ARBEITSPAPIER WORKING PAPER Nr. 29/2001 Lars Brzoska Dirk Nonnenmacher Gregory Theile Produktmanagement für Dienstleistungsunternehmen Kontaktadresse: Förderkreis für Industriegütermarketing e.V. an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster c/o Prof. Dr. Klaus Backhaus Am Stadtgraben 13-15, 48143 Münster Tel.: 0251-83-22861 Fax: 0251-83-22903 Email: [email protected] -I- Inhaltsverzeichnis Seite Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis II II Produktmanagement – ein altes Konzept für neue Anwendungsbereiche? 1 1. Produktmanagement als eine Koordinationsform der marktorientierten Unternehmensführung 4 1.1 Begriff, Zielsetzung und Aktionsfelder des Produktmanagements 4 1.2 Der Koordinationsbedarf als Ausgangspunkt des Produktmanagements 5 1.2.1 Ursachen für den gesteigerten Koordinationsbedarf 5 1.2.2 Erfüllung des internen und externen Koordinationsbedarfs 8 1.3 2. 9 1.3.1 Aufgaben 9 1.3.2 Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Instrumente 12 1.3.3 Das Produkt als konstitutives Element des Produktmanagements 13 Die Übertragung des Produktmanagementkonzepts auf den Dienstleistungsbereich 2.1 2.2 3. Zentrale Parameter des Produktmanagements 17 Veränderte Anforderungen an das Produktmanagement für Dienstleistungsunternehmen 17 2.1.1 Definition und Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs 17 2.1.2 Die Besonderheiten von Dienstleistungen 19 2.1.3 Implikationen dienstleistungsspezifischer Charakteristika für das Produktmanagement 20 Die Bedeutung der Leistungsstandardisierung für die Implementierung eines „Dienstleistungs-Produktmanagements“ 24 2.2.1 Leistungsstandardisierung vs. individuelle Leistungserstellung 24 2.2.2 Ansatzpunkte und Arten einer Dienstleistungsstandardisierung 25 2.2.3 Determinanten des Standardisierungspotenzials 28 2.2.4 Leistungsstandardisierung und –abgrenzung im Luftfrachtbereich - Das Beispiel Lufthansa Cargo AG 31 Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis 36 38 - II - Abkürzungsverzeichnis CIM DMG-Netservice et al. F&E IATA o.V. PIMS ROI SWOT td. ZFP Computer Integrated Manufacturing Deckel Maho Gildemeister-Netservice et aliter Forschung & Entwicklung International Air Transport Association ohne Verfasser Profit Impact of Market Strategies Return on Investment Strengths Weaknesses Opportunities Threats time definite Zeitschrift für Forschung und Praxis Abbildungsverzeichnis Seite Abb. 1 Ursachen für den gesteigerten Koordinationsbedarf 7 Abb. 2 Koordinationsmöglichkeiten in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad 8 Abb. 3 Der Produktmanager als Institution zur Koordination der unternehmensinternen und unternehmensexternen Schnittstellen 10 Abb. 4 Instrumente des Produktmanagers 14 Abb. 5 Arten unterschiedlicher Produktkonzepte 15 Abb. 6 Dienstleistungstypologie in Anlehnung an Engelhardt et al. 22 Abb. 7 Auswirkungen des Integrationsgrades und des Immaterialitätsgrades auf den Individualitätsgrad 23 Abb. 8 Ansatzpunkte einer Standardisierung 28 Abb. 9 Leistungsspezifische Determinanten des Standardisierungspotenzials 29 Abb. 10 Die „td.Services“ der Lufthansa Cargo AG 33 Abb. 11 Service Packages der Lufthansa Cargo AG 34 -1- Produktmanagement – ein altes Konzept für neue Anwendungsbereiche? Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft ist in den hochentwickelten Volkswirtschaften weit vorangeschritten. So erlangten Dienstleistungen im Jahr 1999 einen Anteil von 67,9% an der Bruttowertschöpfung der deutschen Gesamtwirtschaft.1 Der Bedeutungszuwachs des tertiären Sektors beruhte in der Vergangenheit neben der zunehmenden Nachfrage nach konsumtiven Dienstleistungen schwerpunktmäßig auf Outsourcing-Prozessen von verarbeitenden Unternehmen. Zudem hat die stetig steigende Anzahl industrieller Sachleistungen sowie eine damit einhergehende mangelnde Leistungsdifferenzierung der verarbeitenden Unternehmen in den letzten Jahren zu einer erheblichen Erweiterung des Angebots von produktbegleitenden Dienstleistungen, sog. Value-Added-Services geführt. Im Rahmen dieser Entwicklungen hat auch die Bedeutung von eigenständig vermarktungsfähigen Dienstleistungen stark zugenommen und den Wettbewerb im Dienstleistungssektor in erheblichem Maße verstärkt. Auf diese Weise hat sich der im Konsumgüterbereich in den 60er Jahren bereits abgeschlossene Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt in der Folge auch im Dienstleistungsbereich vollzogen. Branchenübergreifend werden Unternehmen mit einem erhöhten Wettbewerbsdruck in Form von schnell und global wachsenden Konkurrenten konfrontiert. Ein hohes Innovationstempo und steigende Qualitätsansprüche der Kunden setzen etablierte Dienstleister unter Zugzwang. Immer heterogenere und umfangreichere Leistungsangebote sind entstanden, die es nunmehr zu koordinieren gilt.2 Zur Bewältigung der neuen ökonomischen Herausforderungen ist in den letzten Jahren auch im Dienstleistungsbereich eine Vielzahl von Managementkonzepten entstanden.3 Ein fast schon vergessenes, dennoch in der Vergangenheit oftmals sehr erfolgreich angewendetes Konzept ist das Produktmanagement, das eine Form der produktbezogenen Unternehmensführung darstellt,4 innerhalb derer die Produkte eines Unternehmens durch einzelne Manager ergebnisverantwortlich umfassend betreut werden. Das Produktmanagementkonzept, das insbesondere der Konsumgüterindustrie dazu verhalf, den fundamentalen marktseitigen Veränderungen Rechnung tragen zu können, wurde im Jahre 1928 von der amerikanischen Firma Proctor & Gamble entwickelt, um der Seife Camay, die gegenüber den anderen Marken im Unternehmen ein Schattendasein führte, die nötige Managementfürsorge zukommen zu lassen.5 Die Notwendigkeit eines derartigen 1 2 3 4 5 Vgl. o.V. (2000), S. 82. Vgl. zu den Entwicklungen im investiven Dienstleistungsbereich Backhaus, K./Hahn, C. (1998), S. 100ff.; Simon, H. (1993), S. 12; Büker, B. (1991), S. 1ff. Vgl. Pascale, R. (1991), S. 24. Vgl. Lembke, P. (1980), S. 150. Vgl. Sabel, H. (1996), S. 28. -2- produktorientierten Unternehmensführungskonzepts zeigt insbesondere die kurze Zeitspanne, innerhalb derer sich das Produktmanagement im amerikanischen Konsumgütermarkt durchsetzte. In Westeuropa hat das Produktmanagement seine Wurzeln im Ende der 60er Jahre. Mitte der 70er Jahre arbeiteten allerdings schon über 50% der deutschen Unternehmen der Konsumgüterindustrie mit diesem Konzept.6 In den darauf folgenden Jahren wurde das Produktmanagement auch von Industriegüterherstellern übernommen und entwickelte sich in einzelnen Branchen zu einem Erfolgsfaktor der marktorientierten Unternehmensführung.7 Vor dem Hintergrund, dass der Dienstleistungsbereich seit geraumer Zeit dem Einfluss derjenigen Marktbedingungen unterliegt, die für die Herausbildung und erfolgreiche Durchsetzung des Produktmanagementkonzepts in der Konsumgüterindustrie und in einem weniger extensiven Ausmaß auch im Industriegüterbereich verantwortlich waren, ist es um so erstaunlicher, dass dieser Managementansatz derzeit nur bei einer vergleichsweise geringen Anzahl von Dienstleistungsunternehmen implementiert ist und sich bestehende Konzepte schwerpunktmäßig auf das Produktmanagement im Konsumgüter- und Industriegüterbereich beziehen.8 Die überaus schwerfällige Entwicklung des Produktmanagements im Dienstleistungsbereich kann auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass ein effizienter und auch effektiver Einsatz des Produktmanagements im Dienstleistungsbereich aufgrund der speziellen Charakteristika des tertiären Sektors nicht bzw. nur in Ausnahmefällen (z.B. in einigen wenigen Dienstleistungsbranchen) sinnvoll erscheint. Zum anderen ist denkbar, dass die Besonderheiten von Dienstleistungen zwar verantwortlich für die geringe Verbreitung des Produktmanagements in diesem Bereich sind, das Konzept jedoch generell ein hohes Potenzial zur Steigerung der Leistungsfähigkeit eines Dienstleistungsunternehmens beinhaltet und diese Potenziale bisher nur marginal ausgeschöpft worden sind. Die letztere Annahme wird insbesondere durch KREUZ unterstrichen, der schon frühzeitig feststellte: „Erwartungsgemäß ist das Produkt-Management in den Markenartikelunternehmen des Konsumgütersektors am stärksten vertreten. Am häufigsten findet man es in der Nahrungsund Genussmittelindustrie, der chemischen und kosmetischen sowie in der elektrotechnischen Industrie. Stark verbreitet ist das Produkt-Management auch im Pharmabereich. So gut wie gar nicht ist das Produkt-Management bisher im Dienstleistungsbereich anzutref- 6 7 8 Vgl. Linnert, P. (1974), S. 11ff. Vgl. Gruner, K./Garbe, B./Homburg, C. (1997), S. 243; Fink, A. (1992), S. 5. Vgl. Bliemel, F.W./Fassott, G. (1995), Sp. 2133; Gruner, K./Garbe, B./Homburg, C. (1997), S. 243. Zu einem Überblick über die wichtigsten Beiträge zum Produktmanagement vgl. Kretschmann von, C. (1998), S. 7ff. -3- fen, obwohl sich die gleichen Einsatzmöglichkeiten böten wie in der Konsumgüterindustrie.“9 Ob sich für das Produktmanagement im Dienstleistungsbereich wirklich die gleichen Einsatzmöglichkeiten bieten wie in der Konsumgüterindustrie oder ob Produktmanagement bei Dienstleistern eher einen Widerspruch darstellt, kann nicht pauschal für alle Dienstleistungsunternehmen gleichermaßen beantwortet werden, sondern ist von der jeweiligen Unternehmenssituation abhängig. Generell kann allerdings vorab schon festgehalten werden, dass eine deckungsgleiche Übertragung von Produktmanagementkonzepten aus dem Konsumgüter- oder Industriegüterbereich in den Dienstleistungsbereich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Marktgegebenheiten weder zweckmäßig ist noch möglich erscheint. Vielmehr müssen die besonderen Merkmale von Dienstleistungen bei der Entwicklung und Implementierung eines „adaptierten“ Produktmanagements berücksichtigt werden.10 Die folgende Ausarbeitung soll zeigen, unter welchen Voraussetzungen Produktmanagement auf den Dienstleistungsbereich übertragen werden kann und welche Problembereiche bei der Implementierung dieses Managementkonzepts zu beachten sind. 9 10 Kreuz, A. (1975), S. 40. Weiterhin wurden im Rahmen dieser Untersuchung Experteninterviews mit Unternehmensvertretern aus dem Dienstleistungsbereich geführt, die eine erfolgreiche Anwendung des Produktmanagements in ihrem Unternehmen konstatierten. Vgl. zur Adaption bestehender Produktmanagementkonzepte Kreuz, A. (1975), S. 40; Fink, A. (1992), S. 5. -4- 1. Produktmanagement als eine Koordinationsform der marktorientierten Unternehmensführung 1.1 Begriff, Zielsetzung und Aktionsfelder des Produktmanagements Grundlegend für das Produktmanagement ist das Verständnis als Kombination bzw. Synthese von Prinzipien, Organisationsformen, Instrumenten und Methoden, die allesamt auf eine schlagkräftige marktorientierte Unternehmensführung ausgerichtet sind.11 Es basiert auf der Grundidee, Produkte oder Marken im Rahmen einer organisatorisch institutionalisierten Form durch einzelne Manager betreuen zu lassen und auf diese Weise „das marktbzw. marktsegmentgerichtete Produkt als eigentlichen Träger des Unternehmenserfolges zum Orientierungspunkt der Handlungen von Mitarbeitern in allen Funktionsbereichen des Unternehmens“12 zu machen. Das Produktmanagement ist auf Ziele ausgerichtet, die in das übergeordnete System der Unternehmens- und Marketingziele eingebettet sind.13 Die Institutionalisierung einer markt- und kundenorientierten Unternehmensführung stellt das generische Ziel des Produktmanagements dar, wobei diese Zielsetzung in mehrere Teilaspekte untergliedert werden kann.14 Im Wesentlichen dient das Produktmanagement der „... Sicherung der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Leistungsfähigkeit“15 eines Unternehmens. Dadurch, dass das Produkt zum eigentlichen Träger des Unternehmenserfolges wird, sollen ein optimaler Einsatz des Marketings für jedes einzelne Produkt, eine konzentrierte Schlagkraft in jedem Marktsegment und damit eine bessere Marktposition durch maximalen Produkterfolg erreicht werden. Das zentrale Charakteristikum des Produktmanagements stellt in diesem Rahmen die Übertragung produktbezogener Ergebnisverantwortung auf Produktmanager in Verbindung mit der Implementierung eines produktbezogenen Controllingsystems dar, wodurch ein effizienterer Einsatz der Unternehmensressourcen ermöglicht werden soll. Durch die Delegation dieser (Teil-)Ergebnisverantwortung kann die Unternehmensführung von bestimmten, insbesondere routinemäßig anfallenden Entscheidungen und Tätigkeiten entlastet werden, wodurch wiederum mehr Kapazitäten für die Behandlung strategischer Unternehmensaufgaben zur Verfügung stehen.16 11 12 13 14 15 16 Vgl. Wild, J. (1973), S. 11. Fink, A. (1992), S. 4. Zum Zielsystem von Unternehmen vgl. z.B. Becker, J. (1998), S. 12ff.; Meffert, H. (2000), S. 69ff. Vgl. Kretschmann von, C. (1998), S. 113. Lembke, P. (1980), S. 150. Vgl. Kairies, P. (2001), S. 33. -5- Weiterhin wird durch Produktmanagement die Schaffung eines innovationsfreudigen Klimas im Unternehmen verfolgt. Mit Hilfe der „Informationsdrehscheibe Produktmanager“17 und dem Aufbau spezifischen Markt-Know-hows sollen schnellere und marktgerechtere Produktinnovationen mit kürzeren Entwicklungszeiten ermöglicht werden. Produktmanagement dient auf diese Weise einer Beschleunigung und Verbesserung interner und externer Prozesse, insbesondere soll eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf Marktänderungen durch kürzere Entscheidungswege hervorgerufen werden. Ein nicht zu vernachlässigendes Ziel stellt im Rahmen der Personalpolitik das Angebot von attraktiven Arbeitsplätzen im Unternehmen dar. Durch das Produktmanagement können interessante und anspruchsvolle Arbeitsinhalte geschaffen und auf diese Weise die Kreativität sowie Motivation der Mitarbeiter erhöht werden.18 Anhand der begrifflichen Darstellung sowie der Erläuterung der Ziele werden die zentralen Aktionsfelder des Produktmanagements deutlich: Zum einen dient das Produktmanagement der Koordination externer Schnittstellen zwischen Unternehmen und Markt, zum anderen ist es die Aufgabe des Produktmanagements, die betrieblichen Aktivitäten im Rahmen einer internen Schnittstellenkoordination zu steuern.19 Die interne (betriebliche) und externe (marktseitige) Koordination unternehmerischer Aktivitäten stellen somit die Hauptaufgaben des Produktmanagements dar,20 wobei durch den ressourcen- und funktionenübergreifenden Charakter dieser produktbezogenen Unternehmensführung eine Querschnittskoordination verschiedener Aufgabenbereiche erforderlich wird.21 1.2 Der Koordinationsbedarf als Ausgangspunkt des Produktmanagements 1.2.1 Ursachen für den gesteigerten Koordinationsbedarf Die Definition und Gestaltung unternehmerischer Wertschöpfungsprozesse bedingt in Abhängigkeit der spezifischen Unternehmenssituation einen bestimmten Grad an Arbeitsteilung innerhalb einer Organisation, um die anvisierten Unternehmensziele auf eine möglichst effiziente Art erreichen zu können.22 Allerdings kann ein entsprechend hoher Grad an arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung mitunter dazu führen, dass der Überblick des einzelnen Organisationsmitglieds über die Zusam17 18 19 20 21 22 Diller, H. (1975), S. 59. Vgl. Kretschmann von, C. (1998), S. 114. Vgl. Wild, J. (1973), S. 12. Vgl. Marettek, A. (1967), S. 220. Vgl. Köhler, R. (1980), Sp. 1924. Vgl. Adam, D. (1998), S. 1ff. -6- menhänge der betrieblichen Aktivitäten im Unternehmen abnimmt bzw. ganz verloren geht. Da jedes Mitglied der Organisation auf Zuarbeit und Zusammenarbeit der restlichen Organisationsmitglieder angewiesen ist, müssen im Rahmen der Erfüllung der unternehmerischen Gesamtaufgabe diese arbeitsbezogenen Interdependenzen auf die Organisationsund Unternehmensziele hin koordiniert werden.23 Koordination lässt sich in diesem Zusammenhang als die Abstimmung der arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung im Rahmen unternehmerischer Handlungen definieren.24 Das Ausmaß an erforderlichem Koordinationsbedarf ist dabei von dem Umfang der zugrunde liegenden Unternehmenskomplexität25 abhängig, die sich durch die Art, die Anzahl und die Dynamik der internen sowie externen Organisationsschnittstellen definiert. Die Unternehmenskomplexität bzw. die Komplexität der internen und externen Unternehmensprozesse kann somit als die zentrale Einflussgröße für den zu erwartenden Koordinationsbedarf betrachtet werden.26 Die für die Herausbildung des Produktmanagements verantwortlichen Entwicklungen in der amerikanischen Konsumgüterindustrie sowie der spätere Wandel der Marktsituation im europäischen Wirtschaftsraum27 lassen grundlegend diejenigen Faktoren erkennen, die für eine erhöhte Komplexität der internen und externen Unternehmensprozesse und der damit einhergehenden Steigerung des internen und externen Koordinationsbedarfs verantwortlich sind. Ursächlich für einen gesteigerten externen Koordinationsbedarf ist insbesondere die globale Zunahme der Nachfragermacht und die damit verbundene Intensivierung des Wettbewerbs auf internationaler Ebene. Die Kundenstruktur differenziert sich in zunehmendem Maße und weist eine abnehmende Konstanz bei Nachfragebedürfnissen auf. Heterogene und sich kurzfristig ändernde Nachfragebedürfnisse verstärken in einem Käufermarkt den anbieterseitigen Trend zu einer Diversifizierung des Leistungsangebots, wodurch wiederum eine rasche Folge von technisch weiterentwickelten, komplexen Produktinnovationen bei gleichzeitiger Verringerung der Produktlebenszyklen begünstigt wird. Die Dynamik und somit auch die Komplexität der Marktprozesse nimmt zu.28 Als unmittelbare Konsequenz aus dieser externen Komplexitätszunahme resultiert die Zunahme der internen Unternehmenskomplexität und somit auch des internen Koordinations23 24 25 26 27 28 Vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 95. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (1999), S. 264. Vgl. zu einer umfassenden Darstellung der Komplexitätsproblematik insbesondere Bliss, C. (2000), S. 1ff. Vgl. Adam, D. (1998), S. 30; im Gegensatz zu Josten wird hier Adam folgend die Dynamik dem Komplexitätskonstrukt subsumiert; vgl. Josten, F.A. (1979), S. 44. Zu den Auswirkungen des Marktwandels vgl. z.B. Backhaus, K. (1999), S. 9ff.; Adam, D. (1998), S. 27ff. Vgl. Weirich, W. (1979), S. 15; ebenso Wild, J. (1973), S. 10; Rösner, J. (1979), S. 1. -7- bedarfs.29 Zur Sicherung der Marktstellung in einem Käufermarkt richten die Unternehmen ihre Vermarktungsanstrengungen verstärkt auf die (individuellen) Bedürfnisse ihrer aktuellen und potenziellen Kunden aus, was i.d.R. zu einer Diversifizierung des Leistungsangebots bei entsprechender Vergrößerung der Leistungsangebotsbreite und –tiefe führt. Die zunehmende Anzahl angebotener Produkte bewirkt bei gleichzeitig zunehmender technischer Produktkomplexität und der damit einhergehenden Verlängerung der Produktentwicklungszeiten eine Zunahme an spezifischen Aufgabenbereichen innerhalb der Organisation und konsequenterweise auch einen erhöhten Abstimmungsbedarf dieser innerbetrieblichen, interdependenten Schnittstellen im Unternehmen. Zusätzlich zu diesen Entwicklungen erhöht sich der Koordinationsbedarf durch das Zusammenwachsen verschiedenster Branchen und dem dadurch induzierten Trend zur Bildung großer Unternehmen bzw. Unternehmensnetzwerke mittels Akquisitionen und Kooperationen.30 Abb. 1 zeigt die wesentlichen Ursachen erhöhten Koordinationsbedarfs im Überblick. Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt Verstärkte Kundenorientierung Diversifizierung des Leistungsangebots Wachsende technische Komplexität der Produkte Verkürzung der Produktlebenszyklen Unternehmen Verlängerung der Produktentwicklungszeiten Internationalisierung und Intensivierung des Wettbewerbs Steigerung des Koordinationsbedarfs Abb. 1: Ursachen für den gesteigerten Koordinationsbedarf 29 30 Vgl. hierzu auch Adam, D. (1998), S. 30. Vgl. Diller, H. (1975), S. 53; ebenso Linnert, P. (1974), S. 12; Rösner, J. (1979), S. 1f. -8- 1.2.2 Erfüllung des internen und externen Koordinationsbedarfs Die Erfüllung des durch die interne und externe Unternehmenskomplexität verursachten Bedarfs an Koordination kann generell durch unterschiedliche Koordinationsmöglichkeiten erfolgen: ½ informelle, nicht-institutionalisierte Koordination - die Koordination unternehmerischer Aktivitäten erfolgt durch vorab nicht festgelegte Prozesse ½ formelle bzw. institutionalisierte Koordination über - formalisierte Prozesse = die Koordination unternehmerischer Aktivitäten und Funktionen erfolgt durch vorab festgelegte Prozesse (z.B. schriftliche Prozessbeschreibung/-dokumentation) - Systeme = die Koordination unternehmerischer Aktivitäten und Funktionen erfolgt z.B. über EDV-Systeme - Personen (z.B. Produktmanagement/ Key Account Management) = die Koordination der unternehmerischen Aktivitäten erfolgt über eigens für diesen Aufgabenbereich eingesetzte Mitarbeiter Diese unterschiedlichen Möglichkeiten der Koordination schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können auch in einer komplementären oder konditionalen Beziehung zueinander stehen. So verlangt die Implementierung einer personengesteuerten Koordination bspw. die Festlegung formaler Prozesse, die durch entsprechende EDV-Systeme unterstützt oder auch vollständig abgebildet werden können. Abb. 2 verdeutlicht noch einmal die tendenzielle Eignung der einzelnen Koordinationsmöglichkeiten in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Unternehmenskomplexität. Informelle Koordination Formelle Koordination/ Systeme Personen Komplexität der Unternehmensprozesse gering hoch Abb. 2: Koordinationsmöglichkeiten in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad -9- Die zentrale Aufgabe jeglicher Koordination und insbesondere die Aufgabe des Produktmanagements besteht folglich darin, den aufgrund der hohen internen und externen Unternehmenskomplexität gestiegenen Koordinationsbedarf durch die schon beschriebene ressourcen- und funktionenübergreifende Querschnittskoordination zu decken sowie durch eine unternehmensinterne und -externe Sichtweise eine markt- und kundenorientierte Führung zu garantieren.31 1.3 Zentrale Parameter des Produktmanagements Der Produktmanager übernimmt als institutionalisiertes Organ das Management der internen und externen Unternehmensschnittstellen mit einer Outside-In-Perspektive, „d.h. die Anforderungen des Marktes werden in die Unternehmung hineingetragen und in konkrete betriebliche Aufgaben umgesetzt.“32 Das Aufgabengebiet des Produktmanagers, das sich neben der wesentlichen Koordinationsfunktion auf die Analyse, Planung und Kontrolle produktbezogener Maßnahmen erstreckt, wird demnach durch das Produkt und nicht durch Funktionen abgegrenzt. Welche konkreten Instrumente im Einzelnen eingesetzt werden, hängt im Wesentlichen von der organisatorischen Einbindung33, der Kompetenz und somit dem Verantwortungsbereich des Produktmanagers ab. 1.3.1 Aufgaben Im Rahmen der internen Koordination dient das Produktmanagement dazu, eine auf die spezifischen Märkte bzw. Marktsegmente gerichtete Abstimmung der einzelnen Funktionsbereiche innerhalb des Unternehmens zu gewährleisten.34 Dabei muss der Produktmanager Schnittstellen zwischen den funktionalen Bereichen wie z.B. Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing und Vertrieb koordinieren. Wenn an dieser Stelle von Funktionsbereichen gesprochen wird, ist damit nicht gemeint, dass sich Produktmanagement nur in funktional gegliederten Organisationen anwenden lässt. Auch innerhalb eines divisional organisierten Unternehmens können die Marktgegebenheiten für verschiedene Produkte so unterschiedlich sein, dass ein Einsatz von Produktmanagement sinnvoll ist.35 In den funktional organisierten Sparten können z.B. aufgrund eines hohen Diversifizie31 32 33 34 35 Vgl. Linnert, P. (1974), S. 10ff. Diller, H. (1975), S. 55. Die organisatorische Einbindung des Produktmanagements ist in einer Vielzahl von Veröffentlichungen behandelt worden und soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter vertieft werden. Detailliertere Darstellungen zur Organisation des Produktmanagements finden sich bspw. bei Köhler, R. (1980), Sp. 1926; ebenso Bliemel, F.,W./Fassott, G. (1995), Sp. 2124; Hüttel, K. (1989), S. 54; Grüneberg, N. (1973), S. 191. Vgl. Köhler, R. (1980), Sp. 1936. Vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 144; ebenso Wild, J. (1973), S. 34. - 10 - rungsgrades der Unternehmensleistungen ähnliche Probleme bei der Produktkoordination auftreten wie bei funktional organisierten Unternehmen. Aus diesem Grund schließen sich Produktmanagement und Divisionalisierung nicht zwangsläufig aus.36 Die interne Koordination wird erforderlich, da innerhalb funktionaler Organisationsstrukturen, die durch einen tendenziell hohen Grad an Arbeitsteilung bei weitgehender Spezialisierung gekennzeichnet sind, keine Stellen existieren, die für den funktionenübergreifenden Erfolg eines einzelnen Produktes bzw. einer Produktgruppe verantwortlich zeichnen, und das Produkt vor diesem Hintergrund nicht wie gefordert als eigentlicher Träger des Unternehmenserfolges37 fungiert. Im Rahmen der externen Koordination vertritt das Produktmanagement „auf seinem begrenzten Spektrum die Interessen der Gesamtunternehmung gegenüber Dritten“38. Konkret bedeutet dies, dass das Produktmanagement über die produktbezogene Koordination der Funktionsbereiche innerhalb des Unternehmens hinaus (interne Koordination) insbesondere das Kunden- und Konkurrenzverhalten durch permanente Marktbeobachtung zu analysieren hat, um auf Basis der erhobenen Marktinformationen schnell und zielgenau auf Marktveränderungen reagieren zu können. Neben der Planung, Steuerung und Kontrolle kunden- sowie konkurrenzbezogener Unternehmensaktivitäten dient das Produktmanagement an der Schnittstelle zur externen Umwelt auch der (produktbezogenen) Abstimmung zwischen dem Unternehmen und Absatzmittlern (Groß- und Einzelhändler), Absatzhelfern (Marktforschungsinstitute, Werbeagenturen etc.) sowie weiteren Kooperationspartnern. Abb. 3 gibt einen Überblick über die Schnittstellenkoordination im Rahmen des Produktmanagements. Unternehmensinterne Schnittstellen Unternehmensexterne Schnittstellen - Geschäftsleitung - Produktion - Marketing - Kunden Produktmanager als Schnittstellenkoordinator - Konkurrenz - Werbeagenturen - Vertrieb - Marktforschung -F&E - Kooperationspartner - ... - ... Abb. 3: Der Produktmanager als Institution zur Koordination der unternehmensinternen und unternehmensexternen Schnittstellen39 36 37 38 39 Vgl. beispielhaft die Firma Schenker, bei der in den einzelnen Unternehmenssparten ein Produktmanagement implementiert ist. Vgl. Wild, J. (1973), S. 13. Rösner, J. (1979), S. 11. Vgl. Kretschmann von, C. (1998), S. 115. - 11 - Im Rahmen der Beschreibung von Aufgabeninhalten und Funktionen des Produktmanagements findet sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Vielzahl detaillierter Darstellungen.40 In Anlehnung an DILLER sollen neben der bereits schon ausführlich erläuterten Koordinationsfunktion die Kernaufgaben Information, Planung und Kontrolle kurz umrissen werden:41 ½ Informationsfunktion: Der Produktmanager hat die Aufgabe, alle das jeweilige Produkt betreffenden internen und externen Faktoren zu beobachten, zu analysieren und zu prognostizieren und diese Informationen im Unternehmen zielgerichtet weiterzuleiten bzw. den jeweils betroffenen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Er fungiert sozusagen als Informations- und Kommunikationszentrum.42 Im Rahmen dieser Funktion eruiert der Produktmanager neue Produktchancen am Markt und treibt Produktverbesserungen bestehender Produkte voran. ½ Planungsfunktion: Aus den vorgelagerten Marktanalysen werden Produktziele abgeleitet und eine produkt- bzw. produktgruppenspezifische Marketingstrategie entwickelt. In Abstimmung mit den anderen (produkt-)verantwortlichen Stellen im Unternehmen werden der operative Produktplan und das Produktbudget festgelegt,43 die als Bezugsbasis für Korrekturmaßnahmen bei Planabweichungen dienen und somit die Grundlage der Koordinations- und Kontrollfunktion darstellen. ½ Koordinationsfunktion: Unter der Koordination als zentraler Aufgabe des Produktmanagements werden „die Tätigkeiten des Produktmanagements verstanden, die sich in der Phase der arbeitsteiligen Plandurchführung ergeben und die sachliche, personelle und zeitliche Abstimmung von Entscheidungs- und Handlungsprozessen zum Inhalt haben.“44 Es müssen eine horizontale und vertikale Abstimmung von Aufgabenerfüllungsprozessen innerhalb und außerhalb des Unternehmens vorgenommen sowie Konflikte gelöst werden, die sich aufgrund unterschiedlicher Abteilungszugehörigkeiten und unterschiedlicher funktionaler Bereiche der Aufgabenträger ergeben. ½ Kontrollfunktion: Die Kontrollfunktion bezieht sich auf die Überwachung des ergebnisorientierten und des ablauforientierten Erfolgs.45 Während bei der ergebnisorientierten Erfolgsmessung Faktoren wie produktbezogener Umsatz und Gewinn 40 41 42 43 44 45 Vgl. Wild, J. (1973), S. 68ff.; Fink, A. (1992), S. 41ff.; Rösner, J. (1979), S. 3. Vgl. Diller, H. (1975), S. 59. Vgl. ebenda. Vgl. Wild, J. (1973), S. 71. Fink, A. (1992), S. 43. Vgl. ebenda, S. 44. - 12 - im Vordergrund stehen, verfolgt die ablauforientierte Erfolgsmessung die sachlich und zeitlich richtige Durchführung marketing- und produktbezogener Aktivitäten. Bei dieser starken Aggregation zu Funktionskomplexen ist jedoch zu beachten, dass sich die konkreten Aufgaben eines Produktmanagers in Abhängigkeit der jeweils betrachteten Branche bzw. des jeweils betrachteten Produktes unterscheiden können. So hat der Produktmanager in der Industrie spezielle Aufgaben wie die Durchführung technischer Kundenberatungen, die Überprüfung auftragsspezifischer Preiskalkulationen oder die Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Vertrieb oder der Produktion.46 Die Besonderheiten der Aufgabenstellung ergeben sich aus dem Wesen des industriellen Bereichs bzw. aus dem investiven Charakter. 1.3.2 Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Instrumente Die adäquate Durchführung der dargestellten Aufgaben bedingt die Ausstattung des Produktmanagers mit Kompetenzen, die zwar im Wesentlichen durch die organisatorische Einbindung des Produktmanagements bestimmt werden, in praxi jedoch eines der hauptsächlichen Probleme bei der Implementierung des Produktmanagements darstellen. Im Folgenden soll beispielhaft die Kompetenzfestlegung im Rahmen einer Matrixorganisation erläutert werden, da nach weitläufiger Meinung nur durch eine mehrdimensionale Organisationsform die erforderliche produktbezogene Querschnittskoordination gewährleistet werden kann.47 Die Matrixorganisation beinhaltet eine Kompetenzaufteilung zwischen den Funktionsbereichen und dem produktbezogenen Leitungssystem. Den Funktionsbereichen obliegt schwerpunktmäßig die Verwaltung der Ressource, während sich die Kompetenz des Produktmanagements auf produktbezogene Entscheidungen bezieht. Insbesondere zur Durchsetzung dieser Entscheidungen gegenüber den Funktionsbereichen ist es wichtig, dass der Produktmanager mit entsprechend umfangreichen Innen- und auch Außenkompetenzen ausgestattet ist. Zu den Innenkompetenzen gehören interne Entscheidungsbefugnisse wie z.B. die Produktgestaltung, produktbezogene funktionale Weisungsrechte, Mitwirkungsrechte und Kontrollrechte in Bezug auf produktrelevante Unternehmensaktivitäten. Die Außenkompetenzen setzen sich aus externen Entscheidungsbefugnissen (bspw. Auswahl der Zulieferer) und Handlungsvollmachten gegenüber Externen zusammen. Durch die Kompetenzaufteilung kann es allerdings auch zu regelmäßigen Konflikten zwischen den Funktions- und 46 47 Vgl. Wild, J. (1973), S. 73ff. Vgl. Köhler, R. (1980), Sp. 1930; Fink, A. (1992), S. 46; Grüneberg, N. (1973), S. 191ff. - 13 - Produktmanagern kommen, die u.a. durch Markt- und Ressourceninterdependenzen bedingt sind. Aus diesem Grund ist eine klare Abgrenzung von Kompetenzen zu anderen Funktionsbereichen von zentraler Bedeutung. Die Festlegung des Kompetenzumfangs ist auch im Hinblick auf das Ausmaß der Aufgabenverantwortung des Produktmanagers von hoher Relevanz. So verlangt das Kongruenzprinzip, „dass Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung sich decken müssen.“48 Diesem Prinzip wird im Rahmen der Kompetenzausstattung des Produktmanagers in der Praxis allerdings nur teilweise entsprochen, wodurch dem Produktmanager auch nur eine eingeschränkte Gewinnverantwortung übertragen werden kann.49 Für eine detailliertere Analyse der Forderung des Kongruenzprinzips erweist sich die Aufgliederung des Konstrukts Verantwortung als hilfreich. So unterscheidet WILD eine Handlungs-, Führungs- und Ergebnisverantwortung.50 Davon ausgehend, dass eine Führungsverantwortung nur gegenüber den eigenen Mitarbeitern des Produktmanagers vorliegt und eine Handlungsverantwortung sich aus den entsprechenden Aufgaben ableitet, wird die Ergebnisverantwortung als eigentliches Problem der Verantwortungsabgrenzung deutlich. Da eine Kosten- und Erlösentstehung i.d.R. durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren im Unternehmen bedingt ist, wird unmittelbar ersichtlich, dass dem Produktmanager nur dann eine Ergebnisverantwortung in Form einer Gewinnverantwortung übertragen werden kann, wenn der Produktmanager alle gewinnverantwortenden Faktoren selber bestimmen bzw. beeinflussen kann.51 Da diese Voraussetzung in der Realität jedoch weitestgehend nicht vorliegt, kann lediglich von einer begrenzten Ergebnisverantwortung des Produktmanagers ausgegangen werden. Jedoch auch eine limitierte Ergebnisverantwortung kann das Gewinn- und Kostenbewusstsein in nicht unerheblichem Maße steigern und einen effizienteren Ressourceneinsatz im Unternehmen erzeugen, so dass der Produktmanager nicht nur umsatz-, sondern vor allem ertragsorientiert denkt und handelt, was wiederum einen direkten Einfluss auf den Deckungsbeitrag des einzelnen Produktes hat.52 Die Instrumente, mit denen der Produktmanager die ihm gestellten Aufgaben erfüllen soll, werden als wesentlicher Bestandteil für den Erfolg des Produktmanagements angesehen. Unter Instrumenten werden Mittel verstanden, die dazu dienen, die Aufgabenstellungen zu strukturieren, zu rationalisieren und zu formularisieren. In Anlehnung an KRETSCHMANN gibt die Abb. 4 eine beispielhafte Darstellung über die wichtigsten Instrumente des Produktmanagers. 48 49 50 51 52 Wild, J. (1973), S. 64. Vgl. Köhler, R. (2000), S. 697. Vgl. Wild, J. (1973), S. 114. Vgl. Fink, A. (1992), S. 48; Kreuz, A. (1975), S. 246; Wild, J. (1973), S. 108. Vgl. Kairies, P. (2001), S. 33. - 14 - 1. Analysefunktion: 2. Planungsfunktion: - ABC Analyse - SWOT Analyse - Nutzwertanalyse - Produktlebenszyklus-Analyse - Ressourcenanalyse - Wertanalyse - ... - Break-Even Analyse - Erfahrungskurvenanalyse - Investitionsrechnung - Netzplantechnik - Szenariotechnilk - Produktpläne/-konzeptionen - ... 3. Koordinationsfunktion: 4. Kontrollfunktion: - Kommunikationstechniken - Moderationstechniken - Projektplanung - ... - Deckungsbeitragsrechnung - Kosten-Nutzen-Analyse - ROI-Analyse - Produktportfolio-Analyse - Meilenstein-Analyse Abb. 4: Instrumente des Produktmanagers53 1.3.3 Das Produkt als konstitutives Element des Produktmanagements Sollen im Rahmen des Produktmanagements alle internen und externen Aktivitäten eines Unternehmens auf ein markt- bzw. marktsegmentgerichtetes Produkt fokussiert sein,54 wird die Existenz eines konkreten Produktes, d.h. einer eindeutig definierten und abgrenzbaren Unternehmensleistung, zu einer elementaren Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung dieser Koordinationsform. Denn nur wenn die Bezugsgröße des unternehmerischen Handelns eindeutig definiert ist, können sowohl Marketing- und Controllinginstrumente als auch andere Instrumente innerhalb einer produktbezogenen Unternehmensführung zielführend eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund muss vorab geklärt werden, was unter einem Produkt im Folgenden verstanden werden soll. Im Rahmen der inhaltlichen Bestimmung und Abgrenzung des Produktbegriffs können das substanzielle, das erweiterte und das generische Produktkonzept unterschieden werden, wobei die Zugrundelegung sowohl des substanziellen als auch des erweiterten Produktverständnisses heute nicht mehr zweckmäßig erscheint.55 So kennzeichnet die substanzielle Begriffsauffassung lediglich ein abgrenzbares physisches Kaufobjekt als Produkt,56 wodurch weder produktbegleitende noch eigenständige Dienstleistungen dem Produktbegriff 53 54 55 56 Vgl. Kretschmann von, C. (1998), S. 129. Vgl. Kapitel 1.1. Vgl. Meffert, H. (2000), S. 332. Vgl. Brockhoff, K. (1999), S. 14. - 15 - subsumiert werden. Auch bei einem erweiterten Begriffsverständnis fallen lediglich produktbegleitende Dienstleistungen im Sinne von Value-Added-Services unter die Produktdefinition. Dem generischen Produktkonzept hingegen liegt die Sichtweise zugrunde, dass jegliche Leistungen, die als Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen der Kunden dienen, als Produkte angesehen werden müssen.57 Die generische Auffassung des Produktbegriffs umfasst somit neben materiellen Sachleistungen und produktbegleitenden Dienstleistungen auch eigenständig vermarktungsfähige, ganzheitliche Dienstleistungen, die das Kernprodukt und somit den Fokus der Vermarktungsanstrengungen eines Unternehmens (z.B. Bank, Versicherung, Beratungsunternehmen) darstellen.58 Produkt Materieller Kern ohne produktbegleitende Dienstleistungen Immaterieller Kern mit produktbegleitenden Dienstleistungen mit materiellen Bestandteilen ohne materielle Bestandteile Substanzielles Produktkonzept Erweitertes Produktkonzept Generisches Produktkonzept Abb. 5: Arten unterschiedlicher Produktkonzepte Gelingt es einem Unternehmen, eindeutig voneinander abgrenzbare Leistungen zu definieren, können die so geschaffenen Produkte im Rahmen des Produktmanagements interne (betriebliche) sowie externe (marktseitige) Funktionen erfüllen: Betriebliche Funktionen: - Steigende interne Transparenz des Leistungsangebots sowie der Produktionsprozesse, 57 58 - Schaffung eindeutiger interner Verantwortlichkeiten, - Reduktion interner Komplexität durch die Standardisierung interner Prozesse, - Möglichkeit eines produktbezogenen Controllings, Vgl. Kotler, P./Bliemel, F. (2001), S. 14. Vgl. Meffert, H. (2000), S. 333ff. - 16 - - verbesserte Steuerung benötigter Ressourcen bei Vorliegen eindeutiger Kompetenzen, - Effizienzverbesserungen durch Einführung einer produktbezogenen Ergebnisverantwortlichkeit. Marktseitige Funktionen: - Kommunikation unterschiedlicher Leistungsarten und –niveaus, - Schaffung von Transparenz hinsichtlich der angebotenen Leistungen, - Möglichkeit der Leistungsdifferenzierung am Markt. Die Definition und Abgrenzbarkeit der Leistung stellt für die Umsetzung eines Produktmanagements jedoch lediglich eine notwendige und noch keine hinreichende Bedingung dar. Von zentraler Relevanz für die Notwendigkeit und die ökonomische Vorteilhaftigkeit der Einführung eines Produktmanagements ist das Leistungsspektrum eines Unternehmens. So bezeichnet KÖHLER die „Zusammensetzung des Leistungsprogramms nach Zahl und Heterogenität der Produkte“ als Hauptkriterium für die Einführung eines Produktmanagements.59 Die hohe Bedeutung des Leistungsspektrums lässt sich dadurch begründen, dass dieses in engem Zusammenhang mit der unternehmensexternen und –internen Komplexität steht. Verfügt ein Unternehmen lediglich über eine sehr geringe Anzahl homogener Produkte, ist anzunehmen, dass nur ein begrenztes Ausmaß an markt- und ressourcenbezogenen Interdependenzen existiert. Der Koordinationsbedarf ist in diesem Fall vergleichsweise gering, so dass die Implementierung eines Produktmanagements vor dem Hintergrund des damit verbundenen Ressourcenbedarfs sich als ökonomisch nicht vorteilhaft erweisen dürfte. „Das Produktmanagement findet dagegen sein geeignetes Anwendungsfeld bei einem Leistungsspektrum, das eine Mehrzahl von Produkten bzw. Produktgruppen mit recht unterschiedlichen Marktbedingungen enthält.“60 CLEWETT/STASCH weisen zusätzlich darauf hin, dass nicht nur die Breite des Leistungsspektrums von Relevanz ist, sondern dass die Produkte darüber hinaus eine vergleichbare Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens haben sollten,61 da bei Dominanz eines Produktes und zu vernachlässigender Bedeutung der übrigen Produkte dem Effizienzkriterium ebenfalls nicht Rechnung getragen werden könnte. Sinnvoll ist der Einsatz eines Produktmanagements folglich dann, wenn ein heterogenes Produktprogramm mit einer vertretbaren Anzahl von Produkten existiert, die inhaltlich eindeutig definiert sind und voneinander abgegrenzt werden können. 59 60 61 Köhler, R. (1980), Sp. 1925. Ebenda; zur Relevanz der Anzahl und der Heterogenität der vom Unternehmen angebotenen Leistungen vgl. zusätzlich Gruner, K./Garbe, B./Homburg, C. (1997), S. 237; Bliemel, F.,W./Fassott, G. (1997), Sp. 2131 sowie Wild, J. (1973), S. 241. Vgl. Clewett, R./Stasch, S. (1975), S. 69. - 17 - 2. Die Übertragung des Produktmanagementkonzepts auf den Dienstleistungsbereich 2.1 Veränderte Anforderungen an das Produktmanagement für Dienstleistungsunternehmen Wie vorab dargestellt, bestimmt die Produkt- und Leistungsprogrammgestaltung die Anwendbarkeit des Produktmanagements in einem Unternehmen und bildet damit einen wesentlichen Schwerpunkt bei der Einführung dieses Managementkonzepts. Während die Produkt- und Leistungsprogrammgestaltung und somit die Bestimmung der Art und Anzahl notwendiger Bezugsgrößen für die unternehmerischen Handlungen bei physischen Produkten insbesondere dadurch vereinfacht wird, dass das Produkt aufgrund seiner materiellen Existenz als solches gegeben ist,62 erschweren die im Dienstleistungsbereich vorherrschenden Charakteristika indessen diese für das Produktmanagement notwendige Voraussetzung.63 Ob diese Problematik mitunter für die nur eingeschränkte Verbreitung des Produktmanagements im Dienstleistungsbereich verantwortlich ist, kann an dieser Stelle nur vermutet, nicht aber abschließend verifiziert werden. Unverkennbar ist jedoch, dass die betriebswirtschaftliche Forschung und somit auch die bestehenden Produktmanagementkonzepte entweder auf den Konsumgüter- und in geringerem Umfang auch den Industriegüterbereich abstellen oder bei ihren Strukturaussagen und Gestaltungsempfehlungen keine explizite Unterscheidung bzgl. der Produktart bzw. des Vermarktungsprozesses vornehmen.64 Aus dem Grund der bisher nur eingeschränkten Behandlung des Produktmanagements für Dienstleistungsunternehmen soll in den folgenden Ausführungen auf diese Thematik und insbesondere auf die gegenüber Sachleistungen komplexere Produkt- und Leistungsprogrammgestaltung im Rahmen eines „Dienstleistungs-Produktmanagements“ eingegangen werden. 2.1.1 Definition und Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs Eine Analyse und Beurteilung der Übertragbarkeit des Produktmanagementkonzepts auf den Dienstleistungsbereich setzt eine tiefergehende Betrachtung der Unterschiede zwischen Sach- und Dienstleistungen voraus. 62 63 64 Deutlich wird dies am Beispiel von Produkten, die klassischerweise Gegenstand eines Produktmanagements sind wie Seife, Wachmittel, Süßwaren etc. Vgl. Scharitzer, D. (1993), S. 96. Vgl. zum Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung im Rahmen des Produktmanagements Kretschmann von, C. (1998), S. 7ff. - 18 - In der betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich eine Vielzahl von Definitionen und Abgrenzungen des Dienstleistungsbegriffs, die sich nach CORSTEN wie folgt klassifizieren lassen:65 - Erfassung des Dienstleistungsbegriffs über eine beispielhafte Aufzählung von Dienstleistungen (enumerative Definition), - Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs anhand einer Negativdefinition zu Sachleistungen, - Ansätze, die zur Definition von Dienstleistungen auf das Vorliegen von konstitutiven Merkmalen zurückgreifen. Im Folgenden werden diejenigen Definitionsansätze näher betrachtet, die auf die Existenz konstitutiver Merkmale abstellen, da nur über die Dienstleistungsmerkmale eine eindeutige und sinnvolle Abgrenzung zur Ableitung von Marketingimplikationen möglich erscheint.66 Im Rahmen der Dienstleistungsdefinition über konstitutive Merkmale kann wiederum zwischen potenzial-, prozess- und ergebnisorientierten Definitionen differenziert werden.67 Potenzialorientiert können Dienstleistungen als menschliche oder maschinelle Leistungsfähigkeit verstanden werden, mit der am Nachfrager oder dessen Verfügungsobjekt eine gewollte Änderung bewirkt oder ein gewollter Zustand erhalten werden soll.68 Es handelt sich hierbei um eine angebotene Leistungsfähigkeit, die immer immateriell ist. Im Rahmen der prozessualen Definition gelangt der Herstellungsvorgang und damit der Prozesscharakter von Dienstleistungen in den Mittelpunkt der Betrachtung.69 Damit wird der synchrone Kontakt der Marktpartner bzw. der Kontakt zu deren Verfügungsobjekten als entscheidendes Merkmal von Dienstleistungen herausgestellt. Eine ergebnisorientierte Betrachtung setzt hingegen an der Wirkung im Sinne einer Nutzenstiftung der Dienstleistung an. Auch wenn das Ergebnis einer Dienstleistung durchaus materiellen Charakter haben kann, ist der Nutzen als Ergebnis einer Dienstleistung stets immateriell. Die unterschiedlichen Definitionsansätze schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus, sondern sind vielmehr als Phasen der Dienstleistungserstellung zu sehen. So nimmt HILKE eine phasenbezogene Integration der potenzial-, prozess- und ergebnisorientierten Interpretation der Dienstleistungen vor.70 Auch MEFFERT nimmt diese Integration in seiner Definition auf, der im weiteren Verlauf gefolgt werden soll: „Unter Dienstleistungen sollen ... selbstständige oder produktbegleitende Leistungen verstanden werden, die durch Bereitstellung und/oder den Einsatz von Potenzialfaktoren verbunden sind. Unternehmensinterne 65 66 67 68 69 70 Vgl. Corsten, H. (2001), S. 21. Vgl. Meffert, H./Bruhn, M. (2000), S. 27. Vgl. Hilke, W. (1989), S. 10. Vgl. Meyer, A. (1984), S. 198. Vgl. Berekoven, L. (1974), S. 25. Vgl. Hilke, W. (1989), S. 10. - 19 - und -externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert, um an den externen Faktoren, an Menschen oder deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen.“71 Aus diesen integrierten Leistungsdimensionen lassen sich die spezifischen Charakteristika von Dienstleistungen sowie deren Implikationen für das Produktmanagement herausarbeiten. 2.1.2 Die Besonderheiten von Dienstleistungen Die Immaterialität ist das wohl am häufigsten genannte, aber gleichzeitig auch umstrittenste Merkmal von Dienstleistungen. Immateriell bedeutet hier, dass die Dienstleistung als Ergebnis einer Tätigkeit nicht physisch ist und es sich somit um ein substanzloses Gut handelt.72 Sowohl der Input als auch der Output einer Dienstleistung können dabei materieller oder immaterieller Natur sein. „Wesentlich aber ist, dass die Dienstleistung als noch nicht realisierte menschliche bzw. automatisierte Leistungsfähigkeit gilt.“73 Beispielhaft sei hier eine Autoreparatur angeführt. Bei der Reparatur werden i.d.R. zwar materielle Teile eingebaut, jedoch stellen sie nur einen notwendigen Bestandteil des Dienstleistungsprozesses dar. Allein in der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Sachgutes besteht für den Nachfrager das Ergebnis der Dienstleistung. Die materiellen Teile sind somit nur Hilfsmittel zur Erreichung des Dienstleistungsergebnisses, wobei die wiederhergestellte Funktionsfähigkeit stets immateriell ist. Demnach stellt die Immaterialität ein konstitutives Merkmal von Dienstleistungen dar. Aus der Immaterialität resultieren die Merkmale der Nichtlagerfähigkeit und der Simultanität von Produktion und Konsumtion der Dienstleistung. Die Nichtlagerfähigkeit impliziert, dass die Leistungserstellung erst dann begonnen werden kann, wenn ein Abnehmer gefunden worden ist.74 Bspw. können unbesetzte Sitzplätze eines Linienfluges oder ungenutzte Stunden eines Wartungsdienstes nicht gelagert werden. Das Potenzial besteht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitraums und verfällt, wenn es nicht genutzt wird. Das Merkmal der Simultanität von Produktion und Konsumtion beruht auf der Überlegung, dass eine Dienstleistung überwiegend nur an dem Ort der Herstellung konsumiert werden kann. Somit ist der Dienstleistungsprozess durch das „unoactu-Prinzip“ charakterisiert.75 71 72 73 74 75 Meffert, H. (2000), S. 1159. Vgl. Maleri, R. (1997), S. 98. Meffert, H. (2000), S. 1160. Vgl. Backhaus, K./Weiber, R. (1993), S. 72. Vgl. Hilke, W. (1989), S. 13. Das Merkmal der zeitgleichen Konsumtion der Dienstleistung an dem Ort der Herstellung muss jedoch eine Einschränkung erfahren, da durch die Verwendung von technologischen Innovationen, insbesondere neuen elektronischen Medien, eine simultane Produktion und Konsumtion an unterschiedlichen Orten ermöglicht wird. Während bspw. eine traditionelle Wartungsleistung, die nicht auf der Basis neuer elektronischer Medien durchgeführt wird, vom Wartungsdienst beim Kunden vor Ort - 20 - Als zweite Besonderheit von Dienstleistungen ist die Integration eines externen Faktors zu nennen.76 Für die Leistungserstellung ist das aktive Mitwirken oder auch eine passive Bereitstellung eines Fremdfaktors zwingend notwendig, der in Form von Menschen, Tieren und materiellen oder immateriellen Objekten auftreten kann, an denen der Leistungserstellungsprozess vollzogen wird.77 So muss z.B. der Fremdfaktor „Maschine“ zur Verfügung gestellt werden, um an diesem eine Wartung vornehmen zu können. Der entscheidende Unterschied zu den internen, betrieblichen Faktoren besteht darin, dass sich der externe Faktor der autonomen Disponierbarkeit des Dienstleisters entzieht,78 gleichzeitig aber das Ergebnis der Leistungserstellung vom externen Faktor in hohem Maße abhängig ist.79 Das Dienstleistungsergebnis wird insbesondere dann stark beeinflusst, wenn Menschen als externer Faktor in den Prozess eingebracht werden, da ihr Verhalten oft unwägbar ist.80 Insbesondere für investive Dienstleistungen81 spielt die Integration des externen Faktors eine zentrale Rolle, da aufgrund des derivativen Bedarfs sowie des meist multipersonellen Charakters organisationaler Beschaffungseinheiten82 eine zunehmende Unsicherheit für das anbietende Unternehmen resultiert.83 2.1.3 Implikationen dienstleistungsspezifischer Charakteristika für das Produktmanagement Um Aussagen über die Implikationen der dargestellten spezifischen Charakteristika von Dienstleistungen für das Produktmanagement treffen zu können, ist es notwendig, mögliche Auswirkungen dieser Charakteristika auf das Leistungsprogramm zu untersuchen, da dieses für die Möglichkeiten der Einführung eines Produktmanagements von zentraler Bevollzogen werden muss und daher nicht vorab erstellt und dann transportiert werden kann, ermöglichen moderne, z.B. internetbasierte Wartungsdienstleistungen eine simultane, also zeitgleiche Produktion und Konsumtion der Dienstleistung an unterschiedlichen Orten (zu internetbasierten Wartungsdienstleistungen vgl. beispielhaft den DMG-Netservice der Gildemeister AG). Von dieser Einschränkung abgesehen, kann auf den Zeitpunkt der Nutzenstiftung allgemein als konstitutives Abgrenzungsmerkmal zu materiellen Leistungen abgestellt werden. Vgl. Backhaus, K./Hahn C. (1998), S. 98. 76 Vgl. Hilke, W. (1989), S. 12; ebenso Stuhlmann S. (1999), S. 25. 77 Vgl. Klose, M. (1999), S. 7. 78 Vgl. Corsten, H. (1985), S. 127. 79 Vgl. Meffert, H./Bruhn, M. (2000), S. 56. 80 Vgl. Forschner, G. (1988), S.42. 81 Bei investiven Dienstleistungen handelt es sich um Dienstleistungen, die von Organisationen bzw. Unternehmen nachgefragt werden, deren Dienstleistungsbedarf indirekt aus der Nachfrage nach Leistungen und Produkten ihres Unternehmens resultiert. Die Beschaffung investiver Dienstleistungen erfolgt somit zu dem Zweck, diese Leistungen in den eigenen Wertschöpfungsprozess eingehen zu lassen, um wiederum Leistungen zu erzeugen, die am Markt angeboten werden können. 82 Vgl. Backhaus, K. (1999), S. 57ff. 83 Als weiteres Charakteristikum von Dienstleistungen nennt MEFFERT die Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters, die sich aus der potenzialorientierten Sichtweise von Dienstleistungen ableiten lässt. Vgl. Meffert, H./Bruhn, M. (2000), S. 54ff. Die Leistungsfähigkeit kann u.E. aber nicht als konstitutives Merkmal von Dienstleistungen angesehen werden, da sie erst für den Vermarktungsprozess von Dienstleistungen eine hohe Bedeutung erlangt und weniger für eine inhaltliche Abgrenzung von Sachleistungen geeignet ist. - 21 - deutung ist. Wie bereits gezeigt werden konnte, determiniert insbesondere die Breite des Leistungsprogramms sowie die Abgrenzbarkeit von Leistungen die Umsetzbarkeit eines Produktmanagements. Vor allem die Breite des Leistungsspektrums wird in erheblichem Maße vom Individualitätsgrad der angebotenen Leistungen beeinflusst, da mit steigender Leistungsindividualisierung die Anzahl angebotener Produkte zunimmt. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Auswirkungen der dargestellten Charakteristika von Dienstleistungen auf den Individualitätsgrad einer näheren Betrachtung unterzogen. Als Ausgangspunkt einer leistungsbezogenen Beurteilung des Individualitätsgrades bieten sich Leistungstypologien an, da diese in Abhängigkeit der Ausprägung ausgewählter Kriterien eine Abgrenzung unterschiedlicher Leistungstypen ermöglichen, aus der sich typenspezifische Implikationen für das Marketing ableiten lassen. Eine für die vorliegende Problemstellung geeignete Leistungstypologie findet sich bei ENGELHARDT/KLEINALTEN84 KAMP/RECKENFELDERBÄUMER. Diese Typologie basiert auf zwei Dimensionen: dem Integrationsgrad einerseits sowie dem Immaterialitätsgrad der Leistung andererseits. Damit werden die im vorherigen Kapitel behandelten Besonderheiten von Dienstleistungen aufgegriffen. Bzgl. des Integrationsgrades wird unterschieden, ob im Rahmen der Leistungserstellung eine starke Integration des externen Faktors erfolgt oder aber eine weitgehend autonome Gestaltung der Leistungserstellung möglich ist. Die Berücksichtigung des Immaterialitätsgrades führt zu einer Differenzierung von Leistungen mit überwiegend materiellem Charakter einerseits und Leistungen, die sich durch einen sehr hohen Immaterialitätsgrad auszeichnen, andererseits. Auch wenn diese Typologisierung, wie anhand der von ENGELHARDT et al. gewählten Beispiele erkennbar ist,85 keinen ausschließlichen Dienstleistungsbezug aufweist,86 lässt sich deren Anwendung auf Dienstleistungen beschränken. Die Verwendung des Immaterialitätsgrades als Typologisierungsdimension steht dabei nicht im Widerspruch zu der Aussage, dass die Immaterialität ein konstitutives Merkmal von Dienstleistungen darstellt, da in den bisherigen Ausführungen gezeigt werden konnte, dass im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses sowohl Input- als auch Outputkomponenten durchaus materieller Natur sein können.87 Insofern lassen sich Dienstleistungen nach dem Grad der Immaterialität differenzieren.88 Durch Kombination der Extremausprägungen der beiden Merkmale erge84 85 86 87 88 Vgl. Engelhardt, W.H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. (1992), S. 34ff. ENGELHARDT et al. führen als beispielhafte Leistungstypen eine Sondermaschine, ein reproduziertes Teil, eine Unternehmensberatung und einen Datenbankdienst an, wobei die beiden erstgenannten Leistungen im Gegensatz zu den letztgenannten einen geringen Immaterialitätsgrad aufweisen und die Sondermaschine sowie die Unternehmensberatung zudem durch einen im Vergleich zu den beiden anderen Leistungen hohen Integrationsgrad charakterisiert werden können. Vgl. Engelhardt, W.H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. (1992), S. 34ff. Die von ENGELHARDT et al. gewählten Beispiele zeigen vielmehr, dass aufgrund des Immaterialitätsgrades eine Abgrenzung von Sach- und Dienstleistungen erfolgen kann. Vgl. Kapitel 2.1.2. Vgl. Shostak, G.L. (1982), S. 52. - 22 - Integrativ Autonom Integrationsgrad ben sich vier Grundtypen von Leistungen, wobei bei einer Beschränkung der Typologisierung auf Dienstleistungen zu berücksichtigen ist, dass eine vollkommen autonome Leistungserstellung ebenso wie eine rein materielle Leistung ausgeschlossen werden können. Abb. 6 verdeutlicht die unterschiedlichen Grundtypen anhand von Beispielen, wobei diese für die genannten Extremausprägungen gelten, auch wenn die Ausprägungen der beiden Dimensionen als Kontinuum aufzufassen sind. Wartungsdienst Wirtschaftsprüfung Verleih von Videokassetten Datenbankdienst Materiell Immateriell Immaterialitätsgrad Abb. 6: Dienstleistungstypologie in Anlehnung an ENGELHARDT et al. Werden die beiden betrachteten Dimensionen nun hinsichtlich der Auswirkungen ihrer jeweiligen Ausprägungen auf den Individualitätsgrad der Leistung untersucht, so lässt sich mit MEFFERT/BRUHN Folgendes festhalten: "Aus der Integration des externen Faktors in die Dienstleistungserstellung resultiert der individualistische, personalintensive, schwer standardisierbare Charakter vieler Dienstleistungen."89 Eine starke Integration des externen Faktors in den Leistungserstellungsprozess ist folglich mit einer zunehmenden Individualisierung der Leistung verbunden.90 Dies ist damit zu begründen, dass mit zunehmender Integration des externen Faktors die Einflussnahme desselben auf den Leistungserstellungsprozess sowie auf das letztendliche Leistungsergebnis steigt. Unter der Annahme einer bzgl. ihrer Anforderungen heterogenen Nachfragerstruktur resultiert somit aus einem steigenden Integrationsgrad des externen Faktors ein zunehmendes Maß an Leistungsindividualisierung sowie ein breiteres Leistungsspektrum. Beispielhaft seien an dieser Stelle Leistungen genannt, die mit einem hohen kundenspezifischen Informationsbedarf verbunden sind, wie dies bei Unternehmensberatungen oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Fall ist. 89 90 Meffert, H./Bruhn, M. (2000), S. 57. Vgl. Engelhardt, W.H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. (1993), S. 421f. KLEINALTENKAMP stellt einen direkten Zusammenhang zwischen dem transferierten Informationsvolumen und der Individualisierung der Leistung her. Vgl. Kleinaltenkamp, M. (1993), S. 109. - 23 - Auch zwischen dem Immaterialitätsgrad und dem Individualisierungsgrad einer Leistung lässt sich ein Zusammenhang annehmen. Mit zunehmender Immaterialität der Leistung nimmt die physische Wahrnehmbarkeit eines Produktes und damit die intersubjektive Überprüfbarkeit bestimmter Eigenschaften ab.91 Somit ist auch eine eindeutige Abgrenzbarkeit von Leistungen mit erheblichen Problemen verbunden, da eine Vereinheitlichung der Leistung durch die Festschreibung objektiv nachprüfbarer Leistungsbestandteile nur bedingt möglich ist.92 Für den Kunden ist mit zunehmender Immaterialität eine sinkende Vergleichbarkeit der Dienstleistungen verbunden,93 so dass in diesem Zusammenhang von einer subjektiven Individualisierung der Leistung gesprochen werden kann. In d iv id ua lit ät sg ra d Integrativ Autonom Integrationsgrad Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass ein hoher Individualisierungsgrad der Leistung dann vorliegt, wenn der Integrationsgrad und die damit verbundene Interaktionsintensität mit dem Kunden hoch ist und das Produkt einen ausgeprägten Immaterialitätsgrad aufweist.94 Die folgende Grafik stellt diesen Zusammenhang dar: Materiell Immateriell Immaterialitätsgrad Abb. 7: Auswirkungen des Integrationsgrades und des Immaterialitätsgrades auf den Individualitätsgrad 91 92 93 94 Vgl. Engelhardt, W.H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. (1993), S. 418; Corsten, H. (1986), S. 24 sowie Mayer, R. (1993), S. 199f. Vgl. Töpfer, A. (1998), S. 420. Vgl. Engelhardt, W.H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. (1993), S. 418f. MEFFERT/BRUHN stellen einen anderen Zusammenhang zwischen dem Integrationsgrad und dem Individualitätsgrad her, indem die Integrationsdimension zerlegt wird in den Interaktionsgrad einerseits und den Individualitätsgrad andererseits. Vgl. Meffert, H./Bruhn M. (2000), S. 24. Dazu ist jedoch anzumerken, dass zwischen den beiden Teildimensionen eine Abhängigkeit besteht, da anzunehmen ist, dass eine zunehmende Interaktion mit dem Kunden i.d.R. mit einer zunehmenden Individualisierung der Leistung einhergehen wird. Diese Problematik wird auch von MEFFERT/BRUHN erkannt und unter Berücksichtigung der Dauer der Kundenbeziehung sowie einer Hervorhebung der subjektiven Komponente des Integrationsbegriffes relativiert. Trotz der gelieferten Erläuterung lässt sich dieser Kritikpunkt nicht gänzlich entkräften. Vgl. Meffert, H./Bruhn, M. (2000), S. 26. - 24 - Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Erkenntnis für die Möglichkeit der Einführung eines Produktmanagements für Dienstleistungen? Dienstleistungen zeichnen sich im Vergleich zu Sachleistungen gerade dadurch aus, dass sowohl der Integrationsgrad als auch der Immaterialitätsgrad stark ausgeprägt sind. Die daraus resultierende hohe Individualisierung der Leistung erschwert eine ex ante95 Definition und Abgrenzung von Leistungen. Im Extremfall setzt sich das Leistungsprogramm aus ebenso vielen Dienstleistungsprodukten wie Kundenaufträgen zusammen. Vor diesem Hintergrund nimmt die Möglichkeit einer Standardisierung von Dienstleistungen für die Einführung eines Produktmanagements eine bedeutende Rolle ein. Durch eine Standardisierung bieten sich Ansatzpunkte einer Abgrenzung verschiedener Leistungen, die wiederum als Basis eines begrenzten, für das Produktmanagement adäquaten Leistungsprogramms dienen können. Aus diesem Grund sollen Möglichkeiten und Arten einer Standardisierung von Dienstleistungen Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.96 2.2 Die Bedeutung der Leistungsstandardisierung für die Implementierung eines „Dienstleistungs-Produktmanagements“ 2.2.1 Leistungsstandardisierung vs. individuelle Leistungserstellung Wie bereits angedeutet, wird in der Literatur aus dem integrativen Charakter von Dienstleistungen sowie deren Immaterialität häufig auf ein hohes Maß an Individualität des Leistungserstellungsprozesses sowie des Leistungsergebnisses geschlossen. An manchen Stellen wird die Individualität der Leistungserstellung sogar als konstitutives Element von Dienstleistungen angesehen.97 Zweifelsfrei stößt die Standardisierbarkeit von Dienstleistungen und damit auch die Umsetzbarkeit eines Produktmanagements dort an ihre Grenzen, wo die kundenseitig nachgefragten Leistungen ein so hohes Maß an Individualität aufweisen, dass eine entsprechende Vereinheitlichung des Leistungserstellungsprozesses sowie des Leistungsergebnisses nicht möglich bzw. ökonomisch nicht sinnvoll ist. Dennoch kann die Annahme, dass sich Dienstleistungen generell einer Standardisierbarkeit entziehen, nicht aufrecht erhalten werden. Während CORSTEN anhand einzelner Beispiele aus der Praxis diese These zu widerlegen versucht,98 konnte GRAUMANN bereits in einer 1983 durchgeführten Studie die weite Verbreitung standardisierter Leistungen bei Dienst95 96 97 98 Bezugspunkt ist der Zeitpunkt der Leistungserstellung. Nach Erbringen der Leistung ist es durchaus denkbar, dass eine Abgrenzung der erbrachten Leistung möglich ist und gleichsam auch eine inhaltliche Übereinstimmung mit bereits erbrachten Leistungen festgestellt wird. Die Einführung eines Produktmanagements setzt jedoch voraus, dass vor dem Zeitpunkt der Leistungserbringung diese definiert werden kann und inhaltlich von anderen Leistungen abgrenzbar ist. Vgl. Scharitzer, D. (1993), S. 95. Vgl. Schade C./Schott E. (1991), S. 4. Vgl. Corsten, H. (2001), S. 350. - 25 - leistungsunternehmen empirisch belegen.99 GERSCH zeigt weiterhin auf, dass eine Standardisierung von Dienstleistungen nicht nur aus Anbietersicht vorteilhaft sein kann, sondern dass auch für den Kunden mit der Nachfrage (teil-)standardisierter Leistungen zahlreiche Vorteile verbunden sein können.100 Ohne näher auf die einzelnen Aspekte einzugehen, sei an dieser Stelle beispielhaft die Reduktion nachfragerseitiger Qualitätsunsicherheiten, eine höhere Vergleichbarkeit angebotener Leistungen und eine damit einhergehende steigende Markttransparenz sowie eine bessere Abschätzbarkeit des Verhaltens des anbietenden Unternehmens genannt. Während somit die These einer mangelnden Standardisierbarkeit von Dienstleistungen offensichtlich nicht aufrecht erhalten werden kann, bleibt zu untersuchen, welche konkreten Möglichkeiten und Ansatzpunkte einer Standardisierung unterschieden werden können. 2.2.2 Ansatzpunkte und Arten einer Standardisierung Ansatzpunkte einer Standardisierung von Dienstleistungen lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. So differenziert CORSTEN zwischen: 1. Potenzialstandardisierung, 2. Prozessstandardisierung und 3. Ergebnisstandardisierung.101 Dabei ist jedoch festzuhalten, dass die dargestellten Ansatzpunkte nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können, sondern vielmehr in enger Beziehung zueinander stehen. So weisen MEFFERT/BRUHN darauf hin, dass eine Ergebnisstandardisierung ohne eine gleichzeitige Prozess- und Potenzialstandardisierung häufig nicht möglich sei.102 Beispielsweise lässt sich das weltweit standardisierte Leistungsangebot von Fast-FoodRestaurants, wie bspw. McDonalds, nur durch eine gleichzeitige Standardisierung der dem Ergebnis zugrunde liegenden Potenziale und Prozesse erreichen.103 Der enge Zusammenhang zwischen Prozess- und Ergebnisstandardisierung ergibt sich für Dienstleistungen ins99 100 101 102 103 45 Prozent der untersuchten Dienstleistungen wurden als standardisiert bezeichnet und bei 71 Prozent der analysierten Dienstleistungen konnte keinerlei Auftragsindividualität konstatiert werden. Vgl. Graumann, J. (1983), S. 168ff. Vgl. Gersch, M. (1995), S. 17 Vgl. Corsten, H. (1998), S. 612. Ein Überblick über verschiedene Standardisierungsansätze findet sich bei Gersch, M. (1995), S. 129ff. Vgl. Meffert, H./Bruhn, M. (2000), S. 182. Zu Möglichkeiten der Prozessstandardisierung vgl. Corsten, H. (2001), S. 352ff. Die Potenzialstandardisierung äußert sich u.a. in der Verwendung einheitlicher Zutaten sowie standardisierten Hilfsmittels zur Leistungserstellung, während die Prozessstandardisierung in einer exakten Festlegung der Zubereitung zum Ausdruck kommt. - 26 - besondere aus der Integration des externen Faktors und der damit zusammenhängenden Simultanität von Leistungserstellung und Leistungskonsumtion. Im Falle eines ausgeprägten Integrationsgrades wird mit zunehmender Prozessstandardisierung zwangsläufig eine Ergebnisstandardisierung verbunden sein, da der Prozess der Leistungserstellung zugleich zumindest einen Teil des Ergebnisses darstellt.104 Für Dienstleistungen, die sich durch einen geringen Immaterialitätsgrad auszeichnen, ist hingegen ein engerer Zusammenhang zwischen Potenzial- und Ergebnisstandardisierung zu vermuten. Erfolgt eine Potenzialstandardisierung durch Vereinheitlichung der materiellen Komponenten einer Dienstleistung, ist davon auszugehen, dass aufgrund der steigenden Vereinheitlichung der physischen Eigenschaften der wahrgenommene Standardisierungsgrad des Ergebnisses ebenfalls zunimmt. Aus den bisherigen Ausführungen kann geschlossen werden, dass weder mit einer Potenzial-, noch mit einer Prozessstandardisierung zwangsläufig eine aus Sicht des Kunden wahrnehmbare Ergebnisstandardisierung verbunden sein muss. Dies gilt insbesondere bei einem ausgeprägten Immaterialitätsgrad der Dienstleistungen bzw. einer sehr geringen Integration des externen Faktors im Rahmen der Leistungserstellung. Auch wenn in einem solchen Fall mit einer Standardisierung keine marktseitigen Konsequenzen verbunden sind, kann es insbesondere aus Rationalisierungsgründen sinnvoll sein, Prozesse und/oder Potenziale zu standardisieren.105 Standardisierung hat folglich sowohl eine marktgerichtete als auch eine unternehmensgerichtete Dimension. Eine Abstimmung dieser eng miteinander zusammenhängenden Dimensionen stellt eine wichtige im Rahmen eines Produktmanagements wahrzunehmende Aufgabe dar. Wird eine ergebnisorientierte Betrachtung des Standardisierungsbegriffes zugrunde gelegt, sind in Anlehnung an CORSTEN zwei zentrale Arten der Standardisierung zu unterscheiden:106 eine Leistungsstandardisierung einerseits sowie eine Standardisierung des Kundenverhaltens andererseits. Die Leistungsstandardisierung lässt sich weiter danach differenzieren, ob die Gesamtleistung oder lediglich Teilleistungen vereinheitlicht werden. Bei einer Standardisierung der Gesamtleistung wird der komplette Leistungsumfang vereinheitlicht, was sich insbesondere dann anbietet, wenn sich dieser im Vorfeld eindeutig festlegen lässt und der externe Faktor keinen bzw. einen nur sehr begrenzten Einfluss auf die Leistungserstellung hat. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Buchung einer Pauschalreise oder die Durchführung einer Abgassonderuntersuchung genannt.107 Bei zunehmendem Einfluss des externen Faktors auf die Leistungserstellung bietet sich eine Standardisierung von Teilkomponenten an. Diese lässt sich wiederum danach unterscheiden, ob eine feste, eigen104 105 106 107 In diesem Zusammenhang wird vorausgesetzt, dass es sich um einen für den Kunden wahrnehmbaren und somit keinen rein internen Prozess handelt. Zu Rationalisierungsmöglichkeiten im Rahmen der Dienstleistungserstellung vgl. Corsten, H. (1998), S. 611ff. Vgl. Corsten, H. (1985), S. 308ff. sowie Corsten, H. (1998), S. 613ff. Vgl. Meffert, H./Bruhn M. (2000), S. 193. - 27 - ständig nutzbare Güterbasis geschaffen wird, die mit individuellen Zusatzleistungen ergänzt werden kann, oder ob eine Standardisierung der Leistung durch die Realisierung eines sog. Baukastenprinzips erreicht wird.108 In dem zuletzt genannten Fall erfolgt eine Vereinheitlichung von Teilleistungen. Durch Kombination dieser Module entsteht die Gesamtleistung, die zum einen durch die kundenspezifische Zusammensetzung der Module, zum anderen durch das Angebot kundenspezifischer Zusatzleistungen den individuellen Anforderungen des Kunden gerecht werden kann.109 Ein Beispiel hierfür ist die Software SAP R/3, die durch Kombination alternativer Programm-Module sowie dessen kundenspezifischer Konfiguration ein auf dem Baukastenprinzip basierendes Angebot individueller Leistungen ermöglicht. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Standardisierung des Kundenverhaltens. Durch die Homogenisierung der Nachfrage kann der Einfluss des externen Faktors auf den Leistungserstellungsprozess reduziert werden, so dass eine zumindest teilweise Standardisierung des Angebotes ermöglicht wird.110 Eine Individualisierung der Leistung kann durch das Angebot entsprechender Anpassungs- oder Zusatzleistungen erreicht werden.111 Es ist offensichtlich, dass die beiden grundsätzlichen Ansatzpunkte einer Standardisierung Überschneidungen aufweisen.112 Das Angebot standardisierter Leistungen ist ökonomisch nur dann sinnvoll, wenn eine entsprechende Nachfrage nach solchen Leistungen existiert. Die Standardisierung des Kundenverhaltens schafft die Voraussetzungen einer Leistungsstandardisierung und kann somit als „Mittel zum Zweck“ interpretiert werden. Abb. 8 stellt die verschiedenen Ansatzpunkte einer Standardisierung von Dienstleistungen im Überblick dar. 108 109 110 111 112 Zum Baukastenprinzip vgl. Kleinaltenkamp, M./Plinke, W. (1999), S. 30f.; Jugel, S./Zerr, K. (1989), S. 168 sowie Bode, J./Zelewski, S. (1992), S. 602. Vgl. Corsten, H. (2001), S. 351. Als Beispiel für eine Standardisierung des Kundenverhaltens nennen MEFFERT/BRUHN die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die zur Teilnahme an einem Ausbildungslehrgang berechtigen. Vgl. Meffert, H./Bruhn M. (2000), S. 193. Vgl. Corsten, H. (1985), S. 312. Vgl. ebenda. - 28 - Standardisierung Leistungsstandardisierung Standardisierung der Gesamtleistung Standardisierung des Kundenverhaltens Standardisierung von Teilleistungen Feste Güterbasis mit individuellen Zusatzleistungen Standardisierung einzelner Elemente Abb. 8: Ansatzpunkte einer Standardisierung 2.2.3 Determinanten des Standardisierungspotenzials Die dargestellten Arten und Ansatzpunkte einer Standardisierung liefern bislang nur bedingt Antwort auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Standardisierung des Leistungsprogramms möglich ist. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus Kapitel 2.1.3 kann Folgendes konstatiert werden: das leistungsbezogene Standardisierungspotenzial eines Unternehmens verhält sich gegenläufig zum Individualitätsgrad angebotener Leistungen. Während der Individualitätsgrad mit zunehmender Integration des externen Faktors sowie steigendem Immaterialitätsgrad zunimmt, begünstigen eine autonome Leistungserstellung sowie ein geringer Immaterialitätsgrad die Möglichkeiten einer Leistungsstandardisierung. Dabei spielt insbesondere der Integrationsgrad eine zentrale Rolle: Ist der Einfluss des Kunden auf die zu erbringende Leistung vergleichsweise gering, lässt sich der Bedarf im Vorfeld weitestgehend abschätzen, so dass eine ex-ante Definition der nachgefragten Leistung und somit eine Standardisierung erleichtert wird. Das Standardisierungspotenzial nimmt folglich mit abnehmender Integration des externen Faktors zu. 113 Neben diesen beiden Einflussfaktoren führt STAUSS als weitere Determinante der Standardisierbarkeit von Leistungen die Spezifität des Faktoreinsatzes an.114 Je höher das Ausmaß eines 113 114 Vgl. Mayer, R. (1993), S. 46. Vgl. Stauss, B. (1995), S. 458, der von STAUSS verwendete Begriff „Intangibilitätsgrad“ ist dem in den vorhergehenden Ausführungen benutzten Begriff „Immaterialitätsgrad“ gleichzusetzen. - 29 - kundenspezifischen Ressourceneinsatzes ausfällt, desto geringer ist das Standardisierungspotenzial der Leistung zu beurteilen.115 Auch wenn anzunehmen ist, dass zwischen der Interaktionsintensität und der Spezifität des Faktoreinsatzes ein positiver Zusammenhang besteht, muss nicht zwangsläufig mit zunehmendem Integrationsgrad des externen Faktors ein kunden- bzw. auftragsspezifischer Ressourceneinsatz verbunden sein. Aus diesem Grund kann die Spezifität des Faktoreinsatzes als dritte Determinante der Standardisierbarkeit von Dienstleistungen betrachtet werden. Abb. 9 stellt die Determinanten des Standardisierungspotenzials im Überblick dar. hoch Integrationsgrad niedrig hoch Intangibilitätsgrad niedrig hoch Spezifität des Faktoreinsatzes niedrig niedrig Standardisierbarkeit der Leistung hoch Abb. 9: Leistungsspezifische Determinanten des Standardisierungspotenzials Als Beispiel für eine Dienstleistung mit niedrigem Standardisierungspotenzial führt STAUSS die Erstellung von Beratungsleistungen an, da sich diese durch ein ausgeprägtes Maß an Integrativität, einen hohen Immaterialitätsgrad sowie eine vergleichsweise hohe Spezifität des Faktoreinsatzes auszeichnen, wohingegen Fast-Food aufgrund einer durchgängig geringen Ausprägung der genannten Merkmale als Beispiel für eine Dienstleistung mit einem hohen Standardisierungspotenzial dienen kann.116 Die angesprochene Notwendigkeit einer Leistungsstandardisierung zur Einführung eines Produktmanagements impliziert jedoch nicht zwangsläufig eine Vereinheitlichung der gesamten Leistung. Durch eine Standardisierung von Teilleistungen bzw. Teilprozessen der 115 116 Vgl. Stauss, B. (1995), S. 458. STAUSS bezieht die Spezifität des Faktoreinsatzes in seinen Ausführungen auf kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Länder, da er die Standardisierbarkeit von Leistungen vor dem Hintergrund einer Internationalisierung von Unternehmen beurteilt. Der Spezifität des Faktoreinsatzes lässt sich jedoch auch kundenbezogen differenzieren, so dass ein Transfer dieses Einflussfaktors auf die vorliegende Problemstellung möglich ist. Vgl. ebenda. - 30 - Leistungserstellung sowie der Möglichkeit deren kundenindividueller Kombination kann das Unternehmen einerseits die Voraussetzungen für den Einsatz von Produktmanagement schaffen und andererseits der Forderung nach einer Individualisierung der angebotenen Leistungen gerecht werden. Ein modular aufgebautes Baukastensystem stellt somit eine Möglichkeit dar, den Spagat zwischen Individualisierung und Standardisierung zu meistern. Wie in den bisherigen Ausführungen gezeigt werden konnte, steht die Möglichkeit einer Ergebnisstandardisierung in engem Zusammenhang mit einer Potenzial- bzw. einer Prozessstandardisierung. Für ein Unternehmen, dessen Dienstleistungen einen vergleichsweise hohen Anteil materieller Komponenten aufweist, sollten vor diesem Hintergrund insbesondere Möglichkeiten einer Potenzialstandardisierung in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Eine eher prozessorientierte Standardisierung bietet sich für Unternehmen an, deren Leistungserstellung mit einer ausgeprägten Integration des Kunden als externen Faktor verbunden ist. Im Falle einer mangelnden Standardisierbarkeit von Leistungen ist zu hinterfragen, ob diese ausschließlich auf leistungsspezifische Faktoren zurückzuführen ist oder ob nicht durch Ergreifung entsprechender Maßnahmen eine Homogenisierung des Kundenverhaltens erreicht werden kann, die eine Vereinheitlichung der Leistung möglich machen könnte. Zusammenfassend kann Folgendes festgehalten werden: Zeichnet sich das Leistungsspektrum eines Unternehmens durch eine äußerst begrenzte Zahl angebotener Leistungen sowie einen geringen Koordinationsbedarf aus, erscheint eine Standardisierung von Leistungen als Basis eines Produktmanagements nicht notwendig. Verfügt ein Unternehmen jedoch über ein breites Leistungsprogramm, das aufgrund leistungsspezifischer Charakteristika einen hohen Individualitätsgrad aufweist, sind bzgl. der Standardisierungsmöglichkeiten folgende Überlegungen anzustrengen: 1. Lassen die Charakteristika der angebotenen Dienstleistungen grundsätzlich eine Standardisierung zu oder ist der Individualitätsgrad des Leistungsergebnisses so ausgeprägt, dass von einer Vereinheitlichung desselben nicht ausgegangen werden kann? 2. Ist eine Standardisierung der Gesamtleistung nicht möglich, ist zu hinterfragen, ob zumindest eine Standardisierung von Teilleistungen erreicht werden kann, die bspw. als Basis eines Baukastenprinzips dienen kann. 3. Ist auch dies nicht der Fall, ist letztlich zu analysieren, ob über eine Standardisierung der Nachfrage die Voraussetzungen für eine Leistungsstandardisierung geschaffen werden können. - 31 - An dieser Stelle wird deutlich, dass Produktmanagement kein Allheilmittel ist, mit dem einem gesteigerten internen oder externen Koordinationsbedarf begegnet werden kann. Vielmehr ist die Einführung eines Produktmanagements an die Erfüllung bestimmter, im Rahmen der bisherigen Ausführungen dargestellter Voraussetzungen gebunden. Trotz dieser leistungsspezifischen Einschränkungen bieten sich für eine Vielzahl von Unternehmen Ansatzpunkte einer Leistungsstandardisierung, die als Ausgangspunkt einer weiteren Verbreitung des Produktmanagementkonzepts im Dienstleistungsbereich dienen können. 2.2.4 Leistungsstandardisierung und –abgrenzung im Luftfrachtbereich - Das Beispiel Lufthansa Cargo AG Im Jahr 1995 gliederte die Lufthansa AG den Frachtbereich des Konzerns aus und wandelte ihn in ein eigenständiges Unternehmen, die Lufthansa Cargo AG, um. Im internationalen Frachtlinienverkehr der IATA befindet sich Lufthansa Cargo mit einem Umsatz von ca. 5 Mrd. DM und rund 7.600 Mio. verkauften Fracht-Tonnenkilometern seit Jahren in der Weltmarktführerposition, die sie insbesondere durch Kooperationen mit anderen Logistikpartnern und durch ein innovatives Produktmanagement auszubauen versucht. So war Lufthansa Cargo im Jahr 1998 die erste Frachtgesellschaft, die ihr Leistungsportfolio standardisiert und auf zeitdefinierte Produkte umgestellt hat und aufgrund ihres Erfolgs im Luftfrachtmarkt mittlerweile von Wettbewerbern imitiert wird.117 Luftfrachtdienstleistungen sind generell gekennzeichnet durch eine hohe Immaterialität der Leistung. Auch wenn eine Vielzahl von materiellen Bestandteilen wie z.B. Flugzeuge und Transportbehälter zur Transportabwicklung notwendig sind, so besteht die Leistung letztendlich in dem Transport eines Sachgutes, also der physischen Verlagerung eines externen Faktors. Weiterhin spielt der Kunde als Teil der Fremdeinwirkung eine Rolle, da er das zu transportierende Sachgut dem Luftfrachtdienstleister zur Verfügung zu stellen hat. Allerdings beschränkt sich die Integration des Kunden bei reinen Transportdienstleistungen i.d.R. auf die Zurverfügungstellung des Gutes am Versandort und die Entgegennahme am Empfangsort, so dass der Kunde nur in sehr eingeschränktem Maße in die Transportabwicklung involviert ist.118 Aus dem geringen Integrationsgrad des Kunden in die Leistungserstellung folgt, dass der Kunde die Prozessabläufe und die eingesetzten Potenzialfaktoren des Dienstleisters nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße wahrnimmt. Im Hinblick auf das für den Kunden maßgebliche Leistungsergebnis ist daher auch eine Standardisierung von Prozessen und Potenzialfaktoren aus Kundensicht von untergeordneter Bedeutung. Aus Sicht des Luft117 118 Vgl. beispielhaft das Produktportfolio der KLM Cargo. Eine starke Integration des Kunden liegt hingegen bei individuellen und ganzheitlichen Transportlösungen für spezielle Produkte und somit speziellen Transportanforderungen vor. - 32 - frachtdienstleisters hingegen spielen sowohl die Prozess- als auch die Potenzialfaktorenstandardisierung aus folgenden Gründen eine wichtige Rolle: 1. Sowohl die Standardisierung von Potenzialfaktoren (z.B. einheitliche Transportbehälter) als auch die Standardisierung von Prozessen (z.B. Kapazitätsbuchung nach festgelegten Priorisierungsregeln) können zu innerbetrieblichen Kosteneinsparungen führen (Rationalisierungspotenzial). 2. Die Standardisierung von Potenzialfaktoren kann sowohl für die Prozessstandardisierung als auch die für die Ergebnisstandardisierung eine unterstützende Funktion wahrnehmen. 3. Die Standardisierung von Prozessen ist eine notwendige Bedingung für eine Standardisierung des Leistungsergebnisses und somit für die Einführung eines Produktmanagements.119 Vor diesem Hintergrund besteht für einen Luftfrachtdienstleister das zentrale Ziel folglich in der auf einer Prozessstandardisierung aufbauenden Standardisierung des Leistungsergebnisses, wenn die Voraussetzungen für ein Produktmanagement im Unternehmen geschaffen werden sollen. Bei Lufthansa Cargo stellt sich die Standardisierung und Abgrenzung der Produkte als eine Form der Teilleistungsstandardisierung mit fester Güter- bzw. Leistungsbasis dar.120 Das Produktportfolio basiert auf insgesamt vier sog. „time definite Services“ („td.Services“). Time definite beschreibt dabei die Garantie einer festgelegten Verfügbarkeitszeit am Zielort durch definierte Zeitfenster, die mit der spätestmöglichen Annahmezeit der Sendungen am Abflugort beginnen und mit der entsprechenden Verfügbarkeitszeit am Zielort enden. Neben den jeweiligen Zeitfenstern zeichnen sich die Produkte durch weitere standardisierte Serviceelemente und Gewichtsvorgaben aus. Größter Umsatzträger ist das Produkt „td.Pro“, das die Auslieferung der Sendungen in Abhängigkeit der Strecke in 2 bis 5 Tagen verspricht. Zusätzlich bietet Lufthansa Cargo eine jederzeitige Information über den Frachtstatus (Tracking) und eine proaktive Kommunikation mit den Kunden im Falle von Unregelmäßigkeiten bei der Transportabwicklung. Die Produkte „td.X“, „td.Flash“ und „td.SameDay“ stellen die Expressprodukte von Lufthansa Cargo dar. Während die Auslieferung innerhalb von wenigen Stunden mit „td.SameDay“ bisher lediglich für ausgewählte Zielorte Europas und nur für Kleinsendungen möglich ist, bieten die beiden anderen Ex119 120 Vgl. Kapitel 2.2.2. Bei dem Leistungsprogramm der Lufthansa Cargo AG kann eher von einer Standardisierung mit fester Güterbasis als von einem Baukastenprinzip gesprochen werden. Die zeitdefinierten Produkte bilden als Bündel standardisierter, allerdings nicht frei wählbarer Produktbestandteile die zentrale Leistungsbasis, die um bestimmte individuelle und auch standardisierte Zusatzleistungen erweitert werden kann. Allerdings zeigt dieses Beispiel, dass die Übergänge von fester Leistungsbasis zum Baukastenprinzip fließend sind. - 33 - pressprodukte für schwere bzw. große Sendungen („td.X“) und für entsprechend kleinere Sendungen („td.Flash“) eine weltweite Auslieferung innerhalb von 1,5 bis 3 bzw. 1 bis 2 Tagen. Über die Serviceelemente Tracking und proaktive Kommunikation hinaus sind alle Expressprodukte dadurch gekennzeichnet, dass sie bei rechtzeitiger Buchung durch den Kunden die Frachtraumkapazitäten garantieren (Capacity Guarantee) und im Rahmen ihrer Performance Guarantee die Frachtkosten bei verspäteter Auslieferung erstatten. Abb. 10 gibt einen Überblick über die Leistungsbestandteile der „td.Services“. Zeitfenster Serviceelemente Zeitfenster Tracking Proaktive Kommunikation Capacity Guarantee Performance Guarantee td.Pro td.X td.Flash 2-5 Tage 1,5-3 Tage 1-2 Tage X X X td.SameDay 2-4 Std. (D) 4-6 Std. (EU) X X X X X ./. X X X ./. X X X (X = Leistung im Angebot enthalten, ./. = Leistung im Angebot nicht enthalten) Abb. 10: Die „td.Services“ der Lufthansa Cargo AG121 Neben den „td.Services“ als fester Leistungsbasis bietet Lufthansa Cargo auf bestimmte Frachtanforderungen konzipierte, umfassende Standardlösungen, sog. Service Packages an. Diese Service Packages berücksichtigen insbesondere die produktspezifischen Transportanforderungen von • konstant zu kühlenden Gütern („Cool/td“), • Gefahrgütern („Care/td“), • verderblichen Gütern („Fresh/td“), • Wertfracht bzw. diebstahlgefährdeten Gütern („Safe/td1“ und „Safe/td 2“) und • erschütterungsempfindlichen Gütern („Smooth/td“), wobei unterschiedliche Kombinationen mit den „td.Services“ möglich sind (Abb. 11). 121 Vgl. zu einer umfassenden Darstellung der „td.Services“ auch die Internetseiten der Lufthansa Cargo AG unter http://www.lufthansa-cargo.com. Service Packages - 34 - td.Pro td.X td.Flash Cool/td [ [ [ Fresh/td [ [ [ [ Smooth/td td.SameDay [ Safe/td 1 Safe/td 2 [ Care/td [ [ [ ([ = mögliche Produktkombinationen) Abb. 11: Service Packages der Lufthansa Cargo AG Über die Standardprodukte hinaus bietet Lufthansa Cargo unter „Specials“ auch individuell zugeschnittene Lösungen für den Transport von z.B. lebenden Tieren und Textilien an. Weiterhin ist eine Individualisierung der Standardprodukte durch den Kunden, z.B. die Verwendung eines im Service Package Safe/td nicht angebotenen Kühlcontainers, generell möglich, würde jedoch eine Anpassung der Prozesse erfordern und durch eine zunehmende Prozesskomplexität in der Produktion auch mit höheren Kosten (und Preisen für den Kunden) verbunden sein. Mit der Einführung der „td.Services“ als fester Leistungsbasis und der Ausweitung zu Service Packages hat Lufthansa Cargo eine weitgehende Standardisierung sowohl ihrer Leistungserstellungsprozesse als auch ihrer Leistungsergebnisse erreicht und eindeutig voneinander abgrenzbare Produkte als Voraussetzung für die Implementierung eines Produktmanagements geschaffen. Das interne (Prozesse und Potenzialfaktoren) und externe (Ergebnis und Kundenverhalten) Standardisierungspotenzial ergibt sich insbesondere durch vergleichbare Nachfragerbedürfnisse in Form von gleichen produkt- bzw- produktsegmentspezifische Transportanforderungen, die eine Standardisierung von Teilleistungen im Luftfrachtmarkt für einen Komplettanbieter wie die Lufthansa Cargo ermöglichen. Eine Ergebnisstandardisierung bzw. standardisierte Produkte können am Markt erfolgreich vermarktet werden, da die Kunden eine Beeinflussung bzw. Standardisierung ihres Verhaltens akzeptieren (aufgrund von verringerter Kaufunsicherheit, Leistungsgarantien etc.). Vor der Einführungen von Standardprodukten wäre auch denkbar gewesen, dass z.B. die Vorgabe bestimmter Zeitrahmen, die die Kunden bei der Aufgabe ihrer Waren berücksichtigen müssen, zu einer Reaktanz und zu Umsatzverlusten bei Lufthansa Cargo hätten führen können. Das Beispiel Lufthansa Cargo macht noch einmal deutlich, dass sich Dienstleistungen nicht grundsätzlich der Standardisierbarkeit entziehen, sondern dass im Einzelfall geprüft - 35 - werden muss, ob das Leistungsprogramm eines Dienstleisters im Hinblick auf bestimmte Faktoren, wie in diesem speziellen Fall ´Zeit´ und ´Gütereigenschaften bzw. -handling´, als Ganzes oder zumindest in Teilen standardisiert werden kann. Lufthansa Cargo hat durch die Definition von standardisierten Teilleistungen mit eindeutig abgegrenzten Leistungsbestandteilen sowie durch eine entsprechende Markierung die Voraussetzung für ein umfassendes Produktmanagement im Unternehmen geschaffen, das zu einer Reduktion der internen Produktionskomplexität und zu besseren Kommunikations- und Vermarktungsmöglichkeiten der Dienstleistungsprodukte geführt hat und zugleich als Basis einer differenzierten Markenstrategie dienen konnte. - 36 - 3 Zusammenfassung und Ausblick Produktmanagement hat in der Konsumgüterindustrie eine weite und durchaus erfolgreiche Verbreitung gefunden. Doch trotz der Tatsache, dass im Dienstleistungsbereich vergleichbare Entwicklungen des Markt- und Wettbewerbsumfeldes zu konstatieren sind, findet dieser Managementansatz bei Dienstleistungsunternehmen bisher nur geringe Beachtung. Vor diesem Hintergrund war es Ziel dieser Arbeit, Möglichkeiten und Voraussetzungen der Übertragung dieses Managementkonzepts auf den Dienstleistungsbereich herauszuarbeiten. Zu diesem Zwecke erfolgte zunächst eine kurze Darstellung der zentralen Aspekte des klassischen Produktmanagements. Dabei wurde besonderes Gewicht auf die Bedeutung des Produktes sowie die Breite und die Abgrenzbarkeit des Leistungsspektrums gelegt, da im Rahmen der Arbeit gezeigt werden konnte, dass dieser Aspekt für eine Adaption des Produktmanagements für Dienstleister von zentraler Bedeutung ist. Ausgehend von den dienstleistungsspezifischen Charakteristika wurde daraufhin verdeutlicht, dass Dienstleistungen im Gegensatz zu physischen Gütern in der Regel durch einen sehr viel ausgeprägteren Individualitätsgrad der Leistung gekennzeichnet sind. Aus diesem Grunde erfolgte eine Auseinandersetzung mit Möglichkeiten einer Standardisierung von Dienstleistungen, da diese als Instrument zur Schaffung eines begrenzten Leistungsprogramms, dessen Produkte sich klar voneinander abgrenzen lassen, dienen kann. Es konnte gezeigt werden, dass sich Dienstleistungen nicht grundsätzlich einer Standardisierbarkeit entziehen, sondern vielmehr verschiedene Ansatzpunkte und Arten einer Standardisierung von Dienstleistungen unterschieden werden können. Die Anwendbarkeit der dargestellten Standardisierungsmöglichkeiten hängt in erster Linie von der Art der angebotenen Leistung ab, wobei insbesondere der Immaterialitätsgrad sowie der Integrationsgrad des Produktes das Standardisierungspotenzial determinieren. Diese beiden Einflussfaktoren beeinflussen weiterhin die mit dem Ziel einer Ergebnisstandardisierung verbundene Notwendigkeit einer Potenzial- sowie Prozessstandardisierung. Abschließend konnte anhand des Beispiels Lufthansa Cargo AG eine erfolgreiche Umsetzung des Produktmanagements im Dienstleistungsbereich verdeutlicht werden. Somit lässt sich zusammenfassend Folgendes festhalten: Für Dienstleistungsunternehmen, die sich einem aufgrund ihres Leistungsspektrums stark ausgeprägten internen und externen Koordinationsbedarf gegenübersehen, kann das Produktmanagement eine geeignete Möglichkeit darstellen, diesen Koordinationserfordernissen zu begegnen. Die Anwendbarkeit dieses Konzepts wird häufig eine Standardisierung des Leistungsprogramms bedingen, wobei die Möglichkeit einer Standardisierung sowie denkbare Ansatzpunkte von den Charakteristika der angebotenen Leistungen in erheblichem Maße bestimmt werden. Vor die- - 37 - sem Hintergrund bedarf die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit des Produktmanagements einer unternehmensindividuellen Analyse. Die vorliegende Arbeit zeigt Ansatzpunkte und Voraussetzungen der Übertragung des Produktmanagementkonzepts auf den Dienstleistungsbereich. Weitere Aspekte, die in engem Zusammenhang mit der dargestellten Problematik stehen, konnten im Rahmen der Ausführungen lediglich angerissen werden. Insbesondere die Auswirkungen eines Dienstleistungs-Produktmanagements auf markenpolitische Entscheidungsfelder könnten Gegenstand einer weiteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung sein. Aufgrund der steigenden Diversifikation des Leistungsangebotes sowie der Schwierigkeiten, die mit einem Qualitätsmanagement von Dienstleistungen verbunden sind, ist davon auszugehen, dass die Markenführung für Dienstleistungen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die Marke als Kompetenznachweis wird für Dienstleistungsunternehmen eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft darstellen. Einzelne Leistungen eines Produktmanagements könnten als Ausgangspunkt einer differenzierten Markenstrategie dienen und auf diesem Wege eine geeignete Förderung erfahren. Die Implikationen eines „Dienstleistungs-Produktmanagements“ für das Controlling und daraus resultierende zusätzliche Anforderungen an die Messung der Dienstleistungsqualität stellen einen weiteren potenziellen Forschungsbereich dar, denn insbesondere im Falle einer erfolgsabhängigen Beurteilung und Vergütung des Produktmanagers ist die genaue Operationalisierbarkeit der qualitativen Zielgrößen wie z.B. die Erreichung und Einhaltung einer bestimmten Dienstleistungsqualität von zentraler Bedeutung, die jedoch im Gegensatz zu Sachleistungen u.a. durch die Integration des externen Faktors wesentlich schwerer zu erfassen ist. Schließlich wäre es von Interesse, zu analysieren, unter welchen Voraussetzungen kunden- oder projektbezogene Organisationsformen dem Produktmanagement vorzuziehen wären. In diesem Zusammenhang wird neben leistungsspezifischen Besonderheiten vor allem die Kundenstruktur des Unternehmens eine wichtige Rolle spielen. - 38 - Literaturverzeichnis Adam, Dietrich (1998), Produktions-Management, Wiesbaden: Gabler, 1998 Backhaus, Klaus (1999), Industriegütermarketing, München: Vahlen, 1999 Backhaus, Klaus/ Hahn, Christian (1998), Das Marketing von investiven Dienstleistungen, in: Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, hrsg. von Bruhn, Manfred/ Meffert, Heribert, Wiesbaden: Gabler, 1998, S. 93-114 Backhaus, Klaus/ Weiber, Rolf (1993), Das industrielle Anlagengeschäft. 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