1 10. Im Schatten des Dreibunds: Politik in den 50er Jahren

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VL Eine unvermeidbare Zerstörung? Die letzte Phase der Römischen Republik
Sommer 2008
10. Im Schatten des Dreibunds: Politik in den 50er Jahren
• Übersicht:
58-51 Eroberung Galliens durch Caesar
58
Volkstribunat und Gesetzgebung des P. Clodius Pulcher (ca. 93-52), u.a.:
- Getreidegesetz
- Gesetz zur Wiederzulassung der collegia
- Gesetz über die Auspizien
- Gesetz de capite civis (gegen Cicero wg. Hinrichtung der Catilinarier) → Verbannung Ciceros
57
verstärkte Bandenkämpfe zw. Clodius und T. Annius Milo
Pompeius übernimmt die Organisation der Getreideversorgung (cura od. procuratio annonae)
56
Erneuerung des ‘Triumvirats’ beim Treffen von Lucca
55
verspätete Konsulwahl (Pompeius + Crassus) unter tumultuarischen Bedingungen; durch die
lex Trebonia (s.u. S. 3) erhält Pompeius Spanien, Crassus Syrien als prokonsularische Provinz,
beide auf 5 Jahre; Caesars Kommando in Gallien wird verlängert.
54
Bestechungsskandal um die Wahlen der Konsuln für 53 – Tod der Iulia
53
Jahresbeginn ohne gewählte Beamte; Konsulwahlen für 53 erst im Juli
Tod des Crassus im Kampf gegen die Parther
52
Jahresbeginn ohne Konsuln und Prätoren
gewaltsamer Tod des Clodius durch Milos Banden (18. Jan.); schwere Unruhen in Rom
Wahl des Pompeius zum alleinigen Konsul (25. Feb.)
51
Abschluß der Eroberung Galliens
51-50
Streit um den Endtermin von Caesars Statthalterschaft und um seine Konsulatsbewerbung in
Abwesenheit
•
Literatur zu Clodius: W. NIPPEL, P. Clodius Pulcher – der «Achill der Straße», in: Hölkeskamp, Stein-Hölkeskamp, Von Romulus zu Augustus (s. Lit.-übers.), 279-91; Wolfgang WILL, Der römische Mob, Darmstadt 1991,
47-111; J. SPIELVOGEL, Clodius Pulcher – eine politische Ausnahmeerscheinung der späten Republik?, in: Hermes 125, 1997, 56-74; W.J. TATUM, The patrician tribune. Publius Clodius Pulcher, Chapel Hill 1999.
•
Zu den collegia: P. HERZ, DNP 3 (1997) 67-69 – Fachbegriff: Compitalische Spiele
•
Bedeutung der collegia bei Wahlen: Q. Tullius Cicero, Denkschrift über die Konsulatsbewerbung
(Commentariolum petitionis) 30 (Ü.: T. Itgenshorst)
„Als nächstes mußt Du ein Verzeichnis der gesamten
Deinde habeto rationem urbis totius, conlegiorum Stadt anlegen, von allen Kollegien, allen Bezirken,
omnium, pagorum, vicinitatum; ex his principes ad allen Vierteln; wenn Du Dich überall dort mit den
amicitiam tuam si adiunxeris, per eos reliquam mul- einflußreichen Leuten befreundest, wirst Du leicht
die übrigen Volksmassen auf Deine Seite bekomtitudinem facile tenebis.
men.“
•
Zur Gewalt in der späten Republik: Andrew W. LINTOTT, Violence in Republican Rome, Oxford 1968; Wilfried NIPPEL, Aufruhr und «Polizei» in der römischen Republik, Stuttgart 1988; DERS., Public Order in Ancient
Rome, Cambridge 1995.
• Clodius’ Tod (18. Jan. 52): Cassius Dio 40,48,1-49,3 (Ü.: O. Veh)
So lagen die Dinge damals in der Stadt: Es gab keine Amtsträger, fast täglich kam es zu Mordtaten, und
Wahlen waren undurchführbar, obwohl sich Männer um die Ämter bewarben und deshalb zu Bestechung
und Mord griffen. Milo zum Beispiel strebte das Konsulat an und brachte dem Clodius bei einer Begegnung auf der Via Appia zunächst bloß eine Wunde bei; dann aber bekam er vor einer deshalb zu erwartenden Rache Angst und machte seinem Gegner den Garaus. Er hoffte nämlich ..., leichter vom Mord, wenn
der Mann einmal tot sei, als im Falle seines Überlebens von der Anklage auf Verwundung freigesprochen
zu werden. Das Volk in der Stadt hörte von diesem Vorfall gegen Abend und geriet darüber in schreckliche Erregung. (...) Während die Leute in dieser Stimmung waren, bemächtigten sich ihrer Rufus und Titus
Munatius Plancus und schürten ihren Zorn noch weiter. Als Volkstribunen ließen sie nämlich die Leiche
dicht vor Morgengrauen zum Forum bringen und auf die Rednertribüne stellen, um sie allen zu zeigen;
dann fügten sie unter Wehklagen noch entsprechende Worte an. Die Folge war, daß die Masse sowohl
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durch den Anblick als auch durch die Reden zutiefst aufgewühlt wurde und sich um nichts Heiliges oder
Profanes mehr kümmerte, sondern alle bei Leichenbegängnissen geltenden Ordnungen über den Haufen
warf und beinahe die ganze Stadt in Schutt und Asche legte. Die Leute hoben nämlich die Leiche des Clodius auf die Schultern, trugen sie in die Kurie und machten sie zurecht, worauf sie die Bankreihen zu
einem Scheiterhaufen auftürmten und den Toten samt dem Senatsgebäude verbrannten.
Sie handelten dabei nicht unter dem Zwang einer Erreοὕτω τε οὐχ ὁρµῇ τινι, οἵα που τοὺς ὄχλους
gung, wie sie oftmals plötzlich Menschenmassen erἐξαπιναία καταλαµβάνει, ἀλλὰ ἐκ προαιρέσεως
greift, vielmehr in derart überlegter Absicht, daß sie um
αὐτὸ ἔπραξαν ὥστε καὶ τὴν ἐνάτην τὸ περίdie neunte Stunde, während die Kurie noch rauchte, auf
δειπνον ἐν αὐτῇ τῇ ἀγορᾷ, τυφοµένου ἔτι τοῦ
dem Forum selbst das Totenmahl abhielten. Außerdem
βουλευτηρίου, ποιῆσαι, καὶ προσέτι καὶ τὴν οἰκίαν versuchten sie sogar noch Milos Haus in Brand zu
stecken, doch scheiterte der Plan am Widerstand vieler
τὴν τοῦ Μίλωνος καταφλέξαι ἐπιχειρῆσαι.
Verteidiger.
Vgl. ferner Scholia Bobiensia 111-112, in Übers. zit. bei WILL, Der römische Mob (s.o.), 213-214.
•
maiestas (Würde, Hoheit, Ehre) des römischen Volkes definiert durch: dignitas, amplitudo und potestas: Cic. inv. 2,53
•
Autorität des Magistrats symbolisiert in seinen Liktoren
Vgl. Andreas GOLTZ, Maiestas sine viribus. Die Bedeutung der Lictoren für die Konfliktbewältigungsstrategien römischer Magistrate, in: Bernhard Linke, Michael Stemmler
(Hgg.), Mos maiorum. Untersuchungen zu den Formen der Identitätsstiftung und Stabilisierung in der römischen Republik. Stuttgart 2000, 237-267.
•
Lit. zur Debatte um die sogenannte „Demokratie in Rom“ → Handout zur 4.
VL!
– Fergus MILLAR, The Crowd in Rome in the Late Republic, Ann Arbor 1998; dazu grundlegend: Karl-Joachim
HÖLKESKAMP, The Roman Republic: Government of the People, by the People, for the People? in: Scripta Classica Israelica 19, 2000, 203-223
– Martin JEHNE (Hg.), Demokratie in Rom? Die Rolle des Volkes in der Politik der römischen Republik, Stuttgart 1995.
•
Chronologie von Caesars Krieg in
Gallien: W. WILL, Julius Caesar. (s.
Handout zur 9. VL), 105-114.
•
Bedeutung des Krieges: Th.
MOMMSEN, Römische Geschichte
9
3,220:
„Wenn von dem armseligen Einerlei
des politischen Egoismus, der in der
Kurie und auf den Straßen der Hauptstadt seine Schlachten schlug, sich
der Gang der Geschichte wieder zu
Dingen wendet, die wichtiger sind als
die Frage, ob der erste Monarch
Roms Gnaeus, Gaius oder Marcus
heißen wird, so mag es wohl gestattet
sein an der Schwelle eines Ereignisses, dessen Folgen noch heute die
Geschicke der Welt bestimmen, einen
Augenblick umzuschauen und den
Zusammenhang zu bezeichnen, in
welchem die Eroberung des heutigen
Frankreich durch die Römer und ihre
ersten Berührungen mit den Bewohnern Deutschlands und Großbritanniens weltgeschichtlich aufzufassen sind.“ Vgl. ebd., 222. 300-301. 322.
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•
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Caesar Einfluß auf die stadtrömische Politik von Oberitalien aus: Plut. Caes- 20,1 (Ü.: K. Ziegler)
In jedem Winter begab sich Caesar, „um das politische Leben in Rom besser verfolgen zu können, in die
Poebene, welche zu seiner Provinz gehörte; denn der Rubico bildet die Grenze zwischen dem diesseits der
Alpen gelegenen Gallien und dem eigentlichen Italien. Während seines Aufenthaltes in dieser Gegend
entfaltete er eine rege Tätigkeit, um neue Anhänger zu gewinnen. Er empfing zahlreiche Besucher aus der
Hauptstadt und gab jedem, was er verlangte. Keinen entließ er, der nicht seine Wünsche erfüllt gesehen
oder wenigstens die Hoffnung auf Erfüllung mitgenommen hätte. So brachte er es fertig, während der
ganzen Dauer des Gallischen Krieges mit den Truppen, die ihm die Bürger gaben, die Feinde zu unterwerfen und mit dem Geld, das er den Feinden abnahm, die Bürger zu gewinnen und sich gefügig zu machen –
und dies alles, ohne daß Pompeius etwas merkte.“
•
Die Regelung von Lucca (Frühjahr 56) für Caesars Statthalterschaft in Gallien: Jochen BLEICKEN,
Geschichte der Römischen Republik (51999), 83 (vgl. den Forschungsüberblick ebd., 233-34):
„Natürlich erhielt auch Caesar die Verlängerung seines Kommandos zugestanden, und da nach dem Abkommen vor dem 1. März 50 nicht über seine Nachfolge beraten werden sollte, dementsprechend erst aus
den Konsuln oder Prätoren des Jahres 49 ein Nachfolger für seine Provinzen bestellt werden konnte und
für ihn darüber hinaus im Jahre 48 ein zweites Konsulat vorgesehen war, konnte er seine politische Stellung als abgesichert ansehen.“
•
Die Kommanden für Crassus und Pompeius i.J. 55: Cass. Dio 39,33,2:
Γάιος δὲ δὴ Τρεβώνιος δηµαρχῶν ἔγραψε τῷ µὲν τήν
τε Συρίαν καὶ τὰ πλησιόχωρα αὐτῆς, τῷ δὲ τὰς
᾿Ιβηρίας (καὶ γάρ τι καὶ ἔναγχος ἐκεκίνηντο) ἄρχειν
ἐπὶ πέντε ἔτη δοθῆναι, στρατιώταις τε ὅσοις ἂν
ἐθελήσωσι καὶ τῶν πολιτῶν καὶ τῶν συµµάχων
χρωµένοις, καὶ πόλεµον καὶ εἰρήνην πρὸς οὓς ἂν
βουληθῶσι ποιουµένοις.
„Indessen brachte ein Volkstribun namens Gaius Trebonius den Antrag ein, wonach dem einen Syrien
samt Nachbargebieten, dem anderen die beiden Spanien, wo es erst kürzlich zu Unruhen gekommen war,
und zwar auf fünf Jahre, zur Verwaltung gegeben
werden sollten. Ferner sollten sie beliebig viele Soldaten, Bürger wie Bundesgenossen, in Dienst nehmen, Krieg führen und Frieden schließen dürfen, mit
wem sie wollten.“
• Ein strikter Republikaner hält dagegen: Denar des M. Iunius Brutus, 54 v.Chr.
Vorderseite: Kopf der LIBERTAS; Rückseite: Konsul zwischen Liktoren, davor ein Accensus (Amtsdiener); im Abschnitt: (L. Iunius) BRUTUS, der Vertreiber des Tarquinius Superbus und einer der Konsuln
im legendären ersten Jahr der Republik (509). – Brutus war später Anführer der Caesarmörder, in den 50er
Jahren jedoch v.a. ein Feind (inimicus) des Pompeius.
M. Crawford, Roman Republican Coinage, Cambridge 1976, Nr. 433/1
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