Der Satz von Kuiper über die Zusammenziehbarkeit von GL(H) für unendlich-dimensionale Hilberträume H Diplomarbeit am Mathematischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vorgelegt von Walther Paravicini Kiel 2003 Betreuer: Priv.-Doz. Dr. Olaf von Grudzinski Inhaltsverzeichnis 1 Reduktion des Satzes von Kuiper auf Hilfsmittel aus der Homotopie- und Hilbertraum-Theorie 8 1.1 Das notwendige Vokabular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.2 Der Satz von Kuiper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3 Beweis-Hilfsmittel aus der Homotopie-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.4 Beweis-Hilfsmittel aus der Hilbertraum-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.5 Herleitung des Satzes von Kuiper unter Verwendung der genannten BeweisHilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2 Homotopie und Deformation 20 2.1 Homotopie und die Kategorie hTop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.2 Homotopie und Teilmengen topologischer Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.3 Der Homotopietyp von U(A) und G(A) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3 Zusammenziehbare Räume 3.1 Zusammenziehbarkeit . . . . . . . . . . . . . 3.2 Schwache Zusammenziehbarkeit . . . . . . . 3.3 Simplizialkomplexe . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zusammenziehbarkeit in normierten Räumen 3.5 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 32 36 40 52 57 4 Die Hilbertraum-Summe 59 I I 4.1 Die Kategorien HilbSp und HilbSp∞ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.2 Die Hilbertraum-Summe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5 Die Hilbertraum-Dimension 5.1 Zwei Hilfsgrößen . . . . . . . . . . . 5.2 Definition der Hilbertraum-Dimension 5.3 Orthogonalzerlegungen . . . . . . . . 5.4 Die Ko-Dimension . . . . . . . . . . 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 69 72 74 74 Beweise der Lemmata aus Abschnitt 1.4 77 6.1 Beweis des Füge-Lemmas (Lemma 1.4.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 6.2 6.3 6.4 6.5 7 2 Beweis des Zerlege-Lemmas (Lemma 1.4.3) . . . . Beweis des Dreh-Lemmas (Lemma 1.4.4) . . . . . Beweis des Untergruppen-Lemmas (Lemma 1.4.7) Ein Alternativer Beweis des Zerlege-Lemmas . . . Der Satz von Kuiper-Mingo 7.1 Hilbert-Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Der Satz von Kuiper-Mingo . . . . . . . . . . . 7.3 Inwieweit läßt sich mein Beweis für den Satz Kuiper-Mingo übertragen? . . . . . . . . . . . A Topologischer Anhang A.1 Homotopie und stetige Wege im Vergleich A.2 Die induktive und die schwache Topologie A.3 Die Weg-Topologie . . . . . . . . . . . . A.4 Minkowski-Funktionale . . . . . . . . . . A.5 Kugelartige Mengen . . . . . . . . . . . A.6 Parakompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Kuiper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 82 87 93 98 . . . . . . . . . 98 . . . . . . . . . 105 den Satz von . . . . . . . . . 108 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 112 113 115 124 131 133 B Das Rechnen mit Kardinalzahlen 135 B.1 Gleichmächtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B.2 Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 C Kategorieller Anhang C.1 Grundlegende Definitionen . . . . . C.2 Funktoren . . . . . . . . . . . . . . C.3 Spezielle Morphismen . . . . . . . C.4 Null-Objekte und Null-Morphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 140 146 151 157 D Logarithmus und Polarzerlegung in C ∗ -Algebren 162 ∗ D.1 C -Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 D.2 Logarithmus und Polarzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Einleitung Im Jahre 1964 bewies Nicolaas Kuiper1 den folgenden Satz, dem diese Arbeit gewidmet ist: Satz (Kuiper, 1965). Ist H ein unendlich-dimensionaler R- oder C-Hilbertraum, so ist die unitäre Gruppe U(H) zusammenziehbar. Zusätzlich zeigte er die folgende Umformulierung dieses Satzes: Satz (Kuiper, 1965). Ist H ein unendlich-dimensionaler R- oder C-Hilbertraum, so ist die Gruppe GL(H) der invertierbaren stetigen Operatoren auf H zusammenziehbar. Beide Sätze bewies Kuiper für separable Hilberträume. Luc Illusie veröffentlichte bald darauf einen Artikel2 , in dem er den nicht-separablen Fall auf den separablen zurückführte und für letzteren einen alternativen Beweis angab. Kuipers Beweis ist als eine Abfolge konkreter Rechnungen angelegt und wirkt dadurch vergleichsweise unübersichtlich. Illusie hingegen gliedert seinen Beweis in klar voneinander abgegrenzte Lemmata und gibt dem allgemeinen und kurzen Argument den Vorrang. Allerdings führt dies auch dazu, daß an mehreren Stellen dem Leser deutlich mehr Vorwissen abverlangt wird, so etwa über einige Eigenschaften von Hauptfaserbündeln. Diese Diplomarbeit bietet einen ausführlichen Beweis des Satzes von Kuiper, wobei ich grundsätzlich denselben Beweisplan wie Illusie verfolge. Genauer: • Alle benötigten Hilfsmittel werden systematisch erarbeitet und ausführlich vorgestellt. • Die verwendeten Hilfsmittel sind gegenüber denen im Beweis von Illusie elementarer (so konnte ich etwa auf einen Rückgriff auf die oben erwähnten Hauptfaserbündel verzichten). • Im hier vorgestellten Beweis werden die eleganten Beweisschritte von Illusie in leicht verbesserter Form deutlich und gründlich ausgeführt. • Ich zeige den Satz direkt für beliebige unendlich-dimensionale Hilberträume, ohne einen Reduktionsschritt auf den separablen Fall machen zu müssen. Um einen schnellen Einstieg in den Satz und seinen Beweis zu ermöglichen, führe ich im ersten Kapitel – zunächst ohne Beweis – einige Hilfssätze auf und leite dann den Satz von Kuiper aus diesen Hilfsaussagen her. In den folgenden Kapiteln werden dann die Hilfsmittel, die zum Teil aus der Homotopie-Theorie, zum Teil aus der Theorie der Hilberträume stammen, nach und nach systematisch hergeleitet. 1 2 Siehe [Kui65]. Siehe [Ill65]. 3 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 4 Der Homotopie-theoretische Rahmen Zentral sowohl für das Verständnis des Satzes von Kuiper als auch für seinen Beweis sind die Begriffe Homotopie und Deformation. Einer Einführung in diese Begriffsbildungen ist deshalb in dieser Arbeit ein ganzes Kapitel gewidmet. Hierbei lege ich einerseits Wert darauf, in einem geeigneten kategoriellen Rahmen zu arbeiten, das heißt in der Homotopie-Kategorie, andererseits ist die hier gegebene kleine Einführung in die Homotopie-Theorie auf die Bedürfnisse dieser Arbeit zugeschnitten. Es werden die Begriffe Retrakt und Deformationsretrakt analysiert, und schließlich wird gezeigt, daß für jede C ∗ -Algebra A, ob reell oder komplex, die unitäre Gruppe U(A) ein strenger Deformationsretrakt von GL(A) ist. Hieraus ergibt sich, wie wir sehen werden, sofort, daß die beiden oben genannten Versionen des Satzes von Kuiper äquivalent sind. Einer der zentralen Begriffe in dieser Arbeit ist der der Zusammenziehbarkeit topologischer Räume. Anschaulich gesprochen bedeutet die Zusammenziehbarkeit eines topologischen Raumes, daß man diesen stetig zu einem einzigen seiner Punkte verformen – eben zusammenziehen – kann. Dies ist eine Eigenschaft, die zum Beispiel Vollkugeln, nicht jedoch endlich-dimensionalen Sphären haben. Der Begriff der Zusammenziehbarkeit wird in einem eigenen Kapitel näher beleuchtet: So wird etwa gezeigt, daß ein topologischer Raum genau dann zusammenziehbar ist, wenn er in der Homotopie-Kategorie isomorph zu einem einpunktigen Raum ist. Ich stelle ein wichtiges Instrument vor, mit dem man die Zusammenziehbarkeit von offenen Teilmengen normierter Räume nachweisen kann, nämlich den folgenden Satz, für den ich einen Beweis angebe: Satz. Eine offene Teilmenge eines normierten Raumes ist genau dann zusammenziehbar, wenn sie schwach zusammenziehbar ist. Dabei heißt ein topologischer Raum schwach zusammenziehbar, wenn alle seine Homotopiegruppen trivial sind. In dieser Arbeit werden von den Homotopiegruppen eines topologischen Raumes nur die zugrundeliegenden Mengen eingeführt. Ich verzichte jedoch darauf, die Gruppenstruktur auf den Homotopiegruppen zu etablieren, da wir diese hier nicht benötigen, um die Trivialität von Homotopiegruppen nachzuweisen. Es sei angemerkt, daß es relativ leicht ist, topologische Räume zu konstruieren, die zwar schwach zusammenziehbar aber nicht zusammenziehbar sind. Ein Beispiel gebe ich in Anhang A.3 an. In diesem Anhang stelle ich auch die sogenannte Weg-Topologie ausführlich vor, die sich als ein nützliches Instrument bei der Konstruktion dieses Beispiels herausstellt. Um den angegebenen Satz über die Zusammenziehbarkeit offener Teilmengen zu beweisen, wird gezeigt, daß jede offene Teilmenge eines normierten Raumes von einem Simplizialkomplex dominiert wird. Deshalb gebe ich zunächst eine Einführung in die Theorie der Simplizialkomplexe und stelle vor, wie man Topologien auf deren Realisierungen konstruieren kann und wie sie sich zusammen mit Homotopien verhalten. Insbesondere wird bewiesen, daß jeder topologische Raum, der von einem Simplizialkomplex dominiert wird, genau dann zusammenziehbar ist, wenn er schwach zusammenziehbar ist. Schließlich werden die Nerven von Überdeckungen eingeführt, und es wird gezeigt, wie man mit der Wahl geeigneter Überdeckungen für jede offene Teilmenge jedes normierten Raumes einen Simplizialkomplex konstruieren kann, der diese dominiert. Mit dem obigen Satz beweist man sofort das folgende Resultat: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 5 Satz. Für jeden unendlich-dimensionalen normierten Raum ist die Einheitssphäre zusammenziehbar. Im Hilbertraumfall kann man dieses Ergebnis – wie gezeigt wird – auch direkt erzielen. Der Beweis für diesen Spezialfall läßt sich aber nicht in offensichtlicher Weise auf die allgemeine Situation übertragen. Grundlagen und Hilfsmittel aus der Hilbertraum-Theorie Zwei grundlegende Konzepte aus der Theorie der Hilberträume sind für den Beweis des Satzes von Kuiper von zentraler Bedeutung: Die Hilbertraum-Summe und die HilbertraumDimension. Einem systematischen und Kategorien-theoretischen Zugang zur Hilbertraum-Summe, deren Spezialfälle die innere und die äußere Hilbertraum-Summe bilden, ist in dieser Arbeit das zweite Kapitel gewidmet. An verschiedenen Stellen im Beweis des Satzes von Kuiper wird eine einfache Methode zur Konstruktion von Homotopien mit Werten in GL(H) benutzt, bei welcher stetige Funktionen mit Werten in GL(H 0 ) für verschiedene Unterräume H 0 von H zu einer stetigen Funktion mit Werten in GL(H) zusammengefügt werden. Als Hilfsmittel zum Beweis des Satzes von Kuiper gebe ich einfache Bedingungen an, unter welchen diese Methode funktioniert. Im dritten Kapitel erinnere ich an die Definition der Hilbertraum-Dimension und leite einige einfache Rechenregeln her. Der Beweis des Satzes von Kuiper ist im separablen Fall deshalb einfacher, weil man bei Unterräumen nur zwischen endlicher und abzählbar unendlicher Dimension unterscheiden muß, während es im allgemeinen Fall jedoch notwendig ist, Unterräume verschiedener unendlicher Dimension zu diskriminieren. Man kann im separablen Fall das Rechnen mit unendlichen Hilbertraum-Dimensionen fast völlig umgehen. Aus diesem Grund hat Illusie seinen Beweis auch mit einem Reduktionsschritt des allgemeinen auf den separablen Fall begonnen. Bei ihm bleibt aber im Dunkeln, an welcher Stelle im Beweis dieser Reduktionsschritt gemacht werden sollte. Ich gebe in dieser Arbeit wie gesagt einen Beweis des Satzes von Kuiper ohne Reduktionsschritt an, wobei ich mit unendlichen Hilbertraum-Dimensionen, also mit unendlichen Kardinalzahlen, rechne. Zusätzlich dazu habe ich einen Vorschlag ausgearbeitet, an welcher Stelle im Beweis der Reduktionsschritt von Illusie anwendbar ist: Die Anwendung beschränkt sich dabei allerdings nur auf einen alternativen Beweis eines Hilfssatzes. Dieser Hilfssatz und einige weitere, speziellere Hilfsmittel aus der Hilbertraum-Theorie sind im ersten Kapitel detailiert aufgeführt und werden im sechsten Kapitel bewiesen. Ausblick: Der Satz von Kuiper-Mingo Es ist möglich, den Satz von Kuiper auf sogenannte Hilbert-Moduln zu verallgemeinern. HilbertModuln über einer C ∗ -Algebra A stellen eine Verallgemeinerung von Hilberträumen dar, wobei im wesentlichen das K-wertige innere Produkt eines Hilbertraumes durch ein A-wertiges inneres Produkt ersetzt wird. Auf die exakten Definitionen gehe ich in Kapitel 7 näher ein. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 6 Die Rolle des Standard-Modells l2 (N, K) für einen separablen Hilbertraum spielt in der Theorie der Hilbert-Moduln der Hilbert-Modul l2 (N, A). Die Rolle der Gruppe GL(l2 (N, K)) spielt die Gruppe GL∗ (l2 (N, A)) der invertierbaren adjungierbaren Operatoren auf l2 (N, A). Der Satz von Kuiper-Mingo, den Mingo im Jahre 1982 bewiesen hat, besagt nun: Satz (Kuiper-Mingo). 3 Ist A eine unitale C ∗ -Algebra über C, so ist die Gruppe GL∗A (l2 (N, A)) zusammenziehbar. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Beweisen dieses Satzes4 , von denen zwei sich am Beweisplan von Kuiper orientieren: Bei dem von Troitskii 5 wird wie bei Kuiper viel gerechnet, der von Kasimov6 wäre zwar elegant und elementar, ist aber wohl fehlerhaft 7 . Es liegt also nahe, zu versuchen, den in dieser Diplomarbeit vorgestellten Beweis des Satzes von Kuiper zu einem Beweis des Satzes von Kuiper-Mingo auszubauen. Bei einigen in dieser Arbeit verwendeten Hilfsmitteln aus der Hilbertraum-Theorie, wie zum Beispiel bei der Hilbertraum-Summe, ist die Verallgemeinerung auf den Hilbert-Modul-Fall zwar ohne nennenswerte Probleme möglich. Für andere Hilfsmittel kann man sich immerhin Ersatz verschaffen, wenn auch recht mühsam. Schwierigkeiten bereitet jedoch, daß es in Hilbert-Moduln abgeschlossene Teilmoduln geben kann, die kein orthogonales Komplement besitzen. Die Zerlegung von Hilberträumen in orthogonale Summen, wie sie in dieser Arbeit mehrfach durchgeführt wird, ist für Hilbert-Moduln deshalb nur in sehr speziellen Situationen möglich. Die Hilbertraum-Dimension hat – wie zu erwarten – keine Verallgemeinerung in der Theorie der Hilbert-Moduln. Statt hier einen kompletten Beweis für den Satz von Kuiper vorzulegen, begnügne ich mich daher damit, in Kapitel 7 knapp die Grundzüge der Theorie der Hilbert-Moduln zu schliedern und zu skizzieren, in welchem Ausmaß ich meinen Beweis und die einzelnen Hilfsmittel aus der Hilbertraum-Theorie bereits auf Hilbert-Moduln übertragen konnte. Eine detailliertere Behandlung des Satzes von Kuiper-Mingo bleibt einer späteren Arbeit vorbehalten. Anhänge Diese Diplomarbeit hat vier Anhänge. Der erste, topologische Anhang stellt verschiedene topologische Begriffe und Sätze für diese Arbeit zur Verfügung. Hervorzuheben ist dabei der Abschnitt über die zu Unrecht wenig bekannte Weg-Topologie, in dem diese eingeführt und eingehend erläutert wird. Im zweiten Anhang führe ich einige grundlegende Definitionen und Regeln zum Rechnen mit Kardinalzahlen auf. Dieses Material wird benötigt für das Rechnen mit unendlichen Hilbertraum-Dimensionen. 3 Siehe [Min82]. Näheres hierzu findet sich in Kapitel 7 5 Siehe [Tro86]. 6 Siehe [Kas82]. 7 Siehe Kapitel 7, Abschnitt 7.2.2. 4 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 7 Sowohl in den Homotopie-theoretischen Teilen dieser Arbeit als auch bei der Erörterung der Hilbertraum-Summe benutze ich die Sprache der Kategorien-Theorie. Eine kurze Einführung in diese bietet der dritte Anhang. Den Schluß der Arbeit bildet ein kuzer Anhang zu Logarithmus und Polarzerlegung in ∗ C -Algebren. Diese werden benötigt, um Homotopien in C ∗ -Algebren zu konstruieren. Danksagung An dieser Stelle möchte ich zunächst meinem Betreuer Priv.-Doz. Dr. Olaf von Grudzinski für seine Unterstützung und konstruktive Kritik danken. Ebenso danke ich Prof. Dr. Volker Wrobel, der mir im Rahmen eines Seminarvortrages das Thema dieser Arbeit gestellt hat. Ich danke auch Herrn Prof. Dr. Carl-Friedrich Bödigheimer, der mich auf die Möglichkeit eines direkten Beweises für die Zusammenziehbarkeit der Einheitskugel eines unendlichdimensionalen Hilbertraumes aufmerksam gemacht hat. Ferner danke ich Prof. Dr. Jens Heber und Andreas Thom, die mir alternative Beweismöglichkeiten für das Dreh-Lemma erläutert haben, auf die ich dann doch nicht zurückgegriffen habe. Zu guter Letzt bleibt mir noch Jennifer Salau für unendliche Mengen Tee und Unterstützung zu danken. Bezeichnungen und Konventionen Sei K ∈ {R, C}. Sofern nichts anderes gesagt wird, ist jeder in dieser Arbeit auftretende normierte Raum ein normierter Raum über K. Selbiges gilt für Hilberträume. Sind E und F normierte Räume, so schreibe L(E, F ) für den Raum der linearen, stetigen Operatoren von E nach F und GL(E, F ) für die Menge der linearen, stetigen, invertierbaren Operatoren von E nach F mit stetigen Inversen. Für jeden normierten Raum E sei S(E) die Einheitssphäre von E; ferner schreiben wir L(E) für L(E, E) und GL(E) für GL(E, E). Für jedes n ∈ N0 setze S n := {x ∈ Rn+1 | kxk2 = 1} und Dn := {x ∈ Rn | kxk2 ≤ 1}. Kapitel 1 Reduktion des Satzes von Kuiper auf Hilfsmittel aus der Homotopie- und Hilbertraum-Theorie Diese Kapitel gliedert sich in drei Blöcke: Den ersten bilden die Abschnitte 1.1 und 1.2, in denen der Satz von Kuiper samt dem benötigten Vokabular vorgestellt wird. In den Abschnitten 1.3 und 1.4 werden die Beweishilfsmittel aus der Homotopie- und Hilbertraum-Theorie vorgestellt, die in den späteren Kapiteln bewiesen werden. Im letzten Abschnitt wird schließlich der Satz von Kuiper unter Verwendung dieser Hilfsmittel bewiesen. 1.1 Das notwendige Vokabular 1.1.1 Die Unitäre Gruppe U(H) Definitionssatz 1.1.1 (unitäre Abbildungen). Seien H, H 0 Hilberträume und ϕ ∈ GL(H, H 0 ). Dann heißt ϕ unitär, wenn ϕ−1 = ϕ∗ gilt. Die Menge aller unitären Abbildungen von H nach H 0 bezeichnen wir mit U(H, H 0 ). Im Falle H = H 0 schreiben wir dafür U(H). Satz 1.1.2. Die Hintereinanderausführung unitärer Abbildungen ist unitär. Die Identität auf einem Hilbertraum ist unitär. Die Hilberträume zusammen mit den unitären Abbildungen zwischen ihnen bilden eine konkrete Kategorie. Bemerkung 1.1.3. Seien H, H 0 Hilberträume und ϕ ∈ U (H, H 0 ). Dann ist offenbar auch ϕ−1 = ϕ∗ unitär, und es gilt, wenn H nicht trivial ist, die Gleichung kϕk = kϕ−1 k = 1. Die Abbildungen ϕ und ϕ−1 sind also insbesondere isometrisch. Definitionssatz 1.1.4 (die unitäre Gruppe). Sei H ein Hilbertraum. Dann ist U(H) eine Untergruppe von GL(H), genannt die unitäre Gruppe von H. 8 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 9 1.1.2 Zusammenziehbare Räume Schreibweisen 1.1.5. Seien T, X, Y Mengen. Ist H : T × X − → Y eine Funktion, so bezeichnen wir für jedes t ∈ T die Funktion H(t, ·) : X − → Y mit Ht . Definition 1.1.6 (zusammenziehbar). Sei X ein topologischer Raum. 1. Sei A ⊆ X nicht leer und x0 ∈ X. Eine stetige Abbildung K : [0, 1] × A − → X mit den Eigenschaften • K0 = IdA und • ∀x ∈ A : K1 (x) = x0 heißt Kontraktion in X von A auf x0 . Gibt es eine solche Kontraktion, so nennen wir A in X auf x0 zusammenziehbar. 2. Ist A ⊆ X nicht leer, nennen wir A zusammenziehbar in X, wenn es ein x0 ∈ X gibt, auf das A zusammenziehbar ist. 3. Ist X in sich zusammenziehbar, so nennen wir den topologischen Raum X schlicht zusammenziehbar oder kontrahierbar. Eine Kontraktion von X in sich heißt schlicht Kontraktion von X. 1.2 Der Satz von Kuiper Wir führen hier nun die beiden Versionen des Satzes von Kuiper auf, deren Äquivalenz später 1 gezeigt wird. Die erste Version wird im folgenden bewiesen. Satz 1.2.1 (Kuiper, 1965). zusammenziehbar. 2 Ist H ein unendlich-dimensionaler K-Hilbertraum, so ist GL(H) Satz 1.2.2 (Kuiper, 1965). Ist H ein unendlich-dimensionaler K-Hilbertraum, so ist U(H) zusammenziehbar. 1.3 Beweis-Hilfsmittel aus der Homotopie-Theorie 1.3.1 Grundbegriffe Definition 1.3.1 (Homotopie). Seien X und Y topologische Räume. • Dann heißt eine stetige Funktion H : [0, 1] × X − → Y Homotopie von X nach Y . 1 2 Siehe Abschnitt 2.3 und Abschnitt 3.1.2. Vergleiche [Kui65] und [Ill65]. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 10 • Sind f, g : X − → Y stetige Funktionen und H : [0, 1] × X − → Y eine Homotopie mit H0 = f und H1 = g, so heißt H Homotopie von f nach g. • Sind f, g : X − → Y stetige Funktionen, dann nennen wir f homotop zu g, geschrieben f 'C(X,Y ) g oder schlicht f ' g, wenn es eine Homotopie von f nach g gibt. Eine spezielle Art von Homotopien sind die Deformationen: Definition 1.3.2 (Deformation). Sei X ein topologischer Raum und seien A, B Teilmengen von X. Dann ist eine Deformation von A in X eine Homotopie D : [0, 1] × A − → X, mit der Eigenschaft D0 = IdA . Ist zusätzlich D1 (A) ⊆ B, so nennt man D eine Deformation in X von A nach B hinein und A in X nach B hinein deformierbar. Ist X selber in sich nach B hinein deformierbar, so nennt man X schlicht nach B hinein deformierbar. Offensichtlich vererbt sich die Deformierbarkeit in folgendem Sinne auf Teilmengen: Bemerkung 1.3.3. Ist X ein topologischer Raum, sind A, B Teilmengen von X und ist A in X nach B hinein deformierbar, so ist auch jede Teilmenge von A in X nach B hinein deformierbar. Der Zusammenhang zwischen Zusammenziehbarkeit und Deformierbarkeit ist der folgende: Bemerkung 1.3.4. Sei X ein topologischer Raum. Dann gilt: Eine Teilmenge A von X ist genau dann in X zusammenziehbar, wenn A nicht leer ist und es ein x0 ∈ X so gibt, daß A in X nach {x0 } hinein deformierbar ist. 1.3.2 Schrittweises Deformieren Das Deformieren ist bei der Konstruktion von Kontraktionen wichtig, weil man einen Raum durch sukzessives Deformieren in kleinere oder einfachere Mengen schrittweise zusammenziehen kann. Es gilt nämlich die folgende einfache Bemerkung: Bemerkung 1.3.5 (Methode des schrittweisen Deformierens). Sei X ein topologischer Raum. Seien n ∈ N, und sei für jedes i ∈ {1, . . . , n} eine Teilmenge Ai von X gegeben. Ist dann für alle i ∈ {1, . . . , n − 1} die Menge Ai in X nach Ai+1 hinein deformierbar, so ist A1 in X nach An hinein deformierbar. Beweis. Haben wir dieses Lemma für den Fall n = 3 bewiesen, so folgt daraus die allgemeine Aussage unmittelbar per Induktion. Sei also n = 3. Setze A := A1 , B := A2 und C := A3 . Seien D0 eine Deformation in X von A nach B hinein und D00 eine Deformation in X von B nach C hinein. Setze ( D0 (2t, a) für 0 ≤ t ≤ 1/2 D : [0, 1] × A − → X, (t, a) 7→ . 00 0 D (2t − 1, D (1, a)) für 1/2 ≤ t ≤ 1 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 11 Dann ist D wohldefiniert, da für alle a ∈ A gilt D00 (2 · (1/2) − 1, D0 (1, a)) = D00 (0, D0 (1, a)) = IdB (D0 (1, a)) = D0 (1, a) = D0 (2 · (1/2), a). Ferner ist D stetig, da es eine Vereinigung von stetigen Abbildung ist, der Definitionsbereiche eine endliche abgeschlossene Überdeckung von [0, 1] × A bilden. Es ist schließlich D eine Deformation von A in X nach C hinein, denn es gilt D0 = D00 = IdA und D1 (A) = (D100 ◦ D10 )(A) ⊆ C. 1.3.3 Das Hauptlemma Das entscheidende Hilfsmittel aus der Homotopietheorie für den Beweis des Satzes von Kuiper ist die folgende Aussage. Hauptlemma 1.3.6. Sei E ein normierter Raum und X eine offene Teilmenge. Dann sind äquivalent: 1. X ist zusammenziehbar; 2. X ist nicht leer, und für jeden endlich-dimensionalen Unterraum V von E gilt: V ∩ X ist leer oder in X zusammenziehbar. Dieses Hauptlemma ist ein sehr schlagkräftiges Hilfsmittel beim Nachweis der Zusammenziehbarkeit offener Teilmengen X von normierten Räumen, da man nicht eine Kontraktion der gesamten Menge X angeben muß, sondern sich auf Kontraktionen in X von Schnitten von X mit endlich-dimensionalen Teilräumen beschränken kann. Hierbei ist wichtig, daß im Falle, daß X eine offene Teilmenge eines unendlich-dimensionalen normierten Raumes ist, diese endlichdimensionalen Schnittmengen im Vergleich zu X „klein“ sind und trotzdem die Kontraktionen dieser Schnittmengen in X verlaufen dürfen, wo „viel Platz ist.“ Wir beweisen das Hauptlemma im Abschnitt3 3.4, nachdem im zweiten und dritten Kapitel die notwendigen Methoden zur Verfügung gestellt worden sind. 1.4 Beweis-Hilfsmittel aus der Hilbertraum-Theorie Erinnerung. Sei H ein Hilbertraum und (Hi )i∈IL eine Familie von paarweise orthogonalen, abgeschlossenen Teilräumen von H. Setze H̃ := i∈I Hi . Dann wird H̃ die innere l2 -direkte Summe oder innere Hilbertraum-Summe von (Hi )i∈I genannt, und wir schreiben ²¯ H̃ = ±° i∈I Hi . 3 Dort findet es sich als Teilaussage von Satz 3.4.14. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 12 1.4.1 Die Hilbertraum-Dimension Bekanntlich besitzt jeder Hilbertraum eine Orthonormalbasis und je zwei Orthonormalasen haben dieselbe Mächtigkeit4 . Somit kann man folgende Setzung vornehmen: Definition 1.4.1 (Hilbertraum-Dimension). Für jeden Hilbertraum H definieren wir die Hilbertraum-Dimension dim H als die Mächtigkeit einer und damit aller seiner Orthonormalbasen. Wenn es um Hilberträume geht, dann ist im folgenden, wenn nichts weiteres gesagt wird, mit Dimension bzw. dim die Hilbertraum-Dimension (und nicht die algebraische) gemeint. Für endlich-dimensionale Räume stimmt die Hilbertraum-Dimension mit der algebraischen überein. Mehr zur Hilbertraum-Dimension findet sich in Kaiptel 5. 1.4.2 Das Füge-Lemma Ist ein Hilbertraum H die innere Hilbertraum-Summe einer Familie (Hi )i∈I , so kann man unter bestimmten Bedingungen eine Homotopie in GL(H) konstruieren, indem man Homotopien mit Werten in den Räumen GL(Hi ) zu einer mit Werten in GL(H) zusammenfügt. Bedingungen, unter denen dies funktioniert, nennt das folgende Lemma 5 . Lemma 1.4.2 (Füge-Lemma). Sei H ein Hilbertraum und (Hi )i∈I eine Familie von paarweise orthogonalen, abgeschlossenen Teilräumen von H. Sei H̃ die innere Hilbertraum-Summe von (Hi )i∈I . Sei X ein topologischer Raum, und für jedes i ∈ I sei eine Funktion hi : X − → GL(Hi ) gegeben. Es gelte (F1) ∀x ∈ X : supi∈I khi (x)k < ∞. (F2) ∀x ∈ X : supi∈I khi (x)−1 k < ∞. (F3) Für jedes x ∈ X ist die Familie (hi )i∈I gleichgradig stetig in x, das heißt ∀ε > 0 ∃U Umgebung von x ∀y ∈ U ∀i ∈ I : d0i (hi (x), hi (y)) < ε. Dann gibt es genau eine Funktion h : X − → GL(H) mit den folgenden Eigenschaften: 1. ∀x ∈ X ∀i ∈ I : h(x)|Hi = hi (x). 2. ∀x ∈ X : h(x)|H̃ ⊥ = IdH̃ ⊥ . Diese Funktion h ist stetig. Gilt für alle i ∈ I sogar hi (X) ⊆ U(Hi ), dann gilt h(X) ⊆ U(H). Man beachte, daß im letzteren Fall die Bedinungen (F1) und (F2) automatisch erfüllt sind. Das Füge-Lemma wird in Abschnitt 6.1 bewiesen, wobei ich Begriffe und Sätze, die das Verständnis dieses Lemmas verbessern und den Beweis vereinfachen in Kapitel 4 vorstelle. 4 Vergleiche Abschnitt 5.2. Um das Füge-Lemma später leichter anwenden zu können, setzen wir hier nicht voraus, daß die innere Hilbertraum-Summe der Familie (Hi )i∈I den Raum H ganz ausschöpft. 5 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 13 1.4.3 Das Zerlege-Lemma Dieses Lemma ermöglicht es und, den unendlich-dimensionalen Hilbertraum H im Beweis des Satzes von Kuiper geeignet in kleinere Räume zu zerlegen, um dann Homotopien in den Gruppen der invertierbaren Operatoren dieser kleineren Räumen mit Hilfe des Füge-Lemmas zu Homotopien in GL(H) zusammenzusetzen. Lemma 1.4.3 (Zerlege-Lemma). Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum, d ∈ N und U ein d-dimensionaler Teilraum von L(H) mit IdH ∈ U . Dann gibt es eine unendliche Menge I, eine Familie (Ei )i∈I von Unterräumen von H und eine Familie (ai )i∈I von Einheitsvektoren in H mit den folgenden Eigenschaften 1. Die Mächtigkeit von I ist gleich der Hilbertraum-Dimension dim H. 2. Die Mitglieder der Familie (Ei )i∈I sind d+1-dimensional und paarweise orthogonal. 3. Für alle i ∈ I gilt U ai ⊆ Ei (also insbesondere ai ∈ Ei ). Das Zerlege-Lemma wird in Abschnitt 6.2 bewiesen, wobei ich Begriffe und Sätze, die für den Beweis dieses Lemmas notwendig sind, vornehmlich das Rechnen mit der HilbertraumDimension, in Kapitel 5 vorstelle. 1.4.4 Das Dreh-Lemma Das folgende Lemma kann man als den geometrischen Kern des Beweises des Satzes von Kuiper auffassen. Lemma 1.4.4 (Dreh-Lemma). Sei E ein Hilbertraum und F ein echter, abgeschlossener Unterraum. Sei a ∈ S(F ). Dann gibt es eine Homotopie g : [0, 1] × S(F ) − → U(E) derart, daß für alle f ∈ S(F ) gilt: g0 (f ) = IdE und g1 (f )f = a. Das Dreh-Lemma wird in Abschnitt 6.3 bewiesen. 1.4.5 Das Untergruppen-Lemma Um dieses Lemma formulieren zu können, benötigen wir den folgenden Begriff: Definitionsbemerkung 1.4.5. Sei H ein Hilbertraum und H 0 ein Unterrraum. Dann ist GL(H)H 0 := {ϕ ∈ GL(H) : ϕ|H 0 = IdH 0 } eine Untergruppe von GL(H). Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 14 Eine kurze Rechnung zeigt: Bemerkung 1.4.6. Sei H ein Hilbertraum und seien H1 , H2 orthogonale, abgeschlossene Unterräume von H mit H = H1 + H2 . Sei ϕ ∈ GL(H)H2 . Man findet ϕ11 ∈ L(H1 ) und ϕ21 ∈ L(H1 , H2 ) mit der Eigenschaft, daß die Darstellung von ϕ als Blockmatrix bezüglich (H1 , H2 ) die folgende Form hat: µ ¶ ϕ11 0 , ϕ21 IdH2 wobei ϕ11 invertierbar, also in GL(H1 ), ist und ϕ−1 die folgende Blockmatrix hat: ¶ µ ϕ−1 0 11 . −ϕ21 ϕ−1 IdH2 11 Das folgende Lemma stellt eine Vorstufe zum Satz von Kuiper dar. Es dient uns aber auch als Ansatzpunkt für den Beweis des Satzes. Lemma 1.4.7 (Untergruppen-Lemma). Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum und sei H 0 ein abgeschlossener Unterraum von H mit dim H 0 = dim H. Dann ist GL(H)H 0 in GL(H) zusammenziehbar. Offenbar folgt dieses Lemma aus dem Satz von Kuiper. Die Aussage dieses Lemmas war aber schon vor Kuiper bekannt und wurde schon von Kuiper selbst zum Beweis seines Satzes herangezogen. Das Untergruppen-Lemma wird in Abschnitt 6.4 gezeigt. Hierbei werden wir sowohl den Begriff der Hilbertraum-Summe benutzen, den ich in aller Ausführlichkeit in Kapitel 4 bereitstelle, als auch Eigenschaften der Hilbertraum-Dimension (siehe Kapitel 5) und das Füge-Lemma. 1.5 Herleitung des Satzes von Kuiper unter Verwendung der genannten Beweis-Hilfsmittel Sei H ein unendlich-dimensionaler K-Hilbertraum. Nach dem Hauptlemma 1.3.6 ist nun zu beweisen, daß für jeden endlich-dimensionalen Teilraum U von L(H) die Menge U ∩ GL(H) leer oder in GL(H) zusammenziehbar ist. Wegen des Untergruppen-Lemmas 1.4.7 reicht es dazu, einen abgeschlossenen Teilraum H 0 von H mit dim H 0 = dim H zu finden und nachzuweisen, daß U ∩ GL(H) in GL(H) nach GL(H)H 0 hinein deformierbar ist. Sei also U ein endlich-dimensionaler Teilraum von L(H), für den der Schnitt U ∩ GL(H) nicht leer ist. Wir können ohne Einschränkung annehmen, daß IdH ∈ U gilt, denn ist GL(H)∩(U + KIdH ) in GL(H) zusammenziehbar, so auch die Teilmenge GL(H) ∩ U . Setze d := dim U . Wir wählen nun eine Menge I, Familien (Ei )i∈I und (ai )i∈i wie im Zerlege-Lemma 1.4.3. Setze H 0 := hai : i ∈ Ii. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 15 Die Hilbertraum-Dimension von H 0 ist gleich der Mächtigkeit von I, und nach Wahl von I ist diese gleich der Hilbertraum-Dimension von H. Es ist für jedes i ∈ I der Raum U ai ≤ Ei höchstens d-dimensional, weshalb wir für jedes i ∈ I einen d-dimensionalen Unterraum Fi von Ei mit der Eigenschaft U ai ⊆ Fi und somit insbesondere mit ai ∈ Fi finden. Auch eine solche Familie (Fi )i∈I fixieren wir. Setze nun B := {ϕ ∈ GL(H) : ∀i ∈ I : ϕ(ai ) ∈ Fi }. Es gilt GL(H) ∩ U ⊆ B. Setze C := {ϕ ∈ GL(H) : ∀i ∈ I : ϕ(ai ) ∈ S(Fi )}. Wir zeigen im folgenden: 1. B ist in GL(H) nach C hinein deformierbar. 2. C ist in GL(H) nach GL(H)H 0 hinein deformierbar. Dann ist auch GL(H) ∩ U ⊆ B in GL(H) nach GL(H)H 0 deformierbar und damit der Satz von Kuiper bewiesen. Konstruktion einer Deformation in GL(H) von B nach C hinein Ich gebe nun eine Deformation h0 : [0, 1] × B − → GL(H) von B nach C hinein an, das heißt eine Homotopie mit den folgenden Eigenschaften: h00 = IdB und ∀i ∈ I ∀ϕ ∈ B : Setze dazu h0 (1, ϕ)ai ∈ S(Fi ). ²¯ F̃ := ±° i∈I Fi . Für alle t ∈ [0, 1], ϕ ∈ B und i ∈ I definiere die Abbildung µ ¶ 1 0 gi (t, ϕ) := (1 − t) + t IdFi ∈ GL(Fi ). kϕ(ai )k Die Familie (gi0 )i∈I erfüllt die Voraussetzungen des Füge-Lemmas 1.4.2, wie wir weiter unten nachweisen. Wir finden also nach dem Füge-Lemma eine stetige Funktion g 0 : [0, 1] × B − → GL(H) mit folgenden Eigenschaften: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 16 1. Für alle t ∈ [0, 1], ϕ ∈ B und i ∈ I gilt: g 0 (t, ϕ)|Fi = gi0 (t, ϕ). 2. Für alle t ∈ [0, 1] und ϕ ∈ B gilt: g 0 (t, ϕ)|F̃ ⊥ = IdF̃ ⊥ . Dann gilt für alle ϕ ∈ B und i ∈ I: g 0 (0, ϕ)|Fi = gi0 (0, ϕ) = IdFi . Da g 0 (0, ϕ) linear und stetig ist, folgt g 0 (0, ϕ)|F̃ = IdF̃ . Also gilt g 0 (0, ϕ) = IdH . Andererseits gilt für alle ϕ ∈ B und i ∈ I: 1 ϕ(ai ) ∈ S(Fi ). g 0 (1, ϕ) ϕ(ai ) = gi0 (1, ϕ)ϕ(ai ) = | {z } kϕ(ai )k ∈Fi Setzen wir nun h0 : [0, 1] × B − → GL(H), ϕ 7→ g 0 (t, ϕ) ◦ ϕ, so ist diese Abbildung stetig und hat auch die anderen gewünschten Eigenschaften. Nachweis der Bedingung (F1) Sei t ∈ [0, 1] und ϕ ∈ B. Sei i ∈ I. Dann gilt wegen 1 kϕ(ai )k ≤ kϕ−1 k: ° ° °ª © ° kgi0 (t, ϕ)k ≤ (1 − t) + t °ϕ−1 ° ≤ max 1, °ϕ−1 ° . Nachweis der Bedingung (F2) Sei t ∈ [0, 1] und ϕ ∈ B. Sei i ∈ I. Dann gilt ¯ ¯ ¯(1 − t) + t ¯ und somit Also gilt ¯ ½ ¾ ½ ¾ 1 ¯¯ 1 1 ≥ min 1, ≥ min 1, , kϕ(ai )k ¯ kϕ(ai )k kϕk 1 ¯ ¯ ≤ max {1, kϕk} . ¯ ¯ 1 ¯(1 − t) + t kϕ(ai )k ¯ ° 0 ° °gi (t, ϕ)−1 ° ≤ max {1, kϕk} . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 17 Nachweis der Bedingung (F3) Sei ε > 0. Seien s ∈ [0, 1] und ϕ ∈ B. Weil die Inversion in GL(H) stetig ist, finden wir ein δ 0 > 0 so, daß für alle ψ ∈ GL(H) mit kϕ − ψk < δ 0 gilt: kψ −1 k < 2 kϕ−1 k. Setze nun ½ ¾ ε ε 0 ε , . δ := min δ , , 3 6s kϕ−1 k2 6 kϕk kϕ−1 k2 Seien t ∈ [0, 1] und ψ ∈ B mit |s − t| < δ und kϕ − ψk < δ. Für alle i ∈ I gilt dann ° °· ¸ ° ° s t ° IdFi ° kgi (s, ϕ) − gi (t, ψ)k = ° (1 − s) − (1 − t) + − ° kϕ(ai )k kψ(ai )k ¯ ¯ ¯ s kψ(ai )k − t kϕ(ai )k ¯¯ ¯ = ¯(t − s) + kϕ(ai )k kψ(ai )k ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ s kψ(ai )k − t kϕ(ai )k ¯ ≤ |t − s| + kϕ(ai )k kψ(ai )k ¯ ¯ ° °° ° ε ¯ ¯ ≤ + ¯ s kψ(ai )k − t kϕ(ai )k ¯ °ϕ−1 ° °ψ −1 ° 3 ¯ ¯ ° ° ° ° ε ¯ ¯ ≤ + ¯ s kψ(ai )k − s kϕ(ai )k + s kϕ(ai )k − t kϕ(ai )k ¯ °ϕ−1 ° 2 °ϕ−1 ° 3 µ ¯ ¶ ¯ ° °2 ε ¯ ¯ + s¯ kψ(ai )k − kϕ(ai )k ¯ + |s − t| kϕ(ai )k 2 °ϕ−1 ° ≤ 3 ³ ´ ° °2 ε + s kψ − ϕk + |s − t| kϕk 2 °ϕ−1 ° ≤ 3 ° °2 ° °2 ε = + kψ − ϕk 2s °ϕ−1 ° + |s − t| 2 kϕk °ϕ−1 ° 3 ε ε ε ≤ + + = ε. 3 3 3 Konstruktion einer Deformation in GL(H) von C nach GL(H)H 0 hinein Ich gebe nun eine Deformation h00 : [0, 1] × C − → GL(H) von C nach GL(H)H 0 hinein an, das heißt eine Homotopie mit den folgenden Eigenschaften: h000 = IdC und ∀i ∈ I ∀ϕ ∈ C : h00 (1, ϕ)ai = ai . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 18 Setze dazu ²¯ Ẽ := ±° i∈I Ei . Fixiere einen d+1-dimensionalen Hilbertraum E und einen d-dimensionalen Unterraum F sowie einen Einheitsvektor a von F . Finde dazu eine Homotopie g : [0, 1] × S(F ) − → U(E) wie im Dreh-Lemma 1.4.4. Für jedes i ∈ I wähle eine unitäre Abbildung αi von Ei auf E derart, daß αi (Fi ) = F und αi (ai ) = a gilt. Für alle t ∈ [0, 1], ϕ ∈ C und i ∈ I definieren wir die Abbildung gi00 (t, ϕ) := αi−1 ◦ g(t, αi (ϕ(ai ))) ◦ αi ∈ U(Ei ). Die Familie (gi00 )i∈I erfüllt die Voraussetzungen des Füge-Lemmas 1.4.2, wie wir weiter unten nachweisen (wobei die Bedingungen (F1) und (F2) trivialerweise erfüllt sind). Wir finden also nach dem Füge-Lemma 1.4.2 eine stetige Funktion g 00 : [0, 1] × C − → U(H) mit folgenden Eigenschaften: 1. Für alle t ∈ [0, 1], ϕ ∈ C und i ∈ I gilt: g 00 (t, ϕ)|Fi = gi00 (t, ϕ). 2. Für alle t ∈ [0, 1] und ϕ ∈ C gilt: g 00 (t, ϕ)|Ẽ ⊥ = IdẼ ⊥ . Für alle ϕ ∈ C und i ∈ I gilt dann: g 00 (0, ϕ)|Ei = gi00 (0, ϕ) = αi−1 ◦ g(0, αi (ϕ(ai ))) ◦αi = IdEi | {z } =IdE Weil g 00 (0, ϕ) stetig und linear ist, gilt somit g 00 (0, ϕ)|Ẽ = IdẼ und folglich g 00 (0, ϕ) = IdH . Ferner gilt für alle ϕ ∈ C und i ∈ I: ¡ ¢ g 00 (1, ϕ) ϕ(ai ) = gi00 (1, ϕ)ϕ(ai ) = αi−1 ◦ g(1, αi (ϕ(ai ))) ◦ αi ϕ(ai ) | {z } ∈S(Fi ) µ = αi−1 ´¶ ◦ g 1, αi (ϕ(ai )) αi (ϕ(ai ) = αi−1 (a) = ai . | {z } ³ ∈S(F ) Setzen wir nun h00 : [0, 1] × C − → GL(H), ϕ 7→ g 00 (t, ϕ) ◦ ϕ, so ist diese Abbildung stetig und hat auch die anderen gewünschten Eigenschaften. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 19 Nachweis der Bedingung (F3) Wir zeigen sogar etwas mehr als notwendig, nämlich: ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀s, t ∈ [0, 1] ∀ϕ, ψ ∈ C : |s − t| , kϕ − ψk < δ ⇒ ∀i ∈ I : kgi00 (s, ϕ) − gi00 (t, ψ)k < ε. Sei ε > 0. Da g eine stetige Abbildung auf einem Kompaktum ist, ist g gleichmäßig stetig. Wir finden also ein δ > 0 derart, daß gilt: ∀s, t ∈ [0, 1] ∀x, y ∈ S(F ) : |s − t| , kx − yk < δ ⇒ kg(s, x) − g(t, y)k < ε. Seien nun s, t ∈ [0, 1] und ϕ, ψ ∈ C mit |s − t| , kϕ − ψk < δ. Für alle i ∈ I gilt kαi (ϕ(ai )) − αi (ψ(ai ))k = kϕ(ai ) − ψ(ai )k ≤ kϕ − ψk < δ, und somit ° −1 ° °α ◦ g(s, αi (ϕ(ai ))) ◦ αi − α−1 ◦ g(t, αi (ψ(ai ))) ◦ αi ° i i = kg(s, αi (ϕ(ai ))) − g(t, αi (ψ(ai )))k < ε. 2 Kapitel 2 Homotopie und Deformation Der erste Abschnitt dieses Kapitels stellt den Begriff der Homotopie vor. Dieser wird mit kategorien-theoretischen Konzepten analysiert: Es wird festgestellt, daß die Homotopie-Relation eine Kongruenz auf der Kategorie der topologischen Räume (mit oder ohne Basispunkt) ist. Nach einer in Anhang C vorgestellten Methode kann man die Homotopie-Relation also „rausfaktorisieren“, und erhält so die sogenannte Homotopie-Kategorie, die den natürlichen Rahmen für die Homotopie-Theorie bildet. Im zweiten Abschnitt beschäftigen wir uns mit Unterräumen topologischer Räume und deren kanonischen Inklusionsabbildungen. Zentral sind hier die Begriff der Deformation und der Deformierbarkeit in einen Unterraum. Es wird aber auch der Begriff des Deformationsretraktes systematisch besprochen. Als Anwendung beweisen wir im dritten Unterabschnitt, daß für jede unitale C ∗ -Algebra die Gruppe der unitären Elemente U(A) ein strenger Deformationsretrakt der Gruppe der invertierbaren Elemente G(A) ist. Dies führt dann zum oben erwähnten Resultat, daß für jeden Hilbertraum H die Gruppe U(H) genau dann zusammenziehbar ist, wenn GL(H) es ist, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden. 2.1 Homotopie und die Kategorie hTop Das erste Kapitel beginne ich mit der Einführung des Homotopie-Begriffes. Hierbei wähle ich einen Zugang, der die Sprache der Kategorientheorie benutzt. Die Grundzüge dieser Sprache, soweit sie hier relevant sind, stelle ich im Anhang C vor. Im Zusammenhang mit dem Homotopie-Begriff benutze ich folgende Notation: Schreibweisen 2.1.1. Seien T, X, Y Mengen. • Ist H : T × X − → Y eine Funktion, so bezeichnen wir für jedes t ∈ T die Funktion H(t, ·) : X − → Y mit Ht . • Zusätzlich schreiben wir H̃ für die Funktion, die jedes t ∈ T auf Ht abbildet. 20 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 21 • Ist andersherum γ eine Funktion von T nach F(X, Y ), so setzen wir γ̂ : T × X − → Y, (t, x) 7→ γ(t)(x). 2.1.1 Homotopie Definition 2.1.2 (Homotopie). Seien X und Y topologische Räume. • Dann heißt eine stetige Funktion H : [0, 1] × X − → Y Homotopie von X nach Y . • Sind f, g : X − → Y stetige Funktionen und H : [0, 1] × X − → Y eine Homotopie mit H0 = f und H1 = g, so heißt H Homotopie von f nach g. → Y stetige Funktionen, dann nennen wir f homotop zu g, geschrieben • Sind f, g : X − f 'C(X,Y ) g oder schlicht f ' g, wenn es eine Homotopie von f nach g gibt. Eine Homotopie H : [0, 1] × X − → Y kann auch als eine Familie von stetigen Wegen in Y oder als Weg in C(X, Y ) verstanden werden. Dies präzisiert der folgende Satz: Satz 2.1.3 (Homotopie und stetige Wege). Seien X und Y topologische Räume und H : [0, 1]× X− → Y eine Funktion. Dann gilt 1. Ist H stetig, so auch H̃ : [0, 1] − → (C(X, Y ), τko ), t 7→ Ht , wobei τko die Kompakt-Offen1 Topologie auf C(X, Y ) sei. 2. Ist X lokalkompakt und hausdorffsch, dann gilt auch die Umkehrung. 3. H ist genau dann stetig, wenn die Funktion X − → (C([0, 1], Y ), τko ), x 7→ H(·, x), stetig ist, wobei τko die Kompakt-Offen-Topologie auf C([0, 1], Y ) sei. Beweis. Dies folgt aus dem Satz A.1.3 aus Anhang A. Haben f und g aus der letzten Definition zusätzlich zur Stetigkeit noch weitere gemeinsame Eigenschaften (stimmen sie zum Beispiel auf einer Teilmenge von X überein), so fordert man manchmal dieselben Eigenschaften von allen Funktionen Ht , t ∈ [0, 1]. Ich fasse dies begrifflich mit der folgenden Definition: Definition 2.1.4 (homotop in einer Menge von Funktionen). Seien X und Y topologische Räume und f, g : X − → Y stetige Funktionen und M ⊆ C(X, Y ) eine Menge von stetigen Funktionen von X nach Y . Dann heißt f genau dann homotop zu g in der Menge M , wenn es eine Homotopie H von f nach g gibt, daß Ht ∈ M für alle t ∈ [0, 1] gilt. Wir schreiben dann f 'M g oder kurz f ' g, wenn klar ist, von welcher Menge M ausgegangen wird. Eine Homotopie, die nicht in einer vorgeschriebenen Menge verläuft wird zur Verdeutlichung auch frei genannt. 1 Siehe Definition A.1.1. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 22 Beispiel 2.1.5 (Homotopie relativ zu einer Menge). Seien X, Y topologische Räume, A ⊆ X und f ∈ C(X, Y ). Sei M die Menge aller stetigen Funktionen von X nach Y , die auf A mit f übereinstimmen. Ist ein g ∈ M homotop zu f in M , so schreiben wir auch f ' g rel A, und sagen, g ist homotop zu f relativ zu A. Satz 2.1.6 (Homotopie als Äquivalenzrelation). Seien X, Y topologische Räume und M ⊆ C(X, Y ). Dann definiert die Homotopie ' in M auf M eine Äquivalenzrelation. Beweis. Seien f, g, h ∈ M . Zunächst gilt f 'M f , denn H : [0, 1] × X − → Y, (t, x) 7→ f (x) ist offenbar eine Homotopie von f nach f in M . Es gelte f 'M g, und es sei H eine Homotopie von f nach g in M . Dann ist die Funktion H 0 : [0, 1] × X − → Y, (t, x) 7→ H(1 − t, x) eine Homotopie von g nach f in M . Seien nun drittens f homotop zu g und g homotop zu h in M . Seien H eine Homotopie von f nach g in M und H 0 eine von g nach h in M . Dann ist ( H(2t, x) für t ∈ [0, 21 ] H 00 : [0, 1] × X − → Y, (t, x) − → H 0 (2t − 1, x) für t ∈ [ 21 , 1] eine Homotopie von f nach h in M . Definition 2.1.7 (homotop in einer Kategorie). Seien K eine Kategorie und F : K − → Top ein Funktor. Seien ferner A, B Objekte von K und f, g ∈ homK (A, B). Dann heißen f und g homotop in K (bezüglich F ), wenn F (f ) und F (g) in F (homK (A, B)) zueinander homotop sind. In diesem Fall schreiben wir ohne K, F , A oder B in der Schreibweise zu berücksichtigen f ' g, wenn dies nicht zu Uneindeutigkeiten führt. Bemerkung 2.1.8. Die letzte Definition ist besonders dann von Interesse, wenn K eine konkrete Kategorie ist und F ein Vergiß-Funktor. Weiter unten finden sich hierfür zahlreiche Beispiele. Die „Homotopie in einer Kategorie“ ist verträglich mit der Hintereinanderausführung von Morphismen. Diese Beobachtung wird im kategorientheoretischen Begriff der Kongruenz 2 erfaßt: Satz 2.1.9 (Homotopie als Kongruenz). Seien K eine Kategorie und F : K − → Top ein Funktor. Dann ist die Homotopie ' in K eine Kongruenz auf K. Beweis. Seien A, B und C Objekte von K, f1 , f2 ∈ homK (A, B) und g1 , g2 ∈ homK (B, C). Es gelte ferner f1 ' f2 und g1 ' g2 . Das heißt, wir finden Homotopien H von F (f1 ) nach F (f2 ) in F (homK (A, B)) und H 0 von g1 nach g2 in F (homK (B, C)). Dann ist H 00 : [0, 1] × F (A) − → F (C), (t; x) 7→ H 0 (t, H(t, x)). eine Homotopie von F (g1 ) ◦ F (f1 ) = F (g1 ◦ f1 ) nach F (g2 ) ◦ F (f2 ) = F (g2 ◦ f2 ). Sei t ∈ [0, 1]. Dann gilt H 00 t = H 0 t ◦ Ht ∈ F (homK (A, C)), da Ht ∈ F (homK (A, B)) und H 0 t ∈ F (homK (B, C)). 2 Siehe Definition C.1.12 im entsprechenden Anhang. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 23 Definition 2.1.10 (Homotopieklasse). Seien K eine Kategorie und F : K − → Top ein Funktor. Seien A, B Objekte von K und sei f ∈ homK (A, B). Dann bezeichnen wir die Äquivalenzklasse von f bezüglich ', gennant die Homotopieklasse von f , mit [f ]AB oder noch kürzer mit [f ]. Die Menge der Homotopieklassen von Morphismen von A nach B bezeichnen wir mit [A, B]. 2.1.2 Beispiele relevanter Kategorien Beispiel 2.1.11 (Raumpaare). Die Kategorie der Raumpaare hat als Objekte die Paare (X, A), wobei X ein topologischer Raum und A eine Teilmenge von X ist. Sind (X, A) und (Y, B) Raumpaare, so wählt man als Morphismen zwischen (X, A) und (Y, B) alle stetigen Funktionen von X nach Y , die A nach B hinein abbilden. Die Kategorie der Raumpaare ist offenbar eine konkrete Kategorie, für die der Vergiß-Funktor als Funktor nach T op verstanden werden kann. Bemerkung 2.1.12. Die Kategorie der Raumpaare enthält zwei in kanonischer Weise zu Top isomorphe Teilkategorien, nämlich die Teilkategorie der Paare der Form (X, ∅) und die Teilkategorie der Paare der Form (X, X). Eine weitere wichtige Teilkategorie der Kategorie der Raumpaare ist isomorph zur im folgenden Beispiel eingeführten Kategorie pTop. Beispiel 2.1.13 (Räume mit Basispunkt). Die Objekte der Kategorie der Räume mit Basispunkt sind die Paare (X, x0 ), wobei X ein topologischer Raum ist und x0 ein Punkt in X. Die Morphismen sind diejenigen stetigen Abbildungen, die Basispunkte auf Basispunkte abbilden. Homotopien in dieser Kategorie nennt man basispunkterhaltend. Wir nennen diese Kategorie auch pTop. Beispiel 2.1.14 (Normierte Räume). Wichtig ist auch die Kategorie K NormSp der normierten Räume über K mit den stetigen K-linearen Abbildungen dazwischen. Eine Homotopie in NormSp von einem stetigen linearen Operator zu einem anderen ist also eine, die zwischendurch nur über stetige lineare Operatoren führt. 2.1.3 Konstruktion der Homotopie-Kategorie Wenn man eine Kongruenz auf einer Kategorie gefunden hat, so kann man diese „rausfaktorisieren“, das heißt zur Quotientenkategorie3 nach dieser Kongruenz übergehen. Dieses wollen wir nun für den Fall der Homotopie in einer Kategorie durchführen. Generalvoraussetzung 2.1.15. Im Abschnitt 2.1.3 sei K eine Kategorie und F : K − → Top ein Funktor. Sei ' die durch F auf K definierte Homotopiekongruenz auf K. Definition 2.1.16 (die Kategorie hK). Die Quotientenkategorie K/' nennt man die zu K gehörige Homotopie-Kategorie hK. Ihre Objekte sind die Objekte von K, ihre Morphismen die Homotopieklassen von K-Morphismen. Die Hintereinanderausführung von Homotopieklassen ist repräsentantenweise definiert. Wir kommen zu den wichtigsten Beispielen für Homotopie-Kategorien. 3 Vergleiche Definitionssatz C.1.13. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 24 Beispiel 2.1.17 (Die Kategorien hTop und hpTop). Im Falle K = Top und F = IdTop erhalten wir die Homotopie-Kategorie topologischer Räume hTop. Im Falle K = pTop und F = der Vergißfunktor nach Top erhalten wir die Homotopie-Kategorie hpTop der topologischen Räume mit Basispunkt. Immer wenn wir eine Kategorie gefunden haben, erhalten wir auch einen Isomorphie-Begriff. Im vorliegenden Fall gibt dies zur folgenden Definition Anlaß. Definition 2.1.18 (Homotopie-äquivalent). Zwei Objekte von K, die in hK isomorph sind, heißen Homotopie-äquivalent oder „vom gleichen Homotopietyp“. Sind A und B K-Objekte und f : A − → B eine K-Morphismus, dessen Äquivalenzklasse [f ] ein Isomorphismus ist, so heißt f eine Homotopie-Äquivalenz von A nach B. Beispiel 2.1.19. 4 Ein Morphismus f : A − → B ist definitionsgemäß genau dann eine Homotopie-Äquivalenz, wenn es einen Morphismus g : B − → A gibt, mit f ◦ g ' IdB und g ◦ f ' IdA . In der Kategorie Top heißt dies etwa, daß eine stetige Funktion f : X − → Y genau dann eine Homotopieäquivalenz ist, wenn es eine stetige Funktion g : Y − → X gibt mit f ◦ g ' IdY und g ◦ f ' IdX . Häufig hat man die Frage vorliegen, ob zwei gegebene topologische Räume homöomorph sind. Um dieses Problem anzugehen, bietet es sich an, bestimmte Größen für beide Räume zu bestimmen, die unter Homöomorphie invariant sind. Stimmen die errechneten Größen nicht überein, können die Räume nicht homöomorph sein. Eine solche Homöomorphie-Invariante stellt der Homotopietyp dar: Bemerkung 2.1.20. Da die Zuordnung P' : K − → hK, die auf den K-Objekten identisch wirkt und jeden K Morphismus auf seine Homotopieklasse abbildet, ein Funktor ist, ist das Bild eines jeden Isomorphismus in K unter P' ein Isomorphismus in hK. Für Top und hTop heißt das: Jeder Homöomorphismus ist eine Homotopie-Äquivalenz. Homöomorphe Räume haben also denselben Homotopietyp. Diese Invariante ist jedoch nicht sehr trennscharf: Wir werden etwa sehen, daß eine große Zahl sehr verschiedenartiger topologischer Räume denselben Homotopietyp wie ein einpunktiger Raum hat. 2.1.4 Retrakte in Top und hTop Weiter unten werden wir uns mit Teilmengen topologischer Räume auseinandersetzen und Begriffe wie Retrakt und Deformationsretrakt für Teilmengen topologischer Räume einführen. Der Begriff Retrakt ist allerdings auch aus der Kategorientheorie bekannt: →B Erinnerung 2.1.21 (Retrakt). Sei K eine Kategorie, seien A, B K-Objekte und sei r : A − ein K-Morphismus. Dann heißt r eine Retraktion von A nach B, wenn es einen K-Morphismus s:B− → A so gibt, daß r ◦ s = 1B gilt: A ¾ 4 Vgl. [SZ94], Def. 2.4.1 r B , s r ◦ s = 1B . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 25 Eine Retraktion ist also ein rechts-invertierbarer Morphismus. Gibt es eine Retraktion von A nach B, so nennt man B einen Retrakt von A (im Kategoriensinne). Auf die Kategorie der topologischen Räume angewendet erhalten wir: Bemerkung 2.1.22. Seien X, Y topologische Räume. Dann heißt Y Retrakt von X in der Kategorie Top, wenn es eine stetige Abbildung r : X − → Y und eine stetige Abbildung s : Y − →X gibt mit r ◦ s = IdY . Zur Illustration dieser Begriffsbildung nun das folgende Beispiel, das sich später auch als nützlich erweisen wird, wenn wir die Zusammenziehbarkeit von GL(H) für endlich-dimensionale Hilberträume untersuchen: Beispiele 2.1.23. 1. Sei E ein normierter K-Vektorraum. Dann ist die Einheitssphäre S(E) von E ein Retrakt von E \ {0}. Die Abbildung x r : E \ {0} − → S(E), x 7→ kxk ist eine Retraktion von E \ {0} nach S(E). 2. Ist n ∈ N, dann ist K \ 0 ein Retrakt von GLn (K) in Top. Betrachte dazu die Funktion r : GLn (K) − → K \ {0}, A 7→ det A. Dann ist r stetig. Betrachte ferner die Funktion (wobei wir die Blockmatrizenschreibweise benutzen): µ ¶ λ 0 s : K \ {0} − → GLn (K), λ 7→ . 0 In−1 Hierbei sei In−1 die (n − 1) × (n − 1)- Einheitsmatrix. Offenbar ist auch s : K \ {0} − → GLn (K) stetig, und es ist r ◦ s = IdK\{0} . Also ist K \ {0} ein Retrakt von GLn (K) in Top. 3. Führen wir die letzen beiden Nummern zusammen, so erhalten wir: Ist K = R, so ist die zweipunktige Menge {−1, 1} mit der diskreten Topologie ein Retrakt von GLn (R) in Top. Ist K = C, dann sehen wir, daß der Einheitskreis S 1 in C mit der kanonischen Topologie ein Retrakt von GLn (C) in Top ist. In der Kategorie hTop kennt man das Konzept des Retraktes auch, allerdings nennt man es anders: Definition 2.1.24 (Dominieren). Sind X und Y topologische Räume, so sagt man anstelle von „Y ist Retrakt von X in hTop“ auch „X dominiert Y “. Hinweis 2.1.25. Wie ich in Anhang C im Abschnitt C.3.2 im allgemeinen dargestellt habe, bedeutet, daß der Raum X den Raum Y dominiert, daß der Raum Y keinen „komplexeren“ Homotopietyp als der Raum X besitzt. Wie in Anhang C im Abschnitt C.3.4 nachzulesen, bilden Funktoren Retraktionen auf Retraktionen ab. Somit gilt Bemerkung 2.1.26. Sind X und Y topologische Räume und ist Y ein Retrakt von X in Top, so ist Y ein Retrakt von X in hTop, d.h. X dominiert Y . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 26 2.2 Homotopie und Teilmengen topologischer Räume Generalvoraussetzung 2.2.1. Für den Abschnitt 2.2 sei X ein topologischer Raum. Für jede Teilmenge A von X sei iA : A − → X die Inklusionsabbildung. Dieser Abschnitt könnte auch „Homotopietheorie von Inklusionsabbildungen“ überschrieben sein: Es geht um die Rechts- und Links-Invertierbarkeit der Abbildungen iA für Teilmengen A von X. Hierbei betrachten wir sowohl die Invertierbarkeit in Top als auch in hTop. 2.2.1 Teilmengen als Retrakte Zunächst kümmern wir uns um die Links-Invertierbarkeit von Inklusionsabbildungen. Wir engen hierzu den Begriff „Retrakt“ für Teilmengen des Raumes X ein: Definition 2.2.2 ((Schwacher) Retrakt). Sei A ⊆ X. • Eine stetige Funktion r : X − → A heißt Retraktion von X nach A, wenn gilt r|A = IdA . • Die Teilmenge A heißt Retrakt von X, wenn es eine Retraktion von X nach A gibt. • Eine stetige Funktion r : X − → A heißt schwache Retraktion von X nach A, wenn gilt r|A ' IdA . • A heißt schwacher Retrakt von X, wenn es eine schwache Retraktion von X nach A gibt. Bemerkung 2.2.3. Die hier eingeführten Begriffe hängen folgendermaßen mit dem Begriff „Retrakt“ im Sinne der Kategorientheorie zusammen: • Ist r : X − → A eine Retraktion im Sinne der letzten Definition, dann gilt r ◦ iA = IdA . Die Abbildung r wird also von iA von Rechts invertiert. Insbesondere ist also A ein Retrakt von X in Top. Es kann jedoch auch Retrakte von X in Top geben, die nicht Teilmengen von X sind, und es ist auch nicht ausgeschlossen, daß eine Teilmenge A von X ein Retrakt von X in Top sind, jedoch nicht ein Retrakt im Sinne der letzten Definition, da die zugehörige Retraktion nicht von iA , sondern von einer anderen Abbildung von A nach X von Rechts invertiert wird. Sagen wir jedoch von einer Teilmenge A von X, sie sei ein Retrakt von X (und sagen nicht „in Top“), so meinen wir „Retrakt“ im Sinne der letzten Definition. → A eine schwache Retraktion von X nach A, so gilt • Ist r : X − [r] ◦ [iA ] = [r ◦ iA ] = [r|A ] = [IdA ]. Die Homotopieklasse von iA wird also in hTop von Rechts durch [r] invertiert. Insbesondere ist also A ein Retrakt von X in hTop, sprich: A wird von X dominiert. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 27 2.2.2 Deformationen Wir kommen nun zur Rechts-Invertierbarkeit von Inklusionsabbildungen. In Top ist diese jedoch sehr uninteressant: Sei A ⊆ X und r : X − → A ein stetiges Rechts-Inverses von iA . Dann gilt IdX = iA ◦ r = r, da r(X) ⊆ A gilt. Somit ist A = X. In hTop ist die Sache jedoch ungleich reizvoller. Zunächst die folgende Definition: Definition 2.2.4 (Deformation). Seien A, B Teilmengen von X. • Dann ist eine Deformation von A in X eine Homotopie D : [0, 1] × A − → X mit der Eigenschaft D0 = iA . • Gilt zusätzlich D1 (A) ⊆ B, so nennt man D eine Deformation in X von A nach B hinein • Gibt es eine Deformation in X von A nach B hinein, so nennt man A in X nach B hinein deformierbar. • Ist X selber in sich nach B hinein deformierbar, so nennt man X schlicht nach B hinein deformierbar. Bemerkung 2.2.5. Ist X ein topologischer Raum, sind A, B Teilemengen von X und ist A in X nach B hinein deformierbar, so ist auch jede Teilmenge von A in X nach B hinein deformierbar. Was Deformationen mit Rechts-Inversen von Inklusionsabbildungen zu tun haben, sagt nun die folgende Bemerkung: Bemerkung 2.2.6. Sei A eine Teilmenge von X. 1. Ist D eine Deformation von X nach A hinein, so ist [D1 ] ein Rechts-Inverses von [iA ]. 2. Ist f : X − → A stetig und H eine Homotopie von IdX nach f , so ist H eine Deformation von X nach A hinein. 3. X ist genau dann nach A hinein deformierbar, wenn die Homotopieklasse [iA ] der Inklusionsabbildung von A ein Rechts-Inverses in hTop hat. Beweis. 1. Sei D : [0, 1] × X − → X eine Deformation von X nach A hinein. Dann gilt D1 (X) ⊆ A, also D1 = iA ◦ D1 . Dann ist also D eine Homotopie von IdX nach iA ◦ D1 und somit [D1 ] ein Rechts-Inverses von [iA ]. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 28 2. Sei f : X − → A eine stetige Funktion und H : [0, 1] × X − → X eine Homotopie von IdX nach f . Dies bedeutet, daß H eine Deformation von X ist. Zusätzlich gilt D1 (X) = f (X) ⊆ A. Also ist X nach A hinein deformierbar. 3. Ist X nach A hinein deformierbar, so ist mit 1. die Homotopieklasse [iA ] von rechts invertierbar. Sei nun f : X − → A und [f ] ein Rechts-Inverses von [iA ]. Dann gilt [f ]XX = [iA ◦ f ]XX = [iA ]AX ◦ [f ]XA = [IdX ]XX . Es gibt also eine Homotopie von IdX nach f . Mit 2. schließen wir, daß X nach A hinein deformierbar ist. Im Abschnitt 1.3.2 wurde der folgende Satz schon einmal bewiesen. Mit der in diesem Kapitel vorgestellten Notation können wir nun aber den Beweis sehr viel kürzer durchführen: Satz 2.2.7 (Methode des schrittweisen Deformierens). Seien n ∈ N, und sei für jedes i ∈ {1, . . . , n} eine Teilmenge Ai von X gegeben. Ist dann für alle i ∈ {1, . . . , n − 1} die Menge Ai in X nach Ai+1 hinein deformierbar, so ist A1 in X nach An hinein deformierbar. Beweis. Haben wir dieses Lemma für den Fall n = 3 bewiesen, so folgt daraus die allgemeine Aussage unmittelbar per Induktion. Sei also n = 3. Setze A := A1 , B := A2 und C := A3 . Sei iA homotop in X zu einer Abbildung f : A − → B und sei iB homotop in X zu einer Abbildung g : B − → C. Dann ist [iA ]AX = [f ]AX = [iB ◦ f ]AX = [iB ]BX ◦ [f ]AB = [g]BX ◦ [f ]AB = [g ◦ f ]AX . Da g(f (A)) ⊆ C gilt, folgt die Behauptung. 2.2.3 Deformationsretrakte Wir bringen nun Links- und Rechts-Invertierbarkeit von Inklusionsabbildungen zusammen. Zuerst kommt aber wieder eine Definition, welche die Verbindung zur Invertierbarkeit nicht unmittelbar offenbart, aber diese Verbindung wird sofort danach hergestellt. Definition 2.2.8 ((Schwacher, strenger) Deformationsretrakt.). Sei A ⊆ X. Eine Deformation D von X nach A heißt, • schwache Retraktionsdeformation von X nach A, wenn gilt: D1 |A 'C(A,A) IdA . • Retraktionsdeformation von X nach A, wenn gilt: D1 |A = IdA . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 29 • strenge Retraktionsdeformation von X nach A, wenn gilt: Dt |A = IdA für alle t ∈ [0, 1]. Die Menge A heißt (schwacher, strenger) Deformationsretrakt von X, wenn es eine (schwache, strenge) Retraktionsdeformation von X nach A gibt. Bemerkung 2.2.9. Sei A eine Teilmenge von X. Nach Bemerkung 2.2.6 bedeutet die Existenz einer Deformation D von X nach A hinein gerade, daß [D1 ] ein Rechts-Inverses von [iA ] in hTop ist. Es gilt somit: 1. Ist D eine schwache Retratktionsdeformation, so ist [D1 ] auch ein Links-Inverses von [iA ] nach Bemerkung 2.2.3. Also ist iA eine Homotopie-Äquivalenz von A nach X. Insbesondere ist A ein schwacher Retrakt von X Andersherum gilt: Ist A ein schwacher Retrakt von X und X nach A hinein deformierbar, so ist A ein schwacher Deformationsretrakt von X. 2. Ist D eine Retraktionsdeformation, so ist D1 eine Retraktion von X nach A. Insbesondere ist also A ein Retrakt von X. Andersherum gilt: Ist A ein Retrakt von X und X nach A hinein deformierbar, so ist A ein Deformationsretrakt von X. 3. Ist D eine strenge Retraktionsdeformation, so gilt IdX ' D1 rel A. Andersherum gilt: Gibt es eine stetige Abbildung r von X nach A so, daß gilt IdX ' r rel A, so ist A ein strenger Deformationsretrakt von X. Beweis. Ich beweise jeweils nur die „andersherum“ -Aussage. 1. A ist genau dann ein schwacher Retrakt von X, wenn [iA ] ein Links-Inverses [l] hat. X ist genau dann nach A hinein deformierbar, wenn [iA ] ein Rechts-Inverses [r] hat. Aus der Kategorientheorie wissen wir, daß in so einem Fall die beiden Inversen übereinstimmen. Sei D eine Homotopie von IdX nach r. Dann ist D eine schwache Retraktionsdeformation. 2. Analog. 3. Sei r : X − → A stetig und D : [0, 1] × X − → X eine Homotopie von IdX nach r relativ A. Offenbar ist dann D eine strenge Retraktionsdeformation von X nach A. Zur Illustration nun das folgende einfache Beispiel: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 30 Beispiel 2.2.10. Wir können Beispiel 1. aus 2.1.23 nun präzisieren: Sei E ein normierter KVektorraum. Dann ist die Einheitssphäre S(E) von E ein strenger Deformationsretrakt von E \ {0}. Betrachte dazu die Abbildung H : [0, 1] × E \ {0} − → E \ {0}, (t, x) 7→ (1 − t)x + t x . kxk Offenbar ist H stetig und H0 = IdE\{0} . Ferner gilt Ht |S(E) = IdS(E) für alle t ∈ [0, 1]. Insbesondere hat S(E) den gleichen Homotopietyp wie E \ {0}. 2.3 Der Homotopietyp von U(A) und G(A) Als Anwendung der in den letzten Abschnitten vorgestellten Begriffsbildungen beweise ich nun den folgenden Satz: Satz 2.3.1. Sei A eine unitale K-C ∗ -Algebra. Dann ist U(A) ein strenger Deformationsretrakt von G(A). Beweis. 5 Es ist G(A) vermöge der Polarzerlegung homöomorph zu U(A) × A>0 . Der Raum A>0 ist vermöge des Logarithmus log homöomorph zum normierten R-Vektorraum Ah . Somit ist {eA } ein strenger Deformationsretrakt von A>0 und U(A) × {eA } dementsprechend ein strenger Deformationsretrakt von U(A) × A>0 . Somit erhalten wir unser Ergebnis. Wir können die gesuchte Homotopie aber auch direkt angeben: Wir definieren h : [0, 1] × G(A), (t, a) 7→ a exp (−t log |a|) Dann ist h stetig. Für alle a ∈ U(A) gilt a∗ a = eA , also |A| = eA und somit log(a∗ a) = 0. Somit gilt ∀t ∈ [0, 1] ∀a ∈ U(a) : h(t, a) = a exp(0) = a. Ferner gilt für alle a ∈ G(A): h(0, a) = a exp(0) = a und h(1, a) = a exp (− log |a|) = a |a|−1 ∈ U(A). Somit ist U(A) ein strenger Deformationsretrakt von G(A). Hieraus ziehen wir nun zwei Korollare, wobei wir benutzen, daß schwache, und somit insbesondere auch strenge Deformationsretrakte eines Raumes denselben Homotopietyp wie dieser Raum haben. Korollar 2.3.2. Sei A eine unitale K-C ∗ -Algebra. Dann hat U (A) denselben Homotopietyp wie G(A). Korollar 2.3.3. Sei H ein Hilbertraum. Dann hat U(H) denselben Homotopietyp wie GL(H). 5 Zu Polarzerlegung und Logarithmus vergleiche Abschnitt D. Kapitel 3 Zusammenziehbare Räume Ziel dieses Kapitels ist es, die Zusammenziehbarkeit topologischer Räume zu definieren und zu erläutern und Kriterien für die Zusammenziehbarkeit offener Teilmengen normierter Räume bereitzustellen. Im ersten Abschnitt wird der Begriff der Zusammenziehbarkeit systematisch eingeführt. Ferner gebe ich mehrere äquivalente Bedingungen für die Zusammenziehbarkeit topologischer Räume an. Hierbei wird auch die Stellung der zusammenziehbaren Räume in der Homotopiekategorie deutlich: Ein topologischer Raum ist nämlich genau dann zusammenziehbar, wenn er den Homotopietyp eines einpunktigen Raumes hat. Der Satz von Kuiper besagt also, daß die Gruppe GL(H) für einen unendlich-dimensionalen Hilbertraum H vom Standpunkt der HomotopieTheorie aus vollkommen trivial ist. Der zweite und dritte Abschnitt bereiten den folgenden Satz vor, der dann im vierten Abschnitt bewiesen wird: Satz. Jede offene Teilmenge eines normierten Raumes ist genau dann zusammenziehbar, wenn sie schwach zusammenziehbar ist. Im zweiten Abschnitt werden die Homotopiegruppen eines topologischen Raumes definiert. Die schwache Zusammenziehbarkeit eines topologischen Raumes bedeutet, daß alle seine Homotopiegruppen trivial sind. Im dritten Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Kategorie der Simplizialkomplexe. Alternativ hätte ich hier die umfassendere Kategorie der sogenannten CW -Komplexe vorstellen können, denen eigentlich im Rahmen der Homotopietheorie größere Bedeutung zukommt. Jedoch ist die Definition dieser Räume weniger leicht verdaulich als die der Simplizialkomplexe. Ferner treten im Beweis des obigen Satzes nur Simplizialkomplexe auf, weshalb es nicht auf uns nehmen müssen, CW -Komplexe einzuführen Es werden dann in diesem Abschnitt ausführlich mögliche Topologien auf (Realisierungen von) Simplizialkomplexen besprochen und das Verhalten von Simplizialkomplexen in der Homotopie-Theorie untersucht. Hierbei zeige ich zum Beispiel, daß Simplizialkomplexe genau dann zusammenziehbar sind, wenn sie schwach zusammenziehbar sind. Im vierten Abschnitt benutzen wir dann eine Variante dieser Aussage, um die Zusammenziehbarkeit offener Teilmengen normierter Räume zu analysieren. Hierzu betrachten wir zunächst 31 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 32 Nerven von Überdeckungen und stetige Teilungen der Eins, die als Hilfsmittel zur Konstruktion von Simplizialkomplexen bzw. stetigen Abbildungen in Simplizialkomplexe hinein benutzt werden. Nachdem wir all diese Hilfsmittel bereitgestellt haben, beweisen wir den obengenannten Satz, sogar in einer verfeinerten Version. Den Abschluß bildet dann der fünfte Abschnitt mit einer Anwendung dieses Satzes: Wie in der Einleitung erwähnt, kann man mit ihm zeigen, daß die Einheitssphäre jedes unendlichdimensionalen normierten Raumes zusammenziehbar ist. Zusätzlich habe ich hierzu für Hilberträume einen elementaren Beweis angegeben. 3.1 Zusammenziehbarkeit 3.1.1 Definition und Erläuterung des Begriffs Definition 3.1.1 (zusammenziehbar). Sei X ein topologischer Raum. 1. Sei A ⊆ X nicht leer und x0 ∈ X. Eine Homotopie K : [0, 1] × A − → X mit den Eigenschaften • K0 = IdA und • ∀x ∈ A : K1 (x) = x0 heißt Kontraktion in X von A auf x0 . Gibt es eine solche Kontraktion, so nennen wir A in X auf x0 zusammenziehbar. 2. Ist A ⊆ X nicht leer, nennen wir A zusammenziehbar in X, wenn es ein x0 ∈ X gibt, auf das A zusammenziehbar ist. 3. Ist X in sich zusammenziehbar, so nennen wir den topologischen Raum X schlicht zusammenziehbar oder kontrahierbar. Eine Kontraktion von X in sich heißt schlicht Kontraktion von X. 4. Sei x0 ∈ X. Eine Kontraktion K von X auf x0 nennen wir strenge Kontraktion von X auf x0 , wenn für alle t ∈ [0, 1] gilt: Kt (x0 ) = x0 . Gibt es eine solche Kontraktion, so nennen wir X streng auf x0 zusammenziehbar. Beispiel 3.1.2. Sei V ein topologischer Vektorraum, x1 ∈ V und M eine bezüglich x0 sternförmige Teilmenge von V . Dann ist M streng zusammenziehbar auf x0 . Beweis. Setze K : [0, 1] × M − → M, (t, x) 7→ tx0 + (1 − t)x. Dann ist K stetig, K(0, ·) = IdM und K(1, x) = x0 für alle x ∈ M . Also ist K eine Kontraktion von M auf x0 . Ferner gilt K(t, x0 ) = x0 für allet ∈ [0, 1]. Somit ist K eine strenge Kontraktion. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 33 Die folgenden Bemerkungen klären das Verhältnis von Kontraktion zu Deformation: Bemerkung 3.1.3. Sei X ein topologischer Raum. Sei A ⊆ X nicht leer und x0 ∈ X. Sei K : [0, 1] × A − → X. Dann sind äquivalent 1. K ist eine Kontraktion von A in X auf x0 . 2. K ist eine Deformation von A in X nach {x0 } hinein. Kontraktionen sind also lediglich spezielle Deformationen. Unter Anwendung der Methode des schrittweisen Deformierens kann man somit Kontraktionen aus mehreren Deformationen zusammensetzen. Insbesondere gilt mit Bemerkung 2.2.5: Bemerkung 3.1.4. Sei X ein topologischer Raum. Ist B ⊆ X in X zusammenziehbar und A ⊆ B, so ist auch A in X zusammenziehbar. Bemerkung 3.1.5. Sei X ein topologischer Raum. Sei x0 ∈ X. Sei K : [0, 1] × X − → X. Dann sind äquivalent 1. K ist eine Kontraktion von X auf x0 . 2. K ist eine Deformation von X nach {x0 } hinein. 3. K ist eine Retraktionsdeformation von X nach {x0 }. Ferner sind äquivalent 1. K ist eine strenge Kontraktion von X auf x0 . 2. K ist eine strenge Retraktionsdeformation von X nach {x0 }. Beweis. Zum ersten Block: Die Äquivalenz von 1. und 2. ist ein Spezialfall von 3.1.3. Offenbar folgt aus 3. schon 2.. Sei nun K eine Kontraktion von X auf x0 . Dann ist K eine Deformation von X nach A hinein. Ferner gilt K1 (x0 ) = x0 , also ist K eine Retraktionsdeformation. Zum zweiten Block: Klar nach Definition. Zusammenziehbarkeit ist eine recht starke Eigenschaft eines topologischen Raumes. Sie impliziert zum Beispiel Wegzusammenhang und einfachen Zusammenhang. Die erste Aussage zeigen wir sofort, die zweite wird bei der Betrachtung der Homotopiegruppen gezeigt. Bemerkung 3.1.6. Sei X ein topologischer Raum. Ist X zusammenziehbar, so ist X wegzusammenhängend. Beweis. Sei x0 ∈ X und X auf x0 zusammenziehbar. Ich zeige, daß jeder Punkt von X in derselben Wegkomponente von X wie x0 liegt, also durch einen stetigen Weg mit x0 verbunden werden kann. Sei K eine Kontraktion von X auf x0 und sei x ∈ X. Dann ist die Funktion γx : [0, 1] − → X, t 7→ K(t, x) ein stetige Weg von x nach x0 . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 34 Der Satz von Kuiper sagt nur etwas über unendlich-dimensionale Hilberträume aus. Hier kommt einer der Gründe dafür: Korollar 3.1.7. Für alle n ∈ N ist GLn (R) nicht wegzusammenhängend, also auch nicht zusammenziehbar. 3.1.2 Charakterisierung der Zusammenziehbarkeit Um die Bedeutung des Begriffes der Zusammenziehbarkeit besser zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick auf die Rolye zusammenziehbarer Räume in der Homotopiekategorie hTop zu werfen. Dies wollen wir nun tun, indem wir zusammenziehbare Räume unter anderem anhand von Homotopieklassen charakterisieren. Zunächst aber eine einfache Definition: Definition 3.1.8 (nullhomotop). Sei Y ein weiterer topologischer Raum und f : X − → Y stetig. Die Abbildung f heißt nullhomotop, wenn f homotop zu einer konstanten Abbildung von X nach Y ist. Satz 3.1.9 (Charakterisierung der Zusammenziehbarkeit). Es sind äquivalent: 1. X ist zusammenziehbar; 2. X hat den Homotopietyp eines einpunktigen topologischen Raumes; 3. X ist nicht leer, und IdX ist nullhomotop; 4. Für jeden topologischen Raum Y enthält [Y, X] genau ein Element, insbesondere sind alle stetigen Abbildungen von Y nach X homotop; 5. X ist nicht leer, und [X, X] enthält nur ein einziges Element, d.h. alle stetigen Selbstabbildungen von X sind homotop; 6. X ist nicht leer, und man kann den Raum X auf jeden seiner Punkte zusammenziehen; Beweis. 1. ⇒ 2.: Sei X auf x0 ∈ X zusammenziehbar. Es ist {x0 } ein einpunktiger topologischer Raum. Nach Bemerkung 3.1.5 ist {x0 } ein Deformationsretrakt von X, also insbesondere homotopieäquivalent zu X. 2. ⇒ 3.: Sei P = {p} ein einpunktiger Raum und f : P − → X eine Homotopieäquivalenz. f ist eine konstante Abbildung und sein Bild, also auch X, nicht leer. Sei w : X − → {p} die einzige Abbildung von X nach P , also auch das Homotopieinverse von f . Dann ist aber f ◦ k eine konstante Selbstabbildung von X und homotop zur Identität. 3. ⇒ 4.: Seien X nicht leer und k : X − → X eine zur Identität homotope konstante Selbstabbildung. Sei Y ein topologischer Raum. Seien f, g : Y − → X stetige Abbildungen. Dann gilt [f ] = [IdX ◦ f ] = [IdX ] ◦ [f ] = [k] ◦ [f ] = [k ◦ f ] = [k ◦ g] = [IdX ◦ g] = [g]. 4. ⇒ 5.: Gilt 4., so kann X offenbar nicht der leere Raum sein. Setze Y := X. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 35 5. ⇒ 1.: Es gelte 5.. Sei x0 ∈ X und k := X − → X, x 7→ x0 . Dann ist IdX homotop zu k und jede Homotopie von IdX nach k ist eine Deformation von X nach {x0 } hinein. 1. ⇒ 1.: Klar. Anmerkung 3.1.10. Die Bedingung 4 in Satz 3.1.9 charakterisiert die Stellung zusammenziehbarer Räume in der Kategorie hTop. Objekte T in einer Kategorie K, für die die Morphismenmenge homK (A, T ) für alle K-Objekte genau ein Element enthält, nennt man terminal. Hier wurde also bewiesen, daß die zusammenziehbaren Räume gerade die terminalen Objekte von hTop sind. Mehr Hintergrundinformationen zu terminalen Objekten findet sich in Anhang C.4. Korollar 3.1.11. Je zwei zusammenziehbare Räume sind homotopieäquivalent. Hat ein Raum den Homotopietyp eines zusammenziehbaren Raumes, so ist auch er zusammenzirhbar. Korollar 3.1.12. Aus Korollar 2.3.3 folgt: Ist H ein Hilbertraum, so ist U(H) genau dann zusammenziehbar, wenn GL(H) zusammenziehbar. Bemerkung 3.1.13. Jeder Raum, der von einem zusammenziehbaren Raum dominiert1 wird, ist selbst zusammenziehbar. Beweis. Seien X, Y topologische Räume, X zusammenziehbar und f : X − → Y, g : Y − →X stetigen Funktionen mit [f ] ◦ [g] = [IdY ]. Sei k : X − → X eine konstante Abbildung. Dann gilt [IdY ] = [f ] ◦ [g] = [f ] ◦ [IdX ] ◦ [g] = [f ] ◦ [k] ◦ [g] = [f ◦ k ◦ g]. Die Funktion f ◦ k ◦ g ist aber konstant, also Y zusammenziehbar (offenbar kann Y nicht leer sein). Auch im komplexen Fall können wir nicht hoffen, daß der Satz von Kuiper auch für endlichdimensionale, nicht-triviale Hilberträume wahr ist: Korollar 3.1.14. Für alle n ∈ N ist GLn (C) nicht zusammenziehbar. Beweis. Der Raum S 1 ist nach Beispiel 2.1.23 Punkt 3. ein Retrakt des Raumes GLn (C). Es ist [S 1 , S 1 ] gleichmächtig zu Z, wobei eine Bijektion über die Umlaufzahl definiert werden kann2 . Also ist S 1 nicht zusammenziehbar. Nach Bemerkung 3.1.13 ist GLn (C) also auch nicht zusammenziehbar. 1 2 Siehe Definition 2.1.24 Näheres kann man z.B. in [Spa66], Kapitel 1, Abschnitt 8, Theorem 12 und Lemma 13 nachlesen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 36 3.2 Schwache Zusammenziehbarkeit Dieser Abschnitt stellt nun den Begriff der schwachen Zusammenziehbarkeit bereit. Hierzu führen wir die Homotopiegruppen topologischer Räume (mit und ohne Basispunkt) ein, wobei wir nur die zugrundeliegenden Mengen angeben und nicht die Gruppenstruktur darauf etablieren. Uns interessiert besonders der Fall, daß alle diese Homotopiegruppen trivial sind, wofür wir gegebenenfalls nur nachzuweisen haben, daß die Homotopiegruppen nur jeweils ein Element haben. Dies wird in dieser Arbeit stets ohne Rückgriff auf die Gruppenstruktur bewerkstelligt, weshalb wir auf die Einführung der Gruppenstruktur der Homotopiegruppen verzichten können. 3.2.1 Allgemeiner Ansatz: Hom-Funktoren Erinnerung 3.2.1 (Kovarianter Hom-Funktor). Sei K eine Kategorie und A ein K-Objekt. Dann bezeichnen wir mit H A oder homK (A, ·) den sogenannten kovarianten Hom-Funktor3 von K nach Set. Dieser ordnet jedem K-Objekt B die Menge homK (A, B) zu und jedem KMorphismus f : B − → C die Abbildung homK (A, f ) : homK (A, B) − → homK (A, C), u 7→ f ◦ u. Wie jeder Funktor erhält auch ein kovarianter Hom-Funktor Isomorphismen, Retrakte sowie Schnitte. Retrakte in Set sind gerade die surjektiven, Schnitte die injektiven (nicht-leeren) Abbildungen. Wenden wir dieses Konzept aud die Homotopiekategorien hTop und hpTop and, so erhalten wir: Definitionssatz 3.2.2. Sei X ein topologisches Raum. Dann definiert die Zuordnung, die jedem topologischen Raum Y die Menge [X, Y ] und der Homotopieklasse [f ] jeder stetigen Funktion f :Y − → Z die Funktion [X, [f ]] : [X, Y ] − → [X, Z], [g] 7→ [f ◦ g] = [f ] ◦ [g] zuordnet, einen Funktor von hTop nach Set. Analog gehe für topologische Räume mit Basispunkt und für Raumpaare vor. Mit den Funktoren [X, ·], wobei X alle topologischen Räume durchläuft, kann man die Zusammenziehbarkeit eines Raumes erkennen: Bemerkung 3.2.3. Ein Raum Y ist genau dann zusammenziehbar, wenn sein Bild unter [X, ·] für jeden topologischen Raum X eine einelementige Menge ist. Läßt man nur die einpunktigen Räume P zu, so erkennt man mit dem Funktor [P, ·] immerhin noch den Wegzusammenhang: 3 Siehe Abschnitt C.2.2 im Anhang. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 37 Satz 3.2.4. Seien P, X topologische Räume und P = {p} einpunktig. Für alle x ∈ X sei kx die konstante Abbildung {(p, x)}. Dann sind zwei Punkte x, y ∈ X genau dann in der selben Wegkomponente von X, wenn kx und ky homotop sind. Insbesondere ist X genau dann wegzusammenhängend, wenn [P, X] einelementig ist. Beweis. Seien x, y ∈ X. Sei zunächst γ ein stetiger Weg von x nach y in Y . Setze H : [0, 1] × P − → X, (t, p) 7→ γ(t). Dann ist H stetig und eine Homotopie von x nach y. Entsprechend andersherum. 3.2.2 Spezialfall: Die Homotopiegruppen Als Spezialfall des Definitionssatzes 3.2.2 führen wir ein: Definition 3.2.5 (Homotopie-Gruppen). Sei n ∈ N0 . • Ist X ein topologischer Raum, so setze πn (X) := [S n , X]. → Y stetig, so setze • Sind X und Y topologische Räume und f : X − πn (f ) := πn ([f ]) := [S n , [f ]]. • Ist (X, x0 ) ein topologischer Raum mit Basispunkt, so setze πn (X, x0 ) = [(S n , e1 ), (X, x0 )]. • Sind (X, x0 ), (Y, y0 ) Räume mit Basispunkt und f : X − → Y basispunkterhaltend und stetig, dann setze πn (f ) := πn ([f ]) := [(S n , e1 ), [f ]] analog zu oben. Satz 3.2.6. Sei n ∈ N0 . Dann ist πn ein Funktor von Top bzw. pTop nach Set. Anmerkung 3.2.7. Für alle n ∈ N kann man auf πn (X, x0 ) eine Gruppenstruktur so definieren, daß πn als ein Funktor von hTop nach Grp aufgefaßt werden kann. Die Gruppe πn (X, x0 ) nennt man dann die n-te Homotopiegruppe von X zum Basispunkt x0 . Aus der Kategorientheorie wissen wir, daß Funktoren Isomorphismen erhalten, was hier bedeutet, daß Homotopieäquivalenzen Isomorphismen der Homotopiegruppen induzieren. Die Homotopiegruppen eines Raumes mit Basispunkt sind also Invarianten des Homotopietyps. Unter moderaten Bedingungen an den Raum X kann man auch auf πn (X) eine Gruppenstruktur definieren, und zwar so, daß πn (X) für jedes x0 ∈ X zu πn (X, x0 ) isomorph ist. Die Bestimmung und Untersuchung der Homotopiegruppen und die Ausbeutung der Zusammenhänge von Homotopie- und Homologiegruppen ist eines der zentralen Gebiete der algebraischen Topologie. Schreibweisen 3.2.8. Sind n ∈ N0 und (X, x0 ) ein topologischer Raum mit Basispunkt, dann schreiben wir genau dann πn (X, x0 ) = 0, wenn πn (X, x0 ) nur genau ein Element hat, und sagen, πn (X, x0 ) sei trivial. Analog für πn (X) für topologische Räume X. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 38 3.2.3 Schwache Zusammenziehbarkeit Wir kommen nun zum zentralen Begriff dieses Abschnittes: Definition 3.2.9 (schwach zusammenziehbar). Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt X genau dann schwach zusammenziehbar, wenn πn (X) für alle n ∈ N0 trivial ist. Anmerkung 3.2.10. Jeder zusammenziehbare Raum ist schwach zusammenziehbar. Andersherum muß das nicht so sein, wie ich im Anhang A.3 mit einem Beispiel4 belege. Wir haben die schwache Zusammenziehbarkeit über die Mengen πn (X) eingeführt. Man könnte dies auch in ähnlicher Form über die Mengen πn (X, x0 ) machen, wobei man dort ein wenig vorsichtig sein muß. Zunächst ein Satz, der gut zur Konstruktion von Homotopien benutzt werden kann. Satz 3.2.11. 5 Sei Y ein topologischer Raum und n ∈ N0 . Sei ferner p0 ein Punkt in S n . Sei f : Sn − → Y . Dann sind äquivalent: 1. f ist nullhomotop. 2. f kann stetig auf Dn+1 fortgesetzt werden. 3. f ist nullhomotop relativ zu {p0 }. Beweis. 1. ⇒ 2.: Sei c : S n − → Y eine konstante Funktion, die S n auf ein y0 ∈ Y abbildet. Sei H eine Homotopie von f nach c. Wir definieren ( y0 ³ n+1 ´ für 0 ≤ kxk ≤ 1/2 . f˜ : D − → Y, x 7→ x , 2 − 2 kxk für 1/2 ≤ kxk ≤ 1 H kxk Diese Abbildung ist wohldefiniert, da H1 = c. f˜ ist eine Fortsetzung von f . Ferner ist die Abbildung f˜ stetig, da ihre Einschränkungen auf die beiden abgeschlossenen Teilmengen {x ∈ Dn+1 | 0 ≤ kxk ≤ 1/2} und {x ∈ Dn+1 | 1/2 ≤ kxk ≤ 1} stetig sind. 2. ⇒ 3. Sei f˜ eine stetige Fortsetzung von f auf Dn+1 . Definiere H : [0, 1] × S n − → Y, (t, x) 7→ f˜((1 − t)x + tp0 ). Dann sind H0 = f˜|S n = f und H1 konstant. Ferner ist H(t, p0 ) = f˜(p0 ) = f (p0 ) für alle t ∈ [0, 1]. Somit ist H eine Homotopie von f in eine konstante Abbildung relativ {p0 }. 3. ⇒ 1.: Dies ist offensichtlich. Hieraus folgt sofort: Korollar 3.2.12. Sei (X, x0 ) ein topologischer Raum mit Basispunkt. 4 5 Siehe A.3.30. Vergleiche [Spa66], Kapitel 1, Abschnitt 3, Theorem 12. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 39 • Für alle n ∈ N0 gilt: Ist πn (X) trivial, so auch πn (X, x0 ). • Ist X schwach zusammenziehbar, so gilt πn (X, x0 ) = 0 für alle n ∈ N0 . Somit folgt also aus der schwachen Zusammenziehbarkeit, die wir über die Mengen πn (X) eingeführt haben, die schwache Zusammenziehbarkeit, wenn wir sie über die Mengen πn (X, x0 ) eingeführt hätten. Zur Rückrichtung nun der folgende Hinweis: Hinweis 3.2.13. Es gilt auch die Umkehrung in folgendem Sinne: Ist (X, x0 ) ein wegzusammenhängender topolgischer Raum mit Basispunkt und ist n ∈ N0 , dann ist πn (X) trivial, wenn πn (X, x0 ) es ist. Der Beweis dieser Aussage ist nicht schwer, aber technisch, wenn man nicht vorher näher auf die Gruppenstruktur auf πn (X) eingeht. Ich lasse ihn fort, da wir die Aussage nicht benötigen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 40 3.3 Simplizialkomplexe Die Simplizialkomplexe (oder vielmehr ihre Realisierungen als topologische Räume) bilden eine Kategorie, in der manche Komplikationen, die in der Kategorie aller topologischen Räume auftreten, nicht vorkommen. Dies zeigt sich besonders im Verhalten von Simplizialkomplexen und Homotopien. So gibt es, wofür ich im topologischen Anhang ein Beispiel angebe, topologische Räume, die zwar schwach zusammenziehbar sind, aber dennoch nicht zusammenziehbar. Dies kann bei Simplizialkomplexen nicht sein. Zunächst einmal sind jedoch Simplizialkomplexe noch keine topologischen Räume, sondern nur rein kombinatorische Objekte, die wir im ersten Abschnitt definieren. Im zweiten werden diesen Objekten Räume zugeordnet, wobei es sich hierbei um Teilmengen von Vektorräumen handelt. Im dritten Unterabschnitt erst geht es darum, sinnvolle Topologien auf diesen Räumen zu konstruieren, wobei zunächst besprochen wir, was unter einer sinnvollen Topologie zu verstehen ist (Siehe Definition „zulässige Topologisierung“). Ich konstruiere dann die beiden gängigen Topologien, nämlich die sogenannten metrische und die schwache Topologie. Die schwache Topologie ist die Standard-Topologie auf Simplizialkomplexen. Im vierten Unterabschnitt schließlich werden einige Sätze über das Wohlverhalten von Homotopien auf Sipmlizialkomplexen bewiesen. 3.3.1 Die Kategorie der Simplizialkomplexe Definition 3.3.1 (Simplizialkomplex). Ein Simplizialkomplex K = (E, S) ist ein Paar, wobei E eine Menge ist, deren Elemente Ecken von K genannt werden, und S eine Menge nicht-leerer endlicher Teilmengen von E ist, die Simplizes von K genannt werden, das folgende Bedingungen erfüllt: 1. ∀e ∈ E : {e} ∈ S, d.h. jede Menge, die genau eine Ecke von K enthält, ist ein Simplex von K; 2. ∀s ∈ S ∀s0 ⊆ s : s0 6= ∅ ⇒ s0 ∈ S, d.h. jede nicht-leere Teilmenge eines Simplex von K ist selber ein Simplex. Wir schreiben auch EK für E und SK für S. Definition 3.3.2 (nützliche Bezeichnungen). Sei K = (E, S) ein Simplizialkomplex. • Sind q ∈ N0 und s ∈ S und enthält s genau q + 1 Ecken, so nennt man s ein q-Simplex von K; die Zahl q heißt dann Dimension von s, geschrieben dim s. • Sind s, s0 ∈ S und s0 ⊆ s, so nennt man s0 eine Seite, im Falle s0 ( s eine echte Seite von s. • Ist s ∈ S, so ist der Abschluß s von s als der Simplizialkomplex definiert, der aus den Ecken von s zusammen mit allen Seiten von s besteht. Der Simplizialkomplex, der aus den Ecken von s zusammen mit allen echten Seiten von s besteht, wird mit ṡ bezeichnet und Rand von s genannt. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 41 • Ist q ∈ N0 , so heißt ist das q-Skelett von K definiert als der Simplizialkomplex, der aus den Ecken von K zusammen mit den Simplizes von K mit Dimension höchstens q besteht. Das q-Skelett von K bezeichnen wir mit K q . Wir setzen aus technischen Gründen K −1 := ∅ • Ist q ∈ N0 und gilt K q = K sowie K q−1 6= K, so heißt q Dimension von K. Die Dimension von K ist dann offenbar eindeutig und wird mit dim K bezeichnet. Ist K q 6= K für alle q ∈ N0 , so setzen wir dim K = ∞. Der leere Simplizialkomplex hat per Setzung Dimension −1. • Ein Simplizialkomplex heißt endlich6 , wenn er nur endlich viele Simplizes (oder äquivalent: nur endlich viele Ecken) hat. Beispiele 3.3.3. 1. Sei X eine Menge und U eine Familie von Teilmengen von X. Man wähle als Ecken die nicht-leeren Elemente von U und als Simplizes diejenigen nicht-leeren endlichen Teilmengen von U, die nicht-leeren Schnitt haben. Der so konstruierte Simplizialkomplex wird Nerv von U genannt und mit K(U) bezeichnet. 2. Sei E eine Menge und S die Menge der nicht-leeren, endlichen Teilmengen von E. Dann ist (E, S) ein Simplizialkomplex. 3. Ist im letzten Besipiel E nicht-leer und endlich, dann ist E selber ein Simplex und es gilt E = E. Definition 3.3.4 (simpliziale Abbildung). Sind K und K Simplizialkomplexe, so ist eine simpliziale Abbildung f von K nach K 0 eine Abbilddung von EK nach EK 0 mit f (s) ∈ SK 0 für alle s ∈ SK (Simplizes werden auf Simplizes abgebildet). Wir schreiben dann f : K − → K 0. Bemerkung 3.3.5. Die Klasse der Simplizialkomplexe zusammen mit den simplizialen Abbildungen bildet eine konkrete Kategorie. Definition 3.3.6 (Teilkomplex). Seien K und K 0 Simplzialkomplexe. Dann heißt K 0 Teilkomplex von K, geschrieben K ≤ K 0 , wenn EK ⊆ EK 0 und SK ⊆ SK 0 gilt. Beispiele 3.3.7. Sei K ein Simplizialkomplex. Für jedes q ∈ N0 ist das q-Skelett K q von K ein Teilkomplex von K. Für jedes Simplex s ∈ SK ist sowohl s als auch ṡ ein Teilkomplex von K. Es ist dann auch ṡ ein Teilkomplex von s. Bemerkung 3.3.8. Seien K, K 0 Simplizialkomplexe. Dann sind äquivalent 1. K 0 ≤ K; 2. EK 0 ⊆ EK und die Inklusionsabbildung von E 0 nach E ist eine simpliziale Abbildung; 3. SK 0 ⊆ SK . Ferner gilt: • Ist K ein Teilkomplex von K 0 und K 0 ein Teilkomplex von K, so gilt K = K 0 . • Ist ein Simplizialkomplex K 00 ein Teilkomplex von K 0 und K 0 ein Teilkomplex von K, so ist auch K 00 ein Teilkomplex von K. 6 Jeder endliche Simplizialkomplex hat endliche Dimension, aber nicht umgekehrt. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 42 3.3.2 Realisierungen eines Simplizialkomplexes Wir ordnen nun jedem Simplizialkomplex K einen Raum |K| zu. Dies geschieht so, daß |K| in einem Vektorraum enthalten ist, die Ecken sich als linear unabhängige Menge in |K| wiederfinden lassen und immer, wenn eine Menge von Ecken von K einen Simplex bilden, alle Konvexkombinationen dieser Ecken in |K| enthalten sind. Definition 3.3.9 (Standard-Realisierung). Sei K = (E, S) ein Simplizialkomplex. Für alle α ∈ RE setze: supp α := {e ∈ E| α(e) 6= 0}. ( Ferner setze |K| := α ∈ [0, 1]E | supp α ∈ S, X ) α(e) = 1 . e∈E Die Menge |K| wird Standard-Realisierung von K genannt. Bemerkung 3.3.10. Identifiziert man jede Ecke e ∈ E mit 1{e} : E − → [0, 1], so besteht |K| aus allen Konvexkombinationen von solchen Ecken von K, die Ecken eines gemeinsamen Simplex sind. Man kann K aus |K| rekonstruieren, denn die Simplizes von K sind gerade die Teilmengen von E, die als Träger Elementen von |K| vorkommen. Häufig wird für ein typisches Element Pvon n von |K| dann auch i=1 αi ei oder ein ähnlicher Ausdruck geschrieben. Bemerkung 3.3.11. Sei K ein Simplizialkomplex, q ∈ N und s ∈ SK ein q-Simplex. Dann ist der Raum ¯ ( ) ¯ X ¯ V := α ∈ Rs ¯ α(e) = 1 ¯ e∈s s ein affiner, q-dimensionaler Teilraum von R . Auf V betrachten wir die euklidische Topologie. Es gilt dann: 1. |s| ist eine konvexe, abgeschlossene Teilmenge von V . 2. {α ∈ V | ∀e ∈ s : α(e) > 0} das Innere von |s| in V . 3. |ṡ| ist der Rand von |s| in V . Beweis. Klar. Wir haben nun jedem Simplizialkomplexe eine Realisierung zugeordnet. Im folgenden werden wir nun jeder simplizialen Abbildung eine Abbildung zwischen den realisierten Komplexen zuordnen: → K 0 eine simpliDefinition 3.3.12 (Realisierungen simplizialer Abbildungen). Ist f : K − ziale Abbildung, so definieren wir die (Standard-)Realisierung von f als die Abbildung X |f | : |K| − → |K 0 | , α 7→ e0 7→ α(e) . e∈f −1 ({e0 }) Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 43 Bemerkung 3.3.13. |f | kann man bei geeigneten Identifizierungen auch folgendermaßen notieren: n n X X |f | : |K| − → |K 0 | , αi ei 7→ αi f (ei ). i=1 i=1 Hierbei wird deutlich, daß es sich bei |f | um die Einschränkung einer linearen Abbildung handelt. Bemerkung 3.3.14. Die Zuordnung |·| ist funktoriell mit Werten in Set. Bemerkung 3.3.15. Sind K, K 0 Simplizialkomplexe und K 0 ≤ K, dann ist |i|, wobei i die Einbettungsabbildung von K 0 in K ist, eine Injektion von |K 0 | in |K|. Wir betrachten ab jetzt in einem solchen Fall |K 0 | vermöge dieser Injektion als Teilmenge von |K|. Es gilt dabei X α(e) = 1 . |i| (|K 0 |) = α ∈ [0, 1]EK | supp α ∈ SK 0 , e∈EK 0 3.3.3 Topologien auf der Standardrealisierung Welche Topologien sollte man nun auf den Realisierungen von Simplizialkomplexen ansetzen? Für endliche Simplizialkomplexe drängt sich hierbei natürlich die folgende Wahl auf: Definition 3.3.16 (Topologie auf endlichen Komplexen). Sei K ein endlicher Simplizialkomplex. Dann ist |K| eine Teilmenge des endlich-dimensionalen Teilvektorraums REK . Auf diesem Raum gibt es genau eine Topologie, die von einer Norm induziert wird. Die von dieser Topologie auf |K| induzierte Topologie wollen wie als die Standard-Topologie auf |K| betrachten. Zulässige Topologisiserungen Für beliebige Simplizialkomplexe gibt es mehrere sinnvolle Wahlmöglichkeiten für eine Topologie auf der Realisierung. Deshalb möchte ich mit der folgenden Ad-hoc-Definition Mindestanforderungen für solche Topologisierungen festlegen. Definition 3.3.17 ((zulässige) Topologisierung). Eine Funktion τ , die jedem Simpilizialkomplex K eine Topologie auf |K| auf eine Weise zuordnet, daß für alle Simplizialkomplexe K, K 0 und alle simplizialen Abbildungen f : K − → K 0 die Abbildung |f | von (|K| , τ (K)) nach (|K 0 | , τ (K 0 )) stetig ist, nennen wir eine Topologisierung (der Kategorie der Simpilizialkomplexe). Wir nennen eine Topologisierung τ zulässig, wenn sie die folgenden Bedingungen erfüllt: 1. Für jeden Simplizialkomplex K und für jedes e ∈ EK ist die Punktauswertung δe : (|K| , τ (K)) − → [0, 1], α 7→ α(e) stetig. 2. Ist K ein endlicher Simplizialkomplex, so soll die Topologie τ (K) auf |K| die sein, die von der (eindeutigen) Norm-Topologie auf REK herrührt. Diese wollen wir Standard-Topologie auf |K| nennen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 44 3. Für jeden Simplizialkomplex K und jeden Teilkomplex K 0 von K soll, nach kanonischer Identifizierung, die Topologie τ (K 0 ) auf |K 0 | die von der Topologie τ (K) auf |K| stammenden Teilraumtopologie sein. Bemerkung 3.3.18. Sei K ein endlicher Simplizialkomplex. Für jeden endlichen Teilkomplex K 0 von K ist die Standard-Topologie auf |K 0 | gerade die Einschränkung der Standard-Topologie auf |K| auf den Teilraum |K 0 |. Ferner ist die projektive Topologie, die von den in Bedingung 1. beschriebenen Punktauswertungen erzeugt wird, die Standard-Topologie auf |K|. Insofern sind die drei Bedingungen für die Zulässigkeit einer Topologisierung miteinander verträglich. Bemerkung 3.3.19. Sei τ eine Topologisierung. Die Zuordnung, die jedem Simplizialkomplex K den Raum (|K| , τ (K)) und jeder simplizialen Abbildung f die Abbildung |f | zuordnet, ist ein Funktor von der Kategorie der Simplizialkomplexe nach Top. Die metrische Topologie Ist K ein Simplizialkomplex, so ist |K| eine Teilmenge der Funktionen mit endlichem Träger von EK nach R. Dieser Funktionenraum ist für jedes p ∈ [1, ∞] in lp (EK , R) enthalten, was uns eine Fülle möglicher Metriken auf |K| beschert. Hier bietet sich besonders die von l1 induzierte Metrik an: Definition 3.3.20 (metrische Topologie auf |K|). Sei K ein Simplizialkomplex. Da alle α ∈ |K| endlichen Träger haben, können wir |K| auch als Teilraum des metrischen Raums l1 (EK , K) auffassen. Die Topologie, die von diesem metrischen Raum induziert wird, wird metrische Topologie auf |K| genannt und mit τm (K) bezeichnet. Wir zeigen nun, daß dies eine zulässige Topologisierung ergibt. Zunächst ein einfaches Lemma: Lemma 3.3.21. Seien E und E 0 Mengen und f : E − → E 0 eine Funktion. Dann ist die Funktion X f˜ : l1 (E, K) − → l1 (E 0 , K), α 7→ αe e∈f −1 ({e0 }) e0 ∈E 0 wohldefiniert, linear und stetig mit Norm ≤ 1. Beweis. Sei α ∈ l1 (E, K). ¯ ¯ ¯ ¯ X ¯¯ X ¯ ° ° X X X ¯ ¯ ¯˜ °˜ ° ¯≤ ¯ |αe | = kαk1 . α ¯f (α)e0 ¯ = °f (α)° = e ¯ ¯ 1 ¯ e0 ∈E 0 e∈f −1 ({e0 }) e0 ∈E 0 ¯e∈f −1 ({e0 }) e0 ∈E 0 Somit ist f˜(α) ∈ l1 (E 0 , K). Die Linearität von f˜ ist offenkundig. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 45 Satz 3.3.22. τm ist eine zulässige Topologisierung. Beweis. Wenn wir gezeigt haben, daß τm eine Topologisierung ist, so ist klar, daß τm auch zulässig ist. Seien also K und K 0 Simplizialkomplexe. Sei f : K − → K 0 eine simpliziale Abbildung. Mit den Bezeichnungen des letzten Lemmas gilt |f | = f˜||K| . Somit ist |f | stetig (und sogar Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Konstante 1, wenn wir auf |K| und |K 0 | die l1 -Metriken heranziehen). Wir hätten uns oben übrigens auch für ein anderes p entscheiden können, ohne daß es einen Unterschied gemacht hätte, wie der folgende Satz zeigt: Satz 3.3.23. Sei K ein Simplizialkomplex und p ∈ [1, ∞]. Dann sind auf |K| die folgenden Topologien gleich: • Die von l1 (EK , K) induzierte Topologie. • Die von lp (EK , K) induzierte Topologie. • Die von der Produkttopologie auf [0, 1]EK induzierte Topologie. Dieser Satz ergibt sich aus dem folgenden Lemma, da |K| eine Teilmenge der Einheitssphäre von l1 (EK , K) ist. Lemma 3.3.24. Sei E eine Menge. Sei M := S(l1 (E, K)) die Einheitssphäre des Banachraumes l1 (E, K). Sei p ∈ [1, ∞]. Dann sind die folgenden Topologien auf M gleich: • Die von l1 (E, K) induzierte Topologie τ1 . • Die von lp (E, K) induzierte Topologie τp . • Die von der Produkttopologie auf KE induzierte Topologie τπ . Beweis. Es gilt sicherlich τπ ⊆ τp ⊆ τ1 . Zu zeigen ist, daß τ1 ⊆ τπ gilt. Sei also f ∈ M und ε > 0. Setze U := {g ∈ M | kg − f k1 < ε}. Finde nun eine endliche Menge T ⊆ E mit X ε kf k1 − |f (e)| < . 4 e∈T Setze n := |T |. Setze ε o . V := g ∈ M | ∀e ∈ T : |g(e) − f (e)| < 4n n Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 46 Die Menge V ist eine τπ -Umgebung von f . Ich zeige nun V ⊆ U . Sei dazu g ∈ V . Dann gilt für alle e ∈ T : ε |g(e)| ≥ |f (e)| − |f (e) − g(e)| > |f (e)| − . 4n Somit ergibt sich X X ε ε ε ε |g(e)| > |f (e)| − > kf k1 − − = 1 − 4 4 4 2 e∈T e∈E Da g ein Element von M ist, gilt kgk1 = 1, also X e∈E\T ε |g(e)| < . 2 Somit errechnen wir kg − f k1 = X |g(e) − f (e)| + e∈T X |g(e) − f (e)| e∈E\T X ε X X |f (e)| < |g(e)| + + 4n e∈T e∈E\T e∈E\T ε ε ε < + + = ε. 4 2 4 Somit gilt g ∈ U . Für die metrische Topologie ergibt sich also die folgende „universelle Eigenschaft“: Korollar 3.3.25. Für jede zulässige Topologisierung τ und für jeden Simplizialkomplex K ist die Topologie τ (K) feiner als die Topologie τm (K). Insbesondere ist τ (K) Hausdorffsch. Beweis. Es ist τm (K) die von den Punktauswertungen (δe )e∈EK erzeugte projektive Topologie. Ist τ eine zulässige Topologisierung, so ist δe für jedes e ∈ EK stetig bezüglich τ (K). Somit ist die Topologie τ (K) feiner als die Topologie τm (K). Die schwache Topologie Eine andere Möglichkeit für die Topologisierung von Simplizialkomplexen tut sich auf, wenn man sich fragt, welche Topologie denn die feinste zulässige sein könnte. Hier hilft nämlich der Begriff der schwachen oder kohärenten Topologie weiter: Erinnerung 3.3.26 (Kohärente Teilraumfamilie, schwache Topologie). Sei X eine Menge. Eine kohärente Teilraumfamilie7 (A, τA )A∈A ist eine Paar, wobei A eine Menge von Teilmengen von X, τA für jedes A ∈ A eine Topologie auf A ist und die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind: 7 Vergleiche Definition A.2.2 und Definitionssatz A.2.5. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 47 1. Für alle A, A0 ∈ A ist A ∩ A0 in (A, τA ) abgeschlossen. 2. Für alle A, A0 ∈ A stimmen die von (A, τA ) und (A0 , τA0 ) induzierten Subraumtopologien auf A ∩ A0 überein. Ist (A, τA )A∈A eine kohärente Teilraumfamilie, dann gibt es auf X eine Topologie τw auf X mit den folgenden Eigenschaften: 1. Alle A ∈ A sind in (X, τw ) abgeschlossen 2. Für alle A ∈ A ist τA die von τw induzierte Subraumtopologie 3. τw ist die feinste Topologie mit der Eigenschaft 2. . 4. Eine Teilmenge B von X ist genau dann offen (abgeschlossen), wenn für alle A ∈ A die Menge A ∩ B abgeschlossen in (A, τA ) ist. τw wird als schwache Topologie auf X bezüglich A bezeichnet. Somit können wir die folgenden Definition wagen: Definitionssatz 3.3.27 (die schwache Topologie auf |K|). Sei K ein Simplizialkomplex. Fassen wir nun |K 0 | für jeden endlichen Teilkomplex K 0 als Teilmenge von |K| auf8 , dann ist (A, τA )A∈A , wobei wir A := {|K 0 | : K 0 endlicher Teilkomplex von K} setzen und τA für alle A ∈ A die Standard-Topologie sei, eine kohärente Teilraumfamilie. Dann definieren wir τw (K) als die schwache Topologie bezüglich A. Die Topologie τw (K) bezeichnen wir als induktive, kohärente oder schwache Topologie auf |K|. Bevor wir zeigen, daß wir hiermit eine zulässige Topologisierung angegeben haben, beweise ich folgende Hilfsaussage: Bemerkung 3.3.28. Sei K ein Simplizialkomplex. Dann gilt 1. Ist X ein topologischer Raum und f : |K| − → X, dann ist f genau dann stetig bezüglich der schwachen Topologie auf |K|, wenn f ||K 0 | für jeden endlichen Teilkomplex K 0 ≤ K stetig ist. → V eine lineare Funktion, dann ist ϕ||K| stetig 2. Ist V ein normierter Raum und ϕ : K(EK ) − bezüglich der schwachen Topologie. Beweis. 8 1. Dies folgt aus der Definition der schwachen Topologie. Siehe Bemerkung 3.3.15. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 48 2. Dies folgt aus 1., da lineare Funktionen von einem endlich-dimensionalen Raum in einen normierten Raum immer stetig sind. Nun ergibt sich, daß auch die schwache Topologie eine zulässige Topologisierung ist, und auch diese hat eine „universelle Eigenschaft“: Satz 3.3.29. τw ist eine zulässige Topologisierung. Für jede andere zulässige Topologisierung τ ist für jeden Simplizialkomplex K die Topologie τ (K) gröber als die Topologie τw (K). Beweis. Nach der letzten Bemerkung ist τw eine Topologisierung und es gilt die erste Bedingung für die Zulässigkeit. Die Bedingungen 2. und 3. aus der Definition der Zulässigkeit ergeben sich automatisch aus der Definition von τw . Ist τ ein zulässige Topologisierung und K ein Simplizialkomplex, so bedeutet Bedingung 3. gerade, daß τ (K) gröber sein muß als τw (K). Bemerkung 3.3.30. Sei K ein Simplizialkomplex. Ist A ⊆ |K|, dann ist A genau dann abgeschlossem in (|K| , τw (K)), wenn für jedes s ∈ SK die Menge A ∩ |s| abgeschlossen in |s| ist. Es ist also τw (K) auch die schwache Topologie bezüglich {|s| : s ∈ SK }. Beweis. Ist A abgeschlossen in (|K| , τw (K)) und s ∈ SK , so ist s ein (endlicher) Teilkomplex von K, also A ∩ |s| abgeschlossen in |s|. Es gelte nun für alle s ∈ S SK , daß A ∩ |s| abgeschlossen in |s| ist. Sei K 0 ein endlicher Teilkomplex. Dann ist |K 0 | = s∈SK 0 |s|, und diese Vereinigung ist endlich. Dann ist A ∩ |K 0 | abgeschlossen, da für alle s ∈ SK 0 die Menge |s| abgeschlossen in |K 0 | ist und A ∩ |s| abgeschlossen in |s| ist. Als Korollar folgern wir hieraus: Bemerkung 3.3.31. Sei K ein Simplizialkomplex und X ein topologischer Raum. Dann ist eine Funktion f : |K| − → X genau dann stetig, wenn f ||s| für alle s ∈ SK stetig ist. Hinweis 3.3.32. Es gilt9 , daß |K| für alle Simplizialkomplexe K ein normaler Hausdorffraum ist. Darüberhinaus ist dieser Raum sogar parakompakt. Er ist genau dann lokalkompakt, wenn K die Eigenschaft hat, daß jede Ecke nur in endlich vielen Simplizes von K vorkommt, und genau dann stimmen auch die metrische und die induktive Topologie überein. 3.3.4 Simplizialkomplexe und Homotopie Realisierungen von Simplizialkomplexen sind (wie schon erwähnt) sehr „gutartig“, was ihr Zusammenspiel mit dem Homotopiebegriff anbelangt. Dies zeigt etwa der folgende Satz: Satz 3.3.33. Sei K ein Simplizialkomplex und |K| schwach zusammenziehbar. Dann ist |K| zusammenziehbar. 9 Vergleiche [Spa66], Kapitel 3, Abschnitte 1 und 2. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 49 Hauptergebnis dieses Abschnittes ist jedoch der folgende Satz, der offenbar Satz 3.3.33 impliziert. Satz 3.3.34. Wird ein schwach zusammenziehbarer, nicht-leerer topologischer Raum Y von der Realisierung |K| eines Simplizialkomplexes K dominiert, so ist der Raum Y schon zusammenziehbar. Diesen Satz wiederum beweisen wir aus dem folgenden: Satz 3.3.35. Seien K ein Simplizialkomplex und Y ein schwach zusammenziehbarer topologischer Raum. Dann hat auch [|K| , Y ] nur genau ein Element, d.h. alle stetigen Abbildungen von |K| nach Y sind zueinander homotop. Beweis von 3.3.34 aus 3.3.35 Seien r : |K| − → Y und s : Y − → |K| stetige Funktionen derart, daß r ◦ s ' IdY . Dann ist r wie jede stetige Abbildung von |K| nach Y nach Satz 3.3.35 homotop zu einer konstanten Funktion k : |K| − → Y . Es folgt [IdY ] = [r ◦ s] = [r] ◦ [s] = [k] ◦ [s] = [k ◦ s]. Die Abbildung k ◦ s ist konstant, also ist Y zusammenziehbar. Beweis von 3.3.35 Lemma 3.3.36. Sei K ein Simplizialkomplex, q ∈ N0 und s ein q-Simplex von K. Dann gibt es einen Homöomorphismus von |s| auf Dq , der |ṡ| genau auf S q−1 abbildet. Beweis. Es gelten die Bezeichnungen von Bemerkung 3.3.11. Dann finden wir einen affinlinearen Homöomorphismus ϕ von Rq auf V . Es ist dann A := ϕ−1 (|s|) eine abgeschlossene, konvexe Teilmenge von Rq mit nicht-leerem Inneren. Somit gibt es nach Korollar A.5.11 einen Homöomorphismus von Dq nach A, der S q−1 genau auf den Rand von A abbildet. Nun ist ϕ−1 (|ṡ|) aber dieser Rand, weshalb das Lemma bewiesen ist. Lemma 3.3.37. Sei K ein Simplizialkomplex, q ∈ N0 und s ein q-Simplex von K. Dann gibt es einen Homöomorphismus von [0, 1] × |s| auf Dq+1 , der ∆ := [0, 1] × |ṡ| ∪ {0} × |s| ∪ {1} × |s| genau auf S q abbildet. Beweis. Dies folgt aus dem vorangegangenen Lemma, Bemerkung A.5.4 und Korollar A.5.11. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 50 Nun zum eigentlichen Beweis: Sei Y ein schwach zusammenziehbarer, nicht-leerer topolgischer Raum und K ein Simplizialkomplex. ISt Y , so gibt es von |K| nur dann eine Abbildung nach Y , wenn K der leere Simplizialkomplex ist. In diesem Fall gibt es nur eine Abbildung von |K| nach Y und wir sind fertig. Sei Y nicht leer. Somit finden wir ein y0 ∈ Y . Sei f : |K| − → Y stetig. Wir zeigen, daß f zu der Abbildung k : |K| − → Y, x 7→ y0 homotop ist. Wir konstruieren eine Homotopie von f nach k rekursiv, indem wir von Skelett zu Skelett des Simplizialkomplexes K fortschreiten. Wir nutzen also aus: [ |K| = |K q | . q∈N0 Die Rekursion lassen wir bei q = −1 beginnen. Das (−1)-Skelett von K ist definitionsgemäß leer. Somit setzen wir H −1 := ∅. Dies ist eine Homotopie von f ||K −1 | nach k||q−1 | . Sei nun q ∈ N0 und H q−1 : [0, 1] × |K q−1 | − → Y eine Homotopie von f ||K q−1 | nach k||K q−1 | . 10 Es gilt [ Kq = Kq−1 ∪ s dim s=q und für alle s ∈ SK mit dim s = q: ṡ = s ∩ K q−1 ⊆ K q−1 . Ferner gilt für je zwei s, s0 ∈ SK mit s 6= s0 und dim s = dim s0 = q: s ∩ s0 = ṡ ∩ ṡ0 ≤ K q−1 . Die ensprechenden Gleichungen und Inklusionen gelten offensichtlich auch für die Realisierungen dieser Teilkomplexe. Wenn wir nun für jeden q-Simplex s von K eine Homotopie Hs : [0, 1] × |s| − → Y von f ||s| nach k||s| finden, die auf [0, 1] × |ṡ| mit H q−1 übereinstimmt, dann können wir also diese Funktionen zu einer Funktion [ Hs H q := H q−1 ∪ dim s=q zusammenfügen. Sei s ∈ SK ein q-Simplex von K. Wir setzen nun → Y, (0, x) 7→ f (x) f0,s : {0} × |s| − und → Y, (1, x) 7→ k(x) = y0 k1,s : {1} × |s| − und schließlich hs := H q−1 |[0,1]×|ṡ| ∪ f0,s ∪ k1,s . Hier und im folgenden sind die Vereinigung und der Schnitt von Teilkomplexen von K analog zu Definition als Vereinigung der Ecken und der Simplizes zu verstehen. 10 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 51 Die Funktion hs ist eine stetige Funktion, die auf der Menge ∆ := [0, 1] × |ṡ| ∪ {0} × |s| ∪ {1} × |s| definiert ist. Nach Lemma 3.3.37 finden wir einen Homöomorphismus ϕ von Ddim s+1 auf den topologischen Raum [0, 1] × |s|, der S dim s genau auf ∆ abbildet. Dann ist hs ◦ ϕ eine stetige Funktion auf S dim s , also wegen der schwachen Zusammenziehbarkeit von Y nullhomotop, also gibt es nach Satz 3.2.11 eine stetige Fortsetzung Hs0 von hs ◦ ϕ auf ganz Ddim s+1 . Dann ist Hs := Hs0 ◦ ϕ−1 eine stetige Fortsetzung von hs auf ganz [0, 1] × |s|. Setze nun wie angekündigt [ H q := H q−1 ∪ H s. dim s=q S Wir setzen H := q∈N0 H q . Diese Funktion ist eingeschränkt auf [0, 1] × s stetig für alle s ∈ SK . Nach Korollar A.2.8 ist also H stetig. Es ist ferner H0 = f und H1 = k. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 52 3.4 Zusammenziehbarkeit in normierten Räumen Das wichtigste Zwischen-Resultat dieses Abschnittes ist der folgende Satz: Satz 3.4.1. Jede offene Teilmenge eines normierten Raumes11 wird von der Realisierung eines Simplizialkomplexes dominiert. Bringen wir diesen Satz mit Satz 3.3.34 zusammen, erhalten wir als Korollar den Hauptsatz dieses Abschnitts: Satz 3.4.2. Eine offene Teilmenge eines normierten Raumes ist genau dann zusammenziehbar, wenn sie schwach zusammenziehbar ist. Zum Ende dieses Abschnitts beweise ich eine Folgerung dieses Hauptsatzes, in der für eine offene Teilmenge eines normierten Raumes insgesamt 5 zur Zusammenziehbarkeit äquivalente Bedinungen angegeben werden. Insbesondere beweise ich dabei das Hauptlemma 1.3.6, das ein wesentlicher Pfeiler des Beweises des Satzes von Kuiper ist. 3.4.1 Nerven und stetige Teilungen der Eins Generalvoraussetzung 3.4.3. Im Unterabschnitt 3.4.1 sei X ein topologischer Raum und U eine offene Überdeckung von X aus nicht-leeren Teilmengen. Erinnerung 3.4.4. Der Nerv K(U) von U ist als derjenige Simplizialkomplex definiert, dessen Eckenmenge EK(U ) die Menge U und dessen Simplexmenge SK(U ) die Menge derjenigen nichtleeren endlichen Teilmengen von U ist, die nicht-leeren Schnitt haben. Definition 3.4.5. Ist f : X − → |K(U)| eine Funktion, so setze für alle U ∈ U: fU : X − → [0, 1], x 7→ (f (x))(U ). Bemerkung 3.4.6. Sei f : X − → |K(U)|. Dann gilt X X ∀x ∈ X : fU (x) = ( f (x) )(U ) = 1. |{z} U ∈U U ∈U ∈|K(U )| Ist f stetig, so ist fU für alle U ∈ U stetig. Spanier beschäftigt sich in [Spa66] mit der Frage, welche Bedingungen an f zu stellen sind, damit (fU )U ∈U eine stetige Teilung der Eins ist. Hierbei muß sichergestellt sein, daß für jedes U ∈ U der Träger supp fU in U enthalten ist. Ferner muß an f oder an U eine Bedingung gestellt werden, die garantiert, daß die Familie (supp fU )U ∈U eine lokal-endliche Überdeckung von X ist. Zum Zusammenhang zwischen Nerven und stetigen Teilungen der Eins siehe [Spa66], Kapitel 3, Übungsaufgaben, Abschnitt G. Zum Beweis des Satzes 3.4.1 beschreiten wir den umgekehrten Weg: Wir geben uns eine stetige U untergeordnete Teilung der Eins vor und konstruieren daraus eine Funktion von X nach |K(U)|. 11 Dieses Ergebnis kann man leicht für metrisierbare, lokal-konvexe Räume verallgemeinern. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 53 Lemma 3.4.7. Sei (fU )U ∈U eine stetige U untergeordnete Teilung der Eins. Setze f :X− → |K(U)| , x 7→ (U 7→ fU (x)) . Dann ist f eine stetige Funktion von X nach |K(U)|. Diese hat die Eigenschaft: \ (3.1) ∀x ∈ X x ∈ supp f (x). Beweis. Sei x ∈ X. Da (supp fU )U ∈U eine lokal-endliche Überdeckung von X ist, finden wir eine Umgebung V von x mit der Eigenschaft, daß V := {U ∈ U | supp fU ∩ V 6= ∅} endlich (und nicht leer) ist. Sei v ∈ V . Dann gilt für alle U ∈ supp f (v): 0 6= f (v)(U ) = fU (v), und somit v ∈ supp fU ⊆ U, womit wir den letzten Teil der Behauptung bewiesen haben. Für alle U ∈ supp f (v) gilt insbesondere supp fU ∩ V 6= ∅. T T Somit gilt supp f (v) ⊆ V und v ∈ supp f (v), also supp f (v) 6= ∅. Es ist also supp f (v) ein Simplex von K(U). Ferner gilt (f (v))(U ) ∈ [0, 1] für alle U ∈ U und X X (f (v))(U ) = fU (v) = 1. U ∈U U ∈U Also ist f (v) ∈ |K(U)|. Sei K 0 der Teilkomplex von K(U), dessen Eckenmenge die Menge V ist und dessen Simplixmenge die Menge aller Simplizes von K(U) is, die in V enthalten sind. Dann ist K 0 ein endlicher Komplex und es gilt f (V ) ⊆ |K 0 | . Nun ist aber die Topologie auf der Realisierung des endlichen Komplexes K 0 die Produkttopologie. Die Funktion f ist definitionsgemäß komponentenweise stetig, also ist f |V stetig mit Werten in |K 0 |. Da V aber eine Umgebung von x ist und |K 0 | ein Unterraum von |K(U)|, wobei die Topologie auf |K(U)| kohärent ist mit der auf |K 0 |, ist f stetig in x. Lemma 3.4.8. Ist X parakompakt, so gibt es eine stetige Funktion von X nach |K(U)|, welche die Bedingung (3.1) erfüllt. 3.4.2 Beweis von Satz 3.4.1 Definition 3.4.9 (kleine Menge). Sei E ein normierter Raum und X eine Teilmenge von E. Dann bezeichnen wir eine Teilmenge M von X als klein (in X), wenn es solche x ∈ X und r > 0 gibt, daß M ⊆ KE (x, r) ⊆ KE (x, 3r) ⊆ X. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 54 Bemerkung 3.4.10. Teilmengen kleiner Mengen sind klein. Notation 3.4.11. Ist V ein reeller Vektorraum und M ⊆ V , so bezeichne die konvexe Hülle von M mit Γ(M ). Kleine Mengen sind so klein, daß in der umgebenden Menge auch noch genug Platz für Konvexkombinationen ist. Damit meine ich: Lemma 3.4.12. Sei E ein normierter Raum und X eine Teilmenge von E. Sei A eine nicht-leere Menge S von kleinen Teilmengen von X, deren Schnitt nicht leer ist. Dann ist die konvexe Hülle Γ ( A) in X enthalten. T Beweis. Sei x0 ∈ A. Seien n ∈ N und A1 , . . . An ∈ A. Für alle i ∈ N≤n findet man solche ri > 0 und xi ∈ X, daß Ai ⊆ KE (xi , ri ) ⊆ KE (xi , 3ri ) ⊆ X. Für alle i ∈ N≤n ist x0 ∈ KE (xi , ri ), also KE (xi , ri ) ⊆ KE (x0 , 2ri ). Sei j ∈ N≤n mit rj = max{r1 , . . . , rn }. Dann ist KE (xi , ri ) ⊆ KE (x0 , 2rj ) für alleSi ∈ N≤n . Es ist umgekehrt KE (x0 , 2rj ) ⊆ KE (xj , 3rj ) ⊆ X. Zusammen ist also auf jedenSFall ni=1 Ai ⊆ KE (xj , 3rj ) ⊆ X. Da Kugeln aber konvex sind, ist auch die konvexe Hülle von ni=1 Ai in X enthalten. Beweis von Satz 3.4.1 Sei X eine offene Teilmenge eines normierten Raumes E. Ohne Einschränkung sei X nicht leer. Wähle eine Überdeckung U von X aus kleinen offenen Mengen so, daß kein Element von U leer ist. Sei N := |K(U)| die Standardrealisierung des Nervs von U. Aus jedem U ∈ U wähle einen Punkt xU . Setze nun X ρ:N − → E, α 7→ α(U )xU . U ∈U Diese Funktion ist stetig nach Bemerkung 3.3.28, da sie eine Einschränkung einer linearen Funktion ist. Für alle α ∈ N ist supp α ein Simplex von K(U), also eine endliche Teilmenge von U mit nicht-leerem Schnitt. Somit gilt nach Lemma 3.4.12: ³[ ´ X X ρ(α) = α(U )xU = α(U )xU ∈ Γ supp α ⊆ X. U ∈U U ∈supp α Wir zeigen nun, daß [ρ] ein Rechts-Inverses in hTop hat. Da X parakompakt ist, finden wir nach Lemma 3.4.8 eine stetige Abbildung σ : X − →N mit der Eigenschaft: \ ∀x ∈ X : x ∈ supp σ(x). Es gilt für alle x ∈ X einerseits (ρ ◦ σ)(x) ∈ Γ ³[ ´ supp σ(x) Der Satz von Kuiper, W. Paravicini und andererseits, x∈ \ supp σ(x) ⊆ Γ 55 ³[ ´ supp σ(x) . Nach Lemma 3.4.12 hat die folgende Funktion also tatsächlich ihr Bild in X: H : [0, 1] × X − → X, (t, x) 7→ tρ(σ(x)) + (1 − t)x. Diese Funktion H ist offenbar stetig und somit eine Homotopie von IdX nach ρ ◦ σ. 3.4.3 Verfeinerung des Satzes 3.4.2 Wir wollen den Satz 3.4.2 noch etwas verbessern. Hierzu beobachten wir, daß sich kompakte Teilmengen von offenen Teilmengen eines normierten Raumes in endlich-dimensionale Unterräume deformieren lassen. Genauer: Satz 3.4.13. Sei E ein normierter Raum und X eine offene Teilmenge von E. Sei C eine kompakte Teilmenge von X. Dann gibt es einen endlich-dimensionalen Unterraum V von E so, daß man C in X nach X ∩ V hinein deformieren kann. Beweis. Sei C ohne Einschränkung nicht leer. Sei U eine Überdeckung von C mit nicht-leeren, kleinen, offenen Teilmengen von X. Sei ohne Einschränkung U endlich (sonst wähle eine S endliche Teilüberdeckung). Sei (fU )U ∈U eine stetige, U untergeordnete Teilung der Eins auf U. Für alle U ∈ U wähle ein xU ∈ U . Setze X h:C− → E, x 7→ fU (x)xU . U ∈U h ist als endliche Summe stetiger Funktionen stetig. Setze ferner H : [0, 1] × C − → E, (t, x) 7→ th(x) + (1 − t)x. Offenbar ist H eine Homotopie von IdC zu h. Nach Lemma 3.4.12 hat ist da Bild von H enthalten in X. Das Bild von h ist im Aufspann von {xU : U ∈ U} enthalten, und dies ist ein endlichdimensionaler Unterraum von E. Satz 3.4.14. Sei E ein normierter Raum und X eine offene Teilmenge. Dann sind äquivalent: 1. X ist zusammenziehbar; 2. X ist schwach zusammenziehbar; 3. für jeden kompakten topologischen Raum K hat [K, X] nur genau ein Element; 4. X ist nicht leer, und für jeden kompakten topologischen Raum K sind alle stetigen Abbildungen von K nach X nullhomotop; 5. X ist nicht leer, und jede nicht-leere, kompakte Teilmenge C von X ist in X zusammenziehbar; Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 56 6. X ist nicht leer, und für jeden endlich-dimensionalen Unterraum V von E gilt: V ∩ X ist leer oder in X zusammenziehbar. Beweis. 2 ⇔ 1: Das ist die Aussage von Satz 3.4.2. 3 ⇒ 2: Alle endlich-dimensionalen Einheitssphären sind kompakt. 4 ⇒ 3: Es gelte 4.. Ist K ein zweipunktiger diskreter topologischer Raum, so bedeutet, daß [K, X] genau ein Element hat, daß X Weg-zusammenhängend ist. Sei K nun ein beliebiger kompakter topologischer Raum. Sei K ohne Einschränkung nicht leer. Da X Weg-zusammenhängend ist, sind alle konstanten Funktionen von K nach X paarweise homotop. Wegen 4 ist jede stetige Abbildung von K nach X homotop zu einer konstanten Abbildung. Also sind alle stetigen Abbildungen von K nach X paarweise homotop. 5 ⇒ 4: Es gelte 5.. Sei K ein kompakter topologischer Raum und K ohne Einschränkung nicht leer. Sei f : K − → X stetig. Setze C := f (K). Diese Menge C ist als stetiges Bild eines kompakten Raumes kompakt und somit nach Voraussetzung in X zusammenziehbar. Mit anderen Worten: Die Einbettung IdC von C nach X ist homotop zu einer konstanten Abbildung. Somit ist aber auch f = IdC ◦ f nullhomotop. 6 ⇒ 5: Es gelte 6.. Sei C eine nicht-leere kompakte Teilmenge von X. Nach Satz 3.4.13 finden wir einen endlich-dimensionalen Unterraum V von E so, daß man C in X nach X ∩ V hinein deformieren kann. Da C nicht-leer ist, ist auch X ∩ V nicht-leer und wir können 6 benutzen: Es ist also X ∩ V in X zusammenziehbar. Somit ist auch C in X zusammenziehbar. 1 ⇒ 6: Klar, da mit X auch jede Teilmenge von X in X zusammenziehbar ist. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 57 3.5 Anwendungen 3.5.1 Die Einheitssphäre eines unendlich-dimensionalen Raumes Das folgende Lemma ist nicht besonders überraschend, jedoch hat es, unseres Hauptsatzes wegen, weitreichende Konsequenzen. Lemma 3.5.1. Sei E ein normierter Raum und F ein nicht-trivialer echter Teilraum von E. Dann ist F \ {0} in E \ {0} zusammenziehbar. Beweis. Sei e ∈ E \ F . Dann ist e + F ein affiner Unterraum von E, der die Null nicht enthält. Dieser affine Unterraum ist homeomorph zu F , und F ist zusammenziehbar, also auch e + F . Damit ist e + F auch in E \ {0} zusammenziehbar. Die Abbildung H : [0, 1] × F \ {0} − → E \ {0}, (t, f ) 7→ f + te ist sicher stetig und eine Deformation von F \ {0} nach e + F hinein. Somit ist F \ {0} in E \ {0} zusammenziehbar. Unter Berücksichtigung von Äquivalenz 6. aus Satz 3.4.14 folgt hieraus: Satz 3.5.2. Ist E ein unendlich-dimensionaler normierter Raum, so ist E \{0} zusammenziehbar. Ziehen wir nun das Beispiel 2.2.10 heran, dann ergibt sich: Satz 3.5.3. Ist E ein unendlich-dimensionaler normierter Raum, so ist seine Einheitssphäre zusammenziehbar. 3.5.2 Elementarer Beweis im Hilbertraum-Fall Einen direkten Beweis für 3.5.3 kann man recht anschaulich im Hilbertraum-Fall führen. Satz 3.5.4. Die Einheitssphäre S(E) von E := l2 (N) ist zusammenziehbar. Beweis. Wir zeigen die folgende, äquivalente Aussage: E \ {0} ist zusammenziehbar. Sei nämlich h0 eine Kontraktion von E \ {0}, dann ist h : [0, 1] × S(E) − → S(E), (t, x) 7→ h0 (t, x)/ kh0 (t, x)k eine Kontraktion von S(E). Definiere ρ:E− → E, (xn )n∈N 7→ (xn−1 )n∈N , Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 58 wobei wir immer x0 := 0 ansetzen (Der Rechts-Shift). ρ ist eine Isometrie auf E mit Bild F := (1, 0, 0, . . .)⊥ . Wir setzen h1 : [0, 1] × E \ {0} − → E, (t, x) 7→ (1 − t)x + tρ(x). Offenbar ist h1 stetig und eine Homotopie von IdE\{0} nach ρ|E\{0} . Wir rechnen nach, daß das Bild von h1 in E \ {0} enthalten ist: Angenommen wir finden ein t ∈ [0, 1] und x ∈ E \ {0} mit (1 − t)x + tρ(x) = 0. Es ist t 6= 0, da x 6= 0. Es folgt 1−t ρ(x) = − x, t d.h. − 1−t ist ein Eigenwert von ρ. Die Abbildung ρ hat aber keine Eigenwerte! t Es ist also die Identität auf E \ {0} homotop zu einer Abbildung, deren Bild in einem echten Unterraum F von E enthalten ist. Wir konstruieren nun eine Homotopie h2 : [0, 1] × F \ {0} − → E \ {0} von der Identität auf F \ {0} in eine konstante Funktion. Sei e ∈ E \ F (z.B. der erste Einheitsvektor). Für alle t ∈ [0, 1/2] und alle x ∈ E \ {0} setze h2 (t, x) := x + 2te und für alle t ∈ [1/2, 1] und alle x ∈ F \ {0} setze h2 (t, x) := (2 − 2t)x + e. Dann ist für alle x ∈ F \ {0} der Bildpunkt h2 (1/2, x) = x + e enthalten in F + e, und insgesamt h2 stetig mit Bild in E \ {0}. Es ist h2 (1, ·) konstant. Fügt man nun h1 und h2 zusammen, erhält man eine Kontraktion von E \ {0}. Bemerkung 3.5.5. Der Beweis läßt sich leicht auf beliebige separable und nicht-separable Hilberträume verallgemeinern (wobei man die topologische Komplementierbarkeit von abgeschlossenen Unterrräumen ausnutzt. Im Kern muß man nur eine nicht-surjektive stetige lineare Abbildung konstruieren, deren Punktspektrum in der geschlitzen Ebene C\] − ∞, 0] enthalten ist. Dies ist in ähnlicher Weise wie oben auch für lp -Räume möglich oder auch für C([0, 1]) (VolterraOperator). Kapitel 4 Die Hilbertraum-Summe In diesem Kapitel wird der Begriff der Hilbertraum-Summe von Räumen und linearen Abbildungen zur Verfügung gestellt. Hierbei werden die wohlbekannten Konzepte der inneren und äußeren Hilbertraum-Summe begrifflich zusammengefaßt, damit Rechnungen und Überlegungen, die für die innerer und äußere Summe gleichermaßen angestellt werden müssen, in einem Durchgang erledigt werden können. Die Hilbertraum-Summe von Räumen und linearen Abbildungen hat Eigenschaften, die sich am besten beschreiben und verstehen lassen, wenn man die Hilbertraum-Summe als Funktor darstellt. Zu diesem Zweck wird zuerst die Kategorie der über einer Menge I indizierten Familien von Hilberträumen HilbSpI eingeführt und eine Teilkategorie HilbSpI∞ davon definiert, die als Definitionsbereich dieses Funktors dient. Generalvoraussetzung. Sei I in diesem Kapitel eine nicht-leere Menge. Wenn nichts anderes gesagt wird, so sind alle auftretenden Familien von Hilberträumen über I indiziert. Konvention. Wir bezeichnen Familien von Hilberträumen mit großen Fraktur-Buchstaben, die einzelnen Mitglieder der Familie aber mit den entsprechenden großen lateinischen Buchstaben. Der Buchstabe H steht also für eine Familie (Hi )i∈I von Hilberträumen. Ich greife zu dieser Konvention, um den Buchstaben H für die Hilbertraum-Summe der Familie H = (Hi )i∈I zu reservieren. 4.1 Die Kategorien HilbSpI und HilbSpI∞ 4.1.1 Die Kategorie HilbSpI Definition 4.1.1 (L(H, H0 ), GL(H, H0 ) und U(H, H0 )). Seien H = (Hi )i∈I und H0 = (Hi0 )i∈I Familien von Hilberträumen. Dann definieren wir Q 1. L(H, H0 ) := i∈I L(Hi , Hi0 ). Q 2. GL(H, H0 ) := i∈I GL(Hi , Hi0 ) ⊆ L(H, H0 ). Q 3. U(H, H0 ) := i∈I U(Hi , Hi0 ) ⊆ GL(H, H0 ). 59 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 60 Die Elemente der zuletzt definierten Mengen nennen wir unitär. Bemerkung 4.1.2. Mit den Bezeichnungen der letzten Definition gilt: Als Produkt von KVektorräumen ist L(H, H0 ) auf offensichtliche Weise ein K-Vektorraum. Definition 4.1.3. Seien H, H0 und H00 Familien von Hilberträumen. Dann definiere ◦ : L(H0 , H00 ) × L(H, H0 ) − → L(H, H00 ), (ψ, ϕ) 7→ ψ ◦ ϕ := (ψi ◦ ϕi )i∈I . Bemerkung 4.1.4. Sind H,H0 und H00 Familien von Hilberträumen, so ist die Hintereinaderausführung ◦ : L(H0 , H00 ) × L(H, H0 ) − → L(H, H00 ) bilinear. Definition 4.1.5 (die Kategorie HilbSpI ). Die Kategorie HilbSpI ist folgendermaßen definiert: • Die Objekte sind die über I indizierten Familien von Hilberträumen. • Die Menge der Morphismen zwischen einer Familie H und einer Familie H ist die Menge L(H, H0 ), d.h. die Morphismen sind die über I indizierten Familien stetiger linearer Operatoren. • Die Hintereinanderausführung ist wie in 4.1.3 definiert. Bemerkung 4.1.6. Sind H und H0 Familien von Hilberträumen, und ist ϕ ∈ L(H, H0 ), so ist ϕ genau dann in GL(H, H0 ), wenn ϕ ein Isomorphismus in HilbSpI ist. Ist ϕ ein Isomorphismus, so gilt ϕ−1 = (ϕ−1 i )i∈I . Definition 4.1.7 (die ∗-Abbildung in HilbSpI ). Seien H und H0 Familien von Hilberträumen. Dann definiere ∗ : L(H, H0 ) − → L(H0 , H), (ϕi )i∈I 7→ (ϕ∗i )i∈I . Bemerkung 4.1.8. Es ist ∗ anti-multiplikativ und reell linear bzw. komplex anti-linear. Bemerkung 4.1.9. Seien H und H0 Familien von Hilberträumen und sei ϕ ∈ L(H, H0 ). Dann ist ϕ genau dann in U(H, H0 ), also ein unitärer Morphismus in HilbSpI , wenn ϕ invertierbar ist und gilt: ϕ∗ = ϕ−1 . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 61 4.1.2 Die Kategorie HilbSpI∞ Definition 4.1.10 (L∞ (H, H0 )). Seien H und H0 Familien von Hilberträumen. Dann definiere k·k∞ : L(H, H0 ) − → [0, ∞], (ϕi )i∈I 7→ sup kϕi k . i∈I Setze nun und ¯ n o ¯ L∞ (H, H0 ) := ϕ ∈ L(H, H0 ) ¯ kϕk∞ < ∞ ¯ o n ° ° ¯ GL∞ (H, H0 ) := ϕ ∈ GL(H, H0 ) ¯ kϕk∞ , °ϕ−1 °∞ < ∞ . Bemerkung 4.1.11. Seien H und H0 Familien von Hilberträumen, dann gilt U(H, H0 ) ⊆ GL∞ (H, H0 ). Eine Definition von U∞ (H, H0 ) erübrigt sich somit. Bemerkung 4.1.12. Seien H und H0 Familien von Hilberträumen. Dann ist L∞ (H, H0 ) ein Untervektorraum von L(H, H0 ), der mit der Norm k·k∞ ein Banachraum ist. Satz 4.1.13. Seien H, H0 und H00 Familien von Hilberträumen. Sei ϕ ∈ L(H, H0 ) und ψ ∈ L(H0 , H00 ). Dann gilt1 kψ ◦ ϕk∞ ≤ kψk∞ kϕk∞ . Somit ist die eingeschränkte Hintereinanderausführung, die wir auch mit ◦ bezeichnen, also ◦ : L∞ (H0 , H00 ) × L∞ (H, H0 ) − → L∞ (H, H00 ), eine wohldefinierte, stetige und bilineare Abbildung. Definition 4.1.14 (die Kategorie HilbSpI∞ ). Die Teilkategorie HilbSpI∞ von HilbSpI ist folgendermaßen definiert: • Die Objekte sind die über I indizierten Familien von Hilberträumen, also dieselben Objekte wie in HilbSpI . • Die Menge der Morphismen zwischen einer Familie H und einer Familie H0 ist die Menge L∞ (H, H0 ) ⊆ L(H, H0 ). • Die Hintereinanderausführung ist so wie in HilbSpI punktweise definiert. Bemerkung 4.1.15. Sind H und H0 Familien von Hilberträumen, und ist ϕ ∈ L(H, H0 ), so ist ϕ genau dann in GL∞ (H, H0 ), wenn ϕ ein Isomorphismus in HilbSpI∞ ist. Bemerkung 4.1.16 (Die ∗-Abbildung in HilbSpI∞ ). Seien H und H0 Familien von Hilberträumen. Dann gilt für alle ϕ ∈ L(H, H0 ): kϕ∗ ◦ ϕk∞ = kϕk2∞ = kϕ∗ k2∞ . Insbesondere ist ϕ genau dann in L∞ (H, H0 ) enthalten, wenn ϕ∗ in L∞ (H0 , H) enthalten ist. Hinweis 4.1.17. Die Kategorie HilbSpI∞ wird mit der ∗-Operation zu etwas, was man auch C ∗ Kategorie nennt. Dieser Begriff ist eine Verallgemeinerung des Begriffes der C ∗ -Algebra. 1 Hier setzen wir 0 · ∞ := ∞ · 0 := 0. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 62 4.2 Die Hilbertraum-Summe 4.2.1 Innere und äußere Hilbertraum-Summe Erinnerung 4.2.1 (Innere Hilbertraum-Summe). Sei H eine Familie von Hilberträumen. Dhnn heißt ein Hilbertraum H inrere Hilbertraum-Summe von H, wenn gilt 1. H ist eine Familie von paarweise orthogonalen Teilräumen von H. L 2. Die innere direkte Summe i∈I Hi ist dicht in H. Wir schreiben dann ²¯ H = ±° i∈I Hi . Notation 4.2.2. Ist H ein Hilbertraum und H 0 ein abgeschlossener Teilraum von H, dann bezeichnen wir mit πH 0 die Orthogonalprojektion von H auf H 0 . Hat man einen Hilbertraum als innere Hilbertraum-Summe dargestellt, kann man sein Skalarprodukt und seine Norm vollständig durch die Skalarprodukte bzw. die Normen der einzelnen Summanden beschreiben: Erinnerung 4.2.3. Ist H die innere Hilbertraum-Summe von H, dann gilt für alle x, y ∈ H: X x= πHi (x) i∈I und hx, yi = X hπHi (x), πHi (y)i i∈I sowie kxk2 = X kπHi (x)k2 . i∈I Erinnerung 4.2.4. Ist H die innere Hilbertraum-Summe von H und ist Bi für alle i ∈ I eine Orthonormalbasis von Hi , so ist [ B= Bi i∈I eine Orthonormalbasis von H. Definitionssatz 4.2.5 (äußere Hilbertraum-Summe). Sei H = ((Hi , h·, ·ii ))i∈I eine Familie von Hilberträumen. Setze ¯ ) ( ¯ X M Y ¯ kxi k2 < ∞ . H := l2− Hi := x ∈ Hi ¯ ¯ i∈I i∈I i∈I Dies ist ein Vektorraum. Die folgende Abbildung ist wohldefiniert und sesquilinear X h·, ·i : H × H − → K, (x, y) 7→ hxi , yi ii . i∈I Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 63 • Es wird H mit dieser Sesquilinearform zum Hilbertraum, und die von h·, ·i herrührende Norm ist sX kxi k2 . k·k0 : H − → R, x 7→ i∈I • Wir nennen dann (H, h·, ·i) die äußere Hilbertraum-Summe von H. L • Die äußere direkte Summe i∈I Hi ist dicht in H. 4.2.2 Definition der Hilbertraum-Summe Definition 4.2.6 (Hilbertraum-Summe). Sei H eine Familie von Hilberträumen. Dann ist eine l2 -direkte oder Hilbertraum-Summe von H ein Paar (H, ι), wobei H ein Hilbertraum und ι = (ιi )i∈I eine Familie von Abbildungen mit den folgenden Eigenschaften ist 1. Für alle i ∈ I ist ιi eine lineare Isometrie von Hi nach H hinein. ²¯ 2. Es gilt H = ±° i∈I ιi (Hi ). Bemerkung 4.2.7 (Innere Hilbertraum-Summe als Hilbertraum-Summe). Sei H die innere Hilbertraum-Summe von H. Sei ιi : Hi − → H für alle i ∈ I die identische Abbildung auf Hi . Dann ist (H, ι) eine Hilbertraum-Summe von H. Bemerkung 4.2.8 (Äußere Hilbertraum-Summe als Hilbertraum-Summe). Sei H die äußere Hilbertraum-Summe von H. Für alle i ∈ I, vi ∈ Hi und j ∈ I setze ( xi für i = j (ιi (xi ))j := . 0 sonst Die so für alle i ∈ I definierte Funktion ιi : Hi − → H, ist offenkundig linear und isometrisch. Es ist (H, ι) eine Hilbertraum-Summe von H. Generalvoraussetzung 4.2.9. Für den Rest des Abschnitts 4.2 sei H eine Familie von Hilberträumen und (H, ι) eine Hilbertraum-Summe von H. Bezeichne für alle i ∈ I die Abbildung ι∗i mit πi , setze also π := ι∗ . Bemerkung 4.2.10. Es gilt für alge i ∈ I: πi ◦ ιi = IdHi , da ιi eine Isometrie ist. Ferner ist für alle i ∈ I die Abbildung ιi ◦ πi die Orthogonalprojektion von H auf ιi (Hi ). Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 64 Bemerkung 4.2.11. Es gilt für alle x, y ∈ H: X x= ιi (πi (x)) i∈I und hx, yiH = X hπi (x), πi (y)iHi i∈I sowie kxk2 = X kπi (x)k2 . i∈I Bemerkung 4.2.12 (Basen von Hilbertraum-Summen). Für alle i ∈ I sei Bi eine Orthonormalbasis vom Hi . Dann ist die Menge [ B := ιi (Bi ) i∈I eine Orthonormalbasis von H. Beweis. Offenbar ist B ein Orthonormalsystem. Der Aufspann von B ist dicht in und dieser Unterraum ist dicht in H. Also ist B eine Orthonormalbasis von H. L i∈I ιi (Hi ), 4.2.3 Die Hilbertraum-Summe von Abbildungen Generalvoraussetzung 4.2.13. Für den Rest des Abschnitts 4.2 sei H0 eine weitere Familie von Hilberträumen und (H 0 , ι0 ) eine Hilbertraum-Summe von H0 . Setze π 0 := (ι0 )∗ . Definitionssatz 4.2.14 (Hilbertraum-Summe von Abbildungen). Dann gibt es genau eine Abbildung2 M l2− ϕi 1. Sei ϕ ∈ L∞ (H, H0 ). i∈I in L(H, H 0 ) mit der Eigenschaft, daß für alle i ∈ I das folgende Diagramm kommutiert: ϕi - H0 Hi i ιi ι0i ? H l2− ? - H0 L i∈I ϕi Diese Abbildung nennen wir die Hilbertraum-Summe oder l2 -direkte Summe von ϕ. 2 Aus Ermangelung eines suggestiveren Symbols benutze ich für die Hilbertraum-Summe von Abbildungen immer das Symbol, das bei Räumen die äußere Hilbertraum-Summe bezeichnet. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 65 2. Die Funktion L∞ (H, H0 ) − → L (H, H 0 ) , ϕ 7→ l2− M ϕi , i∈I ist eine lineare Isometrie. L Beweis. 1. Zur Eindeutigkeit: Die Abbildung l2− L i∈I ϕi ist für alle i ∈ I auf dem Raum ιi (Hi ) festgelegt, also wegen der Linearität von lL 2− i∈I ϕi auf der inneren direkten Summe dieser Räume und wegen der Stetigkeit von l2− i∈I ϕi auf ganz H. Zur Existenz: Sei x ∈ H. Es gilt für alle i ∈ I: k(ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) (x)k = k(ϕi ◦ πi ) (x)k ≤ kϕi k kπi (x)k ≤ kϕk∞ kπi (x)k . Hieraus folgt X 2 k(ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) (x)k ≤ kϕk2∞ i∈I X kπi (x)k2 = kϕk2∞ kxk2 . i∈I Ferner gilt für alle i, j ∈ I mit i 6= j: ¡ ¢ (ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) (x) ⊥ ι0j ◦ ϕj ◦ πj (x). Somit ist die Familie ¡ ¢ (ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) (x) i∈I absolut quadrat-summierbar und summierbar in H 0 . Setze X ϕ̃(x) := (ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) (x). i∈I Die so definierte Funktion ϕ̃ von H nach H 0 ist offenkundig linear. Für alle x ∈ H gilt X 2 kϕ̃(x)k2 = k(ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) (x)k ≤ kϕk2∞ kxk2 . i∈I Also ist ϕ̃ stetig, und es gilt genauer kϕ̃k ≤ kϕk∞ . Sei i ∈ I. Dann gilt nach Definition von ϕ̃: ϕ̃ ◦ ιi = (ι0i ◦ ϕi ◦ πi ) ◦ ιi = ι0i ◦ ϕi . Setze nun l2− L i∈I ϕi := ϕ̃. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 66 2. Die angegebene Abbildung ist offenbar linear. Sei ϕ ∈ L(H, H0 ). Wir haben bereits ° ° ° M ° ° ° ϕi ° ≤ kϕk∞ °l2− ° ° i∈I gezeigt. Sei nun i ∈ I. Dann gilt ° ° ° ° ° ° M ° ° M ° ° ° ° ϕj |ιi (Hi ) ° = kι0i ◦ ϕi k = kϕi k . ϕj ° ≥ °l2− °l2− ° ° ° ° j∈I j∈I Also gilt auch ° ° ° M ° ° ° ϕj ° ≥ kϕk∞ . °l2− ° ° j∈I Bemerkung 4.2.15 (Innere Hilbertraum-Summe von Abbildungen). Seien H und H 0 Hilberträume. Sei H = (Hi )i∈I eine Familie von Unterräumen von H mit H = ki∈I Hi . Ebenso sei H0 = (Hi0 )i∈I eine Familie von Unterräumen von H 0 mit H 0 = ki∈I Hi0 . 0 von ϕ in dieser Situation: l2− L Sei ϕ ∈ L∞ (H, H ). Dann gilt für die Hilbertraum-Summe 0 ϕ ist das einzige Element von L(H, H ) mit der Eigenschaft, daß für alle j ∈ I gilt: i∈I i M ¯¯ l2− ϕi ¯ = ϕj . i∈I Hj Definitionsbemerkung 4.2.16 (äußere Hilbertraum-Summe von Abbildungen). Sei (H, ι) 0 0 die äußere Hilbertraum-Summe von H , ι ) die äußere Hilbertraum-Summe von H0 , also Lund (H L 0 0 sei H := l2− i∈I Hi und H := l2− i∈I Hi . Sei ϕ ∈ L∞ (H, H0 ). Dann gilt M l2− ϕi : H − → H 0 , (xi )i∈I 7→ (ϕi (xi ))i∈I . i∈I 4.2.4 Funktorielle Eigenschaften der Hilbertraum-Summe Satz 4.2.17. Sei ϕ ∈ L∞ (H, H0 ). Dann gilt l2− M i∈I à ϕ∗i = l2− M !∗ ϕ , i∈I d.h. die Hilbertraum-Summe von Abbildungen erhält die ∗-Operation. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 67 ¡ L ¢∗ L Beweis. Wir weisen nach, daß l2− i∈I ϕ∗i die charakterisierende Eigenschaft von l2− i∈I ϕi zukommt. Sei also x ∈ H und y ∈ H 0 . Dann gilt E M XD M hl2− ϕi (x), yi = ϕi (x), πi0 y πi0 l2− i∈I i∈I = X i∈I * πi0 i∈I = XD X + ι0j (ϕj (πj (x))), πi0 y j∈I πi0 (ι0i (ϕi (πi (x)))), πi0 y i∈I = XD i∈I = XD ϕi (πi (x)), πi0 y E E E XD ∗ 0 πi (x), ϕi (πi (y)) = i∈I E D E M πi (x), πi (ιi (ϕ∗i (πi0 (y)))) = x, l2− ϕi (y) . i∈I i∈I Also gilt die Behauptung. Satz 4.2.18. Sei H00 eine weitere Familie von Hilberträumen und (H 00 , ι00 ) eine HilbertraumSumme von H00 . Sei ϕ ∈ L∞ (H, H0 ) und ψ ∈ L∞ (H0 , H00 ). Dann gilt: M M M l2− (ψi ◦ ϕi ) = l2− ψi ◦ l2− ϕi . i∈I i∈I i∈I Beweis. Das folgende Diagramm ist kommutativ: ϕj Hj ψj - H0 j ιj - H 00 j ι00j ι0j ? ? ? - H0 - H0 L L H l2− i∈I ϕi l2− i∈I ψi L L L Also erfüllt l2− i∈I ψi ◦ l2− i∈I ϕi die charakterisiernde Eigenschaft von l2− i∈I (ψ◦ ϕi ). Bemerkung 4.2.19. Es gilt l2− M IdHi = IdH . i∈I Bemerkung 4.2.20. Sei ϕ ∈ GL∞ H, H0 . Dann ist l2− à l2− M i∈I L !−1 ϕi = l2− i∈I M i∈I ϕi ∈ GL(H, H 0 ) und ϕ−1 i . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 68 Satz 4.2.21. Sei ϕ ∈ L∞ (H, H0 ). Dann gilt L 1. ϕ ∈ L∞ (H, H0 ) ⇒ l2− i∈I ϕi ∈ L(H, H 0 ). L 2. ϕ ∈ GL∞ (H, H0 ) ⇒ l2− i∈I ϕi ∈ GL(H, H 0 ). L 3. ϕ ∈ U(H, H0 ) ⇒ l2− i∈I ϕi ∈ U(H, H 0 ). Beweis. Die ersten beiden Punkte wurden bereits bewiesen. Ist nun ϕ ∈ U(H, H0 ), so ist l2− L 0 i∈I ϕi ∈ GL(H, H ). Es gilt à l2− M !∗ ϕ = l2− i∈I Somit ist l2− L i∈I M ϕ∗i = l2− i∈I M à ϕ−1 i = l2− M i∈I !−1 ϕi . i∈I ϕi ∈ U(H, H 0 ). Satz 4.2.22 (Funktorielle Eigenschaft der äußeren Summe). Die Zuordnung, die jeder Familie von Hilberträumen ihre äußere Hilbertraum-Summe und jedem Morphismus in HilbSpI∞ seine äußere Hilbertraum-Summe zuordnet, ist ein Funktor von HilbSpI∞ nach HilbSp. Dieser erhält die ∗-Operation. 4.2.5 Eindeutigkeit der Hilbertraum-Summe Satz 4.2.23 (Eindeutigkeit der Hilbertraum-Summe). Seien (H, ι) und (H 0 , ι0 ) HilbertraumSummen von H. Dann gibt es genau ein J ∈ L(H, H 0 ) mit der Eigenschaft, daß für alle i ∈ I gilt: ι0i = J ◦ ιi , und dieses J ist unitär. Beweis. Es gilt J = l2− L i∈I IdHi : H − → H 0. Über die konkrete Gestalt des Isomorphismus zwischen innerer und äußerer HilbertraumSumme gibt die folgenden Bemerkung Auskunft: Bemerkung 4.2.24. Sei H die innere und H 0 die äußere direkte Summe von H. Dann ist X J : H0 − → H, (xi )i∈I 7→ xi i∈I der Isomorphismus aus Satz 4.2.23. Die Umkehrabbildung von J ist J −1 : H − → H 0 , x 7→ (πHi (x))i∈I . Kapitel 5 Die Hilbertraum-Dimension Die Hilbertraum-Dimension eines Raumes H ist definiert als die Mächtigkeit1 einer (und wie wir sehen werden damit jeder) Orthonormalbasis von H. Um die Wohldefiniertheit der Hilbertraum-Dimension zu zeigen, führe ich im ersten Abschnitt zwei Hilfsgrößen ein, von denen die eine für jeden topologischen Raum, die andere für jeden normierten Raum definiert ist. Diese Hilfsgrößen sind auch beim Nachweis von Rechenregeln für die Hilbertraum-Dimension nützlich. Im zweiten Abschnitt wird dann die Hilbertraum-Dimension definiert und zwei Rechenregeln für sie bewiesen. Der dritte Abschnitt über Orthogonalzerlegungen zeigt, wann man einen unendlich-dimensionalen Hilbertraum in eine vorgegebene Anzahl zum Ausgangsraum isomorpher Teilräume zerlegen kann. Im letzten Abschnitt werden schließlich die Ko-Dimension von Unterraäumen eines Hilbertraumes behandelt, und eine Ungleichung für sie bewiesen. Diese Ungleichung wird für den Beweis des Zerlege-Lemmas gebraucht. 5.1 Zwei Hilfsgrößen 5.1.1 Die Größe ∆(X) für topologische Räume X In diesem Unterabschnitt verallgemeinern wir den Begriff der Separabilität für topologische Räume. Erinnerung 5.1.1. Ein topologischer Raum heißt separabel, wenn er eine abzählbare dichte Teilmenge besitzt. Da die Klasse der Kardinalzahlen wohlgeordnet ist, macht die folgende Setzung Sinn: 1 Beachte den Anhang zum Rechnen mit Kardinalzahlen. 69 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 70 Definition 5.1.2. Sei X ein topologischer Raum. Dann definiere ∆(X) als die minimale unter den Mächtigkeiten, die unter den dichten Teilmengen von X vorkommen, d.h. © ª ∆(X) := min |D| : D ⊆ X, D = X . Satz 5.1.3. Seien X, Y topologische Räume und f : X − → Y stetig. Dann gilt ´ ³ ∆ f (X) ≤ ∆(X). Beweis. Sei D eine dichte Teilmenge von X mit |D| = ∆(X). Dann gilt wegen der BerührpunktErhaltungs-Eigenschaft von f : ¡ ¢ f (X) = f D ⊆ f (D) ⊆ f (X), also f (D) = f (X). Es ist also f (D) dicht in f (X), und somit gilt ³ ´ ∆ f (X) ≤ |f (D)| ≤ |D| = ∆(X). Korollar 5.1.4. Seien X und Y homöomorphe topologische Räume. Dann gilt ∆(X) = ∆(Y ). 5.1.2 Die Größe d(E) für normierte Räume E Für normierte Räume E können wir natürlich wie für andere topologische Räume die Größe ∆(E) untersuchen. Diese unterscheidet allerdings nicht verschieden-dimensionale endlichdimensionale normierte Räume. Wir verfeinern also unsere Überlegungen: Definition 5.1.5 (erzeugende Menge). Sei E ein normierter Raum. Dann sagen wir, eine Teilmenge X ⊆ E erzeuge E (als normierten Raum), wenn der algebraische Aufspann von X dicht in E ist. Wir definieren n o d(E) := min |X| : X ⊆ E, hXi = E . Diese neue Größe d(E) wird im folgenden Satz mit den bisher bekannten Größen in Verbindung gesetzt. Satz 5.1.6. Sei E ein normierter Raum. 1. Ist E trivial, so gilt: d(E) = dim E = 0 und ∆(E) = 1. 2. Gilt dim E ∈ N, so gilt: d(E) = dim E und ∆E = ℵ0 3. Ist E unendlich-dimensional, so gilt: d(E) = ∆(E). Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 71 Beweis. Die ersten beiden Punkte sind klar. Sei also E unendlich-dimensional. Offenbar gilt ∆(E) ≥ d(E) und beide Seiten sind nicht endlich. Sei nun X eine erzeugende Teilmenge von E mit Mächtigkeit d(E). Nach Satz B.2.20 gilt |Pe (X)| = |X| . Es gilt hXiK = [ hM iK . M ∈Pe (X) Zu jedem M ∈ Pe (X) wähle eine im endlich-dimensionalen Raum hM iK dichte abzählbare Teilmenge DM .S Setze D := M ∈Pe (X) DM . Dann gilt X X |D| ≤ |DM | ≤ ℵ0 = |Pe (X)| · ℵ0 = |X| . M ∈Pe (X) M ∈Pe (X) Weil D dicht in E ist, folgt: ∆(E) ≤ |D| ≤ |X| = d(E). Somit erhaltenden wir für den Spezialfall separabler Räume: Korollar 5.1.7. Ein normierter Raum ist genau dann separabel, wenn er eine abzähbare erzeugende Menge besitzt. Mit der Größe d kann man leidlich rechnen. Zumindest gilt der folgende Satz: Satz 5.1.8 (d-Ungleichung für die Summe von Teilräumen). Sei E ein normierter Raum, I eine nicht-leere Menge und (Ei )i∈I eine Familie von Teilräumen von E. Dann gilt µD[ E¶ X (5.1) d Ei ≤ d(Ei ). i∈I i∈I Sei Xi für alle i ∈ I eine erzeugende Menge von Ei mit |Xi | = d(Ei ). Dann ist X := Beweis. S S E i X eine erzeugende Menge von h i i∈I i∈I i und somit gilt µD[ E¶ X X d Ei ≤ |X| ≤ |Xi | = d(Ei ). i∈I i∈I i∈I Satz 5.1.9 (d-Ungleichung für komplementierbare Teilräume). Seien E ein normierter Raum und F ein komplementierbarer Teilraum. Dann gilt (5.2) d(F ) ≤ d(E). Beweis. Sei E ohne Einschränkung unendlich-dimensional. Wähle eine stetige Projektion π von E auf F . Dann gilt d(F ) ≤ ∆(F ) = ∆π(E) ≤ ∆(E) = d(E). Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 72 5.2 Definition der Hilbertraum-Dimension Wir erinnern zunächst an den folgenden Satz: Satz 5.2.1. Sei H ein Hilbertraum. Dann besitzt H eine Orthonormalbasis B. Ist B eine solche ONB von H, so ist H isometrisch isomorph (also als Hilbertraum isomorph) zum Hilbertraum l2 (B). Den Beweis, daß alle Orthonormalbasen eines Hilbertraumes H gleichmächtig sind, führe ich, indem ich die Mächtigkeit einer jeden Orthonormalbasis mit der Größe ∆(H) vergleiche. Die eine Richtung wird durch das folgende Lemma erledigt: Lemma 5.2.2. Seien H ein Hilbertraum und B eine ONB von H. Dann gilt: |B| ≤ ∆(H). Beweis. Wähle eine dichte Teilmenge D von H mit |D| = ∆(H). √ Der Abstand zweier verschiedener Elemente von B √ ist nach Pythagoras 2. Da D dicht ist, gibt es zu allen e ∈ B ein de ∈ D mit ke − de k < 22 . Dies definiert eine Funktion d : B − → D, e 7→ de . Wir zeigen, daß d injektiv und B damit nicht p mächtiger als D ist. Seien e1 , e2 ∈ B mit e1 6= e2 . Dann gilt kde1 − e1 k , kde2 − e2 k < 1/2 nach Wahl von d. Andererseits gilt wegen der Dreieicksungleichung nach unten: kde2 − de1 k ≥ ke1 − de2 k − ke1 − de1 k ≥ ke2 − e1 k − ke2 − de2 k − ke1 − de1 k p √ 2 − 2 1/2 = 0. > Also gilt insbesondere de2 6= de1 . Jetzt können wir den folgenden Satz beweisen: Satz 5.2.3. Seien H ein Hilbertraum. Dann gilt für jede Orthonormalbasis B von H die Gleichung |B| = d(H). Insbesondere haben je zwei Orthonormalbasen von H gleiche Mächtigkeit. Beweis. Sei B eine Orthonormalbasis. • Ist H endlich-dimensional, dann ist B eine algebraische Basis. Also gilt |B| = dim H = d(H) nach Satz 5.1.6 Aussage 2.. • Ist H unendlich-dimensional dann gilt |B| ≤ ∆(H) = d(H) nach Lemma 5.2.2 und Satz 5.1.6 Aussage 3.. Andererseit ist B eine erzeugende Menge, also gilt auch d(H) ≤ |B| nach der Definition von d(H). Wegen des letzten Satzes ist sie folgende Definition möglich: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 73 Definition 5.2.4 (Hilbertraum-Dimension). Für jeden Hilbertraum H sei die Hilbertraum-Dimension2 dim H definiert als die Mächtigkeit einer und damit aller seiner Orthonormalbasen. Bemerkung 5.2.5. Es gilt nach Satz 5.2.3 für alle Hilberträume H: dim H = d(H). (5.3) Satz 5.2.6 (Isomorphieklassen von Hilberträumen). Für zwei unendlich-dimensionale3 Hilberträume H und H 0 sind äquivalent: 1. H und H 0 sind unitär isomorph. 2. Es gibt eine stetige, bijektive, lineare Abbildung von H nach H 0 . 3. H und H 0 sind homöomorph. 4. dim H = dim H 0 . Beweis. 1. ⇒ 2.: Klar. 2. ⇒ 3. folgt aus dem Satz von der offenen Abbildung. 3. ⇒ 4.: Sind H und H 0 homöomorph, so gilt: dim H = d(H) = ∆(H) = ∆(H 0 ) = d(H 0 ) = dim H 0 . 4. ⇒ 1.: Wähle Orthonormalbasen B von H und B 0 von H 0 . Es ist H unitär isomorph zu l2 (B, K) und H 0 zu l2 (B 0 , K). Es sind B und B 0 nach 4. gleichmächtig. Somit sind l2 (B, K) und l2 (B 0 , K) unitär isomorph, also auch H und H 0 . Mit der Hilbertraum-Dimension kann man zumindest für paarweise orthogonale Räume rechnen wie mit der algebraischen Dimension. Genauer gilt: Korollar 5.2.7 (aus 4.2.12; Dimensionsformel). Sei eine nicht-leere Menge I und eine Familie von Hilberträumen (Hi )i∈I gegeben. Dann gilt für jede Hilbertraum-Summe (H, ι) von (Hi )i∈I : X (5.4) dim H = dim Hi . i∈I Für die Dimension nicht-orthogonale Unterräume haben wir folgende Abschätzung. Satz 5.2.8 (Dimensionsungleichung für Teilräume). Seien H ein Hilbertraum, I eine Menge und (Hi )i∈I eine Familie von abgeschlossenen (nicht notwendigerweise paarweise orthogonalen) Unterräumen von H. Dann gilt E X D[ Hi ≤ dim Hi . (5.5) dim i∈I i∈I Beweis. Dies folgt aus der Ungleichung 5.1 wegen Gleichung 5.3. 2 Wenn es um Hilberträume geht, dann ist im folgenden, wenn nichts weiteres gesagt wird, mit Dimension bzw. dim die Hilbertraum-Dimension (und nicht die algebraische) gemeint. 3 Dieser Satz ist zwar auch für endlich-dimensionale Räume wahr, allerdings ist dann 3. ⇒ 4. alles andere als trivial. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 74 5.3 Orthogonalzerlegungen Im Zerlege-Lemma geht es darum, einen Hilbertraum in orthogonale Teilräume zu zerlegen. Begrifflich nähern wir uns dem mit der folgenden Definition: Definition 5.3.1 (Orthogonalzerlegung). Sei H ein Hilbertraum. Dann nennen wir (Hi )i∈I eine Orthogonalzerlegung (oder orthogonale Zerlegung) von H, wenn I eine nicht-leere Menge ist, {0} 6= Hi für alle i ∈ I gilt und H die innere Hilbertraum-Summe von (Hi )i∈I ist, wenn also gilt: ²¯ H = ±° i∈I Hi . Bemerkung 5.3.2. Sei H ein Hilbertraum. Dann bildet (E, E ⊥ ) für jeden abgeschlossenen Unterraum {0} < E < H eine orthogonale Zerlegung von H. In unendlich-dimensionalen Hilberträumen treffen wir auf das bemerkenswerte Phänomen, daß man solche Räume in orthogonale Unterräume zerlegen kann, die jeweils zum Ausgangsraum isomorph sind. Dies fassen wir mit dem folgenden Begriff. Definition 5.3.3 (Teilung, Halbierung). Sei H ein Hilbertraum. Dann ist eine Teilung von H eine orthogonale Zerlegung (Hi )i∈I , wobei Hi für alle i ∈ I zu H isomorph ist. Die Mächtigkeit von I nennen wir dabei die Anzahl der Teile von (Hi )i∈I . Eine Teilung von H in zwei Teile nennen wir Halbierung von H. Bemerkung 5.3.4. Sei H ein Hilbertraum und B eine Orthonormalbasis von H. Dann entspricht jeder Partition von B in offensichtlicher Weise eine Orthogonalzerlegung von H. Hieraus ergibt sich der folgende Satz. Satz 5.3.5. Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum und 0 < κ ≤ dim H. Dann gibt es eine Teilung von H in κ Teile. Beweis. Dies folgt aus κ dim H = dim H. Korollar 5.3.6. Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum. Dann gibt es eine Halbierung von H, d.h. wir finden ein Paar (H1 , H2 ) von Unterräumen von H mit H = H1 h H2 und der Eigenschaft, daß H1 , H2 und H isomorph sind. Korollar 5.3.7. Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum. Dann gibt es eine Teilung von H in ℵ0 Teile, d.h. wir finden eine Folge (Hn )n∈N von Unterräumen von H mit H = kn∈N Hn und der Eigenschaft, daß für jedes n ∈ N der Raum Hn zu H isomorph ist. 5.4 Die Ko-Dimension Im Rahmen des Beweises des Zerlege-Lemmas gehen wir nicht nur mit Dimensionen, sondern auch mit der Ko-Dimension von Unterräumen um. Hierzu definieren wir: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 75 Definition 5.4.1 (Ko-Dimension). Sei H ein Hilbertraum und H 0 ein Unterraum. Dann ist die Ko-Dimension von H 0 (in H) definiert als die Hilbertraum-Dimension von (H 0 )⊥ . Sie wird abgekürzt mit codim H 0 . Bemerkung 5.4.2. Nach der obigen Dimensionsformel (5.4) gilt für abgeschlossene Unterräume H 0 eines Hilbertraumes H offenbar dim H 0 + codim H 0 = dim H. Bemerkung 5.4.3. Ist H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum und H 0 ein abgeschlossener Unterrraum von H mit codim H 0 < dim H, dann ist H 0 isomorph zu H. Beweis. Es gilt dim H = dim H 0 + codim H 0 = max{dim H 0 , codim H 0 } = dim H 0 . Also sind H und H 0 isomorph. Die Dimensions-Ungleichung (5.5) kann man für die Ko-Dimension folgendermaßen umformulieren: Satz 5.4.4 (Ko-Dimensions-Ungleichung). Seien H ein Hilbertraum und (Hi )i∈I eine Familie von abgeschlossenen Unterräumen über einer nicht-leeren Menge I. Dann gilt \ X (5.6) codim Hi ≤ codim Hi . i∈I i∈I Beweis. Aus den Eigenschaften von ⊥ folgt \ Hi = i∈I \ (Hi⊥ )⊥ = ³[ i∈I i∈I Hi⊥ ´⊥ . Bilden wir nun auf beiden Seiten das orthogonale Komplement, so erhalten wir ³\ ´⊥ D [ E Hi = Hi⊥ . i∈I Nun gilt codim \ und mit (5.5): dim i∈I Hi = dim D[ i∈I i∈I ³\ i∈I Hi ´⊥ = dim D[ i∈I Hi⊥ E E X X dim Hi⊥ = codim Hi . Hi⊥ ≤ i∈I i∈I Wenn wir nicht zu viele Räume endlicher Ko-Dimension schneiden, dann behalten wir noch etwas großes über. Diese Überlegung formalisieren wir in dem folgenden Korollar: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 76 Korollar 5.4.5. Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum und I eine nicht-leere Menge. Sei (Hi )i∈I eine Familie Tendlich-ko-dimensionaler abgeschlossener Unterräume von H. Gilt 0 |I| < dim H, so ist H := i∈I Hi zu H isomorph. Beweis. Wir zeigen codim H 0 < dim H. Ist dim H = ℵ0 , so ist I endlich. Somit ist H 0 als endlicher Schnitt endlich-ko-dimensionaler Räume endlich-ko-dimensional. Ist dim H > ℵ0 , so gilt X X codim H 0 ≤ codim Hi ≤ ℵ0 = |I| ℵ0 = ℵ0 < dim H. i∈I i∈I Kapitel 6 Beweise der Lemmata aus Abschnitt 1.4 In den letzten beiden Kapiteln wurden die Begriffe Hilbertraum-Summe und Hilbertraum-Dimension bereitgestellt. Nun können wir die Lemmata aus Abschnitt 1.4 beweisen und damit den Beweis des Satzes von Kuiper komplettieren. Bei einigen Beweisen wird von den Techniken aus den letzten beiden Kapiteln starker Gebrauch gemacht, so etwa beim Zerlege-Lemma. Eine Ausnahme bildet das Dreh-Lemma, da der Beweis ganz ohne Rückgriff auf Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel auskommt. 6.1 Beweis des Füge-Lemmas (Lemma 1.4.2) In diesem Abschnitt benutze ich die Notation und die Ergebnisse von Kapitel 4. Dies macht es einfach, genauere Resultate als das Füge-Lemma zu erzielen, und zwar für beliebige Hilbertraum-Summen. Daher könnnen wir die hier vorgestellten Resultate auch gut beim Beweis des Untergruppen-Lemmas benutzen. Definition 6.1.1 (gleichgradig stetig). Sei X ein topologischer Raum, I eine nicht-leere Menge und ((Xi0 , d0i ))i∈I eine Familie von metrischen Räumen. Für jedes i ∈ I sei eine Funktion hi : X − → Xi gegeben. Sei x ∈ X. Dann heißt die Familie (hi )i∈I gleichgradig stetig in x, wenn gilt ∀ε > 0 ∃U Umgebung von x ∀y ∈ U ∀i ∈ I : d0i (hi (x), hi (y)) < ε. Die Familie (hi )i∈I heißt gleichgradig stetig, wenn sie in jedem Punkt von X gleichgradig stetig ist. Generalvoraussetzung 6.1.2. Seien H und H0 Familien von Hilberträumen. Seien H und H 0 Hilbertraum-Summen dazu. Sei ferner X ein topologischer Raum. Sei für jedes i ∈ I eine Funktion hi : X − → L(Hi , Hi0 ) gegeben Satz 6.1.3 (Zusammenfügen in L(H, H 0 )). Die Familie (hi )i∈I habe die folgenden Eigenschaften: 1. ∀x ∈ X : (hi (x))i∈I ∈ L∞ (H, H0 ). 77 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 78 2. Die Familie (hi )i∈I ist gleichgradig stetig. Dann sind die Funktionen h̃ : X − → L∞ (H, H0 ), x 7→ (hi (x))i∈I , und h:X− → L(H, H 0 ), x 7→ l2− M hi (x), i∈I wohldefiniert und stetig. Beweis. Nach der ersten Bedingung ist h̃ wohldefiniert. Die Funktion h̃ ist definitionsgemäß genau dann stetig in x ∈L X, wenn die Familie (hi )i∈I gleichgradig stetig in x ist. Also ist h̃ stetig und somit auch h = l2− ◦h̃ als Hintereinanderausführung stetiger Funktionen. Bemerkung 6.1.4. Im Falle, daß wir im letzten Satz innere Hilbertraum-Summen vorliegen haben, ist h eine Funktion mit der Eigenschaft, daß gilt: ∀x ∈ X ∀i ∈ I : h(x)|Hi = hi (x). Satz 4.2.21 impliziert nun die beiden folgenden Aussagen: Satz 6.1.5 (Zusammenfügen in GL(H, H 0 )). Die Familie (hi )i∈I habe die folgenden Eigenschaften: 1. ∀x ∈ X : (hi (x))i∈I ∈ GL∞ (H, H0 ). 2. Die Familie (hi )i∈I ist gleichgradig stetig. Dann gilt zusätzlich zur Konklusion von Satz 6.1.3: h̃(X) ⊆ GL(H, H0 ) und somit h(X) ⊆ GL(H, H 0 ). Satz 6.1.6 (Zusammenfügen in U(H, H 0 )). Die Familie (hi )i∈I habe die folgenden Eigenschaften: 1. ∀x ∈ X : (hi (x))i∈I ∈ U(H, H0 ). 2. Die Familie (hi )i∈I ist gleichgradig stetig. Dann gilt zusätzlich zur Konklusion von Satz 6.1.3: h̃(X) ⊆ U(H, H0 ) und somit h(X) ⊆ U(H, H 0 ). Aus den letzten beiden Sätzen folgt nun sofort das Füge-Lemma 1.4.2. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 79 6.2 Beweis des Zerlege-Lemmas (Lemma 1.4.3) Lemma (Zerlege-Lemma). Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum, d ∈ N und U ein d-dimensionaler Teilraum von L(H) mit IdH ∈ U . Dann gibt es 1. eine Menge I der Mächtigkeit dim H, 2. eine Familie (Ei )i∈I von d+1-dimensionalen und paarweise orthogonalen Unterräumen von H und 3. eine Familie (ai )i∈I von Einheitsvektoren in H so, daß für alle i ∈ I U ai ⊆ Ei und somit insbesondere ai ∈ Ei gilt. Der hier vorgestellte Beweis dieses Lemmas beruht wesentlich auf dem Rechnen mit Hilbertraum-Dimensionen. Die notwendigen Rechenregeln für die Hilbertraum-Dimension finden sich in Abschnitt 5.2, Rechenregeln für unendliche Kardinalzahlen sind in Anhang B aufgeführt. Generalvoraussetzung 6.2.1. Sei im folgenden H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum, d ∈ N und U ein d-dimensionaler Teilraum von L(H) mit IdH ∈ U . Vorüberlegungen zum Beweis des Zerlege-Lemmas Notation 6.2.2. Für jede Teilmenge T von H setze \ U −1 (T ) := ϕ−1 (T ), ϕ∈U das heißt U −1 (T ) besteht aus all jenen Elementen von H, die unter allen Elementen von U nach T hinein abgebildet werden. Lemma 6.2.3. Sei T ⊆ H. 1. Ist T abgeschlossen, so ist auch U −1 (T ) abgeschlossen. 2. Ist T ein Untervektorraum von H so ist U −1 (T ) auch ein Untervektorraum. 3. Ist T ein abgeschlossener Untervektorraum, so ist auch U −1 (T ) einer, und es gilt die Formel (6.1) codim U −1 (T ) ≤ d · codim T. Beweis. 1. Ist T abgeschlossen, so ist für jedes ϕ ∈ U der Raum ϕ−1 (T ) als Urbild einer abgeschlossenen Menge unter einer stetigen Funktion abgeschlossen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 80 2. Sei T ein Untervektorraum von H. Dann ist für jedes ϕ ∈ U die Menge ϕ−1 (T ) ein Untervektorraum von H. Somit ist U −1 (T ) als Schnitt von Untervektorräumen auch ein Untervektorraum. 3. Zum Beweis der Formel: Wir wählen uns eine Basis ϕ1 , . . . , ϕd von U . Dann gilt U −1 (T ) = d \ ϕ−1 i (T ). i=1 Die Formel (6.1) folgt dann aus der Ko-Dimensionsformel (5.6), da für jedes i ∈ N≤d der Raum ϕ−1 i (T ) eine Ko-Dimension von höchstens codim T hat. Eigentlicher Beweis Wir führen den Beweis, indem wir das Lemma von Zorn benutzen. Sei M die Menge aller Mengen von d + 1-dimensionalen, paarweise orthogonalen Unterräumen E von H, die einen Einheitsvektor a mit U a ⊆ E enthalten. Diese Menge ist sicherlich nicht leer, und jede Kette in M hat in M eine obere Schranke, nämlich die Vereinigung über die Kette. Somit enthält M nach dem Lemma von Zorn ein maximales Element, sagen wir I. Zu zeigen ist dim H = |I| . Angenommen |I| < dim H. Definiere die innere Hilbertraum-Summe ²¯ Ẽ := ±° E∈I E ≤ H. Da dim H unendlich ist, gilt (d + 1) |I| < dim H und somit dim Ẽ Formel (5.4) = X dim E = (d + 1) |I| < dim H. E∈T Setze ³ ´ R := U −1 Ẽ ⊥ . Es gilt ³ ´ codim Ẽ ⊥ = dim Ẽ < dim H und somit nach Ungleichung (6.1): ³ ´ codim R ≤ d codim Ẽ ⊥ = d dim Ẽ < dim H. Insbesondere sind Ẽ ⊥ und R unendlich-dimensional. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 81 Da R unendlich-dimensional ist, finden wir einen Einheitsvektor ã ∈ R. Definitionsgemäß gilt U ã ⊆ Ẽ ⊥ . Da Ẽ ⊥ unendlich-dimensional ist, finden wir einen d+1-dimensionalen Teilvektorraum E 0 von Ẽ ⊥ mit U ã ⊆ E 0 . Da IdH ∈ U gilt, folgt ã ∈ U ã ⊆ E 0 . Die Menge I ∪ {E 0 } ist ein Element von M. Dies widerspricht aber der Maximalität von I, also folgt |I| = dim H. Aus jedem E ∈ I wähle nun einen Einheitsvektor aE mit U aE ⊆ E. Die Menge I und die Familien (E)E∈I und (aE )E∈I haben dann die im Lemma verlangten Eigenschaften. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 82 6.3 Beweis des Dreh-Lemmas (Lemma 1.4.4) Es wird nun die folgende Aussage bewiesen: Lemma (Dreh-Lemma). Sei E ein Hilbertraum und F ein echter, abgeschlossener Unterraum. Sei a ∈ S(F ). Dann gibt es eine Homotopie g : [0, 1] × S(F ) − → U(E) derart, daß für alle f ∈ S(F ) gilt: g0 (f ) = IdE und g1 (f )f = a. Für den Beweis dieses Lemmas gibt es mehrere verschiedene Techniken. Kuiper formuliert dieses Lemma zwar nicht explizit, aber man kann mit seiner Beweistechnik unter Verwendung von Sinus und Cosinus und dem Zusammensetzen von darüber definierten Drehungen das DrehLemma herleiten. Illusie hat dieses Lemma zwar in ähnlicher Weise formuliert, beweist es aber mit einem allgemeinen Argument über Hauptfaserbündel. 1 Ich möchte einen anderen Ansatz wählen, bei dem ich zwar die Homotopie g konkret angebe, jedoch nur wenige, kurze und einfache Rechnungen durchzuführen habe. Mein Beweis beruht auf elementaren Eigenschaften der Exponentialfunktion. Wir werden die Abbildung g, oder genauer eine Hilfsabbildung We , auf der Lie-Algebren-Seite – also in u(E) – definieren, und dann mit der Exponentialfunktion in die Gruppe U(E) transportieren. 6.3.1 Die Lie-Algebra u(A) Zunächst gebe ich die Lie-Algebra u(A) an, die eng mit der Gruppe U(A) verknüpft ist: Definitionssatz 6.3.1 (die Lie-Algebra u(A)). Sei A eine unitale C ∗ -Algebra. Definiere u(A) := {a ∈ A | a∗ = −a}. Dann ist u(A) eine reelle Teil-Lie-Algebra von (A, [, ]) und es gilt exp(u(A)) ⊆ U(A). Ist H ein Hilbertraum, so bezeichne u(L(H)) mit u(H). Illusie formuliert in [Ill65] das Lemma nur für endlich-dimensionale Hilbertäume E und Hyperebenen F . Sein Beweis lautet wie folgt (wobei Illsuie in Homotopien die Zeit in die zweite Variable schreibt und seine Homotpie f meiner Homotopie g entspricht): 1 Considérons le fibré principal p : U(E) − → S(E) défini par p(u) = u−1 (a). 0 Soit S(E) le complémentaire dans S(E) d’un point de S(E) non situé sur F . Alors S(E)0 est contractile et contient S(F ). Il existe donc, d’une part une section continue s de p au-dessus de S(E)0 telle que s(a) = IE , et d’autre part une application continue r : S(F ) × [0, 1] − → S(E 0 ) telle que r(x, 0) = a et r(x, 1) = x pour tout x ∈ S(F ). L’application f = sr : S(F ) × [0, 1] − → U(E) répond alors à la question. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 83 Beweis. Als Übereinstimmungsmenge zweier stetiger reell-linearer Abbildungen ist u(A) ein abgeschlossener reeller Teilraum von A. Ferner gilt für alle a, b ∈ u(A): [a, b]∗ = (ab − ba)∗ = b∗ a∗ − a∗ b∗ = ba − ab = −[a, b]. Somit ist u(A) ein Teil-Lie-Algebra. Sei nun a ∈ u(A). Dann gilt exp(a)∗ = exp(a∗ ) = exp(−a) = (exp(a))−1 . Also folgt exp(a) ∈ U(A). 6.3.2 Kipp- und Wickel-Abbildungen Nun wollen wir zuerst eine paar einfache Elemente von U(E) für jeden Hilbertraum E angeben. Die folgende Definition brauchen wir später nur für den Fall, daß e und f orthogonale Einheitsvektoren sind. Sich in der Definition auf diesen Fall einzuschränken, machte sie allerdings nicht einfacher: Definitionssatz 6.3.2 (die Kipp-Abbildung Kippe− →f ). Sei E ein Hilbertraum. Definiere für alle e, f ∈ E: Kippe− → E, g 7→ hg, eif − hg, f ie. →f : E − Seien e, f, f 0 ∈ E. 1. Sind e und f orthogonale Einheitsvektoren, so gilt Kippe− →f (e) = f und Kippe− →f (f ) = −e. 2. Es gilt Kippe− →f ∈ u(E). 3. Es gilt die Ungleichung ° ° 0 °Kippe− (6.2) →f − Kippe− →f 0 ° ≤ 2 kek kf − f k . Beweis. 1. Durch Einsetzen. 0 2. Offenbar ist Kippe− →f linear und stetig. Seien g, g ∈ E. Dann gilt ­ ® 0 Kippe− = hhg, eif − hg, f ie, g 0 i →f g, g = hg, eihf, g 0 i − hg, f ihe, g 0 i = hg, hf, g 0 iei − hg, he, g 0 if i = hg, hg 0 , f iei − hg, hg 0 , eif i ­ ® 0 = g, − Kippe− →f g . Also gilt Kippe− →f ∈ u(E). Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 84 3. Sei g ∈ E. Dann gilt ° ° 0 0 °Kippe− →f (g) − Kippe− →f 0 (g)° = khg, ei(f − f ) − hg, f − f iek ≤ khg, ei(f − f 0 )k + khg, f − f 0 iek ≤ 2 kek kf − f 0 k kgk . Wir führen einige Hilfsabbildungen ein: Definition 6.3.3 (die Abbildungen pe , we und We ). Sei E ein Hilbertraum und e ∈ S(E). Setze F := e⊥ . Definiere die Wickel-Abbildungen we : R × S(F ) − → S(E), (t, f ) 7→ cos t e + sin t f und ¡ ¢ We : R × S(F ) − → U(E), (t, f ) 7→ exp t Kippe− →f . Definiere ferner pe : L(E) − → E, ϕ 7→ ϕ(e). Lemma 6.3.4 (Eigenschaften von we und We ). Sei E ein Hilbertraum und e ∈ S(E). Setze F := e⊥ . Dann gilt 1. we und We sind stetige, nach der ersten Variablen unendlich oft differenzierbare Abbildungen. 2. We ist ein Gruppenhomomorphismus bezüglich der ersten Komponente. Insbesondere gilt We (0, f ) = IdE für alle f ∈ S(F ). 3. Es gilt we = pe ◦ We . Das folgende Diagramm ist also kommutativ: U(E) µ ¡ ¡ ¡ ¡ pe We ¡ ¡ ¡ ¡ R×S(F ) 4. Ferner gilt für alle f ∈ S(F ) we und somit We we ³π ³π 2 ? - S(E) ´ ,f = f ´ , f (e) = f. 2 Bevor wir diese Eigenschaften beweisen, möchte ich zunächst zeigen, wie man das DrehLemma auf die hier aufgelisteten Aussagen zurückführen kann: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 85 6.3.3 Beweis des Dreh-Lemmas aus Lemma 6.3.4 Sei E ein Hilbertraum und F ein echter, abgeschlossener Unterraum von E. Sei a ∈ S(F ). Wähle einen Einheitsvektor e ∈ F ⊥ . Ohne Einschränkung sei F = e⊥ , da man für kleinere Untervektorräume F die gesuchte Abbildung dann durch Einschränken der gefundenen Abbildung g gewinnen kann. Setze nun ³π ´ ³ π ´ g : [0, 1] × S(F ) − → U(E), (t, f ) 7→ We t, a ◦ We − t, f . 2 2 Diese Abbildung ist offenbar stetig. Ferner gilt für alle f ∈ S(f ): g0 (f ) = We (0, a) ◦ We (0, f ) = Id2E = IdE und µ g1 (f )(f ) = We ³π 2 ´ , a ◦ We ³π 2 ,f ´−1 ¶ (f ) = We ³π ´ ³π ´ , a (e) = we , a = a. 2 2 6.3.4 Beweis des Lemmas 6.3.4 Sei E ein Hilbertraum und e ∈ S(E). Setze F := e⊥ . 1. Die Stetigkeit von We ergibt sich aus Ungleichung (6.2). Die anderen Aussagen sind klar. 2. Dies folgt aus den Eigenschaften der Exponentialfunktion. 3. Hierfür bieten sich zwei Beweise an. Der erste zeigt für alle f ∈ S(F ) die Gleichung Kipp2e− →f = −πHf , wobei Hf der Untervektorraum von E, der durch e und f aufgespannt wird, und πHf die orthogonale Projektion von E auf Hf ist. Nun folgert man durch Einsetzen in die Exponentialreihe für alle t ∈ R und f ∈ S(F ) die Formel ¡ ¢ We (t, f ) = IdHf⊥ ⊕ cos t IdHf + sin t Kippe− →f |Hf . Anwenden von pe zeigt we = pe ◦ We . Eleganter geht es mit Differentialgleichungen. Sei f ∈ S(F ) fixiert. Wir zeigen nun, daß we (·, f ) und pe (We (·, f )) dasselbe lineare Anfangswertproblem lösen, so daß wir die Formel we = pe ◦ We aus dem Eindeutigkeitssatz für solche Lösungen erhalten. Es gilt einerseits für alle t ∈ R ∂ we (t, f ) = − sin t e + cos t f = Kippe− →f (we (t, f )), ∂t Der Satz von Kuiper, W. Paravicini andererseits gilt µ ¶ d ∂ (pe ◦ We )(t, f ) = pe We (t, f ) ∂t dt ¢ ¡ = pe Kippe− →f ◦We (t, f ) = Kippe− →f ((pe ◦ We )(t, f )). Darüberhinaus gilt we (0, f ) = e = IdE (e) = We (0, f )(e) = pe (We (0, f )). Somit folgt we = pe ◦ We . 4. Ist dann klar. 86 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 87 6.4 Beweis des Untergruppen-Lemmas (Lemma 1.4.7) In diesem Abschnitt werde ich das Lemma 1.4.7 beweisen: Lemma (Untergruppen-Lemma). Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum und sei H 0 ein abgeschlossener Unterraum von H mit dim H 0 = dim H. Dann ist GL(H)H 0 in GL(H) zusammenziehbar. Vorüberlegungen zum Beweis des Untergruppen-Lemmas Zum Beweis des Lemmas bedarf es einiger Vorbereitungen, die wir in den zwei folgenden Lemmata erledigen. Lemma 6.4.1. Sei H ein Hilbertraum und (H1 , H2 ) eine orthogonale Zerlegung von H. Dann ist GL (H1 ) ⊕ {IdH2 }, womit ich hier die Menge {ϕ ⊕ IdH2 : ϕ ∈ GL (H1 )} meine, ein strenger Deformationsretrakt von GL(H)H2 . Beweis. topie h µ ϕ11 ϕ21 Es ist GL (H1 ) ⊕ {IdH2 } eine Teilmenge von GL(H)H2 . Wir definieren eine Homo: [0, 1] → GL(H)H2 , indem wir für jedes t ∈ [0, 1] und jedes ϕ := ¶ × GL(H)H2 − 0 ∈ GL(H)H2 setzen: IdH2 µ ¶ ϕ11 0 h(t, ϕ) := . (1 − t)ϕ21 IdH2 Ohne Rückgriff auf die Matrixschreibweise können wir h angeben, indem wir für jedes i ∈ {1, 2} mit πi die Orthogonalprojektion von H auf Hi bezeichnen und dann schreiben h(t, ϕ) = π2 + π1 ◦ ϕ ◦ π1 + (1 − t)π2 ◦ ϕ ◦ π1 . Offenbar ist h stetig, und es gilt h0 = IdGL(H)H2 und h1 (GL(H)H2 ) ⊆ GL (H1 ) ⊕ {IdH2 }. Also ist h eine Deformation von GL(H)H2 nach GL (H1 ) ⊕ {IdH2 }. Sei t ∈ [0, 1] und ϕ ∈ GL (H1 ) ⊕ {IdH2 }. Dann gilt h(t, ϕ) = ϕ. Also ist h eine strenge Retraktionsdeformation. Lemma 6.4.2. Sei H ein Hilbertraum. Dann ist die Abbildung2 δH := δ : [0, π/2] × L(H) × L(H) − → L(H ⊕ H); µ ¶µ ¶µ ¶µ ¶ ϕ 0 cos t sin t IdH 0 cos t − sin t (t, ϕ, ψ) 7→ 0 IdH − sin t cos t 0 ψ sin t cos t stetig und hat die folgenden Eigenschaften: Man beachte, daß hier und im folgenden für jedes λ ∈ K statt λIdH auch schlicht λ geschrieben wird, falls dadurch keine Unklarheiten entstehen. 2 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 88 • Für alle ϕ, ψ ∈ L(H) gilt µ δ(0, ϕ, ψ) = µ und δ(π/2, ϕ, ψ) = ϕ 0 0 ψ ϕψ 0 0 IdH ¶ =ϕ⊕ψ ¶ = ϕψ ⊕ IdH . • Es gilt δ ([0, π/2] × GL(H) × GL(H)) ⊆ GL(H ⊕ H). Beweis. Die Stetigkeit von δ ist offensichtlich. δ0 und δπ/2 errechnet man durch Einsetzen. Sind nun t ∈ [0, π/2] und ϕ, ψ ∈ GL(H), so sind alle vier, in der Definitionsgleichung von δ auftretenden Matrizen jeweils invertierbar, also auch ihr Produkt. Beweis des Untergruppen-Lemmas Sei H ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum und sei H 0 ein abgeschlossener Unterrraum von H mit dim H 0 = dim H. Als erstes klären wir, daß wir annehmen können, daß auch dim(H 0 )⊥ = dim H gilt, daß also ((H 0 )⊥ , H 0 ) eine Halbierung3 von H ist. Wähle nämlich orthogonale abgeschlossene Unterräume K und H̃ 0 von H 0 mit dim H 0 = dim K = dim H̃ 0 und H 0 = K h H̃ 0 , also eine Halbierung von H 0 . Dann gilt (H̃ 0 )⊥ := (H 0 )⊥ h K. Es gilt (H̃ 0 )⊥ = dim(H 0 )⊥ + dim K = dim H 0 , und somit ist ((H̃ 0 )⊥ , H̃ 0 ) eine Halbierung von H mit H 0 ⊇ H̃ 0 . Es folgt GL(H)H 0 ≤ GL(H)H̃ 0 . Ist GL(H)H̃ 0 in GL(H) zusammenziehbar, so auch der Teilraum GL(H)H 0 . Ab jetzt gelte also dim(H 0 )⊥ = dim H. Setze H1 := (H 0 )⊥ . Da H 0 unendlich-dimensional ist, finden wir mit Korollar 5.3.7 eine orthogonale Zerlegung (Hn )n∈N≥2 von H 0 derart, daß für jedes n ∈ N≥2 der Raum Hn zu H 0 (und damit zu H und H1 ) isomorph ist. Es gilt also ²¯ H = ±° n∈N Hn und ²¯ H 0 = ±° n∈N≥2 Hn . Wegen Lemma 6.4.1 müssen wir nur zeigen, daß wir GL(H1 ) ⊕ {IdH 0 } in GL(H) zusammenziehen können. 3 Vergleiche Definition 5.3.3. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 89 Sei H̃ ein weiterer zu H isomorpher Hilbertraum. Sei Jn für jedes n ∈ N ein isometrischer Isomorphismus von H̃ nach L Hn . Für jedes n ∈ N bezeichnen ιn die kanonische Injektion des n-ten Summanden in l2− n∈N H̃. Die Hilbertraum-Summe J der Familie (Jn )n∈N von unitären L Abbildungen ist ein isometrischer Isomorphismus von der äußeren Hilbertraum-Summe l2− n∈N H̃ auf die innere HilbertraumSumme H = k n∈N Hn , der ιn (H̃) auf H Da genau ³ L ´ dann ³ n abbildet. ´ GL(H)H 0 offensichtlich L es in GL l2− n∈N H̃ ist, könzusammenziehbar in GL(H) ist, wenn GL l2− n∈N H̃ J(H 0 ) L nen wir ohne Einschränkung annehmen, daß H = l2− n∈N H̃ und Hn = ιn (H̃) für jedes n ∈ N gilt. Heuristik: Jedes Element von GL (H1 ) h {IdH 0 } läßt sich folgendermaßen für ein geeignetes ϕ ∈ GL(H̃) als Matrix darstellen: ϕ 0 0 0 ··· 0 Id 0 0 ··· H̃ 0 0 Id 0 · · · . H̃ 0 0 Id · · · 0 H̃ .. .. .. .. ... . . . . In einem ersten Schritt wollen wir synchron jede solche Matrix in die Matrix ϕ 0 0 0 ··· 0 ϕ−1 0 0 · · · 0 0 ϕ 0 ··· 0 0 0 ϕ−1 · · · .. .. .. .. ... . . . . überführen, in einem zweiten Schritt dann in die Matrix IdH̃ 0 0 0 0 Id 0 0 H̃ 0 0 Id 0 H̃ 0 0 0 IdH̃ .. .. .. .. . . . . ··· ··· ··· ··· .. . . Hierbei benutzen wir die Drehabbildung δH̃ , um die Summanden von H zu verdrehen. Es wird im ersten Schritt der zweite mit dem dritten, der vierte mit fünften etc. Summanden verdreht, im zweiten Schritt der erste mit dem zweiten, der dritte mit dem vierten etc.. Expilzite Konstruktion: Bezeichne mit κ1 bzw. κ2 die kanonische Injektion des ersten bzw. zweiten Summanden in die äußere direkte Summe H̃ ⊕ H̃. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 90 Setze F1 := H̃ und für alle n ∈ N≥2 Fn := H̃ ⊕ H̃. L Sei F := l2− Setze nun n∈N Fn . Für alle n ∈ N bezeichne fn die kanonische Injektion von Fn nach F . ιF1 := f1 und für alle n ∈ N: ιF2n := fn+1 ◦ κ1 und ιF2n+1 := fn+1 ◦ κ2 . Der Raum F zusammen mit der Familie (ιFn )n∈N ist eine Hilbertraum-Summe von (H̃)n∈N . Sei also JF : H − → F die4 unitäre Abbildung mit der Eigenschaft, daß für alle n ∈ N gilt: ιFn = JF ◦ ιFn . Wir definieren nun eine Familie von Dreh-Abbildungen: Setze h01 : [0, π/2] × GL(H̃) − → GL(F1 ), (t, ϕ) 7→ ϕ und für alle n ∈ N≥2 5 : h0n : [0, π/2] × GL(H̃) − → GL (Fn ) , (t, ϕ) 7→ δH̃ (π/2 − t, ϕ−1 , ϕ). Diese Familie ist offenbar gleichgradig stetig und erfüllt die Bedingungen von Satz 6.1.5. Zusätzlich gilt für alle n ∈ N≥2 und alle ϕ ∈ GL(H̃): ¡ ¢ h0n (0, ϕ) = ϕ−1 ◦ ϕ ⊕ IdH̃ = IdH̃ ⊕ IdH̃ sowie h0n (π/2, ϕ) = ϕ−1 ⊕ ϕ. Somit ist h0 : [0, π/2] × GL(H̃) − → GL(H), (t, ϕ) 7→ JF−1 ◦ l2− M n∈N wohldefiniert und stetig, und es gilt für alle ϕ ∈ GL(H̃): M h0 (0, ϕ) = l2− (ϕ, IdH̃ , IdH̃ , . . .) n∈N 4 5 Zur Existenz und Eindeutigkeit einer solchen Abbildung siehe Satz 4.2.23. Zur Definition von δH̃ siehe Lemma 6.4.2. h0n (t, ϕ) ◦ JF , Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 91 sowie h0 (π/2, ϕ) = l2− M (ϕ, ϕ−1 , ϕ, ϕ−1 , . . .). n∈N Setze für alle n ∈ N L Gn := H̃ ⊕ H̃. Sei G := l2− n∈N Gn . Für alle n ∈ N bezeichne gn die kanonische Injektion von Gn nach G. Setze nun für alle n ∈ N: ιG 2n−1 := gn ◦ κ1 und ιG 2n := gn ◦ κ2 . Der Raum G zusammen mit der Familie (ιG n )n∈N ist eine Hilbertraum-Summe von (H̃)n∈N . Sei 6 also JG : H − → G die unitäre Abbildung mit der Eigenschaft, daß für alle n ∈ N gilt: G ιG n = JG ◦ ιn . Wir definieren nun wiederum eine Familie von Dreh-Abbildungen: Setze für alle n ∈ N7 : h00n : [0, π/2] × GL(H̃) − → GL (Gn ) , (t, ϕ) 7→ δH̃ (t, ϕ, ϕ−1 ). Diese Familie ist offenbar gleichgradig stetig und erfüllt die Bedingungen von Satz 6.1.5. Zusätzlich gilt für alle n ∈ N≥2 und alle ϕ ∈ GL(H̃): h00n (0, ϕ) = ϕ ⊕ ϕ−1 sowie ¡ ¢ h00n (π/2, ϕ) = ϕ ◦ ϕ−1 ⊕ IdH̃ = IdH̃ ⊕ IdH̃ . Somit ist h00 : [0, π/2] × GL(H̃) − → GL(H), (t, ϕ) 7→ JG−1 ◦ l2− M n∈N wohldefiniert und stetig, und es gilt für alle ϕ ∈ GL(H̃): M h00 (0, ϕ) = l2− (ϕ, ϕ−1 , ϕ, ϕ−1 , . . .) n∈N sowie h00 (π/2, ϕ) = l2− M (IdH̃ , IdH̃ , IdH̃ , . . .). n∈N 6 7 Zur Existenz und Eindeutigkeit einer solchen Abbildung siehe Satz 4.2.23. Zur Definition von δH̃ siehe Lemma 6.4.2. h00n (t, ϕ) ◦ JG , Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 92 Setze nun8 h : [0, 1] × GL(H1 ) ⊕ {IdH 0 } − → GL(H), ( h0 (πt, J1−1 ◦ ϕ ◦ J1 ), (t, ϕ ⊕ IdH 0 ) 7→ h00 (π(t − 1/2), J1−1 ◦ ϕ ◦ J1 ), wenn t ∈ [0, 1/2] wenn t ∈ [1/2, 1]. Dann ist diese Abbildung eine Kontraktion von GL(H1 ) ⊕ {IdH 0 } auf IdH in GL(H). 2 8 Zur Erinnerung: J1 ist ein isometrischer Isomorphismus von H̃ nach H1 . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 93 6.5 Ein Alternativer Beweis des Zerlege-Lemmas Es gibt eine zweite Möglichkeit, sich dem Zerlege-Lemma zu nähern. Ist nämlich der Raum H separabel, so kann man die Anwendung des Lemmas von Zorn im Beweis durch einen Induktionsschluß ersetzen. Der Beweis wird dann darüber hinaus noch etwas einfacher, da man bei der Abschätzung der Ko-Dimension von R nur wissen muß, daß Ẽ als endliche Summe endlichdimensionaler Räume endlich-dimensional ist. Kuiper beschränkt sich bei seinem Beweis gänzlich auf den separablen Fall und gibt deshalb nur einen Beweis des Zerlege-Lemmas an, der dem im folgenden ersten Unterabschnitt ähnlich ist. Illusie gibt zu Beginn seines Beweises ein Argument an, daß unserem Satz 6.5.15 entspricht, und behauptet, daß hiermit der allgemeine Satz auf den Satz von Kuiper für separables H zurückgeführt wäre. Es wird dabei nicht klar, wie genau die Reduktion verläuft. Ich habe eine Möglichkeit gefunden, diese Reduktion durchzuführen, wobei mit Hilfe von Satz 6.5.15 das Zerlege-Lemma für den allgemeinen Fall aus dem für den separablen hergeleitet wird. Im weiteren Verlauf des Beweises des Satzes von Kuiper, sowohl in der Version von Kuiper, als auch in der von Illusie und in meiner, führt es zu keiner Vereinfachung, H als separabel vorauszusetzen. 6.5.1 Beweis des Zerlege-Lemmas im separablen Fall Sei H separabel. Wir setzen I := N. Die Folge (En )n∈N definieren wir nun rekursiv. Wir wählen uns einen beliebigen Einheitsvektor a1 ∈ H. Es ist U a1 höchstens d-dimensional, also finden wir einen d+1-dimensionalen Oberraum E1 von U a1 , da H unendlich-dimensional ist. Sei nun N ∈ N und setzen wir voraus, daß wir schon paarweise orthogonale, d+1-dimensionale Untervektorräume E1 , . . . , EN und für jedes n ∈ N≤N einen Einheitsvektor an ∈ En mit U an ⊆ En gefunden haben. Setze ²¯ N Ẽ := ±° n=1 En und R := U −1 (Ẽ ⊥ ). Es ist Ẽ endlich-dimensional. Also sind Ẽ ⊥ und damit auch R endlich ko-dimensional und somit unendlich-dimensional. Somit finden wir insbesondere einen Einheitsvektor aN +1 ∈ R. Es gilt U aN +1 ⊆ Ẽ ⊥ . Wir finden dann einen d + 1-dimensionalen Oberraum EN +1 von U aN +1 in Ẽ ⊥ . Man beachte, daß IdH ∈ U , also aN +1 ∈ U aN +1 ⊆ EN +1 gilt. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 94 6.5.2 Invariante Teilräume Um den Reduktionsschritt von Illusie zu verstehen, bedarf es ein paar Vorüberlegungen zu invarianten Teilräumen. Hierbei greife ich die beiden Hilfsgrößen ∆ und d aus dem fünften Kapitel wieder auf. Generalvoraussetzung 6.5.1. Im folgenden sei E ein normierter Raum. Definition 6.5.2. Sei M ⊆ L(E) und X ⊆ E. Dann definieren wir invM (X) als den kleinsten, abgeschlossenen Teilraum von E, der X enthält und unter M invariant ist, also \ invM (X) := {F ⊆ E : F ist abg., unter M invarianter Teilraum von E mit X ⊆ F } . Es gibt zwei triviale Fälle, die wir nur am Rande betrachten: Bemerkung 6.5.3. Sei M ⊆ L(E) und X ⊆ E. • Ist M leer, so gilt invM (X) = hXi. • Ist X leer, so gilt invM (X) = {0}. Wir wollen den Raum invM (X) nun auch für nicht-triviale Fälle charakterisieren. Hierzu ein paar Vorüberlegungen. Definition 6.5.4. Sei M ⊆ L(E). Setze dann M∞ := {IdE } ∪ ∞ [ n=1 M . . · M} . | · .{z k−mal Lemma 6.5.5. Seien M ⊆ L(E) und X ⊆ E nicht leer. Dann ist M∞ · X die kleinste Teilmenge von E, die X enthält und unter M invariant ist. Lemma 6.5.6. Sei M ⊆ L(E) und X ⊆ E. Sei ferner X invariant unter M . Dann gilt: 1. X ist invariant unter M∞ . 2. Das Vektorraumerzeugnis hXi ist invariant unter dem unitalen Algebrenerzeugnis von M . 3. X ist invariant unter M . Beweis. 1. Mit Induktion. 2. Das unitale Algebrenerzeugnis von M ist das Vektorraumerzeugnis von M∞ in L(E). P P Sei also ni=1 λi xi eine Linearkombination von Elementen von X und kj=1 µj mj eine Linearkombination von Elementen von M∞ . Dann gilt ! !à n à k k X n X X X µj λ i m j x i . λ i xi = µj mj j=1 i=1 j=1 i=1 Da X unter M∞ , also insbesondere unter den mj , invariant ist, ist dies ein Element von hXi. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 95 3. Es gilt M X ⊂ X. Da das Einsetzen in stetige lineare Abbildungen in beiden Variablen stetig ist, folgt wegen der Berührpunkterhaltungseigenschaft stetiger Funktionen: M · X ⊆ M X ⊆ X. Korollar 6.5.7. Sei M ⊆ L(E) und X ⊆ E. Ist X ein abgeschlossener, unter M invarianter Unteraum, so ist X auch unter der von M erzeugten abgeschlossenen, unitalen Teilalgebra von L(E) invariant. Satz 6.5.8 (Charakterisierung von invM (X)). Sei M ⊆ L(E) und X ⊆ E. Dann gilt invM (X) = hM∞ · Xi. Ferner ist invM (X) nicht nur unter M , sondern auch unter der von M erzeugten, abgeschlossenen unitalen Teilalgebra von L(E) invariant. Beweis. Die Aussage ist trivial, wenn X oder M leer sind. Seien diese Mengen also ohne Einschränkung nicht leer. „⊇“: Es ist M∞ · X die kleinste unter M invariante Teilmenge von E, die X enthält und unter M invariant ist. Somit gilt M∞ · X ⊆ invM (X). Da invM (X) ein abgeschlossener Teilraum ist, ist die Inklusion ⊇ gezeigt. „⊆“: Die rechte Seite ist ein abgeschlossener Teilraum von E, der unter M invariant ist. Die nachfolgende Überlegung könnte man für beliebige Mächtigkeiten in ähnlicher Weise anstellen. Wir brauchen sie allerdings nur für separable Räume. Korollar 6.5.9. Seien M ⊆ L(E) und X ⊆ E separabel. Dann ist invM (X) ein separabler Teilraum von E. 0 Beweis. Seien M 0 bzw. X 0 abzählbare dichte Teilmengen von M bzw. X. Dann ist M∞ abzähl0 0 bar und dicht in M∞ . Ferner ist M∞ X abzählbar und dicht in M∞ X. Es ist also insbesondere 0 X 0 i. Es folgt M∞ X enthalten in hM∞ 0 X 0 i. invM (X) = hM∞ Xi = hM∞ Somit ist invM (X) separabel nach Satz 5.1.6. 6.5.3 Invariante orthogonale Zerlegungen Generalvoraussetzung 6.5.10. Sei H ein K-Hilbertraum. Im Mittelpunkt des Reduktionsargumentes von Illusie steht die Existenz gewisser orthogonaler Zerlegungen. Wir gehen begrifflich daran heran: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 96 Definition 6.5.11 (invariante orthogonale Zerlegung). Sei M ⊆ L(H). Dann nennen wir eine orthogonale Zerlegung (Hi )i∈I eine M -invariante orthogonale Zerlegung von H, wenn für jedes i ∈ I der Raum Hi unter M invariant ist. Lemma 6.5.12. Sei M eine Teilmenge von L(H) und X eine Teilmenge von H. Sei ferner X invariant unter M . 1. X ⊥ ist invariant unter M ∗ . 2. Ist M = M ∗ , so sind X ⊥ und X ⊥⊥ = hXi invariant unter der von M erzeugten unitalen abgeschlossenen Algebra, die dann eine C ∗ -Unteralgebra ist. Beweis. 1. Sei y ∈ X ⊥ und m ∈ M . Sei x ∈ X. Dann gilt hx, m∗ yi = hmx, yi = 0, da mx ∈ X. Somit folgt m∗ y ∈ X ⊥ . 2. Sei M = M ∗ . Dann ist X ⊥ invariant unter M ∗ = M , also auch X ⊥⊥ . Sowohl X ⊥ , als auch X ⊥⊥ sind abgeschlossene Unterräume, also auch unter dem unitalen Algebrenerzeugnis invariant. Lemma 6.5.13. Sei M eine Teilmenge von L(H) mit M ∗ = M und X eine Teilmenge von H. Dann sind invM (X) und invM (X)⊥ invariant unter M . Das folgende Lemma ist die zentrale Aussage dieses Unterabschnittes: Lemma 6.5.14 (Abspaltungslemma). Sei H ein nicht-separabler Hilbertraum und M eine separable Teilmenge von L(H). Dann gibt es eine M -invariante orthogonale Zerlegung (H1 , H2 ) von H so, daß H1 separabel und unendlich-dimensional ist. Beweis. Setze N := M ∪ M ∗ . Dann gilt N ∗ = N und N ist separabel. Da H unendlichdimensional ist, finden wir ein abzählbares Orthonormalsystem B in H. Setze H1 := invN (B). Nach Korollar 6.5.9 ist dann H1 separabel, da N und B separabel sind. Ferner gilt B ⊆ H1 , also ist H1 ein unendlich-dimensionaler, separabler, abgeschlossener Teilraum von H. Nach dem vorangegangen Lemma sind H1 und H2 := H1⊥ invariant unter N , also insbesondere invariant unter M . Da H nicht separabel ist, ist H2 nicht trivial, also (H1 , H2 ) eine orthogonale Zerlegung von H. Als Korollar aus dem Abspaltungslemma erhalten wir den folgenden Satz, der das Reduktionsargument von Illusie darstellt: Satz 6.5.15 (Ein Zerlegesatz). Sei H ein nicht-separabler Hilbertraum und M eine separable Teilmenge von L(H). Dann gibt es eine M -invariante orthogonale Zerlegung (Hi )i∈I aus separablen, unendlich-dimensionalen Teilräumen. Ferner gilt |I| = dim H. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 97 Beweis. Sei ohne Einschränkung M = M ∗ . Wir benutzen das Lemma von Zorn. Sei M die Menge aller Mengen von paarweise orthogonalen, abgeschlossenen, separablen, unendlich-dimensionalen und nicht-trivialen Teilräumen von H, die unter M invariant sind. Die Menge M ist nicht leer, da die leere Menge enthalten ist. Ferner ist sie durch Inklusion geordnet. Jede Kette in M hat eine obere Schranke, nämlich die Vereinigung über die Kette. Wähle also mit dem Lemma von Zorn ein maximales Element F. Sei E := k F ∈F F . Dann sind E und damit auch E ⊥ invariant unter M . Wäre E ⊥ nicht separabel, widerspräche dies nach dem Abspaltungslemma der Maximalität von F. Somit können wir E ⊥ einem der Elemente von F hinzuschlagen und ohne Einschränkung E = H erreichen. Die Menge F und die Familie (F )F ∈F leisten also das, was in der Behauptung von I und (Hi )i∈I verlangt wird. Zum Zusatz: Es gilt |I| ≤ dim H ≤ ℵ0 · |I| . Weil I unendlich ist, folgt dim H = |I|. 6.5.4 Reduktions-Beweis des Zerlege-Lemmas für nicht-separable Räume Sei H nun nicht separabel. Es ist U als endlich-dimensionaler Raum separabel. Wir finden also mit Satz 6.5.15 eine Menge J mit |J| = dim H und eine Familie (Hj )j∈J von separablen, paarweise orthogonalen, abgeschlossenen, unendlich-dimensionalen Unterräumen von H mit ²¯ H = ±° j∈J Hj , wobei für jedes j ∈ J der Raum Hj unter allen Elementen von U invariant ist. Wir wenden nun unsere obigen Überlegungen auf jeden der separablen Summanden Hj an. Für jedes j ∈ J setze Ij := {j} × N; ferner finde eine Familie (Ei )i∈Ij von d+1-dimensionalen, paarweise orthogonalen Teilräumen von Hj und für jedes i ∈ Ij einen Einheitsvektor ai ∈ Ei derart, daß gilt ∀i ∈ Ij : U ai ⊆ Ei . S Setze I := J × N = j∈J Ij . Es gilt |I| = |J| · ℵ0 = dim H · ℵ0 = dim H. Offenbar haben die Menge I und die Familien (Ei )i∈I und (ai )i∈I die im Lemma geforderten Eigenschaften. Kapitel 7 Der Satz von Kuiper-Mingo In diesem Kapitel möchte ich in groben Zügen das Projekt darstellen, den in dieser Arbeit durchgeführten Beweis des Satzes von Kuiper zu einem Beweis des Satzes von Kuiper-Mingo auszubauen. Das Kapitel gliedert sich in drei Teile: Im ersten habe ich grundlegende Definitionen und Sätze aus der Theorie der Hilbert-Moduln zusammengestellt. Die Beweise für die meisten dort aufgeführten Aussagen kann man im Buch von Wegge-Olsen1 nachlesen. Allerdings stelle ich hier einige Konzepte, besonders die l2 -direkte Summe von Hilbert-Moduln, in allgemeineren Versionen als Wegge-Olsen vor. Im zweiten Teil dieses Kapitels bespreche ich schlaglichtartig die mir bekannten Beweise des Satzes von Kuiper-Mingo. Auf den Beweis von Kasimov gehe ich dabei ausführlicher ein: Wäre dieser Beweis korrekt, lohnte sich eine Übertragung meines Beweises auf den HilbertModul-Fall kaum noch, da Kasimovs Beweis bereits elegant und elementar ist. Jedoch halte ich Kasimovs Beweis an einer entscheidenen Stelle für unzureichend, was ich hier darlege. Im letzten Teil skizziere ich kurz, in welchem Ausmaß ich den in dieser Arbeit vorgestellte Beweis und die verschiedenen verwendeten Hilfsmittel aus der Hilbertraum-Theorie bereits verallgemeinern konnte und wo ich noch Schwierigkeiten sehe, wobei ich optimistisch bin, daß sich diese ausräumen lassen. Generalvoraussetzung. Sei in diesem Kapitel A eine komplexe2 C ∗ -Algebra. 7.1 Hilbert-Moduln 7.1.1 Positive Elemente von C ∗ -Algebren Definition 7.1.1 (positive Elemente in A). 1. Ein Element a ∈ A heißt positiv, wenn a ein selbst-adjungiertes Element von A ist, dessen Spektrum σ(a) in [0, ∞[ enthalten ist. 2. Sind a, b ∈ A, so schreiben wir a ≤ b, falls b − a positiv ist. 1 Siehe [WO93], Kapitel 15. Im Prinzip sollte es möglich sein, die in diesem Kapitel vorgestellte Theorie in ähnlicher Weise auch für reelle C ∗ -Algebren zu entwickeln. Dies führte aber 2 98 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 99 3. Die Menge der positiven Elemente von A bezeichnen wir mit A≥0 . Bemerkung 7.1.2. Die Menge A≥0 ist abgeschlossen in A und ein Kegel, das heißt es gilt: 1. ∀a, b ∈ A≥0 : a + b ∈ A≥0 . 2. ∀a ∈ A≥0 ∀t ∈ R≥0 : ta ∈ A≥0 . Bemerkung 7.1.3. Die Relation ≤ ist reflexiv, symmetrisch und transitiv auf A. Satz 7.1.4. Sei a ∈ A. Dann sind äquivalent: 1. a ist positiv. 2. Es gibt ein b ∈ A mit a = b∗ b. 7.1.2 Hilbert-Moduln Definition 7.1.5 (Prä-Hilbert-Moduln). (E, ·, h, i) heißt Prä-Hilbert-A-Links-Modul, wenn (E, ·) ein A-Links-Modul und h·, ·i : E × E − →A ein C- und A-sesquilineares, hermitesches und positiv definites inneres Produkt ist, d.h. 1. ∀x1 , x2 , y ∈ E : hx1 + x2 , yi = hx1 , yi + hx2 , yi. 2. ∀x, y ∈ E ∀a ∈ A : hax, yi = ahx, yi. 3. ∀x, y ∈ E ∀λ ∈ C : hλx, yi = λhx, yi. 4. ∀x, y ∈ E : hx, yi = hy, xi∗ . ¡ ¢ 5. ∀x ∈ E : hx, xi ≥ 0 ∧ hx, xi = 0 ⇔ x = 0 . Bemerkung 7.1.6. Ist A unital und E ein Prä-Hilbert-A-Links-Modul, so gilt: ∀x ∈ E : 1A x = x. Definitionsbemerkung 7.1.7. Die Abbildung k·k : E − → R, x 7→ p khx, xik, ist eine Norm auf E, mit den folgenden Eigenschaften: 1. ∀x ∈ E, a ∈ A : kaxk ≤ kak kxk . 2. Es gilt die Cauchy-Schwarz-Ungleichung: ∀x, y ∈ E : khx, yik ≤ kxk kyk . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 100 Definition 7.1.8. Ein vollständiger Prä-Hilbert-A-Links-Modul heißt Hilbert-A-Links-Modul. Beispiel 7.1.9 (Der Hilbert-Modul A). Setze h·, ·i : A × A − → A, (a, b) 7→ ab∗ . Dann ist A mit der Multiplikation und diesem inneren Produkt ein Hilbert-A-Links-Modul. Man beachte q p kaa∗ k = kak2 = kak , das heißt, die Hilbert-Modul-Norm auf A ist die C ∗ -Algebren-Norm. Definition 7.1.10 (Teil-Hilbert-Moduln). Ist E ein Hilbert-Modul, so heißen die abgeschlossenen Teilmoduln von E Teil-Hilbert-Moduln. Teil-Hilbert-Moduln sind mit den eingeschränkten Verknüpfungen selber Hilbert-Moduln. Beispiel 7.1.11. Ist B ein abgeschlossenes Links-Ideal von A, so ist B ein Teil-Hilbert-Modul des Hilbert-Moduls A. 7.1.3 Stetige und adjungierbare Operatoren Alle stetigen Operatoren zwischen Hilberträumen besitzen einen adjungierten Operator, sind also in diesem Sinne adjungierbar. Bei Hilbert-Moduln muß dies nicht mehr der Fall sein3 , weshalb man den Begriff des adjungierbaren Operators einführt. Mit dem Satz vom abgeschlossenen Graphen ist leicht zu sehen, daß adjungierbare Operatoren zwischen Hilbert-Moduln immer stetig sind. Die adjungierbaren Operatoren zwischen Hilbert-Moduln, und nicht die bloß stetigen, werden von den meisten Autoren als die angemessene Verallgemeinerung der stetigen Operatoren zwischen Hilberträumen angesehen. Stetige Operatoren Definition 7.1.12 (LA (E, F )). Seien E, F Prä-Hilbert-A-Links-Moduln. Dann bezeichnen wir die Menge der stetigen C-linearen A-Modul-Homomorphismen von E nach F , kurz stetige Operatoren genannt, mit LA (E, F ). Setze LA (E) := LA (E, E) Definitionsbemerkung 7.1.13 (A HilbMod). Die Hilbert-A-Links-Moduln zusammen mit den stetigen Operatoren bilden eine konkrete Kategorie, die wir A HilbMod nennen. Bemerkung 7.1.14. Sind E und F Prä-Hilbert-A-Links-Moduln, so gilt 1. LA (E, F ) ist ein abgeschlossener Untervektorraum von LC (E, F ) (bezüglich der OperatorNorm-Topologie). 2. LA (E, F ) ist vollständig, wenn F vollständig ist. 3. LA (E) ist eine unitale normierte Algebra. 3 Siehe [WO93], Aufgabe 15E. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 101 Adjungierbare Operatoren Definitionssatz 7.1.15 (Adjungierte, adjungierbar). Seien E, F Prä-Hilbert-A-Links-Moduln und sei ϕ : E − → F eine Funktion. Dann gibt es höchstens eine Funktion ϕ∗ : F − → E mit der Eigenschaft: ∀x ∈ E ∀y ∈ F : hϕx, yiF = hx, ϕ∗ yiE . Wenn es eine solche Funktion ϕ∗ gibt, heißt sie Adjungierte von ϕ, und ϕ heißt adjungierbar. Beispiel 7.1.16. Sei E ein Prä-Hilbert-A-Links-Modul. Dann ist IdE ist adjungierbar, und es gilt Id∗E = IdE . Satz 7.1.17. Seien E, F Prä-Hilbert-A-Links-Moduln, und sei ϕ : E − → F eine adjungierbare Funktionen. Dann gilt 1. ϕ ist ein abgeschlossener C-linearer A-Modul-Morphismus. 2. Es gilt ϕ∗ = {(y, z) ∈ F × E | ∀x ∈ E : hϕx, yi = hx, zi} . 3. ϕ∗ ist adjungierbar, und es gilt (ϕ∗ )∗ = ϕ. 4. ϕ ist genau dann bijektiv, wenn ϕ∗ bijektiv ist, wobei dann (ϕ∗ )−1 = (ϕ−1 )∗ gilt. 5. Ist G ein weiterer Prä-Hilbert-A-Links-Modul und ψ : F − → G adjungierbar, so ist auch ∗ ∗ ∗ ψ ◦ ϕ adjungierbar, und es gilt (ψ ◦ ϕ) = ϕ ◦ ψ . Definitionsbemerkung 7.1.18 (A HilbMod∗ ). Die Hilbert-A-Links-Moduln zusammen mit den adjungierbaren Operatoren zwischen ihnen bilden eine konkrete Kategorie, die wir A HilbMod∗ nennen. Definition 7.1.19 (L∗A (E, F ), GL∗A (E, F )). Seien E und F Prä-Hilbert-A-Links-Moduln. 1. Wir bezeichnen die Menge der adjungierbaren Operatoren von E nach F mit L∗A (E, F ). 2. Die bijekiven adjungierbaren Operatoren bezeichnen wir mit GL∗A (E, F ). 3. Setze L∗A (E) := L∗A (E, E) und GL∗A (E) := GL∗A (E, E). Bemerkung 7.1.20. Seien E, F Hilbert-A-Links-Moduln. Dann gilt wegen des Satzes vom abgeschlossenen Graphen: L∗A (E, F ) ⊆ LA (E, F ). Genauer ist L∗A (E, F ) ein abgeschlossener Untervektorraum von LA (E, F ) und somit vollständig. Ferner gilt GL∗A (E, F ) = L∗A (E, F ) ∩ GLA (E, F ). Satz 7.1.21. Sei E ein Hilbert-A-Links-Modul. Dann ist L∗A (E) eine abgeschlossene unitale Unteralgebra von LA (E), die mit der Adjungiertenbildung als ∗-Operation eine C ∗ -Algebra ist. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 102 Bemerkung 7.1.22. Im Falle A = C gilt für alle Hilbert-C-Links-Moduln (i.e. alle komplexen Hilberträume) E und F : L∗C (E, F ) = LC (E, F ), denn dann sind alle stetigen linearen Operatoren adjungierbar. Hinweis 7.1.23. Daß in der Literatur die adjungierbaren meist als wichtiger als die nur stetigen Operatoren zwischen Hilbert-Moduln eingeschätzt werden, schlägt sich häufig in der Notation nieder, wobei die Menge der adjungierbaren Operatoren mit einfacheren Symbolen belegt wird als die der stetigen (z.B. B(E, F ) für die adjungierbaren und Bb (E, F ) für die stetigen bei WeggeOlsen). Ich habe die oben beschriebene Notation gewählt, weil ich sie für systematischer und eingängiger halte. Unitäre Operatoren und Einheiten Definition 7.1.24 (unitärer Operator, UA (E, F )). Seien E, F Hilbert-A-Links-Moduln, und sei ϕ ∈ L∗A (E, F ). Der adjungierbare Operator ϕ heißt unitär, falls ϕ bijektiv ist und gilt: ϕ−1 = ϕ∗ . Die Menge aller unitären Operatoren von E nach F bezeichnen wir mit UA (E, F ). Bemerkung 7.1.25. Seien E, F Hilbert-A-Links-Moduln, und sei ϕ ∈ L∗A (E, F ). Dann ist ϕ genau dann unitär, wenn ϕ invertierbar ist und gilt: ∀x, y ∈ E : hϕ(x), ϕ(y)iF = hx, yiE . Bemerkung 7.1.26. Seien E, F Hilbert-A-Links-Moduln, und sei ϕ ∈ L∗A (E, F ). Dann gilt 1. ∀x ∈ E : hϕ(x), ϕ(x)iF ≤ kϕk2 hx, xiE . 2. Ist A unital und ϕ ∈ GL∗A (E, F ), so gilt: ∀x ∈ E : hx, xiE ∈ GA ⇔ hϕ(x), ϕ(x)iF ∈ GA. Definition 7.1.27 (Einheit). 4 Sei A unital und E ein Prä-Hilbert-A-Links-Modul. Ein x ∈ E heißt Einheit, wenn hx, xi = 1A gilt. Bemerkung 7.1.28. Unitäre Operatoren bilden Einheiten auf Einheiten ab. Bemerkung 7.1.29. Sei A unital, und E ein Prä-Hilbert-A-Links-Modul. Ist dann x ∈ E derart, daß hx, xi in A invertierbar ist, so ist e := hx, xi−1/2 x eine Einheit in E und es gilt x = hx, xi1/2 e. Insbesondere ist jedes solche Element x ∈ E das Produkt eines positiven Elementes von A und einer Einheit von A. 4 „Einheit“ ist eine Ad-hoc-Übersetzung des englischen „unit“. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 103 7.1.4 Die äußere l2 -direkte Summe von Hilbert-Moduln Zuerst sei bemerkt, daß sich die algebraische äußere direkte Summe unmittelbar vom Hilbertraum-Fall auf Hilbert-Moduln übertragen läßt: Definitionsbemerkung 7.1.30 (die äußere direkte Summe). Sei I eine Menge und (EiL )i∈I eine Familie von Prä-Hilbert-A-Links-Moduln. Dann ist die äußere direkte Summe E := i∈I Ei zusammen mit dem inneren Produkt X h·, ·i : E × E − → A, (x, y) 7→ hxi , yi iEi , i∈I ein Prä-Hilbert-A-Links-Modul. Sind alle Ei vollständig und I endlich, so ist auch E ein Hilbert-Modul. Für die von h·, ·i induzierte Norm k·k auf E gilt sX ∀x ∈ E : sup kxi kEi = kxk∞ ≤ kxk ≤ kxk2 = kxi k2Ei , i∈I i∈I wobei die Ungleichungen im allgemeinen strikt sind. Beispiel 7.1.31 (Der Hilbert-Modul An ). Sei n ∈ N0 . Dann ist An ein Hilbert-A-Links-Modul mit dem inneren Produkt: X h·, ·i : An × An − → A, (x, y) 7→ xi yi∗ . i∈I Wir wollen nun die äußere l2 -direkte Summe von Hilbert-Moduln definieren und gehen dabei wiederum analog zum Hilbertraum-Fall vor. Die äußere l2 -direkte Summe von Hilberträumen enthält die algebraische direkte Summe als dichten Teilraum. Es liegt also nahe, zu versuchen, das oben definierte innere Produkt auf der algebraischen direkten Summe auf einen geeigneten möglichst großen Raum fortzusetzen. Ist die Menge IP unendlich, so erhebt sich somit die Frage, für welche Familien (xi )i∈I und (yi )i∈I die Summe i∈I hxi , yi iEi noch wohldefiniert ist. Die einfachste Forderung ist, daß die Familien (hxi , xi iEi )i∈I und (hyi , yi iEi )i∈I summierbar in A sein sollen. Man kann zeigen, daß dann auch die Familie (hxi , yi iEi )i∈I summierbar ist. Wir definieren: Definitionssatz 7.1.32 (die äußere l2 -direkte Summe). Sei I eine Menge und (Ei )i∈I eine Familie von Prä-Hilbert-A-Links-Moduln. Dann definiere ( ) ¯ M Y ¯ E := l2− Ei := (xi )i∈I ∈ Ei ¯¯ (hxi , xi iEi )i∈I ist summierbar in A i∈I i∈I und h·, ·i : E × E − → A, (x, y) 7→ X hxi , yi iEi . i∈I Mit diesem inneren Produkt wird E zu einem Prä-Hilbert-A-Links-Modul, den Lwir als äußere l2 -direkte Summe der Familie (Ei )i∈I bezeichnen. Die äußere direkte Summe i∈I Ei ist dicht in E. Ferner ist E ein Hilbert-Modul, wenn alle Ei Hilbert-Moduln sind. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 104 L Man könnte versucht sein, in der Definition von l2− i∈I Ei statt der Summierbarkeit der Familie (hxi , xi iEi )i∈I ihre absolute Summierbarkeit in A zu fordern. Ist A unendlich-dimensional, so erhält man dadurch einen in der Regel echt kleineren Raum. Dieser ist im allgemeinen nicht vollständig, auch wenn alle Summanden vollständig sind. Ist A endlich-dimensional, sco fällt die Summierbarkeit in A mit der absoluten Summierbarkeit zusammen. Insbesondere erhalten wir also im Falle A = C die gewohnte Hilbertraum-Summe. Beispiel 7.1.33 (Der Hilbert-Modul l2 (I, A)). Sei I eine Menge. Dann setzen wir M l2 (I, A) := l2− A ⊆ AI . i∈I Dies ist ein Hilbert-A-Links-Modul. Hinweis 7.1.34. Man beachte, daß hier eine Bezeichnungskollision besteht: Ist E ein normierter Raum und I eine Menge, so bezeichnet man gewöhnlich mit l2 (I, E) den Raum der absolut quadtrat-summierbaren über I indizierten Familien in E. Für uns ist aber l2 (I, A) der Raum der „unbedingt quadrat-summierbaren“ Familien in der C ∗ -Algebra A. Wie für Hilberträume können wir die l2 -direkte Summe nicht nur für die Räume, sondern auch für die Operatoren zwischen ihnen definieren. Genauer: Definitionssatz 7.1.35 (l2 -direkte Summe von adjungierbaren Operatoren). Sei I eine Menge und seien (Ei )i∈I und (Fi )i∈I Familien von Hilbert-A-Links-Moduln. Für alle i L ∈ I sei ∗ ϕi ∈ LA (Ei , FL i ) ein adjungierbarer Operator. Es gelte supi∈I kϕi k < ∞. Setze E := l2− i∈I Ei und F := l2− i∈I fi . Dann ist l2− M ϕi : E − → F, (xi )i∈I 7→ (ϕi (xi ))i∈I , i∈I ein adjungierbarer Operator mit kϕk = sup kϕi k i∈I und à l2− M i∈I !∗ ϕi = l2− M ϕ∗i . i∈I Hinweis 7.1.36. Sei I eine nicht-leere Menge. Definiert man nun so wie für Hilberträume die Kategorie (A HilbMod∗ )I∞ , so ist analog zum Hilbertraum-Fall L die l2 -direkte Summe ein Funktor ∗ ∗ I ist auf den Morphismenmengen, von (A HilbMod )∞ nach A HilbMod . Die Abbildung l2− die in kanonischer Weise Banachräume sind, linear und isometrisch. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 105 7.2 Der Satz von Kuiper-Mingo Mingo bewies 1982 den folgenden Satz: Satz (Kuiper-Mingo). 5 Ist A eine unitale C ∗ -Algebra über C, so ist die Gruppe GL∗A (l2 (N, A)) zusammenziehbar. Für den Fall A = C reduziert sich dieser Satz offenbar zur komplexen Version des Satzes von Kuiper für separable Hilberträume. Inzwischen gibt es noch weitere Versionen des Satzes von Kuiper-Mingo, etwa für die Grup6 pe GLA (l2 (N, A)) oder auch für σ-unitale C ∗ -Algebren7 . Wir konzentrieren uns aber auf die oben angegebene Formulierung. 7.2.1 Die bisher publizierten Beweise Ich habe in der Literatur eine ganze Reihe von Beweisen für den Satz von Kuiper-Mingo gefunden. Diese gliedern sich in zwei Gruppen: Auf der einen Seite stehen die Beweise von Mingo8 und von Cuntz und Higson 9 , die mit Kuipers Beweis für seinen Satz kaum noch Gemeinsamkeiten aufweisen. Mingo greift auf C ∗ Algebren-Techniken und verschiedentliche Vorarbeiten z.B. von Kasparov zurück, Cuntz und Higson arbeiten mit speziellen Projektionen in C ∗ -Algebren und benutzen Methoden aus der K-Theorie. Eine ausgearbeitete Version des letzteren Beweises findet sich im Buch von WeggeOlsen10 . Auf der anderen Seite gibt es Beweise, die mehr oder weniger dem Beweisplan von Kuiper unter Verwendung elementarer Techniken folgen. Ganz konkret legt etwa Troitskii11 seinen Beweis an. Wie in der Einleitung erwähnt, ist dieser Beweis rechenlastig, und ich glaube, daß man ihn unter Verwendung der in dieser Arbeit vorgestellten Hilfsmittel verbessern kann. Ein weiterer Beweis stammt von Kasimov 12 aus dem Jahre 1982, den er nach Angaben von Troitskii unabhängig von Mingo gefunden haben soll. Wenn dieser Beweis stichhaltig wäre, wäre er nicht nur ein elementarer und eleganter Beweis für den Satz von Kuiper-Mingo, sondern er lieferte auch einen Beweis für den Satz von Kuiper, der in vieler Hinsicht einfacher wäre als der, den ich in dieser Diplomarbeit vorstelle. Allerdings glaube ich, daß Kasimovs Beweis in der vorliegenden Form an einer zentralen Stelle unzureichend ist, und es ist nicht offensichtlich, wie sich dieser Mangel beheben läßt: 5 Siehe [Min82]. Siehe [Tro86]. 7 Siehe [CH87]. 8 Siehe [Min82]. 9 Siehe [CH87]. 10 Siehe [WO93], Kapitel 16. 11 Siehe [Tro86]. 12 Siehe [Kas82]. 6 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 106 7.2.2 Ein Fehler in Kasimovs Beweis Zunächst möchte ich Kasimovs Argumentation im ganzen schildern, bevor ich näher auf die kritische Stelle eingehe. Für jede C ∗ -Algebra A bezeichnen wir im folgenden die C ∗ -Algebra L∗A (l2 (N, A)) mit A0 . Ferner bemerken wir, daß für jeden kompakten Raum X und jede C ∗ -Algebra die Algebra C(X, A) mit den punktweisen Operationen und der Maximumsnorm wiederum eine C ∗ -Algebra ist. Kasimovs Beweisziel ist es, zu zeigen, daß GL(l2 (N, A)) schwach zusammenziehbar ist, daß also alle Homotopiegruppen von GL(l2 (N, A)) trivial sind. Wir wissen, daß daraus schon die Zusammenziehbarkeit von GL(l2 (N, A)) folgt. Hierzu beweist er zunächst das folgende Lemma: Lemma. Für jede unitale C ∗ -Algebra B ist GL(l2 (N, B)) wegzusammenhängend, d.h. es gilt ¡ ¢ π0 GL(l2 (N, B)) = 0. Das nun folgenden Reduktionsargument fußt darauf, daß die C ∗ -Algebren C(S k , A)0 und C(S k , A0 ) für alle k ∈ N0 isomorph sind. Wenn wir dies einmal annehmen, dann können wir wie folgt weiterschließen: Sei k ∈ N0 . Dann gilt ¡ ¢ ¡ ¢ πk GL∗A (l2 (N, A)) ∼ = π0 C(S k , GL∗A (l2 (N, A))) ¡ ¢ = π0 GC(S k , L∗A (l2 (N, A))) ¡ ¢ = π0 GC(S k , A0 ) ¡ ¢ ∼ = π0 G(C(S k , A)0 ) ¡ ¢ = π0 GL∗A (l2 (N, C(S k , A))) . Wenn man nun das obigen Lemma auf B = C(S k , A) anwendet, sieht man, daß dann ist die letztgenannte Gruppe trivial ist. Somit wäre auch die erste Gruppe trivial, und die schwache Zusammenziehbarkeit von GL∗A (l2 (N, A)) nachgewiesen. Der von Kasimov angegebene Isomorphismus von C(S k , A)0 nach C(S k , A0 ) hat jedoch meiner Ansicht nach aber schon im Falle k = 1 und A = C sein Bild gar nicht im gewünschten Raum. Er definiert seine Abbildung über die Angabe von Matrizen. Ich notiere sie lieber basisfrei: Jedem Operator ϕ ∈ C(S k , A)0 wird die Funktion à ! ³ ¡ ´ ¢ ϕ̃ : S k − → A0 , s 7→ x 7→ ϕ (1xj )j∈N n (s) , n∈N zugeordnet, wobei hier mit 1 die konstante 1-Funktion auf S k gemeint ist. Sei nun A = C und k = 1. Ich gebe einen adjungierbaren Operator ϕ an, für den die Funktion ϕ̃ nicht stetig ist: Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 107 Der Raum S 1 ist homöomorph zur Ein-Punkt-Kompaktifizierung R ∪ {0} von R. Wir stellen unsere Überlegungen im folgenden für letzteren Raum an, um die Notation zu vereinfachen. Für alle n ∈ N definiere falls |s| ≤ n − 1 0 fn : R ∪ {∞} − → C, s 7→ |s| − n + 1 falls n − 1 ≤ |s| ≤ n , 1 falls |s| ≥ n oder s = ∞ und ϕn : C(R ∪ {∞}, C) − → C(R ∪ {∞}, C), g 7→ fn g. Für alle n ∈ N ist ϕn ein adjungierbarer, ja selbstadjungierter Operator von C(R ∪ {∞}, C) nach L C(R ∪ {∞}, C) mit kϕn k = 1. Setze ϕ := l2− n∈N ϕn . Es gilt ϕ ∈ C(R ∪ {∞}, C)0 . Sei ϕ̃ analog zu oben definiert. Eine kurze Rechnung zeigt, daß für alle s ∈ R ∪ {∞}, für alle x ∈ l2 (N, C) und alle n ∈ N gilt: falls n ≤ |s| oder s = ∞ xn ϕ̃(s)(x)n = (|s| − n + 1)xn falls |s| ≤ n ≤ |s| + 1 . 0 falls n ≥ |s| + 1 Insbesondere gilt also ϕ̃(∞) = Idl2 (N,C) und für alle m ∈ N ϕ̃(m) = πm , wobei mit πm ∈ L(l2 (N, C)) die Projektion auf den Aufspann der ersten m Standard-BasisVektoren gemeint ist. Die Funktion ϕ̃ ist somit nicht stetig! Hinweis 7.2.1. Sei A eine C ∗ -Algebra und X ein kompakter topologischer Raum. 1. Man kann zeigen13 : A0 ∼ = M (K ⊗ A), wobei mit K die C ∗ -Algebra der kompakten Operatoren auf einem separablen Hilbertraum und mit M (·) die Multiplikator-Algebra zu einer C ∗ -Algebra gemeint ist. 2. Es gilt somit C(X, A0 ) ∼ = C(X, M (K ⊗ A)). 3. Man kann ferner zeigen14 : C(X, A)0 ∼ = Cb (X, M (K ⊗ A)β ), wobei mit M (K ⊗ A)β die Algebra M (K ⊗ A) mit der sogenannten strikten Topologie, die schwächer ist als die Normtopologie, und mit Cb (X, M (K ⊗ A)β ) die C ∗ -Algebra der Norm-beschränkten strikt stetigen Funktionen bezeichnet sei. Der Funktionen ϕ̃ sind stetig, aber eben nicht bezüglich der Normtopologie auf L∗A (l2 (N, A)), sondern bezüglich der strikten Topologie. 13 14 Siehe [WO93], Beispiel 15.2.11. Siehe [WO93], Aufgabe 2.H. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 108 7.3 Inwieweit läßt sich mein Beweis für den Satz von Kuiper auf den Satz von Kuiper-Mingo übertragen? Ich bin sehr zuversichtlich, daß dies möglich ist. Ich habe es noch nicht in allen Einzelheiten durchgeführt, aber möchte hier in informeller Weise schildern, welche Hilfsmittel und Beweisschritte sich wohl problemlos übertragen lassen und wo noch Klärungsbedarf besteht. Zunächst gehe ich auf das Bilden von orthogonalen Zerlegungen ein, das bei Hilbert-Moduln schwieriger ist als bei Hilberträumen. Danach bespreche ich kurz die Möglichkeiten der Verallgemeinerung der vier Lemmata aus der Hilbertraum-Theorie, die ich in dieser Arbeit benutzt habe. Zuletzt skizziere ich die Übertragung des Beweises selber. Es sei darauf hingewiesen, daß wir hier nur versuchen, den komplexen, separablen Fall zu verallgemeinern. Im Prinzip sollte es dann aber möglich sein, analoge Argumente auch für reelle C ∗ -Algebren und reelle Hilbert-Moduln und überabzählbare Indexmengen zu finden. 7.3.1 Orthogonalität und orthogonale Komplemente Orthogonalität Definition 7.3.1 (orthogonal). Sei E ein Hilbert-A-Links-Modul. 1. Elemente x, y ∈ E heißen orthogonal, wenn hx, yiE = 0 ∈ A gilt. Wir schreiben dann x ⊥ y. 2. Sind M, N Teilmengen von E, so schreiben wir M ⊥ N , falls gilt: ∀m ∈ M ∀n ∈ N : m ⊥ n. 3. Ist M ⊆ E eine Teilmenge von E, so setzen wir M ⊥ := {x ∈ E | ∀y ∈ M : x ⊥ y} . Bemerkung 7.3.2. Ist E ein Hilbert-Modul und M ⊆ E, so ist M ⊥ ein abgeschlossener Teilmodul von E. Das Auffinden orthogonaler Komplemente Senkrecht zu stehen ist in Hilbert-Moduln eine recht harte Forderung. Es gilt zum Beispiel: Bemerkung 7.3.3. Ist E ein Hilbert-Modul und F ein abgeschlossener Teilmodul, so gilt zwar F ⊥ F ⊥ und F ∩ F ⊥ = {0}, jedoch im allgemeinen nicht E = F + F ⊥ . Der Orthogonalraum F ⊥ ist also im allgemeinen zu klein, um ein Komplement zu sein. Ein einfaches Gegenbeispiel: Sei E = A = C([0, 1], C) und F = {f ∈ C([0, 1], C) | f (0) = 0}. Es gilt dann F ⊥ = {0}. Ein Spezialfall, in dem es trotzdem ein orthogonales Komplement gibt, wird im folgenden Satz vorgestellt. Hier ist der Teilmodul, dessen Orthogonalraum wir bilden, selber klein genug, so daß wir genug orthogonale Elemente finden. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 109 Satz 7.3.4. 15 Sei A unital, E ein Hilbert-A-Links-Modul und F ein abgeschlossener Teilmodul von E mit der Eigenschaft, daß es ein n ∈ N gibt, für das F isomorph zu einem direkten Summanden von An ist. Dann gilt E = F hF ⊥. Ist E = l2 (N, A), so gilt F ⊥ ∼ = l2 (N, A). Bemerkung 7.3.5. Den Raum l2 (N, A) können wir in offensichtlicher Weise orthogonal zerlegen, indem wir die Menge N partitionieren. So erhalten wir l2 (N, A) ∼ = l2 (N, A) ⊕ l2 (N, A) und sogar l2 (N, A) ∼ = l2− M l2 (N, A). n∈N Da es für Hilbert-Moduln keinen Dimensionsbegriff gibt, behilft man sich mit Definitionen wie der folgenden, um die Größe von Hilbert-Moduln zu beschreiben: Definition 7.3.6 (abzählbar erzeugt). Ein Hilbert-A-Links-Modul E heißt abzählbar erzeugt, wenn es eine abzählbare Teilmenge M ⊆ E gibt, deren A-Aufspann hM iA dicht in E ist. Für abzählbar erzeugte Hilbert-Moduln gilt der Stabilisierungs-Satz von Kasparov, der uns dabei hilft, von komplizierten Hilbert-Moduln zu welchen überzugehen, in denen uns das Auffinden orthogonaler Zerlegungen leichter fällt. Satz 7.3.7 (Stabilisierungs-Satz von Kasparov). 16 Sei E ein abzählbar erzeugter Hilbert-ALinks-Modul. Dann gilt: E ⊕ l2 (N, A) ∼ = l2 (N, A). 7.3.2 Die Lemmata aus Abschnitt 1.4 Das Füge-Lemma Dieses Lemma läßt sich offenbar problemlos übertragen, denn hierfür benötigen wir nur, daß das Bilden der l2 -direkte Summe von adjungierbaren Operatoren stetig ist. Man beachte Hinweis 7.1.36. Das Zerlege-Lemma Das Zerlege-Lemma stellt uns bei der Übertragung vor die größten Schwierigkeiten. Ein Vorschlag dazu läßt sich aus dem Beweis des Satzes von Kuiper-Mingo von Troitskii17 extrahieren. 15 Siehe [DF81], Main Theorem und Proposition 1. Siehe [WO93], Satz 15.4.6. 17 Siehe [Tro86]. 16 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 110 Diese Version ist aber sehr unübersichtlich, und wahrscheinlich kann man hier durch einen systematischen Zugang eine schönere Fassung finden. Man hat bei der Formulierung des verallgemeinerten Zerelge-Lemmas Gestaltungsmöglichkeiten, die im Hilbertraum-Fall nicht genutzt werden mußten: Einerseits reicht es, wenn man sich nicht einen endlich-dimensionalen Unterraum von L∗A (l2 (N, A)) vorgibt, sondern nur eine kompakte Teilmenge eines solchen Unterraums, von der man sogar noch annehmen kann, daß sie in GL∗A (l2 (N, A)) liegt. Andererseits reicht es wahrscheinlich, wenn die Teilmoduln, in die man l2 (N, A) zerlegt, in einem geeigneten Sinne klein genug sind, ohne daß sie dabei auch noch paarweise isomorph sein müssen. Im Hilbertraum-Fall hätte es ja auch gereicht, wenn die Ei , in die man H zerlegt, alle endlich-dimensional sind, sofern man dann die Aussage des DrehLemmas entsprechend genauer gefaßt hätte (etwa mit einer Gleichmäßigkeitsaussage bezüglich der Dimension der involvierten Räume). Das Dreh-Lemma Wie das Dreh-Lemma für Hilbert-Moduln am besten zu formulieren ist, hängt wie angedeutet davon ab, wie das Zerlege-Lemma umformuliert wird: Es kommt sehr darauf an, in was für Teilmoduln man den Modul l2 (N, A) zerlegt. Ich gehe aber davon aus, daß sich hier keine Probleme ergeben. Die Rolle von Einheits-Vektoren im Hilbertraum könnten in Hilbert-Moduln die Einheiten spielen. Die Einheitssphäre eines Hilbertraumes würde man dann durch die Menge der Einheiten eines Hilbert-Moduls ersetzen. Und wenn wir nur Hilbert-Moduln der Form An betrachten, haben wir einen reichen Vorrat an Einheiten. Das Untergruppen-Lemma Das Untergruppen-Lemma für Hilbert-Moduln zu beweisen ist ganz unproblematisch, wenn man sich auf folgenden Formulierung einläßt: Sei A unital und F ein abgeschlossener Teilmodul von l2 (N, A) mit der Eigenschaft l2 (N, A) = F h F ⊥ . Ferner sei F isomorph zu l2 (N, A). Dann ist GL∗A (l2 (N, A))F = {ϕ ∈ GL∗A (l2 (N, A)) | ϕ|F = IdF } in GL∗A (l2 (N, A) zusammenziehbar. 7.3.3 Der eigentliche Beweis Gehen wir einmal davon aus, daß wir es geschafft haben, für die verschiedenen Lemmata geeignete Verallgemeinerungen zu finden. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 111 Bei der Verallgemeinerung des eigentlichen Beweises muß dann wohl die Reihenfolge der Beweisschritte geändert werden. Es liegt zunächst einmal nahe, zu versuchen, die erste Deformation aus dem Beweis analog für Hilbert-Moduln zu konstruieren. Hierbei könnte man sich an der entscheidenden Stelle die folgende Definition vorstellen: ¡ ¢ gn0 (t, ϕ) := (1 − t)1A + thϕ(an ), ϕ(an )i−1/2 IdFn . Dann wäre man zwar gn0 (1, ϕ)(ϕ(an )) für jedes n eine Einheit, das Problem hierbei aber ist, daß die Abbildung gi0 (t, ϕ) in der Regel nicht A-linear ist, da hier mit Algebren-Elementen von links multipliziert wird. Man umgeht diese Schwierigkeit, indem man einer Idee aus Troitskiis Beweis folgend erst dreht und dann normiert, was für uns heißen soll, daß wir nun zuerst das Dreh-Lemma anwenden: Hat man mit dem verallgemeinerten Zerlege-Lemma eine geeignete Familie (En )n∈N von Teilmoduln von l2 (N, A) sowie in jedem En eine Einheit an und einen Teilmodul Fn mit U an ⊆ Fn gefunden, so benutze man nun das verallgemeinerte Dreh-Lemma und das Füge-Lemma, um eine Homotopie in den unitären Operatoren auf l2 (N, A) zu konstruieren, die analog zum Hilbertraum-Fall für jedes n ∈ N alle Einheiten von Fn auf an dreht. Jeder Vektor x ∈ Fn wird dann davon auf hx, xi1/2 an gedreht. Schaltet man diese Homotopie hinter die Elemente von B = {ϕ ∈ GL∗A (l2 (N, A)) : ∀n ∈ N : ϕ(an ) ∈ Fn }, so wird dann von den so gedrehten Operatoren jedes an auf ein Produkt eines invertierbaren positiven Algebren-Elementes mit an abgebildet. Wir erhalten dabei Operatoren, die den von den an aufgespannten Teilmodul H 0 fix lassen und darauf eingeschränkt positiv und invertierbar sind. Anstatt nun zu normieren wie im Hilbertraum-Fall, benutzen wir, daß die invertierbaren, positiven Operatoren auf H 0 eine konvexe Menge sind. Durch das Bilden von Konvexkombinationen kann man so weiter deformieren, daß unsere gedrehten Operatoren nun auf H 0 identisch wirken. Nun wende man das Untergruppen-Lemma an. Anhang A Topologischer Anhang A.1 Homotopie und stetige Wege im Vergleich Der erste Teil des topologischen Anhangs faßt einige Sätze zusammen, welche helfen die Frage zu beantworten, inwieweit sich Homotopien auch als stetige Wege auffassen lassen. Die Kompakt-Offen-Topologie spielt dabei eine zentrale Rolle. Definition A.1.1 (Kompakt-Offen-Topologie). 1 Seien X und Y zwei topologische Räume. Für jede kompakte Teilmenge K von X und jede offene Teilmenge U von Y setze T (K, U ) := {f ∈ C(X, Y )| f (K) ⊆ U }. Die Topologie auf C(X, Y ), die von den Mengen T (K, U ) erzeugt wird, heißt Kompakt-OffenTopologie. Sie wird mit τko bezeichnet, wenn klar ist, um welche Räume X und Y es geht. In vielen Fällen läßt die Kompakt-Offen-Topologie eine einfache Beschreibung zu: Satz A.1.2. 2 Seien X ein topologischer Raum, Y ein metrischer (oder auch nur uniformer) Raum. Dann ist die Topologie der gleichmäßigen Konvergenz auf kompakten Teilmengen die gleiche wie die Kompakt-Offen-Topologie auf C(X, Y ). Der folgende Satz unterstreicht die Bedeutung der Kompakt-Offen-Topologie. Satz A.1.3. 3 Seien T, X, Y drei topologische Räume und sei f eine Funktion von T × X nach Y . Ist f stetig, so auch f˜ : T − → (C(X, Y ), τko ). Die Umkehrung ist wahr, wenn X lokalkompakt ist. Als Anwendung dieses Satz erhalten wir die folgenden Aussagen: Satz A.1.4 (Homotopie und stetige Wege). Seien X und Y topologische Räume und H : [0, 1]× X− → Y eine Funktion. Dann gilt 1 Vergleiche [Bou89b], X.3.4 Definition 1. Siehe [Bou89b] X.3.4. Theorem 2. 3 Siehe [Bou89b] X.3.4. Theorem 3. 2 112 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 113 1. Ist H stetig, so auch H̃ : [0, 1] − → (C(X, Y ), τko ), t 7→ Ht , wobei τko die Kompakt-OffenTopologie auf C(X, Y ) sei. 2. Ist X lokalkompakt und hausdorffsch, dann gilt auch die Umkehrung. 3. H ist genau dann stetig, wenn die Funktion X − → (C([0, 1], Y ), τko ), x 7→ H(·, x), stetig ist, wobei τko die Kompakt-Offen-Topologie auf C([0, 1], Y ) sei. A.2 Die induktive und die schwache Topologie Der zweite Teil dieses Anhangs beschäftigt sich mit der induktiven Topologie und einem wichtigen Spezialfall, der schwachen Topologie. Letztere gibt uns eine mögliche Topologisierung von Simplizialkomplexen 4 . A.2.1 Die Induktive Topologie Definitionssatz A.2.1 (induktive Topologie). 5 Seien Y, I Mengen und (Xi )i∈I eine Familie topologischer Räume. Sei ferner (fi )i∈I eine Familie von Abbildungen, wobei fi : Xi − → Y für jedes i ∈ I. Dann gibt es genau eine Topologie σ auf Y mit den folgenden Eigenschaften: • Für alle i ∈ I ist die Funktion fi stetig. • Ist Z ein weiterer topologischer Raum und g : Y − → Z eine Abbildung, so ist diese genau dann stetig, wenn für alle i ∈ I die Hintereinanderausführung g ◦ fi stetig ist. Diese Topologie σ wird die von (fi )i∈I definierte finale oder induktive Topologie auf Y genannt. Eine Teilmenge U von Y ist genau dann in σ, wenn fi−1 (U ) für jedes i ∈ I offen in Xi ist. A.2.2 Die schwache Topologie Definition A.2.2 (kohärente Teilraumfamilie). Sei X eine Menge. Eine Teilraumfamilie6 (A, τA )A∈A ist eine Paar, wobei A eine Menge von Teilmengen von X und τA für jedes A ∈ A eine Topologie auf A ist. Wenn keine Unklarheiten zu befürchten sind, schreiben wir auch kurz A für eine Teilraumfamilie (A, τA )A∈A . Eine Teilraumfamilie (A, τA )A∈A heißt kohärent, wenn die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind: 4 Vergleiche Abschnitt 3.3.3. Siehe [Bou89a], I.2.4 Propsition 6. 6 Strenggenommen liegen hier keine Teilräume vor, sondern lediglich Teilmengen mit einer Topologie darauf. Jedoch wären einerseits „Teilmengenfamilie“ oder „Teilmengensystem“ als Namen noch weniger treffend, und andererseits ist vor allem derjenige Fall interessant, in dem man eine Topologie auf X finden kann, die auf jeder Menge A ∈ A gerade die Topologie τA induziert. In diesem Fall sind also die Räume (A, τA ) tatsächlich Teilräume ein und desselben Raumes. 5 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 114 1. Für alle A, A0 ∈ A ist A ∩ A0 in (A, τA ) abgeschlossen. 2. Für alle A, A0 ∈ A stimmen die von (A, τA ) und (A0 , τA0 ) induzierten Subraumtopologien auf A ∩ A0 überein. Beispiel A.2.3. Sei X ein topologischer Raum. Sei A eine Familie abgeschlossener Teilmengen von X und τA für jedes A ∈ A die Teilraumtopologie auf A. Dann ist (A, τA )A∈A eine kohärente Teilraumfamilie. Generalvoraussetzung A.2.4. Sei X eine Menge und (A, τA )A∈A eine kohärente Teilraumfamilie von X. Definitionssatz A.2.5 (schwache Topologie). 7 Sei τw die von den Inklusionsabbildungen der Elemente von A definierte induktive Topologie auf X. Diese hat die folgenden Eigenschaften: 1. Alle A ∈ A sind in (X, τw ) abgeschlossen 2. Für jedes A ∈ A ist τA die von τw induzierte Subraumtopologie 3. τw ist die feinste Topologie mit der Eigenschaft 2. . 4. Eine Teilmenge B von X ist genau dann offen (abgeschlossen), wenn für jedes A ∈ A die Menge A ∩ B abgeschlossen in (A, τA ) ist. τw wird als kohärente oder schwache Topologie auf X bezüglich A bezeichnet. Beweis. Zu 4.: Die Eigenschaft 4. folgt direkt aus der Definition der induktiven Topologie. Zu 1.: Sei nun A ∈ A. Dann ist für jedes A0 ∈ A die Menge A∩A0 abgeschlossen in (A0 , τA0 ). Somit ist A abgeschlossen in (X, τW ). Zu 2.: Sei A ∈ A. Da die Inklusionsabbildung von (A, τA ) nach (X, τw ) stetig ist, ist τA feiner als die von (X, τw ) induzierte Topologie. Sei nun B abgeschlossen in (A, τA ). Sei A0 ∈ A. Dann ist B ∩ A0 abgeschlossen in A ∩ A0 mit der von τA induzierten Teilraumtopologie. Diese Teilraumtopologie ist gleich der von τA0 induzierten. Ferner ist A ∩ A0 abgeschlossen in A0 . Somit ist B ∩ A0 abgeschlossen in A0 . Also ist B abgeschlossen in (X, τw ). Also ist B = B ∩ A abgeschlossen in der von τw auf A induizierten Teilraumtopologie. Zu 3.: Sei τ 0 eine Topologie auf X mit der Eigenschaft 2.. Dann ist für jedes A ∈ A die Inklusionsabbildung von (A, τA ) nach (X, τ 0 ) stetig. Nun ist τw die feinste Topologie mit dieser Eigenschaft, also ist τw feiner als τ 0 . Generalvoraussetzung A.2.6. Sei im folgenden X immer mit der kohärenten Topologie bezüglich A ausgestattet. Satz A.2.7. Sei Y ein weiterer topologischer Raum. Dann ist die Produkttopologie auf X × Y gröber als die schwache Topologie bezüglich {A × Y : A ∈ A}. Es herrscht Gleichheit, wenn Y lokalkompakt ist. 7 Siehe [Bou89a], I.2.4 Propsition 8. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 115 Beweis. Sei π die Produkttopologie und σ die schwache Topologie auf X ×Y bezüglich {A×Y : A ∈ A}. Dann ist π gröber als σ, da die Einbettung von A × Y in X × Y für jedes A ∈ A sicher π-stetig ist. Sei nun Y lokalkompakt. Sei Z ein weiterer topologischer Raum und g : Y − → Z. Um zu zeigen, daß π die von den Inklusionsabbildungen induzierte Topologie ist, müssen wir zeigen, daß die Funktion g genau dann π-stetig ist, wenn sie für jedes A ∈ A eingeschränkt auf A × Y stetig ist. g ist aber genau dann π-stetig, wenn die Funktion g̃ : X − → C(Y, Z) stetig ist, da Y lokalkompakt ist (vergleiche Satz A.1.3). g̃ ist aber genau dann stetig, wenn für jedes A ∈ A die Einschränkung g̃|A stetig ist. Dies ist aber wiederum nach Satz A.1.3 genau dann der Fall, wenn g|A×Y für jedes A ∈ A stetig ist, was zu zeigen war. Korollar A.2.8. Sei Y ein weiterer topologischer Raum und H : [0, 1]×X − → Y eine Abbildung. Dann ist H genau dann stetig (also eine Homotopie), wenn H|[0,1]×A für jedes A ∈ A stetig ist. A.3 Die Weg-Topologie Im diesem Abschnitt wird die sogenannte Weg-Topologie8 eingeführt, die man zu jedem topologischen Raum konstruieren kann. Es werden elementare Eigenschaften dieser Topologie gezeigt, und es wird insbesondere auf das Zusammenspiel zwischen Weg-Topologie und lokal wegzusammenhängenden Räumen eingegangen. Die Weg-Topologie erweist sich als nützliches Instrument bei der Konstruktion von Gegenbeispielen in der Homotopie-Theorie, wie ich am Ende dieses Abschnittes demonstriere. A.3.1 Konstruktion der Weg-Topologie Lemma A.3.1. Sei X eine Menge und U eine Menge von Teilmengen von X. Dann sind äquivalent: 1. U ist Basis einer Topologie auf X. 2. ∀U, V ∈ U ∀x ∈ U ∩ V ∃W ∈ U : W ⊆ U ∩ V . Beweis. 1. ⇒ 2.: Sei U die Basis einer Topologie auf X. Seien U, V ∈ U und x ∈ U ∩ V . Da U ∩ V offen ist, ist U ∩ V Vereinigung von Mengen aus U, also gibt es ein W ∈ U mit x ∈ W und W ⊆ U ∩ V . 1. ⇒ 2.: Erfülle nun U die zweite Bedingung. Seien U, V ∈ U. Wir müssen zeigen, daß U ∩V Vereinigung von Mengen aus U ist. S Wähle für alle x ∈ U ∩ V ein Wx ∈ U mit x ∈ Wx und Wx ⊆ U ∩ V . Dann ist U ∩ V = x∈U ∩V Wx . Lemma A.3.2. Sei X eine Menge und fürSalle x ∈ X sei eine Menge Ux von Teilmengen von X gegeben, die alle x enthalten. Setze U := x∈X Ux . Dann sind äquivalent: 8 Dieser Abschnitt ist inspiriert von den Übungsaufgaben 1 a) - f) zu Abschnitt I.6. in [HN91] bzw. einer Übungsaufgabe in [vG01]. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 116 1. U ist Basis einer Topologie auf X so, daß für alle x ∈ X die Menge Ux eine Umgebungsbasis von x bildet. 2. ∀U, V ∈ U ∀x ∈ U ∩ V ∃W ∈ Ux : W ⊆ U ∩ V . Beweis. 1. ⇒ 2.: Klar. 2. ⇒ 1.: Sei die zweite Bedingung erfüllt. Nach dem letzten Lemma ist U Basis einer Topologie auf X. Sei x ∈ X und V eine offene Umgebung von x. Dann ist V Vereinigung von Elementen von U. Dann gibt es ein W ∈ U so, daß x ∈ W und W ⊆ V . Dann finden wir, da wir die Bedingung 2. auf (W, W ) statt (U, V ) anwenden können, ein U ∈ Ux mit U ⊆ W ⊆ V . Definitionssatz A.3.3 (Wegkomponente). Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Sei A ⊆ X. Sind x, y ∈ A, so schreibe x ∼A y genau dann, wenn es einen stetigen Weg in A gibt, der x und y verbindet. Offenbar ist ∼A eine Äquivalenzrelation auf A. Ist x ∈ A so nenne WK(x, A) := {y ∈ A | x ∼A y} die Wegkomponente von x in A. Definitionssatz A.3.4 (Weg-Topologie). Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Setze für alle x ∈ X: Ux := {WK(x, U ) : U ∈ τ, x ∈ U }. S Dann ist x∈X Ux Basis einer Topologie auf X, die wir mit τ̃ bezeichnen und Weg-Topologie (bezüglich τ ) nennen. Diese hat die Eigenschaft, daß für alle x ∈ X die Menge Ux eine offene Umgebungsbasis von x bezüglich dieser Topologie ist. Offenbar ist die Weg-Topologie feiner als τ. Beweis. Seien x, y ∈ X und Ux , Uy ∈ τ mit x ∈ Ux und y ∈ Uy . Sei z eine Element aus WK(x, Ux ) ∩ WK(y, Uy ). Dann ist insbesondere z ∈ Ux ∩ Uy und somit WK(z, Ux ∩ Uy ) nicht leer. Es gilt WK(z, Ux ∩ Uy ) ⊆ WK(z, Ux ) ∩ WK(z, Uy ). Die letzte Menge ist gleich WK(x, Ux ) ∩ WK(y, Uy ), weshalb wir mit dem letzten Lemma fertig sind. A.3.2 Universelle Eigenschaften der Weg-Topologie Definition A.3.5 (lokal wegzusammenhängend). Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Dann heißt X lokal wegzusammenhängend, wenn es für jeden Punkt x ∈ X und jede Umgebung U von x eine wegzusammenhängende Umgebung V von x gibt mit V ⊆ U . Die lokal wegzusammenhängenden topologischen Räume mit den stetigen Abbildungen bilden eine volle Unterkategorie der Kategorie Top der topologischen Räume, die ich mit lacTop9 bezeichnen will. Satz A.3.6. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum und W ein lokal zusammenhängender topologischer Raum. Sei ferner f : W − → X. Dann ist f genau dann τ -stetig, wenn f eine τ̃ -stetige Funktion ist. 9 Vom dem Englischen „locally arcwise connected“. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 117 Beweis. Da die Weg-Topologie feiner ist als τ , ist die eine Richtung trivial. Sei also f eine τ stetige Funktion. Sei w ∈ W und Ṽ eine τ̃ -Umgebung von f (w). Wähle eine τ -Umgebung V so, daß WK(f (w), V ) ⊆ Ṽ gilt. Dann ist f −1 (V ) eine Umgebung von w in W . Diese enthält eine wegzusammenhängende Umgebung U von w. Dann ist f (U ) ⊆ V und f (U ) als stetiges Bild einer wegzusammenhängenden Menge auch wegzusammenhängend. Somit ist f (U ) enthalten in WK(f (w), V ), aldo svu in Ṽ . Somit ist f auch τ̃ -stetig. Korollar A.3.7. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum, dann ist ein Weg in X genau dann τ -stetig, wenn er τ̃ -stetig ist. Insbesondere ist eine Teilmenge U von X genau dann τ -wegzusammenhängend, wenn sie τ̃ -wegzusammenhängend ist. Beweis. [0, 1] ist lokal wegzusammenhängend. Satz A.3.8. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Dann ist τ̃ die schwächste Topologie auf X, die feiner ist als τ so, daß X mit dieser Topologie lokal wegzusammenhängend ist. Beweis. Nach der Definition der Weg-Topologie hat jeder Punkt von X eine τ̃ -Umgebungsbasis aus τ -wegzusammenhängenden Mengen, die aber auch τ̃ -wegzusammenhängend sind, also ist (X, τ̃ ) lokal wegzusammenhängend. Sei nun τ 0 eine weitere Topologie auf X, die feiner ist als τ und so, daß (X, τ 0 ) lokal wegzusammenhängend ist. Dann ist die identische Abbildung von (X, τ 0 ) nach (X, τ ) stetig, also auch nach (X, τ̃ ). Korollar A.3.9. Ist (X, τ ) ein lokal wegzusammenhängender Raum, so ist τ = τ̃ . Satz A.3.10. Seien (X, τ ) und (Y, σ) topologische Räume und f : X − → Y . Ist f stetig bezüglich der Topologien τ und σ, dann auch bezüglich der Weg-Topologien. Beweis. Es ist f sicherlich stetig von (X, τ̃ ) nach (Y, σ). Ersterer Raum ist lokal wegzusammenhängend, nach Satz A.3.6 ist also auch f : (X, τ̃ ) − → (Y, σ̃) stetig. (X, τ ) f (Y, σ) 6 6 IdX (X, τ̃ ) IdY f - (Y, σ̃) Korollar A.3.11. ˜· definiert einen Funktor von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie lacTop der lokal wegzusammenhängenden Räume. Ferner definiert die Funktion, die jedem topologischen Raum X die Identität IdX zuordnet, eine natürliche Transformation vom Weg-Topologie-Funktor in den identischen Funktor auf Top. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 118 A.3.3 Die Weg-Topologie und Produkte Satz A.3.12. Beliebige Produkte wegzusammenhängender Räume sind wegzusammenhängend. Räume. Sei I ohne Beweis. Sei I eine Menge und (Xi )i∈I eine Familie wegzsuammenhängender Q Einschränkung nicht-leer. Seien x = (xi )i∈I und y = (yi )i∈I aus i∈I Xi . Für jedes i ∈ I finde einen Weg γi : [0, 1] − → Xi , der xi mit yi verbindet. Setze Y γ : [0, 1] − → Xi , t 7→ (γi (t))i∈I . i∈I Dann ist γ ein stetiger Weg im Produkt, der x mit y verbindet. Satz A.3.13. Endliche Produkte lokal wegzusammenhängender Räume sind lokal wegzusammenhängend. Beweis. Sei I eine endliche, nicht-leere Menge und (Xi )i∈IQeine Famile von lokal wegzusammenhängenden Räumen. Sei x = (xi )i∈I ein Punkt in X := i∈I Xi . Sei QU eine Umgebung von x in X. Wähle für jedes i ∈ I Umgebungen Ui von xi in Xi so, daß i∈I Ui ⊆ U . Für jedes i ∈ IQ finden wir nun eine wegzusammenhängende Umgebung Wi von xi in Ui . Das Produkt W := i∈I Wi ist in U enthalten und nach dem letzten Satz wegzusammenhängend. Bemerkung A.3.14. Der Raum Y := {0, 1} mit der diskreten Topologie ist lokal wegzusammenhängend, Y N mit der Produkttopologie aber nicht. Korollar A.3.15. Sei I eine Menge und ((Xi , τi ))i∈I eine Familie topologischer Räume und X ihr Produkt. Dann gilt Y Y ] τ̃i ⊆ τi . i∈I i∈I Ist I endlich, dann gilt Gleichheit. Q Q Beweis. Die identische Abbildung von X mit ^ i∈I τi nach X mit i∈I τ̃i ist genau dann stetig, wenn sie in jeder Komponente stetig ist. Sei i ∈ I und πi : X − → Xi die zugehörige Projektion. Q Dann ist πi vom lokal wegzusammenhängenden Raum X mit ^ i∈I τi genau dann τ̃i -stetig, wenn es τi -stetig ist. Dies ist aber der Fall, da die Weg-Topologie auf dem Produkt feiner ist als die gewöhnliche Produkttopologie. Q Sei I endlich. Dann ist i∈I τ̃i eine Topologie auf X, die feiner ist als die Produkttopologie, und X ist mit dieser Topologie lokal wegzusammenhängend. Also gilt die umgekehrte Inklusion. Satz A.3.16 (Produkte in lacTop). Sei I eine Menge und (Xi )i∈I eine Familie von lokal wegzusammenhängenden Räumen. Sei X das Produkt dieser Räume mit der Weg-Topologie τ der Produkttopologie. Dann ist (X, τ ) mit den Projektionen auf die Faktoren ein Produkt der Familie (Xi )i∈I in der Kategorie lacTop der lokal wegzusammenhängenden Räume. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 119 Beweis. Sei C ein lokal wegzusammenhängender Raum und für jedes i ∈ I sei fi : C − → Xi eine stetige Funktion. Sei f :C− → X, c 7→ (fi (c))i∈I . Dann ist f stetig bezüglich der Produkttopologie auf X, also auch stetig bezüglich τ , da C lokal wegzusammenhängend ist. A.3.4 Die Weg-Topolgie und induktive Topologien Satz A.3.17 (Induktive Topologien in lacTop). Sind in der Situation von Definitionssatz A.2.1 alle Xi lokal wegzusammenhängend, so ist auch Y mit der induktiven Topologie lokal wegzusammenhängend. Beweis. Sei τ die induktive Topologe auf Y und τ̃ die Weg-Topologie dazu. Für alle i ∈ I ist die Funktion fi mit Werten in (Y, τ ) stetig, nach Satz A.3.6 also auch mit Werten in (Y, τ̃ ). Ferner ist die Weg-Topologie τ̃ feiner als τ . Da die induktive Topologie τ diese aber die feinste Topologie mit der Eigenschaft ist, daß alle fi stetig sind, folgt τ = τ̃ . Somit ist Y lokal wegzusammenhängend. Anmerkung A.3.18. Eine Funktion ist genau dann stetig, wenn die durch sie induzierte induktive Topologie im Zielraum feiner ist als die dort vorhandene Topologie. Hieraus kann man den Satz A.3.6 jetzt als Korollar schließen. Definition A.3.19. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. • Es bezeichne P (X, τ ) die Menge der τ -stetigen Wege in X. • τ̂ sei dann die von den τ -stetigen Wegen kommende induktive Topologie. Bemerkung A.3.20. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Dann gilt (A.1) P (X, τ̃ ) = P (X, τ ) = P (X, τ̂ ). Ferner ist (X, τ̂ ) lokal wegzusammenhängend und es gilt somit τ̂ = τ̃ˆ ⊇ τ̃ ⊇ τ. Beweis. Das erste Gleichheitszeichen in (A.1) ist die erste Aussage von Korollar A.3.7. Das zweite Gleichheitszeichen ist nach der Definition von τ̂ klar. (X, τ̂ ) ist lokal wegzusammenhängend, da [0, 1] lokal wegzusammenhängend ist. Die Inklusionen der Topologien folgen dann aus der universellen Eigenschaft der Weg-Topologie. Frage A.3.21. Für welche topologischen Räume (X, τ ) gilt τ̃ = τ̂ ? Satz A.3.22. Sei (X, τ ) ein lokal zusammenhängender topologischer Raum so, daß jeder Punkt in X eine abzählbare Umgebungsbasis besitzt. Dann ist τ = τ̂ . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 120 Beweis. Sei U ⊆ X nicht in τ . Ich zeige, daß U auch nicht in τ̂ ist. Sei x ∈ U nicht τ -innerer Punkt von U . Dann schneidet jede τ -Umgebung von x das Komplement von U . Sei (Un )n∈N eine τ -Umgebungsbasis von x. Ohne Einschränkung seien alle Un wegzusammenhängend und die Folge der Un absteigend. Wähle für alle n ∈ N ein xn ∈ Un \ U . Finde für alle n ∈ S N eine stetige Reise γn : [n − 1, n] − → Un mit γn (0) = xn und γn (1) = xn+1 . Setze γ := n∈N γn . Dann ist γ stetig. Sei f : [0, 1[− → [0, ∞[ ein monoton wachsender Homöomorphismus. Setze ( x t=1 ϕ : [0, 1] − → X, t 7→ . γ(f (t)) t ∈ [0, 1[ Dann ist ϕ stetig. Jedoch enthält das Urbild von U unter ϕ zwar 1, aber nicht f −1 (N0 ). Also ist U nicht in τ̂ . A.3.5 Erhaltungseigenschaften der Weg-Topologie Satz A.3.23. Ist (X, τ ) ein topologischer Raum, in dem jeder Punkt eine abzählbare Umgebungsbasis besitzt, dann ist dies auch in (X, τ̃ ) der Fall. Beweis. Ist x ∈ X und (Un )n∈N eine Umgebungsbasis von x, dann ist (WK(x, Un ))n∈N eine abzählbare Umgebungsbasis von x in der Weg-Topologie. Korollar A.3.24. Für topologische Räume, in denen jeder Punkt eine abzählbare Umgebungsbasis besitzt, ist die Frage A.3.21 zu bejahen, also etwa für metrisierbare Räume. Bemerkung A.3.25. Für alle i ∈ {0, 1, 2, 3 21 } gilt: Erfüllt ein topologischer Raum (X, τ ) das Trennungsaxiom Ti , so auch (X, τ̃ ). Beweis. Sei i ∈ {0, 1, 2, 3 12 }. Dann erfüllt mit τ auch jede feinere Topologie auf X das Trennungsaxiom Ti . A.3.6 Die Weg-Topologie und topologische Gruppen Satz A.3.26. Sei ((G, ·), τ ) eine topologische Gruppe. Dann ist ((G, ·), τ̃ ) ebenfalls eine topologische Gruppe. Beweis. Wir müssen zeigen, daß die Gruppenmultiplikation und die Inversion auf G auch bezüglich der Weg-Topologien stetig sind. Für die Inversion folgt das allerdings direkt aus Satz A.3.10, für die Multiplikation aus Satz A.3.10 und Korollar A.3.15. Korollar A.3.27. Der Weg-Topologie-Funktor auf den topologischen Gruppen (mit den stetigen Gruppen-Homomorphismen) ist ein Funktor in die lokal wegzusammenhängenden topologischen Gruppen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 121 A.3.7 Homotopie und die Weg-Topologie Satz A.3.28. Seien X, Y topologische Räume und X lokal wegzusammenhängend. Dann gilt → Y eine Funktion, so ist H genau dann τ -stetig, wenn H τ̃ -stetig ist, • Ist H : [0, 1] × X − denn [0, 1] × X ist lokal wegzusammenhängend. • Sind f, g ∈ C(X, Y ), dann sind f und g genau dann homotop mit Werten in Y , wenn sie homotop mit Werten in Ỹ sind. • Es gilt [X, Y ] = [X, Ỹ ]. Analoges gilt für Räume mit Basispunkt. Korollar A.3.29. Sei Y ein topologischer Raum. Dann gilt für jedes n ∈ N0 : πn (Y ) = πn (Ỹ ). Analoges gilt für Räume mit Basispunkt. Beweis. Für alle n ∈ N0 ist S n lokal wegzusammenhängend. Dieses letzte Korollar liefert eine Methode zur Konstruktion von schwach zusammenziehbaren, aber nicht zusammenziehbaren topologischen Räumen. Man gebe sich nämlich einen nicht lokal wegzusammenhängenden Raum vor, der nicht zusammenziehbar ist. Ist dieser Raum in der Weg-Topologie zusammenziehbar, dann verschwinden wegen des Korollars alle Homotopiegruppen des Ausgangsraums. Diese Methode illustrieren wir an einem Beispiel10 . Beispiel A.3.30. (Ein schwach zusammenziehbarer, aber nicht zusammenziehbarer Raum) Setze f :]0, 1/π] − → R, x 7→ sin(1/x). Wir fassen f als Teilmenge von R × R = R2 auf. Für alle a, b ∈ R2 bezeichne mit [a, b] die Verbindungsstrecke zwischen a und b. Setze X := f ∪ [(1/π, 0), (1/π, 2)] ∪ [(1/π, 2), (0, 2)] ∪ [(0, 2), (0, −1)]. Vergleiche Abbildung A.1. Sei τ die von R2 kommende Topologie auf X. Dann ist (X, τ ) schwach zusammenziehbar, aber nicht zusammenziehbar. Beweis. Sei τ̃ die Weg-Topologie auf X. Wenn wir gezeigt haben, daß (X, τ̃ ) zu einem reellen Intervall homöomorph ist, haben wir insbesondere gezeigt, daß (X, τ̃ ) zusammenziehbar, also (X, τ ) schwach zusammenziehbar ist. 10 Siehe [Whi78], V.3.(3.3). Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 122 Definere die Funktionen: ϕ1 :]0, 1] − → X, ϕ2 : [0, 1] − → X, ϕ3 : [0, 1] − → X, ϕ4 : [0, 1] − → X, t t t t 7→ 7→ 7→ 7→ (πt, f (πt)), (1/π, 0) + t(0, 2), (1/π, 2) + t(−1/π, 0), (0, 2) + t(0, −3). Jede dieser Funktionen ist stetig mit Werten in (X, τ ) und sogar Homöomorphismen auf die jeweiligen Bilder. Da die Definitionsbereiche jeweils lokal wegzusammenhängend sind, sind die Funktionen auch stetig mit Werten in (X, τ̃ ) und die Umkehrabbildungen sind ebenfalls stetig, da die Weg-Topologie τ̃ feiner ist als τ . Wir setzen nun eine Bijektion von ]0, 4] auf X zusammen: ϕ1 (t) ϕ (t − 1) 2 ϕ :]0, 4] − → X, t 7→ ϕ3 (t − 2) ϕ4 (t − 3) für 0 < t ≤ 1 für 1 ≤ t ≤ 2 . für 2 ≤ t ≤ 3 für 3 ≤ t ≤ 4 Diese Funktion ist wohldefiniert und bijektiv. Außerdem ist sie stetig mit Werten in (X, τ̃ ), da sie als Vereinigung von stetigen Funktionen definiert ist, deren Definitionsbereiche eine endliche abgeschlossene Überdeckung von ]0, 4] bilden. ϕ ist ein Homöomorphismus, wenn die Bilder der Funktionen ϕ1 , . . . , ϕ4 eine abgeschlossene Überdeckung bilden. Die Bilder von ϕ2 , ϕ3 und ϕ4 sind schon abgeschlossen in R2 , also erst recht in (X, τ̃ ). Interessant ist das Bild von ϕ1 . Es gilt ϕ(]0, 1]) = {(t, f (t)) : t ∈]0, 1/π]} und somit τ ϕ(]0, 1]) = {(t, f (t)) : t ∈]0, 1/π]} ∪ [(0, −1), (0, 1)]. Sei p ∈ [(0, −1), (0, 1)] und sei ε ∈]0, 1/π[. Setze U := KX (p, ε), wobei hier eine Kugel bezüglich der euklidischen Metrik gemeint ist. Dann ist X eine Umgebung von p in X. Man kann nun zeigen, daß WK(p, U ) in der y-Achse enthalten ist, daß also kein Punkt von U mit x-Koordinate größer als 0 mit einem stetigen Weg in U mit x verbunden werden kann. Es ist also [(0, −1), (0, 1)] nicht im τ̃ -Abschluß von ϕ(]0, 1]). Andererseits ist aber dieser Abschluß im τ -Abschluß enthalten. Also ist ϕ(]0, 1]) τ̃ -abgeschlossen. Somit ist ϕ ein Homömorphismus von ]0, 4] auf (X, τ̃ ). Auf der anderen Seite ist (X, τ ) nicht zusammenziehbar. Angenommen wir finden eine Kontraktion k von X. Ohne Einschränkung sei dies eine Kontraktion auf p0 = (0, −1). Es ist der Raum [0, 1] kompakt. Wir finden also wegen der Stetigkeit von p 7→ k(·, p) in p0 ein δ > 0 derart, daß gilt: ∀p ∈ X : d(p, p0 ) < δ ⇒ max d(k(t, p), k(t, p0 )) < 1/2. t∈[0,1] Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 123 Bezeichne πi : R2 − → R für jedes i ∈ {1, 2} die Projektion auf die i-te Komponente. Wähle ein p ∈ KX (p0 , δ) mit π1 (p) > 0. Es ist k(·, p) ein stetiger Weg von p nach p0 . Dieser muß also durch den Punkt (0, 2) führen, weshalb die folgende Größe wohldefiniert ist: t0 := min{t ∈ [0, 1] : π2 (k(t, p)) = 2 ∨ π2 (k(t, p0 )) = 2}. Es gilt π1 (k(t0 , p0 )) = 0. Gilt π2 (k(t0 , p)) = 2, so folgt k(t0 , p) = (1/π, 2) und somit d(k(t0 , p0 ), k(t0 , p)) ≥ 2. Gilt π2 (k(t0 , p0 )) = 2, so folgt k(t0 , p0 ) = (0, 2). In diesem Fall folgt d(k(t0 , p0 ), k(t0 , p)) ≥ 1. Beides darf nicht sein, weshalb X nicht zusammenziehbar ist. Abbildung A.1: Das Beispiel von Whitehead Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 124 A.4 Minkowski-Funktionale Im folgenden Abschnitt über kugelartige Mengen werden einige Eigenschaften von MinkowskiFunktionalen benutzt. Anstatt nur genau das anzugeben, was in dieser speziellen Situation gebraucht wird, nutzte ich diese Gelegenheit, um die grundlegenden Eigenschaften von MinkowskiFunktionalen zusammenzutragen und systematisch darzustellen. Hierbei handelt es sich fast durchgehend um einfache Sachverhalte, die zu dem gehören, was man auch mathematische „Folklore“ nennt. Generalvoraussetzung A.4.1. Sei in diesem Abschnitt E ein reeller11 Vektorraum. Zuerst werden Eigenschaften von Funktionen von E nach [0, ∞] wie etwa Konvexität eingeführt, dann die entsprechenden Eigenschaften für Teilmengen von E angegeben. Der Übergang von Funktionalen auf E zu Teilmengen von E wird in die eine Richtung durch das Bilden der Einheitskugel, in die andere Richtung durch die Konstruktion des Minkowski-Funktionals bewerkstelligt. Ich analysiere diese Übergänge und wende schließlich die Ergebnisse auf Teilmengen von bzw. auf Minkowski-Funktionale auf halbnormierten Räumen an. A.4.1 Funktionale auf E Definition A.4.2. Eine Funktion p : E − → [0, ∞] heißt 1. schwach positiv-homogen, falls p(tx) = tp(x) für alle x ∈ E und t ∈]0, ∞[; 2. symmetrisch, falls p(−x) = p(x) für alle x ∈ E; 3. konvex, falls p(tx + (1 − t)y) = tp(x) + (1 − t)p(y) für alle x, y ∈ E und t ∈]0, 1[; 4. subadditiv, falls die Dreiecks-Ungleichung gilt, i.e. p(x + y) ≤ p(x) + p(y) für alle x, y ∈ E; 5. sublinear, falls sie endlich, schwach positiv-homogen und subadditiv ist. 6. eine Halbnorm, falls p sublinear und symmetrisch ist. 7. definit, falls p(x) = 0 ⇔ x = 0 für alle x ∈ E gilt. Generalvoraussetzung A.4.3. Sei p in diesem Unterabschnitt A.4.1 eine Funktion von E nach [0, ∞]. Bemerkung A.4.4. Sei p schwach positiv-homogen. Dann ist p genau dann konvex, wenn p subadditiv ist. Bemerkung A.4.5. Sei p endlich und schwach positiv-homogen. Dann gilt p(0) = 0. 11 Analoge Überlegungen kann man auch für komplexe Räume anstellen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 125 Bemerkung A.4.6. Sei q : E − → [0, ∞] mit p ≤ q gegeben. Ist p definit, so auch q. Die folgende, einfache Konstruktion kann man benutzen, um aus sublinearen Funktionalen Halbnormen zu gewinnen. Definition A.4.7. Definiere die Symmetrisierung ps von p wie folgt: ps : E − → [0, ∞], x 7→ max{p(x), p(−x)}. Bemerkung A.4.8. Es gilt p ≤ ps . Ferner gilt genau dann ps = p, wenn p symmetrisch ist. Desweiteren gilt: 1. Ist p schwach positiv-homogen (konvex, subadditiv, endlich, definit), so auch ps . 2. Ist p sublinear, so ist ps eine Halbnorm. 3. Ist p sublinear und definit, so ist ps eine Norm. → [0, ∞] mit p ≤ q, so folgt ps ≤ q s . 4. Ist q : E − Bemerkung A.4.9. Sei p subadditiv. Dann gilt für alle x, y ∈ E: |p(x) − p(y)| ≤ ps (x − y). Das folgende Resultat läßt sich natürlich auch ohne den Weg über Symmetrisierungen gewinnen. Bemerkung A.4.10. Sei p subadditiv und k·k eine Halbnorm auf E. Sei C > 0 mit p ≤ C k·k. Dann ist p Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Konstante C bezüglich der von k·k induzierten Halbmetrik auf E. Beweis. Seien x, y ∈ E. Dann gilt |p(x) − p(y)| ≤ ps (x − y) ≤ (C k·k)s (x − y) = C kx − yk . A.4.2 Teilmengen auf E Generalvoraussetzung A.4.11. Sei in diesem Unterabschnitt A.4.2 X eine Teilmenge von E. Definition A.4.12. X heißt 1. absorbant, falls es für jedes x ∈ E ein t > 0 gibt mit x ∈ tX. 2. symmetrisch, falls X = −X gilt. 3. konvex, falls tx + (1 − t)y ∈ X für alle x, y ∈ X und t ∈]0, 1[. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 126 4. absolutkonvex, falls X symmetrisch und konvex ist. 5. sternförmig (bezüglich 0), falls 0 ∈ X und [0, 1]X ⊆ X gilt. 6. fast sternförmig (bezüglich 0), falls ]0, 1[X ⊆ X gilt. Hierbei ist die Definition im letzten Punkt eine Ad-hoc-Setzung. Eine fast sternförmige Menge ist genau dan sternförmig, wenn die 0 in ihr enthalten ist. Es sei angemerkt, daß ich auch im folgenden bei (fast) sternförmigen Mengen immer die 0 als Sternzentrum ansetze. Bemerkung A.4.13. ]0, 1[X ist fast sternförmig. Ist X symmetrisch (konvex, absolutkonvex), dann auch ]0, 1[X. X ist genau dann absorbant, wenn ]0, 1[ absorbant ist. Beweis. Ich führe den Beweis hier nur für die Konvexität: Sei also X konvex. Seien r, s ∈]0, 1[ und x, y ∈ X. Sei t ∈ [0, 1]. Dann gilt tr + (1 − t)s ∈]0, 1[. Also folgt trx + (1 − t)sy = (tr + (1 − t)s) trx + (1 − t)sy ∈]0, 1[X. tr + (1 − t)s {z } | ∈X Bemerkung A.4.14. Sei r > 0. Dann ist X genau dann absorbant (symmetrisch, etc.), wenn auch rX es ist. Auch die folgende Definition ist eine Ad-hoc-Definition. Ich habe den Namen „ZentralTopologie“ gewählt, weil das Adjektiv „radial“ in ähnlichem Zusammenhang schon anderweitig vergeben ist. Definition A.4.15 (Zentral-Topologie). Für alle x ∈ E definiere σx :]0, ∞[− → E, t 7→ tx. Dann ist die Zentral-Topologie τz auf E definiert als die induktive Topologie bezüglich der Funktionenfamilie (σx )x∈E . Eine Menge U ⊆ E ist also genau dann in τz , wenn für alle x ∈ E die Menge {t ∈]0, ∞[ | tx ∈ U } offen in ]0, ∞[ ist. In diesem Fall nennen wir X eine zentral offene Menge. Analog definiere zentral abgeschlossen, den zentralen Abschluß etc.. Bemerkung A.4.16. Sei τ eine Topologie auf E, mit der E ein topologischer Vektorraum ist. Dann ist τz feiner als τ . Bemerkung A.4.17. ]0, 1[X ist zentral offen. Beweis. Für jedes x ∈ E ist die Menge ]0, 1[x offensichtlich zentral offen. Es gilt nun [ ]0, 1[X = ]0, 1[x. x∈X Diese Menge ist also als Vereinigung zentral offener Mengen zentral offen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 127 A.4.3 Kugeln (von Funktionalen zu Mengen) Generalvoraussetzung A.4.18. Sei p in diesem Unterabschnitt A.4.3 eine Funktion von E nach [0, ∞]. Definition A.4.19 (offene und abgschlossene Kugeln, Sphären). Sei x ∈ E und r ∈ R>0 . Dann nennen wir Kp (x, r) := {y ∈ E | p(y − x) < r} die offene p-Kugel, K p (x, r) := {y ∈ E | p(y − x) ≤ r} die abgeschlossene p-Kugel und Sp (x, r) := {y ∈ E | p(y − x) = r} die p-Sphäre mit Zentrum x und Radius r. Bemerkung A.4.20. Es gilt 1. Gilt p(0) = 0, so gilt 0 ∈ Kp (0, 1). 2. Ist p konvex, dann ist Kp (0, 1) konvex. 3. Ist p symmetrisch, so ist Kp (0, 1) symmetrisch. Analoges gilt für K p (0, 1). Beweis. Wir zeigen beispielhaft 2.: Sei p konvex. Seien x, y ∈ Kp (0, 1). Sei t ∈]0, 1[. Dann gilt p(tx + (1 − t)y) ≤ tp(x) + (1 − t)p(y) < t1 + (1 − t)1 = 1, also tx + (1 − t)y ∈ Kp (0, 1). Bemerkung A.4.21. Sei p eine schwach positiv-homogene Funktion. Dann gilt: 1. p ist zentral stetig. 2. Kp (0, r) = rKp (0, 1) und K p (0, r) = rK p (0, 1)für alle r > 0. 3. Kp (0, 1) ist fast sternförmig und das zentrale Innere von K p (0, 1), also insbesondere zentral offen. 4. K p (0, 1) ist fast sternförmig und der zentrale Abschluß von Kp (0, 1), also insbesondere zentral abgeschlossen. 5. Sp (0, 1) ist der zentrale Rand von Kp (0, 1) und K p (0, 1), also insbesondere zentral abgeschlossen. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 128 Die folgende Bemerkung zeigt uns, wie wir Eigenschaften von schwach positiv-homogenen Funktionalen aus Eigenschaften ihrer Einheitskugeln ablesen können (und umgekehrt). Bemerkung A.4.22. Sei p eine schwach positiv-homogene Funktion. Dann gilt: 1. Es gilt genau dann p(0) = 0, wenn 0 ∈ Kp (0, 1) gilt. 2. p ist genau dann konvex, wenn Kp (0, 1) konvex ist. 3. p ist genau dann symmetrisch, wenn Kp (0, 1) symmetrisch ist. 4. p ist genau dann endlich, wenn Kp (0, 1) absorbant ist. 5. p ist genau dann sublinear, wenn Kp (0, 1) absorbant und konvex ist. 6. p ist genau dann eine Halbnorm, wenn Kp (0, 1) absorbant und absolutkonvex ist. Beweis. Wir zeigen beispielhaft 2.: Die eine Richtung wurde oben gezeigt. Sei nun Kp (0, 1) konvex. Wir zeigen, daß p subadditiv ist. Seien x, y ∈ E. Sei ε > 0. Dann gilt x y , ∈ Kp (0, 1). p(x) + ε p(y) + ε Es folgt z := y x + (p(y) + ε) p(y)+ε (p(x) + ε) p(x)+ε p(x) + p(y) + 2ε ∈ Kp (0, 1). Man beachte x + y = (p(x) + p(y) + 2ε)z. Es gilt p (x + y) = (p(x) + p(y) + 2ε)p(z) < p(x) + p(y) + 2ε. Dies gilt für beliebiges ε > 0, also gilt p(x + y) ≤ p(x) + p(y). Bemerkung A.4.23. Sei (E, τ ) ein topologischer Vektorraum und p eine stetige, schwach positiv-homogene Funktion. Dann ist Kp (0, 1) τ -offen. K p (0, 1) und Sp (0, 1) sind τ -abgeschlossen. Ferner gilt Kp (0, 1) = int τ K p (0, 1) und Sp (0, 1) = ∂τ K p (0, 1). Beweis. Es gilt Kp (0, 1) = p−1 ([0, 1[), also ist Kp (0, 1) als Urbild einer offenen Menge offen. Analog geht man bei K p (0, 1) und Sp (0, 1) vor. Die Menge Sp (0, 1) ist der zentrale Rand von K p (0, 1), also enthalten in ∂τ K p (0, 1) (da τz feiner ist als τ ). Die Menge K p (0, 1) ist τ abgeschlossen, weshalb sie ihren τ -Rand enthält. Nun ist K p (0, 1) die disjunkte Vereinigung von Kp (0, 1) und Sp (0, 1), weshalb die erste Menge das τ -Innere, die zweite der τ -Rand von K p (0, 1) ist. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 129 A.4.4 Minkowski-Funktionale (von Mengen zu Funktionalen) Definition A.4.24 (Minkowski-Funktional). Sei X eine Teilmenge von E. Dann definiere das Minkowski-Funktional mX von X als mX : E − → [0, ∞], x 7→ inf{t > 0 | x ∈ tX}. Bemerkung A.4.25. Ist X ⊆ Y ⊆ E, so gilt mX ≥ mY . Generalvoraussetzung A.4.26. Sei X in diesem Unterabschnitt A.4.4 eine Teilmenge von E. Bemerkung A.4.27. Es gilt für alle x ∈ E und r > 0: mX (rx) = mr−1 X (x) = rmX (x). Insbesondere ist mX also schwach positiv-homogen. Beweis. Es gilt ¯ ¯ ¯ © ª © ª © ª t > 0 ¯ rx ∈ tX = t > 0 ¯ x ∈ t(r−1 X) = r t > 0 ¯ x ∈ tX . Man nehme nun das Infimum. Bemerkung A.4.28. Es gilt X ⊆ K mX (0, 1). Die nächsten beiden Sätze sind das Kernstück der hier vorgelgten „Dualitäts-Theorie“ für Funktionale und Teilmengen: Satz A.4.29. Sei p : E − → [0, ∞] schwach positiv-homogen. Dann gilt p = mKp (0,1) = mK p (0,1) Es ist K p (0, 1) die größte Menge, zu der p das Minkowski-Funktional ist. Beweis. Sei x ∈ E. Dann gilt mKp (0,1) (x) = inf {t > 0 | x ∈ tKp (0, 1)} = inf {t > 0 | x ∈ Kp (0, t)} = inf {t > 0 | t > p(x)} = p(x). Eine ähnlich Rechnung zeigt p(x) = mK p (0,1) (x). Satz A.4.30. Es gilt KmX (0, 1) =]0, 1[X und τz K mX (0, 1) = ]0, 1[X . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 130 Beweis. Zur ersten Gleichung: „⊇“ ist klar. Sei nun x ∈ E mit mX (x) < 1. Setze ε := (1 − mX (x))/2. Dann finden wir nach der Definition von mX ein t > 0 mit t ∈ [mX (x), mX (x) + ε[ mit x ∈ tX. Dann gilt aber t ∈]0, 1[ und somit x ∈]0, 1[X. Die zweite Gleichung folgt aus der ersten, wenn man auf beiden Seiten den zentralen Abschluß nimmt. Korollar A.4.31. Es gilt genau dann X = KmX (0, 1), wenn X fast sternförmig und zentral offen ist. Analoges gilt für die abgeschlossene Kugel. Im nächsten Satz finden sich die klassischen Resultate zu Minkowski-Funktionalen: Satz A.4.32. Es gilt 1. X ist genau dann absorbant, wenn mX endlich ist. 2. Ist X konvex, dann ist mX konvex. 3. Ist X symmetrisch, dann ist mX symmetrisch. 4. Ist X konvex und absorbant, dann ist mX sublinear. 5. Ist X absolutkonvex und absorbant, dann ist mX eine Halbnorm. Beweis. Wir beweisen beispielhaft 2.: Sei X konvex. Dann ist auch ]0, 1[X konvex. Es gilt mX = mKmX (0,1) = m]0,1[X . Somit ist die offene Einheitskugel von mX konvex, also mX eine konvexe Funktion. A.4.5 Minkowski-Funktionale in halbnormierten Räumen In diesem Unterabschnitt arbeite ich schon ein wenig auf den Begriff der kugelartigen Menge hin, den ich im nächsten Abschnitt einführen werde. Generalvoraussetzung A.4.33. Sei E ein R-Vektorraum und k·k eine Halbnorm auf E. Sei X ⊆ E. Bemerkung A.4.34. Ist X eine konvexe Nullumgebung, so ist mX Lipschitz-stetig. ¡ ¢ Beweis. Wir finden ein C > 0 mit Kk·k 0, 1/C ⊆ X. Dann gilt mX ≤ mKk·k (0, 1/C) = mC −1 Kk·k (0, 1) = C mKk·k (0, 1) = C k·k . Nach Bemerkung A.4.10 ist mX Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Konstante C. Bemerkung A.4.35. Ist X eine abgeschlossene, konvexe Nullumgebung, dann gilt: KmX (0, 1) = int X und SmX (0, 1) = ∂X. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 131 Beweis. X ist abgeschlossen, also insbesondere zentral abgeschlossen. Ferner ist X sternförmig. Es gilt also X = K mX (0, 1) nach Korollar A.4.31. Ferner ist mX stetig. Nach Bemerkung A.4.23 folgen dann die beiden obigen Aussagen. Bemerkung A.4.36. Ist X beschränkt, so gibt es ein c > 0 mit c k·k ≤ mX . Insbesondere ist mX definit, wenn k·k eine Norm ist. ¡ ¢ Beweis. Wir finden ein c > 0 mit X ⊆ Kk·k 0, 1/c . Wir erhalten analog zum letzten Beweis: c k·k ≤ mKk·k (0, 1/c) ≤ mX . A.5 Kugelartige Mengen In diesem Abschnitt analysiere ich spezielle abgeschlossene Teilmengen von normierten Räumen, die ich hier kugelartig nennen möchte. Zu diesen gehören abgeschlossene Kugeln, aber auch Mengen im Rn wie Zylinder und Simplizes. Ich führe als weitere Ad-hoc-Bezeichnung die randerhaltenden Homöomorphismen ein und zeige, daß alle kugelartigen Mengen in einem normierten Raum berandet homöomorph zur abgeschlossenen Einheitskugel sind. Diese Aussage benutzen wir bei der Analyse von Simplizialkomplexen in Unterabschnitt 3.3.4. Wesentliches Beweishilfsmittel in diesem Abschnitt ist das Minkowski-Funktional. Im vorangegangen Abschnitt habe ich die Monkowski-Funktionale systematisch untersucht und fasse ihre für diesen Abschnitt notwendigen Eigenschaften in Lemma A.5.5 zusammen. Generalvoraussetzung A.5.1. Sei in diesem Abschnitt E ein normierter Raum. Definition A.5.2 (kugelartig). Sei X eine Teilmenge von E. Die Menge X heißt kugelartig (in E), wenn X abgeschlossen, konvex und beschränkt ist und einen inneren Punkt besitzt. Beispiel A.5.3. Die abgeschlossene Einheitskugel von E ist eine kugelartige Nullumgebung in E. Bemerkung A.5.4. Sei F ein weiterer normierter Raum, seien X ⊆ E und Y ⊆ F kugelartig. Dann ist X × Y kugelartig in E × F . Beweis. Produkte abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen, und Produkte konvexer Mengen sind konvex und Produkte beschränkter Mengen sind beschränkt. Wenn x ein innerer Punkt von X ist und y ein innerer Punkt von Y , so ist (x, y) ein innerer Punkt von X × Y . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 132 Das folgenden Lemma ist ein Destilat aus dem vorangegangen Abschnitt über MinkowskiFunktionale. Die unter 1. benutzten Begriffe sind dort definiert. Lemma A.5.5. Sei X eine kugelartige Nullumgebung in E. Dann hat das Minkowski-Funktional mX von X die folgenden Eigenschaften: 1. mX ist sublinear, definit und Lipschitz-stetig. 2. ∃c, C > 0 ∀x ∈ E : c kxk ≤ mX (x) ≤ C kxk. 3. Es gilt (a) X = {x ∈ E | mX (x) ≤ 1} (b) int X = {x ∈ E | mX (x) < 1} (c) ∂X = {x ∈ E | mX (x) = 1}. Definition A.5.6. Seien X, Y kugelartige Nullumgebungen in E. Seien mX und mY die zugehörigen Minkowski-Funktionale. Definiere ( 0 falls x = 0 . → E, x 7→ mX (x) fXY : E − x sonst mY (x) Lemma A.5.7. Seien X, Y kugelartige Nullumgebungen in E. Dann ist fXY eine Homöomorphismus von E nach E mit Umkehrfunktion fY X . Ferner gilt: mY ◦ fXY = mX . Beweis. Wir beobachten zuerst, daß fXY schwach positiv-homogen ist. Nun zur behaupteten Gleichung: Für x = 0 ist sie klar. Sei x ∈ E \ {0}. Dann gilt wegen der Homogenität von mY : ¶ µ mX (x) mX (x) mY (fXY (x)) = mY x = mY (x) = mX (x). mY (x) mY (x) Außerhalb von 0 ist fXY offenbar stetig. Wegen Lemma A.5.5 2. finden wir eine Konstante K > 0 mit der Eigenschaft ∀x ∈ E : fXY (x) ≤ K kxk . Somit ist fXY auch stetig in 0. Wir berechnen nun die Hintereinanderausführung fY X ◦ fXY . Wenn wir gezeigt haben, daß dies die Identität auf E ist, so sind wir fertig. Es gilt fY X (fXY (0)) = fY X (0) = 0. Sei x ∈ E \ {0}. Es gilt fY X (fXY (x)) = fY X µ mX (x) x mY (x) ¶ = mX (x) mX (x) mY (x) fY X (x) = x = x. mY (x) mY (x) mX (x) Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 133 Definition A.5.8 (randerhaltend homöomorph). Seien X und Y abgeschlossene Teilmengen von E. Eine Homöomorphismus f : X − → Y heißt randerhaltend, wenn er die topologischen Ränder von X und Y bijektiv aufeinander abbildet, wenn also gilt: f (∂X) = ∂Y. Die Räume X und Y heißen randerhaltend homöomorph, wenn es einen randerhaltenden Homöomorphismus von X nach Y gibt. Bemerkung A.5.9. Es ist randerhaltend homöomorph zu sein eine Äquivalenzrelation auf den abgeschlossenen Teilmengen von E. Satz A.5.10. Seien X, Y kugelartig in E. Dann ist X randerhaltend homöomorph zu Y . Beweis. Sei ohne Einschränkung 0 ein innerer Punkt von X und von Y (ansonsten verschiebe X und Y entsprechend). Nach dem vorangegangenen Lemmata gilt fXY (X) ⊆ Y und fXY (∂X) ⊆ ∂Y . Entsprechendes gilt für fY X . Somit ist fXY |X ein randerhaltender Homöomorphismus von X nach Y Korollar A.5.11. Sei X kugelartig in E. Dann ist X randerhaltend homöomorph zur abgeschlossenen Einheitskugel von E. A.6 Parakompaktheit Im letzten Abschnitt dieses Anhangs werden diejenigen Ergebnisse zum Stichwort „Parakompaktheit“ zusammengefaßt, die in Abschnitt 3.4 benötigt werden. Definition A.6.1 (Verfeinerung einer Übedeckung). Sei M eine Menge und U eine Überdeckung von M . Dann heißt U 0 eine Verfeinerung von U, wenn U 0 eine Überdeckung von M ist und jedes Element von U 0 in einem von U enthalten ist. Definition A.6.2 (lokal-endlich). Sei X ein topologischer Raum und U eine Menge von Teilmengen von X. Dann heißt U lokal-endlich, wenn jedes x ∈ X eine Umgebung V besitzt, die nur endlich viele Elemente von U schneidet. Definition A.6.3 (Träger einer Funktion). Sei M eine Menge, V ein Vektorraum und f : M − → V eine Funktion. Dann Definiere den Träger von f als die Menge supp f := {m ∈ M : f (m) 6= 0}. Definition A.6.4 (parakompakt). 12 Ein topologischer Raum X heißt parakompakt, wenn er Hausdorffsch ist und die folgende Bedingung erfüllt: • Jede offene Überdeckung U von X hat eine lokal-endliche offene Verfeinerung. 12 Vergleiche [Bou89b], I.9.10 Definition 6 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 134 Bemerkung A.6.5. Jeder kompakte und jeder diskrete Raum sind parakompakt. Satz A.6.6. 13 Jeder parakompakte Raum ist normal. Definition A.6.7 (untergeordnet). 14 Sei I eine Menge und (Ai )i∈I eine Familie von Teilmengen eines topologischen Raumes X. Eine Familie (fi )i∈I von Funktionen von X nach R heißt der Familie (Ai )i∈I untergeordnet, wenn supp fi ⊆ Ai für alle i ∈ I gilt. Ist A eine Menge von Teilmengen von X, dann ist eine A untergeordnete Familie von Funktionen von X nach R eine über A indizierte Familie mit der Eigenschaft ∀A ∈ A : supp fA ⊆ A. Definition A.6.8 (stetige Teilung der Eins). 15 Eine (über I indizierte) stetige Teilung der Eins auf X ist eine Familie (fi )i∈I von stetigen nicht-negativen Funktionen auf X, deren Träger eine lokal-endliche Familie bilden und die folgende Bedingung erfüllt: X ∀x ∈ X : fi (x) = 1. i∈I Satz A.6.9. 16 Für einen Hausdorffraum X sind äquivalent: 1. X ist parakompakt. 2. Zu jeder offenen Überdeckung U von X gibt es eine stetige Teilung der Eins, die U untergeordnet ist. Satz A.6.10. 13 17 Jeder metrisierbare Raum ist parakompakt. Siehe [Bou89b], IX,4.4, Proposition 4. Vergleiche [Bou89b], IX.4.3, Definition 3. 15 Vergleiche [Bou89b], IX.4.3, Definition 3 16 Siehe [Bou89b], IX.4.4, Korollar 1. 17 Siehe [Bou89b], IX.4.5, Theorem 4. 14 Anhang B Das Rechnen mit Kardinalzahlen Da in dieser Arbeit mit unendlichen Mächtigkeiten und Kardinalzahlen, meist in Form von Dimensionen, gerechnet wird, möchte ich in diesem Anhang1 an die entsprechenden Begriffe und Rechenregeln erinnern, ohne Beweise anzugeben. Ich setze hierbei stillschweigend das Auswahlaxiom voraus. Besonders hervorheben möchte ich Satz B.2.15 über das Rechnen mit unendlichen Mächtigkeiten („κ · κ = κ“). B.1 Gleichmächtigkeit Definition B.1.1 (gleichmächtig, mächtiger). Seien A und B Mengen. Dann sagen wir • A ist gleichmächtig zu B, geschrieben A ∼ B, wenn es eine Bijektion von A auf B gibt. • A ist nicht mächtiger als B (A ¹ B), wenn es eine Injektion von A nach B gibt. • A ist (echt) mächtiger als B (B ≺ A) wenn B nicht mächtiger als A, aber auch nicht gleichmächtig ist. Satz B.1.2. Auf der Klasse aller Mengen ist ∼ eine Äquivalenzrelationen. Wir sagen deshalb auch A und B seien gleichmächtig, wenn A zu B gleichmächtig ist. Ferner gilt für alle Mengen A, B und C: • Es gilt A ¹ A (Reflexivität von ¹). • Aus A ¹ B ¹ C folgt A ¹ C (Transitivität von ¹). • Es gilt A ¹ B oder B ¹ A (Vergleichbarkeit von Mengen). • Gilt A ¹ B und B ¹ A, so folgt A ∼ B (Satz von Schröder-Bernstein). 1 Mehr dazu findet sich in der einführenden Literatur über Mengenlehre, beispielsweise in [Obe94]. 135 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 136 B.2 Kardinalzahlen B.2.1 Einführung Man würde gerne, wie für endliche Mengen üblich, auch jeder unendlichen Menge A sinnvoll eine „Zahl“ |A| zuordnen, genannt die Mächtigkeit von A, also eine hinreichende Gleichmächtigkeits-Invariante. Die einfachste Möglichkeit wäre, jeder Menge ihre Äquivalenzklasse unter der Relation ∼ zuzuordnen. Diese Klasse ist aber dann fast immer keine Menge, weshalb der Umgang mit diesem Mächtigkeitsbegriff sehr umständlich ist. Besser wäre es, aus jeder Äquivalenzklasse einen Repräsentanten zu konstruieren, den man stattdessen nehmen könnte. John von Neumann hat 1928 zu diesem Zwecke die Klasse Cn der Kardinalzahlen definiert. Die genaue Definition dieser Klasse besprechen wir hier nicht. Ich verweise hierfür auf [Obe94] Kapitel IV, speziell Definition 27.2. Satz B.2.1. Die Klasse Cn hat die folgenden Eigenschaften: • Für jede Menge M gibt es genau ein Element κ von Cn, das zu M gleichmächtig ist. • Jede natürliche Zahl und die Null sind Elemente von Cn (wobei die Null als ∅ aufgefaßt wird, die Eins als {∅} = {0}, die Zwei als {∅, {∅}} = {0, 1} etc., so daß jede natürliche Zahl n gerade eine n-elementige Menge ist). • Die Menge N0 ist ein Element von Cn, wird hier jedoch als ℵ0 bezeichnet (lies: AlephNull). Sie ist das einzige abzählbar-unendliche Element von Cn. • Betrachtet man Cn mit der Relation ¹, für Kardinalzahlen geschrieben ≤, so ist dies eine total geordnete Klasse. Genauer gilt sogar: Jede nicht-leere Teilmenge von Cn besitzt ein kleinstes Element („Wohlordnung“). • ℵ0 ist die kleinste unendliche Kardinalzahl. • Es gibt unendlich viele unendliche Kardinalzahlen. Definition B.2.2 (Mächtigkeit einer Menge). Wegen des ersten Punktes des letzten Satzes können wir jeder Menge A ein eindeutig bestimmtes Element |A| ∈ Cn gleicher Mächtigkeit zuordnen. Dieses nennen wir dann die Kardinalzahl oder Mächtigkeit von A. Bemerkung B.2.3. Nach Setzung gilt für alle Mengen A, B: A ∼ B ⇔ |A| = |B| und A ¹ B ⇔ |A| ≤ |B| . Ferner fällt für endliche Mengen unsere Setzung mit der üblichen Mächtigkeitsdefinition zusammen. Alle abzählbar unendlichen Mengen haben Mächtigkeit ℵ0 . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 137 B.2.2 Rechnen mit Kardinalzahlen Statt arithmetische Operationen direkt auf Cn zu definieren, notieren wir sie gleich in einer Form, in der augenfällig wird, was sie für die „Mächtigkeitsfunktion“ |·| bedeuten. Die Wohldefiniertheit dieser Setzungen müßte man im einzelnen noch dadurch Nachweisen, daß man zeigt, daß diese Setzungen robust sind gegenüber dem Übergang zu gleichmächtigen Mengen. Definition B.2.4 (arithmetische Operationen auf Kardinalzahlen). Seien κ und λ Kardinalzahlen. Dann setze 2 • κ + λ := |{1} × κ ∪ {2} × λ|; • κ · λ := |κ × λ|; • κλ := |F(λ, κ)|. Diese Definition ist gerade so gemacht, daß die folgenden einfachen Rechenregeln für die Mächtigkeiten von Mengen gelten. Bemerkung B.2.5 (Rechnen mit Mächtigkeiten). Seien A und B Mengen. Dann gilt • |A| + |B| := |{1} × A ∪ {2} × B|; • |A| · |B| := |A × B|; ¯ ¯ • |A||B| := ¯AB ¯. Bemerkung B.2.6. Für endliche Kardinalzahlen decken sich diese Rechenregeln mit den Rechenregeln in N0 . Beispiel B.2.7. Da die disjunkte Vereinigung zweier abzählbar unendlicher Mengen wiederum abzählbar unendlich ist, gilt ℵ0 + ℵ0 = ℵ0 . Satz B.2.8 (Eigenschaften der Addition). Seien κ, κ0 , λ, λ0 und µ Kardinalzahlen. Dann gilt • Monotonie: Gilt κ ≤ κ0 und λ ≤ λ0 , so folgt κ + λ ≤ κ0 + λ0 ; • Kommutativität: Es gilt κ + λ = λ + κ; • Assoziativität: Es gilt (κ + λ) + µ = κ + (λ + µ); • Neutrales Element: Es gilt κ + 0 = κ. Satz B.2.9 (Eigenschaften der Multiplikation). Seien κ, κ0 , λ, λ0 und µ Kardinalzahlen. Dann gilt In der letzten Setzung habe ich F(λ, κ) für die Menge der Funktionen von λ nach κ geschrieben, um κλ nicht auch auf der Rechten Seite zu benutzen. 2 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 138 • Monotonie: Gilt κ ≤ κ0 und λ ≤ λ0 , so folgt κ · λ ≤ κ0 · λ0 ; • Kommutativität: Es gilt κ · λ = λ · κ; • Assoziativität: Es gilt (κ · λ) · µ = κ · (λ · µ); • Neutrales Element: Es gilt κ · 1 = κ; • Null-Element: Es gilt κ · 0 = 0. B.2.3 Lange Summen und Produkte Definition B.2.10 (lange Summen und Produkte). Sei I eine Menge und (κi )i∈I eine Familie von Kardinalzahlen. Dann definieren wir ¯ ¯ · ¯ ¯[ X ¯ ¯ (disjunkte Vereinigung!) κi := ¯ κi ¯ ¯ i∈I ¯ i∈I und Y i∈I ¯ ¯ ¯Y ¯ ¯ ¯ κi := ¯ κi ¯ , ¯ ¯ i∈I wobei auf der rechten Seite das kartesische Produkt der Mengen κi gemeint ist. Die folgenden Sätze geben uns Rechenregeln für diese langen Summen und Produkte an die Hand. Satz B.2.11 (Monotonie der langen Summen und Produkte). Sei I eine Menge, und seien (κi )i∈I , (λi )i∈I Familien von Kardinalzahlen mit κi ≤ λi für alle i ∈ I. Dann gilt X X κi ≤ λi i∈I und Y i∈I i∈I κi ≤ Y λi . i∈I Satz B.2.12. Sei I eine Menge und (Ai )i∈I eine Familie von Mengen. Dann gilt für die nicht unbedingt disjunkte Vereinigung: ¯ ¯ ¯[ ¯ X ¯ ¯ |Ai | . ¯ Ai ¯ ≤ ¯ ¯ i∈I i∈I Wir betrachten noch den Fall, daß alle Summen bzw. Faktoren einer langen Summe bzw. eines langen Produktes gleich sind. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 139 Satz B.2.13. Es sei I eine Menge und κ eine Kardinalzahl. Dann gilt X κ = κ · |I| i∈I und Y κ = κ|I| . i∈I Der erste Teil des letzten Satzes läßt sich auf den folgenden zurückführen: Satz B.2.14. Sei I eine Menge, κ eine Kardinalzahl und (λi )i∈I eine Familie von Kardinalzahlen. Dann gilt X X κ · λi = κ · λi . i∈I i∈I B.2.4 Das Rechnen mit unendlichen Kardinalzahlen Satz B.2.15. Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Dann gilt κ · κ = κ. Korollar B.2.16. Seien κ, λ unendliche Kardinalzahlen. Dann gilt κ + λ = κ · λ = max{κ, λ}. Korollar B.2.17. Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Dann gilt für alle n ∈ N: κ = n · κ = n + κ = ℵ0 · κ = ℵ0 + κ. Korollar B.2.18. Sei A eine unendliche Menge und 0 < κ ≤ |A|. Dann gibt es Partition von A der Mächtigkeit κ in Mengen der Mächtigkeit |A|. Definition B.2.19 (Pe (A)). Sei A eine Menge. Dann definiere Pe (A) als die Menge der endlichen Teilmengen von A. Als Korollar aus Satz B.2.15 folgern wir den folgenden Satz. Man kann seinen Beweis auch ohne größere Schwierigkeiten direkt führen. Satz B.2.20. Sei A eine unendliche Menge. Dann gilt |Pe (A)| = |A| . Beweis. Für jedes k ∈ N0 sei Pk (A) die Menge der k-elementigen Teilmengen von A. Für jedes k ∈ N gilt ¯ ¯ |A| ≤ |Pk (A)| ≤ ¯Ak ¯ = |A|k = |A| . S Ferner gilt |P0 (A)| = 1. Offenbar gilt Pe (A) = k∈N Pk (A), wobei diese Vereinigung disjunkt ist. Es gilt somit X X |Pe (A)| = |Pk (A)| = 1 + |A| = 1 + ℵ0 |A| = |A| . k∈N0 k∈N Anhang C Kategorieller Anhang In diesem Anhang werden die Grundlagen der Kategorientheorie skizziert. Es wird dabei nicht nur das kategorielle Vokabular zur Verfügung gestellt, das in dieser Arbeit an verschiedenen Stellen gebraucht wird, sondern auch der begriffliche Rahmen beleuchtet, indem etwa Definitionen mit Beispielen plastisch gemacht und elementare Zusammenhänge der Begriffe untereinander angegeben werden. C.1 Grundlegende Definitionen Generalvoraussetzung C.1.1. Bezeichne S in diesem Anhang die Klasse aller Mengen. C.1.1 Kategorien Definition C.1.2 ((abstrakte) Kategorie). 1 Eine Kategorie K ist ein Tripel K = (O, (hom(A, B))(A,B)∈O×O , (◦ABC )(A,B,C)∈O3 ), wobei 1. O eine Klasse ist, deren Elemente K-Objekte oder Objekte von K genannt werden, 2. jedem geordneten Paar (A, B) von K-Objekten eine Menge hom(A, B) zugeordnet ist, deren Elemente Morphismen von A nach B genannt werden; 3. für jedes geordnete Tripel (A, B, C) von K-Objekten eine Komposition ◦ABC : hom(B, C) × hom(A, B) − → hom(A, C) definiert ist, die wir, wenn keine Gefahr von Mißverständnissen besteht, generell mit ◦ bezeichnen werden. 1 Nach [Sch70], jedoch mit der wichtigen Änderung, daß die Morphismenmengen nicht wie bei Schubert disjunkt sein müssen. Siehe dort Definition 1.1.1. Vergleiche auch [HS79], Kapitel III, Definition 3.1 und die Bemerkung nach Definition 3.4. 140 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 141 Es sollen dabei folgende Bedingungen erfüllt sein: 1. Assoziativität der Komposition. Sind h ◦ g und g ◦ f erklärt, so gilt stets (h ◦ g) ◦ f = h ◦ (g ◦ f ). 2. Identitäten. Für jedes Objekt A gibt es einen2 identischen oder Eins-Morphismus 1A ∈ hom(A, A), auch genannt IdA , für den 1A ◦ f = f, g ◦ 1A = g stets gilt, wenn die beiden linken Seiten erklärt sind. Die Klasse O der K-Objekte wird dabei auch |K| oder Obj(K) genannt. Möchte man Mißverständnisse vermeiden, so nennt bezeichnet man hom auch mit homK . Notation C.1.3. Ist ein K-Morphismus f ein Element von hom(A, B), wobei A und B Objekte f von K sind, schreiben wir auch f : A − → B oder A − → B. Beispiele C.1.4 (von Kategorien). 3 4 1. Die Kategorie Set (oder auch Ens), deren Objektklasse S ist, für die hom(A, B) für zwei Mengen A und B aus der Menge aller Funktionen von A nach B besteht und für die die Hintereinanderausführung von Funktionen als Komposition gewählt ist, heißt Kategorie der Mengen. 2. Die Kategorie Grp, deren Objekte die Gruppen sind, zusammen mit den Gruppenhomomorphismen und der Hintereinanderausführung, heißt Kategorie der Gruppen. 3. Die Kategorie Top, deren Objekte alle topologischen Räume, für die die Morphismen die stetigen Abbildungen sind und die Komposition die Hintereinanderausführung ist, heißt Kategorie der topologischen Räume. 4. Für jeden Körper K heißt die Kategorie K VectSp, deren Objekte die K-Vektorräume sind, zusammen mit den K-linearen Abbildungen und der Hintereinanderausführung, die Kategorie der K-Vektorräume. 5. Die Kategorie K NormSp (bzw. K BanSp, K PreHilbSp, K HilbSp), deren Objekte die normierten K-Vektorräume (bzw. Banach-, Prä-Hilbert-, Hilberträume) sind, zusammen mit den stetigen K-linearen Abbildungen, heißt die Kategorie der normierten K-Vektorräume (bzw. Banach-, Prä-Hilbert-, Hilberträume). Wir schreiben auch kurz NormSp für K NormSp etc.. 2 Zur Eindeutigkeit, eines solchen Morphismus, die leicht zu zeigen ist, siehe C.3.4. Für weitere Beispiele siehe [Sch70] Abschnitt 1.2 und [HS79], Kapitel III, Abschnitt 3.5. 4 Warnung: Die hier eingeführten Bezeichnungen sind bis auf die ersten vier selbstgebaut. 3 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 142 6. Die Kategorie K NormAlg (bzw. K BanAlg), deren Objekte die normierten K-Algebren (bzw. Banach-Algebren) sind, zusammen mit den stetigen K-linearen Algebren-Homomorphismen, heißt die Kategorie der normierten K-Algebren (bzw. Banach-Algebren). Wir schreiben auch kurz NormAlg für K NormAlg etc.. 7. Die Kategorie K C ∗ -Alg deren Objekte die C ∗ -Algebren über K sind, zusammen mit den ∗-Homomorphismen, heißt die Kategorie der C ∗ -Algebren. 8. Die Kategorie, deren Objektklasse die Klasse S aller Mengen ist, für die aber für je zwei Mengen A und B die Morphismenmenge hom(A, B) nicht aus der Menge aller Funktionen von A nach B, sondern aus der Menge P(A × B) aller Relationen zwischen A und B besteht, zusammen mit der Komposition von Relationen wir als Kategorie der Mengenkorrespondenzen genannt. C.1.2 Isomorphismen Definitionssatz C.1.5 (Isomorphismus, isomorph). 5 Sei K eine Kategorie und deien A, B ∈ Obj(K). Ein Morphismus f : A − → B heißt Isomorphismus von A nach B, wenn es einen Morphismus g : B − → A gibt mit g ◦ f = 1A und f ◦ g = 1B , in welchem Fall g eindeutig bestimmt ist und generell mit f −1 bezeichnet wird. f −1 ist dann ebenfalls ein Isomorphismus, und es gilt (f −1 )−1 = f . Die Objekte A und B heißen isomorph, wenn es einen Isomorphismus von A nach B gibt. Beweis. Sei f ein Isomorphismus von A nach B und g : B − → A mit g ◦ f = 1A und f ◦ g = 1B . Sei g 0 : B − → A ein weiterer solcher Morphismus. Dann gilt g = g ◦ 1B = g ◦ (f ◦ g 0 ) = (g ◦ f ) ◦ g 0 = 1A ◦ g 0 = g 0 . Also ist das Inverse von f eindeutig. Offenbar ist f −1 dann auch ein Isomorphismus mit Inversem f. Satz C.1.6. Sei K eine Kategorie. Dann definiert die Isomorphie eine Äquivalenzrelation auf der Klasse der K-Objekte. Beweis. Offenbar ist für jedes Objekt A der Identitätsmorphismus 1A ein Isomorphismus. Die Symmetrie wurde bereits in der letzten Nummer behandelt. Seien nun A, B und C Objekte von K und f : A − → B sowie g : B − → C Isomorphismen. Dann ist g ◦ f : A − → C ein Isomorphismus von A nach C mit Umkehrfunktion f −1 ◦ g −1 , denn es gilt (f −1 ◦ g −1 ) ◦ (g ◦ f ) = f −1 ◦ 1B ◦ f = f −1 ◦ f = 1A und vice versa. Also ist A isomorph zu B. 5 Vergleiche [HS79], Kapitel IV, Definition 5.13 ff und [Sch70], Abschnitt 1.3. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini Beispiele C.1.7. gen. 143 1. In der Kategorie Set ist die Isomorphie die Gleichmächtigkeit von Men- 2. In der Kategorie Top der topologischen Räume ist die Isomorphie die Homöomorphie. 3. In den Kategorien Grp bzw. K VectSp ist die Isomorphie die normale Isomorphie von Gruppen bzw. K-Vektorräumen (wobei K ein Körper sei). C.1.3 Konkrete Kategorien Definition C.1.8 (konkrete Kategorie). 6 Eine konkrete Kategorie ist ein Tripel ¡ ¢ K = O, (Z(A))A∈O , (hom(A, B))(A,B)∈O×O , wobei 1. O eine Klasse ist, deren Elemente wiederum K-Objekte genannt werden; 2. Z(A) für jedes K-Objekt A eine Menge ist, die wir als die dem Objekt A zugrundeliegende Menge bezeichnen; 3. für jedes geordnete Paar (A, B) von K-Objekten hom(A, B) eine Menge von Funktionen von der A zugrundeliegenden Menge Z(A) in die B zugrundeliegende Menge Z(B) ist, deren Elemente Morphismen von A nach B genannt werden; wobei die folgenden Bedingungen erfüllt sein müssen: 1. sind A, B und C jeweils K-Objekte, f ∈ hom(A, B) und g ∈ hom(B, C), so ist die Hintereinanderausführung g ◦ f ein Element von hom(A, C); 2. für jedes K-Objekt A ist die identische Funktion IdZ(A) ein Element von hom(A, A). Offenbar kann man leicht aus jeder konkreten Kategorie eine Kategorie im erstgenannten Sinne machen. Beispiele C.1.9 (konkreter Kategorien). Set, Grp, Top und konkrete Kategorien auffassen. K VectSp können wir auch als C.1.4 Teil- und Quotientenkategorien Teilkategorien Definition C.1.10 ((volle) Teilkategorie). 7 Eine Kategorie T wird Teilkategorie einer Kategorie K genannt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 6 7 siehe [HS79], Kapitel III, Definition 2.1. Vergeiche [HS79], Kapiel III, Definition 4.1 und [Sch70], Abschnitt 1.6. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 144 1. Obj(T ) ⊆ Obj(K). 2. Für alle A, B ∈ Obj(T ) gilt homT (A, B) ⊆ homK (A, B). 3. Die Kompositionen in T sind die Einschränkungen von denen in K, d.h. kurz: Die Komposition in T rührt von K her. 4. Jede Identität in T ist schon eine in K, d.h. gehört das K-Objekt A zu T , so auch der in K vorliegende identischen Morphismus 1A . Eine Teilkategorie T einer Kategorie K heißt volle Teilkategorie, wenn für alle Objekte A, B ∈ Obj(T ) schon Gleichheit in (2), also homT (A, B) = homK (A, B) gilt. Beispiele C.1.11. 1. Jede Kategorie K ist volle Teilkategorie von sich selbst. 2. Sei K eine Kategorie und A ∈ Obj(K) ein K-Objekt. Dann ist die Teilkategorie, die man gewinnt, wenn man A als einziges Objekt und ganz hom(A, A) als Morphismen nimmt, eine volle Teilkategorie von K. 3. Die Kategorie der Hausdorffräume (mit den stetigen Abbildungen dazwischen) ist eine volle Teilkategorie von Top. 4. Die Kategorie der Ringe mit Einselement (mit unitalen Ringhomomorphismen dazwischen) ist eine nicht-volle Teilkategorie der Kategorie aller Ringe (mit allen Ringhomomorphismen). Es gibt nämlich zwischen unitalen Ringen auch Ringhomomorphismen, die das Einselement nicht erhalten, etwa die Nullabbildung. Quotientenkategorien Definition C.1.12 (Kongruenz). 8 Unter einer Kongruenz auf einer Kategorie K versteht man eine Familie (∼AB )(A,B)∈Obj(K)×Obj(K) , mit folgenden Eigenschaften: 1. Für je zwei K-Objekte A und B ist ∼AB eine Äquivalenzrelation auf der Morphismenmenge homK (A, B). 2. ∼ ist mit der Komposition von K-Morphismen verträglich, das heißt sind g ◦ f und g 0 ◦ f 0 definiert, und gilt f ∼ f 0 und g ∼ g 0 , so folgt g ◦ f ∼ g0 ◦ f 0 (wobei wir hier, wie auch sonst, wenn keine Mißverständnisse zu befürchten sind, die Indizes unterdrückt haben). 8 Vergeiche [HS79], Kapiel III, Definition 4.4 und [Sch70], Abschnitt 6.4. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 145 Definitionssatz C.1.13 (Quotientenkategorie). Sei ∼ eine Kongruenz auf einer Kategorie K. g Für je zwei Objekte A, B von K sei hom(A, B) die Menge hom(A, B)/ ∼AB und die Komposition ◦˜ der Restklassen sei vertreterweise definiert, was³ wegen der Bedingung an eine Kongruenz ´ g geht. Dann ist Obj(K) mit den Morphismenmengen hom(A, B) und der Komposition ◦˜ (A,B) eine Kategorie, genannt die Quotientenkategorie von K bezüglich ∼, geschrieben K/∼ . Beweis. Die Komposition ist assoziativ, weil sie vertreterweise assoziativ ist. Die Identitätsmorphismen der Quotientenkategorie sind die Restklassen der Identitätsmorphismen der Ausgangskategorie. Anmerkung C.1.14. Das Paradebeispiel einer Kongruenz, die Homotopierelation, wird an anderer Stelle in dieser Arbeit behandelt. Es gibt aber noch andere interessante Beispiele für Kongruenzen: Beispiel C.1.15. Sei K die Kategorie der normierten K-Vektorräume zusammen mit den stetigen linearen Abbildungen. Für zwei Objekte X und Y von K sei K(X, Y ) der Raum der kompakten Operatoren von X nach Y und wir definieren die Äquivalenzrelation ∼XY auf L(X, Y ) durch S ∼XY T :⇔ S − T ∈ K(X, Y ) für alle S, T ∈ L(X, Y ). Dann ist ∼ eine Kongruenz auf K. Beweis. Seien X, Y und Z K-Objekte und S1 , S2 ∈ L(X, Y ) und T1 , T2 ∈ L(Y, Z). Es gelte S1 ∼ S2 und T1 ∼ T2 . Dann gilt T2 ◦ S2 − T − 1 ◦ S1 = (T2 − T1 ) ◦ S2 − T1 ◦ (S1 − S2 ). Da die Hintereinanderausführung von kompakten mit stetigen und stetigen mit kompakten Operatoren kompakt ist und ferner die Summe kompakter operatoren kompakt ist, gilt T2 ◦ S2 ∼ T1 ◦ S1 . Somit ist ∼ eine Kongruenz. Beispiel C.1.16. Sei K die Kategorie der Maßräume, wobei die Objekte von K Tripel (Ω, A, µ) sind, wobei Ω eine Menge, A eine σ-Algebra auf Ω und µ ein Maß auf (Ω, A) sind, und die Morphismen zwischen zwei K-Objekten (Ω, A, µ) und (Ω0 , A0 , µ0 ) meßbaren Abbildungen f von (Ω, A) nach (Ω0 , A0 ) sind, für die gilt ∀A0 ∈ A0 ; µ0 (A0 ) = µ(f −1 (A0 )). Sind X = (Ω, A, µ) und X 0 = (Ω0 , A0 , µ0 ) zwei Ojekte von K, so definiere die Äquivalenzrelation ∼XX 0 auf homK (X, X 0 ) durch f ∼XX 0 g :⇔ µ(f 6= g) = 0 für alle f, g ∈ homK (X, X 0 ). Dann ist ∼ eine Kongruenz auf K. Beweis. Seien X = (Ω, A, µ), X 0 = (Ω0 , A0 , µ0 ) und X 00 = (Ω00 , A00 , µ00 ) K-Objekte und f1 , f2 : X − → X 0 und g1 , g2 : X 0 − → X 00 . es gelte f1 ∼ f2 und g1 ∼ g2 . Es gilt dann g1 ◦ f1 ∼ g1 ◦ f2 , da sich diese beiden Funktionen höchstens dort unterscheiden können, wo sich f1 und f2 unterscheiden. Ferner gilt g1 ◦ f2 ∼ g2 ◦ f2 , da sich diese Funktionen höchstens auf dem Urbild von {g1 6= g2 } unter f2 unterscheiden können, und das ist eine µ-Nullmenge. Somit gilt g1 ◦ f1 ∼ g2 ◦ f2 . Somit ist ∼ eine Kongruenz. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 146 C.1.5 Dualität Die duale Kategorie Definitionssatz C.1.17 (duale Kategorie). 9 Jeder Kategorie K ist in kanonischer Weise eine sogenannte duale Kategorie Kop zugeordnet, im Englischen treffender auch mit „opposite Category“bezeichnet: Die Objekte von Kop sind die von K, für alle K-Objekte A und B ist homKop (A, B) := homK (B, A), und die Komposition g ◦op f in Kop wird als f ◦ g gesetzt, wenn dies in K definiert ist (Umkehrung aller Pfeile). Bemerkung C.1.18. Für jede Kategorie K gilt (Kop )op = K. Das Dualitätsprinzip Von Ringen (und auch von anderswo) kennt man Dualität, denn dort gibt es zu jedem Ring einen dualen Ring, der einfach dadurch entsteht, daß man die Multiplikationsreihenfolge bei der Ringmultiplikation vertauscht. Das führt dazu, daß man zum Beispiel etwas, das man für alle Links-Ideale von beliebigen Ringen nachgerechnet hat, nicht auch noch für alle Rechts-Ideale nachrechnen muß, da die Rechts-Ideale eines Ringes die Links-Ideale des dualen Ringes sind, und für die hat man es ja insbesondere schon nachgerechnet. Für Kategorien kann man das gleiche Prinzip sehr erfolgreich nutzen. Die Bemerkung C.1.18 erlaubt es uns, folgendermaßen zu jedem „kategoriellen Konzept“, ein duales Konzept zu finden: Man gebe sich ein Konzept für Morphismen und Objekte vor, das man in jeder Kategorie formulieren kann. Für jede Kategorie K formuliere man dann dieses Konzept nun für die Kategorie Kop und drücke es dann unter Zuhilfenahme der Morphismen und Objekte von K aus. Kurz: Man drehe alle Pfeile um. Auf diese Weise erhält man das zugehörige duale Konzept für die Kategorie K. Ein Konzept heißt selbst-dual, wenn es mit seinem dualen Konzept übereinstimmt, also invariant unter Pfeilumkehr ist (z.B. Isomorphie). Analog kann man auch Aussagen dualisieren. Ist etwa A(K) für jedes Kategorie K eine Aussageform über die Morphismen und Objekte von K (A also eine Aussageform in Kategorien), so definieren wir Aop (K) := A(Kop ) für jede Kategorie K. Wegen Bemerkung C.1.18 folgt dann das sogenannte „Dualitätsprinzip für Kategorien“10 : Ist eine Aussageform A in Kategorien für alle Kategorien wahr, so ist auch ihre duale Aussageform Aop für alle Kategorien wahr. Wir werden zahlreiche Beispiele für duale und selbst-duale Konzepte kennenlernen und an mehreren Stellen aus dem Dualitätsprinzip Nutzen ziehen. C.2 Funktoren Ein zentraler Begriff in der Kategorientheorie ist der des Funktors. Funktoren spielen die Rolle von „Morphismen zwischen Kategorien.“ 9 10 Vergleiche [Sch70], Abschnitt 2.4 und [HS79], Definition 4.12. Siehe auch [HS79], Nummer 4.15 und [Sch70], Nummer 2.4.6. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 147 C.2.1 Ko- und Kontravariante Funktoren Definition C.2.1 ((kovarianter) Funktor). 11 Seien K und L Kategorien. Ein kovarianter Funktor F : K − → L von K nach L, auch schlicht Funktor genannt, ist ein Paar ³ ´ ¡ M or ¢ F = F Obj , FAB , (A,B)∈Obj(K)×Obj(K) M or wobei F Obj eine Funktion von Obj(K) nach Obj(L) und FAB für je zwei K-Objekte A und Obj Obj B eine Funktion von homK (A, B) nach homL (F (A), F (B)) sei, die die nachfolgenden Bedingungen erfüllen (im Folgenden werden, wenn keine Mißverständnisse zu befürchten sind, die Indizes weggelassen): ∀A ∈ Obj(K) : F (1A ) = 1F (A) und F (g ◦ f ) = F (g) ◦ F (f ), wann immer die linke Seite (und damit auch die rechte) definiert ist. Beispiele C.2.2. (kovarianter Funktoren) 1. Identitätsfunktoren: Sei K eine Kategorie. Dann ist die Zuordnung IdK , die jedes Objekt und jeden Morphismus von K auf sich selbst abbildet, ein Funktor, genannt der identische Funktor. 2. Inklusionen: Sei K eine Kategorie und T eine Teilkategorie von K. Der identische Funktor auf T ist gleichzeitig ein Funktor von T nach K, den wir als Inklusionsfunktor oder kanonische Einbettung von T in K bezeichnen. 3. Projektionen: Sei K eine Kategorie und ∼ eine Kongruenz auf ∼. Wir betrachten die Abbildung P∼ : K − → K/∼ , die jedes K-Objekt auf sich selbst abbildet und jeden Morphismus f auf [f ]∼ . Diese Zuordnungen definieren einen Funktor, genannt die (kanonische) Projektion von K auf ihren Quotienten K/∼ . 4. Der Abelisierungs-Funktor: Die Zuordnungen, die jeder Gruppe G ihre Abelisierung G/C(G), wobei C(G) den Kommutator von G bezeichnet, und jedem Homomorphismus den induzierter Homomorphismus zuweisen, bilden einen Funktor von der Kategorie Grp der Gruppen in sich (bzw. in die Unterkategorie Ab der abelschen Gruppen). 5. Vergiß-Funktoren: Vergiß-Funktoren sind Funktoren, die einen Teil der Struktur der Ausgangskategorie schlicht „vergessen“. Die Hauptklasse von Beispielen bilden Funktoren der folgenden Art: Sei K eine konkrete Kategorie und Z die Funktion, die jedem Objekt von K die zugrundeliegende Menge zuordnet, dann definiert Z einen Funktor von K nach Set, wenn wir Z(f ) für die Funktion f , verstanden als Morphismus in Set, schreiben. Beispielsweise können wir jeder Gruppe die zugundeliegende Menge und jedem Gruppenhomomorphismus die zugrundeliegende Funktion zuordnen, und erhalten so ein klassisches Beispiel für einen Vergiß-Funktor. Ähnliches macht man für Top. 11 Vergleiche [Sch70], Abschnitt 2.1 und [HS79], Kapitel 5, Paragraph 9. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 148 Eine weitere Klasse von Vergiß-Funktoren vernachlässigt nur einen Teil der Struktur, etwa der kanonische Funktor von der Kategorie der R-Vektorräume in die Kategorie der abelschen Gruppen, der jedem Vektorraum die zugrundeliegende abelsche Gruppe und jedem Vektorraumhomomorphismus den zugundeliegenden Gruppenhomomorphismus zuordnet. Ein weiteres Beispiel aus der linearen Algebra ist das folgende: Sei K ein Teilkörper des Körpers L. Dann kann man jeden L-Vektoraum auch als K-Vektorraum auffassen, indem man einen Teil der skalaren Multiplikation „vergißt “. Die Zuordnungen, die jedem LVektorraum den zugrundeliegenden K-Vektorraum und jeder L-linearen Abbildung zwischen L-Vektorräumen sie selbst zuweist, bilden dann einen Vergiß-Funktor von L Mod nach K Mod. Häufig wird dies in der Konstellation L = C und K = R angetroffen. Eine ähnlichen Vergißfunktor findet man etwa, wenn man jedem metrischen Raum den zugrundeliegenden topologischen Raum zuordnet. 6. Die Stone-Čech-Kompaktifizierung: Sei mit CRegT2 die volle Unterkategorie von Top der vollständig regulären Hausdorffräume und mit CompT2 die der kompakten Hausdorffräume bezeichnet. Dann ist letztere auch eine volle Unterkategorie der ersteren. Dann ist die Stone-Čech-Kompaktifizierungs-Zuordnung β : CRegT2 − → CompT2 ein Funktor. Definition C.2.3 (kontravarianter Funktor). 12 Seien K und L Kategorien. Ein kontravarianter Funktor T : K − → L von K nach L ist eine Abbildung13 für Objekte und Morphismen: Jedem K-Objekt A wird ein L-Objekt T (A), jedem K-Morphismus f : A − → B ein L-Morphismus T (f ) : T (B) − → T (A) so zugeordnet, daß gilt ∀A ∈ Obj(K) : T (1A ) = 1T (A) und T (g ◦ f ) = T (f ) ◦ T (g), wann immer die linke Seite definiert ist. Das heißt also, ein kontravarianter Funktor dreht die Pfeile um. Beispiele C.2.4. (kontravarianter Funktoren) 1. Der Pfeil-Umkehr-Funktor: Sei K eine Kategorie. Dann ist die Abbildung von K nach Kop , der jedes K-Objekt auf sich und jeden Morphismus auf den umgekehrten Morphismus abbildet, ein kontravrianter Funktor, genannt OpK oder schlicht Op. Offenbar gilt OpKop ◦ OpK = IdK , oder in Kurzform Op ◦ Op = Id. 2. Der (kontravariante) Potenzmengenfunktor: Die Zuordnungen P : Set − → Set, die jeder Menge A die Potenzmenge P(A), und jeder Abbildung f : A − → B die Funktion f −1 : P(B) − → P(A) beiordnet, definieren einen kontravarianten Funktor. Die Mengen P(A) für Mengen A haben eine zusätzliche Struktur, nämlich die einer Booleschen Algebra, die von Durchschnitt, Vereinigung und Komplementbildung für Teilmengen herrührt. Die Funktionen P(f ) respektieren diese Struktur. 12 13 Man vergleiche [Sch70], Abschnitt 2.3 und den elganten Zugang in [HS79], Abschnitt 9.6 in Kapitel V. Hier gilt analog, was oben zu kovarianten Funktoren gesagt wurde. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 149 Definitionssatz C.2.5. (Komposition von Funktoren) Seien K, L und M Kategorien und T : K − → L sowie U : L − → M (kontra- oder kovariante) Funktoren. Die Zuordnungen, die jedes K-Objekt A auf das M-Objekt U (T (A)) und jeden K-Morphismus f auf U (T (f )) abbilden, definieren einen Funktor von K nach M, den wir als Hintereinanderausführung oder Komposition U ◦ T von U und T bezeichnen. Bemerkung C.2.6. Die Hintereinanderausführung von Funktoren ist offenbar assoziativ. Ferner wirken die identischen Funktoren links- bzw. rechtsneutral. Ordnet man kovarianten Funktoren die Varianz +1 und kontravarianten die Varianz −1 zu, so ist die Varianz des Kompositums das Produkt der Varianzen der beteiligten Funktoren. Definition C.2.7 (Isomorphismus). Ein Funktor T : K − → L heißt Isomorphismus von K nach L, wenn es einen Funktor S : L − → K gibt mit S ◦ T = IdK und T ◦ S = IdL . C.2.2 Hom-Funktoren Definition C.2.8 (kovarianter Hom-Funktor). 14 Sei K eine Kategorie und A ein K-Objekt. Dann bezeichnen wir mit H A oder homK (A, ·) den sogenannten kovarianten Homfunktor von K nach Set. Dieser ordnet jedem K-Objekt B die Menge homK (A, B) zu und jedem KMorphismus f : B − → C die Abbildung homK (A, f ) : homK (A, B) − → homK (A, C), u 7→ f ◦ u. Definition C.2.9 (kontravarianter Hom-Funktor). 15 Sei K eine Kategorie und A ein KObjekt. Dann bezeichnen wir16 mit HA oder homK (·, A) den sogenannten kontravarianten Homfunktor von K nach Set. Dieser ordnet jedem K-Objekt B die Menge homK (B, A) zu und jedem K-Morphismus f : B − → C die Abbildung homK (f, A) : homK (C, A) − → homK (B, A), u 7→ u ◦ f. Definition C.2.10. (Hom-artiger Funktor)17 Ein ko- bzw. kontravarianter Funktor F von einer Kategorie K in eine konkrete Kategorie L heißt ko- bzw. kontravarianter Hom-artiger Funktor, wenn es ein K-Objekt A so gibt, daß für den kanonischen Vergiß-Funktor V : L − → Set und A H := H : K − → Set bzw. H := HA : K − → Set gilt: H = V ◦ F . Beispiele C.2.11. (von Hom-artigen und ähnlichen Funktoren) 1. Algebraische Dualräume: Der kontravariante Funktor von der Kategorie der K-Vektorräume K Mod in sich, der jedem K-Vektorraum den algebraischen Dualraum zuordnet, und jeder K-linearen Abbildung die transponierte Abbildung. 14 Siehe [HS79], Kapitel V, Abschnitt 10 und [Sch70], Nummer 2.2.5. Vergleiche [Sch70], Nummer 2.3.2 und [HS79], Kapitel V, Definition 10.2. 16 Man beachte, daß hier A als Subskript, in der letzten Definition als Superskript auftritt. 17 Vom englischen „hom-type functor“. Vergleiche [HS79], Kapitel V, Definition 10.5. 15 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 150 2. Topologische Dualräume: Der kontravariante Funktor von der Kategorie der normierten Räume über K in die K-Banachräume, der jedem normierten Raum seinen topologischen Dualraum zuordnet. 3. Die Algebra der „clopen sets“: Der kontravariante Funktor von Top in die Kategorie der Booleschen Algebren, der jedem topologischen Raum die Boolesche Algebra der sowohl offenen als auch abgeschlossenen Mengen zuordnet. 4. Cb (X, C): Der kontravariante Funktor von Top in die Kategorie der C-Banachalgebren, der jedem topologischen Raum X die unitale, kommutative C ∗ -Algebra der stetigen beschränkten C-wertigen Funktionen auf X zuordnet. 5. Der Gelfand-Raum: Der Funktor von der Menge der kommutativen C-Banachalgebren nach Top, der jeder solchen Algebra den lokalkompakten Hausdorffraum der Charaktere darauf zuordnet. Bemerkung C.2.12. Aus den letzten beiden Beispielen kann man durch Einschränkungen und Hintereinanderausführungen den Stone-Čech-Kompaktifizierungsfunktor β gewinnen. C.2.3 Eigenschaften von Funktoren → L ein Funktor. Dann bildet F jeden Satz C.2.13. 18 Seien K und L Kategorien und F : K − Isomorphismus f von K auf einen Isomorphismus von L ab, und zwar so, daß gilt F (f )−1 = F (f −1 ). Beweis. Seien A und B Objekte von K und f : A − → B ein Isomorphismus mit Inversem f −1 . Da F (1A ) = 1F (A) und F (1B ) = 1F (B) , gelten F (f ) ◦ F (f −1 ) = F (f ◦ f −1 ) = F (1B ) = 1F (B) und F (f −1 ) ◦ F (f ) = F (f −1 ◦ f ) = F (1A ) = 1F (A) . Somit ist F (f ) ein Isomorphismus von F (A) nach F (B) mit Inversem F (f −1 ). Definition C.2.14. die Abbildungen (C.1) 19 Seien K und L Kategorien und F : K − → L ein Funktor. Wir betrachten M or : homK (A, B) − → homL (F (A), F (B)) FAB für K-Objekte A und B. Wir nennen F • treu, wenn die Abbildungen (C.1) für jedes Paar (A, B) ∈ Obj(K) × Obj(K) injektiv sind; 18 19 Siehe auch [HS79], Kapitel V, Proposition 12.2. und [Sch70], Definition 2.1.1. Siehe [Sch70], Abschnitt 4.1 und [HS79], Kapitel V, Paragraph 12. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 151 • voll, wenn diese Abbildungen (C.1) alle surjektiv sind; • völlig treu, wenn sie stets bijektiv sind; • Einbettung, wenn F treu und F Obj ebenfalls injektiv ist; • dicht oder repräsentativ, wenn die Klasse der Bildobjekte von F aus jeder Isomorphieklasse von L mindestens ein Objekt enthält, also wenn es für jedes B ∈ Obj(L) ein A ∈ Obj(K) gibt, so daß B und F (A) isomorph sind. Beispiele C.2.15. 1. Der Injektionsfunktor einer Unterkategorie T in ihre Mutterkategorie K ist eine Einbettung. Er ist genau dann voll, wenn T eine volle Unterkategorie von K ist. Umgekehrt bildet übrigens das Bild einer Einbettung eine Unterkategorie. 2. Der Projektionsfunktor auf einen Quotienten ist voll, aber nur in trivialen Fällen treu. Er ist natürlich auch dicht. 3. Jeder Vergiß-Funktor von einer konkreteten Kategorie nach Set ist treu. Im allgemeinen ist so ein Vergiß-Funktor aber weder voll noch eine Einbettung. 4. Der Vergißfunktor von der Kategorie der Körper nach Set ist weder voll noch dicht (es gibt keinen Körper mit sechs Elementen). Satz C.2.16. Die Hintereinanderausführung zweier Funktoren, die beide eine der fünf oben definierten Eigenschaften haben, hat auch diese Eigenschaft. Beweis. Die Hintereinaderausführung injektiver (surjektiver, bijektiver) Funktionen ist auch injektiv (surjektiv, bijektiv), was die ersten vier Fälle klärt. Seien also F : K − → L und G : K − → M dichte Funktoren und C ∈ Obj(M). Dann gibt es ein B ∈ Obj(L) so, daß G(B) und C isomorph sind. Dann gibt es aber auch ein A ∈ Obj(K) so, daß F (A) isomorph zu B ist. Dann ist F (A) isomorph zu B, also G(F (A)) isomorph zu G(B), also isomorph zu C. Somit ist G ◦ F auch dicht. C.3 Spezielle Morphismen In der Kategorie Set der Mengen und Funktionen kennen wir Begriffe wie Injektivität oder Surjektivität von Morphismen. In diesem Abschnitt geht es darum, diese Begriffe für beliebige Kategorien bereitzustellen. Dies kann einmal dadurch geschehen, daß man auf Links- und RechtsInvertierbakeit abhebt und erhält die Begriff Schnitt und Retraktion. Andererseits kann man die Links- und Rechts-Kürzbarkeit in den Mittelpunkt rücken, und erhält die Begriffe Mono- und Epimorphismus. Um diese zu motivieren, setzen wir zunächst Kategorien und Monoide in Beziehung. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 152 C.3.1 Kategorien und Monoide Definition C.3.1 (Endomorphismen). Ist K eine Kategorie und A ∈ Obj(K), so nennt man homK (A, A) die Menge der Endomorphismen von A. Man schreibt für die Menge homK (A, A) auch EndK (A). Satz C.3.2 (Endomorphismen als Monoide). Sei K eine Kategorie und A ein Objekt von K. Es ist dann (homK (A, A), ◦) ein Monoid. Beweis. Die angegeben Verknüpfung auf homK (A, U ) ist laut den Bedingungen an eine Kategorie assoziativ. Das Eins-Element von (homK (A, A), ◦) ist ein neutrales Element von A. Bemerkung C.3.3. Enthält Obj(K) ohnehin nur ein einziges Element, so kann K also schon als ein Monoid aufgefaßt werden. Definition und Korollar C.3.4 (Eindeutigkeit der Identität). Sei K eine Kategorie. Da in Monoiden das Eins-Element eindeutig ist, gibt es für jedes A ∈ Obj(K) nur genau einen Identitätsmorphismus, den wir dann mit gutem Recht als IdA oder 0A bezeichnen können. Definition C.3.5 (Automorphismengruppe). Sei K eine Kategorie und A ∈ Obj(K). Die Gruppe der invertierbaren Elemente von (homK (A, A), ◦) wird Automorphismengruppe von A genannt, und die zugrundeliegende Menge wird mit AutK (A) bezeichnet. Ein Element dieser Gruppe heißt Automorphismus (von A). → B ein IsomorphisSatz C.3.6. Ist K eine Kategorie und A sowie B Objekte von K und f : A − mus, dann ist die Funktion F : EndK (A) − → EndK (B), g 7→ f ◦ g ◦ f −1 , ein Isomorphismus von Monoiden. Insbesondere ist also der Isomorphietyp des Endomorphismen-Monoides und der Automorphismengruppe von K-Objekten unter Isomorphismen invariant. Beweis. Seien g, h ∈ EndK (A). Dann gilt F (g) ◦ F (h) = (f ◦ g ◦ f −1 ) ◦ (f ◦ h ◦ f −1 ) = f ◦ g ◦ h ◦ f −1 = F (g ◦ h). Ferner gilt F (1A ) = f ◦ 1A ◦ f −1 = f ◦ f −1 = 1B . Also ist F ein Homomorphismus von Monoiden. Seine Umkehrfunktion ist gegeben durch k 7→ f −1 ◦ k ◦ f für alle k ∈ EndK (B). Anmerkung C.3.7. Hintergrundinformationen zum letzten Satz findet man in [Sch70] in Beispiel 2.5.5 und in [HS79] in Kapitel 5, Paragraph 10. Satz C.3.8 (Monoide als Kategorien). Sei (M, ·) ein Monoid. Dann kann M auch als eine Kategorie aufgefaßt werden. Sei genauer O = {A} eine beliebige einelementige Menge. Betrachten wir dann die Elemente von M als Morphismen von A nach A und wählen als Komposition zweier Morphismen die Multiplikation in (M, ·), so erhalten wir eine Kategorie mit einem Element, dessen Endomorphismenmenge mit der Komposition ein zu M isomorpher Monoid ist. In diesem Sinne ist also der Begriff der Kategorie eine Verallgemeinerung des Begriffes des Monoides. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 153 Beweis. Die Bedingungen die erfüllt sein müssen, gelten alle aus mehr oder weniger trivialen Gründen. Der Identitätsmorphismus von A ist das Einselement von (M, ·). Bemerkung C.3.9. Wir können den letzten Satz auch so umformulieren, daß wir aus einem Monoid eine konkrete Kategorie konstruieren. Ein Vorschlag wäre der folgende: Wir betrachten als Objektklasse die Menge {M }. Die Funktion Z soll die Identität auf dieser Menge sein, und die Menge der Morphismen sei die Menke der Linksmultiplikationen mit Elementen aus M , also © ª hom(M, M ) := f ∈ M M | ∃m ∈ M ∀x ∈ M : f (x) = m · x . C.3.2 Schnitte, Retraktixnen und Isomorphismen Wir haben gesehen, daß Kategorien eine Verallgemeinerung von Monoiden sind. Es lohnt sich deshalb, Kategorien als spezielle algebraische Objekte anzusehen, auf die wir Begriffe, die wir für Monoide kennen, verallgemeinern können. Zunächst eine Erinnerung: Bemerkung C.3.10 (Invertierbarkeit in Monoiden). Sei (M, ·) ein Monoid und e das EinsElement von M . Dann heißt ein Element m ∈ M links-invertierbar (rechts-invertierbar), wenn es ein n ∈ M gibt mit nm = e (mn = e). Wir nennen m invertierbar, wenn es sowohl linksals auch rechts-invertierbar ist. In diesem Fall hat m genau ein Links- und genau ein RecwtsInverses, und diese sind gleich. Das also eindeutige Inverse wird dann mit m−1 bezeichnet. Beweis. Sei m ∈ M und l, r ∈ M mit lm = e = mr. Dann gilt l = le = l(mr) = (lm)r = er = r. Somit sind alle Links-Inversen gleich allen Rechts-Inversen, also gibt es überhaupt nur jeweils eins, und die sind auch noch gleich. Wir verallgemeinern dies nun für Kategorien: Definition C.3.11 (Retraktion, Schnitt). 20 Sei K eine Kategorie. Seien A und B Objekte von K und f ein Morphismus von A nach B. Dann heißt f • Retraktion von A nach B, wenn es einen K-Morphismus g von B nach A gibt, ss daß f ◦ g = 1B gilt, d.h. f hat ein Rechts-Inverses. • Schnitt, Sektion oder Ko-Retraktion von A nach B, wenn es einen K-Morphismus g von B nach A gibt, so daß g ◦ f = 1A gilt, d.h. f hat ein Links-Inverses. → B genau dann ein Beispiele C.3.12. 1. In der Kategorie Set ist ein Morphismus f : M − Schnitt, wenn f injektiv und nicht die leere Funktion von der leeren in eine nicht-leere Menge ist; f ist genau dann eine Retraktion, wenn f surjektiv ist. 2. In konkreten Kategorien sind Schnitte immer injektiv und Retraktionen immer surjektiv. Ein kurzes Argument dafür folgt weiter unten, man kann sich aber auch direkt davon überzeugen. 20 Vergleiche [Sch70], Abschnitt 5.2 und [HS79], Japitel IV, Paragraph 5. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 154 Satz C.3.13. Ein Morphismus f : A − → B in einer Kategorie K ist ein Isomorphismus von A nach B, wenn er sowohl Schnitt als auch Retraktion von A nach B ist. Beweis. Analog zu Bemerkung C.3.10. Bemerkung C.3.14. Es sei angemerkt, daß Schnitt und Retraktion zueinander duale Konzepte sind, das heißt ein Schnitt in einer Kategorie ist ein Retrakt in der dualen Kategorie (und umgekehrt). Isomorphismus ist ein zu sich selbst dualer Begriff. Satz C.3.15. Die Hintereinanderausführung von Retraktionen (bzw. Schnitten, Isomorphismen) ist ein Schnitt (bzw. eine Retraktion, ein Isomorphismus). Beweis. Wir zeigen die Aussage für Retraktionen. Für Schnitte ergibt sie sich analog (oder automatisch, da es sich um die duale Aussage handelt), für Isomorphismen wurde sie bereits gezeigt und folgt auch aus den ersten beiden Fällen. Sei K also eine Kategorie und A, B, C Objekte von K. Seien fAB : A − → B und fBC : B − → C Retraktionen. Dann finden wir Morphismen hBA : B − → A und hCB : C − → B in K so, daß fAB ◦ hBA = 1B und fBC ◦ hCB = 1C . Dann gilt (fBC ◦ fAB ) ◦ (hBA ◦ hCB ) = fBC ◦ (fAB ◦ hBA ) ◦ hCB = fBC ◦ 1B ◦ hCB = 1C . Also hat fBC ◦ fAB ein Rechtsinverses, ist also eine Retraktion. Definition C.3.16 (Retrakt und Ko-Retrakt). Sind A und B Objekte einer Kategorie K, so heißt A ein (Ko-)Retrakt von B, wenn es eine (Ko-)Retraktion von B nach A gibt. Die folgenden Aussagen formuliere ich nur für Retrakte, sie gelten aber selbstverständlich analog auch für Ko-retrakte. Satz C.3.17. Aus dem Satz C.3.15 folgt: Sind A, B und C Objekte einer Kategorie K, und ist A ein Retrakt von B und B ein Retrakt von C, so ist A ein Retrakt von C. Ferner ist A ein Retrakt von sich selbst. Bemerkung C.3.18. Die Eigenschaft, Retrakt von etwas zu sein, bleibt unter Isomorphie invariant. Genauer gilt: Sind A, A0 und B Objekte einer Kategorie K und A isomorph zu A0 , dann ist A ein Retrakt von B genau dann, wenn A0 ein Retrakt von B ist. Satz C.3.19. Seien A und B Objekte einer Kategorie K, und sei r : AtoB eine Retraktion von A nach B mit Rechtsinversem s : B − → A. Dann ist Φ : End(B) − → End(A), f 7→ s ◦ f ◦ r ein injektiver Halbgruppen-Homomorphismus. Die Funktion Ψ : End(A) − → End(B), g 7→ r ◦ g ◦ s ist ein Linksinverses von Φ, es gilt also Ψ ◦ Φ = IdEnd(B) . Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 155 Beweis. Die Homomorphie-Regel für Φ ist offensichtlich, da r ◦ s = 1B gilt. Sei nun f ∈ End(B). Dann gilt Ψ(Φ(f )) = r ◦ (s ◦ f ◦ r) ◦ s = (r ◦ s) ◦ f ◦ (r ◦ s) = f. Somit ist Ψ ein Linksinverses von Φ. Anmerkung C.3.20. Wenn man die Komplexität eines Objektes A einer Kategorie daran mißt, wie komplex die Halbgruppe End(A) ist, so besagt der vorangegangene Satz in etwa das folgende: Ist B ein Retrakt von A, so ist B nicht komplexer als H, denn wir finden in End(A) ein isomorphes Abbild von End(B). Satz C.3.21. Seien A, B Objekte einer Kategorie K, und sei r : AtoB eine Retraktion von A nach B mit Rechtsinversem s : B − → A. Dann gilt für jedes K-Objekt C: Die Ibbildung Φr : hom(C, A) − → hom(C, B), f 7→ r ◦ f ist surjektiv mit Rechtsinversem Φs : hom(C, B) − → hom(C, A), f 7→ s ◦ f, das heißt es gilt Φr ◦ Φs = Idhom(C,B) . C.3.3 Monomorphismen, Epimorphismen und Bimorphismen In Monoiden gibt es eine Eigenschaft, die schwächer ist als die Invertierbarkeit, nämlich dde Kürzbarkeit: Definition C.3.22 (Kürzbarkeit in Monoiden). Sei (M, ·) ein Monoid. Ein Element m ∈ M heißt links- (rechts-) kürzbar, wenn gilt ∀x, y ∈ M : mx = my ⇒ x = y bzw. ∀x, y ∈ M : xm = ym ⇒ x = y. Ein Element, das links- und rechtskürzbar ist, heißt kürvbar. Wir verallgemeinern dies für Kategorien. Definition C.3.23 (Mono-, Epi- und Bimorphismen). 21 Sei K eine Kategorie. Seien A und B zwei K-Objekte und f : A − → B. Der Morphismus f heißt • Monomorphismus von A nach B, wenn für alle Objekte C und Morphismen g, h : C − → A gilt, daß aus f ◦ g = f ◦ h schon g = h folgt; 21 Siehe [Sch70], Abschnitt 5.1 und [HS79], Kapitel IV, Paragraph 0. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 156 • Epimorphismus von A nach B, wenn für alle Objekte C und alle Morphismen g, h : B − → C, gilt, daß aus g ◦ f = h ◦ f schon g = h folgt; • Bimorphismus von A nach B, wenn f sowohl Mono- abs auch Epimorphismus ist. Beispiele C.3.24. 1. In der Kategorie Set sind die Monomorphismen gerade die injektiven Abbildungen und die Epimorphismen gerade die surjektiven Abbildungen. Also ist ein Set-Morphismus genau dann ein Bimorphismus, wenn er bijektiv ist. 2. Für konkrete Kategorien sind injektive Funktionen immer Monomorphismen und surjektive Funktionen immer Epimorphismen. Das müssen aber nicht alle sein: 3. Etwa ist in der Kategorie der Hausdorffräume Top2 eine stetige Funktion genau dann ein Epimorphismus, wenn sie dichtes Bild hat. Dasselbe gilt in der Kategorie der KBanachräume mit den stetigen K-linearen Abbildungen. Also sind die Begriffe Epimorphismus und Retraktion voneinander verschieden. Ebenso sind Monomorphismen nicht immer Schnitte und Bimorphismen nicht immer Isomorphismen. 4. In den Kategorien Grp, Top und CompT5 sind die Monomorphismen gerade die injektiven Morphismen und die Epimorphismen gerade die surjektiven Morphismen. Bemerkung C.3.25. Mono- und Epimorphismus sind zueinander duale Konzepte. Bimorphismus ist ein selbst-duales Konzept. Satz C.3.26. Die Hintereinanderausführung von Mono-(Epi-,Bi-)morphismen ist wiederum ein Mono-(Epi-, Bi-)morphismus. Beweis. Wir zeigen die erste Asssage. Seien A, B, C Objekte von D und f : A − → B und g : B − → C Monomorphismen. Sei D ein weiteres Objekt und h, k : D − → A. Es gelte (g ◦ f ) ◦ f = (g ◦ f ) ◦ k. Da g eine Monomorphismus ist, folgt, da auch g ◦ (f ◦ h) = g ◦ (f ◦ k) gilt, daß f ◦ h und f ◦ k gleich sind. Da f ein Monomorphismus ist, folgt daraus, daß h = k gilt. Also ist g ◦ f ein Monomorphismus. Satz C.3.27. Jeder Schnitt ist ein Monomorphismus, jede Retraktion ein Epimorphismus. Beweis. Wir zeigen dies für Monomorphismen. Sein A, B Objekte einer Kategorie K und f : A − → B ein Schnitt von A nach B. Sei C ein weiteres K-Objekt und g, h : C − → A Morphismen derart, daß f ◦ g = f ◦ h. Es sei k : B − → A ein Linksinverses von f . dann gilt g = 1A ◦ g = (k ◦ f ) ◦ g = k ◦ (f ◦ g) = k ◦ (f ◦ h) = 7A ◦ h = h. Also ist f ein Monomorphismus. Satz C.3.28. Folgende Aussagen sind für einen Morphismus f : A − → B einer Kategorie K äquivalent: 1. f ist ein Isomorphismus; Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 157 2. f ist ein Monomorphismus und eine Retraktion; 3. f ist ein Epimorphismus und ein Schnitt. Beweis. Aus 1. folgen sofort mit dem letzten Satz und der Definition von isomorph die beiden anderen Aussagen. Wenn wir 2. ⇒ 1. gezeigt haben, dann ist 3. ⇒ 1. die dazu duale Aussage, also auch gezeigt. Es gelte also 3.. Dann ist f eine Retraktion. Dann finden wir also einen Morphismus g : B − → A mit f ◦ g = IdB . Es gilt f ◦ (g ◦ f ) = (f ◦ g) ◦ f = 1B ◦ f = f ◦ 1A . Nun ist f eine Monomorphismus, also gilt g ◦ f = 1A , also ist f eine Isomorphismus. C.3.4 Funktoren und spezielle Morphismen Definition C.3.29. Sei F ein Funktor von K nach L. Man spricht davon, daß F die kategorielle Eigenschaft P erhält, wenn jedes Bild unter F eines Morphismus oder eines Objektes, dem die Eigenschaft P in K zukommt, die Eigenschaft P in L hat. Analog spricht man davon, daß F die kategorielle Eigenschaft P reflektiert, wenn für jeden Morphismus bzw. jedes Objekt von K gilt: Hat sein Bild die Eigenschaft P in L, so hat der Morphismus bzw. das Objekt die Eigenschaft P in K. Satz C.3.30. Jeder Funktor erhält Isomorphismen, Schnitte und Retraktionen. Beweis. Das Argument ist jeweils analog zu (bzw. gleich) dem aus C.2.13. Satz C.3.31. Jeder treue Funktor F : K − → L reflektiert Mono-, Epi- und Bimorphismen. Beweis. Sei F (f ) : F (A) − → F (B) ein Monomorphismus in L. Sei C ein weiteres K-Objekt und g, h : C − → B mit f ◦ g = f ◦ h. Es folgt F (f ) ◦ F (g) = F (f ) ◦ F (h). Da F (f ) ein Monomorphismus ist, folgt F (g) = F (h). Es sind also g und h Morphismen von C nach A mit gleichem Bild, da F treu ist folgt also g = h, somit ist f ein Monomorphismus. Die Aussage für Epimorphismen folgt aus dem Dualitätsprinzip, die für Bimorphismen folgt dann automatisch. Satz C.3.32. Jeder völlig treue Funktor F : K − → L reflektiert Schnitte, Retraktionen und Isomorphismen. Beweis. Sei F (f ) : F (A) − → F (B) ein Schnitt in L. Sei h : F (B) − → F (A) so gewählt, daß h ◦ F (f ) = 1F (A) . Da F voll ist, finden wir ein g : B − → A mit F (g) = h. Es ist F (g ◦ f ) = 1F (A) , da aber F treu ist, folgt g ◦ f = 1A , also ist f ein Schnitt in K. Somit reflektiert F Schnitte. Da völlige Treue ein selbstduales Konzept ist, reflektiert F auch Retraktionen und Isomorphismen. C.4 Null-Objekte und Null-Morphismen Um Zusammenziehbarkeit in einem kategoriellen Rahmen besser verstehen zu können, lohnt sich ein Blick auf den Begriff des Null-Objekts. Vergleiche hierzu [HS79], Abschnitt 7. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 158 C.4.1 Initiale, terminale und Null-Objekte Definition C.4.1 (initiales, terminales, Null-Objekt). Sei K eine Kategorie und A ein KObjekt. Das Objekt heißt • initiales Objekt in K, wenn es für jedes Objekt B ∈ K genau einen Morphismus von A nach B gibt; • terminales Objekt in K, wenn es für jedes Objekt B ∈ K genau einen Morphismus von B nach A gibt; • Null-Objekt in K, wenn A sowohl initial als auch terminal ist. Bemerkung C.4.2. Offenbar sind initial und terminal zueinander duale Konzepte. Null-Objekt ist ein selbst-duales Konzept. Satz C.4.3 (Eindeutigkeit). Sei K eine Kategorie und A, A0 zwei initiale (terminale) Objekte in K. Dann gibt es genau einen Morphismus von A nach A0 und dieser ist ein Isomorphismus. Beweis. Seien A und A0 initiale Objekte. Da A initial ist, gibt es genau einen Morphismus f von A nach A0 . Analog gibt es genau einen Morphismus von A nach A, nämlich 1A , von A0 nach A, sagen wir g, und von A0 nach A0 , nämlich 1A0 . Dann muß gelten g ◦ f = 1A und f ◦ g = 1A0 . somit ist f ein Isomorphismus. Satz C.4.4. Sei K eine Kategorie und A ein initiales (terminales) Objekt in K. Sei B ein Retrakt von A in K. Dann ist B auch initiales (terminales) Objekt. Beweis. Wir zeigen die Aussage für initiale Objekte. Sei A initial. Seien r : A − → B und s : B − → A Morphismen mit r ◦ s = 1B . Sei C ein weiteres K Objekt und f : A − → C der einzige Morphismus von A nach C. Dann ist f ◦ s ein Morphismus von B nach C. Sei g ein weiterer Morphismus von B nach C. Dann ist g ◦ r = f , da A initial ist. Es folgt f ◦ s = (g ◦ r) ◦ s = g ◦ (r ◦ s) = g. Somit ist f ◦ s der einzige Morphismus von B nach C. Beispiel C.4.5. Jedes Objekt der Form ({x0 }, x0 ) von pTop ist ein Null-Objekt von pTop. Beweis. Sei {x0 } ein einelementiger Raum und (Y, y0 ) ein beliebiger Raum mit Basispunkt. Dann ist die Funktion x0 7→ y0 die einzige Basispunkt-erhaltende Funktion von {x0 } nach Y . Andersherum ist y 7→ x0 die einzige Funktion von Y nach {x0 }, die erfreulicherweise Basispunkterhaltend ist. Also ist {x0 } ein Null-Objekt von pTop. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 159 C.4.2 (Ko-)Konstante Morphismen und Null-Morphismen Definition C.4.6 (konstante, ko-konstante und Null-Morphismen). Sei f : A − → B ein Morphismus einer Kategorie K. Dann heißt f 1. konstanter Morphismus von A nach B, wenn für alle Objekte C und alle Morphismen g, h : C − → A gilt: f ◦ g = f ◦ h; 2. ko-konstanter Morphismus von A nach B, wenn für alle Objekte C und alle Morphismen g, h : B − → C gilt: g ◦ f = h ◦ f ; 3. Null-Morphismus von A nach B, wenn f sowohl konstant als auch ko-konstant ist. Satz C.4.7. Seien f : A − → B, g : B − → C und h : C − → D Morphismen einer Kategorie K. Sei g ein konstanter (ko-konstanter, Null-) Morphismus. Dann ist h ◦ g ◦ f schon konstant (ko-konstant, ein Null-Morphismus). Beweis. Wegen des Dualitätsprinzips reicht es, dieses Lemma nur für konstante Morphismen zu zeigen. Sei also g konstant. Sei X ein weiteres K-Objekt und r, s : X − → A zwei Morphismen. Dann gilt g ◦ (f ◦ r) = g ◦ (f ◦ s), da g konstant ist, also auch (h ◦ g ◦ f ) ◦ r = (h ◦ g ◦ f ) ◦ s, also ist h ◦ g ◦ f konstant. Satz C.4.8. Sei K eine Kategorie und T ein in K terminales Objekt. Seien A und B weitere K-Objekte und f : A − → B ein Morphismus. Dann folgt aus 1. immer 2.. Gilt außerdem homK (T, A) 6= ∅, dann sind 1. und 2. sogar äquivalent. 1. f kann durch T hindurch faktorisiert werden. 2. f ist konstant. Beweis. Es gelte zunächst 1.. Finde g : A − → T und h : T − → B mit f = h ◦ g. Sei nun C ein weiteres K-Objekt und r, s : C − → A seien Morphismen. Dann gilt g ◦ r = g ◦ s, da es nur genau einen Morphismus von C nach A gibt. Somit gilt f ◦ r = h ◦ g ◦ r = h ◦ g ◦ s = f ◦ s, also ist f konstant. Sei nun andererseits f konstant und g : T − → A. Da T terminal ist, gibt es genau ein u : A − → T . Nun gilt, da f konstant ist, f = f ◦ 1A = f ◦ (g ◦ u) = (f ◦ g) ◦ u. Also kann f durch T hindurch faktorisiert werden. Existiert in einer Kategorie ein Null-Objekt, so lassen sich konstante und Null-Morphismen besser verstehen: → B ein K-Morphismus, dann Satz C.4.9. Sei K ein Kategorie mit Null-Objekt N . Ist f : A − sind die folgenden Aussagen äquivalent: 1. f ist ein Null-Morphismus. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 160 2. f ist konstant. 3. f ist ko-konstant. 4. f kann durch N faktorisiert werden. Beweis. Nach Definition ist 1. zu (2. und 3.) äquivalent. Da N ein Null-Objekt ist, sind nach Satz C.4.8 2. und 4. äquivalent. Nach Dualisierung nämlichen Satzes erhält man die Aussage, daß auch 3. und 4. äquivalent sind. Somit sind auch 2. und 3. äquivalent und die Behauptung ist gezeigt. Lemma C.4.10. In einer Kategorie K ist für ein K-Objekt T äquivalent: 1. T ist terminal. 2. Für jedes K-Objekt A gibt es einen Morphismus von A nach T , und 1T ist konstant. Beweis. Sei T zunächst terminal und A ein K-Objekt. Dann gibt es genau einen Morphismus von A nach T . Sind r, s : A − → T , so gilt also schon 1T ◦ r = r = s1T ◦ s, also ist 1T auch konstant. Es gelte 2.. Sei A ein K-Objekt und r, s : A − → T . Dann gilt r = 1T ◦ r = 1T ◦ s = s, also gibt es nur genau einen Morphismus von A nach T , also ist T terminal. C.4.3 Erhaltungseigenschaften unter Funktoren Satz C.4.11. Jeder treue Funktor reflektiert (ko-)konstante und Null-Morphismen. Beweis. Seien K und L Kategorien und F : K − → L ein treuer Funktor. Sei f : A − → B ein K-Morphismus so, daß F (f ) : F (A) − → F (B) konstant ist. Sei C ein weiteres K-Objekt und r, s : C − → A Morphismen. Es gilt dann F (f ◦ r) = F (f ) ◦ F (r) = F (f ) ◦ F (s) = F (f ◦ s). Da F treu ist, folgt f ◦ r = f ◦ s, also ist f konstant. Satz C.4.12. Jeder volle und dichte Funktor erhält (ko-)konstante und Null-Morphismen sowie terminale, initiale und Null-Objekte. Beweis. Seien K und L Kategorien und F : K − → L ein voller und dichter Funktor. Sei f : A − → B ein konstanter Morphismus in K. Sei M ein L-Objekt und r, s : M − → F (A) Morphismen in L. Sei C ein K-Objekt so, daß F (C) zu M isomorph ist. Sei ferner t : F (C) − → M ein Isomorphismus. Dann sind r ◦ t und r ◦ s Morphismen von F (C) nach F (A). Da F voll ist, gibt es Morphismen g, h : C − → A mit F (g) = t ◦ r und F (h) = t ◦ s. Dann gilt F (f ) ◦ r = F (f ) ◦ F (g) ◦ t−1 = F (f ◦ g) ◦ t−1 = F (f ◦ h) ◦ t−1 = F (f ) ◦ s. Also ist F (f ) konstant. Sei nun T ein terminales Objekt von K. Sei M ein L-Objekt. Sei A ein K-Objekt so, daß F (A) und M isomorph sind. Sei t : M − → F (A) ein Isomorphismus. Ferner sei f : A − →T der Morphismus von A ins terminale Objekt T . Dann ist F (f ) ◦ t ein Morphismus von M nach F (T ). Da 1T konstant ist, ist auch F (1T ) = 1F (T ) konstant, also ist F (T ) nach Lemma C.4.10 terminal. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 161 Korollar C.4.13. Sei K eine Kategorie und ∼ eine Kongruenz auf K. Dann erhält der Projektionsfunktor P∼ : K − → K/∼ konstante, ko-konstante und Null-Morphismen sowie terminale, initiale und Null-Objekte. Anhang D Logarithmus und Polarzerlegung in C ∗-Algebren Dieser kurze Anhang ruft einige grundlegenden Definitionen und Sätze aus der Theorie der C ∗ Algebren ins Gedächtnis. Hierbei ist mir wichtig, daß die hier genannten Aussagen sowohl für komplexe, als auch für die sonst stiefmütterlich behandelten reellen C ∗ -Algebren gelten. Sie werden im zweiten Kapitel gebraucht, wo gezeigt wird, daß für jede C ∗ -Algebra A die Gruppe U(A) ein sternger Deformationsretrakt von G(A) ist. D.1 C ∗-Algebren Definition D.1.1 (K-C ∗ -Algebra). Eine K-Banachalgebra A zusammen mit einer Involution ∗:A− → A heißt C ∗ -Algebra, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: 1. Es gilt ∀a, b ∈ A : (ab)∗ = ba. 2. ∗ ist R-linear und im Falle K = C komplex anti-linear. 3. Es gilt ∀a ∈ A : ka∗ ak = kak2 . 4. Es gibt einen K-Hilbertraum H so, daß A isometrisch ∗-isomorph zu einer abgeschlossenen ∗-invarianten K-Unteralgebra von LK (H) ist. Bemerkung D.1.2. Man kann mit Hilfe der sogenannten GNS-Konstruktion zeigen, daß im Falle K = C die letzte Bedingung überflüssig ist. 162 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 163 Definition D.1.3. ((Strikt) positive und hermitesche Elemente) 1. Sei H ein K-Hilbertraum und ϕ ∈ L(H). Dann heißt ϕ positiv, wenn für alle x ∈ H gilt: hϕx, xi ≥ 0. Man kann zeigen, daß ϕ genau dann positiv ist, wenn es ein ψ ∈ L(H) gibt mit ψ ∗ ψ = ϕ. ϕ heißt strikt positiv, wenn ϕ positiv und invertierbar ist. 2. Ist A eine K-C ∗ -Algebra und a ∈ A, dann nennt man a positiv, wenn es ein b ∈ A gibt mit a∗ a = b. Dies ist genau dann der Fall, wenn für jeden K-Hilbertraum H und jede Darstellung π von A als C ∗ -Unteralgebra von L(H) gilt, daß π(a) ein positives Element von L(H) ist. a heißt strikt positiv, wenn a positiv und invertierbar ist. Die Menge der positiven Elemente von A bezeichnen wir mit A≥0 , die Menge der strikt positiven Elemente mit A>0 . 3. Ist A eine K-C ∗ -Algebra, so bezeichne mit Ah die Menge der hermiteschen1 Elemente von A, also die Menge aller a ∈ A mit a∗ = a. D.2 Logarithmus und Polarzerlegung Generalvoraussetzung D.2.1. Sei A im den Abschnitt D.2 eine unitale C ∗ -Algebra über K mit Eins-Element eA . Definitionssatz D.2.2 (Logarithmus). Es ist die Einschränkung der Abbildung expA : A − →A auf Ah ein Homöomorphismus von Ah auf A>0 . Die Umkehrabbildung dieser Einschränkung bezeichnen wir mit logA oder auch nur mit log. Die Abbildung log ist also ein Homöomorphismus von A>0 auf Ah . Definitionssatz D.2.3 (Wurzel und Betrag). 1. Sei p ein strikt positives Element und r ∈ R. Dann definiere pr := exp(r log(p)). Dann ist pr strikt positiv. Es gilt p1/2 p1/2 = p. 2. Ist a ∈ A, dann setze |a| = (a∗ a)1/2 . Definition D.2.4 (unitäre Elemente). Ein Element a ∈ A heißt unitär, wenn a invertierbar ist und a∗ = a−1 gilt. Definitionssatz D.2.5 (unitäre Gruppe). Die unitären Elemente von A bilden eine Untergruppe von G(A), die wir mit U(A) bezeichnen. Ist H ein nicht-trivialer Hilbertraum, dann schreiben wir U(H) für U(L(H)). 1 Im reellen Fall nennt man diese Elemente vorzugsweise „symmetrisch“, aber zur Vereinfachung benutzen wir im reellen und komplexen Fall gleichermaßen den Begriff „hermitsch“. Der Satz von Kuiper, W. Paravicini Definitionssatz D.2.6 (Polarzerlegung in G(A)). Dann ist die Multiplikationsabbildung µ : U(A) × A>0 − → G(A), (u, p) 7→ u · p ein Homöomorphismus, dessen Umkehrabbildung durch ¡ ¢ a 7→ a |a|−1 , |a| gegeben ist. Die Abbildung µ−1 wird Polarzerlegung genannt. 164 Literaturverzeichnis [Bou89a] Nicolas Bourbaki. General Topology Chapters 1-4. Springer Verlag, 1989. [Bou89b] Nicolas Bourbaki. General Topology Chapters 5-10. Springer Verlag, 1989. [CH87] Joachim Cuntz and N. Higson. Kuiper’s theorem for Hilbert modules. Contemporary Mathematics, 62:429–434, 1987. [DF81] J.J. Dupré and P.A. Fillmore. Triviality theorems for Hilbert modules. Topics in Modern Operator Theory, pages 71–79, 1981. [HN91] Joachim Hilgert and Karl-Hermann Neeb. Lie-Gruppen und Lie-Algebren. Vieweg Verlag, 1991. [HS79] Horst Herrlich and George E. Strecker. Category Theory. Heldermann Verlag Berlin, 1979. [Ill65] Luc Illusie. Contractibilité du groupe linéaire des espaces de Hilbert de dimension infinie. Séminare Bourbaki, 284, 1965. [Kas82] V. A. Kasimov. 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[Whi78] George William Whitehead. Elements of Homotopy Theory. Springer Verlag, 1978. [WO93] N. E. Wegge-Olsen. K-theory and C ∗ -algebras. Oxford University Press, 1993. Index Adjungierte, 101 Automorphismus, 152 erzeugende Menge eines normierten Raumes, 70 BanAlg, 142 BanSp, 141 Basis einer Hilbertraum-Summe, 64 Basispunkt, 23 berandet homöomorph, 133 Bimorphismus, 155 Funktor dichter, 150 Einbettungs-, 150 erhaltender, 157 kontravarianter, 148 kovarianter, 147 reflektierender, 157 treuer, 150 völlig treuer, 150 voller, 150 Cn, 136 C ∗ -Alg, 142 C ∗ -Algebra, 162 GL(H)H 0 , 13 gleichgradig stetig, 77 gleichmächtig, 135 Grp, 141 d(E), 70 Deformation, 10, 27 Deformationsretrakt, 28 schwacher, 28 strenger, 28 deformierbar, 10 deformieren schrittweise, 10, 28 ∆(X), 69 dim, 12, 73 Dimensionsformel für die Hilbertraum-Summe, 73 Dimensionsungleichung für Teilräume, 73 dominieren, 25 duale Kategorie, 146 Dualitätsprinzip, 146 d-Ungleichung für Teilräume, 71 Halbierung, 74 Hauptlemma, 11 hermitesch, 163 Hilbert-Modul, 100 Hilbertraum-Dimension, 12, 73 Hilbertraum-Summe äußere, 62 innere, 11, 62 von Hilberträumen, 63 von stetigen Operatoren, 64 A HilbMod, 100 ∗ A HilbMod , 101 HilbSp, 141 Hom-Funktor kontravarianter, 149 kovarianter, 36, 149 homotop, 9, 21 Endomorphismus, 152 Ens, 141 Epimorphismus, 155 167 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini in einer Kategorie, 22 in einer Menge von Funktionen, 21 relativ zu einer Menge, 22 Homotopie, 9, 21 Homotopie-äquivalent, 24 Homotopie-Kategorie, 23 Homotopiegruppe, 37 Homotopieklasse, 23 Homotopietyp von U(A) und G(A), 30 hpTop, 24 hTop, 24 invariante orthogonale Zerlegung, 96 invariante Teilräume, 94 invM (X), 94 isomorph, 142 Isomorphismus, 142, 153 Kardinalzahlen, 136 Kategorie abstrakte, 140 duale, 146 konkrete, 143 Kipp-Abbildung, 83 kleine Menge, 53 Ko-Dimension, 75 Ko-Dimensions-Ungleichung, 75 ko-konstant, 159 Ko-Retrakt, 154 kohärent, 113 Kongruenz, 144 konstant, 159 Kontraktion, 9, 32 kugelartig, 131 l2 (I, A), 104 l2 -direkte Summe von Hilbert-Moduln, 103 von Hilberträumen, 63 von Operatoren zw. Hilbert-Moduln, 104 von Operatoren zw. Hilberträumen, 64 Lemma Dreh-, 13, 82 168 Füge-, 12, 77 Untergruppen-, 14, 87 Zerlege-, 13, 79, 93 Logarithmus, 163 lokal wegzusammenhängend, 116 lokal-endlich, 133 mächtiger, 135 Mächtigkeit einer Menge, 136 Menge kleine, 53 Monoid, 152 Monomorphismus, 155 Morphismus ko-konstanter, 159 konstanter, 159 Null-, 159 Nerv, 41, 52 NormAlg, 142 NormSp, 141 Null-Morphismus, 159 Null-Objekt, 158 nullhomotop, 34 Objekt initiales, 158 Null-, 158 terminales, 158 Operator adjungierbarer, 101 stetiger, 100 orthogonal, 108 Orthogonalzerlegung, 74 parakompakt, 133 Pe (A), 139 πn (X), 37 πn (X, x0 ), 37 Polarzerlegung, 164 positiv, 98, 163 Prä-Hilbert-Modul, 99 PreHilbSp, 141 pTop, 23 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 169 Quotientenkategorie, 145 Träger, 133 Reduktionsschritt, 96 Retrakt, 24, 26, 154 schwacher, 26 Retraktion, 26, 153 Retraktionsdeformation, 28 schwache, 28 strenge, 28 u(A), 82 U(H, H 0 ), 8 unitär, 8, 163 unitär Gruppe, 8 unitäre Gruppe, 163 untergeordnet, 134 Satz von Kasparov, 109 von Kuiper, 3, 9 Beweis, 14, 77 von Kuiper-Mingo, 6, 105 Schnitt, 153 separabel, 69, 71, 95 Set, 141 simpliziale Abbildung, 41 Realisierung, 42 Simplizialkomplex, 40 Realisierung, 42 Skelette eines Simplizialkomplexes, 40 stetig gleichgradig, 77 stetige Teilung der Eins, 53, 134 supp, 133 Teilkategorie, 143 Teilkomplex, 41 Teilraumfamilie, 113 Teilung der Eins, 134 eines Hilbertraums, 74 Top, 141 Topologie induktive, 113 kohärente, 47, 114 Kompakt-Offen-, 112 metrische, 44 schwache, 47, 114 Standard-, 43 Weg-, 116 Topologisierung, 43 K VectSp, 141 Verfeinerung, 133 Weg-Topologie, 116 und Homotopie, 121 und topologische Gruppen, 120 Wickel-Abbildungen, 84 Zerlege-Satz, 96 Zusammenziehbarkeit, 9, 32 Charakterisierung, 34 der Einheitssphäre von l2 (N), 57 in normierten Räumen, 52, 55 schwache, 38 und Wegzusammenhang, 33 von Einheitssphären, 57 Der Satz von Kuiper, W. Paravicini 170 Hiermit erkläre ich, daß die vorliegende Arbeit selbständig verfaßt worden ist und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet worden sind. Kiel, den 15. März 2003