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Allgemeine Pharmakologie und Toxikologie
Teil: Endokrine Pharmakologie
Prof. Dr. J. Pfeilschifter
Zentrum der Pharmakologie
Institut für Allgemeine Pharmakologie und Toxikologie
Johann Wolfgang Goethe Universität
Frankfurt am Main
- Allgemeine Vorbemerkungen
- Therapie des Diabetes mellitus
- Schilddrüsenhormone, Thyreostatika
- Parathormon, Calcitonin
- Steroidhormone
Endokrine Pharmakologie (1)
1.
Korrektur der Defizienz eines Hormons (oder
mehrerer Hormone): Substitution.
Beispiel: Insulin bei Diabetes
2.
Kompensation für Überschuss oder
ungenügende Wirkung eines Hormons.
Beispiel: Thyreostatika bei Hyperthyreose,
Testosteron bei Hypogonadismus
Endokrine Pharmakologie (2)
3. Veränderung oder diagnostisches Testen eines endokrinen
Regelkreises.
Beispiele: Orale Kontrazeptiva, Metyrapon-Test bei
Überfunktion der Nebenniere
4. Behandlung nicht-hormoneller Krankheiten mit Hormonen.
Beispiele: Asthma/Glukokortikoide;
Mamma-Karzinom/Geschlechtshormone;
Hypertonie/Aldosteron-Antagonisten
Definition des Diabetes mellitus
Ein Diabetes mellitus liegt vor, wenn die
Glucosekonzentration im Kapillarblut beim
nüchternen Menschen 120 mg/100 ml (7 mmol/l)
übersteigt.
Diese Diagnose ist ebenfalls gegeben, wenn 2 Stunden
nach einer oralen Glucosebelastung im Kapillarblut
mehr als 200 mg/100 ml (11 mmol/l) Glucose
gefunden werden.
Diabetes mellitus
Inzidenz: ca. 5-6 % der Bevölkerung (ca. 5 Millionen in D)
Davon haben
a) ca. 15% einen Insulin abhängigen Diabetes Typ I
(Autoimmunerkrankung, Zerstörung der B-Zellen der
Langerhans-Inseln)
b) ca. 80% eines nicht-Insulin abhängigen Diabetes Typ II
(gestörte Insulinsekretion, periphere Insulinresistenz)
c) ca. 5% haben einen sich langsam aber progressiv
entwickelnden Typ I Diabetes, der sich klinisch als Typ
II Diabetes äussert
Therapie des Insulin-abhängigen
Diabetes
Nur mit Insulinsubstitution möglich
a) Humanes rekombinantes Insulin
b) Hochgereinigtes Schweineinsulin
c) Hochgereinigtes Rinderinsulin
(Altinsuline, Retard-Formen)
Molekularpharmakologische Wirkungen
des Insulins
1.
1.
2.
3.
Durch Bindung von Insulin an seinen Rezeptor wird eine
Rezeptor-Tyrosinkinase aktiviert, die in der Zelle
spezifische Proteinsubstrate phosphoryliert
(Repression gluconeogenetischer Schlüsselenzyme,
Aktivierung glykolytischer Schlüsselenzyme)
Internalisierung des Insulin-Rezeptor-Komplexes („downregulation“)
Mobilisierung von Glucosetransportern und Einbau in die
Zellmembran von Muskel- und Fettgewebe
Insgesamt fördert Insulin daher die Glucoseverwertung
Wirkung von subkutaner Gabe von Insulin Lispro und Insulin
auf die Serumkonzentrationen (A) und die Geschwindigkeit einer
Glucoseinfusion zur Erhaltung einer Normoglykaemie (B)
Steuerung der Freisetzung vom Injektionsort in die Blutbahn
Normalinsulin
+ Zink oder Protamin
z.B. in NPH-Insulinen
(Neutrales Protamin
Hagedorn), Lente,
Ultralente
Hypoglykämie nach 3-6 h
Vorteil von Glargin
gegenüber NPH:
Kontinuierlich
niedriger
Glucosespiegel !
Intensivierte Konventionelle Insulintherapie (ICT)
oder Basis-Bolus-Therapie (BBT)
Mit dem schnell-wirksamen Insulin Lispro (oder Aspart) entfällt der
Spritz-Eß-Abstand.
Als Verzögerungsinsulin hat sich in der Praxis Insulin Glargin bewährt.
Insulin-Applikation
Inhalator
+ Pflaster:
eine Alternative zur
Injektion ?
Alter Reisekoffer für die
Applikation von Insulin
Pens für die
moderne Anwendung
Therapie des nicht-Insulin-abhängigen Diabetes (1)
Ziel aller therapeutischen Bemühungen muss es sein,
die Lebenserwartung und Umstände dieser Patienten
zu verbessern und vor allem die Gefäßkomplikationen
zu vermeiden. Die diabetische Stoffwechsellage soll
möglichst dauerhaft gut eingestellt werden.
Therapie der nicht-Insulin-abhängigen Diabetes (2)
Diät ist die Grundlage einer jeden Diabetestherapie
(90% der Patienten sind übergewichtig, periphere Insulinresistenz)
Mit Ausnahme symptomatischer Patienten sollte ein erster
Therapieversuch mit Diät und körperlicher Ertüchtigung über 4-6
Monate durchgeführt werden.
Erst bei unzureichender Wirkung dieses individuellen Programms
sollte eine Pharmakotherapie zum Einsatz kommen:
1. Sulfonylharnstoffderivate
2. Biguanide
3. Thiazolidindione
4. Insulin
Acarbose
Eigenschaften von Metformin
- nicht an Plasmaproteine gebunden
- keine Biotransformation
- Ausscheidung nur über die Niere (Cave Nierenfunktionsstörungen)
- Plasmahalbwertszeit: 2-4 Stunden
- Dosierung: 3x täglich mit der Mahlzeit (500- 1000 mg)
- Im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen kommt es nur sehr selten zu
Hypoglykämien und zu keiner Gewichtszunahme
- kann alleine oder in Kombination mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen
gegeben werden
- wirkt vermutlich über eine Hemmung der gastrointestinalen
Glucoseresorption
Nebenwirkungen von Metformin
-Gastrointestinale Beschwerden (5-20% transient)
(Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Durchfall)
-Lactatacidose (selten, aber in 30% letal)
Kontraindikationen
-Niereninsuffizienz
-Schwangerschaft
-Lebererkrankungen
-Alkoholismus
-Kardiopulmonale Insuffizienz
-Gewebsanoxie
Geschichte der Sulfonylharnstoffe
1942 Janbon und seine Kollegen entdecken, daß ein Sulfonamid, das zur
Behandlung von Thyphus-Patienten eingesetzt wurde, zu schweren
hypoglykämischen Reaktionen führte
1955 Franke und Fuchs haben ein neues Sulfonamid (Carbutamid) im
Selbstversuch gestestet und beobachten typische Symptome einer
Hypoglykämie (Tremor der Hände, Schweißausbruch, Euphorie).
Damit begann die Ära der Sulfonylharnstofftherapie des Typ IIDiabetes
1966 Einführung von Glibenclamid, eines Sulfonylharnstoffderivats der
zweiten Generation (ca. 200fach niedrigere Dosierungen möglich).
Hypoglykämische Wirkung von Sulfonylharnstoffen:
mögliche Mechanismen.
Wirkort
Mechanismus
Pankreas
Verbesserte Insulinsekretion
Reduzierte Glukagonsekretion
Extra-Pankreatisch
Verbesserte Gewebsempfindlichkeit geg. Insulin
Direkt: Erhöhte Rezeptorbindung
Erhöhte Post-Rezeptor Wirkung
Indirekt: Reduzierte Hyperglykaemie
Reduzierte Plasmaspiegel von freien FS
Reduzierte hepatische Insulinextraktion
Charakteristika von Patienten, die positiv auf
eine Sulfonylharnstofftherapie ansprechen:
-Alter über 40 Jahre
-Diabetesdauer ≤ 5 Jahre
-Körpergewicht zwischen 110 und 160% des
Idealgewichts
-Keine vorhergehende Insulintherapie, zumindest
aber weniger als 40 i.u. pro Tag
-Nüchternglucosespiegel ≤ 10 mmol/l (180
mg/100 ml)
Nebenwirkungen von Sulfonylharnstoffderivaten
-Hypoglykämien
-Gastrointestinale Beschwerden (1-3%) (Übelkeit,
Erbrechen, cholestatischer Ikterus)
- Hämatologische Reaktionen (≤ 0.1 %)
(Leukopenien, Thrombozytopenien, Agranulozytosen)
-Dermatologische Reaktionen (≤ 0,1%) (Pruritus,
Erythema nodosum, Erythema multiforme)
- Antabus Syndrom (Disulfiram-Syndrom)
-Gewichtszunahme
Nebenwirkungen von Thiazolidindionen
- Gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Völlegefühl)
- Gewichtszunahme um 1-3 kg
- leichtgradige Neutropenie
- Atemwegsinfekte
- Schwindel (ohne klinische Relevanz)
- Schwere hepatische Komplikationen unter Troglitazon
(2000 vom US-Markt genommen)
Glucagon
Indikationen für Glucagon (i.v.)
-Schwere hypoglykämische Zustände (v.a. bei Insulin oder
Sulfonylharnstoff-Überdosierungen im Kindesalter; dann auch
i.m. Gabe möglich)
-Akute schwere Herzinsuffizienz (positiv inotrope und
chronotrope Wirkung von Glucagon)
- Überdosierung von β-Sympatholytica am Herzen
(Glucagon löst, im Vergleich zu Sympathomimetika, seltener
Rhythmusstörungen aus)
Schilddrüsenhormone und
Thyreostatika
Regelmechanismus bei normaler und gestörter
Schilddrüsenfunktion
Indikationen für T4-Gabe
- Substitution bei allen Formen von Hypothyreose
- Rezidivprophylaxe der Struma nach Strumektomie
-Suppressionsbehandlung der euthyreoten Struma
-Suppressionsbehandlung nach Thyreoidektomie oder
Radioiodbehandlung von Schilddrüsenmalignomen
-Begleittherapie bei thyreostatischer Therapie der
Hyperthyreose
Kontraindikationen für T 4 - Gabe
Absolut – frischer Myokardinfarkt
Relativ - tachykarde Rhythmusstörungen
-KHK
-Myokarditis
Ein Diabetes mellitus kann bei Beginn einer T4 Behandlung entgleisen (permissive Wirkung der
Schilddrüsenhormone für die glykogenolytischen
Effekte von Glucagon und Katecholaminen), stellt
aber keine Kontraindikation dar.
Thyreostatika
1)
Syntheseblocker
2)
lodid-Transportinhibitoren (Perchlorat)
3)
lodid, das in hohen Dosen die Freisetzung
von T3 /T4 hemmt (≤ 5 mg/Tag)
4)
131I,
das durch ionisierende Strahlen die
Schilddrüse selektiv zerstört
Unerwünschte Wirkungen der Syntheseblocker
- strumigene Wirkung (Struma,
Exophthalmus)
- Agranulocytosen (≤ 0.5 %)
- Granulocytopenien (ca. 5%)
- Allergische Reaktionen (Fieber, Exantheme,
gastrointestinale Beschwerden)
- Hepatitis, Nephritis (extrem selten)
Parathormon (PTH, Parathyrin)
- Peptidhormon (84 Aminosäuren)
- fördert die Resorption von Ca2+ im Knochen
- erhöht die Resorption von Ca2+ im distalen
Tubulus der Niere (hemmt Phosphatresorption)
- steigert Ca2+ Resorption im Darm
Therapeutische Anwendung
-Substitution bei Hypoparathyreoidismus (Vitamin
D besser und billiger als bovines PTH)
- PTH-Fragmente erst in Erprobung
Calcitonin
- Peptidhormon
(32 AS) aus parafollikulären C-Zellen der Schilddrüse
- senkt die Ca2+ und Phosphatkonzentrationen im Serum
- synthetisches Calcitonin vom Lachs und vom Menschen verfügbar
Therapeutische Anwendungen
-schwere Hypercalciämien (z.B. primärer Hyperparathyreoidismus, Vitamin DIntoxikation, idiopathische Hypercalciämie)
- Morbut Paget
- Sudeck-Syndrom
- tumorbedingte Hypercalciämien und Knochenschmerzen
Kontraindikationen
- bei Hypocalciämien
Therapeutische Anwendung von
Glucocorticioden
-Substitutionstherapie (bei chronischer primärer
und sekundärer NNR-Insuffizienz)
-Pharmakodynamische Therapie mit
synthetischen Derivaten (antiinflammatorische
und immunsuppressive Wirkung)
Indikationen für Mineralcorticoide
-Substitution bei primärer NNR-Insuffizienz
(Morbus Addison)
-Adrenogenitales Syndrom mit Salzverlustsyndrom
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