Virusexantheme

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Leitthema
Hautarzt 2004 · 55:804-817
DOI 10.1007/s00105-004-0788-2
Online publiziert: 14. August 2004
© Springer Medizin Verlag 2004
R. Fölster-Holst
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Virusexantheme
E
xantheme (griech. exantheo: ich blühe
auf) beinhalten entzündliche Hauterkrankungen, die plötzlich und gleichzeitig mehrere Hautregionen des Integuments betreffen. Die Effloreszenzen sind meist monomorph, können sich in der ganzen Variationsbreite (makulös, makulopapulös, vesikulös, papulovesikulös, pustulös, vesikulopustulös, urtikariell) zeigen und unterliegen typischerweise einem dynamischen
Verlauf.
Exantheme kommen häufig infektvermittelt vor. Differenzialdiagnostisch sind
v. a. Medikamente als Auslöser zu bedenken. Seltener kommen Exantheme im Rahmen von Autoimmunerkrankungen vor.
Besonders im Kindesalter treten distinkte
Exanthemerkrankungen auf, deren Ätiologie nicht bekannt ist.
Die häufigste Ursache exanthematischer Exantheme sind Virusinfektionen,
die direkt (infektiös) oder über die Reaktion des Immunsystems (parainfektiös)
Hautveränderungen auslösen. Während
die infektiösen Exantheme v. a. Ausdrucksform eines bestimmten Erregers darstellen (z. B. die klassischen Kinderkrankheiten), sind für viele distinkte parainfektiöse Krankheitsbilder mehrere Viren aus
ganz unterschiedlichen Gruppen befähigt,
ein bestimmtes Exanthem (z. B. GianottiCrosti-Syndrom) auszulösen.
Als dominierende Erreger exanthematischer Erkrankungen gelten Nicht-Polioenteroviren, respiratorische Viren, wie z. B.
Adeno-, Rhino-, Parainfluenza-, Respiratory syncytial- und Influenzaviren, EpsteinBarr-, HHV-6- und HHV-7-Viren sowie
Parvovirus B19.
In vielen Fällen manifestieren sich Exantheme makulös oder makulopapulös
in disseminierter Verteilung. Einige Exan-
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Der Hautarzt 9 · 2004
themerkrankungen, wie z. B. das GianottiCrosti-Syndrom und das Handschuh-Socken-Syndrom, sind offensichtlich in ihrer Verteilung gewissen Gesetzmäßigkeiten unterworfen und weisen typische Prädilektionsstellen auf.
Neben dem klinischen Bild sind Anamnese (Kontakte zu Betroffenen, Impfstatus,
vorherige Infektionen und Exanthemerkrankungen, Prodromalsymptome u. a.), Beachtung des Allgemeinzustandes und der Jahreszeit (saisonales Auftreten ist bei vielen
Exanthemen typisch) sowie die körperliche
Untersuchung diagnoseweisend. Bei Unklarheiten und für wissenschaftliche Fragestellungen sichern Blutuntersuchungen, Abstriche und Histologie die Diagnose.
Die Kenntnis der Exanthemerkrankungen, die zumeist harmlos verlaufen, ist zur
Abgrenzung lebensbedrohlicher Erkrankungen wichtig.
Im Folgenden werden exanthematische
Viruserkrankungen in Abhängigkeit vom
Hauptmanifestationsalter dargestellt.
Neugeborenenalter
Zu den schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Erkrankungen des Neugeborenen
(umfasst die ersten 4 Lebenswochen) gehören auch Virusinfektionen, die sich
als vesikulopustulöses, papulopustulöses
oder hämorrhagisch/purpuriformes Exanthem manifestieren können. Viel häufiger jedoch ist das Exanthem Ausdruck einer typischen, transienten harmlosen Erkrankung (z. B. Erythema toxicum neonatorum). . Tabelle 1 zeigt diagnostische
Unterscheidungskriterien viraler Exanthemerkrankungen und deren Differenzialdiagnosen. Blasenbildung, Erythrodermie, Mitbefall der Schleimhaut und
extramukokutane Symptome wie Fieber,
Trinkschwäche, Hypotonie und Zyanose
weisen auf lebensbedrohliche Infektionen
hin. Abhängig vom Zeitpunkt der Ansteckung werden konnatale Infektionen (Infektionen intrauterin), perinatale Infektionen (Infektionen unter der Geburt) und
postnatale Infektionen (Infektionen nach
der Geburt innerhalb der neonatalen Phase) unterschieden.
Herpes-simplex-Virus-Infektionen
Epidemiologie
Herpes-simplex-Virus- (HSV-)Infektionen des Neugeborenen sind selten. Das
betrifft sowohl die diaplazentar (konnatale Infektionen) oder unter der Geburt
übertragenen (perinatale Infektionen führen zum Herpes neonatorum) Infektionen als auch die postnatal durch eine infizierte Kontaktperson erworbenen Infektionen (Herpes neonatorum). Bei genitaler HSV-Primärinfektion der Schwangeren liegt das Risiko der Infektion vaginal
geborener Neonaten bei 50% und bei 5%,
wenn eine rezidivierende genitale Herpessimplex-Infektion der Mutter besteht [40].
Die Inkubationszeit liegt im Durchschnitt
bei 2–12 Tagen.
Die Mortalität der neonatalen disseminierten HSV-Infektion hat durch verbesserte Diagnostik und Therapie in den letzten 30 Jahren von 89% auf 29% abgenommen [23].
Ätiologie
Konnatale und neonatale HSV-Infektionen sind am häufigsten auf HSV-2 zurückzuführen. HSV-2 gehört wie HSV-1 und
Varicella-zoster-Virus (VZV) zu den Alpha-Herpesviridae.
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Die konnatale Herpes-simplex-Infektion ist durch ein vesikulöses/bullöses Exanthem, Erosionen und Narben, sowie
Schleimhautbeteiligung gekennzeichnet.
Stigmata wie Mikrozephalie, Chorioretinitis und Katarakt begleiten das Exanthem.
Neonatale HSV-Infektionen zeigen sich lokalisiert an Haut und Schleimhaut (35%),
am ZNS (33%) oder disseminiert systemisch (32%). Der Allgemeinzustand ist
durch unspezifische Symptome wie Erbrechen, Apnoe, Zyanose, Ateminsuffizienz
und Hyperexzitabilität erheblich beeinträchtigt. Das vesikulöse Exanthem, bei
dem die orale Schleimhaut mit betroffen
ist, birgt die Gefahr einer bakteriellen Superinfektion.
Diagnostik
Das vesikulöse Exanthem mit Schleimhautbeteiligung (Mund, Rachen) in Verbindung mit einem schlechten Allgemeinzustand und ein positiver Tzanck-Test [30]
sind diagnoseweisend. Zur Verifizierung
hat sich die Virusisolierung aus dem Bläscheninhalt/Schleimhautabstrich bewährt.
Als Schnelltest dienen der direkte HSV-Antigennachweis durch Immunfluoreszenz
oder HSV-DNA-Nachweis mittels PCR.
Therapie und Prophylaxe
Therapeutisch steht neben der symptomatischen Lokaltherapie (austrocknend, Antiinfektiosa) die frühzeitige Aciclovir-Therapie im Vordergrund. Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie
(DGPI) empfiehlt bei einer konnatalen
HSV-Infektionen des ZNS oder einer disseminierten konnatalen Infektion 3-mal
20 mg/kg/Tag i.v. über 3 Wochen. Bei isoliertem mukokutanen Befall einer neonatalen HSV-Infektion sind 3-mal 15 mg/
kg/Tag i.v. über 3 Wochen ausreichend
[40].
Schwangere mit einer genitalen HSVPrimärinfektion sollten mit Aciclovir behandelt werden. Bei ihnen ist die Sectio
indiziert, wenn die Infektion nach der
34. Gestationswoche auftritt [40]. Die
primäre Herpesinfektion während der
Schwangerschaft ist ein Beispiel für die
Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit.
Impfungen (HSV-2-Glykoprotein-DVakzine) für HSV-seronegative Frauen sind
zur Prophylaxe neonataler Herpes-simplexInfektionen in Erwägung zu ziehen [21].
Varizellen
Epidemiologie
Eine intrauterine Infektion mit dem Varicella-zoster-Virus (VZV) ist selten (Inzidenz
der Varizellen in der Schwangerschaft 0,1–
0,7/1.000 Schwangerschaften) [37], da lediglich 5–7% der Schwangeren seronegativ und damit empfänglich für Varizellen
sind. Die Varizelleninfektion der Schwangeren in den ersten 5 Schwangerschaftsmonaten führt bei 2% der Kinder zu einem fetalen Varizellensyndrom (konnatale Varizellen). Neugeborene mit diesem Syndrom
und Hautveränderungen sind infektiös,
wie Schulze-Oechtering et al. [38] durch
den DNA-Virusnachweis im Liquor und in
Hautläsionen aufzeigten. Varizellen in den
ersten 10–12 Lebenstagen (neonatale Varizellen) haben abhängig vom Zeitpunkt der
Infektion eine unterschiedliche Prognose.
Die Varizellenerkrankung der Schwangeren 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt
führt aufgrund fehlender mütterlicher Antikörper zu einem schweren Krankheitsbild
des Kindes. Bei früherer intrauteriner Infektion und bei postnatal erworbenen Varizellen, die über Tröpfchen oder häufiger über
das Exanthem (Bläschen, Krusten) übertragen werden, haben die Neugeborenen eine
bessere Prognose. Die Inkubationszeit für
postnatale Infektionen kann 1–3 Wochen
betragen.
Im Vergleich zu Varizellen stellt der Herpes zoster während der Schwangerschaft
und in der Perinatalperiode kein Risiko für
das Kind dar, da der Herpes zoster nicht
mit einer Virämie einhergeht und die Neugeborenen durch mütterliche Antikörper
geschützt sind. Bei fehlenden Antikörpern
jedoch ist eine VZV-Übertragung mit der
Folge von Varizellen über die kutane Infektion des Herpes zoster möglich.
Ätiologie
Das VZV gehört zur Subfamilie der AlphaHerpesviridae (DNA-Viren).
Klinik
Das fetale Varizellensyndrom ist hauptsächlich durch kutane Narben und Defekte am Augen, Nerven- und Skelettsystem
gekennzeichnet. Es können jedoch auch
Zusammenfassung · Abstract
noch frische infektiöse Effloreszenzen
(s. oben) bestehen.
Vesikulopusteln auf gerötetem Grund
in generalisierter Verteilung, weniger
häufig gruppiert oder zosteriform, prägen das Hautbild der neonatalen Varizellen. Im Gegensatz zum späteren Lebensalter (s. unten) zeigen sich die Effloreszenzen häufig monomorph. Erhöhte Temperaturen begleiten die Infektion. Hepatitis,
respiratorische Insuffizienz und Enzephalitis können als Komplikationen auftreten. Das lässt sich gut mit den Ergebnissen der in-vitro-Studien von Shiraki et al.
[46] vereinbaren, die gezeigt haben, dass
die VZV hauptsächlich einen Tropismus
zu Hepatozyten und Lungenfibroblasten
aufweisen.
Diagnostik
Gesichert wird die klinische Verdachtsdiagnose einer Varizelleninfektion durch
die Serologie oder den direkten Erregernachweis aus dem Bläscheninhalt (Immunfluoreszenz, DNA-Nachweis mittels
PCR).
Therapie und Prophylaxe
Neben der symptomatischen, austrocknenden Behandlung ist Aciclovir [30(–45) mg/
kg/Tag i.v. für 5–10 Tage] Mittel der Wahl
zur Behandlung konnataler Varizellen.
Prophylaktisch wird Neugeborenen, deren Mütter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der
Entbindung an Varizellen erkranken, Varicella-zoster-Immunglobulin 1 ml/kg i.v.
postnatal verabreicht. Auch bei negativer
Varizellenanamnese der Mutter wird diese Prophylaxe Frühgeborenen verabreicht,
bei denen es innerhalb der ersten 6 Lebenswochen zu einer Exposition gekommen
ist. Unabhängig von der mütterlichen Varizellenanamnese gehört diese Maßnahme
zur Prophylaxe bei allen postnatal VZVexponierten Frühgeborenen <28. SSW
oder <1.000 g Geburtsgewicht [38].
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DOI 10.1007/s00105-004-0788-2
© Springer Medizin Verlag 2004
R. Fölster-Holst
Virusexantheme
Zusammenfassung
Die häufigste Ursache exanthematischer
Exantheme sind Virusinfektionen, die direkt oder über die Reaktion des Immunsystems Hautveränderungen auslösen. Für viele distinkte parainfektiöse Krankheitsbilder
sind mehrere Viren aus ganz unterschiedlichen Gruppen befähigt, ein bestimmtes
Exanthem auszulösen. Als dominierende
Erreger exanthematischer Erkrankungen
gelten Nicht-Polioenteroviren, respiratorische Viren, Epstein-Barr-, HHV-6- und HHV7-Viren sowie Parvovirus B19. In vielen Fällen manifestieren sich Exantheme makulös oder makulopapulös in disseminierter Verteilung. Einige Exanthemerkrankungen weisen typische Prädilektionsstellen
auf. Neben dem klinischen Bild sind Anam-
nese, Beachtung des Allgemeinzustandes
und der Jahreszeit sowie die körperliche
Untersuchung diagnoseweisend. Bei Unklarheiten und für wissenschaftliche Fragestellungen sichern Blutuntersuchungen,
Abstriche und Histologie die Diagnose. Die
Kenntnis der Exanthemerkrankungen, die
zumeist harmlos verlaufen, ist zur Abgrenzung lebensbedrohlicher Erkrankungen
wichtig. Im Folgenden werden exanthematische Viruserkrankungen in Abhängigkeit
vom Hauptmanifestationsalter dargestellt.
Schlüsselwörter
Exantheme · Exanthemerkrankungen ·
Virusinfektion · Hauptmanifestationsalter
Viral exanthemas
Abstract
The most frequent cause of exanthematous diseases are viral infections, which provoke skin alterations either directly or via
the reaction of the immune system. In many distinct parainfectious clinical pictures,
several viruses from quite different groups
are able to produce a specific rash. Dominant pathogens for exanthematous diseases include non-polio enteroviruses, respiratory viruses, Epstein-Barr virus, HHV6 and HHV-7 viruses as well as parvovirus
B19. In many cases rashes present with
macular or maculopapular features in disseminated distribution. Some exanthematous diseases exhibit typical predilection
sites. In addition to the clinical picture, diagnosis is based on the patient’s history,
observation of the patient’s general condition, awareness of the season in the year, and physical examination. In uncertain
cases and for scientific studies, blood analysis, smear tests, and histological investigation confirm the diagnosis. Knowledge of
rashes disease, which usually run harmless
course, is essential for differentiation of lifethreatening disorders. This article presents
exanthematous viral diseases depending
on age at primary manifestation.
Keywords
Exanthemata · Exanthematous diseases ·
Viral infection · Age at primary
manifestation
Röteln
Epidemiologie
Der Anteil gebärfähiger Frauen ohne Antikörper gegen Rötelnviren liegt in Deutschland bei 1–6%. Die primäre Rötelnvirusinfektion der Schwangeren in den ersten
4 Schwangerschaftsmonaten kann einen
Abort, Frühgeburtlichkeit und konnataDer Hautarzt 9 · 2004
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Leitthema
Abb. 1 7 Rötelnembryopathie. Purpuriforme
Makulae und Papeln
(„blueberry muffin
spots“) beim Neugeborenen (Universitätskinderklinik, Kiel; mit freundlicher Genehmigung von
Prof. Stephani und Prof.
Manzke)
Abb. 2 7 Konnatale Zytomegalievirusinfektion.
In disseminierter Verteilung purpuriforme Makulae und Plaques („blueberry muffin spots“)
beim Neugeborenen
(Universitätskinderklinik
Kiel; mit freundlicher Genehmigung von Prof. Stephani und Prof. Manzke)
le Röteln zur Folge haben. Das Risiko
von Fruchtschädigungen sinkt mit zunehmendem Alter der Schwangerschaft. Während bei Infektionen in den ersten 4 Gestationswochen 61% der Kinder Schädigungen aufweisen, sind es bei Infektionen zwischen der 5. und 8. Woche 26% und zwischen der 9. und 12. Woche 8% [36]. Postnatale Röteln weisen eine Inkubationszeit
von 2–3 Wochen auf. Gerade in den Entwicklungsländern sind konnatale Röteln
mit den Hauptsymptomen von Blindheit
und Taubheit weiterhin ein Problem [5].
Ätiologie
Das Rötelnvirus (Rubellavirus) ist ein
RNA-Virus und gehört in die Familie der
Togaviren.
Klinik
Die konnatal erworbenen Röteln (Rötelnembryopathie; Gregg-Syndrom) [16]
sind durch die extrakutane Symptomtrias
von Taubheit, Herzfehler und Katarakt gekennzeichnet, häufig kompliziert durch
ZNS-Störungen. Kutan sind purpuriforme Flecken und Papeln charakteristisch
(„blueberry muffin spots“), die auf eine
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Der Hautarzt 9 · 2004
Abb. 3 8 Exanthema subitum. Diskretes makulopapulöses Exanthem am Stamm eines
Kleinkindes (Kinderklinik Nürnberg; mit
freundlicher Genehmigung von Professor
Gröbe)
dermale Erythropoese und Thrombozytopenie hinweisen (. Abb. 1). Differenzialdiagnostisch ist die Zytomegalieinfektion
zu erwägen, die jedoch nicht von den genannten extrakutanen Symptomen begleitet wird. Infektionen im späteren Alter beinhalten differenzialdiagnostisch MasernParvovirus-B-19-Infektionen, HHV- (humanes Herpesvirus-) 6-Infektionen und
Enterovirusinfektionen.
malige Impfung gegen Röteln zusammen
mit Masern und Mumps. Die 1. Impfung
sollte zwischen Beginn des 12. und Ende
des 15. Lebensmonats durchgeführt werden, die 2. bis zum Ende des 2. Lebensjahres. Eine Überprüfung des Impfstatus
bei Jugendlichen ist sinnvoll. Ist eine 2malige Impfung dokumentiert, so ist bei
Jugendlichen keine weitere Impfung indiziert.
Diagnostik
Zytomegalievirusinfektionen
Serologisch und über den DNA-Virusnachweis in Körpersekreten (Blut, Urin,
Nasopharyngealsekret) wird die Infektion bestätigt [5].
Therapie und Prophylaxe
Therapeutisch ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig (u. a. Kinderkardiologen, Ophthalmologen, Dermatologen).
Stationäre Kinder mit konnatalen Röteln sind in den ersten Monaten zu isolieren, bis sich das Virus im Urin und Nasopharyngealsekret nicht mehr nachweisen
lässt [17].
In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) [20] die 2-
Epidemiologie
Zytomegalieinfektionen sind die häufigsten konnatalen Infektionen. Bis zu 10%
der infizierten Neugeborenen entwickeln
Symptome. Kinder von seronegativen Müttern sind wesentlich häufiger symptomatisch als Kinder, deren Mütter die Infektion während der Schwangerschaft bei Seropositivität durchgemacht haben [49]. Neben der vertikalen Infektion werden CMVViren über Muttermilch, Urin, Blut/Blutprodukte und zervikale Sekrete übertragen [41]. Die Inkubationszeit liegt in Abhängigkeit von der Art der infektiösen Sekrete bei 3 Wochen bis 4 Monaten.
Ätiologie
Das humane Zytomegalievirus (CMV)
gehört zur Beta-Herpesviridae-Subfamilie.
Klinik
Klassischerweise zeigen die Neugeborenen
ein petechiales oder purpuriformes Exanthem, das von extrakutanen Symptomen
wie Hepatosplenomegalie, intrauteriner
Wachstumsretardierung, Thrombozytopenie, Chorioretinitis, Taubheit und mentaler
Retardierung begleitet wird. Im Vergleich
zu den Differenzialdiagnosen von HSV-Infektionen, Syphilis und Toxoplasmose ist
das Exanthem der Zytomegalieinfektion
besonders durch eine purpuriforme („blueberry muffin spots“) Note gekennzeichnet
(. Abb. 2), die auf eine extramedulläre Hämatopoese und Thrombozytopenie zurückzuführen ist. „Blueberry muffin spots“ sind
ebenfalls typisch für die Rötelninfektion,
die jedoch durch andere Symptome, wie
z. B. kongenitale Herzfehler, von der Zytomegalieinfektion abzugrenzen ist.
Diagnostik
Die symptomatische Therapie steht im
Vordergrund.
CMV-Viren lassen sich in den Epithelzellen der Urin- und Speichelproben
durch CMV-DNA (mittels PCR) oder
durch das CMV-Antigen pp65 nachweisen [54]. Die Serologie untermauert bei
Nachweis spezifischer CMV-IgM-Antikörper oder persistierender IgG-Antikörper über 4 Monate ebenfalls die Infektion.
Die Diagnose einer CMV-Erkrankung
kann jedoch nur in Verbindung mit der
Klinik gestellt werden.
Therapie
Da sich Ganciclovir in Phase-II-Studien
als hemmend auf die CMV-Replikation erwies, kann das Medikament trotz fehlender kontrollierter Studien als Heilversuch
bei der konnatalen CMV-Infektion eingesetzt werden [34, 48].
Säuglings- und Kleinkindesalter
In dieser Kindheitsphase (zwischen 28. Lebenstag und Ende des 2. Lebensjahres), die
durch zunehmenden Kontakt mit Trägern
von Krankheitserregern geprägt ist, sind virale Infektionen häufig. Zu den wichtigsten
Abb. 4a–c 8 Gianotti-Crosti-Syndrom. Lichenoide kleinlinsengroße rote Papeln im Bereich der
Wangen (a), an den Prädilektionsstellen ventral (b) und im Bereich der Glutealregion (c)
zählen Exanthema subitum, Gianotti-Crosti-Syndrom sowie unspezifische Exantheme durch Adeno- und Enteroviren.
Exanthema subitum
(Dreitagefieber)
Epidemiologie
Das Exanthema subitum gehört zu den
häufigsten Exanthemerkrankungen des
Säuglings. Am Ende der Säuglingszeit
sind bereits 2/3 der Kinder seropositiv,
wobei sich die meisten Infektionen lediglich mit Fieber ohne Exanthem manifestieren [50]. Im Erwachsenenalter sind nahezu alle Menschen latent infiziert. Die
Übertragung erfolgt durch infektiösen
Speichel. Die Inkubationszeit beträgt 5–
15 Tage. Eine saisonale Häufung lässt sich
nicht feststellen.
Ätiopathogenese
Die auslösenden Erreger sind doppelsträngige DNA-Viren aus der Gruppe der humanen Herpesviren (HHV 6, seltener
HHV 7) [1], die einen Tropismus zu TLymphozyten zeigen [28]. Nach überstandener Erkrankung persistieren die Viren
in latenter Form in den T-Lymphozyten
und können unter Immunsuppression
eine Reaktivierung erfahren. Klassische
Manifestation der Primärinfektion ist das
Exanthema subitum.
Klinik
Bei nicht beeinträchtigtem Allgemeinzustand entwickeln die Kinder plötzlich hohes Fieber, dem bei Entfieberung nach
3–6 Tagen ein sehr diskretes makulöses
oder makulopapulöses Exanthem mit Bevorzugung von Nacken und Stamm folgt
(. Abb. 3). Das Exanthem, das bereits
nach einigen Stunden rückläufig ist, kann
von Schnupfen, Husten, Bauchschmerzen,
Lymphadenopathie und Pharyngotonsillitis begleitet sein.
Andere Virusinfektionen wie Adeno-,
Entero-, Röteln- und Parainfluenzaviren
und Arzneimittelexantheme sind differenzialdiagnostisch zu erwägen.
Der Fieberkrampf kommt bei ca. 10%
der Patienten vor. Enzephalitis, Hepatitis,
Retinitis, Pneumonie und thrombozytopenische Purpura zählen zu den seltenen
Komplikationen.
Diagnostik
Der klassische Verlauf der Erkrankung
und der Häufigkeitsgipfel im 1. Lebensjahr sind diagnoseweisend.
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Leitthema
Abb. 5a,b 8 Hand-Fuß-Mund-Erkrankung. a Ovaläre gräuliche Bläschen auf gerötetem
Grund an den Fingerseitenkanten. b Ovaläre Bläschen auf gerötetem Grund plantar,
Ausrichtung der Bläschen parallel zu den Dermatoglyphen (Hautlinien)
Papulovesikeln treten an den Wangen
(. Abb. 4a), den Streckseiten der Extremitäten (. Abb. 5b) und der Glutealregion (. Abb. 6c) auf. Jedoch schließt der
Befall des Stammes das Exanthem nicht
aus [8]. Normalerweise sind die Kinder
in ihrem Allgemeinbefinden nicht beeinträchtigt.
Das Köbner-Phänomen lässt sich auslösen und führt bei Kratzen zu striär angeordneten Läsionen. Im Gegensatz zu den
wichtigsten Differenzialdiagnosen wie atopisches Ekzem, Lichen ruber, Iktusreaktionen und lichenoide Arzneimittelexantheme ist das GCS nur selten von Juckreiz begleitet.
Diagnostik
Die Hepatitisserologie sollte nur erfolgen,
falls die Kinder nicht geimpft worden sind.
Eine umfassende Virusdiagnostik ist epidemiologischen Fragestellungen vorbehalten.
Therapie
Abb. 6a–c 9 Varizellen. a Varizellennarben. b Pusteln auf gerötetem Grund im
Bereich der Schläfe und des Capillitiums.
c Fibrinbedeckte Erosionen auf gerötetem
Grund am Gaumen, perioral multiple
krustenschorfbedeckte Erosionen
Das Blutbild zeigt eine Leukopenie mit
relativer Lymphozytose. Serologische Testungen mit IgM-Nachweis und 4fachem
IgG-Anstieg bestätigen die spezifische Infektion.
Therapie
Die Therapie umfasst antipyretische und
ggf. antikonvulsive Maßnahmen.
Gianotti-Crosti-Syndrom
Epidemiologie
Manifestationsgipfel des Gianotti-CrostiSyndroms (GCS; frühere Bezeichnungen:
Acrodermatitis papulosa eruptiva, papulovesikuläres akrolokalisiertes Syndrom)
ist das Kleinkindesalter (mittleres Manifestationsalter 2 Jahre). Die Erkrankung
kommt häufig vor, die genaue Prävalenz
ist jedoch nicht bekannt.
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Ätiologie
Viren aus ganz unterschiedlichen Gruppen können das distinkte Exanthem auslösen. Am häufigsten kommt es EpsteinBarr-Virus-assoziiert vor (auch als endogene Reaktivierung) [51], während eine
Hepatitisinfektion selten als Ursache in
Frage kommt. Als weitere Auslöser wurden HHV-6-, Zytomegalie-, Coxsackie-,
Parainfluenza- und RS-Viren sowie Parvovirus B19 nachgewiesen [3]. Zu beachten ist, dass GCS auch als Impfreaktion
vorkommt (u. a nach den Lebendimpfstoffen Hepatitis B sowie Diphtherie,
Tetanus, Pertussis, Hib) [19]. Eine Assoziation zur Atopie wurde beschrieben
[35].
Klinik
Diagnoseweisend ist die Verteilung. Papeln (häufig lichenoid) oder seltener
Blande Pflegemaßnahmen sind ausreichend. Das Exanthem ist normalerweise
nach 3–8 Wochen abgeheilt; in sehr seltenen Fällen persistiert es bis zu 1 Jahr (es hat
sich bewährt, die Eltern über einen möglichen längeren Verlauf zu informieren).
Hand-Fuß-Mund-Erkrankung
Epidemiologie
Die Hand-Fuß-Mund-Erkrankung
(HFM) ist ein distinktes Exanthem im
Kleinkindesalter und tritt hauptsächlich
in den Sommer- und Herbstmonaten
auf. Die hohe Infektiosität erklärt Epidemien und das gleichzeitige Auftreten bei
Geschwistern und Eltern, die sich über
Tröpfchen- oder Schmierinfektion anstecken. Die Inkubationszeit ist mit 3–6 Tagen wesentlich kürzer als die der Varizellen. Enterovirusinfektionen zeigen sich
nicht nur als distinkte Hand-Fuß-MundErkrankung, sondern kommen auch als
generalisiertes unspezifisches Exanthem
vor.
Ätiologie
Der häufigste Erreger ist das CoxsackieA16-Virus, das wie die weiteren Coxsackie- und ECHO-Viren zu den Enteroviren (Familie der Picornaviren, hüllenlo-
Tabelle 1
Virale Exanthemerkrankungen des Neugeborenen und Differenzialdiagnosen (Auswahl) – klinische Unterscheidungsmerkmale. (Mod. nach [13] und [15])
Erkrankungen
Morphologie
Verteilung
Allgemeinzustand
Assoziierte Symptome
und Komplikationen
Häufigkeit/
Prognose
Nicht infektiös
Erythema toxicum Papeln/Papulopusteln
neonatorum
auf verwaschenen
Erythemen
Disseminiert, Aussparung Gut
palmoplantar
∅
Häufig/gut,
selbstlimitierend
Transiente
neonatale
pustulöse
Melanose
Schlaffe Vesikulopusteln
→ Krusten → Hyperpigmentierung mit Kolleretteschuppung
Disseminiert
einschließlich
Palmoplantarregion
Gut
∅
Selten/gut,
selbstlimitierend
Incontinentia
pigmenti
1. Stadium
Vesikulopusteln/
Blasen auf Erythemen
Blaschko-Linien
einschließlich
Palmoplantarregion
Meist gut
Anomalien im Bereich
der Zähne, Augen, ZNS,
Skelett
Selten/gut bei der
kutanen Form
Neonatale
Skabies
Vesikeln, Papeln,
Pusteln, Gänge
Disseminiert, betont
palmoplantar
Gut
Juckreiz,
Superinfektionen
Selten/gut
Neonatale
Impetigo
Pusteln, Krusten auf
Erythemen
Disseminiert einschließlich Palmoplantarregion
Normalerweise Fieber, Flüssigkeitsgut
und Elektrolytverlust
beim SSSS
Selten/normalerweise
gut
Neonatale
Herpes-simplexVirusinfektion
Vesikulopusteln
auf Erythemen, Bullae,
Erosionen, Ulzera
Disseminiert oder
gruppiert, einschließlich
Palmoplantarregion
Fieber, Befall von Auge,
Bei rein kutaner Form leicht Schleimhäuten, ZNS;
beeinträchtigt disseminierter Organbefall möglich
Selten (1:3.000–1:20.000
Lebendgeburten)/
Mortalität 17% bei rein
kutaner Form gut
Neonatale
Varizellen
Generalisiert, gruppiert
Vesikulopusteln auf
Beeinträchtigt
oder zosteriform
Erythemen, in diesem
frühen Alter monomorph einschließlich Palmoplantarregion
Konnatale
Zytomegalievirusinfektion
Petechien, Purpura
(„blueberry muffin
spots“)
Infektiös
se RNA-Viren) gehört. Seltene Auslöser
sind Coxsackie A2, A5, A9, A10, B2, B3,
B5 und Enterovirus 71.
Klinik
Prodromi wie subfebrile Temperaturen,
Appetitlosigkeit, Hals- und Bauchschmerzen gehen dem distinkten Exanthem voraus, das durch schmerzhafte Ulzera im
Bereich der Schleimhaut (Gaumen, Zunge,
Wange) und 2–8 mm große ovaläre gräuliche Bläschen an Fingerrücken und -seitenkanten (. Abb. 5a) sowie palmoplantar (. Abb. 5b) charakterisiert ist. Ein roter Hof umgibt die Effloreszenzen. Die
Anordnung der Bläschen orientiert sich
an den Hautleisten.
Die Erkrankung heilt normalerweise
nach 1–2 Wochen komplikationslos ab. En-
Disseminiert einschließlich Palmoplantarregion
Beeinträchtigt
Erhöhte Temperatur,
Hepatitis, respiratorische Insuffizienz,
Enzephalitis
Selten/5–30% Mortalität
Hepatosplenomegalie,
Thrombozytopenie,
Hörverlust, Chorioretinitis u. a.
Häufigste konnatale
Infektion, 1–2% der
Lebendgeburten/
meist gut
terovirus-71-Infektionen können jedoch
mit schwerwiegenden neurologischen
Komplikationen einhergehen, wie kürzlich
eine Epidemie in Taiwan zeigte [29].
Infektionen im 1. Trimenon können
zum Abort sowie intrauteriner Wachstumsretardierung führen.
Herpangina (ebenfalls Enteroviren),
Varizellen und Herpes-simplex-Virus-Infektionen sind differenzialdiagnostisch
zu bedenken.
Diagnostik
HFM ist eine klinische Diagnose. Eine
weiterführende Diagnostik ist unklaren
Fällen, Komplikationen und Infektionen
während der Schwangerschaft sowie epidemiologischen Untersuchungen vorbehalten. Die Virusisolierung in mehreren
Proben von Stuhl, Bläscheninhalt oder Rachenabstrich verifiziert die Infektion.
Therapie
Schmerzlindernd werden lokalanästhetikahaltige Lösungen oder Lutschtabletten eingesetzt. Bei Komplikationen ist die Gabe
von Virustatika zu erwägen. Obwohl Coxsackie-Viren nicht über die Thymidinkinase verfügen, ist Aciclovir bei der HFM-Erkrankung effektiv. Vermutlich ist die Wirksamkeit auf eine Erhöhung des endogenen antiviralen Interferon γ zurückzuführen [45]. Empfohlen wird die virustatische
Therapie v. a. bei immunsupprimierten Patienten [10]. Bei schwerwiegenden Komplikationen, wie z. B. Meningoenzephalitiden, ist ein individueller Heilversuch
mit Pleconaril zu erwägen [26].
Der Hautarzt 9 · 2004
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Leitthema
Tabelle 2
Klassische Kinderkrankheiten und Varizellen, modifiziert nach [13]
Dauer der
Inkubations- Ansteckung/
zeit
Kontagiosität
Morphologie/
Verteilung
Prodromi
Assoziierte Symptome/
Komplikationen
Therapie/Prophylaxe
14 Tage 5 Tage vor bis
Masern/Masernvirus (einzelsträngi4 Tage nach
ge RNA-Viren)
Exanthembeginn
Konfluierende
Erytheme/Gesicht,
retroaurikulär →
kraniokaudal
Katarrhal.
Vorstadium,
Fieber, Koplik-Flecken
Fieber, Photophob,
Otitis media, (Pneumonie,
Enzephalitis (u. a. SSPE)
Symptomatisch/Impfungen: 1. zwischen
12. und 15. Lebensmonat; 2. bis Ende des
2. Lebensjahres
Scharlach/erythro- 2–4
genes Toxin der
Tage
β-hämolysierenden
Streptokokken Gr. A
Kleinpapulös/betont
in den großen Beugen,
später grobe Desquamation
Fieber, Bauchschmerzen,
Tonsillopharyngitis
Wie Prodromi/akutes rheu- Penicillin oral
matisches Fieber, akute
100.000 IE/kg/
Glomerulonephritis, Endo- Tag für 10 Tage
karditis
Makulopapulös/
Gesicht → Rumpf →
Extremitäten
–
Lymphadenopathie, throm- Symptomatisch/
bozytopenische Purpura,
MMR
Enzephalitis, Rötelnembryopathie
Erkrankungen/
Erreger
Röteln/Rötelnvirus
(einzelsträngige
RNA-Viren)
Mit Antibiotika
1 Tag, ohne Antibiotika 21 Tage
14–
7 Tage vor bis
21 Tage 7 Tage nach
Exanthembeginn
Erythema infectio- 4–14
sum/Parvovirus B19 Tage
(einzelsträngige
DNA-Viren)
Bis zum
Exanthem
„slapped cheek“,
Erhöhte
girlandenförmiges
Temperatur
erythematöses Exanthem/proximale Extremitätenabschnitte
Erhöhte Temperatur/
Arthritiden, Arthralgien,
Hydrops fetalis, aplastische
Krisen
Exanthema subitum/HHV 6, HHV 7
(doppelsträngige
DNA-Viren)
5–15
Tage
?
Makulös, makulopapulös/v. a. Nacken,
Stamm
–
Schnupfen, Husten,
Symptomatisch,
Bauchschmerzen, Lympha- ggf. Antikonvulsiva
denopathie/Fieberkrampf,
Enzephalitis
Varizellen/Varicella-zoster-Virus
(doppelsträngige
DNA-Viren)
14–21
Tage
3 Tage vor bis
3 Tage nach
Beginn des
Exanthems
Schubweiser Verlauf
→ Polymorphie;
typisch Vesikeln!/
disseminiert, auch
Schleimhaut
Geringfügig,
u. a. leicht
erhöhte
Temperatur
Juckreiz/erhöhte Temperatur, bakterielle Superinfektionen; selten: Pneumonie,
Hepatitis, Enzephalitis,
Zerebellitis
Prophylaktisch ist bei Infektion in der
Umgebung die Stabilität der Enteroviren
zu bedenken. Regelmäßiges, gründliches
Händewaschen und -desinfektion beugen
einer Übertragung vor.
Vor- und Schulalter
In der 1. Hälfte dieser Entwicklungsphase, die vom 3. bis Ende des 11. Lebensjahres reicht, treten gehäuft klassische Kinderkrankheiten (. Tabelle 2) auf. Varizellen,
die nicht zu den klassischen Kinderkrankheiten zählen, und Erythema infectiosum
werden dargestellt.
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Der Hautarzt 9 · 2004
Immunglobuline bei
Immunsupprimierten, Erythrozyteninfusionen
Symptomatisch, Aciclovir bei Risikogruppen/Immunglobuline
bei Risikogruppen,
Indikationsimpfung
mit Lebendvakzine
(s. Text)
Varizellen
Ätiologie
Epidemiologie
Das Varicella-zoster-Virus (VZV) zählt zu
den Alpha-Herpesviridae (doppelsträngiges DNA-Genom).
Varizellen, die Erstmanifestation der Varicella-zoster-Virus- (VZV-)Infektion, wird
durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion
übertragen und kommt am häufigsten
bei 5- bis 9-jährigen Kindern vor. Nach einer Inkubationszeit von 14–21 Tagen entwickeln die Kinder das Exanthem, dem
Prodromi wie Abgeschlagenheit und mäßiges Fieber vorausgehen können. Die Erkrankung ist normalerweise durch einen
unkomplizierten Verlauf gekennzeichnet.
Die Kontagiosität ist sehr hoch und besteht 3 Tage vor bis zu 7 Tage nach Ausbruch des Exanthems (Effloreszenzen können bereits verkrustet sein).
Klinik
Dem Exanthem gehen Prodromi wie erhöhte Temperaturen und Abgeschlagenheit voraus. Als Primäreffloreszenzen entstehen rote Makulae, auf denen sich im
Zentrum zügig Bläschen entwickeln (Tautropfen auf einem Rosenblatt). Dem Bläschen- folgen das Pustel- und Krustenstadium. Da innerhalb von 1–2 Wochen täglich
neue Effloreszenzen aufschießen, bietet
die Klinik ein buntes Bild (Heubner-Sternkarte). Regelmäßig kommt es zur Lymphknotenschwellung, v. a. nuchal. Varizellen
können narbig abheilen (. Abb. 6a).
Abb. 8 8 Ampicillin-Exanthem. Morbilliformes Exanthem stammbetont
Abb. 7a,b 8 Erythema infectiosum. a Erytheme der Wangen („slapped cheek“). b Diskretes makulöses Exanthem mit retikulärem Muster an der oberen Extremität
Abb. 9a,b 9 „Papular-purpuric
gloves and socks syndrome“.
a Scharf begrenzte erythematöse Plaques im Bereich der Finger,
palmar und am Handrücken.
b Rotlivide konfluierende Makulae mit deutlichem Ödem plantar,
an Zehen und Fußrücken
Differenzialdiagnostisch wichtig sind
der Beginn des Exanthems am Capillitium (. Abb. 6b) sowie der Befall der oralen Schleimhaut (. Abb. 6c) (z. B. im Vergleich zu Iktusreaktionen und der Pityriasis lichenoides acuta et varioliformis) [14].
Die Polymorphie des Exanthems und ein
positiver Tzanck-Test unterscheiden Varizellen von der Hand-Fuß-Mund-Erkrankung und anderen Enterovirusinfektionen. Die generalisierte Herpes-simplexInfektion ist nicht mit Juckreiz verbunden
und zeigt sich nicht polymorph.
Zu den häufigsten Komplikationen der
Varizellen gehören bakterielle Superinfektionen mit Staphylococcus aureus oder
Streptokokken, die zu Impetigo contagio-
sa, Furunkulose, Erysipel, Phlegmonen,
nekrotisierender Fasziitis und toxischem
Schocksyndrom führen können. Bei erwachsenen und immunsupprimierten Patienten kann der Verlauf der Varizellen
durch Pneumonie, Otitis media, Enzephalitis, Hepatitis und disseminierte intravasale Koagulation kompliziert sein. Offensichtlich zeigt VZV besonders einen Tropismus zu Hepatozyten und Lungenfibroblasten [46].
Diagnostik
Ein juckendes polymorphes Exanthem
mit Schleimhautbeteiligung bei sonst
kaum beeinträchtigten Kindern ist diagnoseweisend. In unklaren Fällen ist der Erre-
gernachweis über die Immunfluoreszenz
oder molekulargenetisch (VZV-DNANachweis durch PCR) anzustreben.
Therapie
Gegen den Juckreiz werden Externa wie
Lotio alba oder synthetische Gerbstoffe
und ggf. Antihistaminika verordnet. Sekundärinfektionen heilen meist unter austrocknenden Maßnahmen. Bei starker Impetiginisierung sind Cephalosporine oder
Aminopenicilline mit β-Laktamasehemmern zu empfehlen.
Die passive Immunisierung mit VZVImmunglobulin ist Immunsupprimierten
sowie Patienten mit Immundefekterkrankungen, Leukämie und LymphomerkranDer Hautarzt 9 · 2004
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Leitthema
Abb. 10a,b 8 Pityriasis rosea. a Primärmedaillon mit nach innen gerichteter Schuppenkrause
(Kolleretteschuppung). b Exanthem in den Hautspaltlinien
kungen vorbehalten und sollte möglichst
innerhalb der nächsten 3 Tage nach Kontakt erfolgen.
Die aktive Immunisierung mit einer Lebendvakzine wird als Indikationsimpfung
für 12-bis 15-jährige Jugendliche ohne Varizellenanamnese, für Patienten mit besonderer Gefährdung (s. oben) und für seronegative Patienten mit schwerem atopischem Ekzem empfohlen [20].
Erythema infectiosum
(Ringelröteln)
Epidemiologie
Die Infektion kommt saisonal gehäuft in
den Winter- und Frühjahrsmonaten vor
und betrifft hauptsächlich Mädchen im
Schulalter; 50% der 15-Jährigen verfügen
bereits über spezifische Antikörper, im
Erwachsenenalter liegt die Seropositivität bei nahezu 100% [55]. Die Viren werden am häufigsten durch Tröpfchen übertragen, seltener sind kontaminierte Hände oder infizierte Blutprodukte die Infektionsquelle. Die Inkubationszeit beträgt
4–15 Tage. Kontagiös sind die Kinder lediglich in der Zeit vor Auftreten des Exanthems (Ausnahme: Patienten mit aplastischen Krisen). Ein Problem besteht darin, dass nicht alle Infizierten mit einem
Exanthem antworten und somit als mögliche Ursache für Epidemien anzusehen
sind.
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Der Hautarzt 9 · 2004
Die diaplazentare Übertragungswahrscheinlichkeit liegt bei ca. 10% [42]. Besonders im 2. Trimenon kann es durch
die Anämie zu einem Hydrops fetalis mit
der Gefahr des Absterbens kommen. Das
Risiko liegt jedoch unter 20%.
Patienten mit vorbestehenden Anämieerkrankungen sind gefährdet, aplastische
Krisen zu entwickeln. Eine weitere Risikogruppe stellen immunsupprimierte Patienten dar, bei denen die Anämie chronisch
rezidivierend verläuft.
Ätiopathogenese
Für Erythema infectiosum sind ParvoB19-Viren (gehören zur Familie der Parvoviridae, unbehüllte, einzelsträngige
DNA-Viren) verantwortlich, deren Zielzellen die Erythroblasten sind [42]. Entsprechende Zellrezeptoren, Globoside,
wurden nicht nur auf Erythrozytenvorläuferzellen, sondern auch auf Plazenta-,
Myokard- und Endothelzellen nachgewiesen [55]. Die viralen Proteine wirken zytotoxisch [7].
Offensichtlich bedarf es zur Ausbildung des Exanthems der Ablagerung von
Ag-Ak-Komplexen [55]. So bilden Patienten mit humoralen Immundefekten kein
Exanthem aus.
Klinik
Lediglich 15–20% der Parvovirus-B19-Infizierten [17] bieten das Exanthem. Eine
homogene kräftige Rötung der Wangen
(„slapped cheek“) (. Abb. 7a), der 3 Tage
später in typischer girlandenartiger oder
retikulärer Anordnung Erytheme an
den proximalen Extremitäten folgen
(. Abb. 7b), charakterisieren das distinkte Exanthem. Der Stamm kann mit betroffen sein. Der Verlauf ist durch ständiges
Abblassen und Wiederaufblühen der Effloreszenzen geprägt, wobei Irritationen und
Wärme (z. B. hohe Umgebungstemperaturen, heißes Bad, Sonne) und auch emotionaler Stress [6] das Exanthem provozieren
können.
Das Exanthem kann mit Polyarthritis/
Polyarthralgie, insbesondere an den kleinen Gelenken der Hände und Füße, sowie Lymphknotenschwellung und Fieber
einhergehen.
Die wichtigste Differenzialdiagnose
des Erythema infectiosum ist die systemische juvenile Arthritis, die ebenfalls mit einem Exanthem assoziiert sein kann. Als
weitere Differenzialdiagnosen kommen
andere klassische Kinderkrankheiten, v. a.
Röteln und Enterovirusinfektionen sowie
medikamentös ausgelöste Exantheme in
Betracht.
Meningitis [23], Myokarditis [27], Hepatitis [46] und nekrotisierende Vaskulitis
[12] wurden ebenfalls Parvovirus-B19-assoziiert beschrieben.
Diagnostik
Zur Sicherung der klinischen Diagnose
stehen Enzymimmunoassays und Immunfluoreszenztests zum Nachweis der Antikörper (IgM, IgG) zur Verfügung. Bei Infektionen in der Schwangerschaft sind wöchentliche Ultraschallkontrollen zu veranlassen. Fetale Infektionen und Abklärung
aplastischer Krisen sowie anderer oben aufgeführter Komplikationen erfordern den
Nachweis von Virus-DNA mittels PCR.
Therapie
Erythema infectiosum ist selbstlimitierend und bedarf normalerweise keiner
Therapie. Assoziierte Gelenkbeschwerden
erfahren Besserung durch nichtsteroidale
Antiphlogistika.
Bei einem Hydrops fetalis und verifizierter Infektion sind wiederholte intrauterine Erythrozytentransfusionen das
Mittel der Wahl. Bei chronischen Parvovirus-B19-Infektionen und bei immunsup-
primierten Patienten hat sich die Gabe
von Immunglobulinen (0,4 g/kg/Tag für
5–10 Tage) bewährt [55].
Nosokonialen Infektionen ist durch
wiederholtes, gründliches Händewaschen
und Desinfektion zu begegnen, da Parvoviren eine hohe Stabilität aufweisen.
Für seronegative Schwangere, Immunsupprimierte und Patienten mit Anämieerkrankungen, v. a. Hämoglobinopathien,
sind Impfungen zu erwägen, bei denen
das DNA-freie Kapsid zur Bildung neutralisierender Antikörper führt [4].
Adoleszenz
In dieser Phase der Kindheit (12. Lebensjahr bis Ende des 17. Lebensjahres)
kommt es zum Auftreten von viralen Exanthemerkrankungen, die auch beim Erwachsenen auftreten. Das Ampilicillin-/
Amoxicillinexanthem bei der infektiösen
Mononukleose, das „Papular-purpuric
gloves and socks syndrome“ und die Pityriasis rosea sind typische Exanthemerkrankungen in diesem Alter.
Ampillicin-/Amoxicillinexanthem
bei infektiöser Mononukleose
Epidemiologie
Infektionen mit Epstein-Barr-Viren (EBV)
treten bereits im Kleinkindesalter auf, wobei diese klinisch inapparent verlaufen
können. Die höchste Inzidenz der manifesten infektiösen Mononukleose liegt in der
Adoleszenz. Die Inkubationszeit schwankt
zwischen 1 und 7 Wochen.
Obligat ist das Exanthem, wenn die
Medikamente bei der infektiösen Mononukleose verabreicht werden. Hingegen
führt die Gabe von Ampicillin oder dessen Hydroxyderivat ohne die infektiöse
Mononukleose lediglich bei 10–15% der
Patienten zum Exanthem [31].
Ätiopathogenese
EBV-Viren gehören zur Familie der Herpesviren und infizieren lymphoepitheliales Gewebe im Rachenraum und später
periphere B-Lymphozyten. Das Immunsystem antwortet mit einer Aktivierung
der T-Lymphozyten (Pfeiffer-Zellen),die
über eine noch nicht verstandene komplexe Interaktion mit dem Antibiotikum
zum Exanthem führt. Nach überstande-
ner Erkrankung ist das Exanthem bei
Reexpositionen normalerweise nicht reproduzierbar. Offensichtlich sind jedoch
auch Sensibilisierungen auf die Antibiotika möglich, wie Hauttestungen und Lymphozytentransformationstests gezeigt haben [33].
Klinik
Wenige Tage nach Beginn der Antibiotikabehandlung kommt es zur Ausbildung eines morbilliformen Exanthems (. Abb. 8),
das im Gegensatz zu Masern vom Stamm
aus eine Ausbreitung erfährt und durch
ein stark ausgeprägtes faziales Ödem gekennzeichnet ist. Zu extrakutanen Unterscheidungsmerkmalen zählen die typischen Symptome der infektiösen Mononukleose wie eine exsudative Pharyngotonsillitis, Lymphadenopathie sowie Hepatosplenomegalie, Myalgien und Arthralgien.
Diagnostik
Für wissenschaftliche Fragestellungen
oder bei Risikopatienten erfolgt die Sicherung der EBV-Infektion serologisch
oder mit Hilfe molekulargenetischer Methoden aus oropharyngealem Speichelmaterial, Blut oder lymphatischem Gewebe. Eine allergologische Abklärung einer
möglichen Antibiotikaallergie ist empfehlenswert und sollte frühestens 4 Wochen
nach Abheilung des Exanthems durchgeführt werden (s. oben).
Therapie
Neben der Beendigung der Antibiotikatherapie steht die symptomatische Behandlung der Infektion und des Exanthems im
Vordergrund.
„Papular-purpuric gloves and socks
syndrome“ (Handschuh-SockenSyndrom)
Epidemiologie
Das „papular-purpuric gloves and socks
syndrome“ (PPGSS) wurde erstmals 1990
von Harms et al. [18] beschrieben und betrifft hauptsächlich Adoleszente und junge
Erwachsene weiblichen Geschlechts. Eine
saisonale Häufung in den Frühjahrs- und
Sommermonaten wurde beobachtet [32].
Die Inkubationszeit beträgt 5–10 Tage. Im
Gegensatz zum Erythema infectiosum ist
das PPGSS auch während des Exanthem-
stadiums kontagiös [43]. Die Übertragung
erfolgt durch Tröpfchen, ist jedoch auch
über kontaminierte Hände und Blutprodukte möglich [2].
Ätiologie
Am häufigsten ist die Infektion auf Parvovirus B19 zurückzuführen. Seltener wurden
Coxsackie-, Zytomegalie-, Masern- und
Hepatitis-B-Viren nachgewiesen [11].
Klinik
Das Exanthem ist durch brennende, juckende rotlivide Makulae und Papeln gekennzeichnet, die zu Plaques konfluieren
können. Prädilektionsstellen sind Hände
(. Abb. 9a) und Füße (. Abb. 9b). Nicht
selten wird das Exanthem von einem Enanthem der Mundschleimhaut mit Aphthen und Petechien, mäßig hohem Fieber, Lymphadenopathie und Arthralgien
begleitet.
Die Erkrankung ist normalerweise
selbstlimitierend. Die Komplikationen entsprechen denen anderer Parvovirus-B19Infektionen (s. Erythema infectiosum).
Auf Infektionen während der Schwangerschaft und Patienten mit Hämoglobinopathien und Immundefekten ist auch hier
sorgsam zu achten. Im Anfangsstadium
muss das Erythema exsudativum multiforme als Differenzialdiagnose in Erwägung
gezogen werden (bei dem PPGSS fehlen
jedoch die typischen Kokarden). Die akralen Ödeme erinnern an das Kawasaki-Syndrom, die Petechien an die Meningokokkensepsis. Beide Differenzialdiagnosen
sind jedoch mit lebensbedrohlichen Begleitsymptomen verbunden. Weiterhin
sollten Kollagenosen, v. a. der ChillblainLupus, ausgeschlossen werden (ANA, direkte Immunfluoreszenz).
Diagnostik
Die Klinik ist diagnoseweisend. Sowohl
der Erreger- (DNA-Nachweis mittels
PCR) als auch der AK-Nachweis (Enzymimmunoassay, Immunfluoreszenztest)
werden zur Bestätigung der Diagnose eingesetzt.
Therapie
Die Therapie ist symptomatisch; bei Komplikationen gelten die für das Erythema infectiosum angegebenen therapeutischen
Maßnahmen.
Der Hautarzt 9 · 2004
| 815
Leitthema
Pityriasis rosea (Röschenflechte)
Epidemiologie
Die Pityriasis rosea (PR) ist eine häufige,
akut auftretende, selbstlimitierende Exanthemerkrankung, die sich v. a. in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter
manifestiert. Die PR kommt in den Sommermonaten seltener vor.
Ätiologie
Die Ätiologie ist ungeklärt. Drago et al.
[9] konnten im Plasma und den Hautläsionen ihrer 12 untersuchten Patienten
mittels PCR das humane Herpesvirus 7
(HHV 7) feststellen. Die Kontrolluntersuchungen bei Hautgesunden waren negativ. Diese Befunde werden jedoch kontrovers diskutiert. So fanden andere Arbeitsgruppen keine Unterschiede hinsichtlich
des HHV-7-Nachweises in der läsionalen
Haut von Patienten mit Pityriasis rosea im
Vergleich zu hautgesunden Kontrollen [22,
25, 54].
Klinik
Das Exanthem beginnt mit einem erythematosquamösen 2–6 cm großen ovalären Plaques („Primärmedaillons“)
(. Abb. 10a), dem innerhalb von 1–2
Wochen kleinere Läsionen, bevorzugt
an Stamm und proximalen Extremitätenabschnitten, folgen. Die Anordnung in
den Hautspaltlinien führt zu einem typischen Verteilungsmuster des Exanthems
(. Abb. 10b), das mit leichtem, selten mit
hartnäckigem Juckreiz einhergehen kann.
Eine nach innen gerichtete Schuppenkrause (Kolleretteschuppung) im Zentrum der
Läsionen ist ebenfalls diagnoseweisend.
Auffällig ist zudem eine hohe Irritabilität
der Haut, die sich besonders durch ständiges Waschen offenbart. Die Erkrankung
kann 3 Wochen bis 6 Monate dauern.
Das Primärmedaillon lässt differenzialdiagnostisch an eine Tinea corporis denken, die jedoch die Kolleretteschuppung
vermissen lässt. Die Differenzialdiagnosen des Exanthems sind breit gefächert
und umfassen andere erythematosquamöse Hauterkrankungen wie Psoriasis guttata, Parapsoriasis en plaques, Pityriasis lichenoides chronica Juliusberg (Oblatenschuppung), Arzneimittelexantheme, sekundäre Syphilis, Pityriasis versicolor und
nummuläres Ekzem.
816 |
Der Hautarzt 9 · 2004
Therapie
Korrespondierender Autor
Eine Therapie ist in den meisten Fällen
nicht erforderlich. Bei stärkerem Juckreiz
und ausgedehntem Befall kann die Kombination von milden topischen Glukokortikosteroiden und niedrig dosierter UVBBestrahlung erwogen werden [52]. Am
wichtigsten ist, die Patienten darauf hinzuweisen, dass Irritationen wie verstärkte Waschprozeduren eine Ekzematisierung auslösen und damit die Abheilung
verzögern können. Die Erfahrungen von
Sharma et al. [44], die eine hohe Effektivität von Erythromycin bei ihren Patienten
feststellten, können wir teilen. Eine komplette Abheilung kann nach 2–4 Wochen
erreicht werden. Vermutlich ist die Wirksamkeit durch den antientzündlichen und
immunmodulatorischen Effekt von Erythromycin zu erklären.
PD Dr. R. Fölster-Holst
Fazit für die Praxis
Die häufigste Ursache exanthematischer
Exantheme sind Virusinfektionen, die direkt (infektiös) oder über die Reaktion
des Immunsystems (parainfektiös) Hautveränderungen auslösen. Während die
infektiösen Exantheme v. a. Ausdrucksform eines bestimmten Erregers darstellen, sind für viele distinkte parainfektiöse
Krankheitsbilder mehrere Viren aus ganz
unterschiedlichen Gruppen befähigt, ein
bestimmtes Exanthem auszulösen. Als dominierende Erreger exanthematischer
Erkrankungen gelten Nicht-Polioenteroviren, respiratorische Viren, wie z.B. Adeno-, Rhino-, Parainfluenza-, Respiratory
syncytial- und Influenzaviren, EpsteinBarr-, HHV-6- und HHV-7-Viren sowie Parvovirus B19. Neben dem klinischen Bild
sind Anamnese, Beachtung des Allgemeinzustandes und der Jahreszeit sowie
die körperliche Untersuchung diagnoseweisend. Bei Unklarheiten und für wissenschaftliche Fragestellungen sichern Blutuntersuchungen, Abstriche und Histologie die Diagnose. Die Kenntnis der Exanthemerkrankungen, die zumeist harmlos
verlaufen, ist zur Abgrenzung lebensbedrohlicher Erkrankungen wichtig.
Klinik für Dermatologie,
Venerologie und Allergologie
der Christian-Albrechts-Universität Kiel,
Schittenhelmstraße 7, 24105 Kiel
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt: Keine Angaben
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HIV-Infektion
Ist eine HIV-Infektion
überhaupt noch
ein Problem?
Diese Frage stellt
sicher so mancher
Patient. Tatsächlich
hat die moderne
antiretrovirale
Therapie den klinischen Verlauf der HIVInfektion dramatisch verändert. Selbst
die Prognose einer weit fortgeschrittenen
HIV-Infektion im Stadium des AIDS hat sich
verbessert. Aber natürlich gibt es immer
noch zahlreiche Probleme, die in Zukunft
gelöst werden müssen.
Die Ausgabe 06/2003 der SpringerFachzeitschrift „Der Internist“ beleuchtet
die aktuellen Herausforderungen, die die
HIV-Infektion an die moderne Medizin
stellt. Hier finden Sie neue Informationen
über folgende Themen:
F Ökonomische Aspekte der ambulanten
und stationären Behandlung
HIV-Infizierter
F Kompetenznetz HIV/AIDS
F Nebenwirkungen der antiretroviralen
Therapie
F Stand und gegenwärtige Strategien
der HIV-Vakzineentwicklung
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Der Hautarzt 9 · 2004
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