das -Exp erim ent Supergekühltes Wasser Kälter als Eis Im Winter können Äste und Stromleitungen nach einem Regenguss plötzlich über und über mit Eis bedeckt sein. Doch wie erstarren Wassertropfen so rasend schnell? Bei diesem Experiment könnt ihr das mit eigenen Augen verfolgen! Von Elke Reinecke Spektrum der Wissenschaft / Buske-Grafik Wasser Eis In der Grafik sind oben ungeordnete Wassermoleküle dargestellt – das Wasser ist flüssig. Unten dagegen liegen sie geordnet vor: als Eis. Dessen Molekül­gitter weist eine sechseckige Grundform auf. Moleküle ordnen sich bevorzugt in regelmäßigen Struktu­ren an. Um sie aus einem geordneten in einen ungeordneten Zustand zu bringen, ist deshalb Energie nötig. Wie ­Wärme, die Eis zum Schmelzen bringt. Beim umgekehrten Prozess, wenn Wasser gefriert, wird Wärme frei. -Experimentator Im großen Foto verfolgt unser Mau­rice (11) gerade, wie Eis blitzartig entsteht. Wieso 76 Unsere Erde das passiert und wo ihr das in der Natur oder zu Hause selbst beob­achten könnt, erklären wir euch hier. dreamstime / Kenneth Keifer Spektrum der Wissenschaft / Manfred Zentsch E isige Kälte, das Thermometer fällt unter null Grad: Das ist der Moment, in dem statt Regen auf einmal wundervoller Schnee vom Himmel fällt. Fußgänger und vor allem Autofahrer macht diese Witterung mitunter nervös, weil nun auch die Straßen glatt werden. Doch nicht nur bei Schnee, auch nach einem Regenschauer kann der Boden im Winter mit Eis bedeckt sein. Wie kommt das? Eine zweite Haut aus Eis: So faszinierend können Pflanzen nach einem Eisregen aussehen (hier der Ast eines Holzapfelbaums). Wasser ist bei Zimmertemperatur flüssig. Bei einer bestimmten Temperatur kann es in den festen Zustand übergehen: Dann bildet es Eis­ kristalle und gefriert so zu Eis oder Schnee. Diese Temperatur, »Gefrierpunkt« genannt, liegt bei null Grad Cel­sius. Doch unter manchen Umstän­ den bleibt Wasser auch weit unter null Grad flüs­ sig: Eiskristalle entstehen nämlich nur, wenn sehr kaltes Wasser auf so genannte Kristallisations­ keime trifft. Das können zum Beispiel Verunreini­ gungen in der Luft wie Staub oder Bakterien sein oder bereits vorhandenes Eis. Wenn Regen am Boden blitzschnell zu Eis wird, handelt es sich entweder um gefrierenden Regen oder um Eisregen. Meist haben wir es im Winter mit gefrierendem Regen zu tun. Er fällt zunächst als Schnee aus den Wolken. Kurz über dem Boden durchqueren die Flocken jedoch wärmere Luft­ schichten und tauen dabei auf. Die so entstehen­ den Regentropfen haben kaum Zeit, sich wieder zu dickeren Tropfen zusammenzuschließen. Es fällt also ein sehr feiner Regen. Wenn die winzigen Wasserperlen auf gefro­renem Boden auftreffen, wird der Niederschlag dann schnell zu einer Eis­ schicht. So kann es schon nach wenigen Mi­nuten spiegelglatt sein! Dagegen könnt ihr etwas unter­ nehmen – oder die Streufahrzeuge tun dies für euch. Denn Salz senkt den Gefrierpunkt des Was­ 77 ˘ Prinzip Taschenwärmer Was bei unterkühltem Wasser funktioniert, klappt bei anderen Flüssigkeiten teilweise noch besser. Die kleinen Taschenwärmer, die im Winter häufig verkauf t werden, sind zum Beispiel mit flüssigem Natriumazetat gefüllt. In ihrer Mitte steckt ein kleines, biegsames Metallplättchen, ähnlich einem Knackfrosch. Lässt man das Plättchen knacken, fängt das Natriumazetat an zu kristallisieren. ­ Manche Taschenwärmer haben durchsichtige ­Plastik­hüllen. Bei ihnen könnt ihr diesen ­Vorgang – wie bei unserem Experiment – gut beobachten. Und natürlich könnt ihr euch an den Plastikkissen die Hände wärmen. ˘ sers, so dass der Regen erst bei minus 20 Grad Cel­ sius gefriert. Bei Eisregen sieht das Ganze anders aus: Er be­ steht aus unterkühlten Regentropfen. Das sind saubere Regentropfen, die durch kalte und sehr reine Luftschichten fallen. Dabei kühlen sie zwar auf weit unter null Grad ab – doch sie bleiben trotzdem flüssig, da sie auf ihrem Weg keine Kristallisa­tionskeime treffen. Stößt so ein unter­ kühlter Regentropfen dann auf ein festes Hinder­ nis, wirkt dieses als Kristallisationskeim, und der Tropfen gefriert schlag­artig. Äste, Stromdrähte oder Straßenbeläge sind dann binnen kürzester Zeit von Eismänteln umgeben, die bis zu mehrere Zentimeter dick sein können. Echter Eisregen kommt in unseren Breitengraden zum Glück eher selten vor. Denn da hilft auch kein Streusalz mehr! Eine solche »Blitzkristallisation« könnt ihr zu Hause mit eigenen Augen beobachten. Dafür braucht ihr nicht viel: eine oder mehrere Plastik­ flaschen mit stillem Mineralwasser, wie ihr sie in jedem Supermarkt bekommt, und eine Gefrier­ truhe oder ein Eisfach im Kühlschrank. Aber auf­ gepasst: Ihr dürft auf keinen Fall Glasflaschen neh­men, und das Wasser darf keine Kohlensäure enthalten. Denn dann gäbe es ganz viele Scherben! Wir mussten eine Weile probieren, bevor wir die besten Voraussetzungen für das Gelingen des Experiments gefunden haben. Letztlich klappte es am besten mit 1,5-Liter-Wasserflaschen, die wir für etwa zweieinhalb Stunden in der Gefriertruhe gekühlt haben. Wenn alles funktioniert, ist der ­Inhalt nach dieser Zeit noch nicht gefroren. Aber wenn ihr die Flasche vorsichtig in die Hand nehmt, dann merkt ihr, dass sie richtig kalt ist. Schaut euch das Wasser darin genau an; viel­ leicht sind an irgendeiner Stelle der Flaschenwand schon Eisstrukturen zu erkennen. Nun drückt kräftig auf der Flasche herum, schüttelt sie ruck­ artig oder schlagt mit ihr ein paar Mal ­heftig auf den Tisch – bei einer Plastikflasche geht das ja. Die Erschütterungen sollten bewirken, dass sich ein Kristallisationskeim bildet. Von diesem ausge­ hend gefriert dann der ganze Inhalt der ­Flasche innerhalb von wenigen Sekunden. Falls nichts passiert, einfach ab mit der Flasche zurück in die Gefriertruhe. Und wenn es dann klappt, seht genau hin – und ihr werdet bald wissen, wieso das Ganze »Blitzkristallisation« heißt! Elke Reinecke ist -Redakteurin und sieht das nächste Glatteis jetzt mit ganz anderen Augen. Mehr im Netz: Wollt ihr noch mehr Experimente mit Kristallisation ausprobieren – etwa mit Natriumazetat eigene kleine Stalagmiten züchten? Dann schaut auf unsere Website: www.spektrum-neo.de/kristalle 78