8-Jahres-Katamnese von schizophren erkrankten Kindern

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Aus der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter
Direktor: Prof. Dr. med. Eberhard Schulz
8-Jahres-Katamnese von schizophren erkrankten Kindern
und Jugendlichen
– Psychopathologie und Medikation –
INAUGURAL-DISSERTATION
zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
vorgelegt 2007
von Ulrike Wolf
geboren in Freiburg i. Br.
Dekan:
Prof. Dr. med. C. Peters
1. Gutachter:
Prof. Dr. med. E. Schulz
2. Gutachter:
Prof. Dr. Dr. med. D. van Calker
Jahr der Promotion: 2009
Meinem Papa
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
1.1
Übersicht Schizophrenie
2
1.2
Klassifikation und
Symptomatologie von
schizophrenen Psychosen des
Kindes- und Jugendalters
1.3
1.4
1.5
Die Verteilung des
Intelligenzquotienten in der
Gesamtstichprobe
40
Familiäre Belastungen mit
Psychosen aus dem
schizophrenen Formenkreis
41
3.4
Prämorbide Auffälligkeiten
41
3.5
MDD in der Gesamtstichprobe 43
3.6
Psychopathologie der
untersuchten Stichprobe
3.3
3
Die Bedeutung positiver und
negativer Symptome
8
Die Bedeutung prämorbider
Faktoren
9
47
3.7
Vergleich der Psychopathologie
der nachuntersuchten Stichprobe
mit der Psychopathologie der
Marburger Klinikkatamnese
51
3.8
Psychosoziales Funktionsniveau
(GAF) zum Katamnesezeitpunkt 52
3.9
Schweregrad der Erkrankung
zum Katamnesezeitpunkt (CGI) 54
16
3.10
1.8
Fragestellung der vorliegenden
Studie
19
Verlauf schizophrener Psychosen
im Kindes- und Jugendalter
55
3.11
1.9
Aufteilung der
Studie/Konzeption
20
2
Patienten und Methodik
21
Charakteristika der ersten
Episode der schizophrenen
Psychose und ihre Bedeutung für
die Psychopathologie zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung 56
2.1
Patientenbeschreibung
21
3.12
2.2
Ablauf der Nachuntersuchung
22
2.3
Angewandte
Untersuchungsinstrumente
Beziehungen zwischen den
abhängigen Variablen zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung 62
23
3.13
Medikamentöse Therapie der
Gesamtstichprobe
66
4
Diskussion
79
5
Zusammenfassung
97
6
Abkürzungsverzeichnis
99
7
Literaturverzeichnis
101
8
Fragebogen MDD
107
9
Lebenslauf
109
10
Danksagung
111
1.6
1.7
Prognose und Langzeitverlauf
schizophrener Psychosen
3.2
10
Die Vorhersagemöglichkeit des
Verlaufs anhand verschiedener
Charakteristika der ersten
Erkrankungsepisode
15
Therapie der schizophrenen
Psychosen im Kindes- und
Jugendalter
2.3.1 IRAOS (Instrument for the
Retrospective Assessment of the Onset
of Schizophrenia)
2.3.2 MDD (Multiple Developmental
Disorders)
2.3.3 Klassifikation positiver und negativer
Symptome
2.3.4 BPRS (Brief Psychiatric Rating Scale)
2.3.5 Global Assessment of Functioning
(GAF)
2.3.6 Clinical Global Impression (CGI)
23
24
25
26
26
26
2.4
Statistische Methoden
27
3
Ergebnisse
29
3.1
Stichprobenbeschreibung
29
1
Einleitung
Das Krankheitsbild der Schizophrenie ist eine im Kindes- und Jugendalter seltene, aber
schwerwiegende Erkrankung mit einer Lebenszeitprävalenz von 1 % in der Bevölkerung. Die
Schizophrenie stellt ein ernstzunehmendes, häufig chronisch verlaufendes und wiederkehrendes Störungsbild dar, das begleitet ist von ausgeprägter Behinderung und signifikanter
Verschlechterung in der Anpassungsfähigkeit (Werry et al., 1991). Schizophrene Psychosen
zeigen ab dem 12. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit einen drastischen Häufigkeitsanstieg. Die
Prävalenz schizophrener Psychosen vor dem 12. Lebensjahr ist geringer als 1:10 000, danach
findet sich bis zum 18. Lebensjahr eine deutlich höhere Prävalenz mit 17,6:10 000 (Carlson et
al., 2005).
Die Prognose der Schizophrenie ist umso schlechter, je früher die Krankheit erstmals
auftritt (Fleischhaker et al., 2005). Remschmidt et al. beschreiben einen chronischen Verlauf
in über 90 % der Fälle, wenn der Erkrankungsbeginn vor dem 14. Lebensjahr liegt. Dies
bestätigen auch Studien von Asarnow et al. und Remschmidt et al. (Asarnow et al., 2004;
Asarnow et al., 2001; Remschmidt et al., 1994b). Trotz der großen Fortschritte im Hinblick
auf die multimodale Behandlung der schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter ist
vieles in Bezug auf Ätiologie, Prognose und Verlauf noch nicht ausreichend erforscht. Es gibt
zwar zahlreiche Studien über den Langzeitverlauf, aber dennoch keine eindeutigen
Prädiktoren, die den Langzeitverlauf oder die Prognose der an einer Schizophrenie erkrankten
Kinder- und Jugendlichen vorhersagen könnten (Huber, 1997).
Im Rahmen der vorliegenden Studie sollen bekannte Prädiktoren des Langzeitverlaufs
schizophrener Erkrankungen validiert werden. Dies geschieht anhand einer katamnestischen
Nachuntersuchung einer vollständigen Inanspruchnahmepopulation von schizophren erkrankten Kindern und Jugendlichen der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums
Freiburg.
Die Nachuntersuchung der ehemaligen Patientinnen und Patienten der Abteilung für
Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität Freiburg wurde
von den Doktorandinnen Katharina Bihlmaier und Ulrike Wolf unter der Federführung von
Prof. Dr. Schulz und Dr. Fleischhaker durchgeführt. Dabei wurde die Datenerhebung zu
gleichen Teilen von beiden Doktorandinnen vorgenommen. Die Auswertung der Ergebnisse
erfolgte getrennt, dem jeweiligen Untersuchungsschwerpunkt entsprechend. In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse über die Psychopathologie und den Verlauf der
2
Einleitung
medikamentösen Therapie dargestellt. Die Ergebnisse der psychosozialen Entwicklung sind
Gegenstand der Arbeit von Katharina Bihlmaier.
1.1
Übersicht Schizophrenie
Das klinische Bild der schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter wird nach dem
heutigen Forschungsstand am meisten durch die individuellen Faktoren Alter und
Entwicklungsstand geprägt. Dabei zeigen sich Beziehungen zur Schizophrenie in jeder Altersund Entwicklungsstufe (Schulz, 1998). So weist beispielsweise die von Leonard beschriebene
frühkindliche Katatonie wahrscheinlich Beziehungen zur Schizophrenie auf (Leonhard,
1986). Gleiches gilt für einige Psychosen, die eine Manifestation in der späten Kindheit bis
hin zur Präpubertät haben (Anthony, 1958; Kolvin et al., 1971; Rutter, 1967). Kanner teilte
die kindlichen Psychosen in drei Gruppen ein: in die des frühkindlichen Autismus, in die der
kindlichen Formen der Schizophrenie und in die der desintegrativen Psychosen des
Kindesalters (Kanner, 1943). Diese klinischen Syndrome weisen allerdings nicht alle einen
eindeutigen Bezug zur Schizophrenie des Erwachsenenalters auf. Zwar beschrieben Rutter
und Kolvin et al., dass Psychosen mit einer Manifestation in der späten Kindheit bis hin zur
Präpubertät einen Bezug zur Schizophrenie des Erwachsenenalters haben (Kolvin et al., 1971;
Rutter, 1967). Hingegen konnte gezeigt werden, dass für den frühkindlichen Autismus weder
im Kindes- noch im Erwachsenenalter eine erwähnenswerte Komorbidität zur Schizophrenie
existiert (Caplan, 1994; Volkmar and Cohen, 1991).
Nach heutigem Kenntnisstand erscheint es sinnvoll, die schizophrenen Psychosen des
Kindes- und Jugendalters im Hinblick auf das Alter bei Erstmanifestation in zwei Gruppen zu
untergliedern. Nur so kann den individuellen entwicklungspsychopathologischen Konstellationen besser Rechnung getragen werden (AACAP, 2001). So hat es sich durchgesetzt, die
Definitionen der Very-Early-Onset Schizophrenia (VEOS) für einen Erkrankungsbeginn vor
dem 14. Lebensjahr und die der Early-Onset-Schizophrenia (EOS) für einen Erkrankungsbeginn zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr zu verwenden. Tabelle 1 gibt einen Überblick
über den Zusammenhang zwischen klinischem Syndrom und Manifestationsalter bei
Psychosen des Kindes- und Jugendalters und deren Beziehung zur Schizophrenie des
Erwachsenenalters.
Einleitung
3
Tabelle 1: Klinisches Syndrom und Manifestationsalter bei Psychosen des Kindes- und
Jugendalters und deren Beziehung zur Schizophrenie des Erwachsenenalters (Schulz, 1998)
Klinisches Syndrom
Manifestationsalter
Beziehung zur
Schizophrenie
Autismus
(Kanner, 1943)
bis zum 3. Lebensjahr
Autismus
(Asperger, 1944)
in den ersten sechs
Lebensjahren
fraglich
Frühkindliche Katatonie
(Leonhard, 1986)
in den ersten sechs
Lebensjahren
wahrscheinlich
Präpubertale Schizophrenie
(Stutte, 1969)
in der Pubertät
vorhanden
„Very-Early-OnsetSchizophrenia“
vor dem 14. Lebensjahr
vorhanden
„Early-Onset-Schizophrenia“
zwischen dem 14. und 18.
Lebensjahr
vorhanden
1.2
keine
Klassifikation und Symptomatologie von schizophrenen Psychosen des Kindesund Jugendalters
Um das Krankheitsbild der Schizophrenie zu diagnostizieren orientieren sich die heutzutage
gebräuchlichen Klassifikationsschemata der ICD-10 (WHO, 1996) und des DSM-IV (APA,
1994; APA, 2001) an der Symptomatologie. Zusätzlich werden zeitliche Kriterien für den
Beginn und den Verlauf der Erkrankung definiert. Darüber hinaus müssen die Differentialdiagnosen exogener Ursachen ausgeschlossen werden.
Klassifikation nach ICD-10
Im folgenden soll näher auf die Klassifikation der ICD-10 (Remschmidt et al., 2001; WHO,
1996) bezüglich aller in dieser Studie einbezogenen Diagnosen eingegangen werden. Dies
bezieht sich auf die Diagnosen F20 und F25.
Die Diagnose einer schizophrenen Psychose (F20) kann gestellt werden, wenn
mindestens ein eindeutiges Symptom (zwei oder mehr, wenn weniger eindeutig) der unten
genannten Gruppen 1–4 oder mindestens zwei Symptome der Gruppen 5–8 vorliegen. Diese
Symptome müssen fast ständig während eines Monats oder länger deutlich vorhanden
gewesen sein.
Mindestens eines der folgenden Merkmale:
1. Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung;
4
Einleitung
2. Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, deutlich bezogen
auf Körper- oder Gliedbewegungen oder bestimmte Gedanken, Tätigkeiten
oder Empfindungen; Wahnwahrnehmung;
3. Kommentierende oder dialogische Stimmen, die über die Patienten reden oder
andere Stimmen, die aus bestimmten Körperteilen kommen;
4. Anhaltender kulturell unangemessener, bizarrer Wahn, wie der, das Wetter
kontrollieren zu können oder mit Außerirdischen in Verbindung zu stehen.
Oder mindestens zwei der folgenden Merkmale:
5. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität, täglich während mindestens eines Monats, begleitet von flüchtigen oder undeutlich ausgebildeten
Wahngedanken ohne deutlich affektive Beteiligung oder begleitet von
langanhaltenden überwertigen Ideen;
6. Neologismen, Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedankenfluss,
was zu Zerfahrenheit oder Danebenreden führt;
7. Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder wächserne
Biegsamkeit (Flexibilitas cerea), Negativismus, Mutismus und Stupor;
8. „Negative“ Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachte
oder inadäquate Affekte. (Es muss sichergestellt sein, dass diese Symptome
nicht durch eine Depression oder eine neuroleptische Medikation verursacht
werden.)
Häufige Ausschlusskriterien für die Diagnose F20 sind neben organischen Hirnerkrankungen
auch Alkohol- oder Substanzintoxikation und Abhängigkeits- oder Entzugssyndrome.
Entsprechend der ICD-10 unterscheidet man folgende Subtypen der schizophrenen
Psychose:
•
F20.0
paranoide Schizophrenie
•
F20.1
hebephrene Schizophrenie
•
F20.2
katatone Schizophrenie
•
F20.3
undifferenzierte Schizophrenie
•
F20.4
postschizophrene Depression
•
F20.5
schizophrenes Residuum
•
F20.6
Schizophrenia simplex
•
F20.8
sonstige Schizophrenie
•
F20.9
nicht näher bezeichnete Schizophrenie
Aufgrund der großen Variationsbreite des Verlaufs einer schizophrenen Psychose wird dieser
anhand der fünften Stelle gesondert differenziert. Der Verlauf kann allerdings nur kodiert
werden, wenn der Beobachtungszeitraum mindestens ein Jahr beträgt.
•
F20.x
kontinuierlich (keine Symptomremission im Beobachtungszeitraum);
Einleitung
5
•
F20.x1
episodisch, mit zunehmender Entwicklung „negativer“ Symptome in
den Krankheitsintervallen;
•
F20.x2
episodisch, mit anhaltenden, aber nicht zunehmenden „negativen“
Symptomen in den Krankheitsintervallen;
•
F20.x3
episodisch (remittierend), mit vollständiger oder praktisch vollständiger Remission zwischen den psychotischen Episoden;
•
F20.x4
unvollständige Remission;
•
F20.x5
vollständige Remission;
•
F20.x8
sonstiger Verlauf;
•
F20.x9
Verlauf unsicher, Beobachtungszeitraum weniger als ein Jahr.
Die Diagnose einer schizoaffektiven Störung (F25) kann gestellt werden, wenn sowohl
affektive als auch schizophrene Symptome in derselben Krankheitsphase auftreten, entweder
gleichzeitig oder höchstens durch einige Tage getrennt. Dabei muss die Störung die Kriterien
für eine affektive Störung (F30, F31, F32) vom Schweregrad mittelgradig oder schwer
erfüllen, wie für jede Subgruppe beschrieben. Desweiteren müssen Symptome aus mindestens
einer der Symptomgruppen 1–4, 6 oder 7 der Diagnosekriterien der Schizophrenie (F20)
während des größten Teils einer Zeitspanne von mindestens zwei Wochen vorhanden sein.
Die oben genannten Kriterien müssen während derselben Störungsepisode und wenigstens für
einige Zeit gleichzeitig erfüllt sein.
Als Ausschlusskriterien gelten die gleichen wie bei der Diagnose einer Schizophrenie:
organische Krankheiten des Gehirns, Intoxikation oder Abhängigkeit von psychotropen
Substanzen.
Entsprechend der ICD-10 unterscheidet man folgende Subtypen der schizoaffektiven
Psychose:
•
F25.0
schizoaffektive Störung, gegenwärtig manisch
•
F25.1
schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv
•
F25.2
gemischte schizoaffektive Störung
Bei der Diagnose F25 ist eine Kodierung des Verlaufs gemäß ICD-10 nicht vorgesehen. In
dieser Katamnese wurde aber, um die Diagnosen für alle Teilnehmer einheitlich und
übersichtlich zu gestalten, die Verlaufskodierung wie für die Diagnose einer Schizophrenie
übernommen.
Klassifikation nach DSM-IV
Ergänzend zur Diagnosestellung nach ICD-10 wurde in dieser Studie zusätzlich die
Klassifikation nach den Kriterien des DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental
6
Einleitung
Disorders) der American Psychiatric Association (APA 1994, 2001) verwendet. Somit lässt
sich eine Vergleichbarkeit mit englischsprachig publizierten Untersuchungen über schizophrene Psychosen im Kindes- und Jugendalter erreichen.
Anders als bei der Klassifikation nach ICD-10 wird bei den Kriterien des DSM-IV
zusätzlich zu den charakteristischen Symptomen der Schizophrenie eine Beeinträchtigung
sowohl der beruflichen als auch der sozialen Leistungsfähigkeit verlangt. Dabei muss das
Leistungsniveau deutlich unter dem liegen, das vor Beginn der Symptomatik erreicht wurde.
Desweiteren müssen die Zeichen des Störungsbildes kontinuierlich mindestens sechs Monate
anhalten, in denen mindestens ein Monat lang andauernde Symptome nachweisbar sind.
Somit zeigt sich, dass die Kriterien nach DSM-IV weitaus strenger sind als die der ICD-10.
Die Subtypen der Schizophrenie werden wie folgt unterteilt:
•
295.10 (F20.1x)
desorganisierter Typus
•
295.20 (F20.2x)
katatoner Typus
•
295.30 (F20.0x)
paranoider Typus
•
295.40 (F20.8x)
schizophrenieforme Störung
•
295.60 (F20.5x)
residualer Typus
•
295.70 (F25.x)
schizoaffektive Störung
•
295.90 (F20.3x)
undifferenzierter Typus
Patienten, bei denen in der vorliegenden Katamnese keine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit aufrat, oder Patienten, bei denen die Symptome zwar mindestens einen Monat, aber
weniger als sechs Monate andauerten, erhielten entsprechend der Kriterien des DSM-IV die
Diagnose einer schizophrenieformen Störung (295.40).
Der Verlaufscodierung des DSM-IV wurde, um die Kodierung zu erleichtern, in der
vorliegenden Studie neu eine Zahl zugeordnet:
1 = episodisch mit Residualsymptomen zwischen den Episoden
2 = episodisch mit ausgeprägten Negativsymptomen
3 = episodisch ohne Residualsymptome zwischen den Episoden
4 = kontinuierlich
5 = kontinuierlich mit ausgeprägten Negativsymptomen
6 = einzelne Episode mit unvollständiger Remission
7 = einzelne Episode mit unvollständiger Remission mit ausgeprägten Negativsymptomen
8 = einzelne Episode mit vollständiger Remission
9 = sonstiger oder nicht näher spezifizierter Verlauf
Einleitung
7
Folgende Verlaufsformen wurden noch ergänzt:
0 = Beobachtungszeitraum weniger als ein Jahr
10 = episodisch mit unvollständiger Remission
11 = episodisch mit vollständiger Remission
Symptomatologie
Die Symptomatik der schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter ist gekennzeichnet durch die alterstypischen Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen in der
Adoleszenz. Zeitlich umfasst die Adoleszenz eine Alterspanne zwischen dem 12./13. und dem
24. Lebensjahr (Remschmidt, 1992). Dieser Lebensphase wird unter entwicklungspsychologischer Sicht eine eigene Bedeutung zugemessen. Vor diesem Hintergrund verweist
Remschmidt insbesondere auf die Bedeutung von phasenspezifischen Verhaltensweisen,
Einstellungen, Normen, Rollenverhalten und Anforderungen in der Adoleszenz. Betrachtet
man diese Entwicklungsaufgaben, so finden sich jedem Alter entsprechend typische
Merkmale, von denen man annehmen kann, dass sie nicht nur die Symptomatologie bei
Auftreten einer schizophrenen Psychose beeinflussen, sondern eventuell auch für den
weiteren Verlauf dieser schweren Erkrankung bedeutsam sein könnten (Schulz, 1998).
Die Prävalenz schizophrener Psychosen ist in jeder Alterstufe unterschiedlich. So
beginnen ca. 1 % aller schizophrenen Psychosen vor dem 10. und ungefähr 4 % vor dem 15.
Lebensjahr. Im Verlauf kommt es im Jugendalter und in der Adoleszenz zu einem
bemerkenswerten Häufigkeitsanstieg: 22 % manifestieren sich zwischen dem 15. und 19.
Lebensjahr und bis zu 37 % zwischen dem 20. und 29. Lebensjahr (Remschmidt, 1993).
Betrachtet man die Erstmanifestation, so sind schizophrene Psychosen auch im Jugendalter
und der Adoleszenz keine Seltenheit.
Die Kernsymptome der Schizophrenie lassen sich bereits im Kindesalter feststellen
(Armenteros et al., 1995; King, 1994; Remschmidt et al., 1994a). In der Gruppe der 5- bis 11jährigen, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt sind, zeigen sich, wie in Tabelle 2
zusammengefasst wird, in ca. 80 % der Fälle akustische Halluzinationen, gefolgt von
Wahnphänomenen (55–63 %), formale Denkstörungen (40–100 %), optische Halluzinationen
(30–47 %) und Affektveränderungen (ca. 70 %).
Bei den Schizophrenien mit Erstmanifestation im Kindesalter zeigen die vorliegenden
Studien ein deutliches Überwiegen des männlichen Geschlechts, mit einer Relation von 3:1,
während das Geschlechterverhältnis bei einer Erstmanifestation in der Adoleszenz fast wieder
ausgeglichen ist (Remschmidt, 2004).
8
Einleitung
Tabelle 2: Zur Symptomatik von schizophrenen Psychosen mit Manifestation im Kindesalter,
modifiziert nach Schulz (1998)
n
männlich/weiblich
Alter in Jahren
(Altersspanne)
Kolvin et al. 1971
Russel et al. 1989
Green et al. 1992
33
24/9
11,1
(5–15)
35
24/11
9,5
(4,8–13,3)
38
26/12
9,6
(5,7–11,1)
Symptomatik (%)
akustische
Halluzinationen
82
80
84,2
optische
Halluzinationen
30
37
47,4
Wahn
58
63
55,3
Denkstörungen
60
40
100
1.3
Die Bedeutung positiver und negativer Symptome
Im Vordergrund einer schizophrenen Psychose stehen zumeist die besonders auffälligen
Produktiv- bzw. positiven Symptome. Dazu gehören Halluzinationen, formale Denkstörungen, Wahnsymptome oder Wahnwahrnehmungen, Veränderungen des Affekts, des
Verhaltens und eventuell der Motorik.
Unter den Begriff der negativen Symptomatik zählen unter anderem Symptome wie
Affektverflachung, Antriebs- und Interessenslosigkeit, sozialer Rückzug, kognitive Defizite,
Sprachverarmung und reduzierte Psychomotorik (Mehler-Wex et al., 2004).
Entsprechend teilte Crow die Symptomatik in zwei Typen anhand der Symptome ein
(Crow, 1980). Diese verschiedenen Typen der Schizophrenie (Typ-I und Typ-II) wiesen
jeweils charakteristische Symptome auf. Crow ging davon aus, dass beide Typen eine relativ
unabhängige Psychopathologie zeigen. So dominierte beim Typ-I eine positive Symptomatik
mit Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Verwirrtheit, wohingegen sich für den Typ-II
eine eher negative Symptomatik mit Affektverflachung, Sprachverarmung und Antriebsarmut
zeigte. Tabelle 3 zeigt weitere Merkmale der beiden Typen.
Einleitung
9
Tabelle 3: Charakteristika der Schizophrenietypen nach Crow (1980)
Typ-I-Schizophrenie
charakteristische Symptome
positive Symptome wie
Halluzinationen,
Wahnvorstellungen,
Verwirrtheit, Erregung
Art des Erkrankungsbeginn
Ansprechen auf Neuroleptika
kognitive Beeinträchtigung
Verlauf
akut
gut
nicht vorhanden
rückläufig
Typ-II-Schizophrenie
negative Symptome wie
Affektverflachung,
Sprachverarmung,
Antriebsarmut, sozialer
Rückzug
chronisch
schlecht
teilweise vorhanden
beständig
Der positive Typ der Schizophrenie zeigt einen akuten Erkrankungsbeginn mit einem guten
Ansprechen auf Neuroleptika und einem günstigen Verlauf, während der negative Typ der
Schizophrenie mit einem chronischen Beginn, einem schlechten Ansprechen auf Neuroleptika
und einem ungünstigen Verlauf einhergeht. Der negative Typ zeigt eine erhöhte Rate an
hirnorganisch strukturellen Auffälligkeiten mit bereits prämorbid vorhandener Symptombelastung, wohingegen der positive Typ eher auf einem Transmitterungleichgewicht beruht
und eine gute prämorbide Adaptation aufweist. Weitere Unterschiede finden sich im Ausmaß
der kognitiven Beeinträchtigung, diese ist beim negativen Typ stärker beeinträchtigt.
Nach heutigem Forschungsstand ist es allerdings nicht gerechtfertigt eine strikte
Einteilung in einen eindeutig positiven oder negativen Typ zu machen (Fenton and
McGlashan, 1991). Positive und negative Symptome sind nicht getrennt zu erfassen, sondern
stehen in ständigem Wechselspiel miteinander (Schulz, 1998; Werry and McClellan, 1992).
Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass desorganisiertes Verhalten eine eigene unabhängige Kategorie darstellen könnte, die desorganisierte Sprache, bizarres Verhalten und
mangelnde Aufmerksamkeit beinhaltet (Werry and McClellan, 1992).
1.4
Die Bedeutung prämorbider Faktoren
Im Hinblick auf die Frühmanifestation einer schizophrenen Psychose kann nach heutigen
Kenntnissen davon ausgegangen werden, dass eine bei einem Patienten bestehende
Vulnerabilität für das Auftreten einer schizophrenen Psychose sowie Merkmale der
prämorbiden Persönlichkeit mit belastenden Lebensereignissen oder familiären Einflussfaktoren in wechselseitiger Beziehung stehen. Das Scheitern an alterstypischen Bewältigungsaufgaben kann zu einer Dekompensation in die Psychose führen (Remschmidt, 2004; Schulz,
1998).
10
Einleitung
Merkmale einer erhöhten Vulnerabilität zeigen sich anhand folgender Risikofaktoren:
1.5
•
Eine deutliche genetische Belastung: Eine Metaanalyse der von 1920 bis 1987 in
Europa durchgeführten Familien- und Zwillingsstudien (Gottesman, 1991) belegt
ein durchschnittliches Morbiditätsrisiko von 48 % für homozygote Zwillinge, von
46 % für Kinder beider erkrankter Eltern und von 17 % für Kinder mit einem
kranken Elternteil. Demgegenüber liegt das Risiko in der Allgemeinbevölkerung
bei ungefähr 1 %, an einer schizophrenen Psychose zu erkranken (Wildenauer and
Schwab, 2004).
•
Hinsichtlich neurobiologischer Veränderungen scheinen eine Reihe von Faktoren
in Zusammenhang mit der Manifestation einer schizophrenen Psychose in der
Pubertät und Frühadoleszenz zu stehen, wie z. B. noch nicht abgeschlossene
Myelinisierung des Assoziationskortex und des Hippocampus oder unvollständige
Reifungsprozesse des präfrontalen Kortex (Remschmidt, 2004).
Prognose und Langzeitverlauf schizophrener Psychosen
Prognose und Langzeitverlauf schizophrener Psychosen im Kindes- und Jugendalter können
nach heutigem Forschungsstand nicht eindeutig vorhergesagt werden. Werry und Taylor
weisen daraufhin, dass die Schizophrenie ein wechselndes Störungsbild ist mit einer großen
Breite an individueller Variabilität (Werry and Taylor, 1994). Dies spiegelt sich auch im
Langzeitverlauf wider. Heutzutage ergibt sich zwar dank der modernen Möglichkeiten der
Behandlung der Schizophrenie eine deutlich bessere Prognose, dennoch können nicht alle
Patienten in ihr ursprüngliches Wohnmilieu zurückkehren oder die Tätigkeiten wiederaufnehmen, die sie vor ihrer Erkrankung durchführen konnten. Betrachtet man die
Krankheitsverläufe aus dem Bereich der Erwachsenenpsychiatrie, so zeigt sich, dass auch
Schizophrenien, die erstmals im Erwachsenenalter auftreten, einen schwerwiegenden
chronischen Verlauf nehmen können. Hier findet man in katamnestischen Nachuntersuchungen in 25 % eine hochgradige Beeinträchtigung, wohingegen weitere 25 % einen
guten Outcome zeigen und schätzungsweise 50 % eine Teilremission aufzeigen (Ciompi and
Müller, 1976; Harrison et al., 2001).
Weiner zeigte, dass der Verlauf der schizophrenen Psychose im Kindes- und Jugendalter
sehr viel schlechter verläuft als im Erwachsenenalter. Hier stellte sich in 50 % der Fälle eine
chronische Verlaufsform dar, die dazu führt, dass die jugendlichen Patienten eine ständige
Betreuung benötigen (Weiner, 1982). Ähnliche Ergebnisse zeigen die aktuellen katamnestischen Nachuntersuchungen von schizophren erkrankten Kindern und Jugendlichen. Tabelle 4
gibt eine Übersicht über die Studien der letzten zehn Jahre.
42,4 ± 4,8
(33–51)
9,5 ± 2,2
(4–14)
15,4
(10,2–21,2)
10,5
(5,1–18,2)
11,8 ± 1,7
(10–15)
11,8 ± 5,5
41,9 ± 8,2
Katamnese
Remschmidt
et al. (2007)
Fleischhaker
et al. (2005)
Röpcke und
Eggers (2005)
Jarbin et al.
(2003)
Lay et al.
(2000)
Hollis (2000)
Eggers und
Bunk (1997)
295.X gemäß
DSM-IIIR
Schizophrenie
gemäß DSM-IIIR
Ges:
w
m
Ges:
w
m
Ges:
w
m
Ges:
w
m
Ges:
w
m
Ges:
w
VEOS/EOS
k. A. m
11,8 ± 2,0
Ges:
(6–14)
w
VEOS 100 %
m
14,0 ± 1,6
Alter bei
Erkrankungsbeginn
[Jahre]
F20, F25
12,7 ± 2,5
gemäß ICD-10
(5–14)
VEOS
100 %
295.X
15,9 ± 2,2
gemäß DSM-IIIR
(10–18)
VEOS
17 %
EOS
83 %
295.4, 297.0,
16,0 ± 1,52
298.X gemäß
ICD-9
EOS
100 %
295.1–295.4,
15,8
295.7, 295.7
(11,8–18,7)
gemäß DSM-IV VEOS
25 %
EOS
75 %
295.X
16,0 ± 1,4
gemäß ICD-9
(11–17)
VEOS
21 %
EOS
79 %
Eingeschlossene Diagnosen
GAS
GAS
GAS
Verlaufskriterium
gut
moderat
schlecht
gut
moderat
schlecht
Ausprägung
(100–71)
(70–41)
(40–0)
(100–71)
(70–41)
(40–0)
Grad
gut
(100–61)
moderat
(60–51)
schlecht
(50–1)
GAF
gut
(100–71)
moderat
(70–51)
schlecht
(50–41)
sehr schlecht
(40–1)
96 (100) DAS-M keine Beeinträchtigung
41 (42,7)
geringe Beeinträchtigung
55 (57,3)
deutliche Beeinträchtigung
schwere Beeinträchtigung
sehr schwere Beeinträchtigung
maximale Beeinträchtigung
51 (100) WHO-Life vollständige Remission
22 (43)
Chart
unvollständige Remission
29 (57)
keine Remission
44 (100) DAS-M vollständige Remission
unvollständige Remission
25 (56,8)
19 (43,2)
keine Remission
39 (100)
19 (48,7)
20 (51,3)
39 (100)
15 (38,5)
24 (61,5)
38 (100)
23 (60,5)
15 (39,5)
101 (100)
53 (52,5)
48 (47,5)
Anzahl
n (%)
8
11
20
3
5
7
22
8
5
9
19
20
3
6
20
24
11
11
22
6
9
23
16
31
34
(21)
(28)
(51)
(7,7)
(12,8)
(18)
(56,4)
(12,5)
(7,8)
(14,1)
(29,7)
(31,2)
(4,7)
(12)
(40)
(48)
(25)
(25)
(50)
(15,8)
(23,7)
(60,5)
(19,8)
(38,2)
(42)
n (%)
Abkürzungen: Ges = Gesamt; w = weiblich; m = männlich; GAF = Global Assessment of Functioning; GAS = Global Assessment Schedule; DAS-M = Disability
Assessment Schedule, Mannheimer Version; EOS = Early Onset Schizophrenia; VEOS = Very Early Onset Schizophrenia
Dauer der
Katamnese
[Jahre]
Tabelle 4: Übersicht über die aktuellsten Katamnesestudien bezogen auf den Verlauf
12
Einleitung
Hollis fand in einer Nachuntersuchung von 51 an Schizophrenie erkrankten Kindern mit
einem Beobachtungszeitraum von zwölf Jahren in 12 % eine vollständige Remission,
während nahezu 50 % eine chronische Verlaufsform aufwiesen. Das Alter bei Erkrankungsbeginn schloss in dieser Studie sowohl Patienten mit einem frühen Beginn vor dem 14.
Lebensjahr als auch Patienten mit einem Beginn nach dem 14. Lebensjahr ein (Hollis, 2000).
Bei Eggers und Bunk, die 44 Patienten mit VEOS nachuntersuchten, stellte sich ein deutlich
besserer Verlauf dar. In dieser Studie befanden sich 25 % nach einem Beobachtungszeitraum
von über 40 Jahren in vollständiger Remission. Wieder zeigte sich bei 50 % ein chronischer
Verlauf. Sie wiesen ebenfalls darauf hin, dass keiner der Patienten mit einem chronischen
Erkrankungsbeginn im Verlauf der Erkrankung eine Vollremission zeigte (Eggers and Bunk,
1997).
Lay et al. belegten nach einem knapp zwölfjährigen Beobachtungszeitraum bei 20 % der
Patienten mit VEOS und EOS keine oder eine geringe psychosoziale Beeinträchtigung,
während 14 % eine deutliche und 66 % eine schwere oder maximale psychosoziale
Beeinträchtigung aufwiesen (Lay et al., 2000).
In der Studie von Jarbin et al. zeigte sich bei 39 nachuntersuchten Patienten mit VEOS
und EOS in 75 % ein schlechter oder gar sehr schlechter Verlauf und nur in 20 % ein guter bis
moderater Erkrankungsverlauf (Jarbin et al., 2003).
Röpcke und Eggers untersuchten Kinder mit einem Ersterkrankungsalter nach dem 14.
Lebensjahr und stellten ein etwas befriedigenderes Ergebnis mit einem guten Verlauf in 21 %
der Fälle dar. 51 % zeigten eine schlechte psychosoziale Anpassung (Ropcke and Eggers,
2005).
Fleischhaker et al. konnten bei einer Nachuntersuchung mit einer hohen Fallzahl von
101 Patienten mit VEOS und EOS nach einem Katamnesezeitraum von knapp zehn Jahren
zeigen, dass 20 % eine gute psychosoziale Anpassung zeigten und 42 % eine deutlich
schlechtere Beeinträchtigung aufwiesen (Fleischhaker et al., 2005). Die aktuellste Studie über
den Verlauf der schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter ist die Studie von
Remschmidt et al.. Sie untersuchten 38 Patienten mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 14.
Lebensjahr. Es zeigte sich ein noch wesentlich schlechterer Verlauf der Patienten nach einer
über 42-jährigen Dauer der Katamnese. 60 % der Patienten hatten einen schlechten Verlauf
und nur knapp 16 % erreichten ein gutes Funktionsniveau (Remschmidt et al., 2007).
In Tabelle 5 wird die psychopathologische Querschnittssymptomatik dieser Studien
näher betrachtet.
Einleitung
13
Hollis (2000) wies in 50 % einen schweren Verlauf mit positiven und negativen
Symptomen nach und lediglich 22 % der 50 interviewten Patienten hatten eine minimale
Positiv- bzw. Negativsymptomatik.
In der Studie von Fleischhaker et al. (2005) zeigte sich nach einem Beobachtungszeitraum von knapp zehn Jahren zum Zeitpunkt der Katamnese eine deutliche Belastung mit
schizophrenen Symptomen. Entsprechend der SAPS waren in über 50 % schwere oder
moderate positive Symptome nachweisbar und lediglich 43 % der Patienten wiesen eine
geringe Positivsymptomatik auf. Vergleicht man hierzu die Symptombelastung mit negativen
Symptomen, gemessen anhand der SANS, so zeigte sich ein noch höherer Wert von 67 % für
die Ausprägung einer schweren oder moderaten Negativsymptomatik.
Betrachtet man die Nachuntersuchung von Remschmidt et al. (2007), wird der schlechte
Verlauf mit negativen Symptomen weiter bestätigt. Hier zeigten von 16 Patienten fast 94 %
eine moderate oder schwere Negativsymptomatik, und lediglich 6 % wiesen eine minimale
Ausprägung auf. Vergleicht man hierzu die positive Symptomatik, so zeigte sich ein
deutlicher Unterschied zur untersuchten Stichprobe von Fleischhaker et al. (2005). Mehr als
56 % zeigten eine geringe Positivsymptomatik, während die verbleibenden 43 % moderate
oder schwere Symptome aufwiesen. Eine detaillierte Beschreibung zeigt die folgende Tabelle.
AMDP-Scale
Schweregrad der Symptome
anhand SANS/SAPS
PANSS
Lay et al. (2000)
Hollis (2000)
Eggers und Bunk (1997)
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
24,2
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
Mittelwert Summenscore
17,1
Ausprägung
(37,5)
(25)
(37,5)
(56,3)
(18,7)
(25)
(6,3)
(18,7)
(75)
(60,3)
(20,7)
(19)
(43,4)
(41,4)
(10,3)
(32,8)
(34,5)
(32,8)
11
(30,6)
9
(25)
16
(44,4)
keine näheren Angaben bekannt
11
(22)
14
(28)
25
(50)
keine näheren Angaben bekannt
6
4
6
9
3
4
1
3
12
35
11
12
28
24
6
19
20
19
n (%)
50
36
33
58
16
n gesamt
Abkürzungen: PANSS = The Positive and Negative Syndrome Scale 1987; AMDP-Skala = Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der
Psychiatrie 1983; SANS = Scale for the Assessment of Negative Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms;
BPRS = Brief Psychiatric Rating Scale; BPRS-Score 1 = Depressionsscore der Brief Psychatric Rating Scale
Jarbin et al. (2003)
PANSS
Summenscore positive
Symptome
Summenscore negative
Symptome
Strauss-Carpenter Scale
SANS
SAPS
BPRS-Score 1
SANS
SAPS
BPRS-Score 1
Psychopathologie
Röpcke und Eggers (2005)
Fleischhaker et al. (2005)
Remschmidt et al. (2007)
Katamnese
Tabelle 5: Übersicht über die aktuellsten Katamnesestudien bezogen auf die Psychopathologie
15
Einleitung
Betrachtet man die Suizidrate der an einer Schizophrenie erkrankten Patienten, so zeigte sich
in der Studie von Remschmidt et al. (2007) ein erschreckend hoher Anteil von 15,8 % in der
Schizophreniegruppe, wohingegen der Anteil bei Patienten, die gemäß ICD-10 nicht die
Diagnose einer Schizophrenie erhalten hatten, nur ein Drittel dessen betrug (5,3 %). In der
Nachuntersuchung von Asarnow et al. mit einer kleinen Teilnehmerzahl von 18 Patienten
wurden bei 38 % der Patienten Suizidversuche erhoben und weitere 38 % äußerten Suizidgedanken, ohne einen Versuch unternommen zu haben (Asarnow et al., 1994). Werry et al.
schätzten das Risiko eines Suizides aufgrund psychotischen Denkens bei Kindern und
Jugendlichen auf 5 %, allerdings sei die Vergleichbarkeit schlecht, da die Fallzahlen oft klein
und die Nachuntersuchungszeit kurz seien (Werry et al., 1991).
1.6
Die Vorhersagemöglichkeit des Verlaufs anhand verschiedener Charakteristika
der ersten Erkrankungsepisode
Basierend auf dem heutigen Kenntnisstand der Forschung ist es nicht möglich, eine allgemein
gültige Aussage über die Vorhersage des Langzeitverlaufs zu treffen. Man findet in den bisher
durchgeführten Studien eine große Heterogenität, was die verschiedenen Risikofaktoren für
einen chronischen Verlauf betrifft. Dies lässt darauf schließen, dass sich der Langzeitverlauf
der Schizophrenie sehr multidimensional darstellt.
Betrachtet man die erste Erkrankungsepisode bezüglich der Charakteristika „Schwere
der Symptomatik“, „prämorbider und familiärer Belastung“, „Alter bei erster stationärer
Aufnahme“, „Dauer der stationären Behandlung“, „Art des Erkrankungsbeginns“ oder
„Geschlecht“, so lassen sich daraus einige mögliche Prädiktoren benennen.
Laut der Nachuntersuchung von Röpcke und Eggers ist der beste Prädiktor die Art des
Erkrankungsbeginns, gefolgt von der prämorbiden sozialen Anpassung. Patienten mit einem
akuten Erkrankungsbeginn und einer vor Beginn besseren sozialen Anpassung zeigten im
Verlauf eine bessere psychopathologische und psychosoziale Entwicklung. Den Faktoren
Geschlecht und Dauer des ersten stationären Aufenthaltes konnte keine Bedeutung
beigemessen werden (Ropcke and Eggers, 2005).
Betrachtet man hingegen die Studie von Schmidt et al., so stellten sich eine lange Dauer
und eine große Anzahl an Behandlungsepisoden, sowie eine hohe Anzahl von Symptomen
und ein niedriges soziales Kompetenzniveau bei Entlassung als wichtige Prädiktoren für einen
chronischen Verlauf dar. Keinen Effekt hatten die Faktoren Alter, Symptomatik und soziale
Kompetenz bei Aufnahme (Schmidt et al., 1995).
16
Einleitung
Remschmidt et al. konnten zeigen, dass eine prämorbide kognitive Beeinträchtigung mit
einer hohen Rate an negativen Symptomen und einer niedrigeren Rate an positiven
Symptomen korreliert. Ebenso war der chronische Beginn der Erkrankung ein wesentlicher
Prädiktor für einen schlechten Verlauf mit einer deutlichen kognitiven Beeinträchtigung
(Remschmidt et al., 2000).
Eggers und Bunk zeigten einen engen Zusammenhang zwischen einem frühen und
chronischen Erkrankungsbeginn. Sie stellten dar, dass sich vor allem in der Gruppe der VEOS
ein schleichender Beginn manifestierte, der mit einem schlechten Verlauf einherging. Den
Faktoren Geschlecht und Symptomatik zu Beginn der Erkrankung wurde keine Bedeutung
beigemessen (Eggers and Bunk, 1997).
In der Nachuntersuchung von Fleischhaker et al. erwiesen sich weibliches Geschlecht,
eine hohe kognitive Leistungsfähigkeit und eine kurze Dauer der ersten Krankheitsepisode als
starke Prädikoren für einen guten Verlauf (Fleischhaker, 2006). Als stärkster Prädiktor
allerdings zeigte sich eine Belastung mit prämorbiden Symptomen. Eine wesentlich
schlechtere Prognose zeigten die Patienten, die vor Beginn der schizophrenen Psychose
internalisierende, externalisierende oder Entwicklungsverzögerungen hatten (Fleischhaker et
al., 2005).
Schulz konnte in einer prospektiven Studie zeigen, dass junges Alter bei Erkrankung,
eine prämorbide Belastung mit Entwicklungsverzögerungen und introvertierten Symptomen
sowie ein schleichender Beginn der Erkrankung mit einem großen Anteil an negativen und
depressiven Symptomen, wichtige Prädikoren für einen negativen Verlauf waren (Schulz,
1998).
Zusammenfassend kann man sagen, dass es einige Faktoren gibt, anhand derer man sich
an eine Prognose bezüglich des Langzeitverlaufs der schizophrenen Psychose im Kindes- und
Jugendalter wagen könnte. Eine gewisse prognostische Relevanz lässt sich vermutlich für die
kognitive und prämorbide Beeinträchtigung, das Alter bei Erkrankungsbeginn und die
Merkmale bezüglich Symptomatik, Art des Erkrankungsbeginns, Dauer und Anzahl der
stationären Aufenthalte, formulieren. Dies zu überprüfen ist ein Ziel der vorliegenden Arbeit.
1.7
Therapie der schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter
Die Behandlung der schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter unterscheidet sich
von der Behandlung der schizophrenen Psychosen im Erwachsenenalter. Wegweisend bei der
Therapie von Kindern und Jugendlichen ist nicht nur die Berücksichtigung des Schweregrads
der Erkrankung, sondern vor allem auch die Beachtung und Förderung der alters-
Einleitung
17
entsprechenden Entwicklung, die durch die Erkrankung beeinträchtigt oder verzögert sein
kann (AACAP, 2001).
Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
-psychotherapie (DGKJPP, 2003) und der American Association for Child and Adolescent
Psychiatry (AACAP, 2001) empfehlen ein umfassendes, multimodal ausgerichtetes Therapieschema, welches sich sowohl auf die krankheitsspezifischen psychotischen Symptome als
auch auf psychotherapeutische und psychosoziale Maßnahmen stützt. Die aktuellste Auflage
der Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften
Störungen der DGKJPP (2007) entspricht den Leitlinien aus dem Jahr 2003.
Die Therapiekonzepte der AACAP (2001) bzw. der DGKJPP (2003, 2007) haben sich in
klinischen Studien als wirksam erwiesen. Sie empfehlen den folgenden Behandlungsablauf:
Anfangsphase/Akute Phase:
•
vollständige, sorgfältige Befunderhebung inklusive einer körperlichen und
neurologischen Diagnostik und Differentialdiagnostik
•
stationäre Aufnahme und Minimierung der Eigen- und Fremdgefährdung
•
Einleitung einer medikamentösen Therapie: Mittel der ersten Wahl stellen
klassische und atypische Neuroleptika dar. Eine Ausnahme besteht für Clozapin,
welches wegen des erhöhten Agranulozytoserisikos erst gegeben werden soll, wenn
mindestens zwei andere Neuroleptika nicht wirksam waren oder zu starke
Nebenwirkungen aufgetreten sind. Atypische Neuroleptika führen zu einem
signifikant stärkeren Rückgang der Symptomatik, gehen mit weniger Rezidiven
einher und haben geringere Nebenwirkungen als klassische Neuroleptika. Um eine
Entscheidung über die Wirksamkeit des Medikamentes zu treffen sollte eine
ausreichende Dosierung (eventuell Plasmaspiegelkontrolle) mindestens 3–6
Wochen beibehalten werden.
•
Indikation für die Verwendung von atypischen Neuroleptika sind im Einzelfall
stark beeinträchtigende extrapyramidale Symptome, kognitive Beeinträchtigungen
oder Therapieresistenz.
•
Umfangreiche Information von Patient und Familie über die Erkrankung und das
weitere Vorgehen
•
Erstellung eines Behandlungsplanes
•
unterstützende Psychotherapie
Remissions- oder Residualphase:
•
Eine Langzeitbehandlung mit Neuroleptika sollte durchgeführt werden, da diese
nachweislich das Rückfallrisiko senkt. Dieser Effekt ist auch bei den atypischen
Neuroleptika zu erwarten, aber noch nicht ausreichend nachgewiesen. Die Rezidivprophylaxe sollte mit der Substanz durchgeführt werden, die sich bei der Akutsymptomatik als wirksam erwiesen hat. Bei Erstmanifestation empfiehlt es sich
eine Erhaltungsdosis über mindestens zwei Jahre – bei Rezidiven länger – durchzuführen. Die Dosierung des Medikaments richtet sich nach der Wirksamkeit und den
Nebenwirkungen, es sollte alle sechs Monate eine Überprüfung stattfinden. Bei
18
Einleitung
Dosisveränderungen sollten Anzeichen für ein Rezidiv sorgfältig beachtet werden.
Dosisreduktionen, wenn indiziert, sollten in zwei- bis vierwöchigen Intervallen
über einen Zeitraum von 3–6 Monaten durchgeführt werden. Depotpräparate sind
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie noch nicht kontrolliert untersucht und sollten
deshalb nur angewendet werden, wenn eine chronische Verlaufsform eindeutig
dokumentiert wurde und seitens des Patienten eine regelmäßige Einnahme von
Neuroleptika nicht gewährleistet scheint.
•
Reintegration des Patienten in sein soziales Umfeld mit Hilfe psychosozialer
Therapie, welche sich auf Psychoedukation, Krankheitsbewältigung, soziales
Kompetenztraining, Rückfallprävention und problemorientierendes Handeln stützt
•
familienbezogene Maßnahmen um das Krankheitsverständis zu optimieren und um
den Krankheitsverlauf positiv zu unterstützen
Rezidive:
•
Eine medikamentöse Therapie sollte, falls bereits abgesetzt, wieder aufgenommen
werden. Eine Stabilisierung der Symptomatik sollte eventuell anhand einer
Dosiserhöhung erfolgen.
•
Falls sich das bisher verabreichte Medikament in ausreichender Dosierung nicht
mehr als wirksam erweist, sollte ein Medikament aus einer anderen Stoffgruppe
eingesetzt werden.
•
Eventuell ist eine Rehospitalisierung angezeigt.
Bezüglich geeigneter Rehabilitationsmaßnahmen im Anschluss an einen stationären Aufenthalt von an einer schizophrenen Psychose erkrankten Kindern und Jugendlichen finden sich
weder in den Leitlinien der DGKJPP noch der AACAP eindeutige Indikationen.
Werner und Martin legten dar, dass bei einer Mehrzahl der schizophren erkrankten
Patienten mit einem Rehabilitationsbedarf langfristig eine ausgeprägte Negativsymptomatik
besteht. Aufgrund dieser Negativsymptomatik sind die Betroffenen nicht in der Lage
Anforderungen zu erfüllen, die ihrem Lebensalter angemessen sind. Demzufolge bestehen bei
diesen Patienten ausgeprägte Leistungs- und Verhaltensdefizite. Desweiteren besteht bei den
erkrankten Kindern und Jugendlichen eine spezifische Vulnerabilität gegenüber individuell
unterschiedlichen Stressfaktoren. Aufgrund dieses Stress-Vulnerabilitätsmodells können
psychotische Zustandsbilder leichter ausgelöst werden als bei Gesunden (Werner and Martin,
2004).
Bei einer groß angelegten Katamnese konnte Fleischhaker (2006) darstellen, dass
Jugendliche, die an einer störungsspezifischen, intensiven stationären Rehabilitationsmaßnahme für Schizophrenie-Patienten teilnahmen, einen signifikant besseren Langzeitverlauf hatten als Schizophrenie-Patienten anderer Nachuntersuchungen. Anhand einer
Kosten-Nutzen-Analyse
könnten
in
weiteren
Rehabilitationsmaßnahme evaluiert werden.
Untersuchungen
die
Erfolge
einer
Einleitung
1.8
19
Fragestellung der vorliegenden Studie
Anhand dieser Studie sollen bekannte Prädiktoren des Langzeitverlaufs schizophrener
Psychosen validiert und ihre Eignung im klinischen Alltag überprüft werden. Dies wird
anhand einer katamnestischen Nachuntersuchung schizophren erkrankter Kinder und Jugendlicher untersucht.
Folgenden Fragestellungen sollen untersucht werden:
1.
Lassen sich besondere Prädiktoren für den chronischen Verlauf schizophrener
Psychosen im Kindes- und Jugendalter bestätigen?
2.
Gibt es Interventionsmöglichkeiten für die Kinder- und Jugendpsychiatrie, um
einen chronischen Verlauf schizophrener Psychosen zu minimieren?
3.
Sind die Querschnittsdaten der Psychopathologie bei Patienten in der Abteilung für
Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität
Freiburg mit den Querschnittsdaten der Psychopathologie bei Patienten in der
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der
Universität Marburg zum Zeitpunkt der Katamnese vergleichbar?
4.
Entspricht die medikamentöse Therapie der untersuchten Stichprobe den Leitlinien
der AACAP (2001)?
Anhand der Literatur lassen sich zu diesen Fragestellungen folgenden Hypothesen ableiten:
1.
Kinder und Jugendliche, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt sind, haben
generell eine schlechtere Prognose als erstmals im Erwachsenenalter erkrankte
Patienten. Es wird erwartet, dass Merkmale wie das Ersterkrankungsalter und die
Art des Eintritts in die Psychose sowie die Ausprägung von positiven und
negativen Symptomen Risikofaktoren sind, die einen chronischen Verlauf nach
sich ziehen.
2.
Es wird erwartet, dass Interventionsmöglichkeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie darin bestehen, eine möglichst schnelle Diagnose und eine effektive
Behandlung zu gewährleisten.
3.
Es wird erwartet, dass die Querschnittsdaten der Psychopathologie bei Patienten
aus der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter
der Universität Freiburg vergleichbar sind mit den Querschnittsdaten der Psychopathologie bei Patienten aus der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im
Kindes- und Jugendalter der Universität Marburg.
20
Einleitung
4.
Es wird erwartet, dass die medikamentöse Therapie der untersuchten Stichprobe
den Leitlinien der AACAP (2001) entspricht. Eine weiterführende Auswertung der
medikamentösen Behandlung erfolgt unter explorativen Gesichtspunkten.
Diese Hypothesen werden anhand der durchgeführten katamnestischen Nachuntersuchung
überprüft.
1.9
Aufteilung der Studie/Konzeption
Die Nachuntersuchung der ehemaligen Patientinnen und Patienten der Abteilung für
Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität Freiburg wurde
von den Doktorandinnen Katharina Bihlmaier und Ulrike Wolf durchgeführt. Dabei wurde die
Datenerhebung zu gleichen Teilen von beiden Doktorandinnen erhoben. Die Auswertung der
Ergebnisse erfolgte getrennt, dem jeweiligen Untersuchungsschwerpunkt entsprechend.
In der Untersuchung von Katharina Bihlmaier wurde die psychosoziale Entwicklung
betrachtet, während in der vorliegenden Arbeit die Psychopathologie und Medikation im
Mittelpunkt standen.
2
2.1
Patienten und Methodik
Patientenbeschreibung
In die vorliegende Untersuchung wurden alle Patientinnen und Patienten aufgenommen, die
im Zeitraum vom 01.01.1998 bis 31.12.2001 stationär in der Abteilung für Kinder- und
Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Freiburg mit der Diagnose einer Psychose aus
dem schizophrenen Formenkreis nach ICD-10 behandelt wurden.
In der Basisdokumentation der Abteilung erfüllten von einer Inanspruchnahmepopulation von 569 stationär behandelten Patienten 44 Patienten die klinische Verdachtsdiagnose einer schizophrenen Psychose.
Die Diagnose wurde anhand der vorliegenden Patientenakten mittels der ICD-10Kriterien von zwei erfahrenen, unabhängig voneinander arbeitenden Kinder- und
Jugendpsychiatern überprüft und sorgfältig reevaluiert. Von den ursprünglich 44 Patienten
erfüllte eine Stichprobe von 40 Patienten die ICD-10-Kriterien für eine Psychose aus dem
schizophrenen Formenkreis. Die verbleibenden vier Patienten wurden von der Nachuntersuchung ausgeschlossen, da die Diagnose einer Schizophrenie nicht gestellt werden
konnte. Bei ihnen lagen stattdessen folgende Diagnosen vor:
•
Schizotype Störung (F21.0)
•
Sonstige bipolare affektive Störung (F31.8) mit vorwiegend Zwangsgedanken oder
Grübelzwang (F42.0)
•
Organische wahnhafte (schizophreniforme) Störung (F06.2)
•
Beim 4. Patienten konnte die Diagnose nicht überprüft werden, da der
Beobachtungszeitraum nur wenige Tage betrug und somit zu wenige Informationen
vorlagen, die die Diagnose stützen.
Die in die Untersuchung eingeschlossenen Patienten erfüllen folgende Kriterien:
1.
Beim Auftreten der ersten Symptome einer schizophrenen Psychose waren sie
jünger als 18 Jahre alt.
2.
Sie wurden mit dem Verdacht einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis
in den Jahren 1998 bis 2001 konsekutiv aufgenommen und in der Abteilung für
Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Freiburg stationär
behandelt.
22
2.2
Patienten und Methodik
Ablauf der Nachuntersuchung
Von den 40 Patienten (30 Jungen und 10 Mädchen) konnten 32 (80 %) unter Anwendung
eines semistrukturierten Interviews nachuntersucht werden. In 28 Fällen (70 %) wurden die
Patienten selbst befragt, davon 25 (62,5 %) direkt im Rahmen eines persönlichen Interviews
und die verbleibenden drei (7,5 %) in einem detaillierten Telefonat. In vier Fällen (10 %)
wurde ein ausführliches Telefonat mit einem nahen Verwandten (Mutter, Vater, Geschwister)
geführt. Sechs Patienten (15 %) verweigerten die Teilnahme an der Nachuntersuchung und
zwei Patienten (5 %) konnten trotz intensivster Nachforschungen nicht aufgefunden werden.
Zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern konnten keine signifikanten Unterschiede
bezüglich prämorbider Auffälligkeiten, prämorbidem Intelligenzniveau, familiärer Belastung
und den Charakteristika der ersten Erkrankungsepisode festgestellt werden.
Inanspruchnahmepopulation
n = 569
alle übrigen
Diagnosen
n = 525
V.a. Schizophrenie
n = 44
Diagnose nicht
bestätigt
n=4
Diagnose der
Schizophrenie
bestätigt
n = 40 (100 %)
nicht auffindbar
n=2
auffindbar
n = 38 (95 %)
Nicht-Teilnehmer
n = 6 (15 %)
Teilnehmer
n = 32 (80 %)
Abbildung 1: Zusammensetzung und Auswahl der Studienteilnehmer
Patienten und Methodik
2.3
23
Angewandte Untersuchungsinstrumente
In der dieser Studie kamen folgende Untersuchungsinstrumente zur Anwendung:
1.
Instrument for the Retrospective Assessment of the Onset of Schizophrenia:
IRAOS (Häfner et al., 1992; Remschmidt et al., 1994)
2.
Kriterien für Multiple Developmental Disorders: MDD (Cohen et al., 1986)
3.
Scale for the Assessment of Positive Symptoms: SAPS (Andreasen, 1984b)
4.
Scale for the Assessment of Negative Symptoms: SANS (Andreasen, 1984a)
5.
Brief Psychiatric Rating Scale: BPRS (Overall and Gorham, 1962)
6.
Disability Assessment Schedule, Mannheimer Version: DAS-M (Jung et al., 1989)
7.
Global Assessment of Functioning: GAF (APA, 1994)
8.
Global Assessment Schedule: GAS (Endicott et al., 1976)
9.
Clinical Global Impression: CGI (Guy, 1976)
Im Folgenden soll jedoch nur auf die Untersuchungsinstrumente eingegangen werden, die für
die Auswertung der vorliegenden Arbeit verwendet wurden.
2.3.1 IRAOS (Instrument for the Retrospective Assessment of the Onset of
Schizophrenia)
Dieses Instrument wurde unter Zusammenführung mehrerer Instrumente von Häfner et al.
entworfen (Häfner et al., 1992; Häfner et al., 1990). Es erlaubt eine objektive und verlässliche
Feststellung der Symptome und prämorbider Krankheitszeichen sowie den exakten Verlauf
der Erkrankung unter Einbeziehung der soziodemographischen Daten. Das Instrument wird
im Rahmen eines semistrukturierten Interviews angewendet, wobei als Quellen sowohl der
Patient selbst als auch nahe Angehörige dienen können.
Remschmidt et al. (1994) erweiterten das Instrument zur speziellen Untersuchung von
Kindern und Jugendlichen und fügten Daten hinzu, die sich insbesondere mit der Entwicklung
in der Kindheit und im jungen Erwachsenenalter beschäftigen. Es wurde eine Symptomliste
prämorbider Auffälligkeiten entwickelt, die sich in drei Dimensionen aufteilen ließ: externalisierende Symptome wie Aggressivität, Hyperaktivität oder antisoziales Verhalten,
internalisierende Symptome wie soziale Isolation, Ängste und Zwangssymptome und letztlich
die Dimension der Entwicklungsverzögerungen, wie Verzögerungen oder Störungen der
Motorik oder der Sprache. Jeder Punkt wurde anhand aller verfügbaren Informationen als
zutreffend oder fehlend eingeschätzt.
In dieser Studie wurde das Instrument um einen weiteren Bereich modifiziert, der sich
mit der Dokumentation der Medikation befasst. Dies bedeutet eine genaue Erfassung aller
24
Patienten und Methodik
eingenommenen Medikamente und Begleitmedikamente in zeitlicher Reihenfolge und Dauer
des jeweiligen Präparates, die jeweilige Maximal- und Erhaltungsdosis sowie Nebenwirkungen und Gründe für Wechsel und Abbruch der Medikation. Für die Untersuchung und
Auswertung wurden alle verfügbaren Daten verwendet, bestehend aus Krankenakte,
Basisdokumentation, Schulberichten, Interview etc.
Die Gütekriterien des IRAOS sind gekennzeichnet durch Kappa-Werte von 0,62 bis 1,00
(Häfner et al., 1990) und somit mit guter bis sehr guter Interrater- und Retest-Reliabilität.
2.3.2 MDD (Multiple Developmental Disorders)
Dieses Instrument wurde von Cohen et al. erarbeitet. Es dient als ein diagnostisches Schema
um innerhalb der Diagnosen „pervasive developmental disorders not otherwise specified“
(DSM-IV) und atypischer Autismus (ICD-10) eine bestimmte Konstellation von Symptomen
zusammenzufassen. Das Instrument gliedert sich in eine Symptomliste von zwölf Kriterien,
die zu drei bestimmten Untergruppen formiert wurden. Diese Untergruppen berücksichtigen
Kriterien zu Beeinträchtigungen in der Regulation von affektiven Zuständen bzw. Angst,
Beeinträchtigungen im Sozialverhalten bzw. in der sozialen Sensitivität und Kriterien zu
kognitiven Verarbeitungsdefiziten (Denkstörungen) in einem Ausmaß, wie es bei Gleichaltrigen nicht zu finden ist. Um die Klassifikation einer Multiple Developmental Disorder
stellen zu können, müssen mindestens zwei Kriterien aus jeder der drei genannten
Untergruppen zutreffen (Cohen et al., 1986).
Der Kategorie „Beeinträchtigungen in der Regulation von affektiven Zuständen bzw.
Angst“ sind folgende Symptome zugeordnet: generalisierte Ängstlichkeit, diffuse Anspannungen bzw. Spannungen oder Erregbarkeit; Ängste und Phobien (eingeschlossen
Schulphobie); Panikattacken, panische Angst oder „von Ängsten überrollt werden“; Minuten
bis Tage andauernde Verhaltensauffälligkeiten oder Regressionen mit Auftreten von deutlich
unreifem oder unpassendem Verhalten; deutliche emotionale Labilität, die auch durch
umgebungsbedingte Einflüsse ausgelöst werden kann.
In die zweite Kategorie „Beeinträchtigungen im Sozialverhalten bzw. in der sozialen
Sensitivität“ fallen die Symptome: Gleichgültigkeit bzw. Desinteresse am sozialen Umfeld,
Vermeidungsverhalten bzw. Rückzug bei Konfrontation bei sozialer Interaktion, besonders
auch mit den Eltern; Unfähigkeit, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen; gestörte
Beziehung zu Erwachsenen, besonders zu den Eltern, gekennzeichnet durch Klammern,
übermäßige Kontrolle (Eltern dürfen nichts ohne das Kind erledigen); unselbstständiges
Verhalten (nichts kann ohne die Hilfe der Eltern erledigt werden); aggressives Verhalten;
Patienten und Methodik
25
oppositionelles Verhalten; ambivalentes Verhalten mit einem Wechselspiel zwischen „Liebe
und Hassgefühlen“ gegenüber Eltern, Lehrern und Therapeuten.
Die dritte Kategorie „Kognitive Verarbeitungsdefizite (Denkstörungen) in einem
Ausmaß, wie es bei Gleichaltrigen nicht zu finden ist“ besteht aus den Symptomen: Denkstörungen (beinhaltet „magisches Denken“, irrationale Gedanken, plötzliche Intrusionen im
Denkprozess); Probleme, Realität und Fantasie auseinanderzuhalten; ratlos und leicht
verwirrbar im sozialen Miteinander bzw. Gedankenabreißen („den roten Faden verlieren“);
Wahnvorstellungen, beinhaltet Größenwahnfantasien, Beschäftigung mit paranoiden Denkinhalten und übermäßige Beschäftigung mit Fantasieinhalten oder -figuren.
Für die Untersuchung und Auswertung wurden alle verfügbaren Daten verwendet,
bestehend aus Krankenakte, Basisdokumentation, Schulberichten, etc.
2.3.3 Klassifikation positiver und negativer Symptome
Die beiden Instrumente „Scale for the Assessment of Positive Symptoms“ (SAPS) und „Scale
for the Assessment of Negative Symptoms“ (SANS) dienen zur standardisierten Erfassung
positiver und negativer Symptome der Schizophrenie und wurden beide von Andreasen
entwickelt (Andreasen 1984a, 1984b). Die Skala zur Einschätzung der positiven Symptome
beinhaltet 34 unterschiedliche Items, welche in folgende übergeordnete Bereiche gegliedert
werden: Halluzinationen, Wahn, bizarres Verhalten, positive formale Denkstörungen und
inadäquater Effekt. Diese Items können auf einer 6-Punkte-Skala, je nach Schweregrad der
Ausprägung einzeln eingeschätzt werden. Die Skala zur Einschätzung der negativen
Symptome beinhaltet 24 Items, gegliedert in die Bereiche Affektverflachung und Affektstarrheit, Alogie und Paralogie, Abulie und Apathie, Anhedonie und Asozialität sowie
Aufmerksamkeit, die wie die SAPS hinsichtlich des Schweregrads eingeschätzt werden. Ein
besonderer Wert wird bei der Einschätzung der negativen Symptome zusätzlich auf die
beobachteten Aspekte des Verhaltens gelegt.
Sowohl bei SANS als auch bei SAPS werden die Interrater-Reliabilitäten mit gut
angegeben mit Kappa-Werten von 0,8 (Andreasen, 1982; Andreasen et al., 1991; Moscarelli
et al., 1987). Eine Ausnahme bildet allerdings das Item „Aufmerksamkeit“ der SANS mit
einem Kappa-Wert von 0,67. Es scheint somit schwierig, Beeinträchtigungen bezüglich der
Aufmerksamkeit rein der Negativsymptomatik zuzuschreiben (Remschmidt et al., 1991), so
dass in dieser Studie dieses spezielle Item von der SANS ausgeschlossen wurde. Zur weiteren
Auswertung wurde der Summenscore der Positiv- und Negativsymptomatik verwendet.
26
Patienten und Methodik
2.3.4 BPRS (Brief Psychiatric Rating Scale)
Dieses Untersuchungsinstrument wurde von Overall und Gorham (1962) aus zwei umfangreichen Skalen, der „Inpatient Multidimensional Psychiatric Scale“ (Lorr, 1966) und der
„Multidimensional Scale for Rating Psychiatric Patients“ (Lorr et al., 1953) entwickelt und als
Kurzform dargestellt. Es handelt sich hierbei um eine Skala mit 18 Symptomkomplexen, die
anhand einer 7-stufigen Skala je nach Ausprägungsgrad eingeschätzt werden. Dies geschieht
im Rahmen eines semistrukturierten Interviews. Somit wird zusätzlich zur Evaluation der
positiven und negativen Symptome die Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
erfasst. Die 18 Items wurden aufgrund von faktorenanalytischen Studien an Patienten mit der
Diagnose einer Schizophrenie (Overall und Gorham, 1976) in fünf Untergruppen
zusammengefasst: Angst bzw. Depression (Score 1), Anergie (Score 2), Denkstörungen
(Score 3), Aktivierung (Score 4) und Feindseligkeit bzw. Misstrauen (Score 5). Diese
einzelnen Items können addiert werden und bilden als Summe den BPRS-Gesamtscore
(BPRS-G). Der Einsatz dieses Instrumentes gilt speziell zur psychopathologischen
Verlaufsbeschreibung schizophren erkrankter Patienten als gut etabliert (Bell et al., 1992;
Deister and Marneros, 1993; Thiemann et al., 1987).
Die Interrater-Reliabilität kann als gut angesehen werden mit Kappa-Werten zwischen
0,87– 0,97 (Overall, 1976). Im Rahmen dieser Studie wurde sowohl der einzelne Sub-Score
Angst/Depression (Score 1) als auch der BPRS-Gesamtscore (BPRS-G) zur statistischen
Auswertung verwendet.
2.3.5 Global Assessment of Functioning (GAF)
Dieses Instrument beurteilt die psychische, soziale und berufliche Leistungsfähigkeit und
dient somit der Einschätzung der psychosozialen Anpassung des Patienten. Es ist nach DSMIV ein Teil des multiaxialen Diagnostikschemas (APA, 1994) und wird auf einer Skala von 1
bis 100 bewertet, wobei 100 für „höchstes Funktionsniveau“ steht. Körperliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit werden bei diesem Instrument nicht berücksichtigt.
Reliabilität und Validität erwiesen sich als sehr gut mit Kappa-Werten für die InterratorReliabilität von 0,86 (Hilsenroth et al., 2000).
2.3.6 Clinical Global Impression (CGI)
Dieses Instrument wurde vom National Institute of Mental Health (Guy, 1976) entwickelt um
Therapieeffekte im Behandlungsverlauf zu erfassen. Es wird in verschiedene Rubriken
Patienten und Methodik
27
gegliedert, die den Schweregrad der Erkrankung, die Gesamtbeurteilung der Zustandsänderung im Vergleich zu einem früheren Zeitpunkt und den therapeutischen Effekt samt
Nebenwirkungen des jeweiligen Medikamentes erfassen (National Institute of Mental Health,
1976).
In dieser Nachuntersuchung wurde nur der Schweregrad der Krankheit zum Katamnesezeitpunkt vom Untersucher selbst eingeschätzt. Dies geschah auf einer 8-stufigen Skala
zwischen 1 = Nicht beurteilbar, 2 = Patient ist überhaupt nicht krank, sondern normal,
3 = Patient ist ein Grenzfall psychiatrischer Erkrankung, 4 = Patient ist leicht krank,
5 = Patient ist mäßig krank, 6 = Patient ist deutlich krank, 7 = Patient ist schwer krank bis
8 = Patient gehört zu den extrem schwer Kranken.
Die in dieser Studie verwendeten Untersuchungsinstrumente wurden von den beteiligten
Untersuchern anhand von Videobändern trainiert. Es wurde in der Beurteilung von
Standardbändern nur eine Abweichung vom Standard-Rating von einem Punkt pro Einzelitem
und Summenscore erlaubt, so dass für die Ergebnisse dieser Katamnese eine gute Reliabilität
gewährleistet ist.
2.4
Statistische Methoden
Zum Vergleich zwischen den Gruppen Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer der Nachuntersuchung wurde hinsichtlich qualitativer Merkmale der Chi²-Test verwendet. Für den
Fall, dass die Zahlenhäufigkeit der Felder zu gering war, sowie bezüglich des Vergleichs von
Männern und Frauen, wurde der exakte Test nach Fisher angewendet. Quantitative Merkmale
wurden für den Gruppenvergleich von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern, sowie auch für
Frauen und Männer mit dem Mediantest oder dem t-Test berechnet. Das Signifikanzniveau
wurde generell mit einem Alphawert von 0,05 festgelegt.
Um verschiedene Beziehungen zwischen den abhängigen Variablen darzustellen, wurde
die Korrelation nach Spearman angewendet. Der berechnete Korrelationskoeffizient diente als
Maß für die Stärke eines monotonen Zusammenhangs. Alle statistischen Auswertungen
wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SAS durchgeführt (Release 8.02 TS Level M0).
3
3.1
Ergebnisse
Stichprobenbeschreibung
In dieser Studie wurden 32 Patienten (80 %) der Inanspruchnahmepopulation durchschnittlich
8,3 Jahre nach dem Beginn einer schizophrenen Psychose (Standardabweichung ± 2,4 Jahre,
Spannweite 6,1–18,7 Jahre) nachuntersucht. Das durchschnittliche Alter der Patienten zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung betrug 23,8 Jahre (Standardabweichung ± 1,7, Spannweite
19,9–26,4 Jahre). Die Geschlechtsverteilung zeigte einen Anteil von 30 (75 %) Männern und
10 (25 %) Frauen.
Die Patienten zeigten im mittleren Alter von 6,5 Jahren die ersten psychischen
Auffälligkeiten, wohingegen die ersten Symptome einer schizophrenen Erkrankung durchschnittlich im Alter von 15,5 Jahren auftraten. Der zeitliche Abstand zwischen dem Auftreten
der ersten nichtpsychotischen Auffälligkeiten und den ersten psychotischen Symptomen
betrug im Mittel 9,0 Jahre, weitere Details zeigt Tabelle 6.
Tabelle 6: Charakteristika der untersuchten Stichprobe bezüglich der Altersverteilung bei ersten
nichtpsychotischen Auffälligkeiten, bei ersten psychotischen Symptomen und Dauer der
Erkrankung zum Katamnesezeitpunkt (n = 40)
Mittel
[Jahre]
Std.
[Jahre]
Spannweite
[Jahre]
Dauer der Erkrankung bei
Katamnese
8,3
2,4
6,1–18,7
Alter zum Katamnesezeitpunkt
23,8
1,7
19,9–26,4
Alter bei ersten nichtpsychotischen
Auffälligkeiten
6,5
5,3
1,5–18,7
Alter bei ersten psychotischen
Symptomen
15,5
2,3
7,7–18,8
Abstand zwischen ersten
nichtpsychotischen Auffälligkeiten
und psychotischen Symptomen
9,0
5,0
0,0–15,0
Das Alter der Patienten bei der ersten stationären Aufnahme aufgrund einer schizophrenen
Erkrankung betrug im Mittel 16,7 Jahre. Der durchschnittliche Abstand zwischen erster
stationärer Aufnahme und Katamnesezeitpunkt betrug im Mittel 7,2 Jahre.
30
Ergebnisse
Bezüglich der Einteilung der Schizophrenien im Kindesalter in VEOS und EOS waren in
dieser Stichprobe 15 Patienten (37,5 %) beim Beginn der Erkrankung maximal 14 Jahre alt
(VEOS) und 25 Patienten (62,5 %) älter als 14 Jahre (EOS). Tabelle 7 gibt einen näheren
Überblick.
Tabelle 7: Altersverteilung bei Alter erster stationärer Aufnahme, Abstand erster stationärer
Aufnahme und Katamnesezeitpunkt, Anzahl der VEOS und EOS und Geschlechtsverteilung
(n = 40)
Mittel
[Jahre]
Std.
[Jahre]
Spannweite
[Jahre]
16,7
1,5
12,8–18,9
7,2
1,5
4,6–13,1
Alter
[Jahren]
Anzahl
[n]
Anteil
[%]
VEOS
≤ 14
15
37,5
EOS
> 14
25
62,5
30/10
75/25
Alter bei erster stationärer
Aufnahme wegen
Schizophrenie
Abstand zwischen erster
stationärer Aufnahme und
Katamnesezeitpunkt
Geschlechtsverteilung
männlich/weiblich
VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia
Zwischen den Geschlechtern ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im Mediantest
bezüglich der Charakteristika Alter der ersten psychotischen Symptome (p = 0,47), Alter der
ersten stationären Aufnahme aufgrund einer schizophrenen Psychose (p = 0,47) und Alter
zum Katamnesezeitpunkt (p = 0,70). Es zeigte sich allerdings ein signifikanter Unterschied
bei Männern und Frauen bezüglich des Alters beim Auftreten der ersten nichtpsychotischen
Auffälligkeiten (Mediantest, p = 0,03). Bei den Männern war der durchschnittliche Wert mit
5,7 Jahren (Standardabweichung ± 4,9, Spannweite 1,5–18,7) deutlich niedriger als bei den
Frauen (Mittel 8,7 Jahre, Standardabweichung ± 5,8, Spannweite 3,5–17,7).
Zwischen den Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern dieser Studie konnten anhand der
erhobenen Parameter keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.
Ergebnisse
31
Tabelle 8: Charakteristika des Erkrankungsbeginns der schizophrenen Psychose für beide
Geschlechter (n = 40)
Auftreten erster
nichtpsychotischer
psychischer
Auffälligkeiten
Auftreten erster
psychotischer
Symptome
Erste stationäre
Aufnahme
wegen einer
schizophrenen
Psychose
Katamnesezeitpunkt
Mittel ± Std.
(Spannweite)
[Jahre]
weiblich, n = 10
männlich, n = 30
Gesamt, n = 40
8,7 ± 5,8
(3,5–17,7)
5,7 ± 4,9 *
(1,5–18,7)
6,5 ± 5,3
(1,5–18,7)
15,4 ± 3,0
(7,7–17,7)
15,5 ± 2,0
(11,9–18,8)
15,5 ± 2,3
(7,7–18,8)
16,5 ± 1,4
(13,3–18,0)
16,7 ± 1,6
(12,8–18,9)
16,7 ± 1,5
(12,8–18,9)
24,2 ± 1,5
(21,7–26,4)
23,6 ± 1,8
(19,9–25,9)
23,8 ± 1,7
(19,9–26,4)**
*Mediantest signifikant: p = 0,03
**Angaben beziehen sich nur auf die nachuntersuchte Stichprobe n = 32
Bei 23 Patienten (57,5 %) verlief der Erkrankungsbeginn schleichend und bei 17 Patienten
(42,5 %) begann die Erkrankung akut innerhalb von vier Wochen. Es fanden sich bezüglich
der Art des Erkrankungsbeginns sowohl zwischen Männern und Frauen (p = 0,69) als auch
zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern keine signifikanten Unterschiede im Chi²-Test
(p = 0,57). Dennoch ließ sich bei den Teilnehmern eine Neigung zu einem akuten
Erkrankungsbeginn aufzeigen (50 % versus 12,5 % bei den Nicht-Teilnehmern). Bei den
Nicht-Teilnehmern hingegen zeigte sich eine Tendenz zu einem eher schleichenden
Erkrankungsbeginn (87,5 % versus 50 % bei den Teilnehmern).
Tabelle 9: Art des Erkrankungsbeginns bezüglich Männer und Frauen und Teilnehmer und NichtTeilnehmer (n = 40)
Art des
Erkrankungsbeginns
akut (≥ 4 Wochen)
schleichend
Frauen
n = 10
5 (50)
5 (50)
Männer
n = 30
n (%)
12 (40)
18 (60)
Teilnehmer
n = 32
NichtTeilnehmer
n=8
Gesamt
n = 40
16 (50)
16 (50)
1 (12,5)
7 (87,5)
17 (42,5)
23 (57,5)
Chi²-Test nicht signifikant
Diagnosen und Verlauf
Die Diagnosen und der Verlauf der Erkrankung werden in Tabelle 10 entsprechend der ICD10 Kriterien zum Zeitpunkt der Katamnese gezeigt. Am häufigsten präsentierte sich der
Subtyp der paranoiden Schizophrenie bei 23 Patienten (71,9 %), während bei den übrigen
Patienten die Diagnose schizoaffektive Psychose n = 5 (15,6 %), katatone Schizophrenie n = 2
32
Ergebnisse
(6,3 %) und hebephrene Schizophrenie n = 2 (6,3 %) diagnostiziert wurde. 75 % Patienten
zeigten sich zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung in vollständiger oder unvollständiger
Remission, 25 % hatten einen kontinuierlichen Verlauf.
Zwischen den Geschlechtern zeigten sich im exakten Test nach Fisher keine signifikanten Unterschiede bezüglich Diagnose und Verlauf (p = 0,12). Zwischen Teilnehmern und
Nicht-Teilnehmern war der Unterschied ebenfalls nicht signifikant (exakter Test nach Fisher,
p = 0,08). Eine ausführliche Darstellung zeigt die folgende Tabelle.
Tabelle 10: Diagnosegruppen und Verlauf anhand ICD-10 für Frauen und Männer (n = 32)
Diagnose nach ICD-10
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 40
n (%)
F20.0 paranoider Subtyp
5 (55,6)
18 (78,3)
23 (71,9)
F20.1 katatoner Subtyp
2 (22,2)
0 (0)
2 (6,3)
F20.2 hebephrener
Subtyp
1 (11,1)
1 (4,4)
2 (6,3)
F25 schizoaffektive
Psychose
1 (11,1)
4 (17,4)
5 (15,6)
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 40
2 (22,2)
3 (13)
5 (15,6)
F2x.x1 episodisch, mit
zunehmendem Residuum
0 (0)
0 (0)
0 (0)
F2x.2 episodisch, mit
stabilem Residuum
0 (0)
2 (8,7)
2 (6,3)
F2x.3 episodisch
remittierend
1 (11,1)
0 (0)
1 (3,1)
F2x.4 unvollständige
Remission
5 (55,6)
7 (30,4)
12 (37,5)
F2x.5 vollständige
Remission
1 (11,1)
11 (47,8)
12 (37,5)
Verlauf nach ICD-10
n (%)
F2x.x0 kontinuierlich
Exakter Test nach Fisher nicht signifikant
Tabelle 11 und Tabelle 12 zeigen die Diagnosegruppen und den Verlauf entsprechend der
DSM-IV Kriterien.
Ergebnisse
33
Tabelle 11: Diagnosen nach DSM-IV für Frauen und Männer (n = 32)
Diagnose nach DSM-IV
295.10 desorganisierter Typus
295.20 katatoner Typus
295.30 paranoider Typus
295.40 schizophreniforme Störung
295.70 schizoaffektive Störung
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
n (%)
1 (11,1)
2 (22,2)
5 (55,6)
0 (0)
1 (11,1)
1 (4,4)
0 (0,)
16 (69,6)
2 (13,0)
4 (17,4)
2 (6,3)
2 (6,3)
21 (65,6)
2 (6,3)
5 (15,6)
Exakter Test nach Fisher nicht signifikant
Tabelle 12: Verlauf anhand DSM-IV für Frauen und Männer (n = 32)
Verlauf nach DSM-IV
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
n (%)
295.x1 episodisch mit
Residualsymptomen zwischen den
Episoden
0 (0)
2 (8,7)
2 (6,3)
295.x3 episodisch ohne
Residualsymptome zwischen den
Episoden
1 (11,1)
0 (0)
1 (3,1)
295.x4 kontinuierlich
2 (22,2)
2 (8,7)
4 (12,5)
0 (0)
1 (4,3)
1 (3,1)
3 (33,3)
4 (17,4)
7 (21,9)
0 (0)
3 (13)
3 (9,4)
295.x8 einzelne Episode mit
vollständiger Remission
1 (11,1)
9 (39,1)
10 (31,3)
295.x10 episodisch mit
unvollständiger Remission
2 (22,2)
0 (0)
2 (6,3)
0 (0)
2 (8,7)
2 (6,3)
295.x5 kontinuierlich mit
ausgeprägten Negativsymptomen
295.x6 einzelne Episode mit
unvollständiger Remission
295.x7 einzelne Episode mit
unvollständiger Remission mit
ausgeprägten Negativsymptomen
295.x11 episodisch mit
vollständiger Remission
Exakter Test nach Fisher nicht signifikant
Vergleicht man die Diagnosen der ICD-10 mit den Diagnosen des DSM-IV, so finden sich in
zwei Fällen der vorliegenden Stichprobe Unterschiede. Beide Patienten erhielten entsprechend der ICD-10 den Subtyp der paranoiden Schizophrenie (F20.0), wohingegen sie als
34
Ergebnisse
Diagnose nach DSM-IV den Typus einer schizophreniformen Störung (295.40) erhalten
haben. Dies entspricht laut ICD-10 der Diagnose F20.8.
Bei beiden Patienten trat keine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit auf, und die
Symptome dauerten zwar mindestens einen Monat, aber weniger als sechs Monate an.
Zwischen den Geschlechtern zeigten sich im exakten Test nach Fisher keine signifikanten
Unterschiede bezüglich Diagnose und Verlauf (p = 0,10).
Vergleicht man in der nachuntersuchten Stichprobe die ICD-10 Diagnosen bei erster
stationärer Aufnahme und die ICD-10 Diagnosen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung, so
zeigten sich bei 15 Patienten (46,9 %) diagnostische Shifts, während bei 17 Patienten
(53,1 %) die Diagnose einer Schizophrenie oder einer schizoaffektiven Psychose stabil blieb.
Bei zwei (6,3 %) dieser 15 Patienten änderte sich im Verlauf lediglich die Zuordnung
des Subtyps der Schizophrenie. Bei den restlichen 13 Patienten fanden sich ursprünglich
folgende ICD-10 Diagnosen:
In sechs Fällen (18,8 %) wurde bei erster stationärere Aufnahme eine akute
schizophreniforme psychotische Störung diagnostiziert (F23.2), in zwei Fällen (6,3 %) eine
psychotische Störung wegen Cannabinoidintoxikation (F12.5), in zwei Fällen (6,3 %) eine
akute polymporphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (F23.1) und in
je einem Fall (3,1 %) eine schwere depressive Episode mit psychotischen Störungen (F32.3),
eine nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung (F60.9) und eine Störung mit sozialer
Ängstlichkeit des Kindesalters (F93.2).
Symptomatik
Vor der ersten stationären Aufnahme wiesen bereits alle 40 Patienten Symptome einer
schizophrenen Psychose auf. Dabei traten bei allen 40 Patienten positive und bei 39 Patienten
(97,5 %) negative Symptome auf. Die Patienten wiesen im Mittel schon 447 Tage
(Standardabweichung ± 600,7, Spannweite 0–2128) vor der ersten stationären Aufnahme
Symptome einer Schizophrenie auf. Davon waren negative Symptome im Mittel schon 413,3
Tage (Standardabweichung ± 556,5, Spannweite 0–1919) und positive Symptome im Mittel
schon 268,1 Tage (Standardabweichung ± 468,7, Spannweite 1–2128) vor der ersten
stationären Aufnahme vorhanden. Es zeigten sich im Mediantest keine signifikanten
Unterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich der Dauer der unbehandelten
Psychose (p = 0,59). Den zeitlichen Abstand zwischen dem Auftreten der ersten positiven
bzw. negativen Symptome und der ersten stationären Aufnahme wegen der Schizophrenie
zeigt Abbildung 2. Es wird deutlich, dass die Dauer der positiven und negativen Symptomatik
Ergebnisse
35
in der Gesamtstichprobe sehr variierte. Die Dauer vom Vorhandensein positiver Symptome
bis zur ersten stationären Aufnahme reichte bei sechs Patienten von einem bis zu sechs Jahre
zurück, beim Vorliegen negativer Symptome zeigte sich bei acht Patienten eine Dauer von
mehr als 1,5 Jahren.
Abbildung 2: Zeitlicher Abstand (in Jahren) zwischen dem Auftreten der ersten positiven bzw.
negativen Symptome und der ersten stationären Aufnahme (= Zeitpunkt 0) wegen der
schizophrenen Psychose (n = 40)
Tabelle 13 zeigt die durchschnittliche, kumulative Anzahl der positiven und negativen
Symptome vor der Nachuntersuchung. Es zeigten sich im Mediantest keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Geschlechtern (p = 0,15).
Tabelle 13: Anzahl der positiven und negativen Symptome vor dem Katamnesezeitpunkt der
Gesamtstichprobe (n = 40), aufgeteilt nach Frauen und Männern
Frauen
n = 10
Männer
n = 30
Gesamt
n = 40
Mittel ± Std.
(Spannweite)
Anzahl positive
Symptome
7,4 ± 2,5
(4–12)
6,8 ± 2,2
(4–13)
7,0± 2,2
(4–13)
Anzahl negative
Symptome
Mediantest nicht signifikant
5,2 ± 1,5
(3–8)
6,0± 2,7
(0–11)
5,8± 2,5
(0–11)
Tabelle 14 zeigt die Aufteilung der Symptome vor der ersten stationären Aufnahme bezüglich
VEOS und EOS. Es zeigte sich, dass bei beiden Altersgruppen die vorherrschenden
Symptome annähernd gleich waren. Der Mediantest in Bezug auf die beiden Altersgruppen
war nicht signifikant (p = 0,75).
36
Ergebnisse
Tabelle 14: Häufigkeit der Symptomatik bei Beginn der Schizophrenie mit Manifestation vor bzw.
nach dem 14. Lebensjahr in der Gesamtstichprobe (n = 40), keine weiteren Angaben zur Statistik
VEOS
n = 15
EOS
n = 25
Gesamt
n = 40
n (%)
negative Symptome
14 (93,3)
25 (100)
39 (97,5)
positive Symptome
15 (100)
25 (100)
40 (100)
negative Symptome
Affektauffälligkeiten
12 (80)
25 (100)
37 (92,5)
Rückzug/Misstrauen
13 (86,7)
20 (80)
33 (82,5)
Veränderung des
Arbeitsverhaltens
11 (73,3)
18 (72)
29 (72,5)
Energieverlust
7 (46,7)
12 (48)
19 (47,5)
Verlust der Selbstwertgefühls
8 (53,3)
6 (24)
14 (35)
langsames Tempo bei
tgl. Aufgaben
7 (46,7)
16 (64)
23 (57,5)
Veränderung der
Freizeitgestaltung
5 (33,3)
7 (28)
12 (30)
Sorge um
Selbstdarstellung
5 (33,3)
8 (32)
13 (32,5)
Schwäche der
gedanklichen Intention
4 (26,7)
1 (4)
5 (12,5)
Gedächtnisstörung
4 (26,7)
4 (16)
8 (20)
3 (20)
2 (8)
5 (12,5)
erhöhte
Ablenkbarkeit
positive Symptome
Denkstörungen
15 (100)
25 (100)
40 (100)
wahnhafte
Beziehungssetzung
11 (73,3)
17 (68,0)
28 (70)
Verfolgungswahn
10 (66,7)
12 (48)
22 (55)
verbale
Halluzinationen
8 (53,3)
11 (44)
19 (47,5)
akustischen
Halluzinationen
7 (46,7)
10 (40)
17 (42,5)
optische
Halluzinationen
6 (40)
4 (16)
10 (25)
weiterer Wahn
5 (33,3)
9 (36)
14 (35)
Derealisation
4 (26,7)
9 (36)
13 (32,5)
Ergebnisse
37
Wahnstimmung
3 (20)
6 (24)
9 (22,5)
Gedankenlautwerden
3 (20)
3 (12)
6 (15)
Gedankenblock
3 (20)
6 (24)
9 (22,5)
Wahn/Ich-Erleben
3 (20)
4 (16)
7 (17,5)
Beeinflussungswahn
3 (20)
6 (24)
9 (22,5)
Größenwahn
2 (13,3)
2 (8)
4 (10)
Depersonalisation
2 (13,3)
0 (0)
2 (5)
Wahninhalte
2 (13,3)
3 (12)
5 (12,5)
andere
Halluzinationen
1 (6,7)
8 (32)
9 (22,5)
Wahrnehmungsstörungen
1 (6,7)
7 (28)
8 (20)
VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia
Stationäre Aufenthalte
Im Erkrankungsverlauf mussten 84,4 % der Patienten einmal oder mehrere Male aufgrund der
schizophrenen Psychose wiederaufgenommen werden. Nur in 15,6 % der Fälle war keine
weitere Aufnahme mehr nötig. Es gab keine signifikanten Unterschiede im Mediantest
(p = 0,46) bezüglich der Geschlechterverteilung, allerdings zeigten die Männer eine Neigung
zu zahlreicheren Wiederaufnahmen. Die durchschnittliche Anzahl aller stationären Aufenthalte aufgrund der Schizophrenie lag im Mittel bei 3,2 Aufenthalten (Standardabweichung
± 1,9, Spannweite 1–8). Tabelle 15 gibt einen detaillierten Überblick.
Elf (34,4 %) Patienten von insgesamt 32 befanden sich zum Zeitpunkt der Katamnese
nicht im Intervall. Von den insgesamt 32 Patienten befanden sich acht (25 %) immer noch in
der ersten Episode. Den Begriffen Intervall und Episoden lagen in der vorliegenden Studie
folgende Definitionen zugrunde: All diejenigen, die im Verlauf der Erkrankung wieder ihr
ursprüngliches prämorbides Leistungs- oder Funktionsniveau erreicht haben, befinden sich im
Intervall. Ist der Patient im Alltag z. B. durch eine ausgeprägte Negativsymptomatik so stark
beeinträchtigt, dass er weder zur Schule gehen oder einer sonstigen Ausbildung nachgehen
kann ist er nicht im Intervall, sondern befindet sich noch in der Episode.
Die Dauer der Episode lässt sich somit bei den acht Patienten, die noch in der ersten
Episode waren, nur bis zum Tag der Nachuntersuchung berechnen. Die erste Episode dauerte
38
Ergebnisse
bei den verbleibenden 24 Patienten im Mittel 4,3 Jahre (Standardabweichung ± 4, Spannweite
0,1–18,7).
Tabelle 15: Anzahl aller stationären Aufenthalte (n = 32), aufgeteilt nach Frauen und Männern
Mittel
[Anzahl]
Std.
[Anzahl]
Spannweite
[Anzahl]
3,2
1,9
1–8
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
Anzahl stationärer Aufenthalte wegen
Schizophrenie
Frauen
n=9
n (%)
Aufnahmen
keine Wiederaufnahme
2 (22,2)
3 (13)
5 (15,6)
1–2 Wiederaufnahmen
5 (55,6)
10 (43,5)
15 (46,9)
3–4 Wiederaufnahmen
2 (22,2)
6 (26,1)
8 (25)
≥ 5 Wiederaufnahmen
0 (0)
4 (17,4)
4 (12,5)
Mediantest nicht signifikant
Drogenmissbrauch in der Gesamtstichprobe
Bei 21 (52,5 %) Patienten der Gesamtstichprobe (n = 40) ließ sich ein Drogenmissbrauch
feststellen (Lebenszeitprävalenz). Es ergaben sich im exakten Test nach Fisher keine signifikanten Unterschiede zwischen Frauen und Männern bezüglich eines Drogenmissbrauchs
(p = 0,29). Dennoch stellte sich dar, dass der Prozentsatz der Männer mit einem Drogenabusus von 60 % höher war als der prozentuale Anteil des Drogenabusus bei den Frauen mit
nur 30 %. Im Vergleich zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern kam es ebenso zu
keinem signifikanten Unterschied im exakten Test nach Fisher (p = 0,30).
Tabelle 16: Anzahl der Patienten mit bzw. ohne Drogenabusus, eingeteilt nach Frauen und
Männern und Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern (n = 40)
Drogenabusus
kein Drogenabusus
n (%)
3 (30)
18 (60)
17 (53,1)
4 (50)
21 (52,5)
7 (70)
12 (40)
15 (46,9)
4 (50)
19 (47,5)
Frauen, n = 10
Männer, n = 30
Teilnehmer, n = 32
Nicht-Teilnehmer, n = 8
Gesamt, n = 40
Exakter Test nach Fisher nicht signifikant
Ergebnisse
39
Die überwiegende Anzahl der Patienten mit einem Drogenmissbauch zeigten einen Cannabisabusus (n = 21; 80,8 %). Eine genauere Darstellung welche Art der Droge konsumiert wurde
wird in Tabelle 17 dargestellt.
Tabelle 17: Art des Drogenabusus, Mehrfachnennungen sind möglich
Art des Drogenabusus
Cannabis
(Haschisch, Marihuana)
Halluzinogene
(LSD, Meskalin, DOM, Pilze)
Kokain
Gesamt
n
%
21
80,8
4
15,4
1
26
3,8
100
Die maximale Häufigkeit des Drogenabusus variierte von mehr als einmal täglich bis weniger
als einmal jährlich, wobei mit einem Anteil von 29,6 % am häufigsten mehr als einmal täglich
Drogen konsumiert wurden.
Tabelle 18: maximale Frequenz des Drogenmissbrauchs
Frequenz des Drogenabusus
mehr als 1 mal täglich
mehr als 1 mal wöchentlich
mehr als 1 mal monatlich
mehr als 1 mal jährlich
weniger als 1 mal jährlich
unbekannt
Gesamt
n
%
7
6
6
3
1
3
26
26,9
23,1
23,1
11,5
3,8
11,5
100
Das durchschnittliche Alter bei Beginn des Drogenabusus war 15,0 Jahre (Standardabweichung ± 1,2, Spannweite 13,1–19,4) und es bestand eine durchschnittliche Dauer vom
Beginn des Drogenabusus bis zur ersten stationären Aufnahme wegen einer Schizophrenie
von 1,6 Jahren (Standardabweichung ± 1,0, Spannweite 0,1–3,9). Genaue Angaben über den
Drogenabusus zum Zeitpunkt des Beginns der Schizophrenie können nicht gemacht werden.
Zum Zeitpunkt der Katamnese gaben von den 32 nachuntersuchten Patienten noch drei
Patienten (9,4 %) an Drogen zu konsumieren.
Die beiden untersuchten Patientengruppen (Patienten mit Drogenabusus und Patienten
ohne Drogenabusus) unterschieden sich im t-Test nicht signifikant anhand des Alters bei
ersten Anzeichen für eine psychische Erkrankung (p = 0,36), des Alters bei erster stationärer
Aufnahme wegen eine psychischen Erkrankung (p = 0,69) oder anhand des Alters bei erster
stationärer Aufnahme wegen einer Schizophrenie (p = 0,71), siehe Tabelle 19.
40
Ergebnisse
Tabelle 19: Altersverteilung bei Alter erster Anzeichen für eine psychische Erkrankung, bei Alter
erster stationärer Aufnahme wegen einer psychischen Erkrankung und bei Alter erster stationärer
Aufnahme wegen einer Schizophrenie in der Gesamtstichprobe (n = 40), eingeteilt nach
Patienten mit bzw. ohne Drogenabusus
Patienten mit
Drogenabusus
n = 21
Patienten ohne
Drogenabusus
n = 19
Mittel ± Std.
(Spannweite)
[Jahre]
Alter bei ersten Anzeichen für
eine psychische
Erkrankung
5,8 ± 4,9
(2,5–18,7)
7,4 ± 5,6
(1,5–17,6)
Alter bei erster stationärer
Aufnahme wegen einer
psychischen Erkrankung
17,0 ± 1,6
(11,9–19,0)
16,2 ± 1,8
(12,8–18,9)
Alter bei erster stationärer
Aufnahme wegen einer
Schizophrenie
17,2 ± 1,0
(14,4–19,0)
16,2 ± 1,8
(12,8–18,9)
t-Test nicht signifikant
Der psychosoziale Outcome, gemessen anhand der GAF, und die Psychopathologie zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung, gemessen anhand der SANS, SAPS und BPRS, zeigten
keine signifikanten Unterschiede im t-Test zwischen den Gruppen Patienten mit Drogenabusus bzw. ohne Drogenabusus. Weiterhin konnten für diese beiden Gruppen keine
signifikanten Unterschiede bezüglich der Charakteristika „Art des Erkrankungsbeginn“,
„Alter bei Ersterkrankung“, „Geschlecht“, „Dauer der ersten Episode“, „prämorbide
Auffälligkeiten“, „prämorbider IQ“ oder „familiäre Belastung mit Psychosen aus dem
schizophrenen Formenkreis“ festgestellt werden (wie beispielhaft in Tabelle 36 dargestellt).
Es zeigte sich im Chi²-Test lediglich eine Neigung zu einem schleichenden Erkrankungsbeginn bei Patienten mit einem Drogenmissbrauch (p = 0,06).
3.2
Die Verteilung des Intelligenzquotienten in der Gesamtstichprobe
Das prämorbide Intelligenzniveau (IQ) wurde anhand aller vorliegenden Informationen aus
dem Krankenblatt und der Basisdokumentation des einzelnen Patienten geschätzt, da keine
oder nicht immer eine prämorbide Testung vorlag. Die vorgenommene Einschätzung beruhte
auf den Vorgaben, dass ein IQ > 115 für sehr gute Gymnasiasten, ein IQ zwischen 85 und 115
für Gymnasiasten, Realschüler und gute Hauptschüler und ein IQ < 85 für schlechte
Hauptschüler galt. Patienten, die eine Förder- oder Sprachheilschule besuchten wurden noch
Ergebnisse
41
niedriger eingeschätzt. In der vorliegenden Stichprobe ergab sich eine Mittelwert des IQ von
99,9 (Standardabweichung ± 14,8, Spannweite 75–120).
Es ergaben sich im Mediantest weder signifikante Unterschiede zwischen Teilnehmern
und Nicht-Teilnehmern noch zwischen Männern und Frauen bezüglich des Intelligenzniveaus
(p = 0,47).
Tabelle 20: Verteilung des prämorbiden Intelligenzniveaus in der Gesamtstichprobe (n = 40)
hohe Intelligenz
IQ > 115
durchschnittliche
Intelligenz
IQ 85–114
niedrige Intelligenz
IQ < 85
8 (80)
16 (53,3)
20 (62,5)
4 (50)
24 (60)
1 (10)
5 (16,7)
3 (9,4)
3 (37,5)
6 (15)
n (%)
Frauen, n = 10
Männer, n = 30
Teilnehmer, n = 32
Nicht-Teilnehmer, n = 8
Gesamt, n = 40
1 (10)
9 (30)
9 (28,1)
1 (12,5)
10 (25)
Mediantest nicht signifikant
3.3
Familiäre Belastungen mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
Bei der vorliegenden Stichprobe zeigte sich bei elf von 40 Patienten (27,5 %) eine genetische
Belastung mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, davon lag in zehn Fällen
eine schizophrene Psychose bei einem Verwandten ersten, zweiten oder dritten Grades vor. In
einem Fall litt ein Elternteil an einer schizoaffektiven Psychose.
Bezogen auf die unterschiedliche genetische Belastung der Teilnehmer zeigte sich zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung kein signifikant unterschiedliches psychosoziales Funktionsniveau, gemessen anhand der Global Assessment of Functioning Scale (GAF). Der GAFMittelwert der Patienten mit familiärer Belastung betrug 63,6 (Standardabweichung ± 21,6,
Spannweite 22–90). Der Mittelwert der Patienten ohne familiäre Belastung betrug 67,8
(Standardabweichung ± 24,3, Spannweite 10–100; Mediantest p = 0,7). Ebenso ließ sich keine
höhere Belastung sowohl mit positiven als auch mit negativen Symptomen nachweisen
(SAPS-Mittelwert der Patienten mit familiärer Belastung 1,9 versus 2,3 bei Patienten ohne
familiäre Belastung; Mediantest p = 0,69; SANS-Mittelwert der Patienten mit familiärer
Belastung 7,3 versus 6,0 bei Patienten ohne familiäre Belastung; Mediantest p = 0,35).
3.4
Prämorbide Auffälligkeiten
Bei der Gesamtstichprobe zeigte sich eine hohe Anzahl von prämorbiden Auffälligkeiten. So
wiesen 26 von 40 Patienten (65 %) prämorbide Belastungen mit internalisierenden und/oder
42
Ergebnisse
externalisierenden Symptomen und/oder Entwicklungsverzögerungen auf. Nur bei 14
Patienten (35 %) waren keine prämorbiden Belastungen vorhanden. Die größte Anzahl von
prämorbiden Symptomen fand sich bei der Gruppe der prämorbid internalisierenden
Symptome, die bei 22 Patienten (55 %) auftraten. Externalisierende Symptome traten bei
sieben Patienten (17,5 %) und Entwicklungsverzögerungen bei fünf Patienten (12,5 %) auf.
Eine genaue Darstellung, ob die Symptome allein einer oder mehreren der drei Gruppen
zuzuordnen sind, zeigt Abbildung 3. Bei 27 Patienten (67,5 %) lagen andere Auffälligkeiten
vor, die sich keiner der drei oben genannten Bereiche zuordnen ließen.
In der untersuchten Stichprobe (n = 32) bestand hinsichtlich der psychosozialen Anpassung, gemessen anhand des GAF-Wertes, kein signifikanter Unterschied zwischen
Patienten mit und ohne Entwicklungsverzögerungen, für Patienten mit und ohne
internalisierende Symptome und für Patienten mit und ohne externalisierende Symptome.
(GAF-Mittelwert für Patienten ohne prämorbide Auffälligkeiten (n = 11): 74,1 ± 21,4,
(35–100); GAF-Mittelwert für Patienten mit prämorbiden Auffälligkeiten (n = 21): 62,7 ±
23,7, (10–91); Mediantest p = 0,61).
Für eine Belastung mit positiven und negativen Symptomen zeigte sich ebenfalls kein
signifikanter Unterschied innerhalb der Gruppen internalisierende/keine internalisierenden
Symptome, externalisierende/keine externalisierenden Symptome und Entwicklungsverzögerungen/keine Entwicklungsverzögerungen.
(SANS-Mittelwert für Patienten ohne prämorbide Auffälligkeiten (n = 11): 4,7 ± 5,4, (0–
16); SANS-Mittelwert für Patienten mit prämorbiden Auffälligkeiten (n = 21): 7,5 ± 4,3, (1–
14); Mediantest p = 0,16).
(SAPS-Mittelwert für Patienten ohne prämorbide Auffälligkeiten (n = 11): 1,5 ± 2,4, (0–
8); SAPS-Mittelwert für Patienten mit prämorbiden Auffälligkeiten (n = 21): 2,6 ± 4,3, (0–
16); Mediantest p = 0,16).
Ergebnisse
Internalisierende Symptome
gesamt
n = 22 (55 %)
43
Externalisierende Symptome
gesamt
n = 7 (17,5 %)
n= 15
n= 2
n= 4
n= 1
n= 4
keine prämorbide Belastung
n = 14 (35 %)
Entwicklungsverzögerungen
gesamt
n = 5 (12,5%)
andere prämorbide Belastungen
n = 27 (67,5 %)
Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der prämorbiden Auffälligkeiten in der Gesamtstichprobe
(n = 40)
3.5
MDD in der Gesamtstichprobe
Keiner der Patienten aus der Gesamtstichprobe erfüllte die Bedingungen für die Klassifikation
der MDD nach Cohen. Somit trafen nie mindestens zwei Kriterien aus jeder der drei
genannten Untergruppen zu. Es fanden sich allerdings bei 26 Patienten (65 %) eine oder
mehrere Auffälligkeiten. Eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Kategorien der MDD
zeigt Tabelle 21.
Tabelle 21: Anzahl der Symptome aus den jeweiligen Symptomgruppen im MDD, bezüglich
Männer und Frauen (n = 40)
Frauen
n = 10
Männer
n = 30
Gesamt
n = 40
Beeinträchtigungen in der Regulation von
affektiven Zuständen bzw. Angst
4 (40)
13 (43,3)
17 (42,5)
Beeinträchtigung im Sozialverhalten bzw. in der
sozialen Sensitivität
4 (40)
14 (46,7)
18 (45)
Kognitive Verarbeitungsdefizite/
Denkstörungen, wie es in dem Ausmaß bei
Gleichaltrigen nicht zu finden ist
2 (20)
5 (16,7)
7 (17,5)
keine Symptome
3 (30)
11 (36,7)
14 (35)
Symptomkategorien
n (%)
Mediantest nicht signifikant
44
Ergebnisse
Eine Erklärung, welche Einzelsymptome den Kategorien zugeordnet werden, findet sich in
der Beschreibung der angewandten Untersuchungsinstrumente und im Anhang dieser Arbeit.
Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Symptome aus den jeweiligen Symptomkategorien der MDD in der untersuchten Stichprobe.
Tabelle 22: Anzahl der Symptome aus den jeweiligen Symptomgruppen im MDD bezüglich
Männer und Frauen, nur Teilnehmer (n = 32)
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
Beeinträchtigungen in der Regulation von
affektiven Zuständen bzw. Angst
4 (44,4)
12 (52,2)
16 (50)
Beeinträchtigung im Sozialverhalten bzw. in der
sozialen Sensitivität
4 (44,4)
12 (52,2)
16 (50)
Kognitive Verarbeitungsdefizite/
Denkstörungen, wie es in dem Ausmaß bei
Gleichaltrigen nicht zu finden ist
2 (22,2)
4 (17,4)
6 (18,8)
keine Symptome
2 (22,2)
8 (34,8)
10 (31,3)
Symptomkategorien
n (%)
Mediantest nicht signifikant
Ob die verschiedenen Symptomkategorien jeweils Einfluss auf den Verlauf haben, zeigen
Tabelle 23 bis Tabelle 25. Hierbei wurden als Verlaufsparameter GAF, SANS, SAPS, BPRSG und BPRS-1 evaluiert.
Lag eine Belastung in der Symptomkategorie Beeinträchtigung im Sozialverhalten bzw.
in der sozialen Sensitivität vor, so zeigte sich eine schlechtere psychosoziale Anpassung zum
Katamnesezeitpunkt, siehe Tabelle 24. Patienten mit einer Beeinträchtigung im Sozialverhalten erreichten einen niedrigeren GAF-Mittelwert von 59,8 (Standardabeichung ± 25,4,
Spannweite 10–90) als Patienten ohne eine Beeinträchtigung im Sozialverhalten. Diese
wiesen einen deutlich höheren GAF-Mittelwert von 73,5 (Standardabweichung ± 19,4,
Spannweite 35–100) auf (t-Test p = 0,04, einseitige Testung).
Beim Vorliegen derselben Kategorie Beeinträchtigung im Sozialverhalten bzw. in der
sozialen Sensitivität und dem Verlaufsparameter SANS ergab sich im einseitigen t-Test ein
signifikanter p-Wert von 0,03. Patienten mit einer Belastung in der Kategorie Beeinträchtigungen im Sozialverhalten wiesen einen durchschnittlichen SANS-Mittelwert von 7,8 auf
(Standardabweichung ± 4,1, Spannweite 1–14), während bei Patienten ohne Belastung in
Ergebnisse
45
dieser Kategorie ein niedrigerer SANS-Mittelwert von 4,8 vorlag (Standardabweichung ± 4,7,
Spannweite 0–16).
Desweiteren zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der Kategorie kognitive
Verarbeitungsdefizite sowohl in Bezug auf das psychosoziale Funktionsniveau als auch in
Bezug auf eine Belastung mit negativen Symptomen und in Bezug auf eine Belastung mit den
Gesamtsymptomen der BPRS (siehe Tabelle 25). Patienten mit kognitiven Verarbeitungsdefiziten erreichten einen GAF-Mittelwert von 53,8 (Standardabweichung ± 21, Spannweite
22–85), während Patienten ohne Vorliegen von kognitiven Verarbeitungsdefiziten einen
deutlich höheren GAF-Mittelwert von 69,8 (Standardabweichung ± 23,1, Spannweite 10–100)
zeigten. Der einseitige Mediantest war mit einem p-Wert von 0,04 signifikant.
Patienten mit kognitiven Verarbeitungsdefiziten wiesen ebenfalls einen höheren SANSMittelwert von durchschnittlich 9,8 (Standardabweichung ± 3,9, Spannweite 4–12) auf. Der
SANS-Mittelwert von Patienten ohne das Vorliegen von kognitiven Verarbeitungsdefiziten
lag niedriger bei einem Mittelwert von 5,6 (Standardabeichung ± 4,6, Spannweite 0–16),
Mediantest p = 0,03, einseitige Testung.
In Bezug auf eine Belastung mit Symptomen des BPRS-Gesamtscores zeigten Patienten
mit einer Belastung in der eben genannten Kategorie einen höheren Summenscore von im
Mittel 33,8 (Standardabweichung ± 8,1, Spannweite 24–45), während ohne Vorliegen einer
Belastung mit kognitiven Verarbeitungsdefiziten der durchschnittliche Summenscore mit 30,5
niedriger lag (Standardabweichung ± 10,1, Spannweite 19–57). Der einseitige Mediantest war
signifikant mit einem p-Wert von 0,04.
46
Ergebnisse
Tabelle 23: Einfluss der Symptomkategorie „Beeinträchtigungen in der Regulation von affektiven
Zuständen bzw. Angst“ auf den Verlauf, gemessen anhand der Parameter GAF, SANS, SAPS,
BPRS-G, BPRS-1 (n = 32)
Symptomkategorie:
Verlaufsparameter
Beeinträchtigung in
der Regulation von
affektiven
Zuständen bzw.
Angst
GAF
SANS
SAPS
BPRS-G
BPRS-1
Anzahl der
Patienten mit
Belastung
n = 16
Anzahl der
Patienten ohne
Belastung
n = 16
Mittel ± Std.
(Spannweite)
64,1 ± 23,3
69,2 ± 23,7
(10–91)
(22–100)
7,1 ± 4,0
5,6 ± 5,2
(2–14)
(0–16)
2,9 ± 4,7
1,5 ± 2,5
(0–16)
(0–8)
30,0 ± 8,7
32,2 ± 10,9
(21–49)
(19–57)
6,9 ± 3,0
8,2 ± 3,4
(4–14)
(4–14)
p-Wert
0,55
(t-Test)
0,37
(t-Test)
0,31
(t-Test)
0,39
(t-Test)
0,28
(t-Test)
GAF = Global Assessment of Functioning; SANS = Scale for the Assessment of Negative
Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms; BPRS-G = Gesamtscore
der Brief Psychiatric Rating Scale; BPRS-1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating
Scale
Tabelle 24: Einfluss der Symptomkategorie „Beeinträchtigungen im Sozialverhalten bzw. in der
sozialen Sensitivität“ auf den Verlauf, gemessen anhand der Parameter GAF, SANS, SAPS,
BPRS-G, BPRS-1 (n = 32)
Symptomkategorie:
Verlaufsparameter
Beeinträchtigung
im Sozialverhalten
bzw. in der sozialen
Sensitivität
GAF
SANS
SAPS
BPRS-G
BPRS-1
Anzahl der
Patienten mit
Belastung
n = 16
Anzahl der
Patienten ohne
Belastung
n = 16
Mittel ± Std.
(Spannweite)
59,8 ± 25,4
73,5 ± 19,4
(10–90)
(35–100)
7,8 ± 4,1
4,8 ± 4,7
(1–14)
(0–16)
2,9 ± 4,9
1,5 ± 2,2
(0–16)
(0–8)
32,9 ± 9,7
29,3 ± 9,7
(21–49)
(19–57)
8,3 ± 3,4
6,9 ± 2,9
(4–14)
(4–13)
p-Wert
0,04*
(t-Test)
0,03*
(t-Test)
0,31
(t-Test)
0,29
(t-Test)
0,23
(t-Test)
*t-Test signifikant, p< 0,05
GAF = Global Assessment of Functioning; SANS = Scale for the Assessment of Negative
Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms; BPRS-G = Gesamtscore
der Brief Psychiatric Rating Scale; BPRS-1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating
Scale
Ergebnisse
47
Tabelle 25: Einfluss der Symptomkategorie „Kognitive Verarbeitungsdefizite/Denkstörungen, wie
es in dem Ausmaß nicht bei Gleichaltrigen zu finden ist“ auf den Verlauf, gemessen anhand der
Parameter GAF, SANS, SAPS, BPRS-G, BPRS-1 (n = 32)
Symptomkategorie:
Verlaufsparameter
Kognitive
Verarbeitungsdefizite/
Denkstörungen, wie
es in dem Ausmaß
bei Gleichaltrigen
nicht zu finden ist
GAF
SANS
SAPS
BPRS-G
BPRS-1
Anzahl der
Patienten mit
Belastung
n=6
Anzahl der
Patienten
ohne
Belastung
n = 26
Mittel ± Std.
(Spannweite)
53,8 ± 21,0
69,8 ± 23,1
(22–85)
(10–100)
9,8 ± 3,9
5,6 ± 4,6
(4–12)
(0–16)
3,0 ± 3,5
2,0 ± 3,9
(0–7)
(0–16)
33,8 ± 8,1
30,5 ± 10,1
(24–45)
(19–57)
8,2 ± 3,3
7,4 ± 3,2
(5–14)
(4–14)
p-Wert
0,04*
(Mediantest)
0,03*
(Mediantest)
0,74
(Mediantest)
0,04*
(Mediantest)
0,85
(Mediantest)
*Mediantest signifikant, p < 0,05
GAF = Global Assessment of Functioning; SANS = Scale for the Assessment of Negative
Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms; BPRS-G = Gesamtscore
der Brief Psychiatric Rating Scale; BPRS-1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating
Scale
3.6
Psychopathologie der untersuchten Stichprobe
Depressive Symptomatik
Abbildung 4 zeigt die depressive Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung entsprechend der BPRS. Der Schweregrad der depressiven Symptomatik wurde definiert als:
•
keine oder minimale depressive Symptomatik bei einem Summenscore zwischen 4
und 8,
•
moderater Ausprägungsgrad der depressiven Symptomatik bei einem Summenscore
zwischen 9 und 12 und
•
schwere depressive Symptomatik bei einem Summenscore zwischen 13 und 20.
Die Mehrzahl der nachuntersuchten Patienten (n = 23, 71,9 %) zeigte keine oder eine geringe
depressive Symptomatik. Fünf Patienten (15,6 %) wiesen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung eine mäßige und lediglich vier Patienten (12,5 %) eine schwere depressive
Symptomatik auf.
48
Ergebnisse
nicht
vorhanden/
gering
71,9%
moderat
15,6%
schwer
12,5%
Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung der depressiven Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (n = 32)
Tabelle 26 zeigt den Gesamt-Rohwert, das heißt die Summation aller Punktwerte der BPRS.
Es zeigt sich ein durchschnittlicher Mittelwert von 31,1 (Standardabweichung ± 9,8,
Spannweite 19–57). Es lassen sich im Mediantest keine signifikanten Unterschiede zwischen
den Geschlechtern feststellen (p = 0,7).
Tabelle 26: BPRS-Gesamtscore in der nachuntersuchten Stichprobe (n = 32), Frauen und
Männer
BPRS-Gesamtscore
Anzahl
n
Frauen
9
Männer
23
Gesamt
32
Mittel ± Std.
(Spannweite)
30,0 ± 10,2
(19–49)
31,5 ± 9,8
(19–57)
31,1± 9,8
(19–57)
Mediantest nicht signifikant
Negative und positive Symptomatik
Der Schweregrad der Positiv- und Negativsymptomatik wurde wie folgt eingeteilt:
•
keine oder minimale Symptomatik bei einem Summenscore zwischen 0 und 5,
•
moderater Ausprägungsgrad bei einem Summenscore zwischen 6 und 8 und
•
schwere Symptomatik bei einem Summenscore zwischen 9 und 20.
Die negative Symptomatik der nachuntersuchten Patienten verteilte sich folgendermaßen: 15
Patienten (46,9 %) wiesen keine oder nur geringe negative Symptome auf, sechs Patienten
Ergebnisse
49
(18,8 %) zeigten eine moderate Negativsymptomatik und bei elf Patienten (34,4 %) lag eine
schwere Negativsymptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung vor.
moderat
18,8%
nicht
vorhanden/
gering
46,9%
schwer
34,4%
Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung der negativen Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (n = 32)
Im Gegensatz hierzu zeigten nur zwei Patienten (6,3 %) zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
eine ausgeprägte, schwere positive Symptomatik. Eine mäßige Symptomatik mit positiven
Symptomen wiesen drei Patienten (9,4 %) auf und die Mehrzahl der Patienten (n = 27,
84,4 %) zeigte keine oder eine minimal ausgeprägte Positivsymptomatik entsprechend der
SAPS-Skala.
nicht
vorhanden/
gering
84,4%
moderat
9,4%
schwer
6,3%
Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung der positiven Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (n = 32)
50
Ergebnisse
Bei Vergleich der Belastung mit negativen und positiven Symptomen ergab sich für die
Negativsymptomatik im Mittel ein Wert von 6,4 (Standardabweichung ± 4,6, Spannweite 0–
16) und für die Positivsymptomatik ein deutlich niedrigerer Mittelwert von 2,2 (Standardabweichung ± 3,8, Spannweite 0–16). Es zeigte sich im Mediantest kein signifikanter
Unterschied zwischen den Geschlechtern bezüglich negativer und positiver Symptome
(p = 0,89). Eine detaillierte Darstellung zeigt Tabelle 27.
Tabelle 27: Mittelwerte der negativen und positiven Symptome bei Frauen und Männern (n = 32)
Symptomatik
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
6,2 ± 4,9
(0–16)
1,9 ± 3,1
(0–11)
6,4 ± 4,6
(0–16)
2,2 ± 3,8
(0–16)
Mittel ± Std.
[Spannweite]
negative Symptome
positive Symptome
6,8 ± 4,2
(0–13)
3,0 ± 5,4
(0–16)
Mediantest nicht signifikant
Psychopathologie bezüglich des Manifestationsalters der schizophrenen Psychose
Vergleicht man die Psychopathologie der untersuchten Stichprobe anhand des Manifestationsalters so zeigte sich, dass die depressive Symptomatik, gemessen anhand der BPRS in der
Altersgruppe der VEOS eine Tendenz zu einem schweren Ausprägungsgrad aufweist. Drei
Patienten (25 %) der Altersgruppe VEOS zeigten eine schwere depressive Symptomatik,
wohingegen in der Altersgruppe der EOS nur ein Patient (5 %) eine schwere depressive
Symptomatik aufweist. Der Mediantest war allerdings aufgrund der kleinen Stichprobe nicht
signifikant mit einem p-Wert von 0,88.
Stellt man die negative und positive Symptomatik in den beiden Altergruppen gegenüber, so zeigte sich bei den VEOS eine Neigung zu einer ausgeprägteren Negativsymptomatik
(Mediantest, p=0,13). 50 % (n = 6) der Patienten mit VEOS wiesen eine schwere
Negativsymptomatik auf, 16,7 % (n = 2) eine moderate und 33,3 % (n = 4) keine oder eine
nur eine minimale Negativsymptomatik. In der Altersgruppe der EOS manifestierte sich
hingegen nur bei 25 % (n = 5) eine schwere, bei 20 % (n = 4) eine moderate und bei 55 %
(n = 11) eine geringe oder keine Negativsymptomatik.
Vergleicht man den Schweregrad der Positivsymptomatik, so zeigte sich in der
Altersgruppe der EOS zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung in 10 % (n = 2) eine schwere
Positivsymptomatik, im Gegensatz zu 0 % in der Altersgruppe der VEOS.
Der Mediantest war aufgrund der kleinen Stichprobe nicht signifikant (p = 0,86).
Ergebnisse
51
Tabelle 28: Häufigkeitsverteilung der Psychopathologie, gemessen anhand der Instrumente
BPRS, SANS und SAPS und eingeteilt nach Manifestationsalter der untersuchten Stichprobe,
(n = 32)
Ausprägungsgrad
VEOS
n = 12
EOS
n = 20
BPRS-Score1
gering
moderat
schwer
8 (66,7 %)
1 (8,3 %)
3 (25 %)
15 (75 %)
4 (20 %)
1 (5 %)
SANS
gering
moderat
schwer
4 (33,3 %)
2 (16,7 %)
6 (50 %)
11 (55 %)
4 (20 %)
5 (25 %)
SAPS
gering
moderat
schwer
11 (91,7 %)
1 (8,3 %)
0 (0 %)
16 (80 %)
2 (10 %)
2 (10 %)
Psychopathologie
Mediantest nicht signifikant
VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia; BPRSScore 1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating Scale; SANS = Scale for the
Assessment of Negative Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms
3.7
Vergleich der Psychopathologie der nachuntersuchten Stichprobe mit der
Psychopathologie der Marburger Klinikkatamnese
Vergleicht man die Psychopathologie der vorliegenden Stichprobe mit der Psychopathologie
der Marburger Katamnese, so ergaben sich Unterschiede bezüglich der Querschnittssymptomatik zum jeweiligen Katamnesezeitpunkt. Die Patienten der hier nachuntersuchten
Stichprobe zeigten einen Trend zu einer symptomärmeren und somit besseren Psychopathologie.
Betrachtet man die depressive Symptomatik der Marburger Katamnese, so zeigte sich in
60,3 % eine minimale depressive Symptomatik, während bei der hier untersuchten Stichprobe
71,9 % eine minimale depressive Symptomatik aufwiesen. Im Chi²-Test zeigte sich kein
signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p = 0,53).
Die Belastung mit einer schweren negativen Symptomatik war in beiden Gruppen
ähnlich (34,4 % versus 32,8 %), jedoch zeigte sich ein deutlicher Unterschied bei der
Betrachtung des moderaten und minimalen Ausprägungsgrades. 46,9 % der Patienten aus
Freiburg wiesen eine minimale Negativsymptomatik auf, wohingegen bei den Patienten aus
Marburg ein kleinerer Anteil von 32,8 % eine minimale negative Symptomatik zeigte. Der
moderate Ausprägungsgrad mit negativen Symptomen verteilte sich wie folgt: 18,8 % bei der
hier vorliegenden Stichprobe und mit einem Anteil von 34,5 % deutlich mehr bei den
Marburger Patienten. Es ergab sich allerdings im Chi²-Test kein signifikanter Unterschied
(p = 0,25).
52
Ergebnisse
Bezüglich der Ausprägung mit positiven Symptomen ließ sich hingegen ein deutlicher
Unterschied aufzeigen. In der Freiburger Katamnese zeigten fast doppelt so viele Patienten
(84,4 %) eine minimale Ausprägung mit positiven Symptomen wie in Marburg (43,4 %). Der
Anteil derjenigen Patienten mit einer moderaten oder schweren Positivsymptomatik war in
Marburg mit 51,7 % deutlich größer als in der hier vorliegenden Studie mit nur 15,7 %. Es
zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Chi²-Test mit einem p-Wert < 0,0001. Eine
übersichtliche Darstellung zeigt die folgende Tabelle.
Tabelle 29: Vergleich der Querschnittssymptomatik in der vorliegenden Stichprobe (n = 32) mit
der Querschnittssymptomatik in der Marburger Katamnese (n = 58)
Psychopathologie
BPRS-Score 1
SANS
SAPS *
Ausprägung
Freiburger
Katamnese
n = 32
Marburger
Katamnese
n = 58
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
minimal
moderat
schwer
23 (71,9 %)
5 (15,6 %)
4 (12,5 %)
15 (46,9 %)
6 (18,8 %)
11 (34,4 %)
27 (84,4 %)
3 (9,4 %)
2 (6,3 %)
35 (60,3 %)
11 (20,7 %)
12 (19,0 %)
19 (32,8 %)
20 (34,5 %)
19 (32,8 %)
28 (43,4 %)
24 (41,4 %)
6 (10,3 %)
*Chi²-Test signifikant, p < 0,0001
BPRS-Score 1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating Scale; SANS = Scale for the
Assessment of Negative Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms
3.8
Psychosoziales Funktionsniveau (GAF) zum Katamnesezeitpunkt
Die globale Einschätzung des psychosozialen Funktionsniveaus wurde anhand des GAF in
sieben Kategorien eingeteilt. Dabei zeigte sich, dass 21 Patienten (65,6 %) eine gute bis
exzellente psychosoziale Anpassung aufwiesen. Sechs Patienten (18,8 %) wiesen ein mäßig
bis schlechtes psychosoziales Funktionsniveau auf, und fünf Patienten (15,6 %) waren sehr
schlecht oder tiefgreifend beeinträchtigt.
Frauen zeigten im Mittel einen durchschnittlichen GAF-Wert von 56,3 (Standardabweichung ± 26,3, Spannweite 10–95), Männer erreichten einen durchschnittlich höheren
Mittelwert von 70,7 (Standardabweichung ± 21,2, Spannweite 25–100).
Im Mediantest ergab sich für die globale Einschätzung des psychosozialen Funktionsniveaus ein nur grenzwertig signifikanter Unterschied zwischen Männern und Frauen
(p = 0,05). Tabelle 30 zeigt einen detaillierten Überblick.
Ergebnisse
53
Tabelle 30: Verteilung des psychosozialen Funktionsniveaus zum Katamnesezeitpunkt
(n = 32)
Psychosoziales
Anpassungsniveau (GAF)
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
1 (11,1)
8 (34,8)
9 (28,1)
1 (11,1)
6 (26,1)
7 (21,9)
3 (33,3)
2 (8,7)
5 (15,6)
1 (11,1)
2 (8,7)
3 (9,4)
1 (11,1)
2 (8,7)
3 (9,4)
1 (11,1)
3 (13)
4 (12,5)
1 (11,1)
0 (0)
1 (3,1)
70,7 ± 21,2
(25–100)
66,6 ± 23,3
(10–100)
n (%)
exzellente Anpassung
(100–81)
sehr gute Anpassung
( 80–71)
gute Anpassung
(70–61)
mäßige Anpassung
(60–51)
schlechte Anpassung
(50–41)
sehr schlechte Anpassung
(40–21)
tiefgreifend beeinträchtigte
Anpassung (20–1)
Mittelwert psychosoziale
Anpassung
Mittel ± Std.
(Spannweite)
56,3 ± 26,3
(10–95)
Mediantest nicht signifikant
Betrachtet man das psychosoziale Funktionsniveau anhand des Manifestationsalters, so zeigte
sich in der Altersgruppe der EOS eine Tendenz zu einer schlechteren psychosozialen
Anpassung. Wie in Tabelle 31 dargestellt, zeigten 75 % der Patienten mit EOS eine
hervorragende bis gute psychosoziale Anpassung, bei den Patienten mit VEOS dagegen
wiesen nur 50 % der Fälle ein sehr gutes Anpassungsniveau auf. Die Altersgruppe der VEOS
zeigte im Mittel einen durchschnittlichen GAF-Wert von 62,1 (Standardabweichung ± 21,5,
Spannweite 22–90), die Altersgruppe der EOS zeigte einen durchschnittlich leicht höheren
Mittelwert von 69,4 (Standardabweichung ± 24,4, Spannweite 10–100). Es zeigten sich
jedoch im Mediantest keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Altersgruppen
(p = 0,47).
Tabelle 31: Verteilung des psychosozialen Funktionsniveaus zum Katamnesezeitpunkt eingeteilt
nach Altersgruppen (n = 32)
GAF
VEOS
n = 12
EOS
n = 20
Gesamt
n = 32
15 (75)
21 (65,6)
n (%)
hervorragend/
sehr gut/gut
6 (50)
54
Ergebnisse
mäßig/schlecht
4 (33,3)
2 (10)
6 (18,8)
sehr schlecht/
tiefgreifend beeinträchtigt
2 (16,7)
3 (15)
5 (15,6)
69,4 ± 24,4
(10–100)
66,6 ± 23,3
(10–100)
Mittel ± Std.
(Spannweite)
Mittelwert
psychosoziale
Anpassung
62,1 ± 21,5
(22–90)
Mediantest nicht signifikant
GAF = Global Assessment of Functioning, VEOS = Very Early Onset of Schizophrenia;
EOS = Early Onset of Schizophrenia
3.9
Schweregrad der Erkrankung zum Katamnesezeitpunkt (CGI)
Der Schweregrad der Erkrankung zum Katamnesezeitpunkt wurde anhand der CGI eingeschätzt und gliedert sich in sieben Kategorien. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren
16 Patienten (50 %) nicht krank oder ein Grenzfall psychiatrischer Erkrankung. Neun
Patienten (28,1 %) wurden als leicht oder mäßig krank eingestuft, und sechs Patienten
(18,8 %) fielen in die Kategorie deutlich krank oder schwer krank. Lediglich ein Patient
(3,3 %) gehörte zu den extrem schwer Kranken (Tabelle 32). Es ließen sich keine
signifikanten Unterschiede bezüglich der Geschlechter feststellen (Mediantest, p = 0,25).
Tabelle 32: Schweregrad der Erkrankung zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (n = 32),
eingeteilt nach Frauen und Männer
Schweregrad der
Erkrankung
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
n (%)
nicht krank
1 (11,1)
7 (30,4)
8 (25)
Grenzfall psychiatrischer
Erkrankung
2 (22,2)
6 (26,1)
8 (25)
leicht krank
2 (22,2)
2 (8,7)
4 (12,5)
mäßig krank
1 (11,1)
4 (17,4)
5 (15,6)
deutlich krank
2 (22,2)
1 (4,4)
3 (9,4)
schwer krank
0 (0)
3 (13,4)
3 (9,4)
1 (11,1)
0 (0)
1 (3,1)
extrem schwer krank
Mediantest nicht signifikant
Ergebnisse
55
Bei der Einteilung des Schweregrades anhand des Ersterkrankungsalters zeigten sich keine
signifikanten Unterschiede im Mediantest (p = 0,15). Eine detaillierte Beschreibung zeigt
Tabelle 33.
Tabelle 33: Schweregrad der Erkrankung zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung eingeteilt nach
den Altersgruppen VEOS und EOS (n = 32)
Schweregrad der
Erkrankung
VEOS
n = 12
EOS
n = 20
Gesamt
n (%)
nicht krank
1 (8,3)
7 (35)
8 (25)
Grenzfall psychiatrischer
Erkrankung
3 (25)
5 (25)
8 (25)
leicht krank
1 (8,3)
3 (15)
4 (12,5)
mäßig krank
4 (33,3)
1 (5)
5 (15,6)
deutlich krank
1 (8,3)
2 (10)
3 (9,4)
schwer krank
2 (16,7)
1 (5)
3 (9,4)
0 (0)
1 (5)
1 (3,1)
extrem schwer krank
Mediantest nicht signifikant
VEOS = Very Early Onset of Schizophrenia; EOS = Early Onset of Schizophrenia
3.10 Verlauf schizophrener Psychosen im Kindes- und Jugendalter
Der Verlauf, entsprechend ICD-10, der nachuntersuchten Stichprobe stellte sich wie folgt dar:
24 Patienten (75 %) zeigten eine vollständige oder unvollständige Remission der schizophrenen Psychose, während acht Patienten (25 %) eine chronische Verlaufsform aufwiesen.
Tabelle 34: Verlauf schizophrener Psychosen bei der untersuchten Stichprobe, nach
Geschlechtern aufgeteilt (n = 32)
Verlauf
Frauen
n=9
Männer
n = 23
Gesamt
n = 32
11 (47,8)
7 (30,4)
5 (21,7)
12 (37,5)
12 (37,5)
8 (25)
n (%)
Vollremission
Teilremission
chronisch
1 (11,1)
5 (55,6)
3 (33,3)
Exakter Test nach Fisher nicht signifikant
Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im exakten Test nach Fisher (p = 0,07)
bezüglich der Geschlechter, jedoch wiesen die Männer in der vorliegenden Stichprobe
56
Ergebnisse
deutlich häufiger eine Vollremission auf, während die Frauen eher einen schlechteren Verlauf
mit Teilremission hatten (Tabelle 34).
Vergleicht man die Art des Erkrankungsbeginns mit dem Verlauf der schizophrenen
Psychose so zeigte sich, dass Patienten mit einem akuten Beginn in 56,3 % vollständig
remittierten, während Patienten mit einem schleichenden Erkrankungsbeginn nur in 18,8 %
eine vollständige Remission zeigten (Tabelle 35). Betrachtet man den Fall eines chronischen
Verlaufs der schizophrenen Psychose, so ergab sich ebenfalls eine schlechtere Tendenz bei
Patienten mit einem schleichenden Krankheitsbeginn im Gegensatz zu einem akuten
Krankheitsbeginn.
Es zeigten sich allerdings im exakten Test nach Fisher keine signifikanten Unterschiede
bezüglich der Art des Krankheitsbeginns und dem Verlauf (p = 0,09).
Tabelle 35: Verlauf schizophrener Psychosen bei der untersuchten Stichprobe, eingeteilt nach
der Art des Erkrankungsbeginns (n = 32)
akuter Beginn
Verlauf
n =16
schleichender
Beginn
n =16
Gesamt
n =32
n (%)
vollständige
Remission
9 (56,3)
3 (18,8)
12 (37,5)
unvollständige
Remission
5 (31,3)
7 (43,8)
12 (37,7)
keine Remission
2 (12,5)
6 (37,5)
8 (25)
Exakter Test nach Fisher nicht signifikant
3.11 Charakteristika der ersten Episode der schizophrenen Psychose und ihre
Bedeutung für die Psychopathologie zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Im Folgenden wurden verschiedene Charakteristika der ersten Episode daraufhin untersucht,
ob sich in der vorliegenden Stichprobe statistisch ein Einfluss auf den psychopathologischen
Verlauf nachweisen lässt. Die Tabelle 36 stellt mögliche Einflussfaktoren auf den Verlauf der
Negativsymptome, gemessen anhand des SANS-Summenwertes, dar.
Die Art des Erkrankungsbeginns zeigte einen Einfluss auf den psychopathologischen
Verlauf der Negativsymptome. So wiesen Patienten mit einem akuten Beginn (n = 16) im
Mittel nur einen Summenwert von 4,3 (Standardabweichung ± 3,8, Spannweite 0–12) auf,
wohingegen Patienten mit einem schleichenden Beginn (n = 16) einen durchschnittlichen
Wert von 8,5 (Standardabweichung ± 4,5, Spannweite 1–16) zeigten. Es zeigte sich ein
signifikanter Unterschied im Mediantest mit einem p-Wert von 0,008.
Ergebnisse
57
Es lässt sich ebenfalls eine Beziehung zwischen der Dauer der ersten Episode und der
Ausprägung der Negativsymptomatik aufzeigen. Bei einer Dauer der ersten Episode von
weniger als sechs Monaten (n = 8) trat im Mittel ein Wert von 3,3 (Standardabweichung
± 3,6, Spannweite 0–9) auf, während bei Patienten, deren erste Episode länger als sechs
Monate war (n = 24), der durchschnittliche Summenscore 7,1 (Standardabweichung ± 4,7,
Spannweite 0–16) betrug. Es zeigte sich im Mediantest ein signifikantes Ergebnis mit einem
p-Wert von 0,02.
Das Vorhandensein von prämorbiden Auffälligkeiten, wie internalisierenden und/oder
externalisierenden Symptomen und/oder Entwicklungsverzögerungen, und der Negativsymptomatik zum Katamnesezeitpunkt wies keinen Zusammenhang auf. Patienten, bei denen
prämorbide Auffälligkeiten vorlagen (n = 21), zeigten im Mittel einen Summenscore von 7,3
(Standardabweichung ± 4,0, Spannweite 1–14). Bei Patienten ohne Nachweis von prämorbiden Auffälligkeiten (n = 11) zeigte sich allerdings ein im Schnitt niedrigerer Mittelwert
von 4,7 (Standardabweichung ± 5,4, Spannweite 0–16). Der Mediantest diesbezüglich war
nicht signifikant (p = 0,16).
Der geschätzte prämorbide Intelligenzquotient zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit der Ausprägung von negativen Symptomen. Patienten mit einem prämorbid
niedrigen IQ (n = 3) wiesen im Mittel einen sehr hohen Wert von 11,7 (Standardabweichung
± 2,1, Spannweite 10–14) auf, wohingegen Patienten mit einem durchschnittlichen IQ
(n = 20) einen Mittelwert von 6,8 (Standardabweichung ± 4,2, Spannweite 0–16) aufzeigten.
Patienten mit einem überdurchschnittlich hohen IQ (n = 9) hatten im Mittel nur einen
Summenwert von 3,7 (Standardabweichung ± 4,5, Spannweite 0–12). Der exakte Test nach
Fisher war mit einem p-Wert von 0,04 signifikant.
Als letztes Charakteristikum wurde der Zusammenhang mit der familiären Belastung
untersucht. Bei denjenigen Patienten, die in ihrer Familie eine Belastung mit Psychosen aus
dem schizophrenen Formenkreis vorwiesen (n = 9), zeigte sich eine durchschnittliche Anzahl
der Negativsymptome von 7,3 (Standardabweichung ± 3,6, Spannweite 2–12). Der Mittelwert
der Negativsymptome der Patienten ohne Vorhandensein von familiären Belastungen (n = 23)
war mit einer durchschnittlichen Anzahl von 6,0 (Standardabweichung ± 5,0, Spannweite 0–
16) niedriger. Es ergab sich kein signifikanter Zusammenhang für die vorliegende Stichprobe
im Mediantest (p = 0,35).
58
Ergebnisse
Tabelle 36: Verschiedene Charakteristika und ihr Einfluss auf den psychopathologischen Verlauf,
gemessen anhand des SANS-Summenwertes (n = 32)
Charakteristika
Anzahl
n
SANSSummenscore
Mittel ± Std.
(Spannweite)
weiblich
9
männlich
23
VEOS
12
EOS
20
Art des
Erkrankungsbeginn
s
akut
16
schleichend
16
Dauer der ersten
Episode
< 6 Monate
8
> 6 Monate
24
vorhanden
21
nicht vorhanden
11
115–129
9
114–85
20
84–70
3
vorhanden
9
nicht vorhanden
23
6,8 ± 4,2
(0–13)
6,2 ± 4,9
(0–16)
7,7 ± 5,0
(0–16)
5,6 ± 4,4
(0–14)
4,3 ± 3,8
(0–12)
8,5 ± 4,5
(1–16)
3,3 ± 3,6
(0–9)
7,1 ± 4,7
(0–16)
7,3 ± 4,0
(1–14)
4,7 ± 5,4
(0–16)
3,7 ± 4,5
(0–12)
6,8 ± 4,2
(0–16)
11,7 ± 2,1
(10–14)
7,3 ± 3,6
(2–12)
6,0 ± 5,0
(0–16)
Geschlecht
Ersterkrankungsalter
prämorbide
Auffälligkeiten
prämorbider IQ
familiäre Belastung
mit Schizophrenie
Merkmalsausprägung
p-Wert
0,89
(Mediantest)
0,13
(Mediantest)
0,008*
(Mediantest)
0,02*
(Mediantest)
0,16
(Mediantest)
0,04*
(exakter Test
nach Fisher)
0,35
(Mediantest)
*signifikant, p< 0,05
VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia
Es zeigt sich somit, dass Patienten weniger Negativsymptome haben, wenn die folgenden
Faktoren vorliegen: ein akuter Erkrankungsbeginn mit einer Dauer von weniger als vier
Wochen, eine kurze Dauer der ersten Episode der schizophrenen Psychose von weniger als
sechs Monaten und ein prämorbid als überdurchschnittlich geschätzter IQ. All diese Faktoren
erwiesen sich im Mediantest bzw. im exakten Test nach Fisher als positive Einflussfaktoren.
Betrachtet man dieselben Faktoren in Bezug auf die Positivsymptomatik, gemessen
anhand des Summenscores der SAPS, so lässt sich bei keinem Merkmal ein signifikantes
Ergebnis aufzeigen. Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse zeigt Tabelle 37.
Es lässt sich allerdings ein Trend in erwarteter Richtung aufzeigen, dass Patienten mit
einer Dauer der ersten Episode von mehr als sechs Monaten, dem Vorhandensein von
Ergebnisse
59
prämorbiden Auffälligkeiten und einem als niedrig eingeschätzten IQ eine höhere Belastung
mit Positivsymptomen aufweisen.
Tabelle 37: Verschiedene Charakteristika und ihr Einfluss auf den psychopathologischen Verlauf,
gemessen anhand des SAPS-Summenwertes (n = 32)
Charakteristika
Anzahl
n
SAPSSummenscore
Mittel ± Std.
(Spannweite)
weiblich
9
männlich
23
VEOS
12
EOS
20
Art des
Erkrankungsbeginn
s
akut
16
schleichend
16
Dauer der ersten
Episode
< 6 Monate
8
> 6 Monate
24
vorhanden
21
nicht vorhanden
11
115–129
9
114–85
20
84–70
3
vorhanden
9
nicht vorhanden
23
3,0 ± 5,4
(0–16)
1,9 ± 3,0
(0–11)
1,3 ± 2,2
(0–7)
2,7 ± 4,5
(0–16)
1,2 ± 2,0
(0–7)
3,2 ± 4,8
(1–16)
0,9 ± 1,6
(0–4)
2,6 ± 4,2
(0–16)
2,6 ± 4,3
(0–16)
1,5 ± 2,4
(0–8)
0,9 ± 1,4
(0–4)
2,3 ± 4,2
(0–16)
5,0 ± 5,6
(0–11)
1,9 ± 2,4
(0–7)
2,3 ± 4,2
(0–16)
Geschlecht
Ersterkrankungsalter
prämorbide
Auffälligkeiten
prämorbider IQ
familiäre Belastung
mit Schizophrenie
Merkmalsausprägung
p-Wert
0,96
(Mediantest)
0,86
(Mediantest)
0,48
(Mediantest)
0,16
(Mediantest)
0,16
(Mediantest)
0,17
(exakter Test
nach Fisher)
0,41
(Mediantest)
VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia
Bei der Untersuchung, ob es bezüglich der Charakteristika „Geschlecht“, „Ersterkrankungsalter“, „Art des Erkrankungsbeginn“, „Dauer der ersten Episode“, „prämorbide Auffälligkeiten“ und „prämorbider IQ“ sowie „familiäre Belastung mit einer Schizophrenie“ einen
Einfluss auf den psychopathologischen Verlauf der Gesamtsymptombelastung oder des
Depressions-Score der BPRS gibt, zeigten sich einige signifikante Zusammenhänge.
Es erwies sich als signifikant, dass Patienten mit einem als prämorbid überdurchschnittlich hoch geschätzten IQ eine geringere Belastung mit Symptomen anhand der BPRSGesamtsymptombelastung zeigten. Patienten mit einem als niedrig geschätzten prämorbiden
IQ (n = 3) zeigten im Mittel einen durchschnittlichen Wert von 39,3 (Standardabweichung
60
Ergebnisse
± 9,3, Spannweite 29–47), diejenigen Patienten mit einem durchschnittlichen IQ (n = 20)
wiesen einen Mittelwert von 30,7 (Standardabweichung ± 10,1, Spannweite 21–57) auf. In
der Gruppe der Patienten mit einem als überdurchschnittlich geschätzten IQ (n = 9) zeigte
sich dagegen ein niedrigerer Wert von 29,3 (Standardabweichung ± 8,8, Spannweite 19–43).
Der exakte Test nach Fisher zeigte einen signifikanten Unterschied mit einem p-Wert von
0,008.
Ein weiterer Einfluss auf die Symptombelastung ließ sich der Dauer der ersten Episode
beimessen. Betrug die Dauer der ersten Episode weniger als sechs Monate stellte sich eine
etwas niedrigere Symptombelastung anhand der BPRS-Gesamtsymptombelastung von 27,9
(Standardabweichung ± 8,0, Spannweite 19–43) dar, während Patienten mit einer Dauer der
ersten Episode von mehr als sechs Monaten (n = 24) einen höheren Mittelwert von 31,7
(Standardabweichung ± 10,3, Spannweite 19–57) zeigten. Es zeigte sich im Mediantest ein
signifikanter p-Wert von 0,04.
Die Dauer der ersten Episode zeigte ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die
Belastung mit depressiven Symptomen, die anhand des Depressions-Score der BPRS
gemessen wurde. Hier zeigte sich im Mediantest ein signifikanter p-Wert mit 0,03. Tabelle 38
zeigt die genauen Ergebnisse.
3
84–70
23
20
114–85
nicht vorhanden
9
115–129
9
11
nicht vorhanden
vorhanden
21
24
> 6 Monate
vorhanden
8
16
schleichend
< 6 Monate
16
20
EOS
akut
12
23
männlich
VEOS
9
Anzahl
n
weiblich
Merkmalsausprägung
BPRS-GesamtSummenscore
Mittel ± Std.
(Spannweite)
30,0 ± 10,2
(19–49)
31,5 ± 9,8
(19–57)
32,4 ± 8,1
(24–45)
30,3 ± 10,8
(19–57)
28,4 ± 7,5
(19–45)
33,8 ± 11,2
(20–57)
27,9 ± 8,0
(19–43)
31,7 ± 9,3
(19–57)
34,4 ± 10,1
(23–49)
31,5 ± 9,0
(21–49)
29,3 ± 8,8
(19–43)
30,7 ± 10,1
(21–57)
39,3 ± 9,3
(29–47)
31,1 ± 8,0
(21–45)
31,1 ± 10,5
(19–57)
*signifikant, p< 0,05; VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia
Familiäre
Belastung mit
Schizophrenie
Prämorbider IQ
Prämorbide
Auffälligkeiten
Dauer der ersten
Episode
Art des
Erkrankungsbeginns
Ersterkrankungsalter
Geschlecht
Charakteristika
0,25
(Mediantest)
0,008*
(exakter Test nach
Fisher)
0,77
(Mediantest)
0,04*
(Mediantest)
0,48
(Mediantest)
0,47
(Mediantest)
0,70
(Mediantest)
p-Wert
BPRSDepressionsscore
Mittel ± Std.
(Spannweite)
7,1 ± 2,7
(4–11)
7,7 ± 3,4
(4–14)
8,0 ± 3,0
(4–14)
7,3 ± 2,8
(4–13)
6,6 ± 2,9
(4–13)
8,6 ± 3,3
(4–14)
6,4 ± 2,8
(4–12)
7,6 ± 3,1
(4–14)
7,6 ± 3,3
(4–14)
7,5 ± 3,2
(4–13)
7,9 ± 4,0
(4–14)
6,9 ± 2,5
(4–13)
11,0 ± 3,6
(4–14)
7,8 ± 3,8
(4–14)
7,5 ± 3,0
(4–14)
0,93
(Mediantest)
0,61
(exakter Test nach
Fisher
0,38
(Mediantest)
0,03*
(Mediantest)
0,07
(Mediantest)
0,88
(Mediantest)
0,56
(Mediantest)
p-Wert
Tabelle 38: Verschiedene Charakteristika und ihr Einfluss auf den psychopathologischen Verlauf, gemessen anhand des BPRS-Summenwertes und
anhand des Depressionsscore (n = 32)
62
Ergebnisse
Zusammenfassend zeigt sich, dass Patienten eine geringe Gesamtsymptombelastung der
BPRS aufweisen, wenn die folgenden Faktoren vorliegen: eine kurze Dauer der ersten
Episode der schizophrenen Psychose von weniger als sechs Monaten und ein prämorbid als
überdurchschnittlich geschätzter IQ. Ein weiterer positiver Einflussfaktor in Bezug auf den
Verlauf der depressiven Symptome stellt eine Dauer der ersten Episode von weniger als sechs
Monate dar.
3.12 Beziehungen zwischen den abhängigen Variablen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Zur Untersuchung der linearen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen OutcomeVariablen wurden die Korrelationskoeffizienten nach Spearman berechnet. Der Korrelationskoeffizient dient als Maß für die Stärke eines monotonen Zusammenhangs und wurde für
jedes Paar der Outcome-Variablen berechnet. Somit konnte untersucht werden, inwiefern
Beziehungen zwischen den verschiedenen Outcome-Variablen bestehen. Um die Faktoren des
psychosozialen Funktionsniveaus zu bestimmen wurde der GAF eingeschlossen. Zur
Beschreibung der Psychopathologie wurde, wie in vorhergehenden Auswertungen, die BPRS
herangezogen. Hierbei wurde sowohl der Depressionsscore (Score 1) als auch der Gesamtscore (Score G) bestimmt. Zur Auswertung der positiven und negativen Symptome wurde der
jeweilige Gesamtscore der SAPS und SANS verwendet.
Betrachtet man die Beziehung zwischen der psychosozialen Anpassung und der
Symptombelastung, so zeigt sich zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung ein höchstsignifikanter Zusammenhang sowohl zwischen der Gesamtsymptombelastung anhand des
BPRS-Gesamtscore und der psychosozialen Anpassung anhand der GAF als auch zwischen
der Negativsymptomatik und der psychosozialen Anpassung. So korreliert eine schlechte
psychosoziale Anpassung mit einer höheren Belastung sowohl an negativen Symptomen als
auch mit einer höheren Belastung an Gesamtsymptomen.
Desweiteren weisen auch der Depressionsscore und die Positivsymptomatik eine
hochsignifikante Beziehung zum GAF auf (Tabelle 39). Es zeigt sich dabei eine Beziehung
zwischen einer hohen Belastung mit depressiven Symptomen bzw. positiven Symptomen und
einer schlechten psychosozialen Anpassung.
Ebenfalls zeigt sich eine höchstsignifikante Korrelation zwischen einer Belastung mit
depressiven Symptomen und der Gesamtbelastung mit Symptomen, zusätzlich lässt sich auch
eine signifikante Korrelation zwischen dem Vorliegen von depressiven Symptomen und
Positiv- und Negativsymptomen nachweisen, wobei die Korrelation zwischen negativer
Ergebnisse
63
Symptomatik und Depressivität weniger stark ausgeprägt ist als die Beziehung zwischen
depressiven Symptomen und positiver Symptomatik. So korreliert eine hohe Belastung mit
depressiven Symptomen sowohl mit einer hohen Belastung an Gesamtsymptomen als auch
mit einer hohen Belastung an negativen und positiven Symptomen.
Die Gesamtbelastung mit Symptomen korreliert hoch mit der Belastung mit positiven
und negativen Symptomen. Es besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen positiver
Symptomatik und negativer Symptomatik.
Alle Bereiche der Psychopathologie stehen ebenfalls in Beziehung mit der Gesamteinschätzung des Schweregrades der Erkrankung, gemessen anhand der CGI, davon korreliert
die Gesamteinschätzung des Schweregrades der Erkrankung (CGI) am engsten mit der
Gesamtsymptombelastung gemessen anhand des BPRS-Gesamtscore und der negativen
Symptomatik. Ein als nur „leicht krank“ eingeschätzter Patient zeigt somit eine weniger stark
ausgeprägte Psychopathologie als Patienten mit einer Schweregradeinschätzung „deutlich
krank“ oder „schwer krank“.
Am geringsten ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen positiven und negativen
Symptomen. Der engste Zusammenhang hingegen besteht zwischen psychosozialer Anpassung und dem Schweregrad der Erkrankung, hier misst man einen Korrelationskoeffizienten von r = –0,95, gefolgt von einem etwas niedrigeren Korrelationskoeffizienten
zwischen psychosozialer Anpassung und der Negativsymptomatik (r = –0,85). So korreliert
eine schlechte psychosoziale Anpassung sowohl mit einer deutlich gravierenderen Einschätzung des Schweregrades als auch mit einer hohen Belastung an negativen Symptomen.
64
Ergebnisse
Tabelle 39: Zusammenhänge zwischen den abhängigen Variablen für die nachuntersuchte
Stichprobe (n = 32)
CGI
GAF
DAS-M
Score 1
Score G
SANS
CGI
GAF
–0,95
****
DAS-M1
0,93
****
–0,92
****
Höchsterreichter
Schulabschlus
s1
–0,49
**
0,47
**
–0,45
*
Score 1
0,40
*
–0,46
**
n. s.
Score G
0,64
****
–0,66
****
0,60
***
0,74
****
SANS
0,80
****
–0,85
****
0,81
****
0,44
*
0,65
****
SAPS
0,55
**
–0,54
**
0,44
*
0,50
**
0,70
****
0,38
*
Korrelation nach Spearman: n. s. = nicht signifikant; *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001;
****p < 0,0001
CGI = Clinical
Global
Impression;
GAF = Global
Assessment
of
Functioning;
Score 1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating Scala; Score G = Gesamtscore der Brief
Psychiatric Rating Scale; SANS = Scale for the Assessment Negative Symptoms; SAPS = Scale
for the Assessment of Positive Symptoms; DAS-M = Disability Assessment ScheduleMannheimer Version
1
In dieser Arbeit wurde nicht näher auf die Zusammenhänge eingegangen, die sowohl zwischen
der Mannheimer Skala zur Einschätzung sozialer Behinderung (DAS-M) und der verschiedenen
Variablen bestehen, als auch nicht auf die Zusammenhänge, die zwischen dem höchsterreichten
Schulabschluss bestehen. Diese Auswertung ist Gegenstand der Arbeit von Katharina Bihlmaier.
Die diesbezüglich oben in der Tabelle ausgeführten Werte sind übernommen worden und dienen
nur der Vollständigkeit.
Zusätzlich wurden die linearen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Prognosefaktoren untersucht. Als Prognosefaktoren wurden die Charakteristika „Geschlecht“, „Ersterkrankungsalter“, „Art des Erkrankungsbeginns“, „Dauer der ersten Episode“, „prämorbide
Auffälligkeiten“, „prämorbider IQ“ und „familiäre Belastung“ herangezogen. Tabelle 40 zeigt
eine genauere Darstellung.
Ergebnisse
65
Es zeigt sich eine Korrelation zwischen einem frühen Ersterkrankungsalter und einem
niedrigen prämorbiden Intelligenzquotienten. Desweiteren lässt sich ein Zusammenhang
zwischen einem frühen Ersterkrankungsalter und dem Vorhandensein einer familiären
Belastung mit Erkrankungen einer schizophrenen Psychose aufzeigen. Beide Korrelationskoeffizienten weisen mit einem p-Wert < 0,05 einen signifikanten Zusammenhang auf.
Tabelle 40: Zusammenhänge zwischen den abhängigen Variablen Geschlecht,
Ersterkrankungsalter, Art des Erkrankungsbeginns, Dauer der ersten Episode, prämorbide
Auffälligkeiten, prämorbider IQ und familiäre Belastung für die nachuntersuchte Stichprobe
(n = 32)
Geschlecht
Ersterkrankungsalter
Art des
Erkrankungsbeginns
PrämorDauer der
bide
ersten
Auffälligke
Episode
iten
Prämorbider IQ
Geschlecht
Ersterkrankungsalter
n. s.
Art des
Erkrankungsbeginns
n. s.
Dauer der
ersten Episode
n. s.
n. s.
n. s.
n. s.
Prämorbide
Auffälligkeiten
n. s.
n. s.
n. s.
n. s.
Prämorbider IQ
n. s.
0,35
*
n. s.
n. s.
n. s.
Familiäre
Belastung
n. s.
- 0,37
*
n. s.
n. s.
n. s.
Korrelation nach Spearman: n. s. = nicht signifikant, *p < 0,05
n. s.
66
Ergebnisse
3.13 Medikamentöse Therapie der Gesamtstichprobe
Art der ersten neuroleptischen Medikation aufgrund einer schizophrenen Psychose
Alle 40 Patienten (100 %) erhielten eine neuroleptische Medikation. 28 Patienten (70 %) der
Gesamtstichprobe erhielten als erste neuroleptische Medikation ein klassisches Neuroleptikum aufgrund der schizophrenen Psychose, zwölf Patienten (30 %) ein atypisches Neuroleptikum. Die genaue Einteilung anhand der Wirkstoffe zeigt Tabelle 41.
Tabelle 41: Art und Häufigkeitsverteilung der ersten neuroleptischen Medikation aufgrund einer
schizophrenen Psychose in der Gesamtstichprobe, eingeteilt nach klassischen und atypischen
Neuroleptika (n = 40)
Wirkstoff
n (%)
klassische Neuroleptika
Benperidol
Chlorpromazin
Chlorprothixen
Flupentixol
Haloperidol
Melperon
Perazin
Perphenazin
Thioridazin
Zuclopenthixol
1 (2,5)
1 (2,5)
1 (2,5)
1 (2,5)
13 (32,5)
1 (2,5)
3 (7,5)
1 (2,5)
5 (12,5)
1 (2,5)
atypische Neuroleptika
Clozapin
Olanzapin
Risperidon
1 (2,5)
10 (25)
1 (2,5)
Anzahl der klassischen Neuroleptika, die bis zur ersten Gabe eines Atypikums
verabreicht wurden
In 30 % der Fälle (n = 12) wurde direkt ein atyptisches Neuroleptikum gegeben, 42,5 %
(n = 17) der Patienten erhielten zuerst ein klassisches Neuroleptikum bis zur ersten Gabe
eines Atypikums, bei den restlichen 27,5 % (n = 11) der Gesamtstichprobe wurden zwei oder
mehr als zwei klassische Neuroleptika verabreicht, bevor sie eine Atypikum bekamen. Im
Mittel erhielten die Patienten durchschnittlich 1,7 klassische Neuroleptika (Standardabweichung ± 7,0, Spannweite 0–6) bis zur ersten Gabe eines atypischen Neuroleptikum.
Kein Patient erhielt im Katamnesezeitraum nur klassische Neuroleptika.
Ergebnisse
67
Anzahl der Neuroleptika, die bis zur ersten Gabe von Clozapin verabreicht wurden
Zusätzlich wurde der Verlauf der Medikation für das atypische Neuroleptikum ausgewählt, da
Clozapin sowohl in den Leitlinien der DGKJPP (2003, 2007) als auch in den Leitlinien der
AACAP (2001) eine Sonderstellung bzw. eine Ausnahmeregel zukommt.
Ein Patient wurde direkt mit Clozapin behandelt, neun Patienten (22,5 %) erhielten vor
der ersten Clozapin-Gabe ein anderes Neuroleptikum und zehn Patienten (25 %) bekamen
zwei andere Präparate vor der ersten Clozapin-Gabe. In sieben Fällen (17,5 %) wurden vorher
zwischen drei und sechs andere Neuroleptika verabreicht. 13 Patienten (32,5 %) wurden
bisher nicht mit Clozapin behandelt. Im Mittel erhielten die Patienten durchschnittlich 2,2
Neuroleptika (Standardabweichung ± 6,3, Spannweite 0–6) bis zur ersten Gabe von Clozapin.
3-6
Präparate
17,5%
2 Präparate
25,0%
kein Clozapin
32,5%
1 Präparat
22,5%
direkt
2,5%
Abbildung 7: Anzahl der Neuroleptika, die bis zur ersten Gabe von Clozapin verabreicht wurden
Um eine Entscheidung über die Wirksamkeit von Clozapin treffen zu können, sollte gemäß
der Leitlinien (DGKJPP, AACAP) eine ausreichende Dauer von mindestens 3–6 Wochen
beibehalten werden. Von den Patienten, die im Verlauf der schizophrenen Psychose mit
Clozapin behandelt wurden, ist die von den Leitlinien empfohlene Dauer der Medikation von
mindestens 3–6 Wochen in allen Fällen eingehalten worden.
68
Ergebnisse
Medikation bei Entlassung aus der ersten stationären Behandlung aufgrund einer
schizophrenen Psychose
31 Patienten (77,5 %) nahmen bei Entlassung aus der ersten stationären Behandlung ein
atypisches und neun Patienten (22,5 %) ein klassisches Neuroleptikum ein. In den meisten
Fällen handelte es sich bei den Atypika dabei um Clozapin (55 %), während bei den
klassischen Neuroleptika am häufigsten Haloperidol (15 %) gegeben wurde (Tabelle 42).
Kein Patient wurde ohne neuroleptische Medikation entlassen.
Tabelle 42: Medikation bei Entlassung aus erster stationärer Behandlung, eingeteilt nach
klassischen und atypischen Neuroleptika (n = 40)
Medikation bei Entlassung aus erster
stationärer Behandlung
n (%)
Klassische Neuroleptika
Haloperidol
Perazin
Perphenazin
Zuclopentixol
6 (15)
1 (2,5)
1 (2,5)
1 (2,5)
Atypische Neuroleptika
Clozapin
Olanzapin
Risperidon
22 (55)
6 (15)
3 (7,5)
Medikation zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Die neuroleptische Medikation zum Zeitpunkt der Katamnese sah wie folgt aus: 22 Patienten
(68,8 %) nahmen ein atypisches Neuroleptikum und nur ein Patient (3,1 %) nahm ein
klassisches Neuroleptikum ein. In neun Fällen (28,1 %) wurden gar keine neuroleptischen
Medikamente mehr eingenommen. Einen genaueren Überblick über die verschiedenen
Präparate zeigt die folgende Tabelle.
Tabelle 43: Medikation der nachuntersuchten Stichprobe zum Katamnesezeitpunkt, eingeteilt
nach klassischen und atypischen Neuroleptika (n = 32)
Medikation zum Katamnesezeitpunkt
n (%)
Atypische Neuroleptika
Amisulprid
Aripiprazol
Clozapin
Olanzapin
Quetiapin
Risperidon
Ziprasidon
2 (6,3)
2 (6,3)
11 (34,4)
2 (6,3)
2 (6,3)
1 (3,1)
2 (6,3)
Klassische Neuroleptika
Perazin
keine
1 (3,1)
9 (28,1)
Ergebnisse
69
Durchschnittliche Dosierung
Die durchschnittliche Erhaltungsdosis aller jemals verabreichten Präparate vom Beginn der
ersten neuroleptischen Medikation bis zum Katamnesezeitpunkt zeigte sich wie folgt:
Tabelle 44: Durchschnittliche Dosierung in mg/d aller jemals verabreichten Medikamente in der
Gesamtstichprobe, eingeteilt nach klassischen und atypischen Neuroleptika (n = 40)
Präparat
Anzahl
n
Mittel ± Std.
(Spannweite)
[mg/d]
Klassische Neuroleptika
Benperidol
7
Chlorprothixen
3
Flupentixol
2
Haloperidol
29
Levomepromazin
3
Melperon
1
Perazin
7
Perphenazin
4
Pipamperon
1
Thioridazin
6
Zuclopenthixol
3
14 ± 9,5)
(4–24)
60 ± 0
(60–60)
4±0
(4–4)
12,5 ± 9,4
(3–45)
135 ± 143
(35–300)
100
187,5 ± 84,7
(75–300)
18 ± 8,3
(8–24)
40
170 ± 139,6
(50–400)
10 ± 0
(10–10)
Atypische Neuroleptika
Amisulprid
4
Aripiprazol
2
Clozapin
34
Olanzapin
25
Risperidon
13
Quetiapin
4
Ziprasidon
4
500 ± 175,6
(250–600)
17,5 ± 3,5
(15–20)
362,5 ± 148,6
(75–770)
13 ± 7,8
(2,5–25)
4,2 ± 1,9
(2–8)
50 ± 0
(50–50)
120 ± 61,1
(40–160)
Rezidivprophylaxe
Bei 18 Patienten der nachuntersuchten Stichprobe (56,3 %) wurde die Rezidivprophylaxe
andauernd gegeben. Die durchschnittliche Dauer der Rezidivprophylaxe betrug dabei bis zum
70
Ergebnisse
Zeitpunkt der Katamnese im Mittel 7,8 Jahre (Standardabweichung ± 1,6, Spannweite 5,8–
12,8). Sechs Patienten (18,8 %) wiesen eine intermittierende Rezidivprophylaxe auf. Davon
hatten zum Katamnesezeitpunkt immer noch fünf Patienten (15,6 %), nach einem passageren
Absetzen mit Rezidiv, eine erneute andauernde Rezidivprophylaxe. Bei einem Patienten
(3,1 %) war die intermittierende Rezidivprophylaxe beendet worden. Die Dauer der
Prophylaxe
bis
zum
zwischenzeitlichen
Absetzen dauerte
im
Mittel 2,7
Jahre
(Standardabweichung ± 0,9, Spannweite 2–2,8 Jahre).
Bei den Patienten, bei denen die Rezidivprophylaxe bis zum Katamnesezeitpunkt
andauernd, beendet wurde, zeigte sich eine durchschnittliche Dauer der Rezidivprophylaxe
von zwei Jahren (Standardabweichung ± 1,6, Spannweite 0,2–4,9 Jahre). Diese acht Patienten
(25 %) waren im Schnitt seit 5,4 Jahren (Standardabweichung ± 1,5, Spannweite 3–7,8 Jahre)
ohne Medikation. Tabelle 45 gibt einen genaueren Überblick.
Tabelle 45: Dauer der Rezidivprophylaxe in der nachuntersuchten Stichprobe (n = 32)
n (%)
Mittelwert ± Std.
(Spannweite)
[Jahre]
andauernd
18 (56,3)
7,8 ± 1,6
(5,8–12,8)
intermittierend, aber immer
noch andauernd
5 (15,6)
2,7 ± 0,9
(2–2,8)
intermittierend, aber beendet
1 (3,1)
1,9
beendet:
- Dauer der Prophylaxe
8 (25)
Rezidivprophylaxe/
Subgruppen
- Zeit ohne Medikation
2,0 ± 1,6
(0,2–4,9)
5,4 ± 1,5
(3–7,8)
Im Folgenden wurden drei verschiedene Gruppen betrachtet:
a)
Patienten, die zum Katamnesezeitpunkt eine Rezidivprophylaxe erfolgreich
beendet hatten (n = 8; Gruppe A),
b)
Patienten mit Rezidiv nach Absetzen (n = 6; Gruppe B) sowie
c)
Patienten, die eine durchgehende Rezidivprophylaxe hatten (n = 18; Gruppe C).
Dabei wurden Unterschiede bezüglich der Merkmale „Geschlecht“, „Alter bei Erkrankungsbeginn“, „Art des Erkrankungsbeginns“, „Dauer der ersten Episode“, „prämorbide Auffälligkeiten“, „prämorbider IQ“ und „familiäre Belastung mit einer schizophrenen Psychose“
überprüft (Tabelle 46).
Es zeigte sich, dass die Patienten aus Gruppe A häufiger einen akuten Erkrankungsbeginn (n = 5, 62,5 %, p = 0,23 im exakten Test nach Fisher), keine prämorbiden Auffällig-
Ergebnisse
71
keiten (n = 5, 62,5 %, p = 0,35 im exakten Test nach Fisher), keine familiäre Belastung mit
schizophrenen Psychosen (n = 8, 100 %, p = 0,12 im exakten Test nach Fisher) und einen
prämorbid als überdurchschnittlich geschätzten IQ (n = 5, 62,5 %, p = 0,06 im exakten Test
nach Fisher) aufwiesen.
Die Patienten der Gruppen B und C unterschieden sich untereinander nicht signifikant
hinsichtlich ihrer Merkmale. Bei diesen beiden Gruppen zeigte sich eine Tendenz zu einer
Dauer der ersten Episode von mehr als sechs Monaten (Gruppe B: n = 5, 83,3 %; Gruppe C:
n = 15, 83,3 %, p = 0,09 im exakten Test nach Fisher), dem Vorhandensein prämorbider
Auffälligkeiten (Gruppe B: n = 5, 83,3 %; Gruppe C: n = 13, 72,2 %, p = 0,35 im exakten
Test nach Fisher) und einem prämorbid durchschnittlichen IQ (Gruppe B: n = 3, 50 %;
Gruppe C: n = 14, 77,8 %, p = 0,06 im exakten Test nach Fisher). Patienten der Gruppe B
wiesen zusätzlich eine Neigung zu einem schleichenden Erkrankungsbeginn auf (n = 5,
83,3 %, p = 0,23 im exakten Test nach Fisher).
Tabelle 46: Verschiedene Merkmale und ihre Ausprägungen in den Gruppen A, B und C;
Gruppe A = Patienten, die ihre Rezidivprophylaxe erfolgreich beendet hatten (n = 8);
Gruppe B = Patienten, die ein Rezidiv nach Absetzen der Rezidivprophylaxe hatten (n = 6);
Gruppe C = Patienten, die zum Katamnesezeitpunkt immer noch eine andauernde
Rezidivprophylaxe einnahmen (n = 18)
p-Wert
(exakter
Test nach
Fisher)
Gruppe A
n=8
Gruppe B
n=6
Gruppe C
n = 18
n (%)
n (%)
n (%)
weiblich
männlich
1 (12,5)
7 (87,5)
3 (50)
3 (50)
5 (27,8)
13 (72,2)
VEOS
EOS
3 (37,5)
5 (62,5)
2 (33,3)
4 (66,7)
7 (38,9)
11 (61,1)
Art des
Erkrankungsbeginns
akut
schleichend
5 (62,5)
3 (37,5)
1 (16,7)
5 (83,3)
10 (55,6)
8 (44,4)
0,23
Dauer der
ersten Episode
< 6 Monate
> 6 Monate
4 (50)
4 (50)
1 (16,7)
5 (83,3)
3 (16,7)
15 (83,3)
0,09
prämorbide
Auffälligkeiten
vorhanden
nicht vorhanden
3 (37,5)
5 (62,5)
5 (83,3)
1 (16,7)
13 (72,2)
5 (27,8)
0,35
prämorbider IQ
115–129
114–85
84–70
5 (62,5)
3 (37,5)
0 (0)
2 (33,3)
3 (50)
1 (16,7)
2 (11,1)
14 (77,8)
2 (11,1)
0,06
familiäre
Belastung
vorhanden
nicht vorhanden
0 (0)
8 (100)
2 (33,3)
4 (66,7)
7 (38,9)
11 (61,1)
0,12
Merkmal
Geschlecht
Ersterkrankungsalter
Merkmalsausprägung
VEOS = Very Early Onset Schizophrenia; EOS = Early Onset Schizophrenia
0,37
1,0
72
Ergebnisse
Rückfallraten in Abhängigkeit von der Dauer der Rezidivprophylaxe
Es zeigt sich, dass die Rückfallrate von der Dauer der Rezidivprophylaxe abhängt. Ein
Rückfall wurde in diesem Fall so definiert, dass nach Absetzten der Medikation im Verlauf
der Erkrankung wieder eine erneute Medikation erforderlich war. Es lagen allerdings weder
Informationen darüber vor, welcher Grund für das Absetzen der Medikation vorlag, noch ob
die erneute Medikation aufgrund einer Verschlechterung der psychotischen Symptomatik
erfolgt war. Es ist also lediglich bekannt, dass es im Verlauf der Erkrankung ein Intervall gab,
das frei von einer neuroleptischen Medikation war, bevor erneut ein Neuroleptikum
eingenommen wurde.
Bei den 25 Patienten (78,1 %), die eine Rezidivprophylaxe über eine Dauer von zwei
Jahren oder länger nahmen, zeigte sich nur in drei Fällen (12 %) ein Rückfall, 22 Patienten
(88 %) hatten keinen Rückfall, nach der oben genannten Definition. Sieben Patienten
(21,9 %) nahmen eine Rezidivprophylaxe weniger als zwei Jahre ein. Davon kam es in drei
von sieben Fällen (42,9 %) zu einem Rückfall.
Tabelle 47: Rückfallraten in Abhängigkeit von der Dauer der Rezidivprophylaxe in der
nachuntersuchten Stichprobe (n = 32), keine weiteren Angaben zur Statistik
Dauer der
Prophylaxe
≤ 2 Jahre
> 2 Jahre
Rückfälle
n (%)
keine Rückfälle
n (%)
Gesamt
n = 32
3 (42,9)
3 (12)
4 (57,1)
22 (88)
7
25
Rezidivprophylaxe und Psychopathologie in der nachuntersuchten Stichprobe
Im Folgenden wurde untersucht, ob die verschiedenen Subtypen der Rezidivprophylaxe eine
Auswirkung auf das psychosoziale Anpassungsniveau und die Psychopathologie haben. Die
psychosoziale Anpassung wurde anhand des GAF beurteilt, die Psychopathologie wurde
anhand der Instrumente SANS, SAPS, BPRS-G und BPRS-1 geprüft.
Wie in Tabelle 48 dargestellt zeigte sich, dass die Patienten, die immer noch eine
andauernde Rezidivprophylaxe einnahmen, einen niedrigeren GAF-Mittelwert von 57,6
(Standardabweichung ± 23,5, Spannweite 10–90) erreichten, als Patienten, deren Rezidivprophylaxe bereits beendet wurde. Diese wiesen im Mittel einen deutlich höheren GAF-Wert
von 85,1 (Standardabweichung ± 16,9, Spannweite 45–100) auf. Es zeigte sich ein
signifikanter Unterschied im Chi²-Test (p = 0,02). Bei der statistischen Auswertung im Chi²Test wurde der eine Patient, der eine intermittierende, aber zum Katamnesezeitpunkt beendete
Rezidivprophylaxe hatte, nicht miteinbezogen.
Ergebnisse
73
Die Auswertungen bezüglich der Psychopathologie lieferten folgende Ergebnisse. Die
Belastung mit negativen Symptomen bei Patienten mit einer noch andauernden Rezidivprophylaxe war mit einem Summenscore von durchschnittlich 7,6 (Standardabweichung ± 4,
Spannweite 2–14) höher, als bei Patienten, die zum Katamnesezeitpunkt keine neuroleptische
Medikation mehr einnahmen. Diese zeigten eine niedrigere Belastung mit Negativsymptomen
von im Mittel 3,1 (Standardabweichung ± 5,4, Spannweite 0–16). Im Chi²-Test zeigten sich
keine signifikanten Ergebnisse (p = 0,07). Eine ausführliche Darstellung zeigt Tabelle 48.
Tabelle 48: Rezidivprophylaxe und Psychopathologie in der nachuntersuchten Stichprobe in der
nachuntersuchten Stichprobe (n = 32)
Art der Rezidivprophylaxe
andauernd
intermittierend,
aber beendet
intermittierend,
aber andauernd
beendet
n
18
GAF
Summenscore
Mittel ± Std.
(Spannweite)
57,6 ± 23,5
7,6 ± 4,0
(10–90)
(2–14)
1
5
8
SANS
SAPS
BPRS-G
BPRS-1
3,6 ± 4,5
(0–16)
33,3 ± 10,6
(21–57)
8,1 ± 3,5
(4–14)
70
6
0
23
4
69,0 ± 17,1
(45–90)
85,1 ± 16,9
(45–100)
7,4 ± 4,2
(1–12)
3,1 ± 5,4
(0–16)
0±0
(0–0)
0,8 ± 1,4
(0–4)
26,0 ± 4,1
(20–30)
30,1 ± 9,7
(19–44)
6,6 ± 1,7
(5–9)
7,5 ± 3,4
(4–13)
0,02*
0,07
0,07
0,31
0,67
p-Wert
(Chi²-Test)
*Chi²-Test signifikant, p< 0,05
Anmerkung: Bei der statistischen Auswertung mittels Chi²-Tests wurde der eine Patient, der eine
intermittierende, aber beendete Rezidivprophylaxe erhalten hatte, nicht miteinbezogen.
GAF = Global Assessment of Functioning; SANS = Scale für the Assessment of Negative
Symptoms; SAPS = Scale for the Assessment of Positive Symptoms; BPRS-G = Gesamtscore
der Brief Psychiatric Rating Scale; BPRS-1 = Depressionsscore der Brief Psychiatric Rating
Scale
Stabilität der Medikation zwischen stationärer Entlassung und Katamnesezeitpunkt
Die Stabilität der Medikation zwischen der stationären Entlassung und dem Zeitpunkt der
Nachuntersuchung anhand der drei Atypika Clozapin, Olanzapin und Risperidon und dem
klassischen Neuroleptikum Haloperidol zeigte sich wie folgt:
74
Ergebnisse
Tabelle 49: Stabilität der Medikation zwischen stationärer Entlassung und Katamnesezeitpunkt
der nachuntersuchten Stichprobe (n = 32)
Art des NL
Medikation
entspricht
Entlassmedikation
Clozapin
Olanzapin
Risperidon
Haloperidol
7 (46,6)
1 (14,3)
0 (0)
0 (0)
Gabe eines
anderen
Atypikums
n (%)
6 (40)
4 (57,1)
3 (60)
4 (80)
Medikation stabil
abgesetzt
Gesamt
n = 32
2 (13,3)
2 (28,6)
2 (40)
1 (20)
15 (46,9)
7 (21,9)
5 (15,6)
5 (15,6)
NL = Neuroleptikum
Die Medikamente Clozapin, Olanzapin, Risperidon und Haloperidol wurden in diesem Fall
ausgewählt, da nur bei diesen Präparaten eine ausreichende Anzahl an Nennungen vorlag, auf
die bezüglich der Frage der Stabilität der Medikation in der vorliegenden Stichprobe Bezug
genommen werden konnte.
Es zeigte sich, dass bei den Patienten, die bei Entlassung aus erster stationärer Behandlung Clozapin bekommen hatten, zum Katamnesezeitpunkt noch 46,6 % dieses Medikament
einnahmen. In 13,3 % wurde die Medikation unter Clozapin stabil abgesetzt, und in 40 %
wurde ein anderes Atypikum verordnet. Über den Grund des Absetzens lagen keine näheren
Informationen vor. Die Stabilität bei der Gabe von Olanzapin zum Entlasszeitpunkt war mit
14,3 % geringer. 57,1 % erhielten ein anderes atypisches Neuroleptikum, und in 28,6 %
konnte Olanzapin stabil abgesetzt werden. Unter Risperidon wurde die Medikation am
häufigsten stabil abgesetzt (40 %), in 60 % wurde die Medikation umgesetzt. Haloperidol
wurde zum Katamnesezeitpunkt in keinem Fall mehr eingenommen, in 80 % wurde das
Medikament umgesetzt und in 20 % wurde Haloperidol stabil abgesetzt.
Bei der Untersuchung, ob sich die Patienten, die entweder Clozapin, Olanzapin,
Risperidon oder Haloperidol bei Entlassung aus erster stationärer Behandlung erhalten hatten
bezüglich ihrer Merkmale unterscheiden, zeigten sich nachfolgende Ergebnisse. Es wurden
die Merkmale „Geschlecht“, „Alter bei Erkrankungsbeginn“, „Art des Erkrankungsbeginns“,
„Dauer der ersten Episode“, „prämorbide Auffälligkeiten“, „prämorbider IQ“ und „familiäre
Belastung mit einer schizophrenen Psychose“ überprüft (Tabelle 50).
Es zeigte sich, dass Patienten, die bei Entlassung aus erster stationärer Behandlung mit
Clozapin behandelt wurden, eine Dauer der ersten Episode von länger als sechs Monaten
aufwiesen (n = 14, 93,3 %). Der exakte Test nach Fisher war mit einem p-Wert von 0,02
signifikant. Patienten, die bei Entlassung aus erster stationärer Behandlung Olanzapin
einnahmen, waren bei Ersterkrankung alle (n = 7, 100 %) älter als 14 Jahre (EOS). Der exakte
Test nach Fisher war allerdings nicht signifikant (p = 0,10).
Ergebnisse
75
Tabelle 50: Verschiedene Merkmale und ihre Ausprägung bei denjenigen Patienten, die bei
Entlassung aus erster stationärer Behandlung entweder Clozapin (n = 15) oder Olanzapin (n = 7)
oder Risperidon (n = 5) oder Haloperidol (n = 5) einnahmen
Merkmal und
Merkmalsausprägung
p-Wert
(exakter
Test nach
Fisher)
Clozapin
n = 15
Olanzapin
n=7
Risperidon
n=5
Haloperidol
n=5
n (%)
n (%)
n (%)
n (%)
4 (26,7)
11 (73,3)
4 (57,1)
3 (42,9)
0 (0)
5 (100)
1 (20)
4 (80)
0,22
7 (46,7)
8 (53,3)
0 (0)
7 (100)
2 (40)
3 (60)
3 (60)
2 (40)
0,10
5 (33,3)
10 (66,7)
5 (71,4)
2 (28,6)
4 (80)
1 (20)
3 (60)
2 (40)
0,21
< 6 Monate
> 6 Monate
1 (6,7)
14 (93,3)
3 (42,9)
4 (57,1)
2 (40)
3 (60)
2 (40)
3 (60)
0,02*
prämorbide
Auffälligkeiten
vorhanden
nicht vorhanden
10 (66,7)
5 (33,3)
5 (71,4)
2 (28,6)
3 (60)
2 (40)
3 (60)
2 (40)
0,37
prämorbider IQ
115–129
114–85
84–70
3 (20)
10 (66,7)
2 (13,3)
2 (28,6)
5 (71,4)
0 (0)
1 (20)
4 (80)
0 (0)
3 (60)
1 (20)
1 (20)
0,43
6 (40)
9 (60)
0 (0)
7 (100)
2 (40)
3 (60)
1 (20)
4 (80)
0,24
Geschlecht
weiblich
männlich
Alter bei Beginn
VEOS
EOS
Art des Beginns
akut
schleichend
Dauer 1. Episode
familiäre Belastung
vorhanden
nicht vorhanden
*Exakter Test nach Fisher signifikant, p< 0,05
Zeitdauer zwischen erstem Auftreten von Symptomen einer Schizophrenie und
neuroleptischer Behandlung
28 Patienten (70 %) erhielten innerhalb eines Jahres nach Beginn schizophrenietypischer
Symptome Neuroleptika. Bei den restlichen zwölf Patienten (30 %) dauerte es vom Beginn
76
Ergebnisse
schizophrenietypischer Symptome bis zur ersten Behandlung mit Neuroleptika zwischen
einem und sechs Jahre. Zeigten die Patienten bereits produktive Symptome wurden 38
Patienten (95 %) innerhalb eines Jahres mit Neuroleptika behandelt. Bei einem Patienten
(2,5 %) dauerte es 1,3 Jahre und bei einem Patienten (2,5 %) 5,7 Jahre bis zur ersten neuroleptischen Behandlung. 18 Patienten (45 %) erhielten am Tag der erster stationärer Aufnahme
aufgrund der Schizophrenie ihre erste neuroleptische Medikation, vier Patienten (10 %)
innerhalb der ersten vier Wochen nach erster stationärer Aufnahme und 18 Patienten (45 %)
hatten bereits vor Aufnahme schon eine neuroleptische Medikation begonnen.
Die nachfolgende Tabelle enthält eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen
Zeitdauern bezüglich erster Auffälligkeiten bzw. Symptome bis zur ersten neuroleptischen
Behandlung. Im Mediantest zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern
und Frauen.
Tabelle 51: Charakteristika der Gesamtstichprobe bezüglich der Dauer bis zur ersten
neuroleptischen Behandlung (n = 40)
Frauen
n = 10
Männer
n = 30
Gesamt
n = 40
Mediantest
1,0 ± 1,8
(0,0–5,7)
1,1 ± 1,6
(0,0–5,8)
1,1 ± 1,6
(0,0–5,8)
p = 0,47
0,6 ± 1,8
(–0,2–5,7) ¹
0,1 ± 0,3
(–0,2–1,3) ¹
0,2 ± 0,9
(–0,2–5,7) ¹
p = 0,15
1,1 ±1,7
(0,0–5,6)
1,2 ± 1,6
(0,0–5,8)
1,2 ± 1,6
(0,0–5,8)
p = 0,15
0,0 ± 0,1
(–0,3–0,1)²
–0,1 ± 0,2
(–0,7–0,1) ²
–0,1 ± 0,2
(–0,7–0,1) ²
p = 0,66
Mittel ± Std.
(Spannweite)
[Jahre]
Dauer zwischen ersten Anzeichen einer
Schizophrenie und erster
neuroleptischer Behandlung
Dauer zwischen ersten produktiven
Symptomen und erster
neuroleptischer Behandlung
Dauer zwischen ersten Anzeichen einer
Schizophrenie und erster
stationärer Aufnahme
Dauer zwischen erster stationärer
Aufnahme wegen Schizophrenie und
erster neuroleptischer
Behandlung
¹ Negative Werte bedeuten, dass die ersten produktiven Symptome nach Beginn der ersten
neuroleptischen Medikation aufgetreten sind.
² Negative Werte bedeuten in diesem Fall, dass die erste neuroleptische Medikation schon vor
der stationären Aufnahme erfolgte.
Negative Symptome waren im Mittel schon 382,2 Tage (Standardabweichung ± 552,7,
Spannweite 0–1973) vor Beginn der ersten neuroleptischen Medikation vorhanden, und
positive Symptome traten durchschnittlich 237,7 Tage (Standardabweichung ± 472,4,
Ergebnisse
77
Spannweite 0–2128) vor Beginn der ersten Medikation auf. Es zeigten sich im Mediantest
keine signifikanten Unterschiede zwischen Männer und Frauen bezüglich der Dauer der
unbehandelten Psychose (p = 0,47).
Den zeitlichen Abstand zwischen dem Auftreten der ersten positiven bzw. negativen
Symptome und der ersten neuroleptischen Medikation zeigt Abbildung 8. Es wird deutlich,
dass sowohl bei positiven als auch bei negativen Symptomen die überwiegende Anzahl der
Patienten innerhalb eines Jahres mit einer neuroleptischen Medikation behandelt wird.
Dennoch fanden sich auch Patienten, deren Positiv- und Negativsymptomatik bereits bis zu
sechs Jahre vor der ersten neuroleptischen Medikation bestand.
40
p o s itiv e S y m p to m a tik
35
n e g a tiv e S y m p to m a tik
25
20
15
Anzahl der Patienten
30
10
5
0
- 6 ,0
- 5 ,0
-4 ,0
-3 ,0
- 2,0
-1 ,0
0 ,0
D a u e r d e r S y m p to m a tik in J a h re n
Abbildung 8: Zeitlicher Abstand (in Jahren) zwischen dem Auftreten der ersten positiven bzw.
negativen Symptome und der ersten neuroleptischen Medikation (= Zeitpunkt 0) wegen der
schizophrenen Psychose (n = 40)
32 Patienten der Gesamtstichprobe (80 %) wurden bis zum Katamnesezeitpunkt im Verlauf
der schizophrenen Psychose mit einem Atypikum behandelt, davon 23 Patienten (57,5 %) im
Verlauf mit Clozapin. Die Dauer von der ersten Gabe eines Neuroleptikum bis zur ersten
Gabe eines Atypikum bzw. Clozapin zeigt Tabelle 52.
78
Ergebnisse
Tabelle 52: Dauer der ersten neuroleptischen Behandlung bis zur ersten Gabe eines Atypikum
bzw. Clozapin
Mittel
[Tagen]
Std.
[Tagen]
Spannweite
[Tagen]
Dauer der ersten neuroleptischen
Behandlung bis zur ersten
Behandlung mit einem Atypikum
(n = 32)
36,8
52,1
0–229
Dauer der ersten neuroleptischen
Behandlung bis zur ersten
Behandlung mit Clozapin (n = 23)
116,0
145,9
0–576
In der Gesamtstichprobe wurden insgesamt 32 Patienten im Verlauf mit einem Atypikum
behandelt, davon 23 Patienten mit Clozapin.
Gründe für das Absetzen des ersten Neuroleptikum
Der häufigste Grund für das Absetzen des ersten verabreichten Neuroleptikum war in 62,5 %
der Fälle (27 Nennungen) die mangelnde Wirksamkeit des Präparates (Tabelle 53). In 32,5 %
der Fälle wurde die Medikation aufgrund von Nebenwirkungen und in 7,5 % der Fälle wegen
mangelnder Compliance oder fehlender Krankheitseinsicht abgesetzt. Nur in einem Fall
wurde die erste medikamentöse Behandlung regulär abgeschlossen. Die beschriebenen
Angaben beziehen Mehrfachnennungen und Kombinationen als Gründe für einen Wechsel
oder Abbruch der Medikation mit ein.
Tabelle 53: Gründe für Wechsel/Abbruch der ersten Medikation in der Gesamtstichprobe (n = 40)
Gründe für
Wechsel/Abbruch der
ersten Medikation
n
%
mangelnde Wirksamkeit
27
67,5
Nebenwirkungen
13
32,5
fehlende Krankheitseinsicht/
Compliance
3
7,5
regulärerer Abschluss
1
2,5
andere Gründe
5
12,5
unbekannt
3
7,5
Mehrfachnennungen und Kombinationen mit eingeschlossen
4
Diskussion
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Verlauf schizophrener Psychosen im Kindes- und
Jugendalter zu untersuchen. Die Klassifikation der Schizophrenie zum Katamnesezeitpunkt
erfolgte nach einheitlichen diagnostischen Kriterien (ICD-10, DSM-IV), für die Beurteilung
des Verlaufs wurden anhand zahlreicher Untersuchungsinstrumente definierte Kriterien
angewandt (Instrument for the Retrospective Assessment of the Onset of Schizophrenia nach
Häfner (1992), modifiziert nach Remschmidt (1994); Scale for the Assessment of Positive
and Negative Symptoms nach Andreasen (1984); Brief Psychiatric Rating Scale nach Overall
und Gorham (1962); Global Assessment of Functioning nach der American Psychiatric
Association (1994); Clinical Global Impression nach Guy (1976)). Den Schwerpunkt dieser
Nachuntersuchung bildeten die Beurteilung der Entwicklung der Psychopathologie und die
medikamentöse Behandlung im Verlauf und zum Katamnesezeitpunkt.
Von den in diese Studie aufgenommenen Patienten konnten 80 % nachuntersucht
werden. Dies entspricht nach Hsu einer exzellenten Nachuntersuchungsrate (Hsu, 1990). Die
Dauer der Erkrankung bis zum Zeitpunkt der Katamnese betrug im Mittel 8,3 Jahre. Es
konnten wichtige prognostische Faktoren für den Krankheitsverlauf evaluiert werden.
Allerdings sollte auf einige Einschränkungen hingewiesen werden:
Es handelt sich um eine relativ kleine Stichprobe von 40 Patienten. Somit ist nicht
immer eine gute Vergleichbarkeit mit anderen Studien gewährleistet, die größere Fallzahlen
untersuchten (z. B. n = 101 bei Fleischhaker et al. (2005) bzw. n = 96 bei Lay et al. (2000)).
Einige Patienten waren bereits in einer anderen Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt
worden, bevor sie in die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Freiburg
aufgenommen wurden. Desweiteren waren die Therapien, die auf den stationären Aufenthalt
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Freiburg folgten, sehr heterogen. Eine weitere
Einschränkung besteht darin, dass für die vorliegende Auswertung nur Querschnittsdaten zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung vorlagen. Somit konnten nur diese Daten für die
Auswertung des psychosozialen Funktionsniveaus und die Beurteilung der Psychopathologie
verwendet werden.
Als Stärke der vorliegenden Untersuchung lassen sich folgende Punkte benennen: Der
Anteil der nachuntersuchten Patienten ist mit 80 % relativ hoch, im Vergleich dazu beträgt
der Anteil in der Katamnese von Remschmidt et al. (2007), die anhand der Instrumente
SANS, SAPS und BPRS nachuntersucht wurden, nur 42,1 %, in der Katamnese von
80
Diskussion
Fleischhaker et al. (2005) 57,4 %. Zusätzlich kann man in der vorliegenden Stichprobe einen
Vergleich bezüglich des Ersterkrankungsalters machen. Die beiden Gruppen der Very-EarlyOnset-Schizophrenia (VEOS) und der Early-Onset-Schizophrenia (EOS) verteilten sich
annähernd gleich, so dass die Ergebnisse bezüglich eines Unterschiedes zwischen den beiden
Altersgruppen als repräsentativ betrachtet werden können.
Die in der vorliegenden Arbeit aufgestellten Fragen und Hypothesen lassen sich
folgendermaßen beantworten:
1.
Es lassen sich folgende Prädiktoren für den chronischen Verlauf schizophrener
Psychosen im Kindes- und Jugendalter bestätigen: Es wird in dieser Studie gezeigt,
dass ein schleichender Beginn der Psychose, einer Dauer der ersten Episode über
sechs Monate und ein niedriger prämorbider Intelligenzquotient besondere
Risikofaktoren für einen chronischen Verlauf schizophrener Psychosen im Kindesund Jugendalter darstellen. Zusätzlich weist eine Belastung mit bestimmten
Symptomkategorien aus der Multiple Developmental Disorders nach Cohen et al.
(1986), wie Beeinträchtigungen im Sozialverhalten oder kognitive Verarbeitungsdefizite, auf einen chronischen Verlauf der Schizophrenie hin.
2.
Es gibt Interventionsmöglichkeiten, um die Wahrscheinlichkeit eines chronischen
Verlaufs schizophrener Psychosen zu minimieren. Diese Wahrscheinlichkeit sinkt,
wenn die Diagnose Schizophrenie frühzeitig gestellt wird und sich eine konsequente Behandlung und effektive Nachsorge anschließen.
3.
Die aufgestellte Hypothese, dass die Psychopathologie der Patienten, die an den
Katamnesen in Freiburg und Marburg teilgenommen haben, vergleichbar ist, lässt
sich anhand der Ergebnisse nicht bestätigen. Die Querschnittssymptomatik der
Patienten zum Katamnesezeitpunkt aus der hier vorliegenden Stichprobe ist
deutlich besser als die Querschnittssymptomatik der Patienten aus Marburg.
4.
Die medikamentöse Therapie der untersuchten Stichprobe entspricht, bis auf den zu
frühzeitigen Einsatz von Clozapin, den Leitlinien der AACAP (2001).
Psychosozialer Verlauf zum Katamnesezeitpunkt
Betrachtet man den psychosozialen Verlauf der Patienten der vorliegenden Stichprobe, so
zeigt sich in 65,6 % ein sehr guter bis guter psychosozialer Outcome, in 18,8 % eine moderate
psychosoziale Anpassung und in 15,6 % ein schlechter bis tiefgreifend beeinträchtigter
Outcome. Diese Ergebnisse sind weitaus besser als in anderen Untersuchungen, siehe dazu
auch Tabelle 4, Seite 11 (Remschmidt et al., 2007, Fleischhaker et al., 2005, Röpcke und
Diskussion
81
Eggers, 2005, Jarbin et al., 2003, Lay et al., 2000, Hollis 2000, Eggers und Bunk, 1997).
Hierbei muss aber bedacht werden, dass nicht alle Patienten der jeweiligen Nachuntersuchungen bei der Beurteilung des psychosozialen Verlaufs anhand des Global Assessment of
Functioning (GAF) bewertet wurden, sondern zum Teil anhand der Global Assessment
Schedule (GAS) oder anhand der Disability Assessment Schedule (DAS-M). Somit können
die Unterschiede auf den verschiedenen eingesetzten Verlaufskriterien beruhen. Ein weiterer
Grund für die große Diskrepanz bezüglich des Outcome ist sicher auf das Alter bei
Erkrankungsbeginn zurückzuführen. In der vorliegenden Studie waren sowohl Patienten mit
einer Very-Early-Onset-Schizophrenia (VEOS) als auch mit einer Early-Onset-Schizophrenia
(EOS) eingeschlossen, während Remschmidt et. al (2006) und Eggers und Bunk (1997) nur
Patienten mit VEOS untersuchten und Röpcke und Eggers (2005) nur Patienten mit EOS in
ihre Untersuchungen einbezogen hatten.
Das Ergebnis, dass es sich bei der vorliegenden Studie um einen sehr viel besseren
psychosozialen Verlauf handelt als in älteren katamnestischen Nachuntersuchungen, wird
dadurch unterstützt, dass kein Patient aufgrund eines Suizides verstorben war. Remschmidt et
al. fanden 42 Jahre nach Krankheitsbeginn eine Mortalitätsrate von 15,8 %, Fleischhaker et al.
stellten in ihrer 9,5-Jahres-Katamnese eine Mortalitätsrate von 5,9 % fest und Werry et al.
schätzen das Risiko eines Suizides aufgrund psychotischen Denkens bei Kindern und
Jugendlichen auf 5 % (Fleischhaker et al., 2005; Remschmidt et al., 2007; Werry et al., 1991).
Diese Unterschiede können allerdings auch durch den kürzeren Katamnesezeitraum bei der
vorliegenden Untersuchung bedingt sein.
Risikofaktoren für einen chronischen Verlauf
Es lassen sich drei Charakteristika der ersten Episode feststellen, die einen signifikanten
Einfluss auf den Verlauf der Psychopathologie besitzen (siehe Tabelle 36 bis Tabelle 38,
Seiten 57 bis 60). Patienten mit einem schleichenden Beginn, einer Dauer der ersten Episode
von über sechs Monaten und einer prämorbid niedrigen kognitiven Leistungsfähigkeit zeigen
eine bedeutend höhere Anzahl an negativen Symptomen zum Katamnesezeitpunkt als andere
Patienten.
Patienten mit einem schleichenden Erkrankungsbeginn zeigen einen deutlich
schlechteren Verlauf (siehe auch Tabelle 35, Seite 55). Nur 18,8 % der Patienten mit einem
schleichenden Beginn zeigen eine vollständige Remission, wohingegen 56,3 % der Patienten
mit einem akuten Beginn eine Vollremission aufweisen. Betrachtet man die Anzahl der
chronischen Verläufe, so zeigt sich in 37,5 % bei einem schleichenden Beginn ein chronischer
82
Diskussion
Verlauf, während dies bei Patienten mit einem akuten Beginn nur in 12,5 % der Fall ist. Diese
Ergebnisse stimmen gut mit den Aussagen in der Literatur überein. Röpcke und Eggers
(2005) fanden in einer Nachuntersuchung von Patienten mit EOS, dass der beste Prädiktor die
Art des Erkrankungsbeginns darstellt; einen engen Zusammenhang diesbezüglich zeigten
auch Eggers und Bunk (1997), die Patienten mit VEOS untersuchten.
Die vorliegenden Ergebnisse bezüglich der Dauer der ersten Episode stimmen auch mit
den Untersuchungen von Schmidt et al. (1995), Lay et al. (2000) und Fleischhaker et al.
(2005) überein. Röpcke und Eggers (2005) zeigten in ihrer Untersuchung, dass zusätzlich zur
Dauer der stationären Behandlung und dem schleichenden Beginn die negative Symptomatik
beeinflusst ist von der Dauer der unbehandelten Psychose und der prämorbiden Anpassung.
So hatten Patienten aus der Nachuntersuchung von Röpcke und Eggers, bei denen eine lange
Dauer der unbehandelten Psychose und eine Belastung mit prämorbiden Auffälligkeiten
vorlag, eine höhere Belastung an negativen Symptomen zum Katamnesezeitpunkt.
Remschmidt et al. zeigten schon 2000, dass das kognitive Leistungsniveau die Manifestation der psychopathologischen Symptome beeinflusst. Zu diesem Ergebnis kamen auch
Werry und McClellan, die darauf hinwiesen, dass die prämorbide intellektuelle Funktion einer
der besten Prädiktoren für den Verlauf ist (Werry and McClellan, 1992).
In dieser Untersuchung erweist sich eine lange Dauer der ersten Episode zusätzlich als
negativer Prädiktor für eine starke Belastung mit depressiven Symptomen zum Katamnesezeitpunkt. Patienten mit einer Dauer der ersten stationären Behandlung von über einem halben
Jahr zeigen eine signifikant höhere Belastung mit depressiven Symptomen zum Katamnesezeitpunkt. Dies konnte auch schon von Schulz (1998) in einer prospektiven Untersuchung von
schizophren erkrankten Jugendlichen in einer Rehabilitationseinrichtung gezeigt werden.
Bezüglich einer Auswirkung der Charakteristika der ersten Erkrankungsepisode auf die
positive Symptomatik lassen sich keine signifikanten Ergebnisse darstellen. Dies lässt sich
vermutlich damit begründen, dass die festgestellten Häufigkeiten für eine ausgeprägte
Positivsymptomatik mit einem Anteil von 6,3 % nur gering sind, während diejenigen für eine
ausgeprägte Negativsymptomatik zum Katamnesezeitpunkt mit einem Anteil von 34,4 %
relativ hoch sind.
Remschmidt et al. wiesen daraufhin, dass Negativsymptome eine weitgehend stabile
Dimension der Symptomatik darstellen und die positive Symptomatik der schizophrenen
Psychose fluktuiert und von episodischer Natur ist (Remschmidt et al., 1991). Dennoch
können in der vorliegenden Stichprobe einige Risikofaktoren für eine höhere Belastung mit
positiven Symptomen zum Katamnesezeitpunkt dargestellt werden. Es zeigt sich ein Trend in
Diskussion
83
erwarteter Richtung, nämlich dass das Vorhandensein prämorbider Auffälligkeiten, ein
prämorbid niedriges kognitives Leistungsniveau und eine Dauer der ersten Episode von über
sechs Monaten zu einer höheren Belastung mit positiven Symptomen führen. Die diesbezüglich statistisch nicht signifikanten Ergebnisse können auf die kleine Stichprobe zurückgeführt
werden.
Keinen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Psychopathologie zeigen in der
untersuchten Stichprobe die Charakteristika „Geschlecht“, „Ersterkrankungsalter“, „prämorbide Auffälligkeiten“ oder „familiäre Belastungen“ mit einer schizophrenen Psychose. Es
lässt sich allerdings eine Neigung zu einer stärkeren Belastung mit negativen Symptomen
aufzeigen, wenn das Ersterkrankungsalter vor dem 14. Lebensjahr liegt und eine Belastung
mit internalisierenden und/oder externalisierenden Symptomen und/oder Entwicklungsverzögerungen besteht. Der Grund für ein in diesem Fall nicht signifikantes Ergebnis liegt
vermutlich in der zu kleinen Stichprobe. Hierzu lassen sich in der Literatur gegensätzliche
Aussagen finden (Röpcke und Eggers, 2005, Fleischhaker et al. 2005, Schulz, 1998). Dies
lässt sich vermutlich damit begründen, dass sowohl die Stichproben der jeweiligen Untersuchungen unterschiedlich groß sind, als auch die Einteilung in VEOS und EOS nicht
vergleichbar ist.
Zusammenfassend erweisen sich ein akuter Beginn der schizophrenen Psychose, eine
kurze Dauer der ersten Episode und ein prämorbid als überdurchschnittlich geschätzter IQ als
positive Einflussfaktoren für eine geringere Ausprägung mit negativen Symptomen. Eine
kurze Dauer der ersten Episode führt eher zu einer geringeren Belastung sowohl mit
depressiven Symptomen als auch zu einer geringeren Gesamtsymptombelastung der BPRS;
ein als überdurchschnittlich geschätzter IQ hatte ebenfalls einen positiven Einfluss auf die
Gesamtsymptombelastung der BPRS.
Zusammenhang der psychosozialen Anpassung und der Psychopathologie mit dem
Vorliegen von Symptomen der Multiple Developmental Disorders (MDD)
In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass das von Cohen et al. (1986) erarbeitete
diagnostische Schema sehr wichtig ist, um eine Einteilung innerhalb der Diagnosen
„persevasive developmental disorders not otherwise specified“ (DSM-IV) und atypischer
Autismus (ICD-10) treffen zu können (Buitelaar and van der Gaag, 1998; van der Gaag et al.,
2005). Zwar erfüllte kein Patient die von Cohen et al. geforderten Kriterien, dennoch zeigen
sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Vorliegen einer Beeinträchtigung aus den
verschiedenen Symptomkategorien und dem psychosozialen Funktionsniveau bzw. der
84
Diskussion
Psychopathologie zum Zeitpunkt der Katamnese. Eine Erklärung dafür, dass kein Patient die
geforderten Kriterien erfüllt, könnte damit begründet werden, dass es sich hier um eine
retrospektive Studie handelt und eventuell in der Anamnese bei Aufnahme der Patienten zu
wenig in entsprechende Richtung gefragt wurde.
In der nachuntersuchten Stichprobe zeigt sich, dass beim Vorliegen einer Beeinträchtigung im Sozialverhalten bzw. in der sozialen Sensitivität ein signifikanter Zusammenhang sowohl mit einem deutlich schlechteren Verlauf in der psychosozialen Anpassung als
auch mit einer ausgeprägteren Negativsymptomatik besteht. Die Patienten mit Beeinträchtigungen in der oben genannten Kategorie erreichen nur einen durchschnittlichen GAFWert von 59,8, während Patienten ohne Beeinträchtigung einen deutlich höheren Wert von
73,5 aufweisen (Tabelle 24, Seite 45).
Patienten mit einer Beeinträchtigung in der Kategorie kognitive Verarbeitungsdefizite/
Denkstörungen zeigen sowohl ein signifikant niedrigeres psychosoziales Anpassungsniveau
als auch eine deutlich höhere Belastung mit negativen Symptomen zum Katamnesezeitpunkt
(nähere Angaben siehe Tabelle 25, Seite 46). Zusätzlich ist beim Vorliegen von Symptomen
aus der Kategorie kognitive Verarbeitungsdefizite die Gesamtbelastung mit Symptomen des
BPRS-Scores signifikant erhöht.
Es lassen sich diesbezüglich keine Vergleiche anhand der Literatur aufzeigen, da dieses
Instrument nach dem Wissen der Verfasserin der vorliegenden Arbeit noch in keiner Studie
über den Verlauf schizophren erkrankter Kinder und Jugendlicher verwendet wurde. Zur
Bestätigung der oben dargestellten Ergebnisse wäre deshalb eine Überprüfung im Rahmen
einer anderen Nachuntersuchung schizophrener Psychosen im Kindes- und Jugendalter
sinnvoll.
Es finden sich dagegen in der Literatur zahlreiche Aussagen darüber, dass eine
Belastung mit prämorbiden Symptomen wie externalisierenden oder internalisierenden
Symptome oder Entwicklungsverzögerungen einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung
bei Kindern und Jugendlichen haben, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt sind
(Fleischhaker et al., 2005, Schulz, 1998, Eggers und Bunk, 1997, Werry et al. 1992). Eine
plausible Erklärung für diese Unterschiede fehlt zwar weitgehend, dennoch könnte ein
möglicher Erklärungsansatz ein Selektionsbias oder die kleine Stichprobe sein.
Beziehungen zwischen den abhängigen Variablen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Im Ergebnissteil 3.12 wurden die linearen Zusammenhänge zwischen den Outcome-Variablen
anhand der Korrelation nach Spearman untersucht. Die Korrelation nach Spearman wurde
Diskussion
85
bereits häufiger in der Literatur verwendet (Fleischhaker et al. 2005, Lay et al. 2000, Schulz,
1998). Folgende Korrelationen weisen in der vorliegenden Studie einen signifikanten
Zusammenhang auf:
Die psychosoziale Anpassung und sowohl die Gesamtsymptombelastung als auch die
Belastung mit negativen Symptomen weisen beide mit einem p-Wert < 0,0001 einen
höchstsignifikanten gegensinnigen Zusammenhang auf. Dies entspricht auch den Ergebnissen
von Fleischhaker et al. (2005). Die depressive Symptomatik und die Belastung mit positiven
Symptomen weisen ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang mit einem schlechten
psychosozialen Anpassungsniveau auf.
Alle Bereiche der Psychopathologie zeigen – wie auch bei Fleischhaker et al. – einen
signifikanten Zusammenhang zueinander. In der untersuchten Stichprobe zeigt sich die
Beziehung zwischen der psychosozialen Anpassung und dem Schweregrad der Erkrankung,
gemessen anhand der CGI, am deutlichsten ausgeprägt. Ein als „deutlich oder schwer krank“
eingeschätzter Patient weist somit ein schlechteres psychosoziales Funktionsniveau auf als
Patienten, die nur als „gering oder leicht krank“ eingeschätzt werden.
Bei der Untersuchung der verschiedenen Prognosefaktoren zueinander zeigt sich ein
signifikanter Zusammenhang sowohl zwischen dem Ersterkrankungsalter und dem
prämorbiden IQ als auch zwischen dem Ersterkrankungsalter und der familiären Belastung.
Geringes Alter beim ersten Auftreten einer schizophrenen Psychose, ein als niedrig
geschätzter IQ und eine familiäre Belastung mit einer Schizophrenie stehen dabei in einem
signifikanten linearen Zusammenhang zueinander.
Interventionsmöglichkeiten um einen chronischen Verlauf zu minimieren
Die psychopathologische Querschnittssymptomatik zum Zeitpunkt der Katamnese zeigt sich
bei Patienten der vorliegenden Untersuchung mit einer Dauer der ersten Episode von über
sechs Monaten deutlich schlechter als bei Patienten, die eine Dauer der ersten Episode von
weniger als sechs Monaten aufweisen. Die Belastung mit negativen Symptomen und die
Gesamtbelastung mit Symptomen sowie die depressive Symptomatik sind deutlich höher bei
Patienten, die eine Episodendauer von über sechs Monaten zeigen. Bei der Auswirkung auf
die positive Symptomatik lässt sich zwar kein statistisch signifikanter Einfluss aufgrund einer
langen Dauer der ersten Episode nachweisen, dennoch zeigt sich auch hier eine Tendenz in
erwarteter Richtung. Dieses Ergebnis bestätigen auch Studien von Schmidt et al. (1995), Lay
et al. (2000) und Fleischhaker et al. (2005), die ebenfalls darauf hinweisen, dass eine lange
Dauer der ersten Episode mit einem signifikant schlechteren Verlauf assoziiert ist.
86
Diskussion
Da eine Dauer der ersten Episode von über sechs Monaten in der vorliegenden Studie
einen Risikofaktor für einen chronischen Verlauf der schizophrenen Psychose darstellt, kann
nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, die Dauer der ersten Episode möglichst zu
minimieren.
Eine Minimierung der ersten Erkrankungsepisode kann aufgrund des derzeitigen
Kenntnisstandes über schizophrene Psychosen des Kindes- und Jugendalters durch folgende
Interventionen beeinflusst werden:
1.
Früherkennung und Frühintervention durch speziell geschulte Kinder- und Jugendpsychiater.
2.
Effektive, multimodale und konsequente Behandlung der schizophrenen Symptome
unter Einbeziehung einer medikamentösen Therapie mit Neuroleptika.
3.
Ausreichend lange Nachsorge der Patienten um Rückfälle zu minimieren. Dies
kann durch verschiedene Arten der Nachbetreuung erreicht werden, wie bei
gegebener Indikation, durch speziell für Kinder und Jugendliche eingerichtete
Rehabilitationseinrichtungen, Spezialambulanzen oder ambulante kinder- und
jugendpsychiatrische Betreuung.
Röpcke und Eggers (2005) wiesen in ihrer Nachuntersuchung an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Essen von 39 an Schizophrenie erkrankten Patienten eine
Dauer der unbehandelten Psychose von im Mittel 286 Tagen nach. In der hier vorliegenden
Studie zeigt sich, dass die Dauer der unbehandelten Psychose mit einem Mittelwert von 447
Tagen noch sehr viel größer ist. Diese Tatsache muss zum Anlass genommen werden, um in
Zukunft früher zu intervenieren. Es kann nur spekuliert werden, woran es liegt, dass die
Dauer der unbehandelten Psychose bei den Patienten der hier vorliegenden Stichprobe aus
Südbaden deutlich länger ist als bei den nachuntersuchten Patienten von Röpcke und Eggers.
Ein möglicher Grund könnte die unterschiedliche medizinische Versorgung in den Gebieten
südlicher Oberrhein bzw. Rheinland im Bereich der Kinder und Jugendpsychiatrie darstellen.
Im südbadischen Raum ist zwar die Versorgung mit kinder- und jugendpsychiatrischen
Einrichtungen in den Ballungszentren groß, im Umland existiert jedoch ein erheblicher
Mangel. Über die Situation in Essen diesbezüglich kann nur spekuliert werden.
Eggers und Bunk weisen darauf hin, dass es keinen zuverlässigen Parameter für den
exakten Beginn der schizophrenen Psychose gibt. Das Datum der ersten stationären
Aufnahme ist nicht zwingend der Beginn der Psychose. Sie diskutieren, dass der Zeitpunkt
der stationären Aufnahme und somit einer effektiven Behandlung von vielen Faktoren
abhängt. Zum einen wird das sich verändernde Verhalten der Kinder und Jugendlichen oft als
Diskussion
87
Entwicklungskrise fehlgedeutet, zum anderen ist die Nähe zu einer psychiatrischen Klinik
nicht immer gegeben, oder die Einstellung der Eltern bezüglich einer stationären psychiatrischen Behandlung ist ambivalent. In der Praxis zeigt sich, dass unproduktive, negative
Symptome wie sozialer Rückzug, sich verschlechternde Schulleistungen, Interessensverlust,
Apathie oder Ängstlichkeit oft als Ungezogenheit oder Faulheit fehlgedeutet werden (Eggers
und Bunk, 1997).
McGlashan führte aus, dass die Dauer der unbehandelten Psychose zu einem großen
Problem im Gesundheitswesen führt. Er wies darauf hin, dass eine Minimierung der Zeit vom
Beginn der Psychose bis zur adäquaten Behandlung essentiell ist, da eine frühe Behandlung
nicht nur die akute Symptomatik der psychotischen Symptome reduziert, sondern auch zu
einer Verbesserung der Langzeitprognose führt (McGlashan, 1999). Es zeigte sich, dass eine
lange Dauer der unbehandelten Psychose mit einem deutlich schlechteren Outcome assoziiert
ist. Die von ihm aufgestellte Hypothese, dass eine frühe Intervention einen Einfluss sowohl
auf die Prävention des Beginns als auch auf den Schweregrad der Erkrankung hat, konnte
allerdings nicht bestätigt werden. Es bedarf somit weiterer Untersuchungen.
Vergleich der Psychopathologie in der Klinikkatamnese von Marburg und der hier
vorliegenden Stichprobe von Freiburg
Die Hypothese, dass die Psychopathologien der Patienten der vorliegenden Stichprobe und
der Katamnese aus Marburg, die Fleischhaker et al. (2005) nachuntersuchten, vergleichbar
sind, konnte nicht bestätigt werden.
In der vorliegenden Arbeit wurde die Psychopathologie anhand der Querschnittssymptomatik der Instrumente Scale for the Assessment of Negative Symptoms (SANS), Scale
for the Assessment of Positive Symptoms (SAPS) und der Brief Psychiatric Rating Scale
(BPRS) überprüft. Ziel dieses Vergleiches ist es, mögliche Unterschiede zwischen den beiden
Stichproben bezüglich ihrer Charakteristika darzustellen und ihre möglichen Auswirkungen
auf den Verlauf der schizophrenen Psychose im Allgemeinen vorherzusagen.
Es zeigt sich ein signifikanter Unterschied in der Ausprägung der positiven Symptome
zum jeweiligen Katamnesezeitpunkt. Die Patienten der hier nachuntersuchten Stichprobe
zeigten in 84,4 % eine minimale Belastung mit positiven Symptomen, während die Patienten
der Marburger Katamnese nur in 43,3 % eine minimale Ausprägung aufwiesen. Der Anteil
der moderaten und schweren Symptomatik war in Freiburg mit 15,7 % weitaus geringer als
bei den Marburger Patienten mit einem Anteil von 51,7 %.
88
Diskussion
Bezüglich einer Belastung mit negativen Symptomen oder dem Vorliegen von
depressiven Symptomen zeigten sich zwar keine statistisch signifikanten Ergebnisse, dennoch
ergibt sich eine Tendenz zu einer geringeren Symptombelastung zum Zeitpunkt der
Katamnese bei den Patienten der hier vorliegenden Studie (siehe hierzu auch Tabelle 29, Seite
51). Im Folgenden wird zuerst auf die Gemeinsamkeiten der Stichproben eingegangen.
Bezüglich des Katamnesezeitraums, der eingeschlossenen Diagnosen und des Alters bei
Erkrankungsbeginn lassen sich keine Unterschiede aufzeigen. Betrachtet man allerdings die
Prognosefaktoren „Geschlecht“, „prämorbide Auffälligkeiten“ und „familiäre Belastung mit
einer schizophrenen Psychose“, so zeigen sich hier deutliche Unterschiede, die eine
Vergleichbarkeit erschweren.
Fleischhaker et al. konnten in ihrer Katamnese zeigen, dass sich der Verlauf schizophrener Psychosen im Kindes- und Jugendalter am besten durch das prämorbide Funktionsniveau vorhersagen lässt. In einer von Fleischhaker et al. durchgeführten Varianzanalyse
wurde gezeigt, dass sich die psychosoziale Anpassung in über 30 % anhand der prämorbiden
Auffälligkeiten vorhersagen lässt. Dass prämorbide Auffälligkeiten wie externalisierende
und/oder internalisierende Symptome und/oder Entwicklungsverzögerungen eine Einfluss auf
den Langzeitverlauf haben, zeigten auch Werry und McClellan (1992) und Schulz (1998).
In der vorliegenden Stichprobe erweist sich das Vorhandensein von prämorbiden
Auffälligkeiten nicht als ausschlaggebend für einen chronischen Verlauf der schizophrenen
Psychose im Kindes- und Jugendalter. Dass die prämorbide Symptombelastung der beiden
Katamnesegruppen sehr unterschiedlich ist, könnte erklären, weshalb die Psychopathologie
zum Katamnesezeitpunkt der Patienten aus Freiburg und Marburg nicht vergleichbar ist. In
der Marburger Katamnese lagen bei 80 % prämorbide Auffälligkeiten wie internalisierende
und/oder externalisierende Symptome und/oder Enwicklungsverzögerungen vor, während bei
der hier nachuntersuchten Stichprobe nur zu 65 % prämorbide Auffälligkeiten aus den
genannten Bereichen vorwiesen.
Drogenmissbrauch
Der Drogenmissbrauch in der vorliegenden Stichprobe ist, verglichen mit der Allgemeinbevölkerung, deutlich erhöht. Bei den Patienten dieser Nachuntersuchung weisen von der
Gesamtstichprobe 52,5 % einen Drogenmissbrauch auf (Lebenszeitprävalenz). Der Drogenmissbrauch begann bei allen Patienten bereits deutlich vor den ersten Anzeichen einer
schizophrenen Psychose. Dabei zeigt sich ein Geschlechtsunterschied, mit einem höheren
Anteil männlicher Drogenkonsumenten von 60 % zu 30 % bei den Frauen. Die meist
Diskussion
89
konsumierte illegale Substanz ist dabei Cannabis; die Frequenz beträgt in der Mehrzahl der
Fälle am häufigsten zwischen mehr als einmal täglich, über einmal wöchentlich bis mehr als
einmal monatlich.
In der europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) gaben
32 % der 15-und 16-jährigen an, jemals illegale Drogen genommen zu haben (Kraus et al.,
2004). Die ESPAD-Studie wurde im Jahr 2003 durchgeführt und ist derzeit die umfangreichste Schülerstudie zum Substanzmittelmissbrauch in Deutschland. In einer aktuellen
bundesweiten Repräsentativerhebung von 2007 in Deutschland zeigt sich bei den 14-bis 17jährigen ein rückläufiger Cannabiskonsum von 13 % (Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA), 2007).
Cannabis stellte auch in der ESPAD-Studie die am häufigsten konsumierte Droge (29 %
Lebenszeitprävalenz) dar, andere illegale Drogen, wie zum Beispiel Halluzinogene oder
Kokain wurden deutlich seltener (< 6 % Lebenszeitprävalenz) konsumiert. Dies entspricht
auch den Ergebnissen in der vorliegenden Studie, hier wird in 80,8 % Cannabis, in 15,4 %
Halluzinogene und in 3,8 % Kokain konsumiert. Im Chi²-Test zeigt sich ein deutlich
signifikanter Unterschied sowohl bezüglich der Lebenszeitprävalenz des Konsums jeglicher
illegaler Drogen (p = 0,004) als auch bezüglich der Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums (p = 0,001) zwischen den Teilnehmer/innen der ESPAD-Studie und den Patienten
der hier vorliegenden Stichprobe.
Das Alter beim ersten illegalen Drogenkonsum war mit 14 Jahren bei der ESPAD-Studie
bei Männern und Frauen gleich. In der hier vorliegenden Stichprobe beträgt das Alter beim
ersten Drogenkonsum 15,0 ± 1,2 Jahre und ist demnach leicht höher. Ein Viertel der Schüler
und Schülerinnen der ESPAD-Studie gaben einen häufigen Konsum illegaler Drogen an; dies
entspricht auch der Frequenz der illegalen Drogen in der vorliegenden Stichprobe.
Die Studie von Fleischhaker et al. (2002), die Patienten mit drogeninduzierter Psychose
(n = 8), schizophren erkrankte Patienten mit komorbiden Substanzabusus (n = 19) und
Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen und Substanzabusus (n = 30)
untersuchten, zeigte ebenfalls ein deutliches Überwiegen von Cannabis als am häufigsten
konsumierte illegale Substanz (gesamt: 89,5 %, n = 51; in der Gruppe der Patienten mit
Schizophrenie und komorbidem Substanzabusus: 94,7 %, n = 18). Das Alter beim ersten
Konsum entsprach in der Gruppe der schizophren erkrankten Patienten mit komorbidem
Substanzabusus (14,9 ± 1,7 Jahre) dem Alter der Patienten der hier vorliegenden Stichprobe.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Anteil der Drogenkonsumenten in der hier
vorliegenden Stichprobe deutlich höher ist als bei den Teilnehmer/innen der ESPAD-Studie.
90
Diskussion
Ob ein Drogenmissbrauch bei Jugendlichen einen Risikofaktor für die Entwicklung einer
schizophrenen Psychose darstellt, bleibt weiterhin fraglich und bedarf weiterer Untersuchungen mit prospektivem Design. Es bleibt weiterhin unklar, ob eine ursächliche
Verknüpfung zwischen einem Drogenabusus und dem Beginn einer schizophrenen Psychose
besteht, oder ob der Drogenabusus eine Art Selbstmedikation der Symptomatik darstellt.
Medikamentöse Therapie der untersuchten Stichprobe
Zum derzeitigen Stand der Forschung wurde in anderen Katamnesestudien die Medikation
noch nicht berücksichtigt. Daher soll im Folgenden hierauf gesondert eingegangen werden.
Des Weiteren sollen einige Fragestellungen diskutiert werden, die sich aus den Leitlinien der
American Academy of Child and Adolescent Psychiatry von 2001 ergeben. Diese werden hier
den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJPP, 2003,
2007) vorgezogen, da der Zeitraum, in dem die Kinder und Jugendlichen der vorliegenden
Studie in der Freiburger Kinder- und Jugendpsychiatrie waren, – die Jahre 1998 bis
einschließlich 2001 – vor der Veröffentlichung der Leitlinien der DGJKPP aus dem Jahr 2003
bzw. 2007 liegt.
Es stellen sich die folgenden Fragen:
1.
Mit welchen Präparaten werden die Kinder und Jugendlichen, die an einer
schizophrenen Psychose erkrankt sind, zu Beginn der Psychose, bei Entlassung aus
erster stationärer Behandlung und zum Katamnesezeitpunkt behandelt?
2.
Wie viele Präparate werden bis zur ersten Gabe des atypischen Neuroleptikum
Clozapin verabreicht?
3.
Wie wird die Rezidivprophylaxe durchgeführt, und besteht ein Unterschied
bezüglich der Art der Rezidivprophylaxe und der psychosozialen Anpassung oder
der Psychopathologie zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung?
4.
Ist die medikamentöse Behandlung zwischen stationärer Entlassung und
Katamnesezeitpunkt stabil?
5.
Wie lange ist die Zeitspanne vom ersten Auftreten von Symptomen einer
Schizophrenie bis zur ersten Behandlung mit einem Neuroleptikum?
Anhand dieser Ergebnisse wird die Hypothese, ob die Behandlung der schizophrenen
Psychose im Kindes- und Jugendalter den Leitlinien der American Academy of Child and
Adolescent Psychiatry (AACAP) entspricht, geprüft und im Kontext der aktuellen Literatur
diskutiert.
Diskussion
91
Art der neuroleptischen Medikation
Zur Erstbehandlung schizophrener Psychosen im Kindes- und Jugendalter werden in 70 %
klassische Neuroleptika und in 30 % atypische Neuroleptika verwendet. Das meist verwendete klassische Neuroleptikum ist dabei Haloperidol (32,5 %), bei den Atypika wird am
häufigsten Olanzapin (25 %) eingenommen.
Die Medikation bei Entlassung hingegen zeigt fast eine gegensätzliche Verteilung. In
77,5 % wird ein atypischen Neuroleptikum verabreicht und in 22,5 % ein klassisches Neuroleptikum. Dabei stellt Clozapin mit einem Anteil von 55 % das am häufigsten eingenommen
Medikament dar. Dies entspricht den Leitlinien der American Academy of Child and
Adolescent Psychiatry von 2001.
Die AACAP verweist darauf, dass sowohl klassische als auch atypische Neuroleptika Mittel
der ersten Wahl darstellen, wobei Atypika, verglichen mit klassischen Präparaten gleich
effektiv auf positive Symptome wirken, aber bezüglich der negativen Symptome eine bessere
Wirksamkeit aufweisen. Dies ist vermutlich der Grund, weshalb die Mehrzahl der Patienten
bei Entlassung mit atypischen Präparaten behandelt wird, da bei ihnen die vorherrschende
Symptomatik wohl die Belastung mit negativen Symptomen darstellt. Dies entspricht der
Vermutung von Remschmidt et al., dass sich das Vorhandensein von positiven Symptomen
im Laufe der Zeit zum Vorherrschen von negativen Symptomen wandelt (Remschmidt et al.,
1991).
Nach einem Katamnesezeitraum von durchschnittlich 8,3 Jahren stellt sich die
Medikation wie folgt dar: 68,8 % nehmen atypische Neuroleptika ein, nur 3,1 % noch ein
klassisches Neuroleptikum und in 28,1 % werden gar keine Medikamente mehr
eingenommen.
Die Dosierung der Erhaltungsdosis der einzelnen neuroleptischen Medikamente in der
untersuchten Stichprobe, wie in Tabelle 44, Seite 67, dargestellt, kann nur einen Anhaltspunkt
für die Behandlung schizophren erkrankter Kinder und Jugendlicher liefern. Die Dosierungsempfehlungen müssen weiterhin im Einzelfall erfolgen, da die individuelle Ansprechbarkeit
auf Neuroleptika sehr unterschiedlich ist. Die derzeitigen Empfehlungen der Einzelpräparate
können daher nur als Richtwerte angesehen werden. Aufgrund der dürftigen Studienlage und
der meist für diese Altersgruppe fehlenden Medikationszulassungen sollte mit einer niedrigen
Dosierung begonnen werden, die dann in kleinen Schritten erhöht wird (Mehler-Wex et al.,
2004). Die Durchführung prospektiver Studien wäre somit, aus Sicht der derzeitigen
Studienlage in der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung, ein nennenswertes Ziel.
92
Diskussion
Behandlung mit Clozapin
Clozapin stellt aufgrund seines erhöhten Nebenwirkungsrisikos wie Gewichtszunahme,
Neutropenie, Granulozytopenie und Agranulozytose oder Myokarditis kein Mittel der ersten
Wahl dar (AACAP, 2001). Kumra et al. wiesen zusätzlich darauf hin, dass die Nebenwirkungen bei Kindern, verglichen mit Erwachsenen, häufiger sind (Kumra et al., 1996). In
der NIMH-Studie von 2007 (Stroup, 2007) musste Clozapin in fünf Fällen (11 %) wegen
Nebenwirkungen abgesetzt werden.
Der Einsatz von Clozapin erweist sich allerdings bei an einer behandlungsrefraktären
Schizophrenie erkrankten erwachsenen Patienten als sehr gut wirksam (Meltzer et al., 1994).
Clozapin sollte nach den Richtlinien der AACAP (2001) erst nach einer Behandlung mit zwei
anderen antipsychotischen Medikamenten verwendet werden, davon sollte mindestens eines
der Medikamente atypische Neuroleptika sein.
Remschmidt et al. (2000) zeigten, dass es weitere Vorteile bei einer Behandlung der
therapierefraktären schizophrenen Psychose im Kindes- und Jugendalter mit Clozapin gibt.
Dazu gehören eine hohe antipsychotische Wirksamkeit während der akuten Episode, eine
bessere Wirksamkeit bei Jugendlichen sowohl mit einer chronischen Schizophrenie als auch
mit einer hohen Rate an Negativsymptomen sowie weniger extrapyramidale Nebenwirkungen.
In der vorliegenden Stichprobe zeigt sich, dass Clozapin in einem Fall direkt und in
weiteren neun Fällen, also insgesamt in 25 % sofort oder nach einem anderen Neuroleptikum
verabreicht wurde. Dies widerspricht den aufgeführten Richtlinien der AACAP (2001) und
zeigt, dass die Therapie bei Kindern und Jugendlichen in der untersuchten Stichprobe
bezüglich der Behandlung mit Clozapin nicht diesen Empfehlungen folgt, sondern dass
Clozapin oft früher als empfohlen gegeben wird.
Rezidivprophylaxe
Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (DGKJPP, 2003, 2007) empfehlen bei einer Erstmanifestation einer schizophrenen
Psychose eine Rezidivprophylaxe über mindestens zwei Jahre, nach Rezidiven wird eine
längere Prophylaxenzeit empfohlen. In den Leitlinien der AACAP (2001) werden keine
genaueren Angaben über die Dauer der Rezidivprophylaxe aufgeführt. Deshalb wird in
diesem Fall ein Vergleich mit den Leitlinien der DGKJPP (2003, 2007) angestrebt.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Dauer der Rezidivprophylaxe in
der untersuchten Stichprobe sehr heterogen ist. 25 % der Patienten haben zum Zeitpunkt der
Diskussion
93
Katamnese keine Medikation mehr, die durchschnittliche Dauer der Rezidivprophylaxe betrug
bei diesen Patienten zwei Jahre (Tabelle 45, Seite 69). Die Mehrzahl der Patienten allerdings
(56,3 %) nehmen noch Neuroleptika ein. Die durchschnittliche Dauer der Rezidivprophylaxe
beträgt zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung im Mittel 7,8 Jahre.
Ein Anteil von 21,9 % der Patienten nehmen eine Rezidivprophylaxe weniger oder
maximal zwei Jahre ein, wohingegen 78,1 % eine Prophylaxe von über zwei Jahren erhalten.
In 95,8 % werden dabei atypische Neuroleptika verwendet und in 4,2 % ein klassisches
Neuroleptikum. Es erweist sich als positiv, wenn die Rezidivprophylaxe über zwei Jahre
gegeben wird, da hier nur in 12 % der Fälle im Verlauf eine bereits abgesetzte Medikation
wieder angesetzt werden musste. Bei denjenigen Patienten, bei denen die Dauer der Prophylaxe weniger oder maximal zwei Jahre beträgt, musste in 42,9 % wieder eine medikamentöse
Therapie begonnen werden. Leider können über die exakten Gründe des Wiederansetzens
einer medikamentösen Therapie keine Aussagen gemacht werden. Bekannt ist lediglich, dass
wieder Neuroleptika verabreicht wurden.
Dass eine Langzeitbehandlung mit Antipsychotika entscheidend ist, um eine vollständige Genesung bei an einer Schizophrenie erkrankten Patienten zu erlangen, wird in der
Literatur durch zahlreiche Publikationen unterstützt (Kane, 2006; McClellan and Werry,
2001; Schooler, 2006). Schooler konnte in einer placebokontrollierten Studie zeigen, dass
Patienten mit einer antipsychotischen Medikation eine deutlich niedrigere Rückfallrate zeigen
als Patienten, die keine antipsychotische Medikation über einen Zeitraum von einem Jahr
einnehmen.
Um allerdings eine Aussagen treffen zu können, welche Dauer der Rezidivprophylaxe am
besten ist und mit einer möglichst niedrige Rate an Rezidiven einhergeht, bedarf es weiteren
Untersuchungen, vor allem speziell im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich.
Es zeigt sich, dass diejenigen Patienten, die zum Katamnesezeitpunkt immer noch eine
Rezidivprophylaxe einnehmen, eine signifikant schlechtere psychosoziale Anpassung aufzeigen als diejenigen Patienten, die ihre Rezidivprophylaxe bereits beendet haben (Chi²-Test,
p = 0,02; siehe hierzu Tabelle 48, Seite 71). Bezüglich der Auswirkung auf die Psychopathologie können keine Unterschiede festgestellt werden. Dennoch kann vermutet werden,
dass die medikamentöse Therapie dieser Patienten sinnvoll und eine lange Rezidivprophylaxe
somit indiziert ist. Vermutlich wird die neuroleptische Medikation bei denjenigen Patienten
früher abgesetzt, die einen besseren Verlauf aufweisen.
Desweiteren wurde in der vorliegenden Nachuntersuchung überprüft, ob es Unterschiede
zwischen den Patienten gibt, die a) eine Rezidivprophylaxe erfolgreich beendet haben, b) ein
94
Diskussion
Rezidiv nach Absetzen der neuroleptischen Medikation haben und c) eine durchgehende
Rezidivprophylaxe erhalten haben. Es zeigt sich, dass Patienten, die die Rezidivprophylaxe
zum Katamnesezeitraum erfolgreich beendet haben, häufiger einen akuten Erkrankungsbeginn, keine prämorbiden Auffälligkeiten, keine familiäre Belastung mit schizophrenen
Psychosen und einen prämorbid als überdurchschnittlich geschätzten IQ aufweisen (siehe
hierzu Tabelle 46, Seite 70). In den beiden anderen Gruppen ergibt sich eine Tendenz zu einer
Dauer der ersten Episode von mehr als sechs Monaten, dem Vorhandensein prämorbider
Auffälligkeiten und einem prämorbid als durchschnittlich geschätzten IQ. Dies verdeutlicht
die Annahme, dass die Charakteristika „Art des Erkankungsbeginns“, „Dauer der ersten
Episode“, das Vorhandensein „prämorbider Auffälligkeiten“ bzw. eine „familiäre Belastung
mit einer schizophrenen Psychose“ und der „prämorbide IQ“ auch einen Einfluss auf die
Dauer der Rezidivprophylaxe haben.
Stabilität der Medikation
In der vorliegenden Stichprobe kann gezeigt werden, dass nach der Entlassung aus der ersten
stationären Behandlung die Medikation mit Clozapin am häufigsten stabil verordnet wird. In
46,6 % wird Clozapin kontinuierlich weitergeben. Unter der Behandlung mit Risperidon kann
die Medikation im Katamnesezeitraum, mit einem Anteil von 40 %, am häufigsten stabil
abgesetzt werden. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass sich die Angaben nur
auf eine kleine Anzahl von Patienten stützt. Es wäre daher interessant, ob sich die obigen
Ergebnisse in weiteren Studien reproduzieren lassen.
Dass Risperidon eine gute Effektivität bei Jugendlichen mit einer Schizophrenie besitzt,
konnte durch eine Untersuchung von Armenteros et al. bestätigt werden. Risperidon führt zu
einer deutlichen Verbesserung der positiven und negativen Symptome und besitzt einen
positiven Einfluss sowohl auf eine Belastung mit Symptomen der Brief Psychiatric Rating
Scale als auch auf den Schweregrad der Erkrankung (Armenteros et al., 1997).
Durchschnittliche Dauer bis zur ersten medikamentösen Therapie
Die Zeitdauer zwischen den ersten Anzeichen einer Schizophrenie und der ersten neuroleptischen Medikation ist mit einer durchschnittlichen Dauer von 1,1 Jahren erschreckend
lange. Dieses Ergebnis ist ernüchternd, insbesondere wenn man die Aussagen von McGlashan
(1999) berücksichtigt, dass eine möglichst zeitnahe Therapie sinnvoll erscheint und einen
Einfluss auf den Schweregrad der Erkrankung hat.
Diskussion
95
Selbst wenn unter die Definition „zeitnah“ ein Zeitraum von vier bis sechs Wochen
fallen würde, sind die Ergebnisse in dieser Studie davon weit entfernt. Bezieht man das oben
genannte Ergebnis auf einige spezielle Fälle in der vorliegenden Stichprobe, so zeigt sich,
dass es bei 30 % der Patienten zwischen einem und sechs Jahren dauert, bis sie vom ersten
Auftreten schizophrenietypischer Symptome mit einer antipsychotischen Medikation
behandelt werden. Das Ziel einer frühzeitigen Erkennung der schizophrenen Psychose und
einer zeitnahen Intervention wurde bei vielen Patienten dieser Studie also nicht erreicht.
Sind die Patienten bereits stationär, so sind die Ergebnisse weitaus zufriedenstellender.
Hier erfolgte innerhalb von maximal vier Wochen bei allen Patienten die erste neuroleptische
Medikation.
Auf die Frage, welches antipsychotische Medikament das am besten geeignete für
Kinder und Jugendliche mit einer schizophrenen Psychose ist, lässt sich zum derzeitigen
Stand der Forschung noch keine allgemeingültige Aussage treffen. Grund dafür ist, dass es
fast keine prospektiven Therapiestudien an Kindern und Jugendlichen gibt, die an einer
schizophrenen Psychose erkrankt sind. Um gute klinische Arbeit bei an einer Schizophrenie
erkrankten Kindern und Jugendlichen leisten zu können, müssten mehr Behandlungsalgorithmen existieren (Asarnow et al., 2004). McClellan et al. (2001) wiesen daraufhin, dass
die derzeit vorliegenden Behandlungsstrategien nur auf den Ergebnissen der Erwachsenenliteratur beruhen und eine Vergleichbarkeit mit Kindern und Jugendlichen nicht gegeben ist.
Wenn man die Ergebnisse bezüglich der medikamentösen Therapie in der vorliegenden
Studie betrachtet, so könnte in Zukunft diskutiert werden, ob nicht primär eine direkte Gabe
von atypischen Neuroleptika erfolgen sollte. Dies kann damit begründet werden, dass im
Verlauf der schizophrenen Psychose über 95 % der Patienten der vorliegenden Strichprobe
ohnehin auf atypische Präparate umgestellt werden. Desweiteren ist in der Literatur bereits
beschrieben, dass atypische Neuroleptika zu einem signifikant stärkeren Rückgang der
Symptomatik führen, mit weniger Rezidiven einhergehen und geringere Nebenwirkungen
haben als klassische Neuroleptika (DGKJPP, 2003, 2007). Dies zu evaluieren könnte
Gegenstand weiterer prospektiver Studien sein.
In einer aktuellen, randomisierten Studie, die vom National Institut of Mental Health
gesponsert wurde, konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit verschiedenen antipsychotischen Neuroleptika keine Unterschiede im Verlauf über 18 Monate auf das psychosozialen Funktionsniveau zeigte (Stroup, 2007; Swartz et al., 2007). Bei dieser randomisierten
Untersuchung wurden die Effekte der antipsychotischen Medikation auf das psychosoziale
Funktionsniveau bei erwachsenen Patienten mit einer chronischen Schizophrenie überprüft.
96
Diskussion
Es zeigte sich, dass zwar alle Präparate zu einer Verbesserung der psychosozialen Anpassung
führten, aber kein Präparat den anderen überlegen ist. Die Autoren folgerten, dass weiterhin
wesentliche Verbesserungen in der Wirksamkeit der antipsychotischen Medikation erreicht
werden müssten (Swartz et al., 2007).
Als ein wesentlicher Behandlungsgrundsatz wurde hervorgehoben, dass sich die „onesize-fits-all“ Strategie nachteilig auf den einzelnen Patienten auswirkt und deshalb eine auf
den Patienten ausgerichtete Wahl des Präparates vorrangig sein sollte (Stroup, 2007;
McClellan et al., 2001). Stroup et al. wiesen darauf hin, dass die medikamentöse Behandlung
von an einer schizophrenen Psychose erkrankten Kindern und Jugendlichen entsprechend der
individuellen Krankheitsgeschichte, den Bedürfnissen und Wünschen der Familien erfolgen
sollte.
Da bezüglich der medikamentösen Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit einer
schizophrenen Psychose Vergleichsdaten fehlen, sollten weitere Nachuntersuchungen initiiert
werden.
5
Zusammenfassung
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, Prädiktoren für den Verlauf der schizophrenen
Psychosen im Kindes- und Jugendalter zu evaluieren. Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit
bildete die Beurteilung der Psychopathologie zum Katamnesezeitpunkt und die medikamentöse Behandlung der schizophrenen Psychose im Verlauf.
In die Untersuchung wurden alle Kinder und Jugendliche aufgenommen, die in den
Jahren 1998 bis 2001 mit der Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis
nach ICD-10 stationär behandelt wurden.
Die Datenerhebung erfolgte mit Hilfe des „Instrument for the Retrospective Assessment
of the Onset of Schizophrenia“ (IRAOS), der Symptomliste der „Multiple Developmental
Disorders“ (MDD), der „Scale for the Assessment of Positive Symptoms“ (SAPS), der „Scale
for the Assessment of Negative Symptoms“ (SANS), der „Brief Psychiatric Rating Scale“
(BPRS), der „Global Assessment of Functioning“ (GAF) sowie der „Clinical Global
Impression“ (CGI).
32 Patienten (80 %) konnten nachuntersucht werden. Die durchschnittliche Dauer der
schizophrenen Psychose betrug zum Katamnesezeitpunkt 8,3 Jahre. Zum Zeitpunkt der
Nachuntersuchung ergab sich bezüglich der psychosozialen Anpassung in 65,6 % ein sehr
guter bis guter Outcome. Bei 18,8 % der nachuntersuchten Patienten fand sich ein moderater
und bei 15,6 % ein schlechter Outcome.
Als prognostisch günstig zeigten sich ein akuter Beginn der ersten Psychose, eine kurze
Dauer der ersten Episode von weniger als sechs Monaten und ein prämorbid überdurchschnittlicher Intelligenzquotient. Weiterhin stellte sich das Fehlen von prämorbiden
Belastungen aus dem Bereich der Multiple Developmental Disorders als günstig dar.
Zur Erstbehandlung von schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter wurden
in 70 % klassische Neuroleptika und in 30 % atypische Neuroleptika verwendet. Die
Rezidivprophylaxe bestand in 4,2 % aus klassischen Neuroleptika und in 95,8 % aus
atypischen Neuroleptika. Das dabei am häufigsten verwendete atypische Neuroleptikum war
mit einem Anteil von 34,4 % Clozapin. Nach der stationären Entlassung wurde Clozapin in
46,6 % kontinuierlich bis zum Zeitpunkt der Katamnese weitergegeben. Unter der Behandlung mit Risperidon zeigte sich, dass die Medikation im Katamnesezeitraum mit einem Anteil
von 40 % am häufigsten stabil abgesetzt werden konnte.
6
Abkürzungsverzeichnis
AACAP
American Academy of Child and Adolescent Psychiatry
AMDP
Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie
APA
American Psychiatric Association
BPRS
Brief Psychiatric Rating Scale
BPRS-G
Brief Psychiatric Rating Scale-Gesamtscore
BPRS-1
Brief Psychiatric Rating Scale-Depressionsscore
CGI
Clinical Global Impression
DAS-M
Disability Assessment Schedule, Mannheimer Version
DGKJPP
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie
DSM-IV
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
EOS
Early Onset Schizophrenia
GAF
Global Assessment of Functioning
GAS
Global Assessment Schedule
ICD-10
International Classification of Diseases
IRAOS
Instrument for the Retrospective Assessment of the Onset of Schizophrenia
MDD
Multiple Developmental Disorders
NIMH
National Institute of Mental Health
PANSS
The Positive and Negative Syndrome Scale
SANS
Scale for the Assessment of Negative Symptoms
SAPS
Scale for the Assessment of Positive Symptoms
Std.
Standardabweichung
VEOS
Very Early Onset Schizophrenia
WHO
World Health Organisation
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8
Fragebogen MDD
Der umseitig wiedergegebene Fragebogen zu Multiple Developmental Disorders enstammt
aus Cohen et al., 1986.
9
Lebenslauf
Name
Ulrike Wolf
Anschrift
Höheweg 13, 79104 Freiburg
Geburtsdatum
04.09.1982 in Freiburg
Eltern
Waltraud Wolf, geb. Brüchig
Hans-Peter Wolf, Studiendirektor, verstorben am 28.10.2002
Geschwister
Elke Timm, geb. Wolf
Familienstand
ledig
Religionszugehörigkeit
katholisch
Schulbildung
1989–1993
Emil-Gött-Grundschule, Freiburg
1993–2002
Droste-Hülshoff-Gymnasium, Freiburg
Juni 2002
Abitur
Studium
seit Oktober 2002
Studium der Humanmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg
September 2004
Ärztliche Vorprüfung
März 2005
Famulatur in der Gemeinschaftspraxis Thumm/Deißler, Freiburg,
Fachrichtung Allgemeinmedizin/Tropenmedizin
Juni 2005
Famulatur in der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg,
Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin
August 2005
Famulatur im St. Josefskrankenhaus, Freiburg, Abteilung
Geburtshilfe/Gynäkologie
März–April 2005
Famulatur in der Psychiatrischen Universitätsklinik Freiburg,
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und
Jugendalter
März 2007
Famulatur in der HELIOS Rosmann Klinik, Breisach, Abteilung
für Innere Medizin
10 Danksagung
Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. med. Eberhard Schulz, gebührt ein herzlicher Dank für
die gebotene Möglichkeit der wissenschaftlichen Mitarbeit in der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universitätsklinik Freiburg.
Ein ganz besonderer Dank geht an meinen Betreuer, Herrn PD Dr. med. Christian
Fleischhaker, der mich mit seinem Engagement, seinem fachkundigen Rat und seiner
konstruktiven Kritik immer unterstützt hat.
Für die Einarbeitung in sämtliche Computerprogramme und vor allem die
unentbehrliche Hilfe bei der statistischen Auswertung der Untersuchungsergebnisse gilt mein
Dank Herrn Dr. Dipl.-Psych. Reinhold Rauh.
Für die unabkömmlichen Tipps bei der Gestaltung in Microsoft Word und die Hilfe
beim Druck sowie für die uneingeschränkte Hilfsbereitschaft möchte ich Herrn Dr. Dipl.Psych. Rudi Heger herzlich danken.
Ein ganz herzlicher Dank geht an Katharina Bihlmaier, mit der ich diese Studie
gemeinsam durchgeführt habe. Die gemeinsamen Interviews, die Diskussionen und die
Kämpfe mit der Dateneingabe haben zu zweit mehr Freude bereitet.
Ein ganz, ganz herzliches Dankeschön gilt auch meinem Freund Jürgen, meiner Familie
und meinen Freunden. Jürgen insbesondere, weil er mir bei den kleinen und großen
Computerproblemen immer geholfen hat und weil er es immer wieder geschafft hat mich
aufzumuntern. Meinem Schwager Christoph und meiner Freundin Caroline tausend Dank für
das Korrekturlesen, und ein großes Dankeschön gilt auch meiner Mama und meinen Freunden
für die anhaltende Geduld und Unterstützung. Unentbehrlich für mich war das besondere
Hinsehen von Christoph sowohl bei inhaltlichen als auch bei formalen Fragestellungen!
Abschließend möchte ich mich auch bei all den ehemaligen Patientinnen und Patienten
bedanken für die Bereitschaft zur Teilnahme an der Untersuchung und allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Abteilung der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die mit ihrer
Freundlichkeit zu einem sehr angenehmen Arbeitsklima geführt haben.
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