelnepidemien kommen. Da die Durchimpfungsrate derzeit in Österreich
nur etwa 90 Prozent beträgt, ist immer wieder mit kleinen Rötelnepidemien zu rechnen. Eine solche
gab es beispielsweise in den Wintermonaten 2008/2009. Damals erkrankten in Österreich 365
Personen, wobei besonders 15- bis 24-Jährige betroffen waren. Die Erkrankten waren nicht oder
unzureichend geimpft, also statt zwei Mal nur ein Mal.
Wie viele Jugendliche bzw. Erwachsene erkranken an Röteln? Anders gefragt: Ist Röteln immer
noch eine „typische Kinderkrankheit“?
In Bevölkerungsgruppen mit niedriger Durchimpfungsrate erfolgen 80 bis 90 Prozent der Infektionen
im Kindesalter. Bei höheren, aber insgesamt zu geringen Durchimpfungsraten, also unter 95 Prozent,
verschiebt sich durch Impflücken die Erkrankung zu den 15- bis 30-Jährigen. Deshalb sollte jeder
Arztbesuch dazu genutzt werden, eine bestehende Impflücke zu füllen und zum Beispiel die zweite
Rötelnimpfung nachzuholen.
Zur Eliminierung der Röteln wären Durchimpfungsraten von 97 Prozent der Bevölkerung notwendig.
Leider ist dies bisher in Österreich (noch) nicht gelungen, da Impfgegner sich bzw. ihre Kinder nicht
impfen lassen. Aber auch weil etwa auf die zweite Impfung vergessen wird.
Sie haben schön des Öfteren betont, dass man sich zwei Mal impfen lassen muss. Können Sie
etwas näher auf das Thema „Impfen“ eingehen?
Einen „reinen“ Rötelnimpfstoff gibt es in Österreich nicht. Mit dem Masern-Mumps-Rötelnimpfstoff ist
jedoch eine sichere und wirksame Impfung gegen Masern, Mumps und eben auch Röteln verfügbar.
Die Impfung wird vom Österreichischen Impfausschuss empfohlen und der Impfstoff wird vom Staat
kostenlos zur Verfügung gestellt. Übrigens läuft gerade derzeit eine österreichweite Gratisimpfaktion
für alle Personen bis 45 Jahre. Leider machen zu wenige davon Gebrauch!
Die zweimalige Impfung vermittelt eine lebenslange Immunität – davon darf man nach dem heutigen
Stand des Wissens ausgehen. Die zweimalige sogenannte Lebendimpfung kann ab dem vollendeten
ersten Lebensjahr gemacht werden und zwar im Abstand von mindestens vier Wochen. Die zweite
Impfung ist notwendig, da etwa zwei bis fünf Prozent der nur einmalig Geimpften keine Antikörper
gegen die entsprechenden Krankheiten bilden, dies nennt man eben Impflücke. Mit der zweiten
Impfung werden diese Impflücken geschlossen.
Die bereits von Ihnen angesprochenen Impfgegner sagen aber, dass das Impfen selbst krank
machen kann?
Nun, es kann zu sogenannten Impfreaktionen, wie Fieber, Ausschlag, Rötung und/oder schmerzhafte
Schwellung an der Impfstelle, kommen. Aber: Trotz gelegentlicher Impfreaktionen überwiegt der
Nutzen der Impfung bei Weitem!
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