Die Entdeckung der Atome Schülervorlesung von Siegmund Brandt Fachbereich Physik der Universität Siegen 17. Januar 2001 Naturbeschreibung und Naturerkenntnis war und ist ein wichtiges Ziel der Menschen in allen Kulturen Objekte der Naturbeschreibung: z handgreifliche Größe: Menschen, Tiere, Pflanzen, Mineralien ... z ganz große: Sternhimmel, d.h. Astronomie z ganz kleine: Aufbau der Materie Ursprünge der griechischen Atomvorstellung Leukippos von Milet (?) 5. Jh. vor Chr. Democrit von Abdera (ca. 460 - 370 vor Chr.) Epicur von Samos (341 - 270 vor Chr.) Die Atome sind hart, unteilbar, von verschiedener Gestalt, jedoch ohne Farbe, Geschmack oder Geruch. Sie bewegen sich spontan und ununterbrochen im Vakuum. Wegen ihrer Kleinheit sind sie unsichtbar. Theorie der vier Elemente Feuer Wärme Trockenheit Erde Luft Nässe Kälte Wasser Empedocles von Agrigent (ca. 483-423 vor Chr.) Elemente und Platonische Körper Plato identifiziert die Atome mit den fünf regelmäßigen (platonischen) Körpern. Zu den vier Elementen tritt ein fünftes, der Äther. Plato (428 - 347 vor Chr.) Feuer Tetraeder Der Äther erfüllt den Raumbereich außerhalb der Mondbahn, da dort offenbar andere „natürliche Bewegungen“ (Kreisbahnen) auftreten als auf der Erde (geradlinige Bahnen). Erde Würfel Luft Oktaeder Wasser Ikosaeder Äther Dodekaeder Vorstellungen im klassischen Griechenland Astronomie (nach Anaximander) Die Planeten (zu denen auch Sonne und Mond gezählt wurden) und die Fixsterne sind auf Kugeln aus durchsichtiger Materie angebracht, in deren Mitte sich die Erde befindet. Die Durchmesser der Kugeln verhalten sich zueinander wie die Tonhöhen in musikalischen Harmonien, z.B. 1 : 2 : 3 : 4 : 8 : 9 : 27 (Platon) Materie (nach Demokrit) z Es gibt nur wenige Grundsubstanzen (Elemente). z Die Materieformen sind entweder die reinen Elemente oder Mischungen aus Elementen. z Die Elemente sind Erde, Wasser, Feuer, Luft. z Die Elemente bestehen aus Atomen, kleinsten unteilbaren Bausteinen. z Die Atome der 4 Elemente haben die Formen der 4 einfachsten Körper der Geometrie: Kugel, Würfel, Tetraeder, Oktaeder. z Sie sind durch Häkchen miteinander verbunden. Beiden Bildern (dem vom Sternhimmel und dem von der Materie) ist gemeinsam: Versuch der Beschreibung durch mathematische Symmetrien. Sie werden aber nicht aus der Beobachtung des Naturobjekts abgelesen, sondern aus anderen Quellen (Musik, Geometrie) entnommen. Damit bleiben diese Vorstellungen reine Spekulationen. Beginn der modernen Naturwissenschaft im 16. Jahrhundert, ist gekennzeichnet durch z sorgfältig geplante Experimente und Beobachtungen z mathematische Beschreibung auf der Grundlage der Meßergebnisse z Vorhersagekraft der gefundenen Beschreibungen für weitere Experimente Galilei (1564-1642) erforscht die Schwerkraft Kepler (1571-1630) findet präzise Gesetze zur Planetenbewegung Newton (1643-1727) formuliert die Gesetze der Mechanik. Er kann aus ihnen die Keplerschen Gesetze berechnen, wenn er als Kraft zwischen Sonne und Planeten die Schwerkraft annimmt. Planet Schwerkraft Sonne Bahn des Planeten Wiederbelebung des Atombegriffs Gesetz der konstanten Proportionen (1794) Joseph Louis Proust (1754 – 1826) Bei der Bildung einer chemischen Verbindung aus zwei Ausgangssubstanzen werden diese nur völlig aufgebraucht, wenn ihre Massen ein ganz bestimmtes Verhältnis bilden, z.B. 2g Wasserstoff + 16g Sauerstoff Æ 18g Wasser Gesetz der multiplen Proportionen (1804) Es können mehrere solche Verhältnisse auftreten, z.B John Dalton (1760 – 1844) 2g Wasserstoff + 16g Sauerstoff Æ 18g Wasser 2g Wasserstoff + 32g Sauerstoff Æ 18g Wasserstoffsuperoxid Gesetz der einfachen Volumenverhältnisse (1808) Bei der Verbindung von Gasen treten ganz bestimmte Verhältnisse der Volumina auf, z.B. Louis Joseph Gay-Lussac (1778 - 1850) 2Liter Wasserstoff`+1Liter Sauerstoff Æ 2Liter Wasserdampf Daltons Atomhypothese 1803 John Dalton (1760 – 1844) Die Materie besteht aus unteilbaren, unzerstörbaren Atomen. Alle Atome reiner Substanzen sind einander exakt gleich. Chemische Verbindungen werden in den einfachsten numerischen Verhältnissen (1:1, 1:2, usw.) aus Atomen aufgebaut. Die Atome sind vergleichsweise groß und in Ruhe. Sie haben jeweils eine „Atmosphäre“ aus Kalorik. Die Atmosphären der Atome berühren einander. [Der Begriff “Kalorik” gehörte zur damaligen Therie der Wärme.] Daltons Symbole für die Elemente und die auf Wasserstoff bezogenen Massen Dalton, A New System of Chemical Philosophy (1808) „If there are two bodies, A and B, which are disposed to combine, the following is the order in which the combinations make take place, beginning with the most simple: namely, 1 atom of A + 1 atom of B = 1 atom of C 1 atom of A + 2 atoms of B = 1 atom of D 2 atoms of A + 1 atom of B = 1 atom of E 1 atom of A + 3 atoms of B = 1 atom of F, 3 atoms of A + 1 atom of B = 1 atom of G, etc.” Avogadros Atomhypothese 1811 Wurde erst 1860 (nach dem ersten internationalen Chemikerkongress in Karlsruhe) allgemein akzeptiert. Gleiche Volumina von verschiedenen Gase enthalten (bei gleichem Druck und gleicher Temperatur) die gleiche Anzahl von Atomen (bzw. Molekülen). Diese sind klein und dauernd in Bewegung. Sie halten ihren Abstand durch dauernde Stöße untereinander. Amadeo Avogadro (1776 - 1856) Die scheinbar unterschiedlichen Befunde von Dalton und Gay-Lussac lassen sich nun in Einklang bringen. Befinden sich in 1Liter Gas N Moleküle, so finden wir: 2N Moleküle Wasserstoff + N Moleküle Sauerstoff Æ 2 Moleküle Wasser 1 Molekül Wasserstoffgas H2 (bzw. Sauerstoffgas O2) hat 2 Atome 2 Atome Wasserstoff + 1 Atom Sauerstoff Æ 1 Molekül Wasser (2H + O Æ H2O) Massen: 2 M(H) : M(O) : M(H2O) = 2 : 16 : 18 Relative Atommasse („Atomgewichte“): mH = 1, mO = 16 Atome - Ergebnisse chemischer Experimente Elemente und Verbindungen Nicht weiter zerlegbare Substanzen sind Elemente, z.B. Wasserstoff (H), Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O) Elemente bilden Verbindungen. Atomhypothese Elemente bestehen aus völlig gleichwertigen Atomen. Verbindungen bestehen aus Molekülen, die nach gleichem Bauplan aus Atomen aufgebaut sind, denn bei Bildung von Verbindungen binden sich die Elemente in festen Massenverhältnissen. Beispiel: In Wasser ist das Massenverhältnis von Wasserstoff zu Sauerstoff 2:16, in Wasserstoffsuperoxid 2:32 Atomare Massenzahl (früher: Atomgewicht) Aus diesen Massenverhältnissen läßt sich die Masse m jedes Atoms durch die Masse mH des Wasserstoffatoms ausdrücken: m = A mH Beispiele: AH = 1, AC = 12, AN = 14, AO = 16, ... Periodisches System der Elemente Zuerst aufgestellt 1869 von Mendeléev, ordnet Elemente nach atomarer Massenzahl und chemischer Ähnlichkeit. Atome - Ergebnisse physikalischer Experimente Experiment Ein Gas in einem Gefäß verhält sich, als ob es aus einer großen Zahl kleinster starrer Kugeln bestünde, die miteinander und mit den Gefäßwänden Stöße ausführen. Bei Wärmezufuhr wächst Volumen. (Deckel hebt sich) Bei stärkerem Rütteln (Energiezufuhr) steigt Volumen. Kinetische Gastheorie Die mittlere Energie der Atome (oder Moleküle) des Gases ist proportional zur (absoluten) Temperatur. Avogadrosche Zahl (oder Loschmidtsche Zahl, weil zuerst von Loschmidt bestimmt) In A Gramm eines Elements der atomaren Massenzahl A (z.B. 1 g Wasserstoff oder 12 g Kohlenstoff) befinden sich NA = 6,022 ⋅ 1023 Atome. Damit hat das Wasserstoff-Atom die Masse mH = 1,673 ⋅ 10-27 kg Brownsche Bewegung Robert Brown, ein schottischer Botaniker, beobachtete 1827 bei der Bobachtung von Pollen in Wasser unter dem Mikroskop, dass sich die Pollenkörner in ständiger unregelmäßiger Bewegung befinden. Robert Brown (1773-1858) Brownsche Bewegung von Milchtröpfchen in Wasser (Videoaufnahme durch Browns Mikroskop) Der Effekt war schon früher beobachtet, aber für eine Eigenschafte der belebten Materie gehalten worden. Browns Mikroskop Brown fand, daß er ebenso bei unbelebten Substanzen, z.B. Steinstaub auftritt. Interpretation: Wassermoleküle stoßen dauernd an das im Mikroskop sichtbare Teilchen und führen so zu dessen Bewegung. Computersimulation http://www.aci.net/kalliste/brown.htm Zellen einer Orchideenart gesehen durch Browns Mikroskop. Der Zellkern, den Brown 1828 entdeckte, ist deutlich sichtbar. Spektralanalyse Bunsen und Kirchhoff 1860 Wenn Elemente stark erhitzt werden (z.B. in der Bunsenflamme, senden sie Licht charakteristischer Farben (Wellenlängen) aus, die als Spektren gemessen werden können. Das Spektroskop von Bunsen und Kirchhoff Gustav Kirchhoff (1824 - 1887) Robert Bunsen (1811 – 1899) Atome - Optische Spektren Bei höherer Auflösung: zwei gelbe Linien Natrium Wasserstoff Helium Neon Rot: Wellenlänge groß Blau: Wellenlänge klein Da Licht eine Wellenerscheinung ist, müssen die Atome bei deren Aussendung irgendwie „schwingen“ (wie eine Gitarrensaite bei der Aussendung von Schallwellen). Atome können keine starren Kugeln sein. Atome - elektrisch neutral und geladen Stromtransport in Flüssigkeiten, Elektrolyse (Faraday 1833) Beim elektrischen Strom in Flüssigkeiten tritt Ladungstransport und Materietransport auf: Die Atome oder Moleküle sind elektrisch geladen. Die kleinste Ladungsmenge ist die Elementarladung: e = 1,602 ⋅ 10-19 Coulomb Geladene Atome heißen Ionen. Sie tragen eine oder mehrere (positive oder negative) Elementarladungen. An den Elektroden (den Metallplatten in der Flüssigkeit, die mit der Spannungsquelle verbunden sind) treten die Atome oder Moleküle ungeladen auf, z.B. als metallisches Kupfer. Experiment zu Gasentladung Zur Pumpe Bei Normaldruck fließt kein Strom. Bei Druckerniedrigung setzt Stromfluß und Leuchterscheinung zwischen den Elektroden ein. Bei weiterer Druckminderung geht das Leuchten zurück. Durch Löcher in den Elektroden treten Kathodenstrahlen und Kanalstrahlen in die äußeren Teilräume ein. Sie bringen das Gas auf ihrem Weg zum Leuchten. Kathodenstrahlen: Elektrisch negativ geladen. Magnetisch leicht ablenkbar. Erzeugen Leuchtfleck auf Glas, von dem auch Röntgenstrahlung ausgeht. (Wurde in ähnlichem Experiment 1896 von Röntgen entdeckt. Kanalstrahlen: Positiv geladen. Nur durch starkes Magnetfeld ablenkbar. Geladene Teilchen in Feldern Kraft Kraft r r Fe auf Teilchen der Ladung Q im elektrischen Feld E r r (Kraft in Richtung des Feldes) rFe = QE r r Fm auf Teilchen mit Geschwindigkeit v im magnetischen Feld B r r r Fm = Qv × B (Kraft senkrecht zur Geschwindigkeit und senkrecht zum Feld) Energiegewinn im elektrischen Feld Wegen der Richtung der Kraft geschieht Übertragung von Energie auf Teilchen nur im elektrischen Feld. Bei Durchlaufen der elektrischen Spannung U gewinnt ein Teilchen mit der Ladung Q die Energie E=QU Beispiel: Für Q = e, U = 1V ist E = 1 eV = 1 Elektronenvolt = 1,602 ⋅ 10-19 Ws 1 MeV = 1 Million Elektronenvolt, 1 GeV = 1 Milliarde Elektronenvolt Entdeckung des Elektrons 1897 stellten Wiechert, Kaufmann und J.J. Thomson unabhängig voneinander durch Vermessung des Einflusses von elektrischen und magnetischen Feldern auf Kathodenstrahlen fest: Kathodenstrahlen bestehen aus Teilchen der Masse 1 me ≈ mH , 2000 wenn man annimmt, daß sie die Ladung -e besitzen. Diese Teilchen erhielten den Namen Elektronen. Ergebnis: Das Atom kann zerlegt werden. Eines seiner Bausteine ist das Elektron. Seine Masse ist nur etwa 1/2000 der Masse des leichtesten Atoms. Kanalstrahlen sind positiv geladene Ionen, d.h. Atome oder Moleküle, denen ein oder mehrere Elektronen fehlen. Thomsons Apparatur m v⊥ R= |e| B Joseph J. Thomson (1856 - 1940) Nobelpreis 1906 Fadenstrahlrohr Elektronenleitung im Metall. Glühemission Freies Elektronengas Kristalle sind ein räumliches Netzwerk (Gitter) aus regelmäßig angeordneten Atomen. In Metallkristallen gibt es Elektronen, die sich wie ein Gas durch das ganze Gitter bewegen können. Sie bewirken den Ladungstransport (elektrischen Strom), scheinbar ohne Transport von Materie. Glühemission Durch Heizung eines Metalldrahtes erhalten Elektronen so viel Energie, daß sie den Draht verlassen können. Man kann sie dann beschleunigen, ablenken usw. Beispiel: Fernsehröhre Ionisation und Anregung von Atomen durch geladene Teilchen sind Grundlage für den Bau von Nachweisgeräten (Teilchendetektoren) Elektronen oder Ionen zerlegen beim Durchlaufen von Materie die Atome in Elektronen und Ionen (Ionisation) oder regen sie zum Leuchten an (Anregung). Das ausgestrahlte Licht kann entweder direkt beobachtet werden (z.B. Leuchtschirm der Fernsehröhre), photographisch registriert oder elektrisch verstärkt und registriert werden. Prinzip eines Zählrohres: Teilchen ionisiert Gas im Zählrohr. Elektronen laufen zum zentralen Draht. In dessen Nähe ist Feld so hoch, daß eine Ionisationslawine einsetzt. Damit bewirkt der Durchgang eines Teilchens, daß sehr viele Elektronen auf den Draht gelangen und dort einen elektrischen Impuls auslösen. Spektrum der Stahlung des „schwarzen Körpers” Ein heißer Körper gibt elektromagnetische Strahlung (z.B. Licht- und Wärmestrahlung) ab. Man wird unabhängig vom Material des Körpers, wenn man die Strahlung aus einer Öffnung eines erhitzten Hohlkörpers (schwarzer Körper) untersucht. Die Energiedichte u im Innern des Hohlraums hängt nur von der Temperatur T und von der Wellenlänge λ bzw. der Frequenz ν = c / λ der Strahlung ab. Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Plancksches Wirkungsquantum. Photon 1900 Planck führt (zur Beschreibung der Strahlung des „schwarzen Körpers“ eine neue Naturkonstante ein, das Plancksche Wirkungsquantum h = 6,626 · 10-34 Js Max Planck (1858 - 1947) Nobelpreis 1918 1905 Einstein stellt die Lichtquantenhypothese auf: Albert Einstein (1879 - 1955) Nobelpreis 1921 Licht der Wellenlänge λ besteht aus Quanten (Photonen) der Ruhmasse m=0 und der Energie E=hν. Dabei ist ν = c / λ die Frequenz des Lichtes und c = 3 · 108 m/s die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Lichtelektrischer Effekt 1916 Millikan bestätigt die Lichtquantenhypothese experimentell durch Präzisionsmessungen zum lichtelektrischen Effekt. Robert A. Millikan (1868 - 1953) Nobelpreis 1923 Bei Bestrahlung einer Metalloberfläche mit Licht der Wellenlänge λ , d.h der Frequenz ν = c / λ , werden aus dem Metall Elektronen der Energie E = hν ausgelöst. Sie bewirken einen Strom, es sei denn es wird eine Gegenspannung angelegt, die größer als Us = hν − W h(ν − ν 0 ) = e e ist. Dabei ist W eine für das Metall charakteristische Konstante. −W Radioaktivität 1896 Becquerel entdeckt die Radioaktivität: Uran-Verbindungen schwärzen die Photoplatte und ionisieren die Luft Antoine H. Becquerel (1852 - 1908) Nobelpreis 1903 Dabei treten drei Arten von Teilchen („Strahlung“) auf: α - Teilchen : Helium-Ionen der Ladung 2e β - Teilchen : Elektronen (Ladung -e) γ - Teilchen : energiereiche Photonen (ungeladen) Nebelkammer 1911 Wilson entwickelt die Nebelkammer. In überhitztem Dampf hinterlassen geladene Teilchen Spuren aus Tröpfchen. C.T.R. Wilson (1869 - 1959) Nobelpreis 1927 Nebelkammerbild der Spuren von α-Teilchen Spezielle Relativitätstheorie 1905 Ausgehend von dem Befund, daß die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in jedem Bezugssystem den gleichen Wert c = 2,998 · 108 ms-1 hat, gibt Einstein die Beziehung E2 = p2 c2 + m2 c4 an. Dabei sind E Energie p Impuls m Ruhmasse eines Teilchens. Für ein ruhendes Teilchen (p = 0) gilt Weitere Einheit der Masse: 1 eV E = m c2 bzw. m = E / c2 / c2 . Masse des Elektrons 0,5 MeV / c2 Energiequelle der Radioaktivität Einstein vermutet, daß diese Energie-Massen-Beziehung das Auftreten energiereicher Teilchen in der Radioaktivität erklärt: Beim Zerfall eines ruhenden Teilchens der Masse M in zwei Teilchen der Massen m1 und m2 wird die Massendifferenz Δ M = M - (m1 + m2) in Bewegungsenergie M Δ E = Δ M c2 der Zerfallsteilchen umgewandelt. m1 α-Teilchen besitzen Energien von ca. 5 MeV (Millionen Elektronenvolt). m2 Atomkern Elektronen tragen negative Ladung und nur ca. 1/2000 der Atommasse. Es lag nahe, anzunehmen, daß Masse und positive Ladung gleichmäßig über das Atom (Durchmesser ca. 10-10 m) verteilt sind. 1911 Rutherford erklärt die Ernest Rutherford (1871 - 1937) Nobelpreis 1908 in seiner Gruppe beobachtete sehr starke Ablenkung von α-Teilchen beim Durchgang durch Goldfolie dadurch, daß die positive Ladung und die Masse in einem sehr kleinen Atomkern konzentriert sind. Bahnen von α-Teilchen bei punktförmigem Kern Bahnen bei ausgedehntem Atomkern Schema eines Streu-Experiments Teilchennachweis energiereiche Teilchen Detektor Target (Materie) Teilchenquellen Teilchendetektoren Radioaktivität Höhenstrahlung Teilchenbeschleuniger Leuchtschirm, Szintillator Zählrohr Nebelkammer, Blasenkammer Photo-Emulsion elektronische Spurenkammer Atom-Modell von Bohr und Sommerfeld 1913 Bohr erklärt das Spektrum des Wasserstoff-Atoms: Niels Bohr (1885 - 1962) Nobelpreis 1922 Das Atom hat einen Kern der Ladung +e. Um ihn kreist ein Elektron der Ladung -e. Es sind nur bestimmte Kreisbahnen „erlaubt“. Sie unterscheiden sich in der Hauptquantenzahl n = 1,2,3,... . Je kleiner n , desto niedriger die Energie. Beim Übergang zwischen zwei Bahnen wird ein Lichtquant mit der Differenzenergie emittiert oder absorbiert. 1916 Sommerfeld erweitert das Modell. Er „erlaubt“ auch verschiedene Ellipsenbahnen, die sich (bei gleichem n) durch die Drehimpuls-Quantenzahlen l und m unterscheiden. Der Bahndrehimpuls des Elektrons hat den Betrag L = l h, l = 1,2,K, n. h = h / 2π ist die kleinste Einheit des Drehimpulses. Die Quantenzahl m (= −l, − l + 1, K , l) gibt die Orientierung der Bahn im Raum an. Ellipsenbahnen aus Sommerfelds Lehrbuch Atombau und Spektrallinien Spin 1925 Goudsmit und Uhlenbeck erklären die „Feinstruktur“ der Spektren (z. B. die Aufspaltung der gelben Natriumlinie) dadurch, daß sie dem Elektron nicht nur einen Bahndrehimpuls, sondern auch einen Eigendrehimpuls oder Spin zuordnen. (Die Erde dreht sich auf ihrer Bahn um die Sonne. Zusätzlich dreht sie sich um sich selbst.) Der Betrag des Elektronenspins ist S= 1 h 2 Er kann zwei Orientierungen haben, die durch ms = ± 1 2 gekennzeichnet werden. Erklärung des Periodensystems. Pauli-Prinzip 1913 Bohr: Die Ordnungszahl Z eines Elements (ZH = 1, ZHe = 2, ZLi = 3, ZBe = 4, ...) ist gleich der Zahl der Elektronen und gleich der Zahl der positiven Elementarladungen im Kern. 1925 Pauli: Es darf im Atom nicht zwei Elektronen geben, die in allen 4 Quantenzahlen n, l, m, ms übereinstimmen. Wolfgang Pauli (1900 - 1958) Nobelpreis 1945 z Schale niedrigster Energie n = 1, l = 0, m = 0. kann maximal 2 Elektronen (ms = 12 , ms = − 12 ) aufnehmen. H hat 1 Elektron. He hat 2. Nach He beginnt neue Zeile des Periodensystems mit Li. z Schale mit n = 2 kann maximal 8 Elektronen aufnehmen. Zweite Zeile hat 8 Elemente usw. Isotope um 1920 J.J. Thomson und insbesondere sein Schüler Aston bestimmen die Massen von Kanalstrahlen (also positiven Ionen) und damit praktisch die Massen von Atomkernen durch deren Ablenkung im elektrischen und magnetischen Feld. F. W. Aston (1877 - 1945) Nobelpreis 1922 Ergebnis: Alle Kerne eines Elements haben zwar die gleiche Kernladungszahl Z. Dabei gibt es gibt Kerne zu gleichem Z aber verschiedener atomarer Massenzahl A (Isotope). Beispiele: Uran (Z = 92): Isotope (neben anderen) mit A = 235, 238 Wasserstoff (Z = 1): A = 1 (leichter, gewöhnlicher) Wasserstoff A = 2 schwerer Wasserstoff (Deuterium) A = 3 Tritium Annahme: Kern besteht aus A Protonen (Kerne des gewöhnlichen Wasserstoffs, Masse mH, Ladung +e) und A - Z Elektronen, hat dann Ladung Q = Ae + (A - Z)(-e) = Ze. Zwischenbilanz 1925 Es gibt Es gibt drei Teilchen e Elektron p Proton γ Photon (Lichtquant) zwei Kräfte z Schwerkraft z Elektromagnetische Kraft (hält Atome zusammen, verantwortlich für alle Erscheinungen der Chemie) Offene Fragen: z Es gibt keine befriedigende Theorie („Quantenregeln“ über „erlaubte“ Bahnen sind nur Notlösung.) Antwort (noch 1925) : Quantentmechanik z Welche Kräfte wirken im Atomkern? (Elektrische Kräfte allein würden ihn platzen lassen.) Antwort (später) : Es gibt zwei weitere Kräfte. Quantenmechanik ersetzt Newtonsche Mechanik im atomaren Bereich Matrizenmechanik Wellenmechanik 1925 Heisenberg kann die Newtonsche Gleichung formal beibehalten, wenn er die in ihr vorkommenden Größen Ort und ImWerner Heisenberg Erwin Schrödinger puls „umdeutet“. (Sie (1901 - 1976) (1887 - 1961) werden Matrizen.) Nobelpreis 1932 Nobelpreis 1933 1926 Schrödinger ersetzt Newtonsche Gleichung durch eine Wellengleichung (SchrödingerGleichung). z Die beiden Theorien erscheinen als ganz verschieden, sind aber mathematisch völlig gleichwertig. Sie kommen ohne künstliche Quantenbedingungen aus. z In beiden tritt als zentrale Größe das Plancksche Wirkungsquantum h auf. z Die herkömmliche Vorstellung von Ort und Impuls muß erweitert werden (Heisenbergsche Unschärfebeziehung). Neutron 1932 Chadwick beobachtet ein neutrales Teilchen, das Neutron n , das beim Beschuß von Beryllium mit α-Teilchen gebildet wird, α (A=4, Z=2) + Be (A=9, Z=4) = C (A=6, Z=6) + n James Chadwick (1891 - 1974) Nobelpreis 1935 Nachweis: Vor Stoß: Proton ruht n + p Nach Stoß: Neutron ruht (beinahe) p + n Die unbekannten Teilchen werden in einem gasgefüllten Zählrohr untersucht. Enthält es Wasserstoff, so entstehen hohe Signale. Die neutralen Teilchen haben offenbar etwa die Masse der WasserstoffKerne (Protonen), stoßen sie an und diese ionisieren das Gas und lösen ein Signal im Zählrohr aus. Bei zentralem Stoß kann ein Neutron fast seine ganze Energie auf ein Proton übertragen, weil beide Teilchen fast die gleiche Masse haben. Zusammenfassung Noch heute gültiges Modell der Atome: Ein Atom eines Elements der Ordnungszahl Z (im Periodensystem) und der Massenzahl A besteht aus • einem Atomkern mit Z Protonen und N = A – Z Neutronen • und einer Atomhülle aus Z Elektronen. Der Aufbau der Atomhülle wird durch die Quantenmechanik beschrieben. Dabei wirkt auf jedes Elektron die elektromagnetische Kraft der Protonen des Kerns und der andren Hüllenelektronen. Die Anordnung der einzelnen Elemente im Periodensystem folgt aus dem Aufbau der Atomhüllen der Elemente. Da diese unabhängig von der Zahl der Neutronen ist , kann ein Element aus verschiedenen Atomsorten (Isotopen) mit verschiedenen Neutronenzahlen N bzw. Massenzahlen A bestehen. Entwicklung 1932 - 2001 Im Vortrag wurde die Entwicklung der Atomphysik bis zum Jahr 1932 skizziert. Die Erforschung der Atomhülle war zu diesem Zeitpunkt im wesentlichen abgeschlossen. Die Erforschung des Atomkerns und seiner Bestandteile dauert bis heute an (Kernphysik, Elementarteilchenphysik). Das Elektron ist ein Elementarteilchen im heutigen Sprachgebrauch. Es gehört zur Familie der Leptonen, in der es insgesamt 6 Teilchen und 6 Antiteilchen gibt. Die Teilchenfamilie der Quarks umfaßt ebenfalls 6 Teilchen und 6 Antiteilchen. (Proton und Neutron sind aus jeweils drei Quarks aufgebaut. Neben Proton und Neutron gibt es viele weitere Hadronen, die ebenfalls aus Quarks aufgebaut sind.) Die Leptonen und die Quarks gemeinsam werden als fundamentale Fermionen bezeichnet. Durch den Austausch von Eichbosonen üben diese Fermionen Kräfte aufeinander aus. Es gibt drei gundsätzlich verschiedene Kräfte: • starke Kraft (hält Quarks im Proton zusammen), • elektroschwache Kraft (hält Elektronenhülle in der Nähe des Kerns), • Schwerkraft ( hält Erde in der Nähe der Sonne). Fundamentale Teilchen 2001 Es gibt 3 Kräfte Kraft Austauschteilchen (Eichbosonen) elektroschwach stark (Schwerkraft) γ, Z0, W+, Wg Graviton? 6 Leptonen (in drei Generationen) ⎛ e− ⎞ ⎜ ⎟, ⎜ν ⎟ ⎝ e⎠ ⎛μ− ⎞ ⎜ ⎟, ⎜ν ⎟ ⎝ μ⎠ ⎛τ − ⎞ ⎜ ⎟ ⎜ν ⎟ ⎝ τ⎠ + Antiteilchen 6 Quarks (in drei Generationen) ⎛u ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ , ⎝d ⎠ ⎛c⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ , ⎝s⎠ Offene Fragen: z Warum 3 Generationen (Substruktur, Strings)? z Wie erklären sich die Massen der Teilchen? (Higgs?) z Haben die Neutrinos Masse? z Gibt es eine Quantentheorie der Schwerkraft? z Gibt es eine einheitliche Theorie aller Kräfte? Es gibt noch viel zu tun! ⎛t ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎝b⎠ + Antiteilchen Internet-Links zum Vortrag • Universität Siegen http://www.uni-siegen.de • Fachbereich Physik http://www.physik.uni-siegen.de • S. Brandt http://alephwww.physik.uni-siegen.de/~brandt/ (dort auch Vortrag über Entdeckung der Elementarteilchen) • Nobelpreisträger http://www.nobel.se