Neue Influenza A/H1N1:

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Neue Influenza A/H1N1:
Roesebeckstr. 4-6
30449 Hannover
Fon 0511/4505-0
Fax 0511/4505-140
Anpassung der Strategie zum Umgang mit
- Verdachtsfällen
- Erkrankungsfällen und
- Kontaktpersonen
Dr. M. Pulz
16. Robert-Koch-Tagung
Clausthal, 04.09.2009
www.nlga.niedersachsen.de
Neue Influenza A/ H1N1:
Zeitliche Abfolge
21 April: CDC berichten über 2 Fälle von Influenza mit einem neuen
Virus A(H1N1)
24. April: Berichte aus Mexico über mehrere 100 Fälle mit grippeähnlichen Symptomen, hohe Letalität
1. Telefonkonferenz auf Bund-Länder-Ebene (RKI / Seuchenreferenten
der Länder)
27. April:
WHO Phase 4
Erste Fälle in Spanien und UK
29. April: WHO Phase 5
11. Juni : WHO Phase 6
Grundsätzliche Strategien
Verzögerung oder Eindämmung (containment)
= Versuch, die Ausbreitung der Infektion zu verhindern durch:
Fallfindung: Erkennen von importierten Infektionen und primären
Übertragungen und
Maßnahmen, um Infektionsketten und Ausbrüche zu unterbinden,
insbesondere durch konsequente Rückverfolgung, Absonderung und
Behandlung von Kontaktpersonen
Mitigation
= Begrenzung der Auswirkungen einer Pandemie; Minimierung von
Morbidität und Mortalität
Reduzierung von Übertragungen
Sicherstellung der Gesundheitsversorgung für Verdachtsfälle
Medizinische Versorgung von Erkrankten
Schutz der vulnerablen Gruppen
Reduzierung der Gesamtzahl betroffener Personen;
allgemeine Interventionen
Reduzierung der Übertragung in der Bevölkerung
Verzögerung und Abflachung der epidemischen Kurve
Reduzierung der Belastung des Gesundheitssystems
Versuch, die Gesamtzahl der Fälle zu reduzieren
Zeit gewinnen
Meldeverordnung vom 30.April 2009
Zu melden ist der Krankheitsverdacht eines Falles der neuen Influenza
(A/H1N1), jede nachgewiesene Erkrankung sowie jeder im
Zusammenhang mit einer (möglichen) neuen Influenza (A/H1N1)
aufgetretene Todesfall.
Meldung von Verdachtsfällen:
Stand: Mai 2009
Im Sinne der Meldepflicht wird als Krankheitsverdacht eine Erkrankung gewertet, bei
der der behandelnde Arzt aufgrund des klinischen Bildes und der berichteten
Exposition (zum Beispiel aufgrund eines Reiselandes, Kontakt zu erkrankten
Personen oder Umgang mit Probenmaterial von Erkrankungsfällen an der neuen
Influenza) das Vorliegen eines Falles einer neuen Influenza (A/H1N1) nicht sicher
ausschließen kann.
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn respiratorische Beschwerden und/oder
Fieber im zeitlichen Zusammenhang mit einem Aufenthalt in einem Gebiet mit
anhaltender Mensch-zu-Mensch Übertragung auftreten. Derzeit sind folgende
Regionen, in denen eine solche anhaltende Mensch-zu-Mensch Übertragung
vermutet werden kann, für infektiologische Überwachung relevant (aber auch andere
Regionen sind nicht auszuschließen):
Ganz Mexiko sowie nahezu alle Staaten der USA (Stand: 15.05.2009).
Meldung von Verdachtsfällen:
Stand: Juli 2009
Ein Krankheitsverdacht liegt vor, wenn respiratorische Beschwerden
mit oder ohne Fieber im zeitlichen Zusammenhang zu möglichen
Kontakten mit erkrankten Personen im engeren privaten oder beruflichen
Umfeld (auch im Rahmen einer Reise) auftreten, die zur einer Ansteckung
durch neue Influenza geführt haben können
Derzeitiger Stand
Ein Krankheitsverdacht besteht,
wenn die Symptomatik nicht durch eine andere Ursache
hinreichend erklärt wird und
die folgenden beiden Symptome vorliegen
Fieber ≥ 38°C (bei Kindern ≥ 38,5 °C)
und
Husten
ohne dass ein Labornachweis vorliegt
Ursprüngliche Empfehlungen zum Umgang mit
Verdachtsfällen, Erkrankten und Kontaktpersonen
Häusliche Absonderung von Verdachtsfällen
Häusliche Absonderung von Infizierten: Erwachsene 7, Kinder 10 Tage
Häusliche Absonderung von engen Kontaktpersonen zu laborbestätigten
Fällen oder zu Fällen mit epidemiologischen Zusammenhang (7 Tage)
Namentliche Erfassung und Information von weniger engen
Kontaktpersonen
Anpassung (1)
Enge Kontaktpersonen zu laborbestätigten Fällen oder zu Fällen mit
epidemiologischen Zusammenhang
keine generelle Empfehlung zur häuslichen Isolierung
– Enge Kontaktpersonen sollten genau auf grippeähnliche
Symptome (s.o.) achten und sich umgehend an ihren Arzt
wenden, wenn sie diese bei sich feststellen.
– Enge Kontaktpersonen sollten den Kontakt zu gefährdeten
Personen so weit wie möglich einschränken.
– Enge Kontaktpersonen sollen keine Gemeinschaftseinrichtungen,
wie Schulen oder Kitas, besuchen, weder als betreute Person
noch als Betreuer
Anpassung (2)
Für enge Kontaktpersonen, die im medizinischen oder pflegerischen
Bereich tätig sind, bestehen folgende Vorgaben:
• Fortsetzung der Patientenversorgung durch Arzt oder medizinische
Fachangestellte im Einzellfall, wenn durch Art und Umfang der
ärztlichen Tätigkeit, durch das Profil des versorgten PatientenKlientels sowie durch die strenge Einhaltung entsprechender
Hygieneschutzmaßnahmen, eine Übertragung auf vulnerable
Personen nicht zu befürchten ist bzw. verhindert werden kann
• Stationärer Bereich: besondere Gefährdung für vulnerable Gruppen
i.d.R. kein Einsatz in Bereichen mit direktem Patientenkontakt
• Die konkreten Anordnungen im Einzelfall trifft das lokal zuständige
Gesundheitsamt in Abstimmung mit dem Arbeitgeber
Derzeitiges Vorgehen
Häusliche Isolierung von Infizierten bis 1 Tag nach Ende der Symptomatik
Erkrankte Personen mit beruflichem Kontakt zu Personen mit erhöhtem
Komplikationsrisiko (Gesundheitseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen,
Kinder < 24 Monate bleiben 7 Tage zu Hause
Empfehlungen zum Kontaktmanagement nur noch für diesen
Personenkreis (nicht mehr für Schulen und Kindergarten)
Labordiagnostik:
Initiales Vorgehen und Probleme
Diagnostische Abklärung jedes Verdachtsfalls
Häufig ungezielte Diagnostik, auch bei Kontaktpersonen
Diagnostik i.d.R wegen ÖGD-Erwägungen im Rahmen des
Kontaktmanagements
Keine Regelung der Kostentragung für Privatlabore
Derzeitiges Vorgehen:
Beschränkung der Diagnostik auf
Bei allen Personen mit schwerer Erkrankung (Fieber und deutliche
Zeichen eines respiratorischen Infekts)
Bei Personen aus gefährdeten Gruppen auch bei leichter Erkrankung
• Schwangere
• Säuglinge bis 6 Monate
• Chronisch Kranke
(z.B. Asthma und chronisch obstruktiver Bronchitis, chronischen Herz-Kreislauf-,
Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und anderen Stoffwechsel-krankheiten,
multipler Sklerose mit durch Infektionen ausgelösten Schüben, vergleichbar schwere
Erkrankungen, bei denen zu erwarten ist, dass eine Erkrankung an Influenza A(H1N1)
schwer verläuft)
ÖGD-Indikationen
• Personen mit beruflichen Kontakten zu Patienten mit erhöhtem Komplikationsrisiko
(Gesundheitseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Kinderhort)
• Indexfall, falls oben genannte Person enge Kontaktperson ist
• Abklärung von Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen;
Probenzahlen und Positivrate H1N1
1600
35,0
1400
30,0
1200
1000
20,0
800
15,0
600
10,0
400
5,0
200
0
0,0
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
Kalenderwoche 2009
Untersuchungszahl
Positivrate
29
30
31
32
33
34
35
Positivrate [%]
Anzahl Untersuchungen
25,0
Verlauf der Fallzahlen von Infektionen mit H1N1 in
Niedersachsen
Altersverteilung der labor- und klinisch-epidemiologisch
bestätigten Fälle nach Geschlecht (20. bis 34. KW)
ECDC-Report 01. September 2009, 17.00 Uhr
Land
Bestätigte Fälle/
letzte 24 h
Kumulative
Fallzahlen
Kumulative
Todesfälle
Zusammenfassung „Anpassung der Strategie“
Das initial restriktive Vorgehen war sinnvoll und erfolgreich
(Begrenzung der autochthonen Übertragungen)
Wegen des milden Verlaufs viele unerkannte Fälle
Ausbreitung der Neuen Influenza nicht aufzuhalten
Ursprünglicher Einsatz der Ressourcen daher nicht mehr
sinnvoll und effektiv
Zielvorgaben der angepassten Strategie,
Konzentration auf Erkrankte ( „Fieber und Husten“)
Schutz vulnerabler Gruppen durch gezieltes Kontaktmanagement
Klare Kriterien für die Durchführung einer PCR-Diagnostik
Verlangsamung der Ausbreitung im Hinblick auf geplante
Impfmaßnahmen
Kritikpunkte und Anmerkungen
Strategiewechsel in Deutschland erfolgte zu spät
Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland
Fehlen klaren Aussagen des Bundes, unscharfe Risikokommunikation
Selektive Berücksichtigung fachlicher Argumente, um dadurch
politische Zielvorgaben zu begründen und zu rechtfertigen
Hang zur Hysterisierung bei derzeit mildem Krankheitsgeschehen
Schweizer Modell:
Einfache Botschaften:
• Wer krank ist, soll zu Hause bleiben
• Moderate Erkrankungen, die sich mit wenigen Maßnahmen beherrschen
lassen
• Klarer Hinweise darauf, dass sich das Virus bislang nicht verändert hat
Aber: Impfstoffkauf für 80 % der Bevölkerung
Ausblick und Fragen
Modifikation der Phaseneinteilung von Pandemieplanung
ist dringend erforderlich (Abstufungen für Phase 6)
Welche Maßnahmen sind für die derzeitige Situation
angemessen (Impfstrategie !) ?
Welche Rolle fällt dem ÖGD zu ?
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