Hörverlust statt Musikgenuss as Unser Hörvermögen wird immer dann gemindert, wenn eines oder mehrere Elemente auf dem Weg vom Aussenohr zum Gehirn beeinträchtigt sind (s. auch „Unser Gehör“). Grundsätzlich wird zwischen zwei Störungsarten unterschieden: Bei Schallleitungsstörungen ist die mechanische Übertragungskette im Mittelohr, etwa das Trommelfell oder die Gehörknöchelchen, in Mitleidenschaft gezogen. Trommelfell Gehörknöchelchen Bei Schallempfindungsstörungen sind die Haarzellen im Innenohr geschädigt. Die Schallenergie kann nicht mehr weiter geleitet werden. Eine Haarzelle Intakte Haarzellen Geschädigte Haarzellen Zwei Tausendstel Millimeter kurz sind die Härchen in der Schnecke des menschlichen Innenohrs. Die Haarzellen sind äusserst verletzliche Strukturen. Ständiger oder schockartiger Lärm schädigt die Hörzellen des Innenohrs auf Dauer. Daneben gibt es die ganz normale Altersschwerhörigkeit, die schon ab 30, in jedem Fall aber mit 40 Jahren beginnt. Der Eine bemerkt es früher, der Andere später, verschont bleibt niemand. Oft bemerkt man selber kaum, wenn das eigene Gehör nachlässt. Eine Hörminderung verursacht häufig Missverständnisse und führt je nach Beeinträchtigung zur sozialen Isolation. Diverse Krankheiten oder bestimmte Medikamente können die inneren und äusseren Haarzellen der Cochlea schädigen, sodass Betroffene ihr Gehör teilweise oder ganz verlieren. Die meisten Fälle von Schwerhörigkeit sind aber auf eine Schädigung durch zu laute und zu lange Einwirkung von Lärm zurück zu führen. Der Hörverlust kommt schleichend, beginnt im Bereich von 4 kHz und wird deshalb häufig erst bemerkt, wenn auch tiefere Frequenzbereiche betroffen sind. Durch die Veränderung des Hörfelds werden Töne erst bei höherem Schallpegel gehört. Die Schädigung beeinträchtigt jedoch auch das Auflösungsvermögen des Gehörs. Unterhalten sich mehrere Personen in einer Gruppe, verschwimmen die Wörter zu einem Klangbrei. Für Hörgeschädigte klingt der beste Sound nur noch wie aus einem alten Grammophon. Der einmal erworbene Hörverlust ist nicht heilbar. In der EU leben rund 44 Millionen Menschen, deren Alltag durch Hörschäden beeinträchtigt ist. Über 33‘000 Europäerinnen und Europäer sind völlig taub. Lärmbedingte Hörschädigung Wir können unsere Ohren nicht verschliessen, das Gehör ist rund um die Uhr, selbst dann wenn wir schlafen, aktiv und aufnahmebereit. Unsere laute Zivilisation ist nicht für unser Gehör geschaffen. Dem Faktor Lärmbelastung sollte deshalb in der Diskussion über Umwelt besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Die meisten Einschränkungen des Gehörs sind auf Schädigungen der feinen Haarzellen im Innenohr zurück zu führen, welche aufgrund von Lärmeinflüssen oder lauter Beschallung endgültig zerstört werden. Die kritische Grenze für Gehörschäden beginnt ab einem Lautstärkepegel von etwa 85 Dezibel. Überschreitet die aus der Umwelt übertragene Schallenergie einen gewissen Wert, so kommt es zur Kontraktion der Mittelohrmuskeln. Das Trommelfell wird dadurch stärker gespannt. Als Folge wird die Reflexion der eintreffenden Schallwellen am Trommelfell erhöht und die Steigbügelauslenkung eingeschränkt. Die im Innenohr liegenden Sinneszellen sollen dadurch vor einer Beschädigung durch zu hohen Schalldruck geschützt werden. Leider ist der Schutz nur unzureichend, denn beide Muskeln benötigen eine gewisse Ansprechzeit (Latenzzeit) bis sie sich zusammenziehen. Die Latenzzeit ist von der Schallintensität abhängig und beträgt ca. 35 Millisekunden bei hohen und bis zu 150 Millisekunden bei niedrigem Schallpegel. Plötzlich auftretende laute Schallereignisse (z.B. Knall, Feuerwerkskörper) erreichen jedoch in einem kürzeren Zeitraum das Innenohr. Die Sinneszellen im Innenohr sind dem Schalldruck ungeschützt ausgesetzt und können irreparabel beschädigt werden. In diesem Zusammenhang spricht man von einem Schall- oder Knalltrauma. Quelle: Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie Die ca. 20‘000 Haarzellen im Innenohr bewegen sich bei einem Geräusch wie Ähren im Kornfeld. Dabei wandeln sie die Schallwellen in elektrische Signale um, die unser Gehirn dann interpretiert. Mit der Zeit verschleissen sich die Haarzellen, besonders diejenigen im hohen Frequenzbereich. Das Hörfeld wird kleiner. Nach jeder akustischen Attacke strecken sich die Haarzellen wie Halme nach einem Gewitter nieder – doch im Gegensatz zu den Ähren, können sich die Haarzellen nicht wieder aufrichten. Sie sterben ab und sind für unser Gehör unwiederbringlich verloren. Gemäss einer Untersuchung in Deutschland (2010), hört jeder vierte Erwachsene und jedes achte Kind im Alter zwischen 8 und 14 Jahren – lärmbedingt – nicht perfekt. Vor allem bei mittleren und hohen Tönen liege eine Hörminderung vor, teilte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit. Heutige MP3-Player und iPods kann man bis zirka 100 dB aufdrehen. Bei dieser Lautstärke dürfte man gerade zwei Stunden wöchentlich Musik hören, ohne das Gehör zu gefährden. Studien zeigen, dass zwar mehrheitlich ein „vernünftiger“ Schallpegel um 80 dB gewählt wird. Doch der durchschnittliche Musikkonsum hat sich mit rund 100 Minuten pro Tag gegenüber 1996 verdoppelt. Sind die Stöpsel permanent im Ohr und ist die Lautstärke voll aufgedreht, ist einerseits das eigene Gehör in Gefahr, andererseits isoliert man sich von der Umwelt. Permanent laute Beschallung über Kopfhörer macht in doppeltem Sinne einsam! Die Fachstelle „Lärmschutz“ des Kantons Zürich will am 27. April 2011 zum Tag gegen Lärm die Bevölkerung mit dem folgenden Comic sensibilisieren: Hörschädigungen bei Kindern entwickeln sich meist langsam und über lange Zeit unbemerkt. Die Auswirkungen zeigen sich leider oft erst später. Die Erwachsenenwelt sollte ihre Kinder vor Lärm im Alltag schützen, etwa vor lauten Kinderpistolen, Spielzeugtrompeten, Trillerpfeifen, Feuerwerkskörpern oder Musikbeschallung. Die freiwillige Beschallung, z.B. Disco- und Technosound, erreicht nicht selten 110 dB. Durch Lärm am Arbeitsplatz verursachte Schwerhörigkeit ist eine der häufigsten Berufskrankheiten. Während im arbeitsmedizinischen Bereich verbindliche Regelungen bestehen, hat die erworbene Schwerhörigkeit durch Lärmbelastung im Kindesund Jugendalter zu wenig Aufmerksamkeit gefunden. Auch die Lärmexposition in der Freizeit ist von Begrenzungen ausgeschlossen. Laut BZgA kann Lärm den gesamten Organismus belasten. Lärm führt zu Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche, erhöht den Blutdruck oder bewirkt körperliche Stressreaktionen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn ein Geräusch als unangenehm empfunden wird und man ihm nicht entfliehen kann. Alltagslärm gefährdet unser Gehör und unsere Gesundheit, vermindert die Befindlichkeit und hat negativen Einfluss auf unser soziales Verhalten. Für negative gesundheitliche Auswirkungen ist vor allem die Lärmdauer entscheidend. Akustische Grenzwerte für Hörschäden Lautpegel in Dezibel 85 dB 100 dB 110 dB Dauer bei 40 Stunden pro Woche nach 80 Minuten nach 10 Minuten Vergleichbares Geräusch Strassenlärm (viel Verkehr) Motorrad, Discomusik Rockkonzert, Laute Baustelle Auf Umweltlärm reagieren Menschen sehr unterschiedlich. Mit wachsendem Pegel nehmen die negativen Wirkungen zu. Die körperlichen Reaktionen auf Geräusche unter 85 dB liegen bei vorübergehender Einwirkung im Bereich der menschlichen Anpassungsfähigkeit. Als gesundheitlich beeinträchtigend sieht die Lärmwirkungsforschung Dauerbelastungen ab 60 bis 65 dB. Bei einem Pegel ab 40 bis 45 dB können sich die Schlafstadien ändern. Bei Werten um 60 dB wird von Belästigung gesprochen. Direkt betroffen sind dadurch das psychische Wohlbefinden und das soziale Verhalten. Die Erholsamkeit des Schlafes wird häufig bereits ab 25 bis 30 dB als gestört empfunden. Zu den psychophysischen Auswirkungen gehören Stress und Nervosität als Risikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen, Störungen der Schlafqualität, Konzentrationsstörungen, schlechte Laune, Ohnmachtsgefühle, Beeinträchtigung des positiven Lebensgefühls, Erhöhung des Medikamentenkonsums, Zunahme der Fehleranfälligkeit, Abnahme der Lehrfähigkeit aber auch Abnahme von Hilfsbereitschaft und Geselligkeit. Allerlei zum Surfen und Hören: Lärm macht krank Unter den folgenden Links hörst du immer das gleiche Musikstück: Normales Hören Schallleitungsschwerhörigkeit (10dB) Schallleitungsschwerhörigkeit (20dB) Schallleitungsschwerhörigkeit (30dB) Schallempfindungsstörung (leichtgradig) Schallempfindungsstörung (mittelgradig) Schallempfindungsstörung (hochgradig) Hörsturz Eine weitere Störung ist der plötzliche Hörsturz. Verbunden mit Ohrensausen oder Druckgefühlen lässt die Hörfähigkeit - meistens einseitig und überraschend – drastisch nach. Der plötzlichen Verlust des Gehörs oder die plötzliche Hörminderung begrenzt sich meist auf einem Ohr. Der Hörverlust kann alle Frequenzen oder einige Frequenzbereiche betreffen. Ein einseitiges Druckgefühl und ein Ohrgeräusch (Tinnitus) meist hochfrequent, können Vorboten sein. Der Hörsturz ist niemals von Ohrenschmerzen begleitet und tritt vor allem morgens auf. Bei einer einseitigen plötzlichen Hörminderung mit Ohrenschmerzen muss daher eine andere Erkrankung angenommen werden. Aufgrund zahlreicher Studien wird angenommen, dass sich der Hörsturz in vielen Fällen von selbst wieder behebt (Spontanheilungen). Oft bleibt aber ein Ohrgeräusch und / oder ein Hörverlust zurück. Eine sofortige Untersuchung und Behandlung beim Arzt ist dringend notwendig! Tinnitus Fast jeder Mensch hört hin und wieder für einige Sekunden ein Ohrgeräusch. Doch wie lange dauert es, wird es sogar lauter? Nehmen wir dieses neue, unbekannte Geräusch über längere Zeit wahr und kann die Schallquelle nicht identifizieren werden, fühlen wir uns bedroht. Mit aller Kraft wird versucht, das neue Geräusch zuzuordnen. Die ganze Aufmerksamkeit wird darauf fokussiert. Es gibt viele mögliche Ursachen oder Ursachenkombinationen. Bei ca. 30% der Lärmschwerhörigen tritt chronisches Ohrensausen auf. Schon ein einziger plötzlich auftretender Knall, z.B. ein Feuerwerkskörper, kann einen Tinnitus auslösen. Zu den häufigsten Ursachen gelten Anspannungsphasen, wie z.B. länger anhaltende Stresssituationen, erhöhte Aktivität des vegetativen Nervensystems, aber auch Veränderungen und Blockierungen der Halswirbelsäule, Hörsturz oder Durchblutungsstörungen. Tinnitus ist eine akustische Wahrnehmung ohne äussere Schallquelle und wird deshalb nur vom Betroffenen selbst wahrgenommen. Das Hörsystem ist bei allen Menschen so abgeschirmt, dass längst nicht alle Geräusche gehört werden. So werden Geräusche, die für den Menschen völlig unwichtig sind (z.B. das Geräusch des Kühlschrankes, das eigene Schlucken oder Umgebungsgeräusche), nicht bewusst wahrgenommen und weggefiltert. Ohrgeräusche werden gemäss dieser Theorie deshalb hörbar, weil die schützende Filterwirkung des Gehirns beeinträchtigt ist. Das Hörzentrum erhält fehlerhafte oder abgeschwächte Signale. Um das Signal zu verstehen, wird das Grundrauschen der Nervenzellen im Hörzentrum verstärkt. Plötzlich tritt das bisher nicht wahrnehmbare Eigenrauschen ins Bewusstsein. Je aufmerksamer wir einem Geräusch, ob von aussen oder innen kommend lauschen, umso intensiver wird das Hörzentrum aktiviert. Wir glauben, der Tinnitus wird lauter. Im schlimmsten Fall dermassen aufdringlich, bis dieser die gesamte Hörwahrnehmung beherrscht. Der Lautstärkenbereich des Tinnitus liegt zwischen 5 und 15 Dezibel (Atmung ca. 10 dB, Flüstern ca. 20 dB) und kann trotzdem die ganze Wahrnehmung dominieren. Wie ein Virus im Computer kreist das Tinnitus-Signal im Hörzentrum. Stille exisitiert nicht mehr! Befindet sich infolge des störenden Tinnitus der gesamte Organismus in einem ständigen Stresszustand, der zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder sogar zu Depressionen führt, sprechen Mediziner vom dekompensierten Tinnitus. Folgerichtig wird zur Behandlung eine Wiederherstellung der Filterwirkung angestrebt. Hier wird als Teil der Therapie ein sogenannter Tinnitus-Masker mit einem Breitbandrauschen eingesetzt, welches leiser als ein Ohrgeräusch ist. Die Aufmerksamkeit soll bewusst auf andere akustische Reize gelenkt werden. Stress, Müdigkeit und Lärm, aber auch Schmerzen, Kiefer-, Schulter- und Nackenverspannungen können die Wahrnehmung von Tinnitus zusätzlich erhöhen. Der böhmische Komponist Bedřich Smetana (1824 – 1884) litt unter extrem starken Ohrgeräuschen. Tag und Nacht hörte er das schrille Pfeifen „eines As-Dur Sextakkordes in den höchsten Registern einer Piccoloflöte“. Das Komponieren erforderte sehr viel Kraft und Konzentration. Am Ende seines Lebens war Smetana vollständig taub. Er zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und lebte auf dem Land, wo er als Komponist weiter arbeitete. Kurz vor seinem Tod wurde der mittlerweile psychisch und physisch stark belastete Smetana in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo er bald starb. Tinnitus kann in jedem Alter auftreten. Betroffene schildern. Und hier nochmals das bekannte Musikstück Normales Hören Tinnitus (Beispiel 1) Tinnitus (Beispiel 2) Unser Gehirn ist fähig Töne auszublenden oder Fehlendes zusammenzusetzen. Das kannst auch du. Unter dem folgenden Link erfährst du, wie eine der bekannten Akustischen Täuschungen funktioniert. Hören ist eine Form der Berührung Der Hörsinn ist nicht allein an Ohren gebunden, insbesondere Rhythmen und Vibrationen können durch das Gleichgewichtsorgan oder durch andere Sinne wahrgenommen und empfunden werden. Den Klang berühren, beschreibt Evelyn Glennie die gehörlose Solo-Perkussionistin das Hören. Wir ersetzen die Ohren einfach durch unseren Körper, durch Augen und durch das Fühlen. Wir spüren, visualisieren und fühlen die Schwingungen, die Tonkunst ausmacht. Wir nehmen den Klang und Rhythmus der Musik einfach anders und bewusster auf, da unser ganzer Körper im Einsatz ist. Viele können sich aber auch Musik vor ihrem geistigen Ohr vorstellen. Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) war bereits als 28-Jähriger schwerhörig. Seine letzten Werke komponierte er in völliger Taubheit. Beethoven hat unter seiner Beeinträchtigung des Gehörs extrem gelitten. In einem Brief an seinen Freund Dr. Franz Gerhard Wegeler schreibt er: Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden (Schwerhörigkeit) … nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort (Tinnitus). … Ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weils mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub. Hätte ich irgend ein anderes Fach so gings noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand. … Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht (Hochtonverlust), wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch hör ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht (Sprachverständlichkeitsverlust), und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich (Hyperakusis). Um das schlechter werdende Hörvermögen auszugleichen, liess Beethoven sein Klavier mit bis zu 4 Saiten bespannen. Eine weitere Unterstützung war ein an seinem Flügel befestigter Holzstab, den Beethoven zwischen seine Zähne nahm. Auf diese Weise fühlte er die Vibrationen und konnte trotzdem mit beiden Händen spielen. Ab 1813 verwendete er Hörrohre um mit seiner Umgebung zu kommunizieren. Ab 1818 benutzte Beethoven Konversationshefte, in die seine Gesprächspartner ihre Äusserungen notierten. Das war ausserordentlich mühsam. Ab 1819 war Beethoven völlig taub. Das Gehörleiden stellte nicht nur eine ernste Bedrohung seiner Laufbahn als Musiker dar, sie beeinträchtigte auch seinen gesellschaftlichen Umgang. Beethovens Hörrohre wurden von Johann Melzel, dem Erfinder des Metronoms, hergestellt . Schwerhörigkeit führt zu sozialer Isolation Es war der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1770 – 1804) der anmerkte, schlechtes Sehen trenne von den Dingen, Schwerhörigkeit hingegen trenne von den Menschen. Auch Beethoven beschreibt die charakteristische soziale Isolation des Schwerhörigen. Die Schwerhörigkeit als Krankheit sei im wahrsten Sinne des Wortes doppelt unsichtbar: Man kann sie nicht sehen, und der Betroffene macht sich unsichtbar. Beethoven zieht sich aus der Welt der Hörenden zurück. Ein bestimmender Teil seines Menschseins geht unaufhaltsam verloren. Die Krankheit stürzte Beethoven in eine schwere persönliche Krise, die ihn zeitweilig sogar an Selbstmord denken liess. Trotz quälender Gehörprobleme komponierte Beethoven grosse Meisterwerke. Könnte Beethovens Schwerhörigkeit heute behandelt werden? Das Ohrenleiden von Beethoven wurde ab 1800 mit Mandelöl-Ohrentropfen und Meerrettich-Baumwolle behandelt. Die Anwendung bestimmter Teesorten, aber auch sogenannte Vesikatorien als „blasenziehende Mittel“ wie z.B. Senf-Umschläge, zur Ableitung von Entzündungen in tiefer gelegenen Teilen, konnten nicht helfen. Die giftigen Larven der Spanischen Fliege, pulverisiert und als Umschläge aufgetragen, führten zu Blasen auf der Haut. Man hoffte, dass mit dem Verschwinden der Blasen auch das Gehörleiden verschwinden würde. Schliesslich wurde er zur Kur geschickt und es wurden lauwarme Donaubäder verschrieben, die angeblich bei den Ohrgeräuschen etwas geholfen haben sollen. Was heute fremd anmutet, war typisch für die damalige Zeit. Beethoven war fortschrittsgläubig und liess sich von den besten Ärzten kurieren. In der Kindheit erlitt Beethoven eine schwere Bleivergiftung, die möglicherweise mit seinen Beschwerden zusammenhängen könnte. Sicher ist das nicht. Doch aufgrund von Obduktionsberichten ist bekannt, dass Beethoven ab ca. 1800 unter einer zunehmenden Otosklerose, einer Erkrankung der Gehörknöchelchen im Mittelohr, litt. Die Erkrankung führt durch die Fixierung der Steigbügelplatte beim ovalen Fenster (s. Unser Gehör, das Mittelohr) zu einer zunehmenden Schallleitungsschwerhörigkeit. Erkrankungsherde in der Schnecke können eine zusätzliche Innenohrschwerhörigkeit verursachen. Die Ursache der Erkrankung ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die krankheitsbedingten Veränderung des Knochens führen zu Wucherungen und Umbauprozessen im Innenohr. Bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit kann ein Hörgerät das Hörvermögen sehr gut verbessern. Das Fortschreiten der Erkrankung wird dadurch aber nicht unterbunden. Eine Operation (Stapedektomie = Entfernung des Steigbügels mit Einsatz einer Prothese) würde heute ca. 30 Minuten dauern. Nach 2-3 Wochen kann die berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen werden. Ohne Behandlung führt die fortschreitende Krankheit zur Atrophie (Verkümmerung) der Gehörnerven und damit zur völligen Taubheit. Der heutige Stand der Medizin hätte Beethoven mit relativ geringem Aufwand und in kurzer Zeit helfen können. Damit wäre ihm grosses Leid erspart geblieben! Ob seine Kompositionen anders geklungen hätten? Diese Frage bleibt offen. Wer gut hört, kann sich kaum vorstellen was es heisst, unzureichend oder gar nicht zu hören. Unter dem folgenden Link kannst du eine Gehörschadensimulation ausprobieren.