WIEDERHOLUNG AUSSAGENLOGIK UND BEWEISE Zusammenfassung. Dieses Dokument ist kein offizieller Bestandteil der Vorlesung „Lineare Algebra für Physik“, sondern lediglich als ergänzende Hilfestellung gedacht. Diese Einführung in die Aussagen- und Prädikatenlogik ist nicht vollständig und berührt nur die grundlegenden Konzepte, welche für formal korrekt geführte Beweise notwendig sind. Große lateinische Buchstaben (A, B, C, . . . ) repräsentieren im Folgenden Aussagen, denen man eindeutig einen Wahrheitswert in {0, 1} = {falsch, wahr} zuordnen kann. Aus derartigen Aussagen können durch den unären Operator ¬ („nicht“) und die binären Operatoren ∧ („und“, „Konjunktion“), ∨ („oder“, „Disjunktion“) neue Aussagen gewonnen werden. Implikation und Äquivalenz sind neue binäre Operatoren, welche man aus ¬, ∧, ∨ konstruieren kann, indem man definiert [A ⇒ B] := [(¬A) ∨ B], [A ⇔ B] = [((¬A) ∨ B) ∧ ((¬B) ∨ A)]. dann ist Eine Wahrheitstafel verdeutlicht die eingeführten Verknüpfungen: A B ¬A A ∧ B A ∨ B A ⇒ B 1 1 0 0 1 0 1 0 0 0 1 1 1 0 0 0 1 1 1 0 1 0 1 1 Im Fall A = 0 kommt der Implikation keine verwertbare Bedeutung zu, denn A ⇒ B ist in diesem Fall wahr, unabhängig davon, ob B wahr oder falsch ist. In diesem Fall impliziert A also nichts für B. Für den Beweis einer Äquivalenz A ⇔ B sind stets die beiden Richtungen A ⇒ B und B ⇒ A nachzuweisen, oder man erhält die Aussage B unter Voraussetzung der Aussage A ausschließlich durch Äquivalenzumformungen. Eine einzige einseitige Implikation zerstört hierbei jedoch die Korrektheit des Beweises! In einem mathematisch vollständigen Beweis sind sämtliche Implikationen und Äquivalenzen als solche zu kennzeichnen! Es versteht sich von selbst, dass sämtliche, nicht durch die Formulierung des Satzes bereits gegebenen Objekte vor ihrer ersten Benutzung definiert werden müssen. Hierzu gehören unter anderem der Ursprung verwendeter Variablen, die vollständige Definition neuer Funktionen, die komponentenweise Einführung von Matrizen 1 2 WIEDERHOLUNG AUSSAGENLOGIK UND BEWEISE (sofern man auf die Einträge zugreifen möchte) usw. Für Aussagen der Form A ⇒ B betrachten wir zunächst drei mögliche Vorgehensweisen: (1) Direkter Beweis. Aufgrund der Transitivität der Implikation (klar wegen [X ⇒ Y ] = [(¬X)∨Y ]) genügt es, die Aussage auf bereits als wahr erkannte Teilaussagen C1 , . . . , Cn zurückzuführen und die entsprechend kleineren Teilaussagen [A ⇒ C1 ] ∧ [C1 ⇒ C2 ] ∧ . . . ∧ [Cn−1 ⇒ Cn ] ∧ [Cn ⇒ B] einzeln nachzuweisen, wobei jede Teilaussage möglicherweise wieder aufgeteilt werden kann. (2) Kontraposition. Man überprüft leicht, dass [A ⇒ B] = [(¬A) ∨ B] = [(¬(¬B)) ∨ (¬A)] = [(¬B) ⇒ (¬A)]. (3) Widerspruchsbeweis. Hier wird angenommen, die Aussage B sei falsch, das heißt, es gelte ¬B, und leitet unter der Annahme A und der zusätzlichen Voraussetzung ¬B mittels vorher als richtig erkannter Aussagen die Wahrheit einer Aussage C ab, von der man bereits weiß, dass sie falsch ist. Folglich kann ¬B nicht richtig sein und es gilt A ⇒ B. Für die Aussage „Es gibt (mindestens) ein (Objekt) x in (der Menge) X, welches die Eigenschaft E besitzt“ schreiben wir kurz „∃x ∈ X : E(x)“ und nennen ∃ den Existenzquantor. Für die Aussage „Für alle (Objekte) x in (der Menge) X gilt die Eigenschaft E“ schreiben wir kurz „∀x ∈ X : E(x)“ und nennen ∀ den Allquantor. Beispiel 0.1. Die Beweise der folgenden Aussagen ist eine gute Übung. (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) ¬(¬A) = A ¬(A ∧ B) = (¬A) ∨ (¬B) ¬(A ∨ B) = (¬A) ∧ (¬B) ¬(∀x ∈ X : E(x)) = (∃x ∈ X : ¬E(x)) ¬(∃x ∈ X : E(x)) = (∀x ∈ X : ¬E(x)) ¬(∀x ∈ X : (∃y ∈ Y : E(x, y))) = (∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : ¬E(x, y))) ¬(∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : E(x, y))) = (∀x ∈ X : (∃y ∈ Y : ¬E(x, y))) Unter Verwendung der Quantoren ∃ und ∀ können Negationen beinahe „algorithmisch“ durchgeführt werden. Dazu sind die Quantoren ∃ und ∀, sowie die Operatoren ∧ und ∨, jeweils unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Reihenfolge, zu Vertauschen und alle auftretenden Aussagen zu negieren. Dies gilt auch für mehr als zweistellige Aussagen wie in den Stichpunkten (4) bis (7). Verallgemeinerungen der Formeln in (2) und (3) auf die Konjunktion (Disjunktion) WIEDERHOLUNG AUSSAGENLOGIK UND BEWEISE 3 von mehr als zwei Aussagen kennt man als De Morgan’sche Regeln. Ergänzende Erläuterungen zu diesem und weiteren Konzepten der Aussagen- bzw. Prädikatenlogik findet man auf Wikipedia in der Kategorie mathematische Logik (http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Mathematische_Logik). Zum Schluss betrachten wir zwei exemplarische Beweise, die das bisher gesagte unterstreichen sollen. Theorem 0.2 (Euklid). Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. Wir führen einen indirekten Beweis, nehmen also an, die Behauptung sei falsch. Die Negation der Aussage „Es gibt unendlich viele Primzahlen“ ist einfach „Es gibt nur endlich viele Primzahlen“. In diesem Fall können wir eine vollständige Liste P = {p1 , . . . , pn } aller Primzahlen erstellen und betrachten das Produkt aller Zahlen aus P und addieren 1. m = p1 · p2 · . . . · pn + 1 ∈ N (0.1) Da aber jede natürliche Zahl einen Primteiler besitzt (diese Tatsache wird als bereits bewiesen angenommen), gilt dies auch für m. Wir nennen diesen Primteiler q und wissen, dass er bereits in P enthalten ist, da P nach Annahme alle Primzahlen enthält. Daraus folgt, dass q ein Teiler von m und auch ein Teiler von p1 · . . . · pn ist, denn es existiert ein i mit 1 6 i 6 n und pi = q. Dann muss wegen (0.1) aber auch 1 durch q teilbar sein, was wegen q > 1 aber nicht möglich ist. Genauer gesagt, wurde hier ein Widerspruch zu der Tatsache hergeleitet, dass Primzahlen per Definition größer als 1 sind. Lemma 0.3. Sei M eine nicht leere, endliche Menge. Für eine Abbildung f : M → M sind folgende Aussagen äquivalent: (i) f ist injektiv. (ii) f ist surjektiv. (iii) f ist bijektiv. Beweis. Wir zeigen (i) ⇒ (ii) ⇒ (iii) ⇒ (i). Ist f injektiv, dann folgt |M | = |f (M )|, also ist M = f (M ) und damit die Abbildung f surjektiv. Das beweist (i) ⇒ (ii). Ist f surjektiv, so existiert für jedes y ∈ M mindestens ein x ∈ M mit f (x) = y. Angenommen, es gibt x0 , x1 ∈ M mit x0 6= x1 aber f (x0 ) = y = f (x1 ). Dann verbleiben nur |M | − 2 Elemente im Definitionsbereich, um auf |M | − 1 Elemente im Wertebereich abzubilden. Das ist unmöglich. Durch Widerspruch haben wir (ii) ⇒ (iii) hergeleitet. Der Schritt (iii) ⇒ (i) folgt aus der Definition für Bijektivität. Damit sind alle Implikationen gezeigt und das Lemma bewiesen. Achtung: Die Aussage in Lemma 0.3 gilt nur für endliche Mengen! Für unendliche Mengen ist dies im Allgemeinen falsch. 4 WIEDERHOLUNG AUSSAGENLOGIK UND BEWEISE Neben den bereits angesprochenen Beweismethoden gibt es noch die folgenden Verfahren und häufig anwendbaren „Beweiskniffe“: (1) Vollständige Induktion zum Beweis von Aussagen, welche für eine gewisse Teilmenge der natürlichen Zahlen gelten. (2) Soll eine Aussage der Form ∀x ∈ X : E(x) bewiesen werden, so beginnt der Beweis mit „Sei x ∈ X“, um anschließend durch eine Folge von Implikationen E(x) zu folgern. (3) In einer Aussage ∃x ∈ X : E(x) strebt man danach, ein konkretes x0 ∈ X zu finden, für das E(x0 ) gilt. (4) Beim Beweis der Gleichheit zweier Mengen A und B sind die beiden Relationen A ⊆ B und B ⊆ A nachzuweisen. Hinweis: Der Beweis der Gültigkeit einer Relation der Form A ⊆ B ist ein Speziallfall des Stichpunktes (2). Startet man den Beweis folglich mit einem beliebigen a ∈ A und zeigt, dass dieses Element auch stets in B enthalten ist, so hat man zunächst nur die Hälfte der notwendigen Arbeit verrichtet!