Reverse Engineering auf der Basis von ungeordneten

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Reverse Engineering auf der Basis von ungeordneten Digitalisierdaten
Dr.-Ing. Schöne
1. Einleitung
Die erweiterten Methoden der Formerfassung mittels Digitalisieren und Scannen und die
Möglichkeiten des Rapid Product Developement (RPD) sind zu einer wesentlichen
Voraussetzung des Reverse Engineering in den letzten 2 Jahren erwachsen.
2. Maschinentechnische Voraussetzungen zum Mehrachsdigitalisieren
In
den
vergangenen
2
Digitalisiereinrichtungen
Jahren
sind
kommerzielle
Lösungen
von
5-Achs-
bekannt geworden /MAS_94, JUS_95/. Hierbei werden die
rotatorischen Maschinenachsen zur Werkstück- oder Taster/Laserpositionierung genutzt um
Modelle und Werkstücke ganzheitlich von allen Seiten zu erfassen. Die Spezifik und die
erweiterten Möglichkeiten der weiteren Verarbeitung der Digitalisierpunkte in der Prozeßkette
unter Berücksichtigung von rotatorischen Maschinenachsen wird von diesen Systemen aber
nur ungenügend unterstützt.
Die praktischen Untersuchungen des Mehrachsdigitalisierens am Lehrstuhl wurden zunächst
auf einer Fräsmaschine vom Typ HURON mit Heidenhain-Digitalisiersystem durchgeführt.
Die Fräsmaschine verfügt über eine Horizontal- und eine Vertikalspindel. In Bild 1 ist die
Achsanordnung verdeutlicht. Als zusätzliche rotatorische Maschinenachse ist die Aufrüstung
mit einem Teilapparat und Rundtisch möglich.
B
A
Z
Y
Indexing attachment
attachment
A
X
c Hoffmann ´93
Bild 1: HURON-Fräsmaschine mit Heidenhain-Digitalisiersystem, Achsanordnung
Die Aufrüstung der Fräsmaschine MAHO 800C mit dem Digitalisiersystem Scancadscan
wurde durch die Firma BCT realisiert. Ein Digitalisieren mittels Scancadscan ist aber nur
möglich, wenn die Fräsmaschinensteuerung Philips 532 zuvor aktiviert ist. Die Ansteuerung
der 2 rotatorischen Maschinenachsen (Schwenkkopf und Rundtisch) mittels der Scansation
wurden durch die Firma BCT bisher nicht realisiert. Die Indexierung der rotatorischen Achsen
ist nur für die B-Achse, für den Rundtisch möglich.
3. Verarbeitung von Mehrachsdigitalisierdaten
Das unmittelbare Fräsen nach digitalisierten Punkten ist als Stand der Technik anzusehen und
die Datenhandhabung dazu erfolgt häufig noch unmittelbar in der Werkstatt. Die
Aufbereitung von Punktwolken für die Kurven- und Flächengenerierung und die
Triangulation, das ist die Vernetzung zu Dreiecksflächen, erfordert aber einen erheblichen
rechnerischen und zusätzlich manuellen Aufwand. Theoretische Überlegungen und die
durchgeführten Arbeiten zum Digitalisieren zeigten, daß für eine nachfolgende 3D-CADModellierung eine Werkstückklassifizierung nach geometrischen Gesichtspunkten in die
folgenden 3 Gruppen notwendig ist:
1. Werkstücke mit Flächen, die durch funktionalen Zusammenhang gegeben
sind (Turbinenschaufeln, Verdichterräder)
2. Werkstücke mit Designerflächen (PKW-Außenhaut, Konsumgüter)
3. Werkstücke mit stark strukturierter Oberfläche (medizinische Objekte,
Gelände)
In Bild 2 sind die notwendigen Digitalisierparameter für die charakteristischen
Werkstückgruppen verdeutlicht.
Werkstückgruppe
1
2
3
Digitalisierbahnabstand
groß wählen,
nur einzelne ausgewählte Bahnen
klein wählen, entsprechend
Modellgenauigkeit
sehr klein wählen
Punktabstand auf
Digitalisierbahn
groß wählen
Rotatorische
Achse erforderlich
unbedingt
erforderlich
klein wählen
gelegentlich
erforderlich
sehr klein wählen
gelegentlich
erforderlich
Bild 2: Digitalisierparameter in Abhängigkeit von der Werkstückgruppe
3. Anforderungen an die Digitalisierung für nachfolgende Prozesse des
Rapid Prototyping (RPD)
Eine wesentliche Voraussetzung zur Fertigung eines Werkstückes mittels RPD-Verfahren
stellt
dessen Volumenbeschreibung dar. Kommerzielle RPD-Systeme zur
Prozeßmodellierung für RPD-Prozesse beinhalten zudem das Slicen auf der Basis von CADDaten im STL-Format /EOS_94/. Die gängigen CAD-Systeme /STR_94/ bieten die STLSchnittstelle als Option an. Basis für die generierten STL-Files bilden ausnahmslos analytisch
beschriebene Flächen im VDA- oder IGES-Format.
Als unabdingbare Anforderung an die Digitalisierung für nachfolgende Prozesse des Rapid
Prototyping steht die ganzheitliche geometrische Werkstückerfassung. Werden Werkstücke
nur unvollständig digitalisiert, gilt es Hilfsflächen zur Verrundung oder zum Schließen des
Modells zu konstruieren. Alle weiteren Tätigkeiten zur Aufbereitung von Digitalisierdaten zu
Werkstücken mit Polynomflächen unterscheiden sich nicht von den bekannten Tätigkeiten der
Flächenrückführung.
Die Prozeßkette, Digitalisieren - Generierung von Kurven - Generieren von Polynomflächen Triangulation auf Polynomflächen - Slicen - Fertigung mittels RPD-Verfahren konnte
realisiert werden. Am Beispiel einer Turbinenschaufel und eines Teils einer Skulptur (Bild 3)
konnte die Gangbarkeit des Weges demonstriert werden. /FIC_95a,b, SCH_96/.
Die in Bild 2 aufgeführten Digitalisierparameter für unterschiedliche Werkstückgruppen
gelten nur, wenn auf deren Basis eine „traditionelle“ Flächenrückführung durchgeführt
werden soll. Sollen die digitalisierten Daten unmittelbar vernetzt werden, muß sichergestellt
werden, daß eine so diche Punktwolke wie möglich bereitgestellt wird.
Bild 3: Triangulierter Skulpturkopf auf der Basis einer Polynomfläche
Für die Behandlung von Digitalisierdaten für RPD-Prozesse kann die bisher praktizierte
Arbeitsweise dann verkürzt werden. Softwarelösungen zur Triangulation direkt auf der Basis
von geordneten und hinterschnittsfreien Punktwolken, das sind Punktwolken, die sich
eindeutig in eine Ebene projizieren lassen, sind bekannt /SUR_94/. Die Recherchen zeigten,
daß obwohl diese Funktionalität - Triangulation auf Punktwolke - in CAD-Systemen als
Funktion verfügbar ist, keine Anwendungen zur Nutzung dieser Daten zum Zwecke der
Triangulation oder unmittelbar für das Slicens für RPD-Verfahren bekannt sind. Dieser
Umstand ist nach eigenen Erfahrungen auf fehlerhafte STL-Datenfiles bei ungeordneten und
hinterschnittbehafteten Punktwolken zurückzuführen. Für hinterschnittsfreie und geordnete
Punktwolken wird in den meisten Fällen zwar ein überwiegend befriedigendes Ergebnis der
Vernetzung
der
Punktwolke
erreicht.
Dennoch
sind
Lücken,
Dopplungen
und
Fehlorientierungen im STL-File vorhanden. Weiterhin sind diese Daten für das Slicen
ungeeignet, da die Punktwolken häufig nicht geschlossen sind; die Daten der Seiten- und
Grundflächen fehlen. Hier steht die Forderung zur Erarbeitung interaktiver Tools zur
Behandlung von STL-Datenfiles. Die Arbeiten hierzu sind angelaufen.
Von den dargestellten Defiziten ausgehend, wurden Untersuchungen zur Erarbeitung eines
neuen
intelligenten
Algorithmus
hinterschnittbehafteten
Punktwolken
zur
Triangulation
durchgeführt.
auf
Dieser
ungeordneten
Algorithmus
und
hat
2
Voraussetzungen zu erfüllen:
1.
Verarbeitung hinterschnittbehafteter Punktwolken
2.
Verarbeitung ungeordneter Punktwolken
In der Literatur dargestellte Algorithmen genügen aber den oben dargestellten Forderungen
nicht. Bei den Vorüberlegungen wurde nun deutlich, daß die Vielzahl unterschiedlicher
Charakteristika der Punktwolken auch mehrere Strategien zur Behandlung dieser nach sich
ziehen. Die Vernetzung hinterschnittbehafteter und ungeordneter Punktwolken zu
Dreiecksflächen ist nicht vollautomatisch möglich. Aus diesem Grunde wurde zum einen auf
einen iterativen Algorithmus „Triangulation durch lokales Suchen und Anfügen“ zum anderen
auf geeignete Startparameter, die vor einer
Vernetzung der Punktwolke gesetzt werden
müssen, orientiert /MAU-96/. Diese Startparameter sind von der Charakteristik der
Punktwolke abhängig (Bild 4).
Parameter Erläuterung
Zweck
DMAX
maximal zulässige Damit kann das Ausfüllen von erwünschten Löchern im Netz
Kantenlänge eines verhindert werden. Außerdem wird durch diese Variable der
Dreiecks
Bereich der in die Berechnung einzubeziehenden Punkte
festgelegt und damit die Geschwindigkeit des Algorithmus
wesentlich beeinflußt.
WAMAX
maximaler
Innenwinkel bei
Erzeugung eines
Dreiecks
Der Innenwinkel WAMAX bei der Erzeugung eines
Dreiecks durch Anfügen eines Punktes muß den festgelegten
Wert unterschreiten.
WCMAX
maximaler
Innenwinkel
zwischen
benachbarten
Außenkanten
Übersteigt der Winkel zwischen benachbarten Außenkanten
den Wert von WCMAX so darf durch Einfügen einer Kante
ein Dreieck erzeugt werden.
WNMAX
maximaler Winkel Mit diesem Wert wird die zulässige Kippung der Dreiecke
zwischen Flächen- zueinander festgelegt.
normalen der
Dreiecke
Bild 4:
Im
Initialisierungsparameter für Triangulationsalgorithmus /MAU-96/
Ergebnis
der
Arbeiten
entstand
ein
Algorithmus
zur
Vernetzung
von
hinterschnittbehafteten und ungeordneten Punktwolken. Weiterführende Arbeiten sollen dem
Vergleich der Qualität von vernetzten Oberflächen auf der Basis von Polynomflächen und auf
der Basis von Punktwolken für RPD-Prozesse und für das Fräsen dienen.
4. Literatur
/EOS_94/
Bedienungsanleitung STEREOS 600, EOS GmbH
/FIC_95a/
Fichtner, D., Schöne, C., Hoffmann, J.: Alternative Prozeßkette
beschleunigt Produktentwicklung, zur Verföffentlichung eingereicht bei
VDIZ, 199,5
/FIC_95b/
Fichtner, D., Hoffmann, J.: Process Chains for Rapid Prototyping,
Vortrag zur INCOM´95, 8th Symposium on Information Control
Problems in Manufacturing, Peking, 11.-13. Oktober, 1995.
/HUR_94/
Bedienhandbuch zum Digitalisiersystem LEMOINE auf HURON 4
Achsen Fräsmaschine, 1994
/JUS_95/
Just,G., Sonntag,A.: Erfahrungen und Besonderheiten beim 3D
Vermessen von Designmustern, Internationale Konferenz „Internationale
Produktionssysteme“, Solid
Freeform Manufacturing", Dresden,
September 1995
/MAS_95/
Massen, R., u.a.: Optisches 3D Digitalisieren mit ungenauen Achsen,
Internationale Konferenz „Intelligente Produktionssysteme, Solid
Freeform Manufacturing“, Dresden, September 1995
/MAU_96/
Maukisch, M.: Erarbeitung und Untersuchung von
Triangulationsalgorithmen auf der Basis von Digitalisierpunktwolken,
Diplomarbeit, TU Dresden, Institut für Produktionstechnik, 1996
/PAS_95/
Grundlagen zur Weiterentwicklung des Digitalisierens von
Freiformflächen als Teil der Produktmodellierung, Zwischenbericht zum
DFG-Forschungsvorhaben TU Dresden, Professur für
Produktionsautomatisierung/ Steuerungstechnik
Reverse Engineering auf der Basis von ungeordneten Digitalisierdaten
Vortrag zum 3. ABW-Workshop, 3D Bildverarbeitung, Juni 1996,
Esslingen
/SCH_96/
/SUR_94/
Produktbeschreibung SURFACER von 3D Imageware, USA 1994
/STR_94/
Produktbeschreibung, Digitalisierdatenverarbeitung mit Strim 100, 1994
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