Jahresbericht 2008

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Nationale Referenzzentrale für Diphtherie
analyse BioLab GmbH
Ein Unternehmen von Elisabethinen Linz,
MBB BioLab und AGES
Derfflingerstr. 2
4017 Linz
Tel. 070-781991-0
E-mail: [email protected]
Ansprechperson:
Dr. Ulrich Sagel, MSc
Zusammenfassung
Im Jahr 2008 sind weder Fälle von Diphtherie in Österreich gemeldet worden, noch
toxinogene Korynebakterien in der Referenzzentrale nachgewiesen worden. Zur aktuellen
epidemiologischen Situation in Europa und weltweit wird eine Übersicht gegeben.
Summary
In 2008, neither cases of diphtheria have been reported in Austria nor have toxinogenic
corynebacteria been detected in the reference centre for diphtheria. We give an overview
about the current epidemiological situation in Europe and worldwide.
Jahresbericht 2008
Im Jahr 2008 sind wie in den vorangegangenen Jahren keine Fälle von Diphtherie in
Österreich gemeldet worden. Die Referenzzentrale für Diphtherie ist in diesem Zeitraum nur
ein einziges Mal zur Abklärung eines Verdachtsfalles in Anspruch genommen worden:
Am 27.08.2008 wurde eine 25-jährige Patientin aus Tschetschenien vom Hausarzt mit der
Einweisungsdiagnose „Diphtherieverdacht“ in das Landeskrankenhaus Klagenfurt
eingewiesen. Zwei Hals-Nasen-Ohren-Ärzte untersuchten die Patientin und haben
unverzüglich mikrobiologische Untersuchung und Penicillintherapie eingeleitet. Obwohl der
Lokalbefund an eine Tonsillitis anderer infektiöser Genese denken ließ, wurde die Patientin
vorsichtshalber isoliert. Das mikrobiologische Institut am Krankenhaus hat jeweils einen
Rachenabstrich selbst untersucht und einen an uns geschickt. Potentiell pathogene
Korynebakterien wurden nicht nachgewiesen, jedoch Streptococcus pyogenes.
Zwischen den anlässlich des Diphtherieverdachts beteiligten Stellen (HNO-Abteilung und
Mikrobiologie des Landeskrankenhauses, Landessanitätsdirektion und örtliche
Gesundheitsbehörde, Gesundheitsministerium, Referenzzentrale) wurde rasch per E-Mail ein
enger, vorbildlicher Informationsaustausch hergestellt. Angesichts mangelnder
Verfügbarkeit von Antitoxin in Österreich haben sich die Gesundheitsbehörden hinsichtlich
der Präventionsmaßnahmen trotz eines nur geringgradigen Verdachts zu einem möglichst
vorsichtigen Vorgehen entschieden (nebst der vom Krankenhaus schon unverzüglich
eingeleiteten Isolation der Patientin prophylaktische Behandlung der Kontaktpersonen bis
zur Entwarnung durch die mikrobiologischen Laboratorien).
Das Fehlen von beobachteten Fällen von Diphtherie in Österreich sollte keine falsche
Sicherheit vortäuschen: In vielen Ländern der Welt ist die Krankheit nach wie vor vorhanden.
Für das Jahr 2007 wurden weltweit offiziell insgesamt 4273 Fälle von Diphtherie der WHO
gemeldet. Davon entfallen 3354 Fälle auf Indien, 183 auf Indonesien und 104 auf
Afghanistan. Zwischen 10 und 100 Fälle wurden aus Haiti, der Russischen Föderation,
Bangladesh, Ukraine, Nepal, Philippinen, Iran, Vietnam, Lettland, Pakistan, Niger und Jemen
berichtet. Weitere 22 Länder gaben mindestens einen Fall an [1].
Im November 2007 fand die 2. Jahrestagung des Diphtheria Surveillance Networks (DIPNET),
gleichzeitig 10. Internationales Treffen der European Laboratory Working Group on
Diphtheria (ELWGD) in Larnaca/Zypern statt (siehe auch [2]):
D. Mercer (WHO Regional Office for Europe, Kopenhagen) berichtete, dass
Gegenmaßnahmen, insbesondere Massenimpfungen, die Diphtherieepidemie in Osteuropa
mit über 50000 Fällen im Jahr 1995 in den folgenden Jahren unter Kontrolle gebracht haben.
Trotzdem zirkuliert die Erkrankung immer noch in mehreren osteuropäischen Ländern wie
Rußland, der Ukraine und Lettland. Weitere Einzelheiten wurden von Kollegen der
betroffenen Länder vorgetragen.
In Westeuropa werden nur sehr vereinzelt Diphtheriefälle beobachtet. Praktisch ebenso
häufig werden Infektionen von Menschen mit toxinbildenden Corynebacterium ulcerans
nachgewiesen. Klinisch sind diese Infektionen praktisch einer Diphtherie gleichzusetzen,
aber epidemiologisch im wesentlichen als Zoonosen aufzufassen (cave: Mensch-zu-MenschÜbertragung trotzdem möglich):
Während vor vielen Jahrzehnten der Hauptinfektionsweg dieses Erregers über
unpasteurisierte Milch von Kühen mit Euterentzündung ausging, werden die derzeit
aufgeklärten Fälle im wesentlichen auf infizierte Haustiere wie Hund und Katze
zurückgeführt.
Doch scheint das Reservoir dieses Erregers im Tierreich vielfältiger zu sein: In Deutschland
wurde nach klinisch apparenter Infektion einer 56-jährigen Landwirtin im Dezember 2007
nur bei einem Schwein des Bauernhofs der genotypisch identische Erreger gefunden,
während Untersuchungen bei den Haustieren keine Keimträger aufdeckten. Der
Toxinnachweis beim Corynebacterium ulcerans-Isolat konnte mit mehreren genotypischen
und phänotypischen Methoden geführt werden und die Patientin zeigte vorübergehend
klinische Zeichen einer postdiphtherischen Polyneuropathie, obwohl sie zeitnah mit
Antitoxin und Penicillin behandelt wurde und bei ihr eine Grundimmunisierung gegen
Diphtherie anamnestisch eruiert werden konnte. Ihre letzte Auffrischimpfung lag jedoch
mehr als zehn Jahre zurück [3].
Noch eindrucksvoller hinsichtlich der geringen Wirtspezifität ist ein Fallbericht aus Japan:
Dort verstarben im Jahr 2004 im gleichen Gehege im Abstand von wenigen Wochen zwei
Killerwale. Bei beiden ergab post mortem gewonnenes Untersuchungsmaterial von Blut und
aus der Lunge den Nachweis von toxinbildenden Corynebacterium ulcerans, die genotypisch
als identische Isolate bewertet wurden.
Auf der Jahrestagung wurden zwei praktische Probleme erörtert, die den beteiligten Ländern
Sorgen bereiten. Ein Rundversuch zeigte, daß nicht wenige Referenzlabore Schwierigkeiten
haben, potentiell toxinogene Korynebakterien aus einem Keimgemisch zu isolieren, richtig zu
identifizieren und beim Toxintest die richtige Diagnose zu stellen. Zum anderem haben die
meisten Länder Schwierigkeiten, einen Notfallvorrat an Antitoxin für die Therapie
vorzuhalten, weil die meisten Hersteller aus ökonomischen Gründen die Produktion
eingestellt haben. Dem Autor ist derzeit für Österreich nur bekannt, daß die Apotheke des
Allgemeinen Krankenhauses Linz noch über 4 x 10.000 I.E. Antitoxin verfügt, das bis Oktober
2010 haltbar ist (persönliche Mitteilung von Herrn Mag. Dr. A. Weigl, Leiter der Apotheke).
Bei mittelschwerem Erkrankungsfall werden pro Patient 20.000 bis 40.000 I.E. benötigt [4].
Im Falle eines Ausbruchs ist damit zu rechnen, dass mehrere Erkrankte nicht mit Antitoxin
versorgt werden können.
Diphtherie ist seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in Österreich nachgewiesen worden.
Trotzdem sollte auf die regelrechte Schutzimpfung einschließlich der Auffrischimpfungen im
Erwachsenenalter großen Wert gelegt werden. Das gilt besonders für die Reisemedizin, da
der Erreger in vielen Ländern der Welt nachweislich vorkommt und die Dunkelziffer
angesichts des schwierigen Nachweises hoch sein dürfte. Daneben sollte beachtet werden,
daß die Impfung auch gegen Corynebacterium ulcerans-Infektionen schützt.
Literatur
1.
Meldedaten der WHO:
http://www.who.int/vaccines/globalsummary/immunization/timeseries/tsincidencedip.htm (update of
December/2008)
2.
Sing A, Hellenbrand W. Aktuelle Aspekte zur Diphtherie in Europa. Epid Bull 2009; 2: 9-11:
http://www.rki.de/cln_100/nn_1378492/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2009/02__09,templateId=ra
w,property=publicationFile.pdf/02_09.pdf
3.
Sing A. Fallbericht: Diphtherie durch toxigene Corynebacterium ulcerans nach Schweinekontakt. Epid Bull
2009; 2: 12-13:
http://www.rki.de/cln_100/nn_1378492/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2009/02__09,templateId=ra
w,property=publicationFile.pdf/02_09.pdf
4.
Begg N. Manual for the Management and Control of Diphtheria in the European Region. WHO Europe,
Kopenhagen 1994: http://www.who.int/vaccines-documents/DocsPDF05/0602170624_001.pdf
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