Köstlichkeiten aus aller Welt 100 russische Gerichte

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Köstlichkeiten aus aller Welt
100 russische Gerichte
von
Wolfgang Schriek
Hayit Medien, Köln
O, Wunderland! Nicht nur das Klima, sondern auch die Mägen vollbringen in Russland
Wunder! O, Du sonderbares Land, Du wunderbares Land!
Anton Tschechow
(Aus der Erzählung Der dumme Franzose, 1886)
Mit großem ideellen und/oder praktischen Einsatz, mit guten Tipps und Hinweisen haben
folgende „Russiche-Küche-Fans“ mitgeholfen:
Tamara Danilenko, Ute Fiedler, Bert-Christoph Gerhards & Regina Junga-Gerhards,
Wladimir Lindenberg-Tschelitschschew, Uta Mai, Lieselotte Schriek, Sonja Titz, Marianne
Wiebe, Jürgen Wonde und Angela Martini-Wonde
Impressum
100 russische Gerichte, 2. überarbeitete Auflage
Köln, Hayit Medien, 2012
ISBN Print: 978-3-87322-174-1
ISBN PDF: 978-3-87322-175-8
ISBN ePub: 978-3-87322-176-5
ISBN mobi: 978-3-87322-177-2
© Copyright 1991/2012, Mundo Marketing GmbH, Köln
Autor: Wolfgang Schriek
Alle Rechte vorbehalten All rights reserved
Coverbild: © victoria p. - Fotolia.com
www.hayit.de
www.koestlichkeiten.de
2
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
4
Essen und Trinken in Russland
6
Typische Zutaten und Gewürze
11
Rezepte
Vorspeisen
14
Suppen
25
Fleisch- und Geflügelgerichte
34
Fischgerichte
48
Eier- und Quarkspeisen, Brei
53
Gemüsegerichte
57
Teiggerichte
62
Desserts, Nachspeisen, Kuchen, Gebäck und eingekochte Früchte 71
Getränke
80
3
Vorwort
Die wenigsten von uns werden es erlebt haben: die Fröhlichkeit, Geselligkeit,
Gastfreundschaft, die Fähigkeit zu genießen und das Traditionsbewusstsein bei Russen mit
Russen an einem reich gedeckten russischen Küchentisch. Die Küche ist räumlich gesehen
der zentrale Kommunikationsort einer Familie schlechthin: bei uns genauso wie in Russland
oder in anderen Ländern. „Die Menschenzirkulation der Moskauer Küche", so schreibt der
Publizist Karl Schlögel, „absorbiert all das, was bei uns in Cafés, Kneipen, Wohnzimmern,
salonähnlichen Gebilden, Treffs usw. kanalisiert ist. Es sind Relaisstationen des
Informationsflusses, eine Art lebende Zeitungen, es sind Orte, an denen sich die Not des
dilettierenden Gesprächs über Gott und die Welt verbindet. Die Küchen sind die zentralen
Orte der Öffentlichkeit." Bei Essen und Trinken wurden früher und werden heute
ausländische Gäste hofiert, wurden Verträge und Freundschaften geschlossen. „Du kennst
einen Menschen erst, wenn du mit ihm einen Zentner Salz gegessen hast", heißt es in
einem russischen Sprichwort. Brot und Salz als elementare „Lebens- und Überlebensmittel"
spielten bei den Russen, wie auch bei anderen Völkern, eine entscheidende Rolle der
Gastfreundschaft und Wertschätzung. Mit Brot und Salz empfängt man bei offiziellen
Anlässen auch heute noch Gäste in Russland. Sigmund von Herberstein, ein Zeitgenosse
Martin Luthers und Diplomat unter Maximilian I. und Karl V., schrieb im 15. Jahrhundert
über dieses Ritual: „Der Sinn dabei ist, dass der Fürst durch das Brot von seinem Tisch
seine Gnade zeigt; schickt er aber Salz, bedeutet es seine Liebe, und es soll die größte
Ehrung sein, wenn er Salz schickt."
Gegessen und getrunken hat man in Russland immer gern und ausgiebig. Früher wie heute.
Selbst in Zeiten der größten Not haben Russen aus wenigem ein üppiges Mahl „gezaubert"
und damit ihre Gäste „verzaubert". Üppig ist wortwörtlich zu verstehen: die traditionelle
russische Küche ist gehaltvoll und nicht gerade kalorienarm – das verraten viele der
Rezepte in diesem Buch. Die Mehrzahl der vorliegenden Rezepte sind „typisch russisch",
z.B. Schtschi, Soljanka, Bœuf Stroganow, Bliny, Piroschki etc., andere finden sich in
variierter Form auch auf den Speisekarten anderer Länder wieder. Die russische Küche ist
seit dem 18. Jahrhundert, dem petrinischen Zeitalter, in dem Russland seine erste radikale
Perestroika erlebte, von der westlichen, vor allem der französischen Küche nachhaltig
beeinflusst worden.
Die Vielfalt der traditionellen russischen Küche ist vielen bei uns gar nicht bekannt. Von
dieser Vielfalt zeugen etliche in Russland verfasste Kochbücher, die aufgrund ihrer
niedrigen Auflagen und großen Popularität für den Durchschnittsrussen in der Regel rasch
vergriffen waren. Wie viele Lebensmittel und andere Konsumgüter zählten auch
Kochbücher zu den sogenannten „defizitnye towary", den Defizitwaren. In einem
vorrevolutionären russischen Kochbuch aus dem letzten Jahrhundert sind immerhin 1645
Gerichte beschrieben; ein 1955 erschienenes Kochbuch, „Kulinarija" auf russisch umfasst
mehr als 3000 Rezepte. Im alten Russland wurde am Zarenhof und beim Adel reichhaltig
und vornehm gespeist, während das einfache Volk bescheidene, aber nicht weniger
nahrhafte und schmackhafte Speisen zubereitete. Dabei spielte der legendäre
Universalofen in der Isba, dem russischen Holzhaus, eine zentrale Rolle: Er war Back- und
Heizofen zugleich; auf ihm schlief man, ihn benutzte man auch als Mini-Sauna. Nach 1917
legte man im neu geschaffenen Einheitsstaat wenig Wert auf die Pflege der traditionellen
Kochkunst; sie, die „bourgeoise" Küche, geriet aus ideologischen Gründen und primär
wirtschaftlichen Sorgen in Vergessenheit und wurde in erster Linie von russischen
Emigranten im westlichen Ausland gepflegt. Erst in den letzten Jahren begann in Russland
der Prozess einer kulinarischen Perestroika und Essrenaissance auf breiter Ebene; in
neuen, kooperativen Restaurants in den russischen Metropolen werden alte, traditionelle
Speisen neu entdeckt und aufgetischt. Und das – leider – für hohe Preise, die ein russischer
Durchschnittsverdiener kaum bezahlen kann.
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Die alte, traditionelle russische Küche lebt wieder. Sie, die bei uns nahezu unbekannte,
braucht sich vor der anderer Völker nicht zu verstecken. Dieses Rezeptbüchlein, das sich
auf Typisches und Wesentliches beschränkt, soll Anregungen geben. Es ist, wenn man so
will, eine kleine kulinarische Brücke zwischen Ost und West. Denn die Annäherung von
zwei unterschiedlichen Welten beschreitet den unmittelbaren Weg über den Magen und die
Sinne. Von der Weisheit, dass Speise und Trank verbinden, wusste auch der Verfasser des
Domostroi, des Sittenkodex und der Haushaltsenzyklopädie Russlands aus dem 16.
Jahrhundert, zu berichten: „Außerdem sollst du deinem Gegner zu trinken vorsetzen und ihn
mit Brot und Salz bewirten, so wird aus der Feindschaft Freundschaft." Ein Abend mit
russischen Gerichten und Getränken wird aus der alltäglichen Fast-food-Tristesse
hinwegtrösten. Wie wär's z.B. mit einer köstlichen Soljanka oder sibirischen Pelmeni, mit
Kaviar-Blinis oder einer einfachen Buchweizen-Kascha, mit einer Charlottka oder einer
Paßcha und einem Kulitsch? Mit Kwas, Wodka und Sbitjen? Und dazu einem
entsprechenden Ambiente mit russischer Musik, russischer Literatur oder Russlandbildern?
Der Phantasie der Gastgeber und Köche sind natürlich keine Grenzen gesetzt.
Ich wünsche Ihnen beim Planen, Zubereiten und Servieren russischer Köstlichkeiten – und
natürlich beim Dinieren – viel Freude, Geselligkeit und prijatnawa appetita, einen guten
Appetit!
Wolfgang Schriek
Hinweise und Bemerkungen
1. Die traditionelle russische Küche ist prinzipiell eine sehr kalorienreiche. Der Benutzer
dieses Buches ist gut damit beraten, ggf. an Fett zu sparen.
2. Russen braten Fleisch mit Vorliebe ganz durch.
3. Alle Angaben zu Zubereitungs- und Garzeit sind ungefähre Angaben, die auf eigenen
Erfahrungen beruhen. Sie sind relativ und nicht absolut zu betrachten.
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Essen und Trinken in Russland
„Lass mich in deinen Suppentopf gucken, dann weiß ich, wer du bist", heißt ein altes
russisches Sprichwort. In die Kochtöpfe der russischen Küche schauen wir bei uns im
Westen leider viel zu wenig, um feststellen zu können, dass sie Gutes und Schmackhaftes
bietet. „Charaktereigenschaften und Mentalität einer Nation", so schrieb der russische
Schriftsteller und Hobbykoch Jurij Korinetz (1982), „hängen nicht nur von den kulinarischen
Verhältnissen ab; anderes Essen bringt andere Sitten mit sich und damit auch eine andere
Sicht der Dinge."
Die russische Küche ist aufgrund der klimatischen und natürlichen Bedingungen traditionell
eine Suppen- und Fischküche und zeichnete sich in alter Zeit vor allem beim einfachen
Russen durch Schlichtheit, ja Einförmigkeit aus. Aber auch durch Schmackhaftigkeit. Zu
allen Gerichten verwendeten die Russen damals kräftige Gewürze wie Zwiebeln, Salz,
Pfeffer, Knoblauch, Safran u.ä. Dabei spielte der große russische Petsch, der Ofen, eine
zentrale Rolle in jedem Haus. In der Isba, dem russischen Holzhaus, nahm er den
Mittelpunkt ein: er war nicht nur Backofen, sondern auch Wärmespender und Trockner, auf
dem man nasse Kleidung und Gemüse trocknete; ferner war er Schlafstätte und diente
gleichzeitig auch als Sauna; ja selbst beim Bierbrauen tat er gute Dienste.
Der Brei Kascha stand in jeder Kate ebenso auf dem Tisch wie die traditionelle Suppe
Schtschi mit Sauerkraut, diversen Gemüsearten, Fisch oder Fleisch. Kascha hat eine sehr
weit zurückreichende Tradition unter den russischen Speisen. Sie wird mit Vorliebe aus
Buchweizen hergestellt. Früher war sie bei Hof und beim einfachen Volk gleichermaßen
beliebt; sie fehlte bei keinem Fest. Buchweizengrütze wurde besonders am Vorabend vor
Weihnachten und Neujahr zubereitet. Dabei sprach man folgende Sätze: „Wir säten, wir
zogen den Buchweizen den ganzen Sommer lang auf; schön gewachsen ist unser
Buchweizen, großkörnig und gut von Farbe. Wir riefen den Buchweizen, in Zargrad zu sein,
teilzunehmen am Fürstenmahl. Da fuhr der Buchweizen nach Zargrad mit dem Fürsten, den
Bojaren, mit dem ehrsamen Hafer, mit der goldenen Gerste; wir warteten auf den
Buchweizen, wir erwarteten ihn an der steinernen Pforte, entgegen gingen dem Buchweizen
die Fürsten und Bojaren, sie setzten den Buchweizen an einen eichenen Tisch, ein Fest zu
feiern, der Buchweizen kam zu uns als Gast."
Neben Kascha und Schtschi gehörten Piroschki, d.h. mit Fleisch oder Quark gefüllte
Blätterteigtaschen, sowie Bliny, die dünnen Pfannkuchen, die die heidnischen Slawen als
Symbol für die Sonne zum Frühlingsanfang zubereiteten, zu den traditionellsten Speisen.
Der Brauch hielt sich bis in die christliche Zeit: Während der Masljaniza, der „Butterwoche",
einer Art Karnevalswoche, in der der eisige Winter „ausgetrieben" wurde, wurde der Frühling
mit Blinys begrüßt. Während der „Butterwoche", die die siebenwöchige vorösterliche
Fastenzeit einleitete, durfte kein Fleisch gegessen werden. In der Fastenzeit verzichteten
Strenggläubige auch auf Eier, Käse, Butter, manche sogar auf Zucker. Daher verzehrte man
in der „Butterwoche" die aus Buchweizenmehl gebackenen Bliny, die mit Butter, Lachs,
Hering, Kaviar, saurer Sahne oder süßen Aufstrichen gereicht wurden. Die Frühlingswoche
begann man früher übrigens mit dem sogenannten Elternsamstag, an dem man auf dem
Friedhof der Verstorbenen mit Essen und Trinken gedachte; die ersten gebackenen Blinys
gab man zum Gedenken an die Toten den Bettlern und Mönchen.
Bis heute ist es Tradition, vor dem eigentlichen Hauptgericht Sakuski, d.h. Vorspeisen und
„kleine Happen" zu reichen, zu denen Salziges, Mariniertes, Eingelegtes, Geräuchertes,
Öliges, Fettes gehörte: Fisch, Fleisch und Gemüse sowie Brot, Salz und der obligatorische
Wodka fehlen auf keiner Vorspeisentafel. Zu den nichtalkoholischen Getränken gehörten
Tee, Kwas, ein aus Hefe und gegorenem Schwarzbrot hergestelltes Erfrischungsgetränk,
das heute in Russland in großen gelben Tanks auf der Straße feilgeboten wird, sowie
Sbitjen, ein heißes Honiggetränk, das vorzugsweise im Winter getrunken wurde und heute in
Russland weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Die russische Küche blickt auf eine lange
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Tradition zurück. Die Wikinger, die von Skandinavien her den Dnepr herunterzogen, machten
die Ostslawen mit den heute noch beliebten üppigen Sahnesoßen und mit süßem Gebäck
bekannt. Die Mongolen, die von 1240 bis 1480 das Russische Reich beherrschten, zeigten
den Russen nicht nur, wie man Schnaps brennt, sondern auch, wie man Quarkgerichte
herstellt, wie man Joghurt zubereitet, wie man mit Tee und dem Samowar umgeht und wie
man Kohl in Salzlösungen konserviert. Iwan der Schreckliche (1533-1584) bemühte sich,
den Russen Tischsitten beizubringen; doch, so heißt es, blieb der Adel von seinen
reformerischen Bestrebungen unbeeindruckt; man aß nach wie vor ohne Messer und Gabel
und rülpste und spuckte auch weiterhin. Im 18. Jahrhundert reformierte Peter der Große
(1682-1725) in einer entscheidenden Perestroika nicht nur das politische und kulturelle
Leben nach westlichem Muster, sondern auch die kulinarischen Gewohnheiten in seinem
Land: er führte nicht nur die Sitte des Kaffeetrinkens in Russland ein, sondern auch Rezepte
von westlichen Fleischgerichten. Aus dieser Zeit stammen auch die „russischen" Begriffe
„bifschtek", „kotlet" und „schnitzel", mit denen man heute in Russland in erster Linie
Hackfleischgerichte meint. Während der Regierungszeit von Katharina der Großen (17621792) erreichte das ausschweifende kulinarische Leben in Russland seinen Höhepunkt.
Nach und nach bereicherten in den folgenden Jahrhunderten französische und englische
Gouvernanten, deutsche Generäle und Hauslehrer aus den baltischen Staaten, Schweizer
Köche und kaukasische Händler die russischen Rezeptsammlungen mit ihren heimatlichen
Gerichten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde von den Köchen des Grafen Alexander
Stroganow (1795-1891) ein geschnetzeltes Kalbfleischgericht für Arme und Hungernde
kreiert, das berühmte Bœuf Stroganow. Böse Zungen schreiben die Entstehung dieses
weltweit bekannten Gerichts der Zahnlosigkeit des Grafen zu, der kein gewöhnliches
Beefsteak mehr kauen konnte. Nach 1917 brachte das Land der russischen Küche nur wenig
Interesse entgegen; der gute kulinarische Ruf der traditionellen russischen Küche geriet fast
70 Jahre lang in Vergessenheit. Erst allmählich, nach einer zunehmenden Rückbesinnung
auf alte Werte unter Gorbatschows Perestroika-Politik, besinnte man sich wieder auf die
klassische russische Küche.
Nach der Einführung des christlichen Glaubens byzantinischer Prägung im alten Russland im
Jahre 988 bestimmte ein umfangreicher Kirchenkalender mit Fast- und Festtagen die Küche
der Russen. Fleischlose Gerichte waren vor allem zu den Fastenzeiten vorgeschrieben. Im
Domostroi, dem Sittenkodex und der Haushaltsenzyklopädie des 16. Jahrhunderts, heißt es:
„Des Sonntags, Mittwochs und Freitags, an den Feiertagen des Herrn, zu den Großen
Fasten und an den Gottesmutterfesten lebet in Reinheit, im Fasten und im Gebet, in der
Buße und in allen Tugenden." Die großen kirchlichen Feiertage, vor allem Ostern und
Weihnachten, beging man im alten Russland mit üppigen Gerichten: Sakuski in Hülle und
Fülle, Kaviar, diverse Suppen, Zander und andere Fischkostbarkeiten, Spanferkel,
Wildbraten, Bœuf Stroganow etc. Zu Ostern wurde nach den Nachtgottesdiensten ausgiebig
geschlemmt. Der russische Schriftsteller Iwan Schmeljow (1873-1950) schreibt über die
kulinarischen Festlichkeiten in seinem Buch „Das Jahr des Herrn" (dt.: Wanja im Heiligen
Moskau): „Ostern! ... Sechs Tage lang wird jetzt gefeiert, und wir werden wieder Fleisch
essen wie gestern; es wird Kulitsch und Paßcha geben, und wir werden noch lange speisen
– sechs Tage lang, jeden Morgen." Die Paßcha, die pyramidenförmige Quarkspeise mit
unzähligen Eiern und kandierten Früchten, wurde mit den Buchstaben XB für „Christos
woskresse!", „Christus ist auferstanden!" verziert. Sie wurde zusammen mit einem weiteren
„Kalorienbomber", dem Kulitsch, einem zylindrischen Hefekuchen mit Rosinen, Mandeln,
Safran, Nüssen und anderen würzigen Zutaten kredenzt. Natürlich gab es zu Ostern auch
bemalte Eier und Wodka.
Wodka – das heißt auf Deutsch „Wässerchen" – wurde erst im 16. Jahrhundert als Getränk
im Russischen Reich eingeführt; vorher benutzte man ihn lediglich als Medizin. Davor waren
Met und Früchtewein bekannt. Olearius stellte 1647 fest: „Es gibt allgemein gesunde und alte
Leute in Russland, welche nicht viel krank sind, und wenn sie dann bettlägerig werden, ist
des gemeinen Mannes beste Kur Branntwein und Knoblauch!" Der aus Weizen gebrannte
Wodka wurde in Russland rasch zum beliebtesten alkoholischen Getränk und musste, wie
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Olearius feststellte, „bei allen allezeit den Anfang zur Mahlzeit machen". Das gilt auch heute
noch: Vor dem Verspeisen von Sakuski trinken Russen gern zunächst auf nüchternen
Magen ein Glas gekühlten Wodka, oder besser noch, stürzen es auf einmal hinunter.
Anschließend isst man ein wenig Brot und Vorspeisehäppchen. Diese Prozedur wiederholt
sich im rhythmischen Wechsel.
Die „grüne Schlange" oder die „weiße Magie" Wodka entwickelte sich im Laufe der
Jahrhunderte zum „Dämon Wodka". „Das russische Volk trinkt nicht aus Bedürfnis und nicht
aus Kummer", so schreibt der russische Satiriker Andrej Sinjawskij (*1925), „sondern aus
einer uralten Sehnsucht nach dem Wunderbaren und Außergewöhnlichen."
Wladimir der Heilige erklärte 988: „Trinken ist Russlands Freude, wir können ohne es nicht
sein!" Zahlreiche russische Sprichwörter unterstreichen die Bedeutung des Alkohols im
russischen Leben: „Ohne Wodka findet man sich nicht zurecht! – „Wenn der Bauer sich
betrinkt, ist er sein eigener Herr." – „In Russland werden die Leute vom Trinken fröhlich." –
„Wer mit Wein spart, hat keine Gäste." – „Ich war besoffen, den Verstand hat's nicht
getroffen." etc. Sauforgien fanden mit Vorliebe nach Ostern statt. Bei Hof waren sie gang und
gäbe. Peter der Große liebte Trinkgelage, „die so gewaltig waren, dass viele Personen daran
starben." So berichtet Peters Chefdiplomat Kurakin. Henry Vallotton, ein Biograph Peters l.,
schreibt: „Peter liebte den Trunk wie alle Russen und führte den Vorsitz bei tage- und
nächtelangen Festen. Bacchus hatte keinen eifrigeren Jünger. Man maskierte sich, tanzte,
betrank sich sinnlos – und Peter führte überall den Reigen an. Weil er selber so große
Mengen Wodka hinunterstürzte, verlangte er das gleiche von seinen Gästen, egal, ob Herren
oder Damen. Schildwachen vertraten ihnen den Weg, wenn sie sich davor drücken wollten."
Peter trieb es auf die Spitze: Während eines Trinkgelages soll er eigenhändig Strelitzen
geköpft haben.
Der österreichische Diplomat Sigmund von Herberstein beschrieb im 16. Jahrhundert seine
Erfahrungen mit dem Alkoholkonsum im alten Russland folgendermaßen: „Denn es ist bei
ihnen eine Ehre und große Gnade, die Leute betrunken zu machen, und wer nicht ordentlich
trunken gemacht wird, hält sich für missachtet. So sind sie Meister, den Leuten
zuzusprechen und sie zum Trinken zu bereden. Einer nach dem anderen geht in die Mitte
der Stube, trinkt mit bloßem Haupt seinen Becher aus und stürzt ihn über seinen Kopf.
Wenn ich nicht trinken mochte, vermochte ich mich nicht anders dessen zu entledigen, als
dass ich mich trunken stellte oder sagte, ich könne vor Schlaf nimmer mehr und wäre ganz
satt." Ähnliche Eindrücke sammelte der venezianische Gesandte Contarini: „Eine
scheußliche Krankheit nagt an allen Schichten der Gesellschaft: die Trunksucht. Der Geist
aus der Flasche scheint der Hausdämon von Moskau zu sein. Man trifft überall 'gewaltige
Säufer', die sich dessen noch rühmen und die Enthaltsamen verachten."
Im Domostroi heißt es über den Alkoholkonsum der Frauen: „Das Weib soll niemals und
unter keinen Umständen etwas Berauschendes trinken, weder Wein noch Met, weder Bier
noch andere süße Getränke. Die Mägde und Dirnen sollen weder unter Leuten noch zu
Hause trinken, bis sie berauscht sind." Katharina I. verfügte im 18. Jahrhundert:
„Frauenzimmer sollen sich unter keinem Vorwand betrinken und Mannspersonen dürfen vor
9 Uhr morgens nicht betrunken sein." Getrunken wird auch heute, selbst nach dem rigorosen
Wodka-Stopp unter Gorbatschow, noch gern; dabei wird bisweilen bis zur letzten
erreichbaren Flasche getrunken. Beliebt ist das Trinken na troich, d.h. „zu dritt": auf ein von
jedem Trink-Bereitwilligen verstandenes Zeichen hin leeren drei Personen, die sich in der
Regel nicht kennen, eine oder mehrere Flaschen Wodka, die sie gemeinsam erstehen.
Geschlemmt wurde vor allem am Zarenhof und beim Adel. Wie Iwan der Schreckliche zu
speisen pflegte, beschreibt der russische Schriftsteller Alexej Tolstoj (1817-1875) in seinem
Roman „Fürst Serebriany" folgendermaßen: „Als die Schwäne aufgegessen waren, verließen
die Diener paarweise den Raum und kamen wieder mit dreihundert gebratenen Pfauen, die
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ihre Räder über jede Plane schlugen. Dann folgten Kulebjakas, Kurniks, Piroggen mit Fleisch
und Käse, verschiedene Bliny, gebogene kleine Piroggen und Oladjas. Das Mittagessen ging
weiter. Zuerst wurden verschiedenartige Sülzen serviert, dann Kraniche mit Gewürztrank,
gesäuerte Hähne mit Ingwer, knochenlose Hühner und Enten mit Gurken. Danach wurden
verschiedene Pochljobas gereicht und Ucha in drei Arten: die weiße, die schwarze
Hühnerucha und die mit Safran. Der Ucha folgten Haselhühner mit Pflaumen, Gänse mit
Hirse und Birkenhennen mit Safran. Die Zarenköche zeichneten sich an diesem Tag aus.
Noch niemals waren ihnen die Zitronenkaljas, die gedrehten Nieren und Karauschen mit
Hammelfleisch so gut gelungen. Gut und lecker waren auch Hasen in Nudeln, und die Gäste,
obwohl sie sich schon übergessen hatten, verzichteten aber nicht auf die Wachteln mit
Knoblauchtunke und auf die Lerchen mit Zwiebeln und Safran."
Peter der Große liebte nicht weniger umfangreiche Zaren-Diners, Es ist bekannt, dass er vor
allem Süßigkeiten mochte. Zu einer seiner Geburtstagsfeiern wurden u.a. 120 verschiedene
Süßspeisen aufgetragen: Lebkuchen mit Zimt; ein zwei Pud (ein Pud = 16,4 kg) und 20
Pfund schweres, mit Blumen verziertes „Zuckerstück"; ein zwei Pud schwerer Schwan aus
Zuckerguss, der Kreml, das Reichswappen und der Reichsadler, Soldaten u.a. – alles aus
Zucker. Adam Olearius schrieb: „Die Gesandten wurden mit einem Essen aus mindestens
vierzig Gängen bewirtet." Manche Gelage am Zarenhof bestanden aus 150 Gerichten. Das
Hors d'oeuvre der Zaren bestand nicht nur bei Iwan dem Schrecklichen aus einem Schwan.
Man weiß, dass Peter der Große und seine 21 Begleiter während ihres Aufenthaltes in
London zum Frühstück bereits einen halben Hammel, ein Viertel Lamm, zehn Hühner, zwölf
Küken, sieben Dutzend Eier, drei Quart (ein Quart = 1,4 Liter) Cognac und sechs Quart
Glühwein zu sich nahmen. Nicht weniger bescheiden war das Mittagessen, bei dem sie ein
Viertel Pud Rindfleisch, einen ganzen Hammel von anderthalb Pud, dreiviertel Lamm,
Kalbsschulter und -filets, acht Hühner und acht Kaninchen aßen und dabei 66 Flaschen
Wein tranken.
Auch über die vergleichsweise einfache Küche der Menschen wusste Olearius im 17.
Jahrhundert zu berichten: „Die tägliche Kost der Russen ist Grütze, Rübenkohl, Gurken,
frische und eingesalzene große Fische. Die Russen pflegen auch ein Essen, welches sie
nach dem Rausche, wenn sie 's pochmelja' (d.i. einen Kater haben) oder unlustig sind
zuzurichten. Sie schneiden gebratenes Hammelfleisch kalt in kleine Würfel, vermischen es
mit ebenso kleingeschnittenen Salzgurken und mit etwas Pfeffer, gießen halb Essig und halb
Gurkensuppe daran und essen es dann mit dem Löffel. Die Russen haben im Gebrauch,
nach dem Essen Mittagsruhe zu halten und zu schlafen." Auch die Banja, die russische
Sauna, spielt im Zusammenhang mit Essen und Trinken eine nicht unwesentliche Rolle.
Olearius schrieb: „Wenn Russen ihrem Gast Gutes tun wollen, so schicken sie ihn ins Bad,
wo er sich wäscht, und schicken ihm einen in Stücke geschnittenen Rettich mit Salz und
erfrischende Getränke. Nach dem Bad bewirten sie ihn recht anständig ..." Viele Russen
meinen auch heute, man müsse erst im Dampfbad tüchtig schwitzen, um mit großem Appetit
essen zu können. Beim und nach dem Saunen isst und trinkt man ausgiebig und genussvoll:
Wodka, gedörrter Salzfisch, Schwarzbrot, Gurken und anderes Gemüse, Säfte, Tee und Bier
etc. stehen hoch im Kurs.
Das russische Frühstück, sawtrak, ist im allgemeinen reichhaltiger als bei uns und besteht
gewöhnlich aus zwei Gängen: zunächst gibt es wahlweise Eierspeisen, Kascha oder
Milchprodukte, z.B. Sapjekanka – eine Quarkspeise aus Brot, Eiern und Zucker –,
Prostokwascha – eine Art Sauermilch mit Zwieback, Zucker und Zimt – oder Rjashenka –
Sauermilch –, anschließend Brot mit Butter, Konfitüre, Käse und Wurst sowie Tee oder
Kaffee. Russen nehmen eine vollständige Mahlzeit, sei es mittags oder abends, zu sich. Das
volle Mittagessen, objed, besteht aus drei bis vier Gängen, wobei die berühmten Sakuski das
eigentliche Fundament der Mahlzeit bilden: Zunge, Sülze, eingelegte Pilze, Salzgurken und heringe, Lachs, Kraut, Salami, Kaviar, Pasteten, Gurken, Zwiebeln, Tomaten, Salate, z.B.
der mit Kartoffeln, Hühnerfleisch, Gurken und Mayonnaise angerichtete Salat Stolitschnyj,
der sogenannte „Hauptstadtsalat", u.v.a.m. finden sich auf dem Tisch ebenso wie reichlich
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Brot und Getränke, vor allem Wodka. Anschließend wird als erster Hauptgang, na pjerwoje,
eine Suppe serviert: Borschtsch, das ursprünglich aus der Ukraine stammende
Suppengericht aus Sauerkraut, roten Beeten und Weißkohl; oder die Sauerkrautsuppe
Schtschi; oder eine Soljanka, eine dicke Suppe aus Fleisch (bzw. Fisch) mit verschiedenen
Fleisch- und Wurstsorten und Gemüsearten; oder Okroschka, die Gemüsesuppe aus Kwas
und Gemüse; oder Rassolnik, die saure Gurkensuppe, u.a. Alle werden in der Regel jeweils
mit Piroschki und saurer Sahne gereicht. Als zweiten Hauptgang, na wtoroje, wählt man – im
Restaurant – zwischen Fisch und Fleisch. Gern gewählte Fischspeisen bestehen aus Stör,
Forelle oder Zander, z.B. Sudak po-Moskowski, d.i. Zander nach Moskauer Art zubereitet.
Renner bei Fleischgerichten sind Steaks, Hackfleischgerichte, kaukasisches Schaschlyk
oder Geflügel, z.B. das Hähnchen à la Tabaka oder die Hähnchenkoteletts nach Kiewer Art.
Dazu werden diverse Gemüse und Kartoffeln serviert. Die Nachspeise, na sladkoje oder na
tretje, besteht aus Eis, dem berühmten Moroshenoje, dem Fruchtkompott Kissel, Obst,
Keksen, Kuchen oder süßen Blintschiki, das sind kleine Pfannkuchen. Dazu wird wahlweise
gern Tee oder Kaffee gereicht. Das Abendessen, ushin, oder – bescheidener – auch ein
sogenannter „Abendtee", eine Vesper, wetscherni tschai, entspricht dem Mittagessen, ist
aber weniger umfangreich, wenn man bereits zu Mittag eine vollständige Mahlzeit zu sich
genommen hat.
Die reichhaltigen, scharf gewürzten Gerichte der armenischen und georgischen Küche bieten
neben Schaschlyk und Lammfleisch u.a. Chatschapuri (Fladen mit Käsefüllung), Lobio
(Bohnengerichte), Dolma (Lamm in Weinblattern), Chartscho (Suppe mit Rindfleisch und
Reis), Saziwi (gegrilltes Hühnchen in Nusssoße), Tschanachi (Hammelfleisch und
Auberginen im Tontopf), Kupaty (mit Fleisch gefüllte Würstchen). Keine Hauptspeise der
mittelasiatischen Küche besteht ohne Schaschlyk, Manty (mit Lammfleisch gefüllte
Teigtaschen), Pilaw, das traditionelle Reisgericht mit Rosinen und Gewürzen, Brotfladen und
grünem Tee. Die usbekische Küche ist reich an Suppen, die kasachische bietet neben
Hammel- auch Pferdefleischgerichte; über das Nationalgetränk Kumys (= Stutenmilch)
pflegen die Kasachen zu sagen: „Trinkt Kumys, und eure Augen werden klarer, die Beine
starker und die Seele jünger!"
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Typische Zutaten und Gewürze
Aubergine
Die Aubergine, die ursprünglich aus Indien kommt, wird in der russischen Küche gern als
Vorspeise, vor allem als Auberginenkaviar, benutzt.
Buchweizen
Buchweizen, das niedrig-krautige Knöterichgewächs, das ursprünglich im Orient zu Hause
war, kam über Byzanz nach Russland und gilt seit alten Zeiten als Nationalspeise der
Russen. Das russische Sprichwort: „Kascha ist unsere Mutter" und andere Redensarten
zeugen von der Bedeutung dieser Zutat in der russischen Ernährung. Buchweizen ist reich
an Vitaminen, Eiweiß und Stärke. Man isst Kascha (= Grütze, Brei), das in Wasser eingeweicht
und anschließend geröstet wird, als Einzelgericht oder als Beilage zu anderen Speisen. Am
beliebtesten ist die Buchweizengrütze; Kascha kann man auch aus anderen Getreidearten
herstellen.
Dill
Dill ist neben Petersilie in der russischen Küche eines der beliebtesten Gewürze.
Fisch
Die russische Küche ist in erster Linie eine Fischküche. Der Fischreichtum beruht auf den
vielen Flüssen und Seen in Russland. Die ersten Siedler, die sich dort niedergelassen
haben, verstanden es, die vielfältigen Fischarten auch vielfältig zuzubereiten. Man lernte
rasch, Fisch durch Räuchern, Dörren, Salzen und Trocknen haltbar zu machen. Beliebte
Fischgerichte werden aus Stör, Zander, Karpfen, Hecht, Kabeljau, Forelle, Dorsch, Schleie,
Brasse, Aal, Hering, Sprotten u.a. Fischarten wie auch aus Krebsen zubereitet. Fisch gehört
auch zur traditionellen Vorspeisetafel der russischen Küche.
Fleisch
Fleischgerichte wurden vor allem unter Peter I. (1682-1725) in Russland beliebt; er hatte
Rezepte aus dem westlichen Ausland mitgebracht. Aus dieser Zeit stammen auch die
„russischen" Begriffe „bifschtek", „kotlet" und „schnitzel", mit denen man heute in der
Sowjetunion in erster Linie Hackfleischgerichte meint. Speisen aus Rindfleisch stehen nach
wie vor an erster Stelle der Fleischgerichte; das berühmteste Gericht aus Rindfleisch ist
Bœuf Stroganow. In Russland isst man Fleisch bevorzugt durchgebraten.
Gurke
Gurken werden vorzugsweise bei der Vorspeise, der Sakuska, gereicht. Man findet sie aber
auch in Suppen und als Beilagen bei Hauptgerichten.
Kartoffel
Die Kartoffel, „das zweite Brot Russlands", wurde im 18. Jahrhundert aus Holland nach
Russland eingeführt. In dieser Zeit wurden Kartoffeln übrigens nicht gesalzen, sondern
gezuckert. Kartoffeln wurden ursprünglich als Medizin gegen diverse Krankheiten eingesetzt,
bevor sie sich als beliebtes Nahrungsmittel durchgesetzt hatten.
Kascha
Kascha wird gern geröstet und als Brei, Pfannkuchen und – bei uns – als Müsli verwendet.
Kaviar
Kaviar nennt man den gesalzenen Rogen des Störs. Die schmackhaftesten und auch
teuersten Kaviarsorten stammen vom Beluga, Osjotr und Sewruga. Der – preisgünstigere –
rote Kaviar stammt vom Lachs. Kaviar isst man gekühlt und pur, mit etwas Zitrone gewürzt,
bzw. klassisch auf Bliny, Toast oder einem hartgekochten Ei. Dazu reicht man in Russland
bevorzugt Wodka.
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Knoblauch
Knoblauch wird in der russischen Küche gern – bisweilen auch sparsam – verwendet. Das
Lutschen von Gewürznelken ist eine effektvolle Gegenmaßnahme gegen den – für manche –
unangenehmen Knoblauchgeruch. Im altrussischen Sittenkodex Domostroi aus dem 16.
Jahrhundert heißt es: „Wir verabscheuen den eklen Geruch des Knoblauchs, den von
Betrunkenen, von Kranken und alles, was übel riecht."
Kohl
Ohne Kohl und Sauerkraut wäre die russische Küche undenkbar. Kohl wurde von den
Nachbarländern in Russland eingeführt und gehört u.a. zu den Grundzutaten von Suppen,
z.B. Schtschi. Kohl, Steck-, Runkel- und Zuckerrüben, roten Beten, Rettich, Meerrettich,
Radieschen wird in Russland auch eine heilsame Wirkung zugesprochen.
Kwas
Kwas ist aus Hefe, Zucker und Schwarzbrot gewonnenes, fast alkoholfreies, durstlöschendes und
vitaminreiches Brotbier, das u.a. die Grundlage mancher Speisen, vor allem Suppen, bildet.
Mandeln
Mandeln, die aus Asien nach Russland kamen, werden vor allem bei Nachspeisen und Kuchen
gern verwendet.
Meerrettich
Der an Vitamin C reichhaltige Meerrettich, der vor allem in osteuropäischen Ländern wild wächst,
wird in Russland gern als Grundlage für Soßen verwendet.
Mohn
Mohn gibt man u.a. auf Baranki, russische Hefekringel.
Petersilie
Petersilie gehört wie Dill und Schnittlauch zu den beliebtesten Gewürzkräutern in der russischen
Küche; sie wächst in jedem russischen Garten.
Pilze
Frisch, mariniert, eingelegt, getrocknet, als appetitanregende Vorspeise oder als Beilage vieler
Gerichte: Pilze, wie Reizker, Täublinge, Champignons, Pfifferlinge oder Hallimasch, gehören zu
jeder traditionellen russischen Speise. Beliebt ist das „Pilzejagen" im Spätherbst. Anton
Tscheschow schreibt über Pilze: „Am besten schmecken eingelegte echte Reizker, wenn sie klein
geschnitten sind, wie für einen Gemüsesalat und ... mit Zwiebeln und Provence-Öl ... dies ist ein
wahrer Leckerbissen." (In: Die Sirene.)
Quark
Quark ist in Russland seit alter Zeit bekannt und wird gern mit anderen Zutaten (Obst, Gemüse,
Fisch) vermischt bzw. als Füllung für Teigwaren verwendet. Beliebte Quarkfüllungen findet man
beispielsweise in Piroschki, Syrniki oder Galuschki. Die traditionelle Osterspeise Paßcha ist die
Königin unter den russischen Quarkspeisen.
Reis
Reis, der zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt zählt, kam im 17. Jahrhundert von Byzanz nach
Russland. Reis wird gern mit Schaschlyk serviert; er ist außerdem der Hauptbestandteil von
Pilaw, dem zentralasiatischen Reisgericht, das auch gern in Russland zubereitet wird.
Rosine
Rosinen, die Trockenfrüchte aus Weintrauben, mit vielen Mineralstoffen und Vitaminen, werden in
Russland als zusätzliches Süßmittel gern in Kuchen und im Pilaw verwendet.
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Rote Beete
Eine der wichtigsten Zutaten in der russischen Küche: Rote Beete oder Rüben werden meist als
geschmackliches und farbiges Addendum im Borschtsch benutzt. Rote Beete werden auch als
Vorspeise und Zutat im Salat bzw. für Kwas verwendet.
Saure Sahne
In der russischen, ja osteuropäischen Küche geht fast kaum etwas ohne Smetana, saure Sahne.
Milch- und Joghurtgerichte sind populär in Russland. Neben saurer Sahne sind Kephir, Rjashenka,
Prostokwascha und Sliwki in Russland beliebt.
Schnittlauch
Schnittlauch ist neben Petersilie und Dill ebenfalls ein beliebtes russisches Gewürz.
Sonnenblumenöl
Sonnenblumenöl, das aus Sonnenblumen kernen gewonnen wird, ist seit etlichen Jahrtausenden
bekannt und wird für die Zubereitung vieler Vorspeisen, Salate, Soßen, Gemüse-, Fisch- und
Fleischspeisen benutzt. Anfang des 18. Jahrhunderts führte es Peter der Große aus Holland in
Russland ein. 1835 errichtete Daniil Bokarjow, ein russischer leibeigener Bauer, die erste
russische Ölmühle. Heute ist Russland einer der größten Sonnenblumenölhersteller der Welt.
Teig
Brot wurde in der russischen Küche schon immer kredenzt. Zusammen mit Brot backte man im
alten Russland Piroggen und Bliny. Die Zubereitung von Pasteten geht auf den Einfluss der
französischen Küche zurück. Die ersten Pasteten-Restaurants wurden in Russland im 19.
Jahrhundert eröffnet. Viele russische Spezialitäten, etwa Piroggen, Rasstegai, Kulebjaka und
andere Pasteten, werden aus Hefe-, Mürbe- oder Blätterteig zubereitet.
Zwiebel
Ursprünglich aus Nordasien kommend, wurde die Zwiebel von den Griechen nach Russland
eingeführt. Sie wird z.T. roh bzw. in Soßen, mit Fleisch und Gemüse gegessen.
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Vorspeisen
Sakuski: ein typisch russisches kulinarisches Phänomen. Eine vielfältige und reichlich
gedeckte Vorspeisentafel mit „Appetithappen" gehört zur russischen Gastfreundschaft. Gäste
werden damit verwöhnt. Ohne Vorspeisen, die aus Eingesalzenem, Eingelegtem, Gedörrtem,
Mariniertem, Öligem, Fettem und Frischem bestehen, ist eine ordentliche Mahlzeit undenkbar.
Das Hors d'œuvre ist für das Speiseritual entscheidend, ja wichtiger als die warme
Hauptmahlzeit selbst. „Ein Russe", so schreibt die „Zarin der russischen Köchinnen", Alla
Sacharow, „kann ohne Salzgurken, Sauerkraut und Salztomaten nicht leben." Traditionell
wurden im alten Russland Sakuski prompt und ohne aufwendige Vorbereitungen unerwarteten
Gästen, die oft lange Wegstrecken zurückgelegt hatten und erschöpft und hungrig waren, zum
Stillen des ersten Hungers gereicht. Danach wurde dann ein üppiges, warmes Mahl serviert,
dessen Zubereitung einige Zeit in Anspruch nahm. Die Vorspeisen werden in der Regel kalt
serviert. Es muss nicht unbedingt ein gebratener Schwan sein, wie er am Zarenhof als
„Appetizer" gereicht wurde. Zu den wichtigsten Sakuski gehören diverse frische Gemüsearten,
gesalzene und marinierte Gurken und Pilze, Tomaten, gesalzener und geräucherter Fisch,
Lachse, Krebse, Kaviar, Eier, kaltes Fleisch, Sülze, diverse Salate, Brot, Piroschki mit
verschiedenen Füllungen etc. Die Zutaten einer typischen Vorspeisentafel finden Sie gleich
zu Beginn dieser Rezeptsammlung. Zu den Vorspeisen gibt es Wodka und andere
alkoholische Getränke, die jeweils vor dem Verspeisen der Vorspeisen getrunken werden –
und das immer in Verbindung mit Trinksprüchen!
Und noch ein Wort zu den warmen und kalten Soßen, die bei allen Speisen der russischen
Küche eine wichtige Rolle spielen und sowohl bei den Haupt- als auch Vorspeisen in
reichlicher Menge kredenzt werden: viele Soßenrezepte gehen auf den Einfluss der
französischen Küche zurück, etliche sind auf russischem Boden entstanden. In der
traditionellen russischen Küche unterschied man früher zwischen Mukowniki-Soßen, wobei
Bratflüssigkeit mit Mehl gebunden wurde, und Wswari-Soßen, die aus einer Art süß-saure
Marinade bestanden. Übrigens hatten einige reiche Kaufmannsfamilien in Russland früher
spezielle Salatköche angestellt, die für ihre Salatsoßen bekannt waren. Eines der Rezepte lautete
folgendermaßen: „Der Salat ist die Symphonie aller Speisen. Er bedarf der Kunst und fast der
Genialität. Bei der Komposition dieser Symphonie muss man beim Öl ein weites Herz, beim Essig
genug Geiz und bei der Anwendung des Salzes sehr viel Weisheit haben."
Vorspeisenplatte mit Fisch, Fleisch und Gemüse
Eine „klassische" russische Vorspeisenplatte mit Fisch, Fleisch und Gemüse enthält u.a.
folgende Zutaten: geräucherte Fische wie Aal, Brasse, Hering, Makrelen, Sardinen, Sprotten
und Stör, Anchovis, gefüllter Aal, Krebsfleisch, Krabben, Lachsfleisch; ferner Mariniertes und
Eingelegtes wie marinierte Pilze, marinierter Stör oder eingelegte Tomaten und Gurken,
Vinaigrettes, Pasteten, Rouladen, Fleisch und Fisch in Aspik und Mayonnaise. Weiter:
hartgekochte und/oder gefüllte Eier, Gurkenscheiben, Kapern, Kaviar, Knoblauchzehen,
Kürbis, Oliven, Paprikaschoten, Salzgurken, Sauerkraut, Zitronenscheiben, Zwiebelringe,
frisches Grünzeug – Petersilie, Dill, Schnittlauch, Koriander. Dazu isst man gefüllte Piroschki,
Roggen- oder Schwarzbrot mit Butter und trinkt Wodka.
Ikra: Kaviar
Kaviar, das „schwarze Gold Russlands", gilt als „Königin" unter den Vorspeisen. Kaviar, auf
russisch Ikra, – das Wort stammt aus dem Türkischen: khavyah = Rogen –, stammt vom Rogen
des Störs, der im Kaspischen Meer lebt und zum Laichen die untere Wolga hinaufsteigt.
Kaviar wird nach Farbe und Größe unterschieden. Zu den bekanntesten der über 20
Störarten gehören Beluga, Osjotr und Sewruga. Das Beluga-Weibchen liefert 15-20
Kilogramm grobkörnigen, silbergrauen bzw. hellgrauen Kaviar, der zu den besten und
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teuersten Sorten gehört. Der Kaviar des Osjotr hat kleinere Körner, ist preisgünstiger und
auch schmackhafter, wie viele meinen. Der preiswerteste und verbreitetste echte Kaviar
stammt vom kleinsten Stör, dem Sewruga. Der rote oder Keta-Kaviar stammt von Süß- bzw.
Salzwasserlachsen und ist relativ preiswert. Der Kaviar des Süßwasserlachses ist von
blasserer Farbe als der des Salzwasserlachses. Der Rogen des Seehasen ist schwarz
gefärbt und sehr preiswert. Gepresster Kaviar, eine Mischung aus den Rogen des Osjotr und
Sewruga, wird meist am Ende der Fischsaison von den reifsten Rogen gewonnen. Er
schmeckt ein wenig salziger als die anderen Kaviararten. Neben dem gepressten Kaviar gibt
es körnigen Kaviar. Übrigens: je heller der Kaviar, desto besser und teurer ist er. Silbergrauer,
hellbrauner und goldbrauner Kaviar sind relativ selten und extrem teuer. Guten Kaviar isst man
„pur", d.h. nie mit Zitrone. In der Regel wird er mit Bliny bzw. ungebuttertem Weiß- oder
Schwarzbrot gereicht. Guter Kaviar wird frisch als malosol, d.h. leicht gesalzen, verkauft und
wird kalt, nie mit Eiswürfeln belegt, serviert. Und zum Schluss: Kaviar trinkt man nie mit
Champagner, Wein oder Bier, sondern immer mit Wodka.
Russische Eier I
Russische Eier sind bei uns so bekannt wie in Russland. Sie gehören zum Standardgericht
russischer sakuski. Sie schmecken gut und sind rasch zubereitet. Hier die einfachste
Version.
Zutaten
8 Eier
150 g Kaviar
75 g Mayonnaise
100 g saure Sahne
Pfeffer
Salz
einige Salatblätter
1 unbehandelte Zitrone
Zubereitung
Eier hartkochen, abschrecken, schälen und der Länge nach halbieren. Eigelb mit Kaviar
bestreichen. Mayonnaise mit der sauren Sahne verrühren. Anschließend mit Salz und Pfeffer
abschmecken. Die gesäuberten Salatblätter auf einer Platte auslegen und mit der Mayonnaise
bestreichen. Eier auf die Mayonnaise setzen. Mit Zitronenscheiben den Rand der Platte
garnieren. Man kann die Mayonnaise auch getrennt reichen.
Für 6-8 Personen
Zubereitungszeit: 15 Minuten
Russische Eier II
Etwas zeitaufwendiger als das vorangegangene, aber ebenfalls einfach zuzubereiten, ist das
folgende Rezept der russischen Eier.
Zutaten
6 Eier
2 Eigelbe
500 g Kartoffeln
250 g Räucherlachs in Scheiben
50 g Sewruga-Kaviar (alternativ: Keta-Kaviar)
1 EL Zitronensaft
2 EL Senf
150 ml Öl
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