Schilddrüsen erkrankungen Fortbildung

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Eine Kooperation mit
Fortbildung
Schilddrüsen­
erkrankungen
Einleitung
S
childdrüsenerkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten in der Endokrinologie. Gleichzeitig handelt es sich
bei Schilddrüsenhormonen um die in Deutschland am häufigsten
verschriebenen Medikamente. Bei den Schilddrüsenerkrankungen
unterscheidet man zwischen Funktionsstörungen der Schilddrüse
und morphologischen Veränderungen. Es gibt jedoch durchaus Erkrankungen, bei denen morphologische Veränderungen Funktionsstörungen bedingen (z.B. autonome Adenome). Zu den häufigsten
Schilddrüsenerkrankungen gehören knotige Veränderungen sowie
Entzündungen des Schilddrüsengewebes, die sehr häufig durch
autoimmune Phänomene ausgelöst werden. Tumore in der Schilddrüse, insbesondere differenzierte Schilddrüsenkarzinome, haben
bei frühzeitiger und ausreichender Behandlung eine sehr gute Prognose. Daher sollte die differenzierte Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen schon im hausärztlichen Bereich erfolgen.
Basisdiagnostik
Zu jeder Untersuchung der Schilddrüse gehört ein Tastbefund
der Schilddrüse mit der Frage nach knotigen Veränderungen sowie Druckschmerzhaftigkeit und Konsistenz der Schilddrüse. Des
Weiteren gehört die Bestimmung der Schilddrüsenwerte dazu – in
Sie können auch online teilnehmen unter
www.der-niedergelasse-arzt.de/nc/cme
Bei Online-Teilnahme werden Ihre Punkte
direkt an die Ärztekammer gemeldet.
64 — der niedergelassene arzt 09/2015
Priv.-Doz. Dr. med. Markus Schubert,
Scivias Krankenhaus St. Josef,
Rüdesheim am Rhein
Dr. med. Johanna Zemva, Medizinische
Klinik I, Universität Heidelberg
CME
der Regel reichen hier TSH und fT4 aus.
Um morphologische Veränderungen der
Schilddrüse zu erfassen, gehört beim Verdacht auf eine Schilddrüsen­erkrankung die
sonographische Untersuchung der Schilddrüse zum diagnostischen Standard. Hier
können Veränderungen des Binnenechos,
der Durchblutung und fokale Läsionen
sehr schnell und sicher diagnostiziert werden. Die Bestimmung des Gesamtvolumens sowie der Größe möglicher fokaler
Veränderungen sollten zur Routine bei
jeder sonographischen Untersuchung der
Schilddrüse gehören.
Bei den funktionellen Veränderungen
der Schilddrüse werden manifeste von latenten Funktionsstörungen unterschieden.
Bei den latenten Funktionsstörungen findet
sich eine Veränderung des TSH-Wertes, jedoch sind die peripheren Schilddrüsenhormone noch im Normbereich. Ist das TSH
erhöht und die peripheren Schilddrüsenhormone normwertig, sprechen wir von
einer latenten Hypothyreose. Ist das TSH
erniedrigt, die peripheren Schilddrüsenhormone jedoch normwertig, sprechen wir von
einer latenten Hyperthyreose. Finden sich
neben der Veränderung des TSH-Wertes
auch entsprechend veränderte, periphere
Schilddrüsenhormone, sprechen wir von einer manifesten Hyper- oder Hypothyreose.
Entzündliche Erkrankungen
der Schilddrüse
FOTO: ALEXANDRA GL - FOTOLIA
Entzündungen der Schilddrüse gehören zu
den häufigsten endokrinen Erkrankungen.
Wir unterscheiden die Thyreoiditis Hashimoto vom Morbus Basedow und der Thyreoiditis de Quervain. Sehr selten kommen
septische Entzündungen oder Abszesse der
Schilddrüse vor.
Hashimoto Thyreoiditis
Die Hashimoto Thyreoiditis geht in der
Regel mit einer ­Hypothyreose einher. ­Diese
lymphozytäre Thyreoiditis ist durch das
Auftreten von sogenannten TPO-Antikörpern (antithyreoidale Peroxidase-Antikörper) charakterisiert. Das Auftreten dieser
Antikörper sowie typische morphologische
Veränderungen im Ultraschall rechtfertigen diese Diagnose. Das Ultraschallbild
zeichnet sich durch ein fleckiges, eher
echoarmes Bild aus. In der Regel führt
diese Form der Thyreoiditis im Verlauf
zum Verlust der Schilddrüsenfunktion
und damit zur Substitutionsbedürftigkeit.
Auch ein typischer Ultraschallbefund mit
einhergehender Hypothyreose ohne Nachweis erhöhter TPO-Antikörper macht die
Diagnose wahrscheinlich. In der Anfangs-
phase einer solchen Thyreoiditis kann es
jedoch zu einer Schilddrüsenüberfunktion kommen, die durch den Untergang
von Schilddrüsengewebe charakterisiert
ist. Dementsprechend wirken Inhibitoren
der Schilddrüsenhormonsynthese – wie
z.B. Carbimazol – bei dieser sogenannten
Hashitoxikose nicht. Die symptomatische
Therapie steht dann im Vordergrund. Es
ist derzeit unklar, wann und bei welchem
TSH-Wert eine Substitution erfolgen sollte. Die aktuelle Datenlage unterstützt die
These, dass ab einem TSH von 10 mU/L
eine Substitution erfolgen sollte. Hiervon
ausgenommen sind explizit Schwangere,
auf die in diesem Artikel nicht eingegangen
werden kann.
Morbus Basedow
Der Morbus Basedow ist durch das Auftreten von sogenannten TRAK-Antikörpern (TSH-Rezeptor-AK) charakterisiert.
In über 90 Prozent der Fälle sind diese
Anti­körper stimulierend für die Schilddrüse und lösen so eine Hyperthyreose
aus. Häufig kommt es zu einem Wachstum
der Schilddrüse und zur Ausbildung einer
Struma, die erhebliche Ausmaße annehmen kann. Die Basedow-Hyperthyreose
kann in der Regel durch eine Blockade der
Schilddrüsenhormonsynthese – z.B. durch
Carbimazol – behandelt werden. Bei der
Therapie des Morbus Basedow kommen in
der Regel drei Strategien zum Tragen. Die
erste Strategie ist die sogenannte konservative Therapie. Bei dieser wird z.B. durch
Abb. 1
Heißer oder kalter
Knoten, Hyper- oder
Hypothyreose,
benigne oder maligne? Diagnostische
Algorithmen zur
Abklärung stehen
zur Verfügung.
65 — der niedergelassene arzt 09/2015
Carbimazol oder Thiamazol die Hormonsynthese bis zum Erreichen der Euthyreose blockiert und die Euthyreose für circa
zwölf bis 18 Monate beibehalten. Danach
ist ein Absetzen der Therapie möglich, jedoch muss erwähnt werden, dass ein nicht
unerheblicher Teil der Patienten im weiteren Verlauf unter dieser Therapiestrategie
ein Rezidiv erleidet. Ungünstig für diese
Art der Therapie sind große Schilddrüsen,
hohe Antikörpertiter oder fortgesetzter
Nikotinabusus.
Zwei weitere definitive Strategietherapien wären die operative oder die Radio­
jodtherapie. Die operative Therapie saniert
die Erkrankung, führt jedoch zu einer Substitutionspflicht des Patienten. Chirurgische Therapien sollten für die Behandlung
des Morbus Basedow ausgelegt sein und
in operationserfahrenen Zentren durchgeführt werden. Leider kommen operationsbedingt, wenn auch heutzutage nur in sehr
geringem Ausmaße, Komplikationen (wie
z.B. eine Schädigung des Nervus laryngeus
recurrens oder ein Hypoparathyreoidismus) vor.
Die nuklearmedizinische Therapie des
Morbus Basedow hat letztendlich ein ablatives Konzept. Auch bei dieser Therapie
wird im Verlauf die Schilddrüse zerstört.
In erfahrener Hand lassen sich auch größere Strumen durch eine solche Therapie
gut behandeln. Eine eventuell bestehende
endokrine Orbitopathie kann sich jedoch
unter einer solchen Therapie verschlechtern. Hier wäre unter Umständen eine
CME
operative Sanierung der Schilddrüse
vorzuziehen.
Alle drei Therapieregime haben
ihren Stellenwert: Das geeignete
Therapieverfahren sollte in spezialisierten Einrichtungen in Diskussion mit dem Patienten und dem betreuenden hausärztlichen Kollegen
getroffen werden.
Thyreoiditis de Quervain
Deutlich seltener ist die sogenannte Thyreoiditis de Quervain. Dabei
handelt es sich um eine schmerzhafte Entzündung der Schilddrüse,
die in der Regel mit systemischen
Entzündungszeichen einhergeht.
Die Schilddrüse selbst ist hart und
druckschmerzhaft. Zytologisch
zeichnet sich diese Form der Thyreoiditis durch das Auftreten von
Riesenzellen aus. Eine mögliche
Behandlung ist eine Therapie mit
NSAR oder Cortison. In der Regel
heilen diese, häufig nach viralen Infekten auftretenden Entzündungen
folgenlos aus. Jedoch sind Kontrollen der Schilddrüsenfunktion
notwendig, um eine im Verlauf
auftretende Hypothyreose nicht zu
übersehen.
Eisenharte Struma Riedel
Eine vierte in der Literatur auftretende Schilddrüsenveränderung ist
die sogenannte eisenharte Struma
nach Bernhard Moritz Carl Ludwig Riedel. Diese seltene Veränderung zeichnet sich durch einen fibrotischen Umbau der Schilddrüse
aus. Patienten mit dieser Form der
Schilddrüsenveränderung werden
häufig substitutionspflichtig.
Fokale Veränderungen
der Schilddrüse:
Die häufigste Veränderung der
Schild­
d rüse ist ein sogenannter
Schilddrüsenknoten. Bei diesem
Schilddrüsenknoten gilt es, maligne
von benignen sowie hyperfunktionelle Veränderungen zu unterscheiden. Sonographische Untersuchungen können einen gewissen Anhalt
zur Klärung dieser Frage bieten. So
sind echoarme, unscharf begrenzte
Knoten häufiger maligne, jedoch ist
die Sensitivität und Spezifität der sonographischen Untersuchung nicht
ausreichend, sodass zur Abklärung
einer fokalen Schilddrüsenverän-
derung oberhalb einer Größe von
einem Zentimeter eine Technetium-99m Szintigraphie gehört. Hierbei werden dann sogenannte „kalte“
(hypofunktionelle) von „heißen“
(hyperfunktionelle) Veränderungen
unterschieden. Heiße Knoten sind
nicht malignitätsverdächtig, können
jedoch eine Schilddrüsenüberfunktion auslösen, insbesondere nach
Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln. Kalte Knoten können maligne
sein. Zur weiteren Abklärung kann
hier eine MIbI-Szintigraphie herangezogen werden. Im Falle einer
Mehrbelegung ist eine maligne Veränderung wahrscheinlicher, jedoch
ist dies in keiner Weise beweisend.
Szintigraphisch kalte Knoten sollten
daher zytologisch abgeklärt werden. In erfahrener Hand bietet die
Zytologie in der Zusammenschau
der sonographischen Beurteilung
und der szintigraphischen Untersuchung ausreichende Sicherheit,
um Malignome zu diagnostizieren.
Große Schilddrüsenknoten, die die
Nachbarorgane komprimieren und
so zur Beeinträchtigung des Patienten führen, werden in der Regel
chirurgisch behandelt. Nuklearmedizinische Verfahren sind jedoch in
Einzelfällen zur Verkleinerung der
Schilddrüse ebenfalls denkbar.
Bei nicht malignitätsverdächtigen Knoten ist zur Verkleinerung
der Knoten eine Therapie aus der
Kombination mit Schilddrüsenhormonen und Jod denkbar. Diese Therapie führt zumindest bei einem Teil
der Patienten zur Verkleinerung der
Schilddrüsenknoten. Die aktuelle
Datenlage legt einen Therapieversuch zwischen zwölf und 18 Monaten nahe.
Sonographische Malignitätskriterien
>50 Prozent Volumenzunahme
Eine Hyperthyreose factitia und
eine Therapie mit Jod bei hyperfunktionellen Knoten sollte vermieden werden. Bei Verdacht auf maligne Schilddrüsenerkrankungen sollte
die zytologische oder histologische
Abklärung erfolgen (siehe unten).
Schilddrüsenkarzinome
Bei circa 90 Prozent der Malignome
der Schilddrüse handelt es sich um
differenzierte Schilddrüsenkarzinome
(DTC) welche von den Thyreozyten
ausgehen. In circa fünf Prozent der
Fälle liegt ein medulläres Karzinom
(MTC) vor, welches seinen Ursprung
in den Calcitonin-produzierenden
C-Zellen hat. Das anaplastische
(undifferenzierte) Karzinom (ATC)
macht rund drei Prozent aller Schilddrüsenkarzinome aus. Selten (insgesamt <3 %) liegen nicht-epitheliale
Malignome (wie Lymphome, Sarkome) oder Metastasen (Nierenzell-Ca,
Mamma-Ca, Adenokarzinom der
Lunge, Malignes Melanom etc.) vor.
Klinik
Im Frühstadium sind Schilddrüsenkarzinome häufig symptomarm bis
symptomfrei. Daher sollte bei Neudiagnose bzw. Zufallsbefund eines
Schilddrüsen­knotens eine weitere
diagnostische Abklärung erfolgen.
Symptome können im Sinne von
Verdrängungserscheinungen auftreten, wie etwa Schluckbeschwerden, Ohrenschmerzen, Stridor oder
auch als obere Einflussstauung. Des
Weiteren können vergrößerte Halslymphknoten, Heiserkeit (Recurrensparese) sowie ein Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enopthalmus)
auffallen.
Tab. 1
Sonographische
Malignitätskriterien
Echoarmut
Mikrokalk
unscharf begrenzt, unregelmäßiger Rand
kein Halozeichen
höher als breit
nur ein solider Knoten
zentrale Perfusion
66 — der niedergelassene arzt 09/2015
Diagnostik
An erster Stelle sollte hierbei die
Schilddrüsensonographie stehen,
ergänzend sollten laborchemisch
Calcitonin, CEA, TSH, fT3 und
fT4 bestimmt werden. Liegen in der
Sonographie zwei oder mehr Malignitätskriterien vor, wird die Durchführung einer Feinnadelpunktion
empfohlen (sonographische Malignitätskriterien siehe Tab. 1).
Bei niedrigem TSH und Knoten
größer als ein Zentimeter sollte eine
99m-Tc-PTT-Szintigraphie durch-
CME
geführt werden. Eine Autonomie,
bei der szintigraphisch eindeutig
speichernde Knoten nachweisbar
sind, schließt eine Malignität i.d.R.
aus. Ein kalter Knoten hingegen
hat keine Aussagekraft, hierbei
bedarf es weiterer Diagnostik wie
etwa der bereits erwähnten Feinnadelpunktion. Ggf. kann man auch
die Durchführung einer 99m-T cMIBI-­Szintigraphie in Erwägung
ziehen. Ein Mismatch, sprich ein
nicht speichernder Knoten in der
99m-T c-PTT-Szintigraphie und
ein speichernder Knoten in der
99m-T c-MIBI-Szintigraphie, ist
hierbei Malignom-verdächtig.
Differenzierte
Schilddrüsenkarzinome (DTC)
Einteilung
Wie bereits oben erwähnt, macht
diese Form etwa 90 Prozent aller
Schilddrüsenkarzinome aus. Man
unterscheidet hier weiter zwischen
papillären (PTC, ca. 70 %), follikulären (FTC, ca. 15 %), deren Mischformen und gering differenzierten
Karzinomen (PDTC, ca. 4 %), Einteilung der DTC siehe Tab. 2. Das
papilläre Schilddrüsenkarzinom
metastasiert vor allem lymphogen,
wohingegen das follikuläre Schilddrüsenkarzinom meist hämatogen
metastasiert.
Therapie
Bei einseitigem Knoten ohne gesicherte Malignität mit unauffälligem,
kontralateralen Schilddrüsenlappen
erfolgt die Hemithyreodektomie.
Stellt sich hinterher als Zufallsbefund in der Pathologie ein papilläres Mikrokarzinom (< 1cm) oder ein
mikroinvasives follikuläres Schilddrüsenkarzinom ohne Angioinvasion (< 1cm) heraus, so werden bei
Unifokalität keine weiteren onko-
Einteilung Differenzierter Schilddrüsenkarzinome (DTC)
Papillär (PTC) ca. 70 Prozent
• Konventioneller Typ
• Varianten: großzellig, insulär, klarzellig, onkozytär, kolumnär (aggresive Histologie)
Tab. 2
Einteilung
Differenzierter
Schilddrü­
senkarzinome
(DTC).
Follikulär (FTC) ca. 15 Prozent
• Minimal invasiv
• Breit invasiv
• Varianten: klarzellig, onkozytär
Mischformen
Gering differenziert (PDTC) ca. 4 Prozent
logische Maßnahmen getroffen, es
bleibt bei der Hemithyreoidektomie.
In allen anderen Fällen erfolgt
die Thyreoidektomie mit angepasster bzw. Stadien-entsprechender
Lymphadenektomie. Bei gesicherten Malignomen > 1cm und/oder
Metastasierung erfolgt 3-4 Wochen
postoperativ eine ablative Radio­
jodtherapie (CAVE: postoperativ
keine LT4-Gabe) mit anschließender
LT4-Substitution, welche risikostratifiziert erfolgen sollte (siehe Tab. 3).
Nachsorge
Die Nachsorgeuntersuchungen
sollten nach drei, sechs, zwölf, 18
Monaten und dann ab 24 Monaten
jährlich erfolgen. Prinzipiell ist eine
langjährige Nachsorge empfohlen
(bis 30 Jahre). Die Nachsorgeuntersuchung sollte beinhalten: Klinik,
Kontrolle von TSH, fT3 und fT4
sowie Thyreoglobulin (Tg) als Verlaufsparameter. Des Weiteren sollte
eine Sonographie der Halsorgane
durchgeführt werden.
Vorgehen bei Rezidiv oder
­Metastasierung
Hierbei sollten individuelle Therapieziele- und Möglichkeiten für
den einzelnen Patienten interdisziplinär diskutiert werden. Mögliche
Optionen sind ein zunächst abwartendes Verhalten im Sinne von
einer „Watch and Wait“-Strategie,
eine Re-OP oder Radiojodtherapie
(ggf. nach Redifferenzierung), eine
medikamentöse Therapie oder eine
Bestrahlung als Palliativmaßnahme.
Von einem Radiojod-refraktärem
Verlauf spricht man, wenn keine
nutzbare 131Iod-Anreicherung in
den Metastasen vorliegt, es bereits
innerhalb von zwölf Monaten zu
einem Progress nach Radiojod­
therapie kommt oder bereits eine
Gesamtdosis > 22GBq verabreicht
wurde. In diesen Fällen bieten sich
entweder eine Redifferenzierungstherapie mit Retinsäure an (Isotertinoin 1-1,5 mg/kg KG tägl. über 8
Wochen) oder eine medikamentöse
Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren, zum Beispiel Sorafenib,
welches bei Mutationen im RET,
VEGFR, BRAF oder FLT Gen Anwendung findet. Als ultima ratio
kann eine Chemotherapie mit Doxorubicin und Cisplatin eingesetzt
werden1.
Medulläres
Schilddrüsenkarzinom
Das medulläre Schilddrüsenkar­
zinom macht circa 5-7 Prozent der
Postoperative LT4-Substitution
Tumoreinteilung
Rezidiv-Risiko
TSH-Ziel
pT1a (<1cm = Mikrokarzinom) L0V0
Minimal (0,01 %)
0,4-2,0 mU/l
pT1b-2N0M0L0V0R0 Nicht aggressive Histologie
Gering (ca. 3 %)
0,1-0,4 mU/l für
12 Mo, dann 0,4-2 mU/l
95 Prozent
pT3N1V1 Aggressive Histologie
Mittel (ca. 20 %)
<0,1 mU/l für 5 Jahre
50 Prozent
pT4M1R1 Extrathyreodales Wachstum
Hoch (ca. 70 %)
<0,1 mU/l
25 Prozent
67 — der niedergelassene arzt 09/2015
10-Jahres-Überleben
>99 Prozent
Tab. 3
Postoperative
LT4-Substitution
CME
Einteilung
Drei Viertel der medullären Schilddrüsenkarzinome treten sporadisch auf und
sind in der Mehrzahl unifokal. Sie sind in
50 Prozent der Fälle auf eine somatische
RET-Mutation zurückzuführen. Ein Viertel tritt jedoch familiär gehäuft auf, da
diese durch eine Keimbahnmutation des
RET-Gens verursacht werden.
Diese Form tritt meist multifokal auf
und lässt sich in drei Untergruppen einteilen (siehe auch Tab. 4): Im Rahmen
eines MEN-2A (ca. 80 % der familiären
medullären Schilddrüsenkarzinome), im
Rahmen eines MEN-2B (ca. 5 %) oder als
sogenanntes familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom (hierbei treten keine weiteren endokrinologischen Neoplasien auf).
Tab. 4
Familiäre Formen des medullären Schilddrüsenkarzinoms
Vorgehen bei Rezidiv
oder Metastasierung
Bei Rezidiv steht an erster Stelle die ReOP, ggf. kann eine Radiatio der ehemaligen Schilddrüsenloge, des Halses oder
des oberen Mediastinums erfolgen. Bei
Metastasierung kommen ebenfalls eine
Operation, eine Bestrahlung oder aber
lokale Verfahren zum Einsatz (z.B. TACE,
Transarterielle Chemoembolisation). Falls
eine Speicherung nachweisbar ist, kann
eine Edotreotid-(gebräuchlich DOTATOC)
oder MIBG-(Metaiodbenzylguanidin)Therapie in Erwägung gezogen werden (ca.
30 % Ansprechen). Des Weiteren kommen
Somatostatinanaloga zum Einsatz. Bei aggressivem Progress (Abschätzung anhand
der Calcitonin- und CEA-Verdopplungszeit) können Tyrosinkinase-Inhibitoren
verwendet werden, zum Beispiel Vandenatib bei Mutation des VEGFR, EGFR oder
RET (ca. 50 % Ansprechen bei RET, 35 %
bei non-RET).
Nachsorge
Die postoperative Nachsorge sollte nach
drei, sechs, zwölf, 18 und 24 Monaten erfolgen, anschließend jährlich für mindestens fünf Jahre. Bestandteil der Nachsorge sollten sein: Klinik, Sonographie des
Halses, Calcitonin- und CEA-Spiegel, eine
L-Thyroxin-Substitutionstherapie mit
TSH-Werten im niedrig-normalen Bereich
(0,4-2,0 mU/l —> nicht suppressiv!!!).
Medikamentöse Therapieoptionen
Bei Nachweis einer BRAF-V600E-­
Mutation kommt Vemurafenib 4 zum
Einsatz, man sollte daher unbedingt eine
Tumor-Sequenzierung anbieten. Alternativ
dazu werden nach wie vor hauptsächlich
Chemotherapien wie etwa Paclitaxel +
Carboplatin eingesetzt.
Familiäre Formen des medullären Schilddrüsenkarzinoms
MEN-2A ca. 80 Prozent
• klassisch: MTC, Phäochromozytom, primärer Hypoparathyreoidismus
• selten: Lichen planus/Amyloidose, M. Hirschsprung
MEN-2B ca. 5 Prozent
• Phäochromozytom, intestinale Ganglioneuromatose (Megakolon),
mukosale Neurome, marfanoider Habitus
Familiäres Medulläres Schilddrüsenkarzinom (MTC)
68 — der niedergelassene arzt 09/2015
Anaplastisches
Schilddrüsenkarzinom
Aufgrund der infausten Prognose des anaplastischen Schilddrüsenkarzinoms handelt
es sich hierbei immer um ein T4-Karzinom
beziehungsweise um ein Tumorstadium IV.
Einteilung
Man unterscheidet Stadium IVa, b und c,
wobei diese Einteilung ausschlaggebend
für die weitere Therapie ist. Im Stadium
IVa erfolgt eine radikale OP mit kurativer
Absicht, im Stadium IVc steht die palliative
Therapie an erster Stelle.
1. K. Shimaoka, D. A. Schoenfeld, W. D. DeWys, R. H. Creech
and R. DeConti. A randomized trial of doxorubicin versus
doxorubicin plus cisplatin in patients with advanced thyroid
carcinoma. Cancer 1985; 56: 2155-60.
2. A. Machens, U. Schneyer, H. J. Holzhausen and H. Dralle.
Prospects of remission in medullary thyroid carcinoma
according to basal calcitonin level. J Clin Endocrinol Metab
2005; 90: 2029-34.
3. C. Guesgen, A. Willms, A. Zwad, S. Waldeck, H. Wieler and
R. Schwab. Investigation of factors potentially influencing
calcitonin levels in the screening and follow-up for medullary
thyroid carcinoma: a cautionary note. BMC Clin Pathol 2013;
13: 27.
4. M. H. Rosove, P. F. Peddi and J. A. Glaspy. BRAF V600E
inhibition in anaplastic thyroid cancer. N Engl J Med 2013;
368: 684-5.
FOTO: SNYGGG - FOTOLIA
Schilddrüsen­malignome aus. In der Regel
handelt es sich um einen langsam wachsenden Tumor. Die 10-Jahres-Überlebensrate
beträgt 40-99 Prozent, abhängig vom Metastasierungsgrad. In bis zu zehn Prozent
liegen Symptome im Sinne einer Diarrhoe
vor.
Diagnostik
Hier dient neben dem allgemeinen Vorgehen bei Schilddrüsenknoten (siehe oben)
vor allem der Clacitonin-Spiegel als Richtwert für die stadienadaptierte Primärtherapie. Normale Calcitonin-Werte schließen ein medulläres Schilddrüsenkarzinom
praktisch aus. Werte <10pg/ml sollten in
drei Monaten erneut kontrolliert werden
Bei Werten >10pg/ml sollte eine Penta­
gastrin-Stimulation durchgeführt werden.
Alternativ, falls kein Pentagastrin verfügbar
ist, kann ein Calcium-Stimulationstest angewendet werden. Bei stimulierten Werten
>100pg/ml entscheidet man sich in der Regel für eine Thyreoidektomie2. Liegen die
basalen Calcitonin-Werte bereits >20pg/ml
kann auch ohne weitere Stimulation von
einem medullären Schilddrüsenkarzinom
ausgegangen werden, wenn andere Ursachen für die Hypercalcitonin­ämie ausgeschlossen sind. Andere Ursachen können
zum Beispiel eine Niereninsuffizienz, eine
Hypergastrinämie (PPIs), eine Hypercalci­
ämie, eine große Struma oder auch eine
Autoimmunthyreopathie sein3. Präoperativ
sollte unbedingt eine Diagnostik bezüglich
eines Vorliegens eines Phäochromozytoms
(vorher sanieren!) oder eines primären
Hyperparathyreoidismus (intraoperativ
mitsanieren!) erfolgen. Bei basalen Calcitonin-Spiegeln >100pg/ml sollte außerdem präoperativ ein Staging durchgeführt
werden.
Des Weiteren sollte bei jedem medullären Schilddrüsenkarzinom eine RETProto­onkogen-Mutationsanalyse erfolgen, idealerweise einhergehend mit einer
humangenetischen Beratung.
Arztadresse / Stempel
Lernerfolg
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Fragen zur strukturierten Fortbildung „Schilddrüsenerkrankungen“
Es ist immer nur eine Antwort richtig. Schicken oder faxen Sie bitte nur den ausgefüllten Fragenbogen an die oben genannte Adresse.
Bei 7, 8, 9 oder 10 richtigen Antworten schicken wir Ihnen das Fortbildungszertifikat „Schilddrüsenerkrankungen“ mit 1cme-Punkt,
welches Sie bitte an Ihre Kammer senden.
1. Welche Aussage zu Schilddrüsenknoten trifft zu?
□□a) Jeder Schilddrüsenknoten ist benigne
□□b)Heutzutage sind Schilddrüsenknoten sehr selten geworden
□□c)Schilddrüsenknoten sollten immer einer operativen Therapie zugeführt werden
□□d)Schilddrüsenknoten sind häufig gutartig
□□e)Praktisch jeder Schilddrüsenknoten lässt sich durch die Gabe von Schilddrüsenhormonen verkleinern
2. Welche Aussage trifft nicht zu?
Zur Basisdiagnostik bei Verdacht auf Schilddrüsenerkrankungen gehören
□□a) die Erhebung einer gezielten Anamnese
□□b)die klinische Untersuchung der Schilddrüse
□□c)die Durchführung einer Schilddrüsensonographie
□□d)die Bestimmung von TSH und fT4
□□e)die Durchführung eines MRT der Schilddrüse
3. Welche Schilddrüsenentzündung tritt in der Bevölkerung am häufigsten auf?
□□a) Morbus Basedow
□□b)Hashimoto Thyreoiditis
□□c)Thyreoiditis de Quervain
□□d)Schilddrüsenabszess
□□e)die eisenharte Struma Riedel
4. Welche Aussage ist falsch?
Welche Untersuchungen können zur Abklärung eines Schilddrüsenknotens herangezogen werden?
□□a) Die Sonographie der Schilddrüse
□□b)Technetium 99m Schilddrüsenszintigraphie
□□c)MIBI-Szintigraphie
□□d)die Feinnadelbiopsie
□□e)MIBG-Szintigraphie
✃
5. Welches Schilddrüsenmalignom hat die schlechteste Prognose?
□□a) das papilläre Mikrokarzinom
□□b)das follikuläre Schilddrüsenkarzinom
□□c)das anaplastische Schilddrüsenkarzinom
□□d)das medulläre Schilddrüsenkarzinom
□□e)das Onkozytom der Schilddrüse
69 — der niedergelassene arzt 09/2015
Lernerfolgskontrolle gültig bis September 2016. Zur Zertifizierung eingereicht bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe
✃
Lernerfolg zum Thema Schilddrüsenerkrankungen September 2015
6. Bei welchem Schilddrüsentumor bzw. welchem Stadium ist eine Hemithyreoidektomie ausreichend?
□□a) beim follikulären Schilddrüsenkarzinom im Stadium III
□□b)beim metastasierten papillären Schilddrüsenkarzinom
□□c)beim papillären Mikrokarzinom
□□d)beim medullären Schilddrüsenkarzinom
□□e)beim papillären Schilddrüsenkarzinom bei einer Größe von 2 bis 2,5 cm
7. Welcher Untersuchungsbefund lenkt den Verdacht nicht auf einen malignen Prozess der Schilddrüse?
□□a) sonographisch echoarmer Knoten
□□b)schnelles Wachstum eines Schilddrüsenknotens
□□c)Mikrokalk
□□d)das Vorhandensein eines Halos
□□e)die unscharfe Begrenzung eines Knotens
8. Welche Strategietherapie gehört nicht zur Therapie eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms oder dessen Rezidiv?
□□a) Operative Maßnahmen
□□b)Radiojodtherapie
□□c)Strahlentherapie von Metastasen
□□d)Redifferenzierungstherapie mit Retinolsäurederivaten
□□e)Chemotherapie mit dem Folfox-6-Schema
9. Welche Aussage zu funktionellen Störungen der Schilddrüse trifft nicht zu?
□□a) Eine latente Hyperthyreose zeichnet sich durch ein erniedrigtes TSH und normale periphere Schilddrüsenhormone aus.
□□b)Bei einer Euthyreose ist charakteristischerweise das freie T4 erniedrigt.
□□c)Eine latente Hypothyreose zeichnet sich durch ein erhöhtes TSH und normale periphere Schilddrüsenhormone aus.
□□d)Eine manifeste Hyperthyreose zeichnet sich durch ein erniedrigtes TSH und erhöhte periphere Schilddrüsenhormone aus.
□□e)Eine manifeste Hypothyreose zeichnet sich durch ein erhöhtes TSH und erniedrigte periphere Schilddrüsenhormone aus.
10.Die Bestimmung welches Tumormarkers kann bei bestimmten Schilddrüsentumoren sinnvoll sein?
□□a) CA 19-9
□□b)Calcitonin
□□c)AFP
□□d)CA 125
□□e)HCG
Strukturierte interaktive Fortbildung (Neutralitätserklärung des Autors liegt vor.)
Bitte kreuzen Sie folgende Zahlen zur Bewertung an:
1=sehr gut, 2=gut, 3=befriedigend, 4=ausreichend, 5=mangelhaft, 6=ungenügend
1. Meine Erwartungen hinsichtlich der Lernziele und Inhalte des Fortbildungsbeitrags haben sich erfüllt.
□ 1 □ 2 □ 3 □ 4 □ 5 □ 6
2. Die Bearbeitung des Fortbildungsbeitrags hat sich für mich gelohnt, weil ich etwas dazugelernt habe.
□ 1 □ 2 □ 3 □ 4 □ 5 □ 6
3. Der Fortbildungsbeitrag hat Relevanz für meine praktische ärztliche Tätigkeit.
□ 1 □ 2 □ 3 □ 4 □ 5 □ 6
4. Bitte beurteilen Sie die didaktische Aufbereitung und die Güte der präsentierten Inhalte des Fortbildungsbeitrags.
□ 1 □ 2 □ 3 □ 4 □ 5 □ 6
5. Durch die Lernerfolgskontrolle wurde das erworbene Wissen in angemessener Weise abgefragt.
□ 1 □ 2 □ 3 □ 4 □ 5 □ 6
6. Bitte beurteilen Sie, ob produkt- oder firmenbezogene Werbung den Inhalt des Fortbildungsbeitrags beeinflusst hat.
□ Beeinflussung feststellbar □ Keine Beeinflussung feststellbar
7. Wie sind Sie auf diesen Fortbildungsbeitrag aufmerksam geworden?
8. Wieviel Zeit in Minuten haben Sie für die Bearbeitung des Fortbildungsbeitrags benötigt?
□ bis 10 □ 11–20 □ 21–30 □ 31–40 □ 41–50 □ 51–60 □ über 61
9. Weitere Bemerkungen:
70 — der niedergelassene arzt 09/2015
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