1|3 Johannes Molzahn Astro-Konstellationstafel 1923 Malerei Öl auf Leinwand Bildmaß 120 × 190 cm — Lehmbruck Museum Die Astro(logische) Konstellationstafel stellt ein dichtes Schaubild, durchsetzt mit den Symbolen der Sternkreiszeichen, fünf-, sieben-, neunund zwölfzackigen Sternen, Kristallfiguren und geometrischen Strahlenbündeln dar. Mit den zahlreichen Figuren- und Zahlensymbolen, die in ein komplexes und äußerst bezugsreiches Zeichennetz gebracht sind, erstellt Molzahn hier eine ganz persönliche Chiffre kosmischer Schöpfung. Wie ein exaktes, auf Rechteck und Quadrat beruhendes Schachbrett oder Patchwork des Seins und seiner Bedingungen geordnet und gerichtet und bestimmt durch rationale, natürliche, kosmische und transzendentale Kräfte, erscheint Johannes Molzahns große, querrechteckige AstroKonstellationstafel. Im Jahr 1923 entsteht diese komplizierte astrologische Tafel, die aus zahlreichen Einzelzeichen und Elementen ihren Verweischarakter erhält. Molzahn bekommt im Entstehungsjahr der Tafel durch Vermittlung von Bruno Taut eine Lehrerstelle für Gebrauchsgraphik an der Kunstgewerbe- und Handwerksschule in Magdeburg. Durch Taut, den futuristischsten Architekten der 20er Jahre und auch vorher vermutlich schon durch Otto Mayer-Amden ist er sicher sowohl mit wissenschaftlichphysikalischem Wissen, als auch mit esoterischen und kabbalistischen Vorstellungen in Kontakt gekommen. Die Astro(logische) Konstellationstafel stellt ein dichtes Schaubild, durchsetzt mit den Symbolen der Sternkreiszeichen, fünf-, sieben-, neunund zwölfzackigen Sternen, Kristallfiguren und geometrischen Strahlenbündeln dar. Sie verweist auch auf die Gesetzmäßigkeit der 2|3 Sehpyramide. Das buntfarbige Quadratraster, das aus sieben Farben den Bildgrund bildet, trägt ebenfalls symbolischen Verweischarakter. Bildzentral steht ein weißes Quadrat dem ein gelber Kreisring eingeschrieben ist. In dessen Mitte befindet sich eine kleine, graue Kreisfläche. Als hellster Bildort ist dieser Kreis offensichtlich Sonnensymbol und zugleich Vertreter der Ziffer 1 - Ursache und Symbol allen Seins und Werdens. Links davon befindet sich eine geometrisch konstruierte Figurine, deren Oberkörper vor hellem Grund einen siebenzackigen Stern trägt und damit die sieben Gestirne der älteren Astrologie symbolisiert. Wie eine Aura umrahmt ein weiterer gestrichelter, zwölfzackiger Stern diesen Torso. Er verweist wiederum auf die zwölf Gestirne des Jahreslaufes. Ein magisches Zahlenquadrat, dessen Quersummen jeweils 42 ergeben, überlagert die Figur auf Hüfthöhe. Sogleich ist an das hier sehr individuell interpretierte magische Zahlenquadrat von Dürers Stich Melencolia I zu denken. Die Schenkel der Figurine tragen links das Sternkreiszeichen des Stieres und rechts das der Schützen. Mittig darunter sitzt wiederum ein kräftig roter Kreisring mit einer Kreuzform am Umfang – eine Art Reichsapfels-Symbol, das am oberen Bildrand um 180 Grad gedreht erneut erscheint. In der Variation mutiert es hier zum Zeichen für Weibliches. Und auch das ebenfalls rote große Sternkreiszeichen der Jungfrau links daneben, das in der Mittelachse der Figurine erscheint, ist diesem Zeichenkontext verpflichtet. Die besternte Figurine ist umgeben von satten, warmfarbigen Quadratbändern, die dem gesamten Bild Einheit und Struktur geben. In diesem Bereich nutzt Molzahn sie innerhalb der Astrokonstellation zur Verdeutlichung eines weiblichen, schaffenden und gebärenden Prinzips. Rechts des zentralen gelben Kreiszeichens findet sich eine etwas höher positionierte Figurine, in deren Körpermitte sieben spitzwinkelig aufgefächerte gelbe Strahlen vor weißem Grund in einem Punkt zusammen laufen und sich spiegelbildlich weiß auf ockerfarbenen Grund wieder auffächern. Auch in der unteren Bildhälfte treten weitere drei Varianten dieser siebenfachen Fächerstrahlen auf. Oberhalb des Kopfes der rechten Figurine und neben ihr in Kopfhöhe erscheint das Sternzeichen des Löwen. Auf den Oberschenkeln der Figur sind die Zeichen für Wassermann, Zwilling und Krebs angebracht. Zwei der Sternzeichen sind dem Element Wasser zuzuordnen, zusammen mit dem Löwen und den Zwillingen scheint diese Zeichenkonstellation eher auf ein männliches Prinzip zu verweisen. Dagegen sind links die erdbezogenen Tierkreiszeichen Jungfrau, Stier und Schütze versammelt. Nun verweist Molzahn jenseits der Farbsymbolik von Blau als Himmel und Luft sowie Gelb als Licht und Sonne auf Wasser und Erde als weitere Elemente. 3|3 Entgegen der hier eindeutig astrologischen Symbole und Verweise sind die Ziffern 1, 3, 5 und 7 im Bild als die ersten vier Primzahlen traditionell historisch – mythologisch, alttestamentarisch, christlich und kabbalistisch – belegt. Traditionellerweise symbolisiert die Vierzahl der Quadratecken die Elemente, Jahreszeiten und Himmelsrichtungen. Der Kreis hingegen gilt als ideale Figur unendlicher Bewegung. Und die den rechten Bildrand flankierenden Kristalle stehen für den innersten Kern der Schöpfung, die sich auch Bruno Taut als architektonische Grundform wählte. Die neun scheint dagegen eine persönliche »Schöpfungszahl« für Molzahn zu sein (vgl. H. Schade, Johannes Molzahn. Einführung in das Werk und die Kunsttheorie des Malers, München, Zürich 1972, 50), schließlich steht die »42« nach der Offenbarung des Johannes für die 42 Monate dauernde Zerstörung des heiligen Jerusalems Mit den zahlreichen Figuren- und Zahlensymbolen, die wie in der Beschreibung der Astro-Konstellationstafel von 1923 erkennbar in ein komplexes und äußerst bezugsreiches Zeichennetz gebracht sind, erstellt Molzahn hier eine ganz persönliche Chiffre kosmischer Schöpfung. Über die in dem Bild alles durchdringenden, umlaufenden oder umspannenden Strichbahnen, Strahlen- und Pfeilformen verbinden sich die Einzelelemente zu einem komplizierten Verweissystem, das ebenso auf Oskar Schlemmer vergleichbaren geometrisierenden Flächenformen und innerbildlichen Ordnungsstrukturen basiert wie auch ausgehend von diesen weit über die Grenzen des Bildes hinausweist. © museumsplattform nrw [email protected] nrw-museum.de nrw-kultur.de N R W K U L T U R sekretariat Friedrich-Engels-Allee 85 42285 Wuppertal T +49 (0)202 698 27 00 F +49 (0)202 698 27 203