1 Rekursionen 1./2. Ordnung mit konstanten Koe zienten

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1 Rekursionen 1./2. Ordnung mit konstanten Koezienten
1.1 Denition
Bisher haben wir zwei mathematische Modelle kennengelernt, die durch folgende Gleichungen gegeben waren
1.
Xt+1 = (1 + r)Xt
(Bakterienwachstum)
2.
Xt+1 = Xt + Xt−1
(Fibonacci-Folge)
Die erste Gleichung nennen wir eine Rekursion erster Ordnung, da zur Berechnung der
1)-ten
Generation nur die Zustände der
t-ten
Xt+1 = f (Xt )
Im oben genannten Beispiel:
(t+
Generation benötigt werden. Allgemein:
(t ∈ N0 )
f (Xt ) = (1 + r)Xt
mit
r>0
Analog dazu bezeichnen wir die zweite Gleichung als Rekursion zweiter Ordnung, da die
Zustände zweier vorheriger Generationen benötigt werden. Allgemein:
Xt+1 = f (Xt , Xt−1 )
Im Falle der Fibonacci-Folge:
(t ∈ N0 )
f (Xt , Xt−1 ) = Xt + Xt−1 .
1.2 Die Rekursion Xt+1 = aXt + b
Wir betrachten nun die Rekursion
Xt+1 = aXt + b
für beliebige
a, b ∈ R.
(1.1)
Unser Ziel ist es, eine explizite Formel für
Inspiration bestimmen wir die ersten Folgeglieder:
X1 = aX0 + b
X2 = aX1 + b = a(aX0 + b) + b
= a2 X0 + (a + 1)b
X3 = aX2 + b = a a2 X0 + (a + 1)b + b
= a3 X0 + (a2 + a + 1)b
1
Xt
herzuleiten. Zur
Vermutung: Die Formel lautet
Xt = at X0 + (at−1 + . . . + a + 1) · b
= at X0 +
t−1
X
i=0
ai · b
Beweis: (durch vollständige Induktion)
t = 1!
Induktionsanfang: Zeige die Behauptung für
a X0 +
1
0
X
i=0
die linke Seite
X1 = aX0 + b,
Die rechte Seite lautet
ai · b = aX0 + b ,
da die Rekursionsgleichung erfüllt ist. Rechte und linke
Seite der Formel stimmen also für
t = 1 überein und der Induktionsanfang ist erledigt.
Induktionsschritt: Wir nehmen nun an, die Aussage sei für ein
t ∈ N gezeigt. Dann gilt:
Xt+1 = aXt + b
t−1
X
= a · at X0 +
= at+1 X0 +
= at+1 X0 +
i=0
t−1
X
i=0
t
X
i=1
= at+1 X0 +
t
X
i=0
Folglich beachte
t = (t + 1) − 1
ai · b + b
ai+1 · b + b
ai · b + a0 · b
ai · b
gilt die Behauptung für
t + 1,
was zu zeigen war.
Wir erhalten zusammen mit dem Resultat von Übungsblatt 2 die Formel:
Xt = at X0 +
t−1
X
i=0
ai · b
(
= a X0 + b ·
t
2
1−at
1−a
t
(1.2)
, a 6= 1
,a = 1
1.3 Die Rekursion Xt+1 = a1 Xt + a2 Xt−1
Die angesprochene Rekursion 2.Ordnung ist eine Verallgemeinerung der im FibonacciModell auftretenden Gleichung. Dort waren wir mit dem Ansatz
t
nachdem wir die λ1 und
λt2 linear zu einer Lösung
aλt1
+
Xt = λt
erfolgreich,
bλt2 kombiniert haben. Wir
werden nun in einem mathematisch strikten Sinne beweisen, dass alle Lösungen solcher
Rekursionen dieser Form sind:
Satz 1.1.
Seien
λ1 6= λ2
reelle Nullstellen des Polynoms
sind alle Lösungen der Rekursion
Xt+1 = a1 Xt + a2 Xt−1
P (x) = x2 − a1 x − a2 .
Dann
gegeben durch
Xt = c1 λt1 + c2 λt2
für reelle Zahlen
c1 , c2 .
Beweis:
Zunächst ist nachzuweisen, dass alle Folgen
(Xt ) der obigen Form Lösungen die Rekursion
erfüllen. Später müssen wir zeigen, dass alle Lösungen dieser Form sind
dies ist nicht
selbstverständlich!
Beweis der ersten Behauptung: Seien
c1 , c2 ∈ R
beliebig. Dann gilt:
+ c2 λt+1
Xt+1 = c1 λt+1
2
1
· λ22
· λ21 + c2 λt−1
= c1 λt−1
2
1
· (a1 λ2 + a2 )
· (a1 λ1 + a2 ) + c2 λt−1
= c1 λt−1
2
1
+ c2 λt−1
= a1 · c1 λt1 + c2 λt2 + a2 · c1 λt−1
2
1
(λ1 , λ2
Nullstellen)
= a1 Xt + a2 Xt−1
Somit ist die erste Behauptung gezeigt.
Beweis der zweiten Behauptung: Sei
Xt
eine Lösung der Rekursionsgleichung. Wir de-
nieren
Yt := Xt − (c1 λt1 + c2 λt2 )
mit
c1 , c2
so, dass
Y0 = 0
und
Y1 = 0
(1.3)
1
gilt . Dann folgt wie oben, dass
Yt
die Rekursions-
gleichung
Yt+1 = a1 Yt + a2 Yt−1
erfüllt und ein Induktionsbeweis zeigt unter Verwendung von
Yt = 0
für alle
t ∈ N,
Y0 = Y1 = 0
sprich
(1.3)
Xt = Yt + c1 λt1 + c2 λt2 = c1 λt1 + c2 λt2
1
Dass dies immer zu erreichen ist, liefert eine Übungsaufgabe von Übungsblatt 2
3
die Aussage
Frage:
Wie sieht es in den Fällen aus, wo das Polynom zweiten Grades
P
nur eine
Nullstelle oder überhaupt keine besitzt?
Die Nullstellen des Polynoms
gegeben durch
P (x) = x2 − a1 x − a2 x
λ1,2 =
Den Fall genau einer Nullstelle, also
Der Fall
(a1
)2
+ 4a2 < 0
a1 ±
sind nach der Mitternachtsformel
p
(a1 )2 + 4a2
2
(a1 )2 + 4a2 = 0,
lösen wir auf dem Übungsblatt.
würde uns hingegen wieder zwei Nullstellen liefern, wenn
wir der Wurzel einer negativen Zahl einen Sinn zuordnen können. Dies liefern uns die
sogenannten komplexen Zahlen.
1.3.1 Komplexe Zahlen
Die komplexen Zahlen
a + ib
mit
a, b ∈ R
wurden bereits im 16. Jahrhundert von Ma-
thematikern zur Lösung polynomieller Gleichungen verwendet.
i
ist
vage formuliert
etwas, was im Quadrat -1 ergibt. Aus mathematischer Sicht ist dies allerdings zu
unpräzise, sodass die tatsächliche Denition hier nicht verheimlicht werden soll.
Denition 1.2.
schreiben
Eine komplexe Zahl
z = a + ib.
Die komplexe Zahl
i
z
ist ein Paar
(a, b)
a, b ∈ R,
mit C.
reeller Zahlen
Die Menge der komplexen Zahlen bezeichnet man
ist also in Wirklichkeit das Zahlenpaar
wir
(0, 1) und wir müssen nur
i2 = −1 sowie die übrigen
noch Addition und Multiplikation so denieren, dass tatsächlich
Rechengesetze Assoziativgesetz, Kommutativgesetz und Distributivgesetz gelten. Dies
wird gewährleistet durch:
Addition:
Multiplikation:
Die Beziehung
i2 = −1
(a1 + ib1 ) + (a2 + ib2 ) := (a1 + a2 ) + i(b1 + b2 )
(a1 + ib1 ) · (a2 + ib2 ) := (a1 a2 − b1 b2 ) + i(a1 b2 + b1 a2 )
ergibt sich dann formal aus
i2 = (0 + i · 1) · (0 + i · 1) = (0 · 0 − 1 · 1) + i(0 · 1 + 1 · 0) = −1
Man visualisiert die komplexen Zahlen durch Erweiterung der Zahlengerade zu einer
Zahlenebene:
4
2
1 + 2i
3+i
1
−3
−2
1
−1
−1
−2 − 1.5i
2
3
−2
Abbildung 1: komplexe Zahlenebene
1.3.2 Der Fall komplexer Nullstellen
Satz 1.3.
Seien
λ1 6= λ2 ∈ C
alle Lösungen der Rekursion
Nullstellen des Polynoms
Xt+1 = a1 Xt + a2 Xt−1
P (x) = x2 − a1 x − a2 .
Dann sind
gegeben durch
Xt = c1 λt1 + c2 λt2
für komplexe Zahlen
c1 , c2 ∈ C.
Der Beweis dieses Satzes verläuft vollkommen analog zum Beweis von Satz 1.1.
1.4 Übung
Lösen Sie die folgenden Gleichungen mit Hilfe der Mitternachtsformel in den komplexen
Zahlen:
i)
x2 = −1
ii)
x2 = −10
iii)
x2 + x + 1 = 0
Bestimmen Sie alle Lösungen der Rekursion
Xt+1 = −Xt − Xt−1
Lösung:
√
1
3
i) x = ±i
iii) x = − ±
i
2
2
2
Zur Lösung der Rekursion sind die Nullstellen des Polynoms P (x) = x −(−1)x−(−1) =
x2 +x+1 zu bestimmen, was wir bereits getan haben. Nach Satz 1.3 lautet die allgemeine
√
ii) x = ± 10i
Lösung
für
c1 , c2 ∈ C
√
√
1
3 t
1
3 t
Xt = c1 · − +
i + c2 · − −
i
2
2
2
2
beliebig.
5
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