KAPITEL B - bei DuEPublico

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Grundlagen der Physik II
Elektromagnetismus
Vorlesungsskript
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Universität GH Essen
(Version 1999)
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Inhalt
Seite
KAPITEL A: Einleitung
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KAPITEL B: Elektrostatik
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1. Ladung
a) Was ist Ladung?
b) Eigenschaften der Ladung
c) Techniken zur Aufladung eines Körpers
d) Nachweis von Ladungen
e) Anwendungen
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KAPITEL C: Das eloktrostatische Feld
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1. Definition der Feldstärke
2. Feldlinien, Fluß
3. Das Gaußsche Gesetz
a) Welchen Fluß erzeugt eine Ladung
b) Beispiele zur Anwendung des Gaußschen Gesetzes
c) Die differentielle Form des Gaußschen Gesetzes
4. Arbeit im elektrischen Feld
a) Das Potential
b) Spannung
5. Kapazität
a) Ladung und Spannung
b) Eigenschaften der Kapazität
c) Die Berechnung von C
d) Die Energie des geladenen Kondensators
e) Verschaltung von Kapazitäten
6. Materie in elektrischen Feldern
a) Der Dipol
b) Polarisierbarkeit
c) Metalle im elektrischen Feld
d) Isolatoren
7. Elemente der Vektoranalysis
a) Einleitung
b) Die Divergenz eines Vektorfeldes
c) Der Integralsatz von Gauß
d) Anwendung: das Gaußsche Gesetz in Differentialform
e) Die Rotation eines Vektorfeldes
f) Der Integralsatz von Stokes
g) Anwendung: die Zirkulationsfreiheit eines Vektorfeldes
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KAPITEL D: Stationäre Ströme
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1. Strom
a) Stromrichtung
b) Geschwindigkeit der Ladungsträger
2. Das Ohmsche Gesetz
a) Physikalische Grundlage
b) Das elektrische Feld bei Anwesenheit von Strömen
c) Abhängigkeit der Leitfähigkeit von verschiedenen Faktoren
3. Bauelemente, bei denen das Ohmsche Gesetz nicht gilt
4. Elektrolyse
a) Was ist Elektrolyse?
b) Die Faradayschen Gesetze
c) Leitfähigkeit von Elektrolyten
d) Das elektrochemische Potential
e) Die Debyesche Abschirmlänge
f) Die Spannungsreihe
g) Galvanische Elemente
5. Thermoelektrische Effekte
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KAPITEL E: Schaltungstheorie
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1. Bauelemente
a) Ideale Bauelemente
b) Linearität
c) Reale Elemente
d) Festlegung der Vorzeichen
2. Die Kirchhoffschen Gesetze
a) Knoten und Maschen
b) Knotenregel
c) Maschenregel
d) Einfache Schaltungen mit Quellen und Widerständen
3. Einige Konsequenzen der Linearität
a) Der Überlagerungssatz
b) Zerlegung von Signalen
c) Sätze von Thevenin und Norton
4. Berechnungsverfahren von linearen Netzwerken
a) Die Methode der Knotenpunktspotentiale
b) Methode der Maschenströme
5. LRC - Netzwerke
a) Gewinnung der Differentialgleichung
b) Anfangsbedingungen
c) Der allgemeine Fall
6. Schaltungen mit Transistoren
a) Der pn Übergang
b) Funktionsweise des Transistors
c) Kennlinienfelder des bipolaren Transistors
d) Ein Transistorverstärker
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e) Der Operationsverstärker
7. Digitalschaltungen
a) Schaltungselemente
b) Kombinatorische Schaltungen
c) Sequentielle Netzwerke
d) Fehlerkorrekturen
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KAPITEL F: Das Magnetfeld
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1. Statische Magnetfelder
a) Geschichtliches
b) Was ist Magnetfeld?
c) Transformation elektrischer Felder
d) Bewegung geladener Teilchen im Magnetfeld
e) Berechnung des Magnetfeldes von Strömen
f) Kraft zwischen stromführenden Drähten
g) Elektromagnetische Kraft zwischen zwei Teilchen
h) Der Verschiebungsstrom
2. Das Induktionsgesetz
a) Die Bewegung eines Leiters im homogenen Magnetfeld
b) Induktion in eine Leiterschleife
c) Das allgemeine Induktionsgesetz
d) Differentielle Form des Induktionsgesetzes
e) Beispiele
f) Das Vorzeichen der induzierten Spannung
3. Induktivität
a) Definition der Induktivität
b) Selbstinduktivität
4. Materie im Magnetfeld
a) Magnetisches Moment einer Stromschleife
b) Magnetisches Dipolmoment in Atomen
c) Magnetisierung M
d) Dia- Para- und Ferromagnetismus
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KAPITEL G: Wechselstromkreise
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1. Einleitung
2. Impedanzen
a) Definition
b) Strom und Spannung an L und C
c) Wechselstromleistung
3. Berechnung von Netzwerken
a) Die Grundgesetze
b) Beispiele
4. Schwingkreise
a) Der Parallelschwingkreis
b) Der LC - Transformator
c) Der Serienschwingkreis
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KAPITEL H: Die Maxwellschen Gleichungen
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1. Die Grundgleichungen
2. Einfluß von Materie
3. Technische Hilfsbegriffe
4. Stetigkeitsbedingungen
5. Typen von partiellen Diff. Gleichungen, die sich aus den Maxwell Gleichungen
ergeben
a) Die Potentialgleichung
b) DieWellengleichung
c) Die Diffusionsgleichung
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KAPITEL A
Einleitung
Die Erscheinungen des Elektromagnetismus beruhen auf der Mechanik von Teilchen, zwischen denen elektromagnetische Kräfte existieren. Insofern ist die Elektrodynamik ein Spezialfall der Mechanik. Wie in der Mechanik beschreibt man die Kraftwirkung über Felder. Die
Wechselwirkung zweier geladener Teilchen teilt man in zwei Teilaspekte auf:
Ein geladenes Teilchen erzeugt um sich ein Feld - wenn es ruht ein elektrostatisches
Feld, wenn es sich bewegt außerdem ein magnetisches Feld.
Das zweite Teilchen erfährt in diesem Feld eine Kraft
Dadurch, daß man Methoden entwickelt, das Feld einer Ladungsverteilung (bzw. einer Stromverteilung) zu berechnen, vereinfacht sich die Behandlung der Bewegung eines Teilchens unter dem Einfluß vieler anderer drastisch. Die Berechnung der Bewegung einzelner Teilchen ist
für Teilchenstrahlen, etwa in Beschleunigern oder Elektronenstrahl Apparaturen wie Elektronenmikroskopen wichtig, in beschränktem Maße für die Plasmaphysik, z.B. bei der Bewegung
geladener Teilchen im Magnetfeld der Erde. In Atomen und Festkörpern bewegen sich geladene Teilchen nach Regeln der Quantenmechanik. Die Quantenmechanik wird in dem hier behandelten Teil des Grundkurses beiseite gelassen. Wir beschränken uns auf die klassische
Elektrodynamik.
Der Kern der klassischen Elektrodynamik ist die Beschreibung der Felder aus Ladungs- und
Stromverteilungen und die Abhängigkeit der Felder untereinander. Die Grundgesetze sind die
Maxwellschen Gleichungen, die wir hier in folgender Form benutzen:
•
∇ × E = −B
•
∇ × B = µ 0  j + ε 0 E 
∇•B=0
ρ
∇•E= ε
0


∇ ist der Nabla Operator ∇ = 


∂
∂x
∂
∂y
∂
∂z





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Hinzu treten Gleichungen, die den Einfluß der Materie beschreiben. Die mathematischen
Grundlagen liefert die Vektoranalysis, d.h. die Theorie des Differenzierens von Vektorfeldern.
Die Maxwellsche Theorie ist der Prototyp aller Feldtheorien. Sie ist die Grundlage der elektromagnetischen Wellen und damit der optischen Erscdheinungen. Die Anwendung der Maxwellschen Theorie auf mechanische Probleme erfordert eine Neufassung der Begriffe Impuls
und Energie.
Die Maxwellsche Theorie in Verbindung mit geeigneten Materialgleichungen ist auch die
Grundlage der Theorie der elektrischen Schaltungen. Hier interessiert man sich für Ströme
und Spannungen in einem Netzwerk aus zwei- oder mehrbeinigen Bauelementen wie Widerständen, Strom- und Spannungsquellen, Schaltern, Kondensatoren, Dioden Transistoren u. Ä..
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KAPITEL B
Elektrostatik
1. Ladung
a) Was ist Ladung?
Die stabile Materie besteht aus Elektronen, Protonen, Neutronen und Neutrinos. Zwischen
diesen Teilchen gibt es außer der Gravitationskraft die elektrostatische und die magnetische
Kraft. Wenn Teilchen ruhen, ist die magnetische Kraft Null und es wirkt nur die elektrostatische Kraft. Mit diesem Sonderfall befaßt sich die Elektrostatik. In der Elektrostatik gibt es wie
in der Gravitation anziehende Kräfte, z.B. zwischen Elektron und Proton, aber im Gegensatz
zu ihr auch abstoßende Kräfte wie zwischen Elektronen untereinander oder Protonen untereinander. Außerdem gibt es Teilchen, auf die keine elektrostatische Kraft wirkt, wie die Neutronen und Neutrinos. Man sagt, Elektronen sind negativ, Protonen positiv geladen, Neutronen
und Neutrinos sind ungeladen. Ob ein Teilchen geladen oder ungeladen ist erkennt man also
daran - zumindest, wenn man Kernkräfte ausschließen kann, etwa weil der Abstand zwischen
den Teilchen sehr viel größer als die Kernradien ist - daß neben der Gravitation eine weitere
Kraftwirkung auftritt. Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an.
Die Kraft ist proportional zu 1/r2 wie beim Gravitationsgesetz. Die elektrostatische Kraft zwischen den Elementarteilchen ist um den Faktor 1040 größer als die Gravitationskraft. Daß man
sie bei großen Körpern nicht bemerkt, liegt daran, daß sich positive und negative Ladungen
anziehen und deswegen in Körpern nahe beieinander liegen, so daß schon Untereinheiten wie
Atome normalerweise aus gleich vielen negativen und positiven Teilchen bestehen und daher
nach außen neutral erscheinen.
Die Bezeichnung "positiv" und "negativ" ist natürlich völlig willkürlich. Es würde sich nichts
an den Aussagen der Physik ändern, wenn man den Elektronen eine positive Ladung zuschriebe und den Protonen eine negative. Man könnte auch ganz andere Begriffe verwenden, vielleicht "weiblich" und "männlich". Das Anziehungs- und Abstoßungsverhalten geladener Teilchen würde damit leidlich suggeriert. Vielleicht auch die Tatsache, daß bei großer Nähe zweier entgegengesetzt geladener Teilchen die Anziehung auf ein drittes Teilchen stark reduziert
ist.
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Die Differenz von Protonen und Elektronen in einem Körper nennt man die Ladung des Körpers. Die Einheit der Ladung wird über die Kraftwirkung eines Stromes im Magnetischen Feld
festgelegt. Primär ergibt sich daraus die Einheit des Stromes. Sie ist Ampere. Wegen
I=
dQ
dt
folgt dann für die Einheit der Ladung
[Q] = [I][t] = As = Cb(Coulomb).
Um einen makroskopischen Körper zu laden, genügt es, einen prozentual geringen Teil der
Elektronen fortzunehmen oder hinzuzufügen, Für alle Effekte, die nicht die Differenz von
Elektronen und Protonen betreffen, kann man ne = np setzen. Diese Eigenschaft nennt man
Quasineutralität.
b) Eigenschaften der Ladung
Die Ladung Q hat folgende Eigenschaften
α) Bei allen frei beobachtbaren Elementarteilchen ist der Betrag der Ladung gleich der Elementarladung e0 = 1,6021892•10-19±4,6•10-25As oder ein Vielfaches. Quarks, die als Bausteine
von Protonen und Neutronen gefordert werden, haben als Ladung ein Vielfaches von 1 e 0 .
3
Nach heutigem Wissen sind sie allerdings nicht als freie Teilchen beobachtbar.
Während man bei makroskopischen Körpern sehr erfolgreich, und zwar um so erfolgreicher,
je komplexer die Körper sind, von der Regel ausgehen kann, daß es keine Gegenstände gibt,
die genau gleich sind, zeigt die Natur im Mikroskopischen einen ausgesprochenen Hang zur
Uniformierung. Die Elementarladung ist also nicht als ein Mittelwert von vielen Ladungen zu
verstehen, deren Betrag um den Mittelwert schwankt, sondern wie Messungen zeigen, als ein
Wert, der von allen Teilchen, sogar unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative
Teilchen handelt, exakt eingehalten wird.
β) Die Ladung bleibt erhalten.
Abb. 1: Ein sich drehender Kreisel hat mehr Masse als ein ruhender, seine Ladung bleibt gleich
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Dies Gesetz ähnelt der Massenerhaltung für chemische Prozesse, ist aber strenger, da sich
nach der Relativitätstheorie die Masse eines Teilchens mit der Geschwindigkeit ändert. In
Abb. 1 würde bei einer Gravitationskraft die linke Waagschale sinken, wenn man den Kreisel
in Drehung versetzt. Bei einer elektrostatischen Kraft bliebe die Waage austariert. Insbesondere bleibt auch bei Kernprozessen die Ladung erhalten. Man kann z.B. ein Elektron nicht über
die Einsteinsche Formel E = mc2 in Strahlungsenergie umsetzen, da dadurch eine Ladung vernichtet würde. Bei einem Elektron - Positron Paar ist dies möglich, da die Gesamtladung Null
bleibt.
γ) Es gibt Körper, in denen Ladungen sich frei bewegen können.
δ) Die Kräfte von Ladungen überlagern sich linear.
d.h. wirkt von A auf P eine Kraft FA und von B auf P eine Kraft FB, so ist die Gesamtkraft
Fges= FA + FB.
ε) Die Kraft zwischen zwei punktförmigen geladenen Körpern ist F ∼
Q1Q2
2
.
Im Gaußschen cgs - System setzt man die Proportionalitätskonstante willkürlich gleich 1 und
dimensionslos. In SI - Einheiten sind die Einheiten für F, Q und r festgelegt. Daher ergibt sich
eine experimentell zu ermittelnde Konstante. Man schreibt
F=
1 Q1Q2
4πε 0 r 2
(1)
Gleichung (1) ist das Coulombgesetz. Die Konstante merkt man sich am besten über die
Beziehung
1 = 9 ⋅ 10 9 Nm 2
4πε 0
(As) 2
ε0 ist die elektrische Feldkonstante oder die Dielektrizitätskonstante des Vakuums.
c) Techniken zur Aufladung eines Körpers
α) Reibungselektrizität
Die seit dem Altertum verwendete Methode ist das Reiben zweier Körper. Da die Kräfte der
Körper auf die Elektronen verschieden groß sind, gehen diese bei engem Kontakt von einem
zum andern über. Das Vorzeichen der Ladung hängt dabei vom Stoff und dessen Oberflächenbeschaffenheit ab. Zu diesen Prozessen kann man alle zählen, bei denen durch engen Kontakt
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unterschiedlicher Materialien Ladung entsteht wie beim Transport von feinkörnigem Material
auf Förderbändern und durch feine Tröpfchen in der Dusche oder in Gewitterwolken. Gewitterwolken sind riesige elektrostatische Generatoren, die Energie des thermischen Aufwindes
in elektrostatische Energie überführen, wobei Spannungen von größenordnungsmäßig 8·108 V
entstehen. In der Technik wird Reibung zur Erzeugung hoher Spannungen in Bandgeneratoren
(van de Graaf - Generatoren) ausgenutzt. Dies sind nicht nur Spielzeuge, mit denen im Physikunterricht Elektrostatik demonstriert wird, sondern wichtige Geräte in der Kernphysik zu
Erzeugung von Spannungen zur Beschleunigung von Teilchen.
β) Äußerer Lichtelektrischer Effekt
Beim lichtelektrischen Effekt werden durch elektromagnetische Strahlung wie Licht oder
Röntgenstrahlung Elektronen aus einer Metalloberfläche ausgelöst. Die quantitative Deutung
dieses Effektes spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Quantenmechanik. Er bietet
eine der empfindlichsten Methoden zum Nachweis von Licht mit sogenannten Photomultipliern oder auf deutsch Sekundärelektronenvervielfachern.
γ) Piezoeffekt
Beim Piezoeffekt (entdeckt durch die Brüder Curie) wird bei der Verformung eines Kristalls
Ladung an der Oberfläche angesammelt. Piezokristalle, z.B. Bariumtitanat, werden in Gasanzündern benutzt oder in Meßvorrichtungen zur schnellen Druckmessung.
δ) In Hochspannungsnetzgeräten greift man auf die Energie, die das Netz liefert, zurück. Diese wird in Generatoren eines Kraftwerks letztenendes über die Lorentzkraft erzeugt.
ε)Andere Mechanismen zur Ladungserzeugung sind Thermoemission, Teilchenstöße z.B. Sekundärelektronenerzeugung u.a.m.
d) Nachweis von Ladungen
Abb. 2: Das Elektrometer
Ladungen weist man in der Elektrostatik über ihre Kraftwirkung nach. Empfindliche Nachweisgeräte sind Elektrometer (Abb. 2).
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Abb.3: Im Versuch von Millikan kann man die Ladung von
Öltröpfchen bis herab zu einer Elementarladung messen.
Im Öltröpfchenversuch nach Millikan bringt man einzelne Elementarladungen auf feine Öltröpfchen, die in einem geladenen Kondensator in Schwebe gehalten werden. Im Feldeffekttransistor (FET) erzeugt eine Ladung ein Feld, das einen Querstrom behindern kann. mit
kleinen Ladungen können große Querströme gesteuert werdsen. Dies ist die Grundlage von
elektronischen Geräten zur Ladungsmessung.
e) Anwendungen der Elektrostatik
Auf Plastikteilen wie Schallplatten stört die elektrostatische Aufladung, da durch sie geladene
Staubpartikel angezogen werden. Da Reibungselektrizität ein Oberflächeneffekt ist, ist sie bei
kleinen Partikeln besonders ausgeprägt. Man kann sie daher z.B. zur Entstaubung von Rauch
benutzen. In Kopergeräten wird die Anziehung von Staub ausgenutzt. Das Herzstück in ihnen
ist eine dünne Schicht amorphen Selens auf einer geerdeten Metallwalze. Selen ist eine Isolator, der bei Belichtung leitend wird. Die Selenschicht wird mit positiver Ladung besprüht und
belichtet. Die belichteten Stellen werden leitfähig und führen die Ladungen an die geerdete
Platte ab. Negativ geladene Farbstoffteilchen des Toners werden auf die Selenschicht gesprüht
und bleiben auf den geladenen Stellen, die dem dunklem Muster der Vorlage entsprechen, haften. Ein Papier, das positiv geladen wird, wird auf die Selenwalze gelegt und zieht die Farbpartikel an, die mit intensivem Licht eingebrtannt werden.
Andere Anwendungen sind Trennung von Salzgemischen, Elektrosprühverfahren, Beschleunigung von Teilchen in der Hochenergiephysik.
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KAPITEL C
Das Elektrostatische Feld
1. Definition der Feldstärke
Bringt man in die Umgebung einer Ladung Q0 eine Probeladung Qp, so wirkt auf diese die
Q0Qp r
Kraft F = 1
. Es existiert also ein Kraftfeld, das von Q0 und Qp abhängig ist. Man
4πε 0 r 2 r
möchte das Feld aber lieber als Eigenschaft von Q0 alleine sehen. Um eine Größe zu erhalten,
die unabhängig von Qp ist, definiert man die elektrische Feldstärke
E= F
Qp
(1)
Abb. 4: Die Richtung der Feldstärke ist die
der Kraft auf eine positive Ladung
Ist E bekannt, läßt sich mit dieser Formel F berechnen. Die Richtung ist gegeben durch die
Richtung der Kraft auf eine positive Probeladung. Die Kraft zwischen zwei geladenen Körpern der Ladung Q1 bzw. Q2 und dem Abstand r rechnet man dann so aus: Zuerst bestimmt
man das Feld von Q1, indem man die Kraft auf die Probeladung bei r bestimmt.
F=
1 Q1Qp
4πε 0 r 2
Nach Definition von E erhält man daraus die Feldstärke
E=
1 Q1
4πε 0 r 2
Die Kraft auf Q2 ist dann F = Q2E
F=
1 Q1Q2
4πε 0 r 2
14
Abb. 5: Das Feld einer Punktladung hat eine höhere Symmetrie
als die Kraft zwischen zwei Ladungen
Für ein geladenes Punktteilchen hat man natürlich nicht viel gewonnen. Bei komplizierten Ladungsverteilungen vereinfacht sich u.U. die Rechnung erheblich, da die Symmetrie erhöht
wurde. Z. B. ist die Berechnung der Kraft einer ausgedehnten kugelförmigen Ladungsverteilung auf ein Elektron ein achsensymmetrisches Problem, das heißt das Resultat hängt von
zwei Variablen r und z ab, wobei z entlang der Richtung der Verbindungslinie beider Ladungen zählt, r der Abstand von dieser Verbindungslinie ist. Die Bestimmung der Feldstärke einer
kugelförmigen Ladungsverteilung ist hingegen ein kugelsymmetrisches Problem, d.h. alles
hängt nur von einer Variablen r ab. Wir werden dies in den Beispielen des nächsten Abschnittes ausnutzen. Man beachte, daß man das Feld der Probeladung nicht zu berechnen braucht.
Warum spricht man dann überhaupt von einer "Probe"ladung und stellt sich diese klein vor?
Die Probeladung hat im Prinzip eine Rückwirkung auf die Ladungsverteilung, die das Feld erzeugt, d.h. führt man eine Probeladung in die Nähe einer anfangs kugelsymmetrischen Ladungsverteilung, so können durch das Feld der Probeladung Verschiebungen erzeugt werden.
Wir wollen also diese Verschiebungen vernachlässigen dürfen.
Ein wesentlicher zweiter Aspekt, der mit der Einführung von Feldern verbunden ist, besteht
darin, daß Felder sich nach der Relativitätstheorie nur mit endlicher Geschwindigkeit im
Raum ausbreiten können. Wir betrachten zunächst nur Situationen, in denen die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Felder keine Rolle spielt.
2. Feldlinien, Fluß
Die Feldlinie ist eine Kurve im Raum, die so konstruiert ist, daß in jedem Punkt E tangential
zur Kurve verläuft. Durch jeden Punkt des Raumes läßt sich eine Feldlinie konstruieren. Bei
graphischen Darstellungen eines Feldlinienbildes zeichnet man eine willkürliche Anzahl von
Feldlinien. Die Feldliniendichte, d.h. die Anzahl der Feldlinien pro senkrecht zu E stehender
Fläche zeichnet man proportional zu E.
E= N
A
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Mit dieser Definition ist für ein allgemeines Kraftgesetz nicht gewährleistet, daß keine Kraftlinien im Ladungsfreien Raum enden. N = EAn kann man als Definition der Anzahl von Feldlinien auffassen. Um von ganzen Zahlen frei zu kommen, sagt man
Φ = EA n = EA cos α = E • A
Abb. 6: Der Fluß durch die Fläche A hängt vom Winkel zwischen Feld und Flächennormalen ab.
ist der Fluß des elektrischen Feldes durch A. α ist der Winkel zwischen Feldrichtung und Flächennormalen. Für den Fall, daß sich E über die Fläche ändert, verallgemeinert man die Definition zu
Φ = ∫ E • dA
(2)
In einem Geschwindigkeitsfeld v(r) ist Φ = ∫ v • dA das Flüssigkeitsvolumen, das durch die
Fläche des Integrationsbereichs tritt. Der Fluß ist mit einem Vorzeichen behaftet. Wenn cosα
negativ ist, ist auch Φ negativ. Das Vorzeichen gibt an, welchen Richtungssinn die Feldstärke
hat. Bei geschlossenen Flächen gilt die Konvention, daß bei einem positiven Vorzeichen die
Feldlinien aus den geschlossenen Bereich hinausführen.
3. Das Gaußsche Gesetz
a) Welchen Fluß erzeugt eine Ladung?
Für eine Kugeloberfläche vom Radius R mit einer Punktladung Q im Mittelpunkt (Abb. 7)
steht E überall senkrecht auf der Fläche und |E| ist konstant. Der Gesamtfluß durch die Kugeloberfläche ist damit
Φ ges = E ⋅ A Kugel
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Abb. 7: Der Fluß, der aus einer Punktladung
kommt, läßt sich sofort hinschreiben.
Q
Q
2
und
A
=
4πR
folgt
Φ
=
ges
ε . Der Gesamtfluß ist unabhängig vom Kugelra4πε R 2
dius. Im Feldlinienbild heißt das, daß die Anzahl der Feldlinien (die ja proportional zum Fluß
Da E =
ist) auf jeder Kugel um die Ladung gleich groß ist. Die Feldlinien enden nicht im ladungsfreien Raum sondern nur auf der Ladung. In einer stationären Flüssigkeitsströmung hätte der Fluß
dieses Verhalten, wenn sich eine punktförmige Quelle im Kugelmittelpunkt befindet. Die gesamte Flüssigkeitsmenge, die die Quelle hergibt, tritt dann durch eine solche Kugelfläche hindurch. Sie tritt dann aber auch durch jede andere Oberfläche, die die Quelle ganz umgibt, unabhängig von der Form der Oberfläche und von der Verteilung der Quellstärke innerhalb der
geschlossenen Fläche.
Abb. 8: Von dem Fluß durch eine Kugelschale um eine Punktladung
läßt sich auf den Fluß durch eine beliebige Fläche schließen, die die
Punktladung umgibt.
Dieser Satz gilt für die elektrische Feldstärke auch und heißt dann Gesetz von Gauß. Formal
sieht man seine Gültigkeit etwa so ein: Für die Kugeloberfläche ist bewiesen, daß
Q
∫ E • dA = ε , wenn eine Punktladung im Mittelpunkt liegt. Bei einer beliebig geformten Fläche, die die Kugel ganz umgibt, kann jedes Flächenelement dA mit Strahlen durch den Mittelpunkt der Kugel auf ein Flächenelement der Kugel dAK projiziert werden (Abb. 8). Durch die
radiale Verschiebung ergibt sich keine Flußänderung, da die Feldstärke mit 1/r2 abnimmt, das
Flächenelement mit r2 zunimmt. Auch durch die Kippung ergibt sich keine Flußändereung
nach der Definition des Flusses (dAn = dA cosα). Soweit der Beweis für eine Punktladung. Da
sich für mehrere Ladungen die Feldbeiträge der einzelnen Ladungen an jeder Stelle der Oberfläche addieren (E = Σ E i ), und für jede Ladung der Gaußsche Satz gilt,
Qi
∫ E i • dA = ε 0
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gilt er auch für die Gesamtladung Q.
Qi
∫ E • dA = ∫ Σ E i • dA = Σ ∫ E i • dA = Σ ε
Q
=ε
Der Gesamtfluß des elektrischen Feldes, das aus einer Ladung Q tritt, ist Q/ε0.
Q
∫ E • dA = ε 0
(3)
Das Gaußsche Gesetz ist eine Formulierung einer der Maxwellschen Gleichungen. D.h. es
wird statt des Coulombschen Gesetzes als Grundgesetz genommen. Die Implikationen von
Coulomb und Gauß Gesetz sind gleich. Ursprünglich ist das Coulomb Gesetz ein Fernwirkungsgesetz, d.h. man nimmt eine gleichzeitige Wirkung der Kräfte an beiden Partnern an. Im
Lichte der Relativitätstheorie muß man voraussetzen, daß sich E mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Dieser Übergang zu Feldern mit endlicher Ausbreitungsgeschwindigkeit geht
nicht ohne Komplikationen ab. Man gerät dann z.B. mit dem Gesetz actio = reactio in
Schwierigkeiten.
Das Gaußsche Gesetz kann in Einzelfällen benutzt werden, um die elektrische Feldstärke in
der Umgebung einer Ladungsverteilung auszurechnen. Hierzu legt man eine Fläche durch den
Punkt, an dem E berechnet werden soll. Die Form der Fläche wählt man so, daß E auf ihr oder
zumindest auf bestimmten Stücken von ihr konstant ist.
b) Beispiele zur Anwendung des Gaußschen Gesetzes
α) Feld außerhalb einer kugelförmigen Ladungswolke der Ladung Q im Abstand r vom
Mittelpunkt.
Abb. 9: Das Feld einer kugelförmigen Ladungswolke
läßt sich aus dem Gaußschen Gesetz ermitteln.
Als Referenzfläche wird eine Kugel mit dem Radius r um den Mittelpunkt gewählt. Nach dem
Gaußschen Gesetz kann man dann schreiben
18
Q
Φ = EA = ε
Daraus folgt
E=
Q
.
4πε r 2
Das Feld ist das gleiche wie von einer Punktladung im Mittelpunkt der Ladungskugel. Von
der Feldverteilung kann man nicht eindeutig auf die Ladungsverteilung schließen.
β) Feld innerhalb einer geladenen Hohlkugel vom Radius R
Abb. 10: Das Feld innerhalb einer geladenen Kugelschale
muß verschwinden
Nach dem Gaußschen Gesetz gilt für eine Kugel mit dem Radius r, wobei r < R (Abb. 10)
Q
EA = ε
Da sich innerhalb dieser Kugel keine Ladung befindet, muß Q = 0 gesetzt werden. Es folgt
E = 0. Man beachte, daß hier die Ladungsverteilung außerhalb der betrachteten Kugelschale
überhaupt nicht eingeht.
γ) Das Feld zwischen zwei geladenen Metallplatten
Abb. 11: Zwei geladene Metallplatten können als Ausschnitt aus
zwei großen geladenen Kugelschalen betrachtet werden
Zunächst werden zwei konzentrische geladenen Kugeln betrachtet (Abb.11). Nach dem Gaußschen Gesetz ist mit der gleichen Argumentation wie oben unter β das Feld im Außenraum
Null, da für Q die algebraische Summe zu nehmen ist, und diese verschwindet, wenn die beiden Kugelschalen gleiche Ladungsbeträge besitzen, was z.B. dann der Fall ist wenn sie dadurch geladen werden, daß Ladung von der einen auf die andere übertragen wird. Im Innern
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der kleineren Kugel ist die Feldstärke nach der Argumentation unter β ebenfalls Null. Insgesamt Ea = 0 (Abb. 11). Das Feld ist also auf den Raum zwischen den Kugeln beschränkt.
Abb.12: Das Gaußsche Gesetz angewandt auf einen
Plattenkondensator
Zwei ebene Platten bilden einen Ausschnitt aus dem "Kugelkondensator". Wenn man von
Randeffekten absehen darf - dies ist der Fall, wenn der Abstand der beiden Platten d klein gegenüber der Linearausdehnung der Platten ist - wird das Feld durch das Herausschneiden der
beiden Platten aus der Kugel nur wenig gestört, und es gilt auch hier Ea = 0 und E = const im
Innern. Das Gaußsche Gesetz wird auf die in Abb. 12 angedeutete Fläche angewandt. Diese
wird in eine zwischen den Platten und eine außerhalb aufgeteilt. Die Flächengröße zwischen
den Platten ist gleich der Plattenfläche A. Auf ihr wird E als konstant angenommen, während
die äußere Fläche beliebig groß ist. Auf ihr soll E verschwinden. Das Gaußsche Gesetz
schreibt sich dann
∫
E • dA+
∫
Die Integrale lassen sich lösen:
E=
Q
E • dA = ε
0
∫
E • dA = EA
∫
E • dA = 0 . Es folgt
Q
Aε 0
Man kann das Feld eines Plattenkondensators auch durch folgende Betrachtung ermitteln: Wir
gehen von einer geladenen Platte aus. Die umgekehrte Ladung sei im Unendlichen. Aus Symmetriegründen ist das Feld in einem Halbraum homogen und inbeiden Halbräumen vom Betrage her gleich aber entgegengesetzt. Der gesamte Fluß, der die beiden Seiten der Platte verläßt ist nach dem Gaußschen Gesetz
Q
E 1 ⋅ 2A = ε
0
E1 =
Q
2Aε 0
20
Bringt man zwei solcher Platten mit gleichen Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens auf
den Gegenseitigen Abstand d, so addieren sich in jedem der Teilräume die Felder der einzelnen Platten. Im Innenraum ergibt sich eine Verdopplung, E = 2E1 im Außenraum eine Auslöschung der Felder der Einzelplatten.
c) Die differentielle Form des Gaußschen Gesetzes
Abb. 13: Die Änderung der elektrischen Feldstärke
in einem Volumenelement
∆Q
,
∆V
die nur von einer Koordinate x abhängig sei. Man kann diese als Ausschnitt aus einer kugelEs wird eine eindimensionale Ladungsverteilung betrachtet, d.h. eine Ladungsdichte ρ =
förmigen Verteilung auffassen mit ∆x = ∆r << R. Die Feldstärke hat dann nur die Komponente Ex. Das Gaußsche Gesetz auf das Volumenelement ∆V = ∆x·A angewandt ergibt (s. Abb.
13):
−EA + (E + ∆E)A =
ρ(x)A∆x
ε0
Dabei wurde berücksichtigt, daß durch die Randflächen kein Fluß tritt. Es bleibt übrig:
ρ(x)
∆E x ρ(x)
= ε , im Grenzfall dE = ε
0
0
∆x
dx
Wenn ρ auch von den anderen Ortskoordinaten abhängig ist, ergibt sich auch in den anderen
Richtungen ein elektrisches Feld. Der allgemeine Fall wird am elegantesten mit der Vektoranalysis behandelt (s. Abschnitt 7 dieses Kapitels). Wir können uns aber jetzt schon vorstellen, daß die Verallgemeinerung auf drei kartesische Koordinaten folgendermaßen aussieht:
∂E x ∂E y E z ρ
+
+
=
∂x
∂y ∂z ε 0
Man schreibt
21
ρ
∇•E= ε
0
 ∂/∂x
wobei ∇ =  ∂/∂y

 ∂/∂z
fig auch "div E".
(4)

 der Nablaoperator ist. Man spricht ∇ • E "Divergenz E" und schreibt häu


4. Arbeit im elektrischen Feld
a) Das Potential
Bewegt man eine Probeladung im elektrischen Feld von einem Punkt A zu einem Punkt B, so
ist wie im Gravitationsfeld die Arbeit unabhängig von der Form des Weges zwischen A und
B. Bewegt man sie von A nach B und von B nach A zurück, so ist die Gesamtarbeit Wges = 0.
B
B
∫A F • dr =∫A F • dr
C
→ ∫ F • dr = 0
(5)
C
Abb. 14: Die Arbeit, die notwendig ist, in einem elektrischen Feld eine Ladung entlang dem Weg c1 zu transportieren, ist die gleiche wie
entlang c2.
Für Jemanden, der an den Energiesatz glaubt - und welcher Physiker möchte dies geliebte
Grundprinzip aufgeben? - scheint diese Aussage selbstverständlich: besagt sie doch nur, daß
man kein Perpetuum Mobile bauen kann, indem man nur genügend geschickt eine Ladung in
einem elektrischen Feld kreisen läßt. Man muß allerdings nicht vorschnell folgern, daß es
überhaupt keine Felder F(r) geben darf, für die ∫ F • dr ≠ 0. Magnetfelder haben genau diese
Eigenschaft.
Man beweist Gleichung (5), indem man ihn zuerst für eine Punktladung zeigt. Hier gehen bei
der Berechnung der Arbeit nur die Anteile ein, die entlang der radialen Komponenten des Wegelementes dr verrichtet werden und diese sind unabhängig vom Weg. Für eine Ladungsverteilung ergibt sich der Satz dann aus dem Superpositionsprinzip.
F ges = F 1 + F 2 = Σ F i
22
∫ F ges • dr = ∫ F 1 • dr + ∫ F 2 • dr + ... = 0
Die rechte Seite verschwindet, da jedes einzelne Integral verschwindet. In einem elektrostatischen Feld lassen sich also Teilchen nicht durch einen zyklischen Prozeß beschleunigen.
Man kann daher eine potentielle Energie definieren
r
W pot (r) = − ∫ F • dr
r
Der Anfangspunkt r0 kann beliebig gewählt werden, da im Grunde nur Potentialdifferenzen
interessieren. Bewegt man sich mit einer Probeladung auf einer Fläche, die immer senkrecht
auf E steht, so wird keine Arbeit geleistet (cosα = 0!). Auf der gesamten Fläche hat die Probeladung die gleiche Energie. Man nennt sie daher Äquipotentialfläche. Metallflächen sind in
der Elektrostatik Äquipotentialflächen. Statt eines Anfangspunktes wählt man also bei der Berechnung der potentiellen Energie eine Äquipotentialfläche als Nullniveau aus. Bei kugelsymmetrischen Ladungen wählt man r0 = ∞ oder die Kugeloberfläche aus. Bei elektrischen Schaltungen häufig die Erdoberfläche ("Masse").
Um eine Feldgröße zu erhalten, die unabhängig von der Größe der Probeladung ist, definiert
man wie beim elektrischen Feld das elektrische Potential:
ϕ=
W pot
Qp
(6)
Da an jeder Stelle aufgrund der Definition der Arbeit W ~ F und aufgrund des Gaußschen Gesetzes F ~ Q, ist ϕ unabhängig von Qp. Die Einheit des Potentials ergibt sich aus Gleichung
(6)
[ϕ] = Nm = Joule = V(Volt)
As
As
Oft wird in elektrischen Problemen die Grundeinheit kg mit der Beziehung
1VAs = 1J = 1
kgm 2
2
eliminiert. Es erscheint dann in der Dimension statt der Einheit kg die Einheit V.
23
Wenn das Potential bekannt ist, läßt sich die potentielle Energie eines Körpers der Ladung Qp
über die Beziehung (6) berechnen:
W pot = ϕQ p .
Teilt man die Gleichung W pot = −∫ F(r) • dr an beiden Seiten durch Qp und beachtet, daß
Wpot/Qp = ϕ, und F/Qp = E, so sieht man, daß
r
(7)
ϕ = − ∫ E • dr
r0
Aus Gleichung (7) ergibt sich die Einheit der Feldstärke bezogen auf die Einheit Volt statt kg.
V
[E] = m
Wenn ϕ bekannt ist, läßt sich durch Umkehren der Gleichung (7) eine beliebige Komponente
von E berechnen. Man leitet ϕ nach dieser Ortskoordinate ab und läßt die anderen konstant.
∂ϕ
∂ϕ
∂ϕ
= −E x ,
= −E y ,
= −E z
∂x
∂z
∂y
 ∂/∂x 
Man schreibt ∇ϕ = −E mit dem Nabla Operator ∇ =  ∂/∂y  und spricht "Gradient von ϕ".


 ∂/∂z 
grad ϕ ist ein Vektor, der in Richtung -E zeigt und den Betrag von E hat. In elektrostatischen
Problemen, in denen E ausgerechnet werden soll, ist es häufig einfacher, zuerst das Potential
zu bestimmen und daraus durch Gradiendenbildung E zu ermitteln.
b) Spannung
Abb. 15: Zwischen Körpern, die geladen sind,
herrscht eine Spannung.
Die Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten nennt man Spannung. U = ϕ(B) - ϕ(A). Sie ist
wie das Potential ein Skalar und hat die gleiche Dimension Volt. Um das Vorzeichen
24
eindeutig festzulegen, verläßt man sich in der Technik nicht auf einen Formalismus, etwa inB
dem man in der Beziehung U =±∫ E • dr eins der beiden Vorzeichen festlegt, sondern man
zeichnet in die Schaltbilder Meßpfeile (auch Zählpfeile genannt). Der Meßpfeil gibt mit seiner
Spitze an, wo der - Pol des Meßinstrumentes anzuschließen ist, um die Spannung mit dem
vorgesehenen Vorzeichen korrekt anzuzeigen. Man beachte, daß zwischen zwei Raumpunkten
in der Umgebung einer Ladung eine Spannung herrschen kann, unabhängig davon, ob hier
Elektroden oder andere Materie im Raum sind. Mit einem normalen Voltmeter würde man allerdings im Vakuum oder im Luft erfüllten Raum nichts messen, da es zur Anzeige Ladungstransport benötigt.
Durchläuft ein Teilchen der Ladung Q eine Spannung U, so verliert oder gewinnt es potentielle Energie Wpot = QU. Die Energie, die ein Teilchen mit der Elementarladung e0 gewinnt - oder
verliert - wenn es die Spannung U durchläuft, nennt man U Elektronenvolt (eV). Aus dieser
Definition ergibt sich die Umrechnung
W = W ⋅ e = W 1, 6 ⋅ 10 −19
0
eV
Joule eV
Die Einheit eV ist an die Verhältnisse im Atom angepaßt. Die hier typischerweise vorkommenden Energien wie Anregungsenergie, Dissoziationsenergie haben die Größenordnung von
einigen eV. Wegen der Äquivalenz von Masse und Energie ist die Einheit eV/c2 ein Maß für
die Masse. Man läßt etwas leger das c2 meistens weg und sagt z.B. ein Elektron hat die Ruhemasse 0,5 MeV (Megaelektronenvolt). Auch andere Größen, die mit einer Energie zusammenhängen, wie z.B. die Frequenz einer Strahlung (E = hν) oder die Temperatur werden häufig in
eV ausgedrückt (10 000K ~ 1eV).
Beispiel:
Ein Elektron starte mit der Geschwindigkeit v = 0 an einer Elektrode und werde durch die
Spannung U an einer zweiten Elektrode beschleunigt. Welche Endgeschwindigkeit erreicht
es?
Energiesatz:
Wpot(A) + Wkin(A) = Wpot(B) + Wkin(B)
Wkin(A) = 0
Wkin(B) = Wpot(A) - Wpot(B) = e0U
25
1 mv 2 = e U
0
2
Die Endgeschwindigkeit ist nicht vom speziellen Verlauf von E oder der Geometrie abhängig.
Möchte man z.B. in einer Beschleunigungsstrecke eine möglichst große Endgeschwindigkeit
erreichen, so ist es unnötig, durch besondere Formgebung der Elektroden oder durch Variation
des Abstandes der Elektroden die Apparatur optimieren zu wollen. Die Endgeschwindigkeit
ist alleine von der angelegten Spannung abhängig.
5. Kapazität
a) Ladung und Spannung
Abb. 16 und 17: Je größer die Ladung, desto größer
die Feldstärke, und zwar an jedem beliebigen Punkt.
Lädt man eine Anordnung von zwei Leitern auf, indem man Ladung von einem Leiter auf den
anderen überführt, so entsteht in der Umgebung der Leiter ein elektrisches Feld, dessen Feldstärke an jedem Punkt der Ladung, die auf dem Leiter sitzt, proportional ist.
E~Q
Andererseits ist wegen U = ∫ E • dr die Spannung der Feldstärke proportional und damit
U~Q
Man schreibt
Q = CU
(8)
26
und nennt C die Kapazität der Anordnung. Ihre Dimension ist nach Gleichung (8)
[C] = As = F (Farad)
V
b) Eigenschaften der Kapazität
Setzt man U = 1V, so ist Q = C. C ist also die Ladung, die eine Kapazität aufnehmen kann, um
einen Spannungsanstieg von 1V zu erzeugen. Man beachte, daß die Kapazität kein Eimer für
Ladungen ist. Das Fassungsvermögen eines Eimers läßt sich angeben, etwa 10l. Die Kapazität
hat im Prinzip ein beliebig hohes Fassungsvermögen, wenn man beliebige Spannungen zuläßt.
Sie verhält sich also eher wie ein Luftballon aus Gummi, den man mit Wasser füllt: Wenn
man etwas mehr hinengibt, wird er einfach größer. Das Ende ist dadurch gegeben, daß er
platzt. Auch die maximale Ladungsmenge, die ein Kondensator faßt, ist dadurch gegeben, daß
er nicht beliebige Spannungen aushält. Die Kapazität ist eine Größe, die nur von der Geometrie der Anordnung der Elektroden und von den Eigenschaften des dazwischenliegenden Materials abhängt. C kann daher für eine räumlich stabile Anordnung von vorneherein bestimmt
werden. Aus einer Spannungsmessung kann dann auf die Ladung oder die Ladungsänderung
geschlossen werden. Die Kapazität ist nur relativ zu einer zweiten Elektrode definiert. Wenn
nur eine Elektrode angegeben ist, meint man implizit, die zweite Elektrode ist die Erde.
In einer Schaltung ist die Gesamtladung Null. Wenn sich an einer Stelle Ladung ansammelt,
sagt man, sie hat gegenüber der Stelle, wo die Ladung fehlt, eine Kapazität. Eine Kapazität hat
also immer zwei Anschlüsse. Genau die Ladung, die in den einen Anschluß hineinfließt, fließt
aus dem anderen heraus. Hier sieht man, daß das Analogon zum Wassereimer völlig
zusammenbricht.
Wenn man eine bestimmte Ladungsmenge auf eine Kapazität bringt, so ändert sich U um so
weniger, je größer C ist. Dies sieht man besonders deutlich, wenn man die Gleichung (8) auf
•
beiden Seiten differenziert. Da I =Q folgt
•
I=CU
(9)
Gleichung (9) ist der Zusammenhang von Strom und Spannung an einem Kondensator bei be•
liebigem Zeitverlauf. Setzt man U= 1 Vs so ist I = C. C gibt an, wieviel Strom in einen Kondensator fließen muß, damit er einen Spannungsanstieg von 1V/s erzeugt. Ein Kondensator erlaubt es also, Kurvenverläufe, die als Spannung vorliegen, zu differenzieren und solche, die
27
als Strom vorliegen zu integrieren. Große Kondensatoren werden zum Glätten von Spannungen, z.B. am Ausgang von Netzgeräten benutzt, da sie große Ladungsmengen aufnehmen können, ohne daß sich die Spannung an ihnen erhöht (Abb. 18).
Abb. 18: Kondensatoren werden zum Glätten von
Spannungen benutzt
c) Die Berechnung von C
Zur Berechnung von C ermittelt man zunächst - z.B. mit dem Gaußschen Satz - aus einer gegebenen Ladung Q die Feldstärke. Aus U = ∫ E • dr errechnet man die Spannung U. Das Ergebnis hat dann die Form Q = ( )U, wobei die Klammer kein U und Q mehr enthält. Da Q =
CU die Kapazität definiert (genaugenommen |Q| = C|U|, d.h. Kapazitäten sind immer positiv),
ist der Klammerausdruck die Kapazität.
α) Die Kapazität eines Plattenkondensators
Abb. 19: Zur Geometrie des Plattenkondensators
Die Geometrie ist in Abb. 19 gezeigt. Nach dem Gaußschen Satz gilt, wenn der Abstand der
Platten klein gegenüber der Linearausdehnung der Platten ist
E=
Q
ε0A
Da E konstant ist, wird aus U = ∫ Edx , U =Ed. Setzt man hier E nach dem Gaußschen Satz
Q
ε A
d und daher Q = 0 U . Als Kapazität erhält man also
ein, wird daraus U =
ε0A
d
C=
ε0A
d
Die Proportionalität zu A ist anschaulich verständlich, da auf größeren Flächen bei sonst gleichen Bedingungen mehr Ladung Platz hat. Die umgekehrte Proportionalität zu d liegt daran,
28
Q
und U bei gleicher Ladung proportional zum Plattenabstand ist. Um eine große
U
Kapazität zu erhalten, muß d möglichst klein sein. In Kondensatoren erreicht man dies, indem
daß C =
man zur Isolation zwischen den Platten eine Kunststofffolie nimmt, die zusammen mit den
Elektroden aus Metallfolie zu einem Paket gewickelt wird. Die Eigenschaften des Isolationsmaterials ("Dielektrizitätskonstante") können außerdem die Kapazität erhöhen. Noch kleinere
Abstände erzeugt man mit elektrolytisch gewonnenen Schichten im "Elko". In Metallpapierkondensatoren (MP - Kondensatoren) werden die Elektroden auf beide Seiten des isolierenden
Papiers bedampft. Bei Durchschlägen dampft das Metall in der Umgebung des Loches weg,
wodurch die erforderliche Durchschlagsfestigkeit wieder hergestellt wird. MP - Kondensatoren sind selbstheilend.
Lädt man einen Plattenkondensator auf und trennt die Spannungsquelle vom Kondensator, so
bleibt die Ladung konstant. Vergrößert man jetzt den Abstand, so wird C kleiner. Da Q = CU
wird U größer. Eine technisch genutzte Möglichkeit zur Spannungserhöhung besteht darin,
daß man mehrere parallelgeschaltete Kondensatoren auflädt (Abb. 20), und bei der Nutzung
hintereinanderschaltet.
Abb. 20: Das Prinzip der Kaskadenschaltung
β) Kapazität einer geladenen Kugel gegen unendlich
Abb. 21: Diese Kugel soll gegenüber Unendlich (= Erde) aufgeladen sein
Der Rechengang ist der gleiche wie beim Plattenkondesator
E=
Q
4πε r 2
∞
Q ∞ 1
Q 1∞
Q
=
−
=
U = ∫ Edr =
dr
∫
2
r


4πε 0 r
4πε 0
4πε 0 R
R
29
Q = 4πε 0 RU
C = 4πε 0 R
Aus der Proportionalität von C und R läßt sich ableiten, daß die Feldstärke an metallischen
Oberflächen um so größer ist, je kleiner der Krümmungsradius ist. Als Modell betrachtet man
zwei metallische Kugeln vom Radius R1 und R2, die leitend miteinander verbunden sind
(Abb. 22). Das Potential an ihrer Oberfläche ist konstant, da es sich um metallische Kugeln
handeln soll, daher ist die Spannung gegen Erde gleich.
Abb. 22: zwei miteinander metallisch verbundene
Kugeln haben das gleiche Potential
U 1 = U2 = U
Q1 R1
=
. Die Ladung verteilt sich so,
Q2 R2
daß das Verhältnis der Ladungen auf den Kugeln gleich dem ihrer Radien ist. Für die FeldstärDa Q1= C1U = 4πε0R1U und Q2 = C2U = 4πε0R2U folgt
ken gilt dann nach dem Gaußschen Gesetz
E1 =
Hieraus folgt
Q1
4πε 0 R
2
, E2 =
Q2
4πε 0 R 2
2
E1 R2Q1
R
E
= 2
und mit dem obigen Ergebnis 1 = 2
E2 R Q2
E2 R1
Die Feldstärken verhalten sich umgekehrt wie die Radien der Kugeln.
d) Die Energie eines geladenen Kondensators
Abb. 23: Der Energieinhalt eines Kondensators ergibt sich aus der
Arbeit bei seiner Aufladung
30
Wir haben oben im Abschnitt b) zugleich mit der Definition der Kapazität wichtige Eigenschaften für ihre Anwendung gelernt: die Pufferwirkung und die Wirkung als Differentiator
oder Integrator. Eine weitere wichtige Anwendung ist die als Energiespeicher. Der Energieinhalt eines Kondensators ist gleich dem Aufwand an Energie beim Laden. Die Momentanladung sei Q, die Momentanspannung U = Q/C. Transportiert man von der negativ geladenen
Elektrode zur positiv geladenen die Ladung dQ, so ist die erforderliche Arbeit dW = UdQ,
wegen Q = CU kann man von der unabhängigen Variablen Q auf U transformieren: dQ =
CdU und daher gilt dW = CUdU. Die Gesamtarbeit, die geleistet wird, um den Kondensator
von der Anfangsspannung 0 zur Endspannung U0 zu laden, ist
U0
W=C
∫
UdU = 1 CU 20
2
W = 1 CU 20
2
(10)
Man kann diese Energie als die des elektrischen Feldes, das die Ladung erzeugt, auffassen. E
ist im Innern des Kondensators konstant E = U0/d, außen praktisch Null. Ersetzt man in Gleichung (10) U über diesen Ausdruck und C durch C = ε0A/d, erhält man W = ½ε0AdE2. Da
Ad = V das Volumen ist, das das elektrische Feld einnimmt, kann man die obige Gleichung
schreiben
W = 1 ε E2
0
V 2
(11)
Die Energiedichte des elektrischen Feldes im Vakuum ist 1 ε 0 E 2 .
2
e) Verschaltung von Kapazitäten
Abb. 24: Die parallelgeschalteten Kondensatoren sollen elektrisch den gleichen Effekt haben wie ein einziger.
Benötigt man für eine Schaltung einen bestimmten Kapazitätswert, der in dieser Größe aber
nicht zur Verfügung steht, so kann man versuchen, durch Parallel- oder Hintereinanderschalten vorhandener Kondensatoren den erforderlichen Wert zu erhalten.
31
α) Parallelschaltung
Gesucht ist die Kapazität Cges, die die gleichen Eigenschaften hat wie die Parallelschaltung
von Kondensatoren C1, C2, ...(siehe Abb. 24), d.h. die bei Aufladung mit der Ladung Q zur
gleichen Spannung führt. Die Ladung, die in einen Anschluß fließt, verteilt sich auf die einzelnen Kapazitäten
Q ges = Q 1 + Q 2 + ... = C 1 U 1 + C 2 U 2 + ...
Die Spannung ist an allen Kondensatoren gleich, da es sich um verbundene Metallflächen handelt. U1 = U2 = U. Man kann sie daher ausklammern
Q ges = C 1 U + C 2 U + ... = (Σ C i )U
Da nach der Definition der Kapazität der Faktor vor U die Kapazität der Anordnung darstellt,
erhält man
C ges = Σ C i
(12)
Bei Parallelschaltung addieren sich die Kapazitäten zur Gesamtkapazität.
β) Serienschaltung
Abb. 25: In Reihe geschaltete Kondensatoren und ihr Äquivalent
Eine Verschaltung wie in Abb. 25. nennt man Serien- oder Hintereinanderschaltung. Bei dieser Schaltung fließt die Ladung, die man auf die erste Platte gibt, von der zweiten Platte ab
und lädt die nächste Kapazität auf u.s.f. Die Ladungen der einzelnen Kondensatoren sind also
gleich. Die Spannungen addieren sich, da sie proportional zur Arbeit an einer Probeladung
sind, die von einem Anschluß ("Bein") der Schaltung zum anderen überführt wird.
U ges = U 1 + U 2 + ...
Q = Q 1 = Q 2 = ...
Q
Ui =
Ci
32
Setzt man die letzte Gleichung in die erste ein und klammert Q aus, man erhält durch den Vergleich mit Uges = Q/Cges
1 =
1
C ges Σ C i
(13)
Bei Serienschaltung addieren sich die reziproken Werte der Kapazitäten.
6. Materie in elektrischen Feldern
a) Der Dipol
α) Was ist ein Dipol?
Ein Dipol ist ein Körper, der im ganzen neutral ist, bei dem aber die Ladungsschwerpunkte
von positiver und negativer Ladung gegeneinander verschoben sind. Wir stellen uns zwei entgegengesetzt gleich große Ladungen Q im Abstand l vor (Abb. 26). Das Dipolmoment ist
dann
p = Ql
vektoriell:
(14)
p = Ql
Abb. 26: Definition des Dipolmomentes
p zeigt von der negativen Ladung zur positiven. Bei einem statischen Dipol, den wir hier betrachten, ist l konstant. In Dipolantennen oder schwingenden Atomen ändert sich l zeitlich.
β) Kraft auf einen Dipol im elektrischen Feld
In einem homogenen elektrischen Feld E wirkt wegen der Neutralität des Dipols auf ihn keine
Gesamtkraft aber ein Drehmoment M. Nach Abb. 27 ergibt sich für dieses
M = QE 1 sin ϑ + QE 1 sin ϑ = QEl sin ϑ
2
2
33
Abb. 27: Im elektrischen Feld erfährt der Dipol ein Drehmoment
M steht senkrecht zu p und E. Daher kann man das Drehmoment durch ein Vektorprodukt
ausdrücken.
(15)
M=p×E
Im inhomogenen Feld wirken auf die Ladungen im allgemeinen verschieden große Kräfte. Es
bleibt neben dem Drehmoment eine resultierende Gesamtkraft. Ein Dipol wird sich also - bei
genügender Bedämpfung - entlang der Feldlinien ausrichten und dann in den Bereich höherer
Feldstärke hineingezogen werden (siehe Abb. 28). Wenn ohne Feld kein Dipolmoment vorhanden ist, kann das Feld zu einer Ladungstrennung führen und damit einen Dipol induzieren.
Dies ist der Grund, warum neutraler Staub oder Papierteilchen von geladenen Körpern angezogen werden.
Abb. 28: Unabhängig von der Richtung wird ein
Dipol in den Bereich größerer Feldstärke gezogen
γ) Feld eines Dipols
Das Potential der negativen Ladung am Punkt A ist nach Abb. 29
Abb. 29: Das elektrische Feld eines Dipols berechnet man am einfachsten aus dem Potential zweier benachbarter Punktladungen
34
ϕ − = ϕ(r + ∆r) = ϕ(r) +
∂ϕ
∆r
∂r
Setzt man für ϕ das Potential der negativen Punktladung ein, ϕ(r) =
ϕ − = ϕ(r) +
−Q
, erhält man
4πε 0 r
Q
∆r
4πε r 2
Für die andere Ladung gilt, da hier ∆r und Q das andere Vorzeichen haben:
ϕ + = −ϕ(r) +
Q
∆r
4πε r 2
Daher ergibt sich für das Gesamtpotential
ϕ ges = ϕ − + ϕ + =
2Q
∆r
4πε r 2
1
Betrachret man Abb. 29, so erkennt man, daß für große Abstände ∆r
r << 1 gilt ∆r = 2 l cos ϑ.
Damit erhält man
ϕ=
Ql cos ϑ p cos ϑ
=
4πε r 2
4πε r 2
Das Potential nimmt also im Grenzübergang r → ∞ stärker ab als das einer Punktladung. Die
Feldstärke ergibt sich durch Gradientenbildung. Wir bleiben in Zylinderkoordinaten r, ϕ, λ,
wobei r die radiale, ϑ die transversale und λ die azimutale Richtung ist (siehe Abb 30). Man
erhält
Abb. 30: Polarkoordinaten für das Dipolfeld
Er =
−∂ϕ 2p cos ϑ
=
∂r
4πε r 3
35
Eϑ = −
∂ϕ
∂ϕ
p sin ϑ
=−
=−
∂s
r∂ϑ
4πε r 3
Eλ = 0
∂
= 0) .
∂λ
Es gibt Ladungsverteilungen, die die Gesamtladung Q = 0 und das Gesamtdipolmoment p = 0
Die letzte Gleichung folgt aus Symmetriegründen (
haben und trotzdem ein elektrisches Feld erzeugen. Man sagt, es sind höhere Multipole. So hat
z.B. die Ladungsverteilung in Abb. 31 ein Quadrupolfeld. Allgemein ausgedrückt entwickelt
man das Potential einer beliebigen Ladungsverteilung im dreidimensionalen Raum in eine
Taylorreihe nach Potenzen von dr
r . Die Koeffizienten sind Multipole höherer Ordnung.
Abb. 31: Ladungsverteilung eines Quadrupols
b) Polarisierbarkeit
Abb. 32: Modell eines zweiatomigen Moleküls
Atome wie He, Ne, Ar und symmetrische zweiatomoge Moleküle wie N2, O2 besitzen kein natürliches Dipolmoment. In diesen Teilchen werden die Ladungsschwerpunkte unter dem Einfluß eines elektrischen Feldes gegeneinander verschoben. Das induzierte Dipolmoment ist
proportional zur Feldstärke.
p = αε 0 E
α nennt man die Polarisierbarkeit. Sie hat die Dimension
3
[α] = Asm = m 3
As
(16)
36
Die Polarisierbarkeit hängt z.B. in einem zweiatomigen Molekül von der Stärke der Bindung
ab. Ein typisches Dipolmoment im atomaren Bereich ist p = e0a = 1,6·19-19 As· 10-10 m ≈
10-29mAs. Eine typische Polarisierbarkeit α ≈ a3 = 10-30 m3. Im klassischen Bild hat man eine
Hantel aus zwei entgegengesetzten Ladungen, die durch eine Feder zusammengehalten werden. Im Gleichgewicht mit dem äußeren Feld ist die elastische Kraft F = -kx gleich der durch
2
das elektrische Feld Fe = eE, also eE = kx. Das Dipolmoment wird p = ex = e E und damit
k
2
die Polarisierbarkeit α = e /k. In Wechselfeldern hat man das Phänomen der erzwungenen
Schwingung. Wir können, wie im Kapitel Schwingungen im Teil Mechanik gezeigt, die Federkonstante k durch die Eigenfrequenz des Federpendels ausdrücken
ω 20 = mk
e
Für die Polarisierbarkeit erhält man hiermit
α=
e2
.
ε 0 m e ω 20
Quantenmechanisch erhält man
2
α = ε em
0 e
f
Σ ωi2
ωi sind die Frequenzen, mit denen ein Atom strahlt, fi die Oszillatorenstärken mit Σ f i = 1 .
c) Metalle im elektrischen Feld
In Metallen können wir uns die Ladungsträger als frei beweglich vorstellen. Sie bewegen sich
so lange, bis im ganzen Körper kein Feld vorhanden ist. (Unter dem Einfluß eines Feldes würden sie sich ja noch weiter bewegen!) Da sie sich außerdem untereinander abstoßen, befinden
sich alle Ladungen in einer dünnen Schicht an der Oberfläche. Man kann also das Innere wegnehmen, ohne etwas zu verändern. Im Innern eines beliebigen metallischen Körpers, der sehr
dünnwandig sein darf, ist also kein Feld. Geschlossene metallische Hohlkörper schirmen deshalb elektrostatische Felder ab. Man nennt sie Faraday Käfige.
37
Bringt man in einen Kondensator eine ungeladene Metallplatte, so teilt sich die Ladung in
zwei gleiche Hälften, die der Ladung auf den äußeren Platten entsprechen. Das Feld ändert
sich (bei
Abb. 33: Bringt man in einen Plattenkondensator einen
Metallklotz, so werden in ihm die Ladungen getrennt
vernachlässigbarem Streufeld) nicht. Bei unendlich dünner Metallplatte ergibt sich für die Kapazität keine Änderung. Man kann das gesamte Gebilde als zwei Kondensatoren in Serie auffassen, denn d = d1 +d2 führt mit C = ε0 A/d zu der Bedingung
1 = 1 + 1 .
C C1 C2
Bei endlicher Dicke wird die Kapazität durch Verringerung der Plattenabstände größer.
d) Isolatoren
α) Die Dielektrizitätskonstante ε
Abb. 34: Ein Isolator im elektrischen Feld
In Isolatoren werden Atome polarisiert, oder die polaren Atome ausgerichtet. Im Innern des
Isolators kompensieren sich beide Ladungsarten, während an den Stirnflächen eine Flächenladung übrigbleibt. Da diese Ladung an die Moleküle gebunden bleibt, nennt man sie zur Unterscheidung von der freien Ladung, die bei der Aufladung des Kondensators mit dem Strom auf
die Platten gebracht worden ist, gebundene Ladung. Sie schwächt das Feld der freien Ladung,
ohne es ganz aufzuheben. Weil das Feld den Isolator durchdringt, nennt man ihn Dielektrikum. Eine punktförmige Ladung im Dielektrikum hat also eine kleinere Kraftwirkung als die
gleiche Ladung im Vakuum, da sich in ihrer Umgebung bevorzugt Ladung des anderen Vorzeichens sammelt (s. Abb. 35). Die Reduktion der Kraftwirkung für Ladungen, die von einem
Dielektrikum umgeben sind, wird durch einen Faktor εr im Nenner des Coulomb Gesetzes
berücksichtigt.
38
Abb. 35: Im Dielektrikum wird eine Ladung teilweise
abgeschirmt
F 12 =
Q1Q2
4πε ε r 2
Das Gaußsche Gesetz hat dann die Form
Q
∫ E • dA = ε r ε 0
In allen Gesetzen muß ε0 durch εrε0 ersetzt werden. So ist z.B. die Kapazität eines Plattenkonεε A
densators mit Dielektrikum C = r 0 . εr nennt man die relative Dielektrizitätskonstante oder
d
die Permittivitätszahl des Dielektrikums, ε = εrε0 die Dielektrizitätskonstante. Für das Vakuum
ist εr = 1. Man nennt daher ε0 die Dielektrizitätskonstante des Vakuums. Für Gase ist εr dicht
über 1, für die meisten Isolatoren zwischen 2 und 3. Bei Wechselfeldern hängt εr von der Frequenz ab, da die Dipole eine gewisse Zeit für die Einstellung benötigen, so ist das statische εr
für Wasser εr = 81, bei optischen Frequenzen εr = 1,8.
β) Der Zusammenhang von εr und α
Abb. 36: Die Polarisation ist die gebundene Ladung pro Fläche
Hat man n Dipole pro m3, so ist P = np das gesamte Dipolmoment pro Volumen. P nennt man
die Polarisation mit der Dimension [P] = As/m2. Da PV = PlA = (PA)l das gesamte Dipolmoment ist, andererseits das Dipolmoment durch die Oberflächenladung Q* und ihren gegenseitigen Abstand l dargestellt werden kann (s. Abb. 36), gilt Q* = PA. P ist also die gebundene Ladung pro Fläche des Dielektrikums. Da p = αε0E und P = np, gilt P = nαε0E. Man schreibt
P = χε 0 E
Die dimensionslose Zahl
(17)
39
(18)
χ = nα
heißt Suszeptibilität. Polarisierbarkeit ist die Suszeptibilität pro Atom. In nicht isotropen Substanzen, z.B. Kristallen sind im allgemeinen P und E nicht parallel. χ muß dann als Matrix
dargestellt werden.
Px = ε0(χxxEx + χxyEy+ χxzEz )
Py = ε0(χyxEx + χyyEy + χyzEz)
Pz = ε0(χzxE x+ χzyEy + χzzEz )
Im folgenden wird davon ausgegangen, daß χ skalar ist. ε ergibt sich aus χ mit Hilfe folgender
Betrachtung: Nach dem Gaußschen Gesetz erzeugt eine freie Ladung Q auf den Kondensatorplatten ohne Dielektrikum das Feld
E0 =
Q
ε0A
(a)
die gebundene das Feld
E∗ =
Q∗
ε0A
(b)
das Gesamtfeld ist
E=
Q
εrε0A
(c)
E ist die Differenz von E0 und E*
E = E0 - E
ε0E = ε0E0 - ε0E*
aus (b) folgt
ε0E* = P = χε0E
aus (a) und (c) ε0E = Q/A = εrε0E
setzt man die beiden unteren Ausdrücke in den obersten ein, erhält man ε0E = εrε0E - χε0E und
damit die angestrebte Beziehung
40
(19)
εr = 1 + χ
Sie gibt den Zusammenhang zwischen der experimentell zugänglichen Größe εr und der aus
Rechnungen mit einem Atommodell zugänglichen Größe α = χ/n. χ spielt eine zentrale Rolle
z.B. in der Kristalloptik.
γ) Bemerkungen zur mikroskopischen Beschreibung der Suszeptibilität
Bei Atomen ohne natürliches Dipolmoment wird die Suszeptibilität über die Polarisierbarkeit
beschrieben.
χ = nα
Andere Moleküle wie Wasser und Ammoniak und solche mit Ionenbindung wie Salze und
Säuren (HCl, NaCl) haben ein permanentes Dipolmoment. Daneben zeigen alle diese Teilchen
auch ein induziertes Dipolmoment. Man nennt sie polar. Das Dipolmoment gibt Hinweise zur
Struktur der Moleküle. Z.B. hat CO2 kein Dipolmoment. Man schließt daraus, daß hier im Gegensatz zur Situation bei Wasser die Atome auf einer Geraden angeordnet sind (Abb. 37). Bei
der Ausrichtung im Feld geht man von einem Modell starrer Hanteln aus, bei denen sich ein
Gleichgewicht einstellt von ausrichtendem Effekt durch das äußere elektrische Feld und
Durcheinanderwirbeln durch die thermische Bewegung. χ nimmt daher mit der Temperatur
ab. Man findet χ = 1/T . Da im allgemeinen auch ein gewisses Dipolmoment induziert wird,
gilt
Abb. 37: Das Dipolmoment eines Moleküls
hängt mit seinem Aufbau zusammen
χ=A+ B
T
7. Elemente der Vektoranalysis
a) Einleitung
Die elektrischen Erscheinungen werden durch Felder beschrieben, etwa E, D, H, B, die sich
im allgemeinen Fall im Raum ändern. Die Grundgesetze erfordern Differentiation nach drei
41
Ortskoordinaten. Es zeigt sich, daß man alle erforderlichen Differentiationsoperationen durch
den Vektoroperator ∇, den sogenannten Nabla Operator beschreiben kann, der in kartesischen
Koordinaten die Form hat
∇=
∂
∂
∂
ex + ey + ez
∂x
∂y
∂z
Die zu differenzierenden Funktionen werden von links mit ∇ multipliziert, und zwar durch
Multiplikation mit einem Skalar, Bildung von Skalarprodukt oder Vektorprodukt.
 ∂ϕ 
∂x
∂v y ∂v z
 ∂ϕ 
∂v
∇ϕ =  ∂y 
∇•v = x +
+
∂x
∂y
∂z
 ∂ϕ 
 ∂z 
b) Die Divergenz eines Vektorfeldes
 ex

∇ × v =  ey

 ez
∂
∂x
∂
∂y
∂
∂z
vx 

vy 

vz 
∫ v • dA ist ein Maß für die Quellstärke in dem Volumen, über dessen Oberfläche integriert
wird. Um ein Maß für eine im Raum verteilte Quellstärke zu haben, definiert man
div v = lim
∆V→0
∫ v • dA
(20)
∆V
Um div v in kartesischen Koordinaten hinzuschreiben, betrachtet man ein Volumenelement
∆x∆y∆z, das so klein ist, daß v auf den Oberflächen konstant ist. Man berechnet den Gesamtfluß, der durch die Würfeloberfläche nach außen tritt, wobei man für jede Fläche nur die
senkrecht auf ihr stehende Komponente von v berücksichtigen muß. Beiträge, die nach innen
zeigen, erhalten ein negatives Vorzeichen. Der Fluß in x - Richtung ist (s. Abb. 38)
Abb. 38: Die Divergenz eines Vektorfeldes
gibt den Gesamtfluß aus einem Volumenelement pro Volumen an
∆Φ (x) =v x (x + ∆x)∆y∆z−v x (x)∆y∆z
v x (x + ∆x) wird in einer Taylorreihe entwickelt
42
∂v
v x (x + ∆x) =v x (x) +  x  ∆x
∂x
∂v
∂v
∆Φ (x) =  v x (x) + x ∆x − v x (x)  ∆y∆z = x ∆x∆y∆z
∂x
∂x
Für die anderen beiden Flächenpaare ergibt sich entsprechend
∂v y
∆x∆y∆z
∂y
∂v
= z ∆x∆y∆z
∂z
∆Φ (y) =
∆Φ (z)
Der Gesamtfluß ist die Summe der drei Anteile
∆Φ =
 ∂v x ∂v y ∂v z 
+
+
∆x∆y∆z
 ∂x
∂y
∂z 
und damit nach der Definition der Divergenz (Gleichung (21))
div v =
∂v x ∂v y ∂v z
+
+
=∇•v
∂x
∂y
∂z
(21)
c) Der Integralsatz von Gauß
Abb. 39: Der Gaußsche Satz ist Gleichung
(20) für ein endliches Volumen
Um den Fluß eines Geschwindigkeitsfeldes v(r), der aus einem endlichen Volumen tritt, zu
berechnen, teilt man dieses in N Volumenelemente ein. Für jedes Teilvolumen gilt
∫ v • dA=div v⋅∆V i. Summiert man über alle Teilvolumen, so heben sich im Innern an der
Grenzfläche zweier Volumenelemente die Beiträge zum Fluß weg, da der Anteil, der aus der
einen Zelle austritt, gleich dem ist, der in die benachbarte eintritt. Es bleibt also nur ein Beitrag von der Oberfläche des Gesamtvolumens übrig. Auf der rechten Seite wird durch die
Summation und die Grenzwertbildung ∫div vdV, insgesamt
43
Abb. 40: Im Innern heben sich die Flüsse
zwischen benachbarten Zellen heraus
∫ v • dA = ∫div vdV
(22)
Dies ist der Gaußsche Integralsatz. Er gestattet es, ein Volumenintegral in ein Oberflächenintegral umzuformen. Das Oberflächenintegral erstreckt sich über die gesamte Oberfläche des
Volumens, über das auf der rechten Seite integriert wird.
d) Anwendung: das Gaußsche Gesetz in Differentialform
Wir können jetzt, wie im Abschnitt 3 in diesem Kapitel versprochen die differentielle Form
des Gaußschen Gesetzes (Gleichung (4)) aus der Integralform etwas eleganter ableiten. Für
den Fluß, der aus einer Ladung Q austritt, gilt die Integralform des Gaußschen Gesetzes
Q
∫ E • dA = ε 0
Führt man Q auf die Ladungsdichte zurück, so gilt
dQ
= ρ , also Q = ∫ ρdV.
dV
∫ E • dA = ε ∫ ρdV
1
Andererseits gilt nach dem Gaußschen Integralsatz
∫ E • dA = ∫div EdV
Durch Vergleich der rechten Seiten folgt die differentielle Form des Gaußschen Gesetzes
divE = ε1 ρ
0
Eine einfache Anwendung besteht darin, daß man mit ihm aus einer bekannten eindimensionalen Ladungsverteilung die Verteilung des elektrischen Feldes ermitteln kann, wie in dem Beispiel von Abb. 41, in dem von der Ladungsverteilung, die beim Kontakt zweier
44
unterschiedlicher Stoffe in der Nähe der Grenzfläche auftritt, ausgegangen wird. Bei einem in
x - Richtung eindimensionalen Problem gilt
dE x
∂
∂
=
= 0 und damit div E =
∂y ∂z
dx
Abb. 41: Aus einer Ladungsverteilung erhält man
durch Integration die Feldverteilung
dE x 1
= ρ(x) . Das bedeutet, daß sich die Feldstärkedx ε 0
verteilung durch Integration der Ladungsdichteverteilung ergibt.
Das Gaußsche Gesetz hat also die Form
e) Die Rotation eines Vektorfeldes
So wie die Divergenz die Quellstärke lokal beschreibt, ist die Rotation ein lokales Maß für die
Zirkulation eines Vektorfeldes. Die Zirkulation ∫ v • dr hängt von der Orientierung der Kurve
ab, über die integriert wird. Deshalb ist die Zirkulation eine Vektorgröße
v • dr
(rot v) n = lim ∫
∆A
∆A→0
(22)
Abb. 42: Die Normalkomponente der Rotation
Durch die rechte Seite wird also die Komponente von rot v definiert, die senkrecht auf dem
Flächenelement steht (s. Abb. 42). Das Vorzeichen ist durch die Schraubenregel bestimmt.
Die z Komponente der Rotation von v ergibt sich also durch Integration um ein Flächenelement ∆x∆y (Abb. 43).
Abb. 43: Die Koordinaten der Rotation erhält
man durch Integration um ein Flächenelement
45
(rot v) z =
1 v (y)∆x − v (y + ∆y)∆x + v (x + ∆x)∆y − v (x)∆y
{
}
x
y
y
∆x∆y x
Durch Taylor Entwicklung kann man ersetzen
∂v x
∆y
∂y
∂v y
∆x
v y (x + ∆x) = v y (x) +
∂x
v x (y + ∆y) = v x (y) +
(rot v) z =
=
1 v (y)∆x − v (y)∆x − ∂v x ∆x∆y + v (x)∆y + ∂v y ∆x∆y − v (x)∆y
x
y
y
∆x∆y x
∂y
∂x
∂v y ∂v x
−
∂x
∂y
Für die anderen Komponenten erhält man durch zyklische Vertauschung der Variabelen x,y,z
∂v z ∂v y
−
∂y
∂z
∂v x ∂v z
(rot v) y =
−
∂z
∂x
(rot v) x =
Formal kann man diese drei Formeln als Entwicklung einer Determinante auffassen
∂
∂x
e y ∂y∂
e z ∂z∂
ex
rot v =
vx
vy
vz


=


∂
v
∂y z
∂
v
∂z x
∂
v
∂x y
− ∂z∂ v y 

− ∂x∂ v z 

− ∂y∂ v x 
Unter Verwendung des Nabla Operators wird daraus die handliche Formel
rot v = ∇ × v
(23)
f) Der Integralsatz von Stokes
Abb. 44: Der Integralsatz von Stokes ist die Anwendung von Gleichung (22) auf eine endliche Fläche
46
Um die Zirkulation um eine Fläche endlicher Größe zu berechnen - die übrigens nicht eben zu
sein braucht - teilt man diese in Flächenelemente auf und schreibt für jedes Flächenelement
gemäß der Definition von rot
∫ v • dr = (rot v) n ∆A = (rot v) • ∆A
und summiert über die ganze Fläche. Dabei bleiben auf der rechten Seite nur die Beiträge von
der Umrandung übrig (s. Abb. 44).
∫ v • dr = ∫rot v•dA
(24)
Dies ist der Integralsatz von Stokes, der es gestattet, ein Flächenintegral in ein Kurvenintegral
zu überführen. Das Kurvenintegral wird auf der Kurve berechnet, die die Fläche, über der
rechts integriert wird, umrandet.
g) Anwendung: die Zirkulationsfreiheit eines Vektorfeldes
Um zu überprüfen, ob ein gegebenes Vektorfeld v zirkulationsfrei ist, was man braucht, um zu
entscheiden, ob es konservativ ist und ob man daher ein Potential definieren kann, müßte man
nach unseren bisherigen Kenntnissen alle möglichen Ringintegrale betrachten. Nach dem Satz
von Stokes reduziert sich die Aufgabe auf die viel einfachere, zu überprüfen, ob rot v = 0 im
ganzen Raum gilt. Als Beispiel betrachten wir im folgenden eine Zentralkraft
F(r) = Kf(r)r
mit
r = x2 + y2 + z2
Wir wollen wissen, ob eine Zentralkraft immer konservativ ist. Wir bilden rot F
∂
∂x
e y ∂y∂
e z ∂z∂
ex
rot F = K
f(r)x
f(r)y
f(r)z


(rot F) x = K  ∂ f(r)z − ∂ f(r)y  = K zf / (r) dr − yf / (r) dr
 ∂y


∂z
dy
dz 
47
wobei f / (r) =
df
. Zur Berechnung von dr bzw. dr wird substituiert ξ = x2 + y2 + z2 wobei
dz
dy
dr
dann ξ = r .
dr = dr dξ = 1 1 2y = y
r
dy dξ dy 2 ξ
dr = dr dξ = 1 1 2z = z
r
dz dξ dz 2 ξ
Es folgt
zy yz
(rot F) x = Kf / (r)  r − r  = 0
entsprechend
 =0
(rot F) y = K  ∂ f(r)x − ∂ f(r)z  = Kf / (r)  zx
− xz
r
r

∂x
∂z
(rot F) z = ... = 0
Die Rotation verschwindet also überall, und das Kraftfeld ist daher konservativ. Diese Eigenschaft ist unabhängig von der speziellen Abhängigkeit vom Abstand zum Kraftzentrum und
gilt daher für alle Zentralkräfte.
48
KAPITEL D
Stationäre Ströme
1. Strom
a) Stromrichtung
In der Elektrostatik wurde vorausgesetzt, daß sich alle elektrischen Erscheinungen zeitlich
nicht ändern und daß alle Ladungen ruhen. In diesem Kapitel soll die zeitliche Konstanz der
elektrischen Erscheinungen immer noch gelten, aber Ladungen dürfen sich bewegen.
Wenn Ladungen sich bewegen, spricht man von einem Strom. Verbindet man z.B. die Platten
eines Kondensators mit einem leitendem Medium, so bewegen sich, falls es sich um ein Metall handelt, die negativ geladenen Elektronen vom kleineren zum größeren Potential, während
die positiven Atomrümpfe fest an das Metallgitter gebunden sind. In Elektrolyten und Gasentladungen könnnen Teilchen mit beiden Vorzeichen beweglich sein, so daß sich in dem Strom
positive Teilchen vom positiveren Potential zum negativeren bewegen und negative vom negativerem Potential zum positiveren. Beide Teilchensorten sorgen dafür, daß positive Ladung
am positiven Pol verschwindet und am negativen erscheint. Auch eine Reihe von anderen
Wirkungen wie z.B. die magnetischen Kräfte sind gleich, wenn positive Ladung von + nach oder negative von - nach + fließt. Es gibt überhaupt nur wenige Effekte, an denen man unterscheiden kann, ob Strom von positiven oder negativen Ladungsträgern transportiert wird. Man
betrachtet daher zur Definition der Stromrichtung eine der beiden Teilchensorten z.B nennt
man die positive Stromrichtung diejenige, in der sich positive Ladungsträger bewegen würden. Man beachte, daß zur Bestimmung der Stromrichtung die Potentialdifferenz maßgeblich
ist. Schließt man z.B. an eine Autobatterie einen Verbraucher an, so fließt der Strom im äußeren Kreis vom Pluspol zum Minuspol. Lädt man die Batterie auf, so fließt er umgekehrt vom
Minuspol zum Pluspol (Abb. 45).
Abb. 45: Der Strom kann schon mal in den Pluspol hineinfließen
49
Die Einheit der Stromstärke ist Ampere. 1 A ist der Strom, der zwischen zwei geraden Drähten, die einen gegenseitigen Abstand von 1m besitzen, die Kraft 2·10-7 N/m erzeugt. Eine andere mögliche Festlegung erfolgt über die Stoffmenge, die bei Elektrolyse abgeschieden wird.
b) Geschwindigkeit der Ladungsträger
Abb. 46: Die Geschwindigkeit der Ladungsträger in einem Strom kann man aus der Stromstärke und dem Leiterquerschnitt ausrechnen.
Wir betrachten einen Metallleiter von konstantem Querschnitt, in dem n freie Elektronen pro
Volumeneinheit zur Verfügung stehen, die sich im Mittel mit einer Geschwindigkeit v bewegen. Der Strom im Leiter ist dann die Ladung, die pro Sekunde durch den Querschnitt A tritt.
Es treten N = nV = nAv∆t Teilchen in der Zeit ∆t durch A (s. Abb. 46). Diese transportieren
I=
e 0 N e 0 nAv∆t
=
= e 0 nAv
∆t
∆t
Ladung pro Sekunde durch A. Man schreibt
j = I = ne 0 v
A
oder vektoriell
j = ne 0 v
(1)
j ist die Stromdichte. Sie ist eine Vektorgröße. I ergibt sich aus der senkrecht zu A stehenden
Stromdichtekomponente multipliziert mit A
I = jnA
allgemein
I = ∫ j • dA
I ist also ein Skalar. Bei gleich bleibender Geometrie hängt I von der Ladungsträgerkonzentration und ihrer Geschwindigkeit ab.
50
Beispiel:
Geschwindigkeit von Elektronen in einem Kupferdraht mit 1mm2 = 10-6m2 Querschnitt, der einen Strom von 1A führt.
Jedes Kupferatom liefert ein freies Elektron zum Ladungstransport. Cu hat ein Atomgewicht
von ACu = 60, d.h. 60g Cu enthalten 6·1023 Teilchen. 60g Cu haben ein Volumen von etwa
6cm3. 1m3 enthält also 1029 Teilchen.
v=
I =
1
= 10 −4 m
29
s
−19
−6
e 0 nA 1, 6 ⋅ 10 ⋅ 10 ⋅ 10
Die Geschwindigkeit von Ladungsträgern in üblichen Stromkreisen ist also nicht berauschend.
Es erscheint daher zunächst erstaunlich, daß bestimmte Vorgänge wie das Einschalten eines
Stroms sich offensichtlich wesentlich schneller ausbreiten. Dies liegt daran, daß es Wellenvorgänge sind, die ähnlich wie bei Wasserwellen im allgemeinen schneller als der Materietransport ablaufen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Einschaltpulsen in Leitungen liegt in der
Größenordnung der Lichtgeschwindigkeit. Dies wird im Teil III dieses Grundkurses gezeigt.
2. Das Ohmsche Gesetz
a) Physikalische Grundlage
In vielen Fällen erleiden die Ladungsträger so viele Stöße, daß sie sich im Mittel wie ein Körper in einer zähen Flüssigkeit bewegen. Der Geschwindigkeit der Einzelteilchen, die in alle
Richtungen geht, ist eine konstante Geschwindigkeit v des Schwerpunktes des Teilchenschwarms überlagert. Man nennt eine solche Geschwindigkeit eine Driftgeschwindigkeit. Es
gilt dann etwa wie beim Stokeschen Gesetz bei der Bewegung einer Kugel in einer zähen
Flüssigkeit, daß die Driftgeschwindigkeit proportional zur antreibenden Kraft ist
v~F~E
Man schreibt
v = µE
(2)
µ nennt man die Beweglichkeit der Ladungsträger. Manchmal ist es nützlich, die Beweglichkeit µ durch die Stoßfrequenz auszudrücken. Dazu nehmen wir an, daß die Ladungströger
51
durch einen Stoß in alle möglichen Richtungen gestreut werden, so daß sie im Mittel nach einem Stoß mit der Geschwindigkeit 0 starten. Zwischen den Stößen werden sie im E - Feld
Abb. 47: Beim Stoß werden die Elektronen nach allen
Seiten gestreut. Wir nehmen an, im Mittel bewegen sie
sich nach dem Stoß mit einer Anfangsgeschwindigkeit 0.
•
eE . Sie erreichen eine Maximalgebeschleunigt. eE = m e v . Ihre Beschleunigung ist a = m
e
eE ∆t und die mittlere Geschwindigkeit v = 1 e∆t E . Da ν = 1 die
schwindigkeit v = a∆t = m
c
e
∆t
2 me
e
1
Stoßfrequenz ist, wird v = m ν E . Die Beweglichkeit läßt sich also durch die Stoßfrequenz
2 e c
ausdrücken
µ = 1 m eν
2 e c
Aus Vergleich mit Gleichung (1) erkennt man, daß in diesem Fall auch j ~ E wird
j = ne 0 µE
Man schreibt
(3)
j = σE
mit σ = ne 0 µ . σ nennt man die Leitfähigkeit. Gleichung (3) ist die raumaufgelöste Form des
Ohmschen Gesetzes. Es gehört nicht unmittelbar zu den Maxwellschen Gleichungen, sondern
zu den mit ihnen verbundenen Materiegesetzen. Um zur gewohnten Form des Ohmschen Gesetzes zu gelangen, das den Zusammenhang von U und I für Leiter angibt, stellen wir uns einen Quader der Länge l mit der Querschnittsfläche A vor. Gleichung (3) wird dann durch Multiplizieren mit l und dividieren durch σ zu
1
σ jl = El = U
Abb. 48: Gleichung (3) auf ein Volumenelement angewandt ergibt das Ohmsche Gesetz in skalarer Form
52
1 1I
und, da j = I/A gilt U = σ
A
Das Vorzeichen wird im Zweifelsfall wie in Kapitel B.4 durch eine gesonderte Meßvorschrift
festgelegt, die durch einen Meßpfeil gekennzeichnet wird. Man schreibt
(4)
U = RI
1 l = ρ l . Er ist in dem hier betrachteten Fall nur von den EigenR ist der Widerstand R = σ
A
A
schaften des stromführenden Materials abhängig und hat die Dimension
[R] =
[U] V
= = Ω (Ohm)
[I] A
Gleichung (4) ist das Ohmsche Gesetz. Es gilt in dieser Form für Metalle und Halbleiter konstanter Temperatur. In Situationen, in denen es nicht mehr gilt, wird es häufig noch zur Definition des Widerstandes verwendet. Dann kann R noch von U oder I abhängen.
Der Widerstand eines homogenen Körpers wird durch seine Länge l, seine Querschnittsfläche
1 ) bestimmt. ρ nennt
A und durch eine Stoffkonstante ρ (bzw. durch die Leitfähigkeit σ = ρ
man den spezifischen Widerstand. Er hat die Dimension
[ρ] = Ωm
 [σ] = 1 

Ωm 
Man sollte sich den Wert für Kupfer merken: ρ = 1,6·10-8 Ωm. Im allgemeinen hängt ρ von
der Temperatur ab (s. Abb. 49).
Abb. 49: Die Abhängigkeit des spezifischen Widerstandes
verschiedener
Stoffe
von
der
Temperatur.
Das Ohmsche Gesetz hat eine Analogie zum Hagen - Poiseuille Gesetz für Rohrströmung von
Flüssigkeiten.
∆p =
8η dV
π 4 dt
53
Die Druckdifferenz entspricht der Potentialdifferenz U, die pro Zeit durchströmende FlüssigdQ
8η
keitsmenge dV entspricht dem elektrischen Strom
. R s = 4 ist der Strömungswiderstand.
dt
dt
π
2
Daß der elektrische Widerstand R ~ 1/r und der Strömungswiderstand R ~ 1/r4 rührt daher,
daß der Leiter für Elektronen kein Rohr darstellt. Die Wechselwirkung der Elektronen mit
dem Material ist auf den gesamten Querschnitt verteilt und die Reibungskraft deshalb proportional zur Fläche.
b) Das elektrische Feld bei Anwesenheit von stationären Strömen
Da der Strom durch eine Potentialdifferenz eines Leiters getrieben wird, gilt nicht mehr wie in
der Elektrostatik, daß Metalloberflächen Äquipotentialflächen sind. andererseits gilt noch immer rot E = 0, also ∫ E • dr = 0.
c) Abhängigkeit der Leitfähigkeit von verschiedenen Faktoren
Das Ohmsche Gesetz gilt nur in Stoffen, bei denen sich die Elektronenflüssigkeit wie unter
dem Einfluß einer Reibungskraft bewegt wie in verschiedenen festen Stoffen und Elektrolyten. Außerdem müssen bestimmte äußere Parameter konstant gehalten werden wie Temperatur, Druck, Magnetfeld u.U die Beleuchtung.
α) Temperaturabhängigkeit
ρ hängt von der Temperatur ab. Bei Metallen erhöht sich ρ mit der Temperatur, da die Ladungsträger bei höherer Temperatur durch die stärkere thermische Bewegung eine größere Behinderung erfahren. Bei Halbleitern erniedrigt sich ρ mit steigender Temperatur, da hier ein
anderer Effekt sich sehr viel stärker auswirkt als die Behinderung durch die thermische Bewegung: Bei Halbleitern wird mit steigender Temperatur die Anzahl der Ladungsträger erhöht.
Bei speziellen Legierungen wie Konstantan ändert sich ρ nur wenig mit T. In der Nähe einer
vorgegebenen Temperatur kann man ρ(T) mit einer Taylorentwicklung linearisieren. Oft gilt
sogar ρ(T ) = ρ0(1 + αT), wobei T die Temperatur in Kelvin, α der Temperaturkoeffizient ist.
α ist für Metalle positiv, für Halbleiter und Plasmen negativ. Es gibt Stoffe, bei denen ρ bei
Abkühlung unterhalb einer kritischen Temperatur sprunghaft auf unmeßbar kleine Werte abnimmt, die sogenannten Supraleiter. Die Beschreibung der Leitfähigkeit in Festkörpern gelingt
nur einigermaßen im Rahmen der Quantenmechanik, d.h. man muß die Wellennatur der Ladungsträger berücksichtigen. Insbesondere ist die Supraleitung ein quantenmechanischer Effekt. Ähnliche Effekte gibt es bei der Viskosität.
Die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes wird in Widerstandsthermometern
ausgenutzt. Meist verwendet man Platindrähte. Bolometer sind speziell für die
54
Strahlungsmessung eingerichtete Widerstandsthermometer. Durch Schwärzung eines Platindrahtes wird die einfallende Strahlungsleistung in Erwärmung überführt.
β) Innerer Photoeffekt
In Halbleitern wird die Ladungsträgerzahl außer durch thermische Anregung durch Lichteinstrahlung erhöht. Selen z. B. steigert die Leitfähigkeit bei Beleuchtung um mehrere Größenordnungen. Dieser Effekt wird in Kopiergeräten und mit ihnen verwandten Druckern ausgenutzt. CdS wird in Belichtungsmessern häufig als Photwiderstand benutzt.
γ) Magnetoresistenz
Ein Magnetfeld führt bei einigen Metallen zu einer Verminderung der Beweglichkeit der Ladungsträger. Besonders groß ist dieser Effekt in Wismut (Bi). Er kann zur Messung von Magnetfeldern benutzt werden.
δ) Mechanische Spannungen
Mechanische Spannungen im Kristallgitter können die Leitfähigkeit beeinflussen. Dies wird in
Dehnungsmeßstreifen verwendet, um Verformungen zu messen.
ε) Zusammenhang mit der Wärmeleitfähigkeit
Der Wärmestrom W durch einen Stab, an dem eine Temperaturdifferenz liegt, ist gegeben
durch
W = κ A ∆T
l
(Man beachte, daß eine vollständige Analogie zum Ohmschen Gesetz besteht). κ ist die Wärmeleitfähigkeit. Die Erfahrung zeigt, daß bei vielen Metallen das Verhältnis von Wärmeleitfähigkeit und elektrischer Leitfähigkeit eine Konstante ist
2
κ ≈ 3 kB
σ
e2
kB ist die Boltzmannkonstante und e0 die Elementarladung. Man nennt dies Gesetz das Wiedemann - Franzsche Gesetz. Es deutet darauf hin, daß nicht nur bei der Leitung des elektrischen
Stromes sondern auch bei der Wärmeleitung Elektronen maßgeblich beteiligt sind.
55
3. Bauelemente, bei denen das Ohmsche Gesetz nicht gilt
Bei vielen Bauelementen, die man in elektronischen Schaltungen einsetzt, gilt das Ohmsche
Gesetz nicht. In manchen Fällen kann man dann den Zusammenhang von U und I noch mit einer Funktion, der sogenannten Kennlinie oder Charakteristik angeben. In anderen Fällen geht
die Zeitabhängigkeit der Größen ein. So gilt, wie wir wissen, für eine Kapazität
•
I=CU
und, wie wir noch lernen, für eine Induktivität
•
U=LI
Im allgemeinen Fall gibt man eine Kennlinie an, die das Verhalten bei stationärem Strom beschreibt, und versucht das dynamische Verhalten durch Hinzufügen von L und C zu erfassen.
Abb. 50: Die Kennlinie einer Diode
Das ist nicht immer adäquat möglich, wie bei der Speicherzeit von Halbleiterelementen.
Abb. 51: Beispiel eines Schaltkreises mit einem
nichtlinearen Element
Als Beispiel für die Behandlung eines Schaltkreises mit einem Element, das eine nichtlineare
Kennlinie besitzt, wird die Schaltung in Abb. 51 behandelt. Die Diode möge für U > 0
(Durchlaßbereich) durch die Kennlinie I = I 0 e eU/kT beschrieben werden, für U < 0 (Sperrbereich) durch I = 0. Die Änderungen von Strom und Spannung sollen langsam genug verlaufen,
so daß auch das dynamische Verhalten völlig durch die Kennlinie erfaßt wird. Für die Berechnung von Schaltungen teilt man den elektrischen Vorgang meist in einen stationären Anteil
auf, der durch ein bestimmtes Paar U1/I1 gekennzeichnet ist, den sogenannten Arbeitspunkt,
und eine kleine Schwankung um den Arbeitspunkt. Man könnte etwa zunächst nach der Größe
56
von R fragen, die erforderlich ist, damit ein bestimmter Strom I = I1 fließt. Nach Abb. 51 ist
dann
U1 = U - I1R
Einsetzen in die Kennlinie führt zu
I 1 = I 0 e e(U−I 1 R)/kT oder
I1
= e eU/kT ⋅ e −I 1 R/kT
I0
Diese Gleichung muß - notfalls numerisch - nach I1 aufgelöst werden. U ist die angelegte
Gleichspannung. Durch Einsetzen in die Kennlinie erhält man U1. Der Arbeitspunkt ist durch
U1 und I1 gegeben. U1/I1 ist der Gleichstromwiderstand am Arbeitspunkt. Das Verfahren ist
rechnerisch etwas unangenehm. Daher nähert man häufig, wenn es auf Details nicht so ankommt, die Kennlinie im Großsignalbereich durch abgeknickte Gerade wie in Abb. 52 b) oder
c) an.
Abb. 52: a) Kennlinie einer Zenerdiode. b) und c) Verschiedene Approximationen einer Diodenkennlinie
Für die Frage, welche Spannungsschwankung ∆U durch eine vorgegebene Stromschwankung
∆I erzeugt wird, linearisiert man die Kennlinie um den Arbeitspunkt.
∆I =  dI 
∆U  dU  U
∆U = ∆I
1
 dI 
 dU  U
Je größer die Steigung der Kennlinie, desto kleiner fallen die Spannungsschwankungen aus,
wenn man von gleichen Stromschwankungen ausgeht. Man kann die Schaltung in Abb. 51 also benutzen, um die Spannung an den Anschlüssen der Diode konstant zu halten, wenn durch
57
Änderungen im angeschlossenen Kreis der Strom schwankt. Die Glättungswirkung ist um so
besser, je steiler die Kennlinie ist. Man benutzt deshalb in solchen Schaltungen Zenerdioden,
die einen steilen Anstieg der Kennlinie im Sperrbereich der Diodenkennlinie haben (Abb. 52).
4. Elektrolyse
a) Was ist Elektrolyse?
Abb. 53: Anordnung für Experimente mit
Elektrolyse
Die typische Anordnung für Elektrolyse ist in Abb. 53 dargestellt. In einem Gefäß befindet
sich eine leitfähige Flüssigkeit, in die zwei Elektroden eintauchen, an die eine Spannungsquelle angeschlossen wird, ähnlich wie beim Aufladen einer Autobatterie. Verwendet man reines
Wasser, ist der Widerstand groß. Durch Zugeben einer kleinen Menge einer Säure, einer Base
oder eines Salzes nimmt die Leitfähigkeit stark zu. Außer diesen aus Lösungen bestehenden
Elektrolyten gibt es solche aus geschmolzenen Salzen. Salze bestehen schon im Kristall aus
geladenen Atomen oder Atomgruppen mit entgegengesetzter Ladung. Bringt man solche Kristalle in das Lösungsmittel, erleiden sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Stöße mit Molekülen und können dadurch in die geladenen Bestandteile, die Ionen, zerlegt werden. Im Lösungsmittel kann der zerlegte Zustand energetisch günstiger sein als der gebundene, da die
Kraft nach dem Coulombschen Gesetz proportional zu 1/εr ist und εr große Werte annehmen
kann (Wasser: εr = 81). Es stellt sich daher ein Gleichgewichtszustand ein, in dem ein großer
Teil der Moleküle gespalten ("dissoziiert") sein kann. Beispiele sind HCl, Salzsäure aus H+
und Cl -, KOH, Kalilauge oder Kaliumhydroxid aus K+ und OH - oder CuSO4 aus Cu++ und
SO4--. Die Wertigkeit Z gibt an, wieviele Elementarladungen ein Ion trägt. Cu und SO4 sind also in CuSO4 zweiwertig, die anderen angeführten Ionen sind einwertig. Jedes Ion ist in der
Lösung von einer Wolke von Dipolen des Wassers umgeben und frei beweglich. Legt man eine Spannung an die Elektroden, so wandern die negativen "Anionen" zur Anode, die positiven
Kationen zur Kathode, und zwar aufgrund der Reibungskräfte mit konstanter Geschwindigkeit. Es gilt also das Ohmsche Gesetz. Gelangen die Ionen zu den Elektroden, so geben sie die
Überschußladung ab und ändern dadurch ihre chemischen Eigenschaften. H+ Ionen werden zu
58
H Atomen, die sich zu H2 Molekülen verbinden und als Gas aufsteigen. Cu++ wird zu Cu und
scheidet sich auf der Kathode ab. Dieser Vorgang wird zur Metallisierung mit Kupfer, Nickel,
Chrom und dergleichen benutzt, (galvanisieren) oder zur quantitativen Analyse. Alkalimetalle
bleiben als Ionen wie Na+ oder K+ in der Lösung. Es scheiden sich statt ihrer H+ Ionen ab. An
der Kathode bildet sich nach der Reaktionsgleichung
4H+ + 4 Elektronen → 2H2
Wasserstoffgas. An der Anode nach der Gleichung
4OH - → 2H2O + O2 + 4 Elektronen
Sauerstoffgas. Die Konzentration von NaOH ändert sich nicht. NaOH wirkt wie ein Katalysator.
b) Die Faradayschen Gesetze
Die Faradayschen Gesetze beschreiben die Menge der bei der Elektrolyse abgeschiedenen
Stoffe. Da ein Mol das Atomgewicht in g ist und NA = 6·1023 Teilchen enthält, außerdem der
Ladungstransport nur über Teilchentransport geschieht, benötigt man zum Abscheiden von 1
Mol eines Stoffes der Wertigkeit Z an einer Elektrode die Ladung ZNAe0. Oder
Für 1Mol = 1val eines Stoffes benötigt man die Ladung F = N A e 0
Z
F = 9,6·104As ist die Faradaykonstante. Sie gibt an, wieviel As benötigt werden, um ein val
(Grammäquivalent) abzuscheiden. Die abgeschiedene Masse ist also proportional zu I·t.
c) Die Leitfähigkeit von Elektrolyten
Im Elektrolyten wird Strom durch positive und negative Ionen getragen. Die Einzelströme addieren sich zum Gesamtstrom. Nach Gleichung (1) und (2) gilt
j+ = Z +n+v+e0 = Z +n+e0µ+E
j− = Z −n−v−e0 = Z −n−e0µ−E
j = j + + j − = e 0 (Z + µ + n + + Z − µ − n − )E
Die Leitfähigkeit kann also beschrieben werden durch
59
σ = e 0 (Z + µ + n + + Z − µ − n − )
Diese Formel gestattet es im Prinzip, aus Beweglichkeiten und Ladungsträgerkonzentrationen,
σ auszurechnen. Beweglichkeiten werden in Tabelle II angegeben. Sie sind um etwa 4 Größenordnungen kleiner als die der Elektronen im Metall. Sie hängen von der Temperatur T ab,
da die Viskosität des Lösungsmittels von T abhängt, und zwar nimmt die Viskosität von Flüssigkeiten mit der Temperatur ab, was zuz Folge hat, daß die Beweglichkeit und damit die Leitfähigkeit mit steigender Temperatur zunimmt. Für ein Salz, das in gleich viele positive und
negative Teilchen dissoziiert, wird
σ = Ze 0 n(µ + + µ − )
σ unabhängig vom Stoff. Tabelle III zeigt die Äquivalentleitfähigkeit σ , woZne 0
Zn∗
*
bei n die Konzentration der Lösung in mol/l, (die Molarität der Lösung) ist. Man erkennt, daß
und damit
diese Größe bei manchen Stoffen und besonders bei kleinen Konzentrationen recht gut konstant ist, z.B. bei KCL, NaCl, bei anderen nicht, z.B. Essigsäure. Die Abweichung kann zwei
Gründe haben.
Der Stoff ist nicht vollständig dissoziiert.
Bei größeren Ionenkonzentrationen gibt es größere gegenseitige Behinderungen der
verschiedenen gegeneinanderlaufenden Ionen
Der Dissoziationsgrad ist definiert durch
α=
Zahl der gespaltenen Moleküle
Gesamtzahl der Molekule
Er ergibt sich aus dem Massenwirkungsgesetz, dessen grundlegende Abhängigkeiten wir im
folgenden herleiten. Wir betrachten als Beispiel die Dissoziation von Kochsalz. Die Reaktion
läuft normalerweise in beiden Richtungen,
←
NaCl → Na + + Cl −
wobei die Anzahl der Prozesse proportional zu den Teilchenkonzentrationen der beteiligten
Stoffe ist. Für die Zerfälle (oberer Pfeil) gilt
60
dn Z
∼ n NaCl
dt
Für die Zahl der Rekombinationen (unterer Pfeil)
dn R
∼ n Na ⋅ n Cl
dt
Im Gleichgewicht müssen die Zerfälle und Rekombinationen gleich häufig stattfinden:
dn R dn Z
=
dt
dt
und daher n Na ⋅ n Cl ∼ n NaCl . Hieraus folgt das Massenwirkungsgesetz
n Na ⋅ n Cl
n NaCl = κ
κ hängt im wesentlichen nur von der Temperatur ab. Statt der hier im Beispiel verwendeten
Reaktionsteilnehmer Na, Cl und NaCl, können natürlich die Teilnehmer irgend einer anderen
Reaktion eingesetzt werden. Das Massenwirkungsgesetz ist deshalb ein Grundpfeiler zur Beschreibung chemischer Vorgänge. Bei Ionisierungsvorgängen nennt man dieses Gesetz die Sahaformel. Der Dissoziationsgrad läßt sich mit dem Massenwirkungsgesetz in eine etwas handlichere Formel umschreiben. In unserem Beispiel, der Dissoziation von NaCl gilt
n Na = n Cl = n
und die Konzentration c der Lösung (Anzahl der dissoziierten + Anzahl der undissoziierten
Moleküle) n Na + n NaCl = c . Das Massenwirkungsgesetz bekommt die Form
n2 = κ
c−n
Führt man jetzt statt n den Dissoziationsgrad α ein, indem man bedenkt, daß α = nc , erhält
man
α2c2
c − αc = κ
61
Es ergibt sich eine quadratische Gleichung für α:
α 2 + κc α − κc = 0, die sich nach α auflö-
sen läßt:


α 1,2 = κ  −1 + 1 + 4c
κ 
2c 
Das - Zeichen fällt weg, da nur positive α in Frage kommen. Dieses Gesetz heißt das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz. Durch Disskussion dieser Formel erkennt man, daß der Dissoziationsgrad mit steigender Konzentration abnimmt. Die Abnahme der Leitfähigkeit hat also die
gleiche Ursache wie die Tatsache, daß die Reaktionsfähigkeit einer Säure nicht unbedingt mit
der Konzentration zunimmt.
d) Das elektrochemische Potential
Grenzen zwei Stoffe mit beweglichen Ladungsträgern aneinander, so werden die Ladungsträger über die Grenzflächen diffundieren. Es entsteht eine Ladungsdoppelschicht, ein elektrisches Feld in Richtung der Normalen der Trennfläche (x), und eine Potentialdifferenz zwischen den beiden Stoffen (s. Abb. 53). Betrachten man z.B. einen pn - Halbleiterübergang von
einem Halbleiter mit positiven Ladungsträgern (p) zu einem mit negativen Ladungsträgern
(n), so erhält man durch Diffusion im p - Halbleiter einen Überschuß an negativen Ladungen
und im n - Halbleiter einen Überschuß an positiven Ladungen. Der Prozeß kommt zum Stillstand, wenn das in der Schicht aufgebaute Gegenfeld so groß ist, daß weitere Diffusion verhindert wird.
Anders betrachtet besteht ein Gleichgewicht zwischen dem Strom auf Grund eines Feldes
Abb. 54: Durch Diffusion von Ladungsträgern über eine
Grenzschicht entsteht eine Doppelschicht mit einer Feldstärke im Zwischenraum und eine Potentialstufe.
j E = ne 0 v = ne 0 µE
62
und auf Grund der Diffusion in umgekehrter Richtung
j Diff = −e 0 D dn
dx
Der Gesamtstrom muß verschwinden
−e 0 D dn + ne 0 µE = 0
dx
dn
−D
µ n + E(x)dx = 0
Durch Integration läßt sich sofort eine Erhaltungsgröße von der Dimension eines Potentials
ableiten. Dabei wird ∫ Edx = −ϕ gesetzt (s. Gleichung (7) in Kapitel B)
ϕ0 − ϕ1 − D
µ (ln n 1 − ln n 0 ) = 0
ϕ+ D
µ ln n = const
(a)
ϕ∗= ϕ + D
m ln n nennt man auch das elektrochemische Potential. Setzt man ϕ1 − ϕ0 = U, kann
man Gleichung (a) auch schreiben
e
0
− e D/µ
n1
0
=
e
n0
(b)
Das Gesetz hat also die Form der barometrischen Höhenformel, die früher aus einer Betrachtung des hydrostatischen Drucks in der Atmosphäre abgeleitet wurde:
mgh
n1
− kT
n0 = e
(c)
Man könnte auch bei der Ableitung der barometrischen Höhenformel so vorgehen wie hier bei
der Betrachtung des chemischen Potentials, indem man vom Gleichgewicht der Teilchenströjg
me i ausgeht, dabei ist i = e . In der Atmosphäre hat man einen abwärts gerichteten Strom
0
durch die Schwerkraft
i g = nµmg
und einen aufwärts gerichteten Strom durch die Diffusion
63
i Diff = −D dn
dx
Im stationären Zustand müssen beide Ströme gleich sein. Das Problem kann also auf das in
der elektrischen Schicht zurückgeführt werden, indem man e0E durch mg ersetzt. Man erhält
dann
mgh
− e D/µ
n1
0
=
e
n0
(d)
Dies muß identisch mit der barometrischen Höhenformel (Gleichung (c) ) sein. Ein Vergleich
e D
der Gleichungen (c) und (d) zeigt, daß dafür µ = 0 gelten muß. Beweglichkeit und DiffusikT
onskoeffizient hängen über diese von Einstein vorgeschlagene Formel voneinander ab. Setzt
man diese Abhängigkeit in Gleichung (b) ein, so erhält man die Boltzmann Formel
n1
−e 0 U/kT
n0 = e
(5)
und das elektrochemische Potential wird
ϕ∗= ϕ + kT
e ln n
0
Hat man an der Grenzfläche für ein bestimmtes Ion einen Konzentrationssprung n1/n2, so ergibt sich der Spannungssprung
n1
U = − kT
e ln n
0
(6)
2
Dies ist das Gesetz von Nernst. Den Beitrag der verschiedenen Ionen muß man unter Berücksichtigung des Ladungsvorzeichens addieren. Das elektrochemische Potential spielt überall eine Rolle, wo zwei Stoffe entweder direkt miteinander in Verbindung stehen wie bei Halbleiterübergängen und Metallelektroden in Elektrolyten, oder durch eine Membran getrennt sind,
wie in vielen biologischen Systemen.
e) Die Debyesche Abschirmlänge
In Bereichen mit konstanter Konzentration besteht Ladungsneutralität. Das Feld und die
Raumladung beschränken sich auf einen engen Bereich zwischen den Ladungsschichten. Um
64
die Ausdehnung dieser Schicht abzuschätzen, bedenken wir, daß das E - Feld, in dem sich der
Unterschied in n herausbildet, wiederum von der Ladungsverteilung abhängt. Zur Ableitung
dieser Abhängigkeit gehen wir vom Gaußschen Gesetz in der differentiellen Form aus.
e ∼
n
divE = 0ε
wobei ∼
n die Abweichung von der Gleichgewichtdichte angibt. Im eindimensionalen Problem
ist
U = −∫ Edx, also dU = −E
dx
Das Gaußsche Gesetz schreibt sich dann
n
dE = − d 2 U = e 0∼
2
ε
dx
(a)
n = n0 + ∼
n ist die Gesamtzahl der Ladungsträger dort, wo das Potential U vorliegt. Diese ergibt
sich aus der Boltzmann Formel wieder aus U.
∼
n
n
n = n0 + ∼
−e 0 U/kT
=
+
1
n0 = e
n0
n0
∼
e U
Wegen der Quasineutralität ist nn0 << 1 und damit 0 << 1 . Man kann die ExponentialfunkkT
∼
e0U
e U
n
−e 0 U/kT
≈1−
n.
tion also entwickeln e
, und daher n = − 0 setzen. Man erhält U = − nkTe ∼
0
0 0
kT
kT
n.
Setzt man dies in Gleichung (a) ein, erhält man eine Differentialgleichung für ∼
2
d 2∼
n = e0n0 ∼
n
2
εkT
n = ce −x/λ D . Das positive Vorzeichen scheidet wegen des unrealistischen Vermit der Lösung ∼
haltens bei x → ∞ aus.
λD =
εkT
e 20 n 0
ist die Debye Länge. Sie gibt die typische Ausdehnung von Bereichen an, in denen im Elektrolyt oder Plasma Raumladungen auftreten.
65
f) Die Spannungsreihe
Taucht man ein Metall in eine Säure, z.B. Zink (Zn) in Schwefelsäure (H2SO4), so werden
Metallionen (hier Zn++ - Ionen) in die Säure übergehen. Es entsteht ein Gleichgewicht von der
im Abschnitt e beschriebenen Art und damit eine Spannungsdifferenz nach dem Gesetz von
Nernst (Gleichung (6)). Das Metall lädt sich negativ auf, wobei sein Potential um so negativer
wird, je mehr das Metall die Tendenz hat, in Lösung zu gehen. In praxi kann man nur Spannungsdifferenzen zwischen zwei solcher Übergänge messen, da man eine zweite Elektrode benötigt, die in die Säure eintaucht, an der dann natürlich auch eine Spannung gegenüber dem
Elektrolyten entsteht, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Außerdem muß man sorgfältig
auf Gasschichten an den Elektrodenoberflächen achten, da diese die Eigenschaft einer Ersatzelektrode annehmen, man spricht von elektrolytischer Polarisation. Man hat sich daher geeinigt, gegen eine von Wasserstoff umspülte Platinelektrode als Referenz zu messen. Man ordnet die Elemente nach der Spannung gegenüber dieser Referenzelektrode und erhält so die
Spannungsreihe. Am einen Ende der Spannungsreihe stehen die unedlen, reaktionsfreudigen
Elemente, an der anderen die Edelmetalle.
g) Galvanische Elemente
Die unterschiedlichen Kontaktspannungen der verschiedenen Elemente relativ zu einem Elektrolyten kann man ausnutzen, um mit ihnen eine Spannungsquelle zu bauen. Solche Spannungsquellen nennt man galvanische Elemente. Im Prinzip hat man verschiedene grundsätzliche Möglichkeiten. Man kann zwei unterschiedliche Stoffe als Elektroden verwenden, die in
einen Elektrolyten tauchen, z.B. Kupfer und Zink, die in Schwefelsäure tauchen. Man kann
aber auch gleiche Elektroden und unterschiedliche Säuren verwenden, indem man diese durch
eine halbdurchlässige Membran trennt. Eine dritte Methode bestünde darin, daß sowohl Elektroden wie Elektrolyten gleich sind, die Elektroden aber unterschiedlich polarisiert werden, etwa durch Anlagerung von H2 und O2.
Beispiele:
α) Trockenbatterie (Leclanché Element)
Abb. 55: Aufbau einer Zink - Kohle
Trockenbatterie
66
Der Aufbau ist in Abb. 55 dargestellt. Elektroden sind Zink und Kohle. Elektrolyt ist Ammoniak in einer Paste aus Kohlenstoff und Braunstein. Der Braunstein verhindert die Polarisation
der Kohlenstoffelektrode durch Abscheidung von Wasserstoff. Durch verschiedene nichtreversibele Vorgänge ist sie nicht aufladbar. Sie liefert eine Spannung von etwa 1,5V.
In Alkali - Mangan Zellen ist KOH als Elektrolyt. Sie erfordern eine bessere Kapselung, haben aber eine etwa doppelt so hohe Energiedichte als Zink - Kohle Elemente bei gleicher
Spannung. Besonders hohe Energiedichte weisen Li - -Zellen mit SOCl2 (Thionylchlorid) als
Elektrolyt auf. Sie werden meist als Knopfzellen ausgebildet und weisen eine Spannung von
3V auf.
β) Bleiakkus
sind im Gegensatz zu den oben besprochenen Elementen aufladbar. Sie haben im geladenen
Zustand eine Spannung von etwas über 2V. An der positiven Elektrode laufen folgende Vorgänge ab (oberer Pfeil beim Laden, unterer beim Entladen).
→
PbSO 4 + 6H 2 O ← PbO 2 + SO −4 − + 4H 3 O + + 2e −,
an der negativen Elektrode
→
PbSO 4 + 2e − ← Pb + SO −4 −
Das Verhältnis der maximal entnehmbaren Energie zur Ladeenergie beträgt 70 - 75%. Das
Gewicht pro Leistung ist ungefähr 60kg/kWh.
Eisen - Nickel Akkus enthalten als Elektrolyt KOH. Statt Eisen wird oft auch Cd verwendet.
Die Spannung beträgt 1,2 V. Eisen - Nickel Akkus sind robuster als Bleiakkus.
γ) Höchste Energiedichten haben Na - S Batterien, bei denen die Reaktion
→
2Na + S + 2e − ← Na 2 S
ausgenutzt wird. Sie arbeiten allerdings nur bei erhöhter Temperatur (300 - 350°).
δ) Brennstoffzellen verwenden reversible Oxydation an Nickelelektroden, z.B. in der
Knallgaszelle
H 2 + 2OH − → 2H 2 O + 2e −
67
1 O + H O → 2OH − 2e −
2
2
2
5. Thermoelektrische Effekte
Abb. 56: Normalerweise kompensieren sich die
Kontaktspannungen
Verlötet man zwei Metalle an beiden Enden, so entsteht an den Lötstellen eine Kontaktspannung. Da die Spannungen an den Kontaktstellen entgegengesetzt gleich sind, fließt insgesamt
kein Strom. (Schön daß der Energiesatz auch hier gilt!) Erhöht man aber an einer Stelle die
Temperatur, so ändert sich hier nach der Nernst Gleichung die Kontaktspannung. Es fließt ein
Strom, der in konkreten Fällen beträchtlich sein kann. Man nennt diesen Effekt den Seebeck
Effekt (Seebeck 1922). Er wird im Thermoelement zur Temperaturmessung ausgenutzt. Ein
Thermoelement hat geringere Linearität als ein Widerstandsthermometer, kann aber kleiner
und damit schneller gemacht werden. Im Prinzip läßt sich der Seebeck Effekt zur Direktumwandlung von Wärme in elektrische Energie verwenden. Der umgekehrte Effekt ist der Peltier
Effekt. Läßt man Strom durch ein Thermoelement fließen, so kühlt sich eine der Verbindungsstellen ab, die andere erhitzt sich. Dieser Effekt wird zum Kühlen verwendet.
Der Thomson Effekt besteht darin, daß zusätzlich elektrische Energie in Wärme umgewandelt
wird, wenn dem Strom ein Thermostrom überlagert wird. (Merke: Dieser Effekt heißt Thomson Effekt, weil Lord Kelvin noch Thomson hieß).
68
KAPITEL E
Schaltungstheorie
Dieses Kapitel befaßt sich mit den Prinzipien elektronischer Schaltungen. Man unterscheidet
zunächst analoge und digitale Schaltungen. Dabei stellt man sich vor, daß durch die Spannungen (oder Ströme) am Ein- und Ausgang oder an den einzelnen Bauelementen Zahlen dargestellt werden. Bei Analogschaltungen werden diese Zahlen durch einen Spannungs- (Strom-)
wert realisiert, bei Digitalschaltungen interessieren nur zwei Spannungswerte: die Spannung
ist da oder nicht da. Die Abfolge solcher Zustände werden mit den Einsen und Nullen einer
Binärzahl identifiziert. Im ersten Teil des Kapitels befassen wir uns mit Analogschaltungen
und hier besonders mit linearen Netzwerken. Das sind Schaltungen aus Bauelementen, die einen linearen Zusammenhang zwischen Strom und Spannung aufweisen. Da man die meisten
Bauelemente auf Schaltungen aus Elementen mit zwei Anschlüssen - wir sagen manchmal etwas leger "zwei Beinen" - zurückführen kann, werden zunächst nur Netzwerke aus zweibeinigen Elementen betrachtet.
1. Bauelemente
a) Ideale Bauelemente
Man unterscheidet zwischen passiven und aktiven Elementen. Nur aktive Elemente liefern
elektrische Energie. Als passive Elemente betrachten wir Widerstand, Kapazität, Induktivität
und Schalter, als aktive Spannungsquelle, Stromquelle, wobei diese unabhängig von Spannungs- und Stromwerten an andern Stellen der Schaltung sein können, oder durch solche gesteuert werden. Die Schaltsymbole und die zugehörigen Zusammenhänge von Strom und
Spannung sind in den Abb. 57 - 59 dargestellt. Gesteuerte Quellen braucht man z.B. zur Beschreibung von Transistoren (s. Abb. 60).
Abb. 57: Passive Elemente, ihr
Symbol und der U/I Zusammenhang
an ihnen
69
Abb. 58: Aktive Elemente: unabhängige Spannungs- und Stromquelle.
Abb. 59: Abhängige Quellen
Abb. 60: Ersatzschaltbild eines Transistors als Beispiel für eine gesteuerte
Quelle.
b) Linearität
Es möge an einer Schaltung ein Eingangssignal x(t) geben, z.B. den Strom an einem Widerstand I(t). Wir interessieren uns für das Ausgangssignal, z.B. für die Spannung an dem gleichen Widerstand U(t). Bei umfangreichen Schaltungen können Eingang und Ausgang an unterschiedlichen Anschlüssen liegen. Sie können gleiche oder wie im Fall des Widerstandes unterschiedliche Dimension besitzen. Das Bauelement (oder die Schaltung) ist linear, wenn aus
Eingängen x1(t) und x2 (t) und den dazugehörigen Ausgängen y1(t) und y2(t) folgt, daß das
Eingangssignal
x = ax1(t) + bx2(t)
ein Ausgangssignal
y = ay1(t) + by2(t)
zur Folge hat, wobei a und b beliebige Konstanten sind. Man sagt manchmal auch, wenn sich
Elemente so verhalten, es gilt der Überlagerungssatz. Bei einem Widerstand erzeugt ein Strom
I1 eine Spannung U1 = RI1 und I2 eine Spannung U2 = RI2. Die Linearkombination I = aI1 + bI2
erzeugt eine Spannung U = (aI1 + bI2)R = aU1 + bU2. Ein Widerstand ist also ein lineares
70
Bauelement. Ebenso sind alle oben aufgeführten Bauelemente linear. Bei einer Diode würde
der Überlagerungssatz nicht gelten.
c) Reale Elemente
Alle betrachteten Elemente stellen eine Idealisierung dar, so liefern z.B. die idealen Quellen
den angegebenen Strom oder die Spannung unabhängig von der Belastung. Man realisiert die
Elemente durch Widerstandsdrähte, Spulen, Plattenkondensatoren, galvanische Elemente und
ähnliche physikalische Objekte. Aus den Grundgesetzen der Elektrodynamik kann man ersehen, daß prinzipiell keins der Elemente streng realisiert werden kann. Z.B. enthält jeder Widerstand ein E - Feld zwischen den Anschlüssen und damit eine Kapazität. Jedes reale Element hat Wärmeverluste und damit Eigenschaften eines Widerstandes, u.s.w. Die Erfolge der
Elektrotechnik liegen aber darin begründet, daß es reale Elemente gibt, die eine sehr gute Näherung an die idealen Elemente darstellen. In manchen Fällen muß man, um reale Elemente
gut zu simulieren, mehrere ideale zusammenschalten. Eine Spule wird man durch Hintereinanderschalten einer Induktivität und eines "Verlust"widerstandes darstellen (Abb. 61), einen Autoakku durch eine ideale Spannungsquelle und einen in Serie geschalteten "Innen"widerstand
(Abb. 62).
Abb. 61: Ersatzschaltbild einer Spule mit Verlusten
Abb. 62: Ersatzschaltbild eines Autoakkus als Serienschaltung von idealer Spannungsquelle und
Innenwiderstand
Ideale Elemente können manchmal zu Widersprüchen oder zu unphysikalischem Verhalten
führen. So kann eine ideale Quelle u.U. unendlich viel Leistung liefern. Zwei Spannungsquellen, die unterschiedliche Spannung abgeben und parallel geschaltet sind (Abb. 63), ergeben einen Widerspruch. Solche Schaltungen müssen ausgeschlossen werden.
Abb. 63: Ein Schaltbild, das zu einem Widerspruch führt
71
Der Widerspruch kann meistens aufgehoben werden, indem man bestimmte Idealisierungen
aufgibt. So würde in der Schaltung von Abb. 63 kein Widerspruch auftreten, wenn man die
Innenwiderstände der Spannungsquellen berücksichtigt.
d) Festlegung der Vorzeichen
In einer zu berechnenden Schaltung weiß man im allgemeinen nicht von vorneherein, wo das
positivere und das negativere Potential ist, oder in welcher Richtung ein Strom fließt. Erhält
man z.B. als Ergebnis einer Rechnung einen positiven Zahlenwert für einen Strom, muß festgelegt sein, was das für die Stromrichtung bedeutet. Entsprechend muß man eine Richtung für
die Potentialdifferenz festlegen. Diese Festlegung erfolgt in der Elektrotechnik mit sogenannten Zählpfeilen. Es gibt Zählpfeile für Spannung (in diesem Skript offene Pfeile, s. Abb. 64)
und für Strom (geschlossene Pfeile). Sie zeigen in einer Schaltzkizze von einem Anschluß zu
einem zweiten. Man stellt sich am einfachsten vor, der Zählpfeil gibt eine Vorschrift vor, wo
die Pole eines Meßinstrumentes, das einen mit einem Vorzeichen behafteten Zahlenwert liefert, anzuschließen sind. Bei einer Spannung gibt die Pfeilspitze an, wo der negative Pol des
Meßinstrumentes anzuschließen ist (Abb. 64).
Abb. 64: Im linken Teilbild erhält man U = 12V, im
rechten U´ = -12V
Der Pfeil zeigt also, falls der Zahlenwert der Spannung positiv ist, vom positiven zum negativen Pol (bei einem negativen Zahlenwert umgekehrt vom negativen zum positiven Pol). Der
Zählpfeil für Strom zeigt bei einem positiven Zahlenwert für den Strom in Stromrichtung, d.h.
in die Richtung, in die sich positive Ladungsträger bewegen würden.
Abb. 65: Nur bei Strom- und Spannungspfeil in gleicher Richtung wird das Ohmsche Gesetz mit positivem Vorzeichen
geschrieben.
Abb. 65 zeigt, welche Richtung die Strom- und die Spannungspfeile in einem einfachen
Stromkreis haben müssen, wenn alle Zahlenwerte positiv sein sollen. Man erkennt, daß sie in
einer Quelle dann umgekehrte Richtung, in einem passiven Element gleiche Richtung haben.
Das Ohmsche Gesetz hat dann das positive Vorzeichen U = IR, da es nur so erfüllt sein kann,
wenn U,I,R positiv sind. Das Gleiche gilt für die entsprechenden Gesetze bei Kapzitäten oder
72
•
•
Induktivitäten. Sie lauten I = C U und U = L I , wenn Spannungs- und Strompfeile gleiche
Richtung haben. Man macht sich das an der Schaltung in Abb 66. klar. Anfangs sei U = 0.
•
•
Nach Schließen des Schalters ist U , I und C positiv. Es kann also nur gelten I = C U und nicht
•
I = −C U . Entsprechendes gilt für die Induktivität. Gleiche Richtung der Pfeile deutet an, daß
die U/I Gesetze mit positivem Vorzeichen, ungleiche Richtung, daß sie mit negativem Vorzeichen geschrieben werden. Die in Physikbüchern übliche Schreibweise des Induktionsgesetzes
mit negativem Vorzeichen heißt, daß man sich implizit entgegengesetzte Richtung der Zählpfeile denkt, daß man die Induktivität gewissermaßen als aktives Bauteil ansieht.
2. Die Kirchhoffschen Gesetze
a) Knoten und Maschen
Abb. 67: Diese Schaltung hat 4 Knoten, 6 Schleifen
und 3 Maschen.
Ein Netzwerk besteht aus Elementen, die an ihren Anschlüssen miteinander verbunden sind.
In der Schaltskizze (s. z.B. Abb. 67) besitzen alle Verbindungslinien zwischen zwei Bauteilen
das gleiche Potential. Solche Verbindungen mit den dazugehörigen Zuleitungen bilden einen
Knoten. Geschlossene Wege nennt man eine Schleife. Schleifen, die im umlaufenen Bereich
keine Elemente oder Verbindungen enthalten, heißen Maschen. Die Brückenschaltung von
Abb. 67 hat drei Maschen und vier Knoten, wie in Abb. 68 verdeutlicht wird. Zur Berechnung
eines Netzwerks, z.B. zur Ermittlung des Stromes durch R 5 , wenn U und die Widerstände gegeben sind, benötigt man die Gesetze, die U und I an den Elementen verknüpfen und die
Kirchhoffschen Gesetze: die Knotenregel und die Maschenregel.
Abb. 68: Die topologisch gleiche Schaltung wie in
Abb. 67 zeigt deutlich die Knoten und Maschen
b) Die Knotenregel
In einen Knoten fließt genau so viel Strom rein wie raus. Wenn man die Strompfeile alle vom
Knoten weg zeigen läßt, gilt
73
Σ Ii = 0
Knoten
(1)
Abb. 69: Bei dieser Richtung der Strompfeile heißt
die Knotenregel, daß der Gesamtstrom, der aus einem Knoten fließt, Null ist.
Es kommt kein Strom aus einem Knoten. Wegen der Größe der Kräfte, die für eine Ladungstrennung erforderlich sind, sammelt sich die Ladung im allgemeinen nicht an. Es gilt also für alle zweibeinigen Elemente, daß der Strom, der in einen Anschluß hineinfließt, zu jeder
Zeit so groß ist, wie der, der aus dem anderen Anschluß herausfließt. Die einzigen Schaltelemente, auf denen sich Ladung sammelt, sind Kapazitäten. Da bei diesen aber die Ladung auf
beiden Platten immer entgegengesetzt gleich sind, bleiben auch Kapazitäten im ganzen gesehen neutral.
c) Maschenregel
Bei einem vollständigen Umlauf um eine Schleife ist die Summe aller Spannungen Null.
Σ
(2)
Ui = 0
Schleife
Dies Gesetz folgt bei stationären Strömen aus der Tatsache, daß das E - Feld ein Potentialfeld
ist. Bei zeitlichen Änderungen des Stroms entsteht eine Zirkulation ungleich Null, d.h. eine
Ringspannung. Dieser Beitrag wird durch Induktivitäten erfaßt.
Abb. 70: Zeigen die Spannungspfeile in gleiche Umlaufsrichtung, heiß die Maschenregel, daß man bei einem vollständigen Umlauf zum Anfangspotential zurückkehrt.
d) Einfache Schaltungen mit Quellen und Widerständen
α) Widerstand als Verbraucher
In der Schaltung von Abb. 71 seien U und R gegeben und IR gefragt.
Die Maschengleichung lautet
UR = U
74
Die Knotengleichung
IR = I
Der Zusammenhang von U und I am Widerstand:
IR =
UR U
=
R
R
Abb.71: Das physikalische Ergebnis ist natürlich
unabhängig von den Richtungen der Pfeile
Bei U = 12V und R = 6Ω erhält man IR = 2A. Die Wahl der Pfeilrichtungen ist dabei beliebig.
Hätte man die Pfeilrichtungen von Abb. 71 unten gewählt, hätte das Ohmsche Gesetz mit negativem Vorzeichen benutzt werden müssen. Das Ergebnis wäre IR/ = -2A. Die Stromrichtung
wäre entgegen der Richtung des Strompfeils und damit gleich wie in Abb. 71 oben.
β) Strom- und Spannungsquelle
In Abb. 72 stören sich Strom - und Spannungsquelle nicht, da jede ihren Wert unabhängig von
der Belastung liefert. Daher ist die Spannung an der Stromquelle U, der Strom, der durch die
Spannungsquelle fließt I.
Abb. 72: Strom- und Spannungsquelle überlagern
sich störungsfrei.
γ) Reale Strom - und Spannungsquellen
Abb. 73: Wenn der Innenwiderstand genügend
groß ist, handelt es sich um eine Stromquelle.
Für Ri >> RV wird in der Schaltung von Abb. 73 der Strom I = U unabhängig vom Widerstand
R
des Verbrauchers RV. Die Spannungsquelle mit großem Innenwiderstand stellt also eine
Stromquelle dar. Bei einer idealen Stromquelle ist der Innenwiderstand unendlich. Schaltet
man sie aus ("tote Stromquelle"), so ist dies identisch mit einem verbindungslosen Zustand
zwischen den Anschlüssen.
75
Abb. 74: Eine Stromquelle, in der der Strom auf Null geregelt wird, nennt man eine tote Stromquelle. Sie wirkt in
dem Netzwerk wie eine Unterbrechung der beiden
Anschlüsse.
Ist hingegen Ri << RV, so ist der Spannungsabfall am Innenwiderstand zu vernachlässigen und
die Spannung am Verbraucher ist unabhängig von dessen Widerstand. Die ideale Spannungsquelle hat daher einen Innenwiderstand Ri = 0.
Abb. 75: Eine tote Spannungsquelle entspricht einem
Eine tote Spannungsquelle ist identisch mit einem Kurzschluß (Abb. 75). Der Innenwiderstand
Ri und die Quellspannung U können bestimmt werden, indem man Strom und Spannung für
zwei verschiedene Verbraucher mißt. Z.B. für R = ∞ mißt man die Leerlaufspannung, die
gleich der Quellspannung ist U = UL. Für R = 0 mißt man den Kurzschlußstrom IK. Der Innenwiderstand ergibt sich dann (s. Abb. 76) aus
U
Ri = U = L
IK IK
Abb. 76: Der Kurzschlußstrom ist der Strom, der fließt,
wenn die Anschlüsse der Quelle kurzgeschlossen werden
3. Einige Konsequenzen aus der Linearität
a) Der Überlagerungssatz
Die Linearität besagt, daß bei einem Ausgangssignal, das auf mehreren Eingangssignalen beruht, die einzelnen Eingänge gesondert untersucht und und die dazugehörigen Ausgänge zum
Gesamtsignal addiert werden können. Dies gilt auch, wenn die Eingangssignale an verschiedenen Stellen des Netzwerkes eingespeist werden. Hat man z.B. ein Netzwerk mit mehreren
Quellen, so kann man alle Quellen bis auf jeweils eine ausschalten und den Effekt einer einzelnen Quelle für alle Quellen nacheinander ausrechnen. Das Gesamtergebnis ist dann die
76
Summe der Einzelergebnisse. Wenn die Quellen mit A,B,C bezeichnet werden, die Aktivierung durch * und die Deaktivierung durch +, schreibt sich dieser Satz
A∗, B∗, C∗
≡
A∗, B+, C+
+
A+, B∗, C+
+
A+, B+, C∗
In der Elektrotechnik nennt man speziell diese Folgerung der Linearität den Überlagerungssatz.
Beispiel
Abb. 77: Nach dem Überlagerungssatz kann man die linke Schaltung in die beiden rechten
zerlegen und die Effekte der einzelnen Schaltungen zum Gesamteffekt addieren.
In der Schaltung von Abb. 77 soll die Spannung am Widerstand R2 berechnet werden. Zunächst wird die Stromquelle desaktiviert und durch ein offenes Ende ersetzt. Die Spannungsquelle erzeugt an R2 die Spannung U1.
U1 =
R2
U
R +R
Dann wird die Spannungsquelle desaktiviert und durch einen Kurzschluß ersetzt
U 2 = −I
R1R2
R1 + R2
Die gesuchte Spannung ist dann die Summe der Teilergebnisse
Ux = U1 + U2 =
R2U − R1R2I
R1 + R2
b) Zerlegung von Signalen
Die Linearität erlaubt die Zerlegung komplizierter Signale in eine Summe anderer, deren Reaktion einfacher berechnet werden kann. So kann man z.B. alle periodischen Signale durch
77
eine Summe von Sinustermen mit der Grundfrequenz und den Vielfachen der Grundfrequenz
zerlegen.
f(t) = a 0 + Σ a n sin nωt + Σ b n cos nωt
T
T
a 0 = 1 ∫ f(t)dt
T
a n = 2 ∫ f(t)sin nωtdt
T
T
b n = 2 ∫ f(t)cos nωtdt
T
(3)
Dies ist der Grund dafür, daß Wechselstromkreise auch für nichtsinusförmige Signale eine
zentrale Rolle spielen. Nichtperiodische Signale kann man mit einer Fourier Transformation
oder einer Laplace Transformation in harmonische Bestandteile zerlegen.
f(t) = 1
2π
+∞
∫−∞ f(ω)e iωt dω
(4)
+∞
f(ω) = ∫ f(t)e −iωt dt
−∞
Abb. 78: Die Linearität eines
Netzwerkes erlaubt auch die
Zerlegung eines Pulses in Stufenfunktionen oder Nadelpulse.
c) Sätze von Thevenin und Norton
Abb. 80: Die Sätze von Thevenin und Norton erlauben
es, vereinfachende Ersatzschaltbilder zu finden.
Die Linearität erlaubt es, komplizierte Netzwerke durch einfachere zu ersetzen, die das gleiche
leisten, d,h. bei Anschluß des gleichen Verbrauchers den gleichen Ausgang liefern. Hat man
ein Netzwerk, A aus Widerständen, das beliebig viele unabhängige Quellen enthalten darf, so
wird sich bei Belastung mit einem variablen Widerstand wegen der Linearität für U(I) an diesem eine Gerade ergeben (s. Abb. 80). Diese ist durch zwei Punkte festgelegt, z.B. durch die
Leerlaufspannung U = UL bei I = 0 und den Kurzschlußstrom I = IK bei U = 0. Das gleiche
leistet schon eine Spannungsquelle mit einem in Serie geschalteten Widerstand Ri.
78
Abb. 80: Wegen der Linearität des Netzwerkes ist die
Ausgangskennlinie eine Gerade. Dies läßt sich mit einer einzigen Spannungsquelle und einem geeigneten
passiven Netzwerk in Serie erreichen.
Der Satz von Thevenin sagt aus:
Jedes beliebige Netzwerk aus linearen passiven Elementen, also auch Induktivitäten und Kapazitäten und unabhängigen Quellen kann durch eine Spannungsquelle U(t) und das tote
Netzwerk in Serie, d.h. eins, in dem alle Quellen desaktiviert sind, ersetzt werden.
Abb. 81: Das Thevenin Äquivalent Netzwerk
Zum Beweis betrachtet man das gegebene Netzwerk A und ein beliebiges passives Netzwerk
B als Verbraucher (s. Abb. 82). In Serie zu A wird eine Spannungsquelle angeschlossen, die
so eingerichtet ist, daß kein Strom in B hineinfließt. Da B ein passives Netzwerk ist, liegt an
B, wenn kein Strom fließt, auch keine Spannung. U(t) ist dann nach Definition die Leerlaufspannung des Netzuwerks A. Nach dem Überlagerungssatz ist I1 + I2 = 0. Nimmt man UL mit
-1 mal, so muß nach dem Überlagerungsgesetz auch I 2 mit -1 malgenommen werden, d.h. in
der rechtesten Schaltung von Abb. 82 führt ein umgepoltes UL zu einem I2 gleicher Größe, das
aber umgepolt ist. Wenn UL in seiner Richtung umgedreht wird, liefert das Netzwerk den
Strom -I2 = I in B, was zu beweisen war.
Abb. 82: Zum Beweis des
Satzes von Thevenin
Entsprechend kann man jedes solches Netzwerk in eins umwandeln , das aus einer Stromquelle besteht, die den Strom liefert, der dem Kurzschlußstrom des ursprünglichen Netzwerkes
79
entspricht und dem desaktivierten Netzwerk parallelgeschaltet zur Stromquelle. Dies ist die
Aussage des Satzes von Norton. Es kann also auch jedes Thevenin Äquivalentnetzwerk in ein
Norton Äquivalentnetzwerk umgewandelt werden.
Abb. 83: Das Norton Äquivalent Netzwerk
4. Berechnungsverfahren von linearen Netzwerken
Berechnungen von linearen Netzwerken können bei komplexeren Schaltungen rasch unübersichtlich werden, weil man Gleichungssysteme mit sehr vielen Unbekannten erhält. Es gibt
zwei Verfahren, die zu einem möglichst kleinen Satz von Gleichungen führen: Die Methode
der Knotenpunktspotentiale und die der Maschenströme. Zunächst vereinfacht man alle Zweige, die aus Parallel - oder Serienschaltung von Elementen bestehen. Man faßt die Aufgabe so
auf, als ob Quellen und Widerstände bekannt sind, Spannungen und Ströme berechnet werden
müssen. Alle übrigen Fragen, wie die nach Teilspannungen und Teilströmen, an Bauelementen, die zur Vereinfachung zusammengefaßt wurden oder Widerstandswerten von komplexen
Teilschaltungen, können aus den letztlich bekannten U und I in einem angehängten Schritt berechnet werden. In der Brückenschaltung von Abb. 84 würde man z.B. um Ux zu berechnen
zuerst die Widerstände in der Brücke wie im rechten Teil der Skizze zusammenfassen und diese Schaltung berechnen. Die unbekannte Spannung ist dann leicht aus dem bekannten Strom
in der Brücke und den Potentialen der benachbarten Knotenpunkte zu ermitteln.
Abb. 84: Im ersten Schritt ersetzt man jedes Element zwischen zwei Knoten durch ein einzelnes
Element.
a) Die Methode der Knotenpunktspotentiale
Bei der Methode der Knotenpunktspotentiale gibt man einem Knoten willkürlich das Potential
0. Die unbekannten Potentiale der übrigen Knoten sind dann zu berechnen. Durch dieses
80
Vorgehen sind die Maschengleichungen automatisch erfüllt, da man bei Umlauf um eine Masche wieder an den Anfangspunkt, also das Ausgangspotential zurückkommt. Wenn die Potentiale der Knoten bekannt sind, ergeben sich die Ströme durch die U/I Gesetze der Elemente.
Als Ausgangsgleichungen schreibt man nur die Knotenregeln für die Knoten mit unbekanntem
Potential hin, wobei man die Ströme sofort durch die Potentialdifferenzen und die U/I Gesetze
ausdrückt. Die Ströme erscheinen in den Gleichungen nicht explizit.
Beispiel: Brückenschaltung (Abb. 85)
Abb. 85: Berechnung der Brückenschaltung mit
der Methode der Knotenpunktpotentiale
Der Knotenpunkt C hat das bekannte Potential U. Unbekannt sind die Potentiale von A und B.
Die Knotenregel für den Punkt A lautet dann
UA UA − U UA − UB
+
+
=0
R
R
R
Hier wurden die drei Ströme, die in den Knoten fließen sofort durch das Ohmsche Gesetz ausgedrückt. Im Nenner steht jeweils der Widerstand des betrachteten Zweiges, im Zähler die Potentialdifferenz zwischen A und dem jeweiligen benachbarten Knoten. Um Fehler im Vorzeichen zu vermeiden, wurde bei der Bildung der Potentialdifferenz immer zuerst das Potential A
geschrieben. Natürlich hätte man diese auch immer zuletzt schreiben können. Wichtig ist nur,
daß die Terme, die aus den einzelnen Strömen gebildet werden untereinander gleich behandelt
werden.
Auch die Knotengleichung des Knotens B läßt sich sofort hinschreiben:
UB UB − U UA − UB
+
−
=0
R
R
R
Man faßt die Terme mit gleichem Potential zusammen und erhält zwei lineare Gleichungen
mit den zwei Unbekannten UA und U B .
81
UA  1 + 1 + 1  − UB 1 = U
 R1 R2 R5 
R5 R2
−U A 1 + U B  1 + 1 + 1  = U
 R3 R4 R5  R4
R5
Bei Netzwerken aus Widerständen ergibt sich in jedem Fall ein lineares Gleichungssystem.
Bei Netzwerken mit L und C ein Intrego - Differentialgleichungssystem, das immer in ein reines Differentialgleichungssystem überführt werden kann.
b) Methode der Maschenströme
Bei der Methode der Maschenströme setzt man für jede Masche einen unbekannten Strom Ii
an, der innerhalb einer Masche im Kreis fließt. Man schreibt die Maschengleichungen hin, indem man die Spannungen sofort durch diese Ströme ausdrückt, so daß Spannungen in den
Gleichungen nicht vorkommen. Durch dieses Im - Kreis - Fließen der Ströme sind die Knotengleichungen automatisch erfüllt, da der Strom, der irgendwo hineinfließt, mit Sicherheit
vollständig herauskommt. Die Maschenströme sind Rechengrößen. Der tatsächliche Strom ,
der durch ein Element fließt, ergibt sich aus der Summe aller Beiträge aus den verschiedenen
Maschen, zu denen das Element gehört.
Abb. 86: Berechnung der gleichen Brückenschaltung
wie in Abb. 86 mit der Methode der Maschenströme.
Als Beispiel wird die gleiche Brückenschaltung wie im vorhergehenden Beispiel behandelt.
Sie enthält drei Maschen, denen die unbekannten Ströme I1, I2 und I3 zugeordnet werden
(Abb. 86). Die Spannung an einem Widerstand ergibt sich aus dem Produkt dieses Widerstandes mit der Summe der Ströme, die durch ihn fließen, wobei Ströme aus benachbarten Maschen zu einer negativen Spannung führen, wenn sie der Pfeilrichtung in der betrachteten Masche entgegenfließen. Die Maschengleichungen haben dann die Form:
Masche 1:
I1R1 + I1R3 + I1R5 − I3R1 − I2R5 = 0
Masche 2:
I2R2 + I2R4 + I2R5 − I3R2 − I1R5 = 0
82
I3R1 + I3R2 − I2R2 − I1R1 − U = 0
Masche 3:
Man erhält also drei lineare Gleichungen mit den drei Maschenströmen als Unbekannten
I 1 (R 1 + R 3 + R 5 ) − I 2 R 5 − I 3 R 1 = 0
−I 1 R 5 + I 2 (R 2 + R 4 + R 5 ) − I 3 R 2 = 0
−I 1 R 1 − I 2 R 2 + I 3 (R 1 + R 2 ) = U
5. LRC - Netzwerke
a) Gewinnung der Differentialgleichung
Die Grundgleichungen für die Berechnung von Netzen, die auch die Elemente L, R und C enthalten sind die gleichen wie von Widerstandsnetzwerken: die Kirchhoffschen Gesetze und die
Gesetze, die U und I an den Bauelementen verknüpfen. Der Unterschied besteht darin, daß die
Verknüpfungsformeln an L und C eine differentielle Verknüpfung von U und I vorsehen. Für
die Methode der Knotenpunktspotentiale muß man die Ströme durch die Spannungen ausdrükken. Bei einer Kapazität ergibt sich eine Differentiation
•
IC = C UC
Bei einer Induktivität eine Integration
IL = 1
L
t
1
∫−∞ U L (t )dt = L
/
/
t
0
t
1
1
∫−∞ U L (t )dt + L ∫ U L (t / )dt / = I 0 + L ∫ U L (t / )dt
/
/
Entsprechend benötigt man bei der Methode der Maschenströme die Spannungen ausgedrückt
durch die Ströme.
•
UL = L IL
t
U C = U 0 + 1 ∫ I C (t / )dt /
C
Für den Fall von Wechselströmen werden die allgemeinen U/I Beziehungen zu U = ZI vereinfacht, wobei Z komplexe Impedanzen sind. Das Berechnungsverfahren ist dann völlig
83
analog zu dem von Widerstands Netzwerken. Sobald Schaltvorgänge eine Rolle spielen oder
beliebige Pulsformen erlaubt sind, muß man von den allgemeinen U/I Beziehungen ausgehen.
Als Gleichungen erhält man lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten.
b) Anfangsbedingungen
Neue Probleme ergeben sich durch die Notwendigkeit, Anfangswerte zu betrachten. In den
allgemeinen U/I Beziehungen erscheinen sie als Anfangsspannung U0 an einer Kapazität und
Anfangsstrom I0 durch eine Induktivität. Folgende Überlegungen helfen, bei Schaltvorgängen,
die ja unstetige Änderunge von Strom oder Spannung nach sich ziehen, die korrekten Anfangswerte unmittelbar nach dem Schaltvorgang zu ermitteln.
α) Da das Integral einer Sprungfunktion stetig ist, sind die Spannung an einer Kapazität und
der Strom durch eine Induktivität stetig auch wenn die Funktionen unter dem Integral unstetig
sind, solange diese nur endlich bleiben. Ableitungen von Stufenfunktionen, die für Schaltvorgänge typisch sind, werden unendlich.
Beispiel 1
Abb. 87: Der Kondensator behält während
des Schaltvorgangs seinen Ladungszustand.
In der Schaltung von Abb. 87 ist der Schalter bis zur Zeit t = 0 offen und alle Veränderungen
sollen abgeklungen sein  d = 0  . Zur Zeit t = 0 wird der Schalter geschlossen. Man benötigt
dt
zur Berechnung des Spannungsverlaufs an R1 die Spannung an C nach Schließen des Schalters
UC(0+). Die Spannung vor Schließen des Schalters U(0-) läßt sich aus der Bedingung d = 0
dt
•
ermitteln. Dann handelt es sich nämlich um einen reinen Gleichstromkreis. Da U C = 0 , ist we•
gen I C = C U C auch IC = 0 und wegen IC = IR auch UR1 = 0 und UR2 = 0. An C liegt also die
Spannung der Spannungsquelle. UC(0-) = U0. Der Kondensator ist aufgeladen. Durch Schließen des Schalters S wird die Spannung über seinen Anschlüssen 0: US = 0. Da die Spannung
am Kondensator stetig bleibt, ist auch UC(0+) = U0. Die Spannung an R1 wird nach der
Abb. 88: Der Spannungsverlauf an R1 in der
Schaltung der Abb. 87
84
Maschenregel U
R
= -UC. UR springt also unstetig von UR(0-) = 0 auf UR(0+) = -U0. Danach
entlädt sich die Kapazität über R1 (Abb. 88). Die Schaltung in Abb. 87 wird zur Ezeugung
von Hochspannungspulsen durch eine Kondensatorentladung angewand. Sie hat gegenüber einer Anordnung, bei der der Kondensator parallel zur Spannungsquelle, der Schalter zwischen
Kondensator und Verbraucher angeordnet ist, den Vorteil, daß Schalter und Verbraucher geerdet werden können.
Beispiel 2:
Abb. 89: Kurzschluß einer stromdurchflossenen
Spule ergibt einen Gleichstrom.
In der Schaltung von Abb. 89 wird eine Induktivität L über einen Widerstand durch eine
•
Gleichspannungsquelle gespeist. Wegen U = L I fließt durch L ein ansteigender Strom. Zur
Zeit t = 0 werde der Schalter geschlossen. In diesem Moment sei I(0) = I0. Da jetzt UL = 0,
und der Strom beim Schaltvorgang konstant bleibt, folgt, daß der Strom für alle Zeiten konstant bleibt IL(t )= I0, selbst, wenn die Verbindung zur Quelle unterbrochen wird.
Abb. 90: Eine geladene Kapazität kann
durch eine ungeladene mit nachgeschalteter
Spannungsquelle ersetzt werden
β) Eine anfangs, d.h. zur Zeit t = 0 geladene Kapazität verhält sich wie eine ungeladene Kapazität und eine Gleichspannungsquelle in Serie, die eine Spannung liefert, mit der die ursprüngliche Kapazität geladen war (Abb. 90). Ebenso verhält sich eine Induktivität mit einem Anfangsstrom I 0 wie eine stromlose Induktivität mit einer parallelgeschalteten Stromquelle, die
einen Strom I0 liefert (Abb. 91). Man verifiziert diese Aussagen, indem man zeigt, daß die ursprünglichen Schaltungen (geladene Kapazität oder Induktivität) den gleichen Zusammenhang von U und I haben wie die Ersatzschaltbilder (ungeladenes C und L mit zusätzlicher
Quelle). Dies ermöglicht Schaltungen, in denen anfangs geladene L und C vorkommen, auf
Schaltungen mit nur ungeladenen Elementen zurückzuführen.
85
Abb. 91: Eine anfangs stromführende Induktivität kann durch eine ohne Strom mit parallelgeschalteter Stromquelle ersetzt werden.
Beispiel: Entladung einer Kapazität
Zunächst wird das Problem naiv behandelt. Die Methode der Knotenpunktspotentiale auf den
oberen Knoten angewandt ergibt
Abb. 92: Entladung einer Kapazität
U + C U• = 0
R
Mit der Normalform
•
U + 1 U=0
RC
Lösungsansatz
U = Ae st mit der Ableitung U= sAe st
In die Diff. Gl. eingesetzt:
sAe st + 1 Ae st = 0
RC
daraus ergibt sich s:
s=− 1
RC
und die allgemeine Lösung
U = Ae −t/RC
•
A muß noch aus der Anfangsbedingung bestimmt werden. Laut Aufgabe soll U(0) = U0 gelten. Damit erhält man als Lösung
U = U 0 e −t/RC
Abb. 93: Der Spannungsverlauf beim Entladen
eines Kondensators
86
Der Zeitverlauf ist in Abb. 93 dargestellt. Die Größe τ = RC hat die Dimension einer Zeit. τ
ist die Zeit, in der die Spannung an der Kapazität auf 1/e der Anfangsspannung gesunken ist.
Abb. 94: Das gleiche Problem mit einem
Ersatzschaltbild
für
den
geladenen
Kondensator
Man kann das gleiche Problem auch mit einem ungeladenen Kondensator und einer Gleichspannungsquelle in Serie rechnen (Abb. 94). Da nur eine Masche, aber zwei Knoten vorliegen, ist hier die Methode der Maschenströme günstiger. Diese liefert sofort
t
RI + 1 ∫ Idt / − U 0 = 0
C
Man kann entweder durch Differentiation der gesamten Gleichung diese in eine Differentialgleichung verwandeln (Es ergibt sich die gleiche Differentialgleichung wie in der zuerst angewandten Methode), oder durch eine Transformation.
t
U C = 1 ∫ Idt /
C
Im hier behandelten Beispiel führen beide Wege zum Ziel. In manchen Fällen ist es günstiger,
die Transformation auszuführen, da dann die Anfangsbedingungen erhalten bleiben, und es oft
aufwendig ist, sich die Anfangsbedingungen zu verschaffen. Zur Übung rechnen wir deshalb
hier mit dem zweiten Weg. Durch die Transformation erhält die Integralgleichung die Form
•
RC U C + U C = U 0
Wenn UC bekannt ist, kann durch Rücktransformation sofort I berechnet werden und mit
UR = IR auch UR. Man löst zunächst die inhomogene Gleichung
•
U C + 1 U C = 0.
RC
87
Dies ist die Gleichung für den Kreis ohne Quelle, d.h. als Lösung der homogenen Gleichung
erhält man die freie Schwingung Uf.. Die allgemeine Lösung der vollständigen Gleichung ist,
wie aus der Theorie der Differentialgleichungen folgt, die Summe der Lösung dieser homogenen Gleichung plus einer speziellen der vollständigen Gleichung. Die Lösung der homogenen
Gleichung ergibt sich wie im vorigen Beispiel zu
U f = Ae −t/RC
Eine spezielle Lösung der inhomogenen Gleichung muß man raten. Physikalisch gesehen stellt
die spezielle Lösung der inhomogenen Gleichung den eingeschwungenen Zustand dar. Im eingeschwungenen Zustand kann man annnehmen, daß Spannungen und Ströme das Zeitverhalten der Quelle widerspiegeln. Dieses ist aber gerade durch die Inhomogenität (das Glied auf
der rechten Seite) gegeben. Daher liegt es nahe, als Ansatz die Funktion auf der rechten Seite
der inhomogenen Gleichung oder eine Linearkombination von ihr und ihren Ableitungen zu
verwenden. Tatsächlich löst hier der Ansatz US = U0 die inhomogenen Gleichung. Die Gesamtlösung ist also die Summe U = U f + U s = U 0 + Ae −t/RC . Einsetzen der Anfangsbedingung
U(0) = 0 ergibt für die Konstante A = -U0. Die Spannung an C im Ersatzschaltbild hat also
den Verlauf
U = U 0 (1 − e −t/RC )
die Spannung an R UR = U0 - U = U 0 e −t/RC wie mit der ersten Methode. (UC hat wegen des in
Abb. 94 gewählten Umlaufsinn des Strompfeils in der Masche ein negatives Vorzeichen gegen U0)
Beispiel: RC Kreis mit zeitabhängiger Spannungsquelle
Abb. 95: Hier hat die Spannung der Quelle
eine beliebige Zeitabhängigkeit
In der Schaltung von Abb. 95 liegt eine zeitabhängige Spannungsquelle vor. Der Schalter wird
zur Zeit t = 0 geschlossen. Man wird daher zunächst einen Einschwingvorgang haben und
nach genügend langer Wartezeit einen eingeschwungenen Zustand. Nach der Methode der
Knotenpunktspotentiale erhält man
88
•
U x − U(t)
+ C Ux = 0
R
Die Differentialgleichung hat also die Form
•
U x + 1 U x = 1 U(t)
RC
RC
Man sieht, daß die Spannungsquelle wieder in der Inhomogenität gefunden werden kann. Die
Lösung der homogenen Gleichung
•
Ux + 1 Ux = 0
RC
spiegelt das Verhalten bei desaktivierter Quelle wider, also die freie Schwingung
U f = Ae −t/RC
Abb. 96: Die Lösung der homogenen Gleichung
ist
identisch
mit
der
freien
Schwingung.
Sie ermöglicht die Anpassung zwischen Anfangsbedingung und eingeschwungenen Zustand
mit Hilfe der zunächst unbestimmten Konstanten A. Wir betrachten zunächst den wichtigen
Fall einer Quelle mit sinusförmigen Spannungsverlauf
U = U 0 e iωt
Versucht man den Ansatz
inhomogene Gleichung
U s = Be iωt
U
iωBe iωt + 1 Be iωt = 0 e iωt
RC
RC
Daraus erhält man B:
mit
•
U s = iωBe iωt , so ergibt Einsetzen in die
89
B=
U0
1 + iωRC
also insgesamt eine spezielle Lösung
Us =
U0
e iωt
1 + iωRC
Die komplexe Amplitude B enthält die reelle Amplitude, nämlich |B| und die Phasenverschiebung arg(B). Die allgemeine Lösung wird
U=
U0
e iωt + Ae −t/RC
1 + iωRC
Die Konstante A wird über die Anfangsbedingungen bestimmt. Wir nehmen an der Kondensator sei anfangs ungeladen U(0+) = U(0-) = 0. Einsetzen in die allgemeine Lösung ergibt
0=
U0
+A
1 + iωRC
A=−
U0
1 + iωRC
Damit erhält man schließlich die Gesamtlösung
Ux =
U0
(e iωt − e −t/RC )
1 + iωRC
Der Verlauf des Realteils ist in Abb. 97 dargestellt. Die freie Schwingung stellt den transienten Vorgang nach dem Einschalten dar. Er klingt in der Zeit RC ab.
Abb. 97: Der Spannungsverlauf der Schaltung von
Abb. 95 mit Einschwingverhalten.
c) Der allgemeine Fall
In einem beliebigen LRC Netzwerk mit mehreren Blindelementen und Quellen erhält man eine
Differentialgleichung der Form
90
n
n−1
m
a n d n y + a n−1 d n−1 y + ... + a 0 y = b m d m x + ... + b 0 x
dt
dt
oder allgemeiner geschrieben
Σ a n y (n) = Σ b m x (m)
y(t) ist der gesuchte Ausgang, die Koeffizienten ai enthalten die Daten der Bauelemente und
sind daher konstant. x enthält die Eingangssignale. Die homogene Gleichung Σ a n y (n) = 0 läßt
sich mit einem Ansatz yf = Aest lösen. Nach Einsetzen des Ansatzes in die homogene Gleichung ergibt sich für s ein Polynom, die sogenannte charakteristische Gleichung der Form
a n s n + a n−1 s n−1 + ... + a 0 = 0
mit den Lösungen si. Sind alle si verschieden, erhält man die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung durch Linearkombination
y f = Σ A i e sit
Bei einer r - fachen Lösung si gibt es unabhängige Lösungen der Form
A i1 e s i t + A i2 te s i t + ... + A ir t r−1 e s i t
Eine spezielle Lösung der inhomogenen Gleichung kann wie oben durch Linearkombination
der rechten Seite und ihrer Ableitungen gefunden werden, und zwar, wenn nur endlich viele
Ableitungen von dem Ausdruck auf der rechten Seite existieren. Eine andere Methode ist die
"Variation der Konstanten". Statt der Konstanten Ai in der freien Schwingung setzt man unbekannte Funktionen vi(t) an und geht mit dem Ansatz in die Differentialgleichung. Dadurch erhält man eine Bestimmungsgleichung für die Funktionen vi(t).
Beispiel:
Die inhomogene Differentialgleichung habe die Form
•
y + ay = F(t)
wobei F(t) eine beliebige Funktion sei. Die Lösung der homogenen Gleichung lautet dann
91
y f = Ae −at
Für die spezielle Lösung macht man den Ansatz
y s =v(t)e −at
Einsetzen in die Ausgangsgleichung führt zu
•
v e −at − ave −at + ave −at = F(t)
•
t
Daraus erhält man v =F(t)e +at und v =∫ F(t)e at dt. Die spezielle Lösung kann also mit einem Integral dargestellt werden.
y s = ∫ F(t)e at dt ⋅ e −at
Beispiel: Der Schwingkreis
Abb. 98: Der Parallelschwingkreis
In der Schaltung von Abb. 98 sei der Kondensator anfangs aufgeladen. Danach wird der Kreis
geschlossen und sich selbst überlassen. Die Methode der Knotenpunktspotentiale führt zu der
Intrego - Differentialgleichung
•
C U + 1 ∫ Udt = 0
L
Durch einmaliges Differenzieren wird daraus die Differentialgleichung zweiter Ordnung
••
U+ 1 U=0
LC
••
Geht man mit dem Ansatz U = Ae st in die Diff. Gl., wobei U = s 2 Ae st erhält man
s 2 Ae st + 1 Ae st = 0
LC
92
und hieraus s = ± − 1 = ±i 1 = ±iω
LC
LC
Wegen der zwei Blindelemente ergeben sich zwei Lösungen der charakteristischen Gleichung
und damit zwei unabhängige Lösungen der Differentialgleichung. Die allgemeine Lösung ist
die Linearkombination dieser beiden Lösungen.
U = Ae iωt + Be −iωt
Die freien Konstanten A und B lassen sich aus den Anfangszuständen der beiden Blindelemente bestimmen. Wir nehmen für C an
U(0) = U0
Es folgt
U0 = A + B
Für L soll gelten
I(0) = 0
•
•
Es folgt U = 0 , und da U = Aiωe iωt − Biωe −iωt folgt 0 = A - B, also A = B. Wir haben zwei
Gleichungen für A und B und erhalten aus ihnen
A = 1 U0, B = 1 U0
2
2
Die endgültige Lösung lautet hiermit
U=
U 0 iωt −iωt
(e + e ) = U 0 cos ωt
2
Der Kreis führt also eine harmonische Schwingung aus. Die Amplitude ist gleich der Anfangsspannung des Kondensators, die Frequenz ist gegeben durch
93
ω=
1
LC
(5)
6. Schaltungen mit Transistoren
a) Der pn Übergang
Abb. 99: Der pn - Übergang in Durchlaßrichtung
Ein Grundelement vieler Halbleiterbauteile ist der pn Übergang, d.h. die Grenzfläche zwischen einem Halbleiter mit positiven zu einem mit negativen Ladungsträgern. Legt man eine
Spannung an, die am p Halbleiter positiv ist, so bewegen sich die Ladungsträger praktisch frei
auf die Grenzfläche zu, wo positive und negative rekombinieren. An den Anschlüssen werden
neue nachgeliefert. Die Grenzfläche ist für Strom durchlässig (Abb. 99). Bei umgekehrter Polung bewegen sich die Ladungsträger von der Grenzfläche fort. Dort können keine Ladungsträger nachgeliefert werden. Es baut sich ein Gegenfeld auf und es kann kein Strom fließen.
Die Grenzfläche sperrt (Abb. 100).
Abb. 100: Der pn - Übergang in Sperrichtung
b) Funktionsweise des Transistors
Abb. 101: Der bipolare Transistor
Beim bipolaren Transistor hat man zwei entgegengerichtete pn Übergänge. Als Beispiel wird
ein npn Halbleiter betrachtet (Abb. 101). Legt man eine Spannung an die Gesamtstrecke (zwischen Emitter (E) und Kollektor (C) siehe Abb. 101 und 102), so wird immer einer der Übergänge in Sperrrichtung betrieben.
94
Abb. 102: Schaltsymbol für einen bipolaren
Transistor
Das Gesamtelement sperrt also. Durch Injizieren von Ladungen in den Mittelteil, die Basis,
die sehr dünn gehalten wird, wird die Ladungsträgerverarmung in der sperrenden Grenzschicht aufgehoben. Der Transistor wird leitend. Durch einen schwachen Basisstrom (zwischen B und C) kann ein verhältnismäßig starker Querstrom (zwischen E und C) gesteuert
werden. Ein Transistor hat also die Funktion eines Verstärkers. Kleine Schwankungen im Basisstrom führen zu großen Schwankungen im Querstrom. Die zusätzliche Leistung muß der
Energieversorgung, die den Quersrom speist, entnommen werden.
Abb. 103: Aufbau eines Feldeffekttransistors
Bei Feldeffekttransistoren (FET Abb. 103) wird der Querstrom durch ein elektrisches Feld gesteuert. Man benötigt daher besonders wenig Steuerstrom. Die Funktion ist ähnlich wie bei bestimmten Elektronenröhren, z. B. der Pentode. In Abb.104 ist eine einfachere Verstärkerröhre,
eine Triode dargestellt. Hier wird ein Strom von Elektronen, die durch Glühemission ins Vakuum emittiert werden, durch die Spannung an einem Gitter gesteuert.
Abb. 104: Triode
c) Kennlinienfelder des bipolaren Transistors
Mißt man zwischen Basis und jeweils einem der übrigen Anschlüsse, so verhalten sich diese
Strecken wie Dioden. (Defekte Transistoren sind häufig daran zu erkennen, daß eine der Diodenstrecken keine Gleichrichterwirkung zeigt).
95
Abb. 105: In mancher Hinsicht verhält sich der
Transistor wie gegeneinandergeschaltete Dioden
Die Kennline UBE/IBE entspricht also der einer Diode (Abb 106).
Abb. 106: Die Basis - Emitter Kennlinie
Der Transistor wirkt wie ein Stromverstärker mit etwa konstanter 10 - 100 facher Stromverstärkung. Die UBE/ICE Kennlinie hat also ebenfalls die Form einer Diodenkennlinie, nur mit
veränderter Skala an der Ordinate (Abb. 107).
Abb. 107: Die Kollektorstrom - Basisspannungs Kennlinie
ICE zeigt in Abhängigkeit von UCE eine Sättigung, wobei in einem gewissen Bereich ICE im Plateau linear mit UBE ansteigt (Abb. 108). Das Plateau ist nicht völlig horizontal sondern weist
eine kleine Steigung auf. Diese Steigung des Plateaus ist proportional zu ICE.
∂I CE
= KI CE
∂U
Abb. 108: Das Ausgangs Kennlinienfeld
Die Konstante hat die Dimension einer reziproken Spannung. 1/K nennt man Early Spannung.
Sie liegt bei allen Transistoren etwa zwischen 80 und 200V.
96
d) Ein Transistorverstärker
Abb. 109: Die Arbeitsgerade
Abb. 110: Dimensionierung des Eingangswiderstandes
Abb. 111: Die Emitterschaltung
Als Beispiel wird die Emitterschaltung (Abb. 111) betrachtet. Wie bei der Diode teilt man das
Problem in ein Gleichspannungs- und ein Wechselspannungsproblem auf. Im Gleichspannungsproblem geht es um die Festlegung des Arbeitspunktes. Kollektor und Basis werden aus
einer Gleichspannungsquelle (Ub) mit in Serie geschalteten Widerständen gespeist. Wenn die
Charakteristik U(I), die Batteriespannung Ub und der Widerstand R bekannt sind, ergibt sich
der Arbeitspunkt aus
U(I) + RI = U b
Man kann diese Gleichung graphisch lösen, indem man den Schnittpunkt der Charakteristik
mit der "Widerstandsgeraden"
U w (I) = U b − IR
bestimmt (Abb. 109, Abb. 110). Den Vorwiderstand der Basis RB wird man so dimensionieren, daß Ub und RB der Basis den gewünschten Strom anbieten. Durch RC legt man den Arbeitspunkt in den linearen Bereich der des ICE/UBE Kennlinienfeldes. Nach einer Faustformel
97
sollte UCE kleiner sein als die Hälfte der Versorgungsspannung, um thermische Instabilitäten
zu vermeiden. Die übrigen Komponenten haben folgende Aufgaben: Kondensatoren lassen
•
wegen I = C U keine Gleichströme durch, aber Wechselströme. Sie dienen dazu, Gleichströme
von der Batterie zum Verbraucher R V und zu andern Teilen außerhalb der Schaltung zu unterdrücken. Der Emitterwiderstand im Zusammenhang mit dem Spannungsteiler an der Basis unterdrückt thermische Schwankungen der Stromverstärkung.
e) Der Operationsverstärker
Ein idealer Verstärker benötigt überhaupt keinen Strom am Eingang, d.h. sein Eingangswiderstand RE ist unendlich. Er liefert seine Ausgangsspannung unabhängig von der Belastung, d.h.
im Thevenin - oder Norton - Äquivalentkreis ist rA = 0 (s. Abb.112), und die Verstärkung ist
unendlich.
Abb. 112: Der Ausgang eines Verstärkers ist eine
Spannungsquelle und ihr Innenwiderstand. Beim
idealen Verstärker ist dieser gleich Null.
rE = ∞
rA = 0
AD =
Ua
=∞
UD
Abb. 113: Zum Begriff der Differenzverstärkung
AD ist die Differenzverstärkung (s. Abb.113). Die Ausgangsspannung soll endlich bleiben.
Daraus folgt wegen der unendlichen Verstärkung UD = UP - UN = 0. Man kann daher den Operationsverstärker als ein Gerät auffassen, das dafür sorgt, daß die Eingangsspannung Null ist,
ohne daß zwischen den Eingangsanschlüssen ein Strom fließt. Die für die Anwendung nützlichen Eigenschaften erreicht man durch Beschaltung.
Beispiel: Nichtinvertierender Verstärker
Die Schaltung zeigt Abb. 114. Da UD = 0, folgt
Abb. 114: Der nichtinvertierende Verstärker
98
R
Ua RN + R1
=
=1+ N
Ue
R1
R1
Die Verstärkung ist nur durch das Widerstandsverhältnis und nicht durch die Eigenschaften
des Verstärkers, der z.B. viel stärker von äußeren Einflüssen wie der Temperatur abhängen
kann, bestimmt.
Abb. 115: Der Spannungsfolger
Abb. 115 zeigt den Sonderfall eines Spannungsfolgers. Hier ist Ue = Ua, rE = ∞, ra = 0. Obgleich die Spannung nicht erhöht wird, handelt es sich um einen Verstärker, da die Leistung
erhöht werden kann. Diese Schaltung wird zur Impedanzanpassung verwendet, wenn ein Gerät im Ausgang auf einem großen Arbeitswiderstand arbeiten muß und das nachgeschaltete
Gerät im Eingang einen kleinen Arbeitswiderstand hat.
Die behandelten Verstärker sind Analogschaltungen, d.h. der Zeitverlauf von Signalen wird
direkt verarbeitet. Außer Verstärkern gehören auch Schaltungen für Rechenoperationen wie
das Addieren, Multiplizieren und Integrieren von Signalen zu Analogschaltungen. Ihr Vorteil
besteht darin, daß sie sehr schnell und einfach sein können.
7. Digitalschaltungen
Digitalschaltungen sind aufwendiger und im allgemeinen nicht so schnell wie Analogschaltungen. Sollen analoge Signale verarbeitet werden, müssen diese zuerst durch einen Analog Digitalwandler (AD - Wandler) in Impulse umgewandelt werden. Man verwendet Impulse
von gleicher Form und Höhe und stellt relevante Größen als Dualzahl dar. Die Dualzahl kann
man den gewünschten Operationen unterziehen. Braucht man einen analogen Ausgang, muß
dieser durch einen nachgeschalteten DA - Wandler erzeugt werden. Der Vorteil von Digitalschaltungen liegt darin, daß man die Verarbeitung von Dualzahlen flexibler gestalten kann als
die Verarbeitung von Analogsignalen, daß Signale regeneriert werden können und daß Fehlerkontrollen und Korrekturen eingebaut werden können.
99
a) Schaltungselemente
In digitalen Schaltungen interessiert man sich nur für zwei Betriebszustände, etwa einen Zustand hoher Spannung (H, high), dem man die duale "1" oder den logischen Wert "wahr" zuordnet und einen Zustand kleiner Spannung, (L, low) mit dem Wert "0" oder "falsch". (Bei
umgekehrter Zuordnung spricht man von negativer Logik.) Digitale Netzwerke sind daher geeignet, Dualzahlen und logische Verknüpfungen zu verarbeiten. Bauelemente, die dies tun
nennt man Gatter. Das Grundelement einer digitalen Schaltung ist ein Schalter mit den Zuständen "auf" und "zu".
Abb. 116: Der Negierer, links oben, Realisierung mit einem Relais, rechts oben die Verknüpfungstafel, in der Mitte das Eulerdiagramm und unten Schaltsymbole.
Abb. 117: Das "UND" Gatter
Abb. 118: Das "ODER" Gatter
Abb. 116 - 118 zeigen Realisierungsmöglichkeiten mit elektrisch gesteuerten Schaltern, sogenannten Relais, die schließen, wenn eine Spannung an einen Elektromagnet gelegt wird, und
sonst öffnen. Die Funktionen und Schaltsymbole sind ebenfalls angedeutet.
Abb. 119: Ein Transistor Inverter
100
In Halbleiterschaltungen verwendet man Transistoren als Schalter. Die Schaltung in Abb. 119
ist ein Negierer (Inverter). Wenn die Eingangsspannung unter 0,4V liegt, sperrt der Transistor
sicher. Ua ist also auf einem hohen Niveau. Wenn Ue größer als ein gewisser Wert ist, schaltet
der Transistor durch, die Ausgangsspannung sinkt unter 0,3V. Um auch bei Störungen sicher
zu sein, daß die Zustände korrekt unterschieden werden, legt man die Pegel in einen Sicherheitsabstand zu den für den Schaltvorgang erforderlichen Pegeln, z.B. den "high" Pegel nicht
bei 0,8 V sondern bei 1,5 V. Die Differenz ist der Störabstand. Man stellt diesen Sachverhalt
in einer Übertragungskennlinie dar (Abb. 120).
Abb. 120: Eine Übertragungskennlinie
Im Übergangsbereich ist der Pegel nicht definiert. Um Fehlfunktionen zu vermeiden, dadurch
daß sich Bauteile etwa beim Umschalten in einem undefinierten Zustand befinden, sorgt man
dafür, daß das Umspringen der Schaltelemente nur zu bestimmten Zeiten erfolgt, die durch einen gemeinsamen Takt ("clock") vorgegeben sind (Abb. 121).
Abb. 121: Mit einemm Takt erreicht man, daß Gatter
nur zu definierten Zeiten angesprochen werden
Es gibt verschiedene Techniken, Gatter mit Halbleitern zu realisieren, die sich in der Stromaufnahme, der Schaltgeschwindigkeit, im Störabstand und der Übertragungskennlinie unterscheiden. Weit verbreitet sind TTL (Transistor - Transistor - Logik), ECL (emittergekoppelte
Logik), CMOS Technik (Bauteile mit komplementären Metall Oxydschichten als Grundelementen), wobei ECL Gatter besonders schnell sind, CMOS Gatter besonders wenig Strom
verbrauchen.
b) Kombinatorische Schaltungen
Durch Verschalten von Gattern erhält man Netzwerke, die im allgemeinen Fall eine ganze
Reihe von z.B. n Eingangsanschlüssen und m Ausgangsanschlüssen besitzen. Liefern diese bei
101
einem bestimmten Eingangswort, d.h. einer bestimmten Kombination von Nullen und Einsen
an den Eingangsanschlüssen ein bestimmtes Ausgangswort, spricht man von kombinaterischen Schaltungen. Typische Vertreter sind Kodierer, Rechenwerke, Funktionsnetzwerke.
Wird nur ein Ausgangsbit geliefert, hat man die Funktion eines Schlüssels, d.h. bei einem bestimmten Eingangswort oder Eingangsvektor (x1, x2, ...,xn) wird am Ausgang eine "1" geliefert, bei allen übrigen eine "0". Diese Funktion erfüllt ein "und" Gatter mit n Eingängen, an
dessen Eingang i man xi legt, wenn das Schlüsselwort hier eine 1 hat, ansonsten x i . Die
Funktion
x1
x2
x3
y
0
1
1
1
sonst
0
Abb. 122: Wie die Funktion in der Tabelle
realisiert werden kann
wird realisiert durch das Gatter in Abb. 122. Soll sich auch für eine andere Kombination "1"
ergeben, kann diese mit einem anderen "und" Gatter dargestellt werden. Die Ausgänge beider
Gatter werden dann durch "oder" verknüpft. Mit diesem Verfahren kann man im Prinzip eine
beliebige kombinatorische Schaltung aufbauen, indem man die Ausgänge der "und" Gatter mit
mehreren "oder" Gattern verknüpft, die dann insgesamt das Ausgangswort an ihren Ausgängen zeigen. Dies ist in Abb. 123 verdeutlicht. Sie zeigt ein programmierbares logisches Feld
(PLA).
Abb. 123: Ein programmierbares logisches
Feld. Zur Programmierung werden die horizontalen und vertikalen Drähte in der rechten
Hälfte an den Kreuzungspunkten geeignet
verbunden.
In einem PLA kann man als Anwender gekreuzte Leitungen nach Wunsch verbinden und so
nach dem obigen Schema Eingangsworten bestimmte Ausgangsworte zuordnen. Ein PLA ist
102
eine einfache Form eines Festspeichers. Die Eingangsworte haben die Funktion einer Adresse,
die Ausgangsworte die des zu dieser Adresse gehörigen Speicherinhalts.
c) Sequentielle Netzwerke
Enthält die Schaltung Rückkoppelzweige, so ist sein Verhalten im allgemeinen von der Vorgeschichte abhängig. Man nennt solche Schaltungen sequentielle Netzwerke. Typische Vertreter sind Zähler, Schreib - Lese Speicher (RAM = random access memory) und Computer. Das
einfachste Element ist ein Flip - Flop. In Abb. 124 ist eine Realisierung mit "NOR" Gattern
(verneinte "oder" Gatter) gezeigt. Nur, wenn beide Eingänge des NOR Gatters auf "0" stehen,
ergibt sich am Ausgang "1". Durch Anlegen einer Spannung an S ("set") kann man ein Datenbit setzen, durch Anlegen an R ("reset") löschen. Ohne Signal auf dem Eingang bleibt das gesetzte Bit stehen. Dies ist die Grundfunktion einer Speicherzelle. R = 1 und S = 1 führen am
Ausgang zu Q = 0, Q = 0 . Bei anschließendem R = 0, S = 0 wird der Zustand undefiniert.
R = 1, S = 1 muß daher ausgeschlossen werden. Ein Flip Flop kann aus zwei hintereinandergeschalteten Transistoren (Abb. 125) mit Rückkopplung aufgebaut werden.
Abb. 124: Ein RS Flip Flop mit zugehöriger Wahrheitstafel
Abb. 125: Ein Flip - Flop als
Transistorschaltung
Durch Hinzufügen eines Kondensators erhält man einen Monoflop (= monostabilen Multivibrator), der bei kurzzeitigem Anstoß in den anderen Zustand übergeht und nach vorgegebener
Zeit wieder in den Ausgangszustand zurückkehrt, oder einen astabilen Flip - Flop, der einen
Rechteckwellenzug erzeugt. Der Schmitt - Trigger ist ein Flip - Flop mit zwei stabilen Zuständen und einem Eingang. Überschreitet Ue einen Schwellwert US, springt Ua auf Umax, bei Unterschreiten einer Schwelle auf Umin.
103
d) Fehlerkorrekturen
Außer der größeren Flexibilität bei der Verarbeitung zeigen Digitalschaltungen vor allem die
Möglichkeit bestimmte Fehler zu korrigieren.
Signalformen können durch Monoflops wieder aufgefrischt werden (Abb. 126).
Abb. 126: Ein verkümmerter Puls steuert
einen Monoflop an. Im Ausgang erscheint ein aufgefrischter Puls
Unsauberes Schließen eines Kontaktes kann durch ein RS Flip - Flop ausgeglichen werden
(Abb. 127).
Abb. 127: Durch Tastendruck erzeugte Impulse
erhalten durch Flip - Flops eine definierte Form
Bei der Speicherung und Übertragung von Informationen können Fehler durch Hinzunahme
von Prüfinformation erkannt und teilweise korrigiert werden (Abb. 128).
Abb. 128: Fehlerprüfung
bei Übertragung von Daten
Das Prinzip solcher Maßnahme erkennt man am folgenden Verfahren: Man verdoppele jedes
Bit eines zu übertragenden Wortes und übertrage das verdoppelte Wort. Wenn die Fehlerhäufigkeit genügend klein ist, ist die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten von zwei
Fehlern verschwindend klein. Ist z.B. bei 106 Übertragungen ein Fehler zu erwarten, ergibt
sich für die Wahrscheinlichkeit von zwei gleichzeitigen Fehlern Pges = P1P2 = 10-12. Daher kann
man bei einem ungleichen Paar eines Bits in einem im übertragenen Wort davon ausgehen,
daß hier ein Fehler vorliegt. Eine Korrektur ist nicht möglich. Bei Verdreifachung jedes Bits
kann man außerdem das Originalbit ermitteln, wenn man voraussetzt, daß sich jeweils nur ein
Bit eines Tripels verändert.
In der Praxis kommt man mit weit weniger Prüfinformation aus. Z.B. reicht für die Fehlererkennung ein zusätzliches Prüfbit. Man fügt einer Zahl eine "1" zu, wenn diese ungerade ist,
104
d.h. eine ungerade Zahl von Einsen enthält, sonst fügt man eine "0" hinzu. Diese Funktion erfüllt ein Paritätsgenerator. Die übertragene Zahl einschließlich Prüfbit ist dann immer gerade.
Erscheint nach der Übertragung eine ungerade Zahl, enthält sie mit Sicherheit einen Fehler.
Eine erneute Übertragung kann angefordert werden.
Beim Hamming Code stellt man mit k Paritätsgeneratoren jeweils die Parität eines Teils des
Gesamtwortes (des zu übertragenden Wortes einschließlich Prüfwort) fest, indem man die Anschlüsse der Paritätsgeneratoren so auf die Übertragungkanäle verteilt, daß an jedem Kanal eine andere Kombination von Paritätsgeneratoren hängt. Als Beispiel betrachten wir den Fall,
daß eine achtstellige Dualzahl übertragen werden soll. Man verteilt die Paritätsgeneratoren
wie die Einsen der Dualzaul, die die Nummer des Übertragungskanals angibt (Abb. 129). Den
vier Paritätsgeneratoren lassen sich 16 Kanäle zuordnen, d.h. das zu übertragende Wort und
die vier Prüfkanäle lassen sich durch vier Prüfbits überwachen. Bei einem Fehler sprechen
mehrere der Paritätsprüfer an, aus deren Kombination man die Nummer des fehlerhaften Kanals sofort ablesen kann.
Abb. 129: Verteilung der Paritätsgeneratoren über
die Übertragungskanäle beim Hamming Code. Dargestellt sind links die vier Leitungen für den
Fehlercode.
105
KAPITEL F
Das Magnetfeld
1. Statische Magnetfelder
a) Geschichtliches
Die Anziehungskraft von Magnetnadeln war schon im Altertum bekannt (Thales von Milet,
Aristoteles), und wurde anfang des 16. Jahrhunderts von William Gilbert ausführlich beschrieben. Gilbert erklärte die Wirkung der Kompaßnadel als die Kraft zwischen dem Permanentmagneten Erde und der Magnetnadel. Der Magnetismus wird analog zur Elektrostatik gesehen,
d.h. man stellt sich entgegengesetzte magnetische Ladungen, Nordpol und Südpol, vor, die
sich wie negative und positive Ladungen anziehen, b.z.w. wie gleichartige Ladungen abstoßen.
Die Richtung des magnetischen Feldes ist die Kraftrichtung auf einen Nordpol. Noch anfang
des 19. Jahrhunderts wurde auch die Stärke des magnetischen Feldes über ein Analogon zum
Coulomb Gesetz definiert. Der Hauptunterschied zur Elektrostatik besteht darin, daß man einen magnetischen Pol nicht einzeln auf einem Körper haben kann. Wie man heute weiß, kann
man einen Magneten bis zur Größe eines Atoms zerteilen, wobei jedes Stückchen einen Nordund einen Südpol enthält. Man führt die magnetische Wirkung auf eine zusätzliche Kraft bei
bewegten Ladungen, d.h. Strömen zurück. Der Zusammenhang von magnetischen Kräften und
Strömen wurde von Christian Oerstedt 1820 entdeckt. Vorher galten Elektrizität, Magnetismus
und Galvanismus als drei nicht zusammenhängende Wissensgebiete. Oerstedt war Anhänger
des Dynamismus, der in Deutschland Naturphilosophie genannt wurde und Friedrich Schlegel
als bedeutendsten Philosophen hatte.
Die Naturphilosophen wandten sich gegen die Aufsplitterung der Wissenschaft in Spezialgebiete, in denen sich im Grunde jeder mit unwichtigen Fragen beschäftigt. Sie wollten die großen Zusammenhänge erfühlen. Die Naturphilosophen regten eine ganze Studentengeneration
zur Begeisterung an. Im folgenden wird aus Armin Hermans "Weltreich der Physik" zitiert.
Zuerst ein Bericht des schwedischen Chemikers Berzelius:
"Was während unseres Aufenthaltes in Tübingen unsere größte Aufmerksamkeit erregte,
waren die Studenten, ihr Aussehen, ihre Bekleidung...Das Haar lang, in wirrem,
struppigem Durcheinander um die Schultern hängend, buschig und wollig um die Ohren
herum, die davon verdeckt werden. Der Grund für dieses gesucht barbarische und
verlotterte Aussehen liegt in dem philosophischen Geist, der bei uns unter dem Namen
Phosphorismus bekannt ist und in Deutschland Naturphilosophie heißt. Seine Grundlage
ist Unkenntnis an allem Realen, Liebe zur Poesie und schönen Künsten und
106
vertrauensvolle unüberlegte Hingabe an die Anschauungen derjenigen Personen, die
durch Unverständlichkeit den Ruf von Tiefe erlangt haben."
Friedrich Schlegel zählt zu den bedeutendsten Philosophen der deutschen Romantik. Er pries
die Entdeckungen von Oerstedt und Faraday als Erfolge seiner Philosophie, während die Naturwissenschaftler diese zumeist als wertlos erachteten. Die Abneigung der Natirwissenschaftler für die Naturphilosophie kann man verstehen, wenn man sich folgenden Beweis von Schilling (1799) dafür anhört, das mindestens drei Körper vorhanden sein müssen, um einen galvanischen Effekt zu erzeugen:
"Duplizität wird der organische Tätigkeitsquell sein. Aber im Organismus ist die
Duplizität aufgehoben. Er steht mit sich selbst im Gleichgewicht. Es ist ihm Ruhe, aber
es soll ihm Tätigkeit sein...Diese kann nur durch beständige Wiederherstellung der
Duplizität hervorgebracht werden. Aber diese ständige Wiederherstellung kann selbst
nur durch ein Drittes geschehen, und darum wird jene Ursache im Organismus unter
Beteiligung der Triplizität als tätig erscheinen. Dadurch also wäre die notwendige
Triplizität des Galvanismus abgeleitet."
Die Tatsache, daß gerade die Vertreter des Dynamismus, Oerstedt und Faraday die wichtigen
Entdeckungen zum Elektromagnetismus gemacht haben, ist wohl kaum ein Beweis für die
Richtigkeit der Naturphilosophie, sondern sie zeigt nur, daß es, um zu Entdeckungen zu kommen, oft nicht so wichtig ist, von der richtigen Theorie auszugehen, als überhaupt mit irgendeiner Hypothese auch an unkonventionellen Stellen nachzusehen. Die Gegenströmung zum Dynamismus ist der Positivismus, in dem man nur von beobachtbaren Größen redet. Die strenge
Anwendung dieser Philosophie war wiederum eine starke Behinderung bei der Entwicklung
allgemeiner Konzepte wie des Energiesatzes und der Atomhypothese.
b) Was ist Magnetfeld?
α) Qualitatives Feldlinienbild
Abb. 130: Magnetische Feldlinien in der Umgebung eines geraden stromführenden Drahtes
Die Ergebnisse der Versuche von Oerstedt lassen sich so zusammenfassen: Ein gerader stromführender Leiter erzeugt in seiner Umgebung ein Magnetfeld, das aus konzentrischen Kreisen
107
um den Leiter in einer Ebene senkrecht zur Leiterrichtung besteht. Die Richtung der Feldlinien
ist durch eine Korkenzieherregel bestimmt (Abb. 130).
Abb. 131: Magnetfeld einer Ringspule
Aus der Kenntnis des Feldes eines Leiterstückchens kann man qualitativ das Feld ganzer Leiteranordnungen ermitteln. Abb. 131 zeigt Das Feld eines Ringstromes, Abb. 132 mehrerer
axial angeordneter Ringströme, also einer Spule.
Abb. 132: Magnetfeld einer Zylinderspule
Das Feldlinienbild einer Spule ähnelt - zumindest im Außenraum - dem eines Permanentmagneten. In der Tat kann man sich einen Permanentmagneten als einen Festkörper vorstellen, in
dem alle Elementmagneten parallel ausgerichtet sind. Im Innern heben sich dann alle Ströme
auf (s. Abb. 133).
Abb. 133: Ausgerichtete Ringströme in einem
Festkörper machen das gleiche Feld wie ein
Oberflächenstrom.
Es bleibt nur an der Oberfläche ein effektiver Strom übrig, der die Geometrie eines Spulenstromes besitzt und daher auch das Feld einer Spule erzeugt. Die Kraft zwischen zwei Festmagneten kann damit auf die Kraft zwischen Strömen zurückgeführt werden: Ströme gleicher Richtung ziehen sich an, entgegengesetzter Richtung stoßen sich ab (Abb. 134). Ähnlich wie in der
Elektrostatik oder der Gravitation teilt man die Kraftwirkung in zwei Prozesse auf. Man sagt,
der eine Strom erzeugt ein magnetisches Feld und der andere erfährt eine Kraft in diesem Feld.
108
Abb. 134: Die Kraftwirkung zwischen magnetischen Polen wird auf die Kraft zwischen
Strömen zurückgeführt.
β) Definition des magnetischen Feldes
Wir können also das Magnetfeld über seine Kraftwirkung auf einen elektrischen Strom, oder,
was auf das gleiche herauskommt, auf eine bewegte elektrische Ladung definieren. Hierfür gilt
die Lorentzformel.
F = Qv × B
Die Richtung des Magnetfeldes ist hiernach durch die Geschwindigkeitsrichtung, in der ein geladenes Teilchen (Probeteilchen) fliegen muß, ohne eine Kraft zu erfahren, gegeben. Die Stärke von B ist durch
B= F
Qv ⊥
gegeben, wobei F der Betrag der Kraft auf das geladene Teilchen bei Abwesenheit elektrischer
Felder gegeben ist und das Probeteilchen die Geschwindigkeit v⊥ senkrecht zum Magnetfeld
hat. Damit ergibt sich die Dimension von B
[B] =
[F]
= Nm = Nm2 = VAs2 = Vs2 = T (Tesla)
Am
m
[Q][v] As s Am
Analog zum Fluß des elektrischen Feldes definiert man den Fluß des magnetischen Feldes
durch eine Fläche A (s. Abb. 135).
Abb. 135: Der Fluß durch eine vorgegebene Fläche
hängt von deren Ausrichtung zum Magnetfeld ab.
Φ = ∫ B • dA
(1)
109
[Φ] = [B][A] = Vs. Im Gegensatz zum elektrischen Feld hat das
mit der Dimension
magnetische keine Quellen. Wir hatten gesehen, daß die elektrischen Feldlinien auf Ladungen
endigen, daß es aber magnetische Ladungen nicht gibt. Das heißt, daß in eine in sich geschlossene Fläche genau so viel Fluß hineintritt wie wieder hinaustritt, oder formal
∫ B • dA = 0
(2)
Andererseits hat das B Feld eine von Null verschiedene Zirkulation um einen stromführenden
Leiter herum. Dies erkennt man, wenn man den Integrationsweg entlang einer geschlossenen
Feldlinie legt. Integriert man in Feldrichtung, gibt es nur positive Beiträge zum Integral.
c) Transformation elektrischer Felder
α) Transformation eines homogenen E - Feldes
Im Rahmen der Relativitätstheorie kann man die Kräfte zwischen geladenen Teilchen vollständig mit der elektrostatischen Kraft beschreiben. Wenn man also konsequent die Lorentztransformation anwendet, kommt man alleine mit der elektrostatischen Kraft aus und braucht nicht
von gesonderten magnetischen Feldern zu sprechen. Wir behandeln deshalb im folgenden die
Transformation von elektrischen Feldern. Wir berechnen, wie in der speziellen Relativitätstheorie üblich, ein und denselben physikalischen Vorgang von zwei Koordinatensystemen S
und S´ aus, die sich mit konstanter Geschwindigkeit in x - Richtung aneinander vorbeibewegen. Bei t = t´ = 0 sollen beide Ursprünge an einem Punkt liegen.
Abb. 136 und 137: Das Feld zwischen
zwei Flächenladungen wird aus einem
ruhenden Koordinatensystem S und einem bewegten S´ beobachtet.
Die Gesamtladung in einem Volumen ist gegenüber solchen Transformationen invariant. Wir
messen den Betrag einer bewegten Ladung, indem wir den Gesamtfluß des elektrischen Feldes
bestimmen, der aus einem Volumen tritt, das die Ladung enthält. Nach dem Gesetz von Gauß
ist dann
Q = ε 0 ∫ E • dA
110
In S sollen zwei Flächenladungen so eng beieinander liegen, daß die Randeffekte vernachläsQ
sigbar sind (Abb. 136). In S sei das Feld E z =
. Von S´ aus ist die Breite b verkürzt
εA
b/ = b 1 − β2
wobei β = v/c. Daher ist die Ladungsdichte von S´ aus gemessen
Q/ =
Q
Q
=
/
A
A/ 1 − β 2
und die Feldstärke erhöht sich
Ez
E /z =
1 − β2
= γE z
mit γ =
1
>1
1 − β2
Ist die Bewegungsrichtung die der Flächennormalen, ändert sich die Fläche und damit E nicht.
Bei einem beliebigen Feld gilt also
E /x = E x ,
E /y = γE y ,
(2)
E /z = γE z
Da die Wirkung des Feldes unabhängig von seiner Ursache ist, braucht man die Ladungsverteilung, die das Feld erzeugt hat, im einzelnen nicht zu betrachten.
β) Feld einer Punktladung, die sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt
Q möge im Ursprung von S ruhen, bewegt sich also in S´mit konstanter Geschwindigkeit v
nach rechts (Abb. 138). In S erzeugt Q in der x/z Ebene das Feld
Abb. 138: Das Feld der Puntladung Q, die in
S ruht, wird von S´ aus beobachtet.
E=
Q r
4πε 0 r 3
Ex =
Q
x
4πε 0 (x 2 + z 2 ) 3/2
Ez =
Q
z
4πε 0 (x 2 + z 2 ) 3/2
111
Die Lorentztransformation lautet mit τ = ct
x = γ(x / − βτ / )
τ = γ(τ / − βx / )
x = γ(x / − βct / )
β
t = γt/ − c x/ 


y´ = y, z´ = z
Mit dieser Transformation für t = t´ = 0 ergibt sich aus Gleichung (3) unter Berücksichtigung
von Gleichung (2)
E /x =
1 γQ
x/
4πε 0  / 2 /2  3/2
 (γx ) + z 
E /z =
1 γQ
z/
4πε 0  / 2 /2  3/2
 (γx ) + z 
Diese Formeln werden noch etwas übersichtlicher geschrieben, indem der Betrag von E gebildet wird und statt der Ortsvariablen der Winkel ϑ eingeführt wird.
/2
E = E /2
x + Ez =
Qγ
Qγ
x /2 + z /2
1
=
3/2
/2
2
2
4πε 0  /
4πε 0 r  (γx / ) +z /2 3/2 
/2 
 (γx ) + (z ) 
 r /2



Die eckige Klammer im Nenner läßt sich durch die Winkelfunktionen ausdrücken
[ ] = γ 2 cos 2 ϑ / + sin 2 ϑ / = γ 2 + (1 − γ 2 )sin ϑ / =
1 − β sin 2 ϑ
1 − β2 1 − β2
2
Damit erhält man für den Betrag der Feldstärke in Abhängigkeit von ϑ
E/ =
1 − β2
1 Q
3/2
4πε 0 r /2 
2 /
2
ϑ
−
β
sin
1


Das Feld ist radial gerichtet, hat aber senkrecht zur Bewegungsrichtung eine größere Feldstärke als in Bewegungsrichtung. Es ist nicht kugelsymmetrisch und für einen geschlossenen Weg
(s. Abb. 139) gilt nicht ∫ E • ds = 0.
112
Abb. 139: Die Feldlinien einer bewegten Punktladung. Bei der Integration entlang dem angezeigten
Weg ergibt sich ein Wert ungleich Null.
γ) Feld einer Punktladung, die die Geschwindigkeit ändert
Es wird ein Teilchen betrachtet, das bis t = 0 in S ruht und sich für t > 0 mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Nach der Relativitätstheorie darf außerhalb der Kugel mit dem Radius
r = ct0 die Information, daß sich das Teilchen bewegt, bis zur Zeit t = t0 nicht bekannt sein.
Wir nehmen an, daß sich diese Information genau mit c ausbreitet. dann herrscht außerhalb
von r das Feld einer ruhenden Ladung, innerhalb das einer mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Ladung. Dazwischen haben die Feldlinien einen Knick, der mit Lichtgeschwindigkeit
als elektromagnetische Welle nach außen läuft (Abb. 140).
Abb. 140: Das Feldlinienbild einer Ladung, die zur Zeit
0 in eine gleichförmige Bewegung versetzt wurde.
δ) Kraft auf eine bewegte Ladung durch einen geraden, stromführenden Leiter
Im Rahmen der klassischen magnetischen Wechselwirkung erfährt eine Ladung, die sich parallel zu einem stromführenden Leiter bewegt, dadurch eine Kraft, daß der Strom um sich herum
ein Magnetfeld erzeugt, zu dem die Teilchengeschwindigkeit senkrecht verläuft, so daß es eine
Lorentzkraft erfährt. Im folgenden wird gezeigt, daß man diese Kraft alleine aus dem elektrischen Feld ausrechnen kann, wenn man die Lorentztransformation konsequent anwendet. Der
Grund für die Kraft liegt darin, daß von einem bewegten Teilchen aus betrachtet ein im Labor
neutraler stromführender Leiter geladen erscheint, da sich positive und negative Ladungsdichten wegen der unterschiedlichen Relativgeschwindigkeiten unterschiedlich kontrahieren. Da die Ladungsdichten der einzelnen Ladungsträgersorten sehr groß sind, gegenüber
üblichen Ladungsdichten, die durch eine äußerst geringfügige Abweichung der Quasineutralität entstehen, macht sich die Lorentzkontraktion schon bei kleinen Geschwindigkeiten
bemerkbar.
113
Abb. 141: Wie man zur Berechnung der Kraft zwischen bewegten Ladungen ohne Magnetfeld auskommt
Im Laborsystem bewege sich positive Ladung, die linear angeordnet ist, nach rechts, negative
auf der gleichen Linie nach links. Beide mögen die Geschwindigkeit v0 haben. Die Ladungsdichte sei im Labor für beide Ladungsträger gleich, und zwar ρ. Die Gesamtladung einer Teilchensorte auf einem Leiter der Länge l mit der Querschnittsfläche A ist dann
Q = ρAl = λA
Q
ist die Liniendichte einer Ladungsträgersorte. Sie soll für beide Ladungsträger gleich
l
sein. Im Ruhesystem der Teilchen auf dem Leiter ist wegen der Lorenzkontraktion, die sie bei
λ=
Bewegung im Laborsystem erfahren, die Ladungsdichte kleiner.
λ 0 = λ o± = λ 1 − v 20 /c 2 = λ 1 − β 2 = γλ
0
Die Kraft auf ein im Laborsystem ruhendes Teilchen ist Null, da die Ladungsdichten beider
Ladungsträgersorten gleich sind. Bewegt sich ein positives Teilchen im Abstand r mit der Geschwindigkeit v parallel zum Draht, so sind die Geschwindigkeiten der beiden Ladungsträger
im Bezugssystem des Teilchens auf grund der relativistischen Geschwindigkeitsaddition
v /+ =
v0 − v
2 − v 0 v/c 2
v/
Hieraus wird mit den Abkürzungen β /± = c± ,
β /+ =
β0 − β
1 − β0β
v /− =
v0 + v
1 + v 0 v/c 2
β = vc ,
β /− =
v
β 0 = c0
β0 + β
1 + β0β
(a)
Im System des bewegten Teilchens sind die Ladungsträgerdichten λ /+ = λ 0 γ /+ ,
γ /± =
1
1 − β /2
±
(b)
λ /− = λ 0 γ /− , mit
114
Ausgedrückt durch die Ladungsdichte im Labor λ /+ = γλ γ /+ ,
0
dungsdichte vom Teilchen aus gesehen ist
λ /− = γλ γ /− . Die gesamte La0
λ /+ − λ /− = γλ  γ /+ − γ /− 
0
Für den Ausdruck in der Klammer rechts werden die Formeln (a) und (b) eingesetzt
γ /+ − γ /− =
=
=
1
β −β
1 −  1−β0 0 β 
2
−
1
β +β
1 −  1+β0 0 β 
1 − ββ 0
2
1 + ββ 0
−
1 − 2ββ 0 + β 2 β 20 − β 20 + 2ββ 0 − β 2
1 + 2ββ 0 + β 2 β 20 − β 20 − 2ββ 0 − β 2
−2β 0 β
−2β 0 β
=
= −2β 0 βγ 0 γ
 1 − β 2  (1 − β 2 )
1 − β 20 − β 2 + β 20 β 2
0

Die Ladungsdichte wird damit λ / = λ /+ − λ /− = −2λβ 0 βγ = −
2λγvv 0
2
. Diese erzeugt nach dem
Gesetz von Gauß ein Feld (s. Abb. 142)
Abb. 142: Geometrie zur Anwendug des
Gaußschen Gesetzes
E/ = −
λγvv 0
πε rc 2
Auf das Teilchen wirkt eine zum Draht hin gerichtete Kraft
F/ = Q
λγvv 0
QγvI
=
2
πε rc
2πε c 2 r
mit I = 2λv0=2ρv0A
Die Kraft muß noch ins Laborsystem transformiert werden. Dafür gilt Fy/ = γF
Fy =
QIv
2πε 0 c 2 r
Rechnet man die Kraft über das Amperesche Gesetz ∫ B • ds = µ 0 I und die Lorentzkraft aus, so
µ0I
erhält man ( s. Abb. 143) B2πr = µ 0 I , B =
2πr
115
Abb. 143: Geometrie zur Anwendung des
Ampereschen Gesetzes
Fy =
Qµ 0 Iv
2πr
Man erkennt, daß beide Formeln bis auf eine Konstante zum gleichen Ergebnis führen. Durch
Gleichsetzen kann man die Konstante µ0 im Ampereschen Gesetz bestimmen.
µ0 = 1 2
ε
µ 0 = 4π10 −7 Vs
Am
µ 0 ε 0 = 12
c
(4)
Bei einer Bewegung des Teilchens in radialer Richtung sieht man vom Teilchen aus die Ladungsträger schräg auf sich zukommen (Abb. 144).
Abb. 144: So bewegen sich die Teilchen im Draht von einem Probeteilchen aus gesehen, daß sich radial auf den
Draht zu bewegt
Zwei symmetrisch gelegene positive Teilchen erzeugen wegen der Verteilung des elektrischen
Feldes nach der Relativitätstheorie (Abb. 139) ein resultierendes Feld mit einer x - Komponente (s. Abb. 145).
Abb. 145: Es bleibt insgesamt eine axiale
Kraft übrig
116
Die negativen Teilchen erzeugen ein Feld mit der gleichen x - Komponente aber entgegengesetzter r - Komponente, so daß eine axiale Kraft übrigbleibt, wie man von einer magnetischen
Kraft erwarten würde.
d) Bewegung geladener Teilchen im Magnetfeld
Abb. 146: Das Teilchen soll sich in einer Ebene senkrecht zum Magnetfeld bewegen.
α) Ein geladenes Teilchen im Magnetfeld
Ein Teilchen möge mit einer Geschwindigkeit v senkrecht zu einem homogenen Magnetfeld B
losgelassen werden. Es erfährt eine Lorentzkraft Qv×B , die senkrecht auf v steht. Wegen
F = m dv steht die Geschwindigkeitsänderung auch senkrecht auf v, d.h. die Lorentzkraft bedt
wirkt keine Änderung von |v| sondern nur eine Änderung der Richtung von v. Man hat daher
insgesamt eine Bewegung mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag und konstanter Beschleunigung senkrecht zu v. Dies ist eine gleichförmige Kreisbewegung. Die Kreisfrequenz ergibt
sich aus dem Gleichsetzen von Lorentzkraft und Zentripetalkraft. Aus mrω 2 = evB und v = ωr
erhält man mrω2 = erωB.
ω = eB
m
(5)
ω ist die Zyklotron- oder Gyrationsfrequenz. Sie ist unabhängig vom Radius. Dieser ergibt
sich ohne relativistische Korrektur aus
v = vm
r= ω
eB
Anwendungen:
In einem Zyklotron läßt man geladene Teilchen durch ein Magnetfeld auf Kreisbahnen laufen
(Abb. 147). In dem Spalt zwischen zwei D - förmigen Elektroden, an denen eine Hochfrequenzspannung liegt, werden sie zweimal bei einem Umlauf durch ein longitudinales elektrisches Feld beschleunigt, wenn die Umlauffrequenz der Teilchen und die Frequenz der Beschleunigungsspannung aufeinander abgestimmt sind. Die Teilchenquelle liegt in der Mitte
117
Abb. 147: Aufbau eines Zyklotrons
des Systems. Bei Zunahme der Geschwindigkeit nimmt r zu, während die Frequenz, solange
keine relativistischen Effekte berücksichtigt werden müssen, konstant bleibt. Das Zyklotron ist
also ein Teilchenbeschleuniger, der sehr viel kompakter gebaut werden kann als als ein entsprechender Linearbeschleuniger, in dem ein Teilchen auf einer geraden Bahn in einem elektrischen Feld beschleunigt wird. Um relativistische Effekte zu berücksichtigen, muß die Frequenz oder das Magnetfeld variiert werden. Im Synchrotron verändert man beides, so daß r
konstant bleibt. Dies spart Magnetkosten.
Abb. 148: Das Feld einer magnetischen Flasche
Geladene Teilchen werden durch ihre Kreisbewegung gehindert, ein Magnetfeld senkrecht zur
Feldrichtung zu verlassen. Dies wird zum Teilcheneinschluß in Plasmaexperimenten benutzt.
Abb. 148 zeigt eine einfache Anordnung aus zwei auf einer Achse angeordneten Spulen, eine
sogenannte magnetische Flasche. Wie in der Plasmaphysik gezeigt wird, erfolgt in dieser Anordnung auch ein begrenzter Einschluß der geladenen Teilchen in axialer Richtung. Das
"Loch" in Magnetfeldrichtung kann in einer toroidalen Anordnung wie in Abb. 149 vermieden
werden. Hier verlaufen die Magnetfeldlinien auf ringförmigen Oberflächen, die in sich geschlossen sind.
Abb. 149: Eine perfekte magnetische Falle für
einzelne Teilchen
β) Der Hall Effekt
Befindet sich ein Leiter in einem magnetischen Feld B, und fließt ein Strom senkrecht zu B, so
werden die Ladungsträger durch die Lorentzkraft seitlich abgelenkt. Die seitliche Ablenkung
118
kommt in sehr kurzer Zeit zum Stillstand, da sich durch die Ladungstrennung ein Gegenfeld
aufbaut. Im Gleichgewicht ist die transversale Feldstärke gleich der Lorentzkraft pro Ladung.
Abb. 150: Der Hall Effekt kommt durch die Lorentzkraft
auf die Ladungsträger in einem Festkörper zustande
F H = evB
E H =vB
1 jB . In
Da die Stromdichte durch j = nev (s. Gleichung (1), Kap. D) gegeben ist, folgt E H = ne
Vektorschreibweise
1 j×B
E H = ne
(6)
Die Richtung der Hallspannung UH = EHb ist vom Vorzeichen der Ladungsträger abhängig, da
positive und negative Ladungsträger im Hauptstrom umgekehrte Bewegungsrichtung haben
und sich deshalb an der gleichen Seite sammeln. Durch Messen von EH kann also Vorzeichen
und die Dichte der Ladungsträger bestimmt werden. Wenn die Stoßfrequenz wesentlich höher
als die Zyklotronfrequenz der Ladungsträger ist, bewegen sich diese zwischen den Stößen
praktisch auf geraden Bahnen, also so, als sei kein Magnetfeld vorhanden. Es tritt dann kein
oder ein schwacher Halleffekt auf. Eine zum Halleffekt verwandte Anordnung ist der MHD
Generator. Hier wird eine leitfähige Flüssigkeit, z.B. eine Flamme senkrecht durch ein Magnetfeld bewegt. Dadurch, daß jetzt positive und negative Ladungsträger die gleiche Bewegungsrichtung haben, sammeln sie sich auf grund ihres umgekehrten Ladungsvorzeichen an
entgegengesetzten Seiten. Es kann also senkrecht zur Bewegungsrichtung der Flüssigkeit ein
Strom entnommen werden. Eine solche Anordnung eignet sich also zur direkten Umwandlung
der Strömungsenergie in elektrische Energie.
γ) Formale Herleitung der Bewegung eines geladenen Teilchens im Magnetfeld
i. Bewegung im homogenen Feld
Bewegungsgleichung:
••
m a = Qv × B
Das Magnetfeld weise in z - Richtung.
119
Abb. 151: Das Magnetfeld soll in z - Richtung
zeigen, die Anfangsgeschwindigkeit des Teilchens in der xy - Ebene liegen.
0 
B =  0 
 
B 
Wir betrachten nur die Bewegung in der x/y - Ebene.
 x(t)
x(t) =  y(t)

 0





 v x (t) 
v(t) =  v y (t) 


 0 
 ex vx 0
Die rechte Seite hat dann die Form v × B =  e y v y 0

 ez 0 B
  vyB 
 =

  −v x B 
 

  0 
Die Bewegungsgleichung in Koordinaten heißt also
•
m v x = Qv y B
•
m v y = −Qv x B
Oder nach Einführung der Zyklotronfrequenz (Gleichung (5)).
•
vx = ωcvy
•
v y = −ω c v x
Aus diesen Gleichungen wird z.B. vy eliminiert, indem die erste Gleichung nach der Zeit abge•
leitet und v y in die zweite Gleichung eingesetzt wird. Man erhält für vx eine Differentialgleichung zweiter Ordnung
••
v x + ω 2c v x = 0
••
die mit dem Ansatz v x = Ae λt gelöst wird. Dabei ist v x = λ 2 Ae λt . Einsetzen in die Diff. Gl. ergibt λ 2 = −ω 2c und λ = ±iω c und damit die Lösung
120
v x = Ae iω c t + Be −ω c t
Die Konstanten A und B müssen aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden, z.B.
•
vx(0) = v ergibt A + B = v. vy = 0 heißt, weil v y = ω1 v x,
c
v y = ω1 (Aiω c e iω c t − Biω c e −iω c t )
c
Also A = B = v/2 und damit v x = v (e iω c t + e −iω c t ) =vcos ω c t, v y = −vsinω c t. Die Bahngleichung
2
hat also die Form
x = −r c sin ω c t
y = −r c cos ω c t
QB
Wir erinnern uns, daß ω c = m . In ωc steckt also noch das Ladungsvorzeichen des Teilchens.
Man erhält also eine gegenüber dem Magnetfeld positiv oder negativ umlaufene Kreisbahn.
Den Umlaufsinn ermittelt man am zuverlässigsten aus der Richtung der Zentripetalkraft, die ja
durch die Lorentzkraft gegeben ist (Abb. 152).
Abb. 152: Der Umlaufsinn der geladenen
Teilchen im Magnetfeld
ii. Bewegung im inhomogenen Magnetfeld
Abb. 153: In der unteren Kreishälfte soll der Radius ein klein wenig größer sein als in der oberen. Im
unteren Bild sind die Verhältnisse übertrieben dargestellt. Man erkennt, daß eine seitliche Drift
entsteht.
Die Diskussion wird nur qualitativ geführt. Zur Ermittlung der Bewegung wird die Bahn durch
eine Trennlinie, die senkrecht zu der Richtung steht, in der B sich ändert, unterteilt (Abb. 153
oben). In einer Hälfte der fast kreisförmigen Bahn herrscht ein im Mittel stärkeres, in der anderen ein im Mittel schwächeres Magnetfeld. Im stärkeren Magnetfeld ist r kleiner als im
121
schwächeren. Die Zusammensetzung beider Bahnteile ergibt insgesamt eine seitliche Drift, die
für beide Ladungsvorzeichen unterschiedliche Richtung hat (Abb. 153 unten).
iii. Bewegung im homogenen Magnetfeld mit überlagertem E Feld
Abb. 155: Bei einem positiven Teilchen ist die Geschwindigkeit in der oberen Hälfte der Bahn im Mittel
größer. Es entsteht eine Drift nach links.
Abb. 156: Bei einem negativ geladenen Teilchen ist die
Geschwindigkeit in der unteren Hälfte des Kreises im
Mittel größer. Andererseits kehrt sich der Umlaufsinn der
Bahn um, so daß die Drift nach der gleichen Seite wie
beim positiv geladenen Teilchen erfolgt.
Das E - Feld stehe senkrecht zu B. Trennen wir die Bahn durch eine Linie, die parallel zu E
verläuft in zwei Hälften, so wird ein Teilchen in der einen Hälfte beschleunigt, in der anderen
verzögert. Allerdings muß man beachten, daß die mittlere Geschwindigkeit in den beiden Hälften gleich sind. Die Geschwindigkeit hat gegenüber der Beschleunigung eine Phasenverschiebung von π/2 wie bei der harmonischen Schwingung. Teilt man aber die Bahn durch eine
Trennlinie, die senkrecht zu E steht in zwei Hälften, so sind die mittleren Geschwindigkeiten
in beiden Hälften unterschiedlich (Abb. 155 und 156). Es ergibt sich eine Drift, die senkrecht
zu E und senkrecht zu B verläuft, und zwar diesmal für beide Ladungsvorzeichen in gleicher
Richtung (E × B - Drift).
e) Berechnung des Magnetfeldes von Strömen
α) Das Amperesche Gesetz
Wir haben gelernt, daß jeder Strom um sich herum ein Magnetfeld erzeugt. Der Zusammenhang zwischen diesem Magnetfeld und dem dafür verantwortlichen Strom wird durch ein
Grundgesetz der Elektrodynamik gegeben, das Amperesche Gesetz oder Durchflutungsgesetz
∫ B • ds = µ 0 I
(7)
Anschaulich besagt es, daß das mittlere Magnetfeld auf einer Magnetfeldlinie um einen Strom
mal die Länge der Feldlinie für alle Magnetfeldlinien, die ein Strom I erzeugt, gleich ist, und
122
zwar µ0I. Das Gesetz beinhaltet allerdings mehr als diese anschauiliche Aussage. Die Integration braucht nicht entlang einer Feldlinie zu erfolgen, sondern kann auf einem beliebigen geschlossenen Weg durchgeführt werden. Das Magnetfeld kann auch von beliebigen Strömen außerhalb des Integrationsweges stammen. Im Ampereschen Gesetz steht allerdings nur der vom
Integrationsweg "umfaßte" Strom, d.h. I = ∫ j • dA, wobei man in diesem Integral über eine
durch den Integrationsweg aufgespannte Fläche integrieren muß. Das Amperesche Gesetz ist
eine sehr elegante Formulierung des Zusammenhangs von einem Strom und dessen Feld, allerdings nicht besonders praktisch zur Berechnung von Feldern aus den sie erzeugenden Strömen.
Immerhin kann man in einigen wichtigen Fällen, wenn B konstant, oder zumindest stückweise
konstant ist, mit Gleichung (7) auch Felder berechnen, wie folgende Beispiele zeigen.
Beispiele:
i. Magnetfeld eines geraden Drahtes
Abb. 157: Integrationsweg zur Berechnung
des Magnetfeldes eines langen Drahtes
Um das Magnetfeld im Abstand a vom Draht zu berechnen, wird im Ampereschen Gesetz auf
einem Kreis mit dem Radius a um den Draht integriert (Abb. 157). Auf ihm ist wegen der
Symmetrie B konstant. Daher kann man die Integration ausführen
∫ B • ds = B2πa = µ 0 I
B=
µ0
I
2πa
ii. Magnetfeld einer Ringspule
Abb. 158: Integriert man bei der Ringspule
entlang des gestrichelten Weges, so umfaßt
man den Strom in der Spule N mal.
123
Auf einem Ring sollen gleichmäßig über den Ring verteilt N Wicklungen angebracht sein, in
denen der Strom I fließt (Abb. 158). Die Wicklungen sollen so dicht liegen, daß die Anordnung als symmetrisch um die Ringachse betrachtet werden kann d = 0 . Bϕ ist also auf einem
dϕ
Kreis mit Radius r um die Achse konstant. Damit wird, wenn auf einem solchen Kreis, der innerhalb der Wicklung verläuft, integriert wird
∫ B • ds = B2πr = µ 0 I 0
I0 ist der gesamte vom Kreis umfaßte Strom, also I0 = NI.
B=
µ0
NI
2πr
außerhalb der Spule ist der gesamte umfaßte Strom 0, daher verschwindet hier das Magnetfeld.
Strenggenommen ist B von r abhängig. Diese Abhängigkeit macht sich besonders bei fetten
Ringen bemerkbar. Bei einem schlanken Ring  a << 1  ist das Feld im innern konstant und
R
außer vom Strom nur von der Windungsdichte n = N/l abhängig. Diese Betrachtung zeigt, daß
auch für andere Anordnungen, solange nur die Symmetrie gilt, das gleiche Ergebnis herauskommt. Die Größe von B ist z.B. unabhängig davon, ob die Wicklungen radial stehen, oder
schraubenförmig ausgeführt werden.
iii. Magnetfeld einer langen Spule
Die lange gerade Spule kann als ein Ausschnitt aus einem schlanken Ring angesehen werden.
Im Innern ist deshalb wie bei ihr B = µ 0 N I . Eine Spule mit einem Ende, die sich entlang einer
l
Halbachse bis ins Unendliche erstreckt, hat an dem Ende B = 1 µ 0 N I , da die unendlich lange
2 l
Spule aus zwei solchen Halbspulen zusammengesetzt werden kann. Die magnetische Feldstärke nimmt also vom Innern bis zum Rand auf die Hälfte ab.
β) Andere Formulierungen des Ampereschen Gesetzes
i. Die differentielle Form
Durch Einführen der Stromdichte erhält man die differentielle Form des Ampereschen
Gesetzes
∫ B • ds = µ 0 ∫ j • dA
Anwendung des Stokeschen Integralsatzes
∫rot B•dA = ∫ B • ds läßt erkennen, daß
124
∫rot B • dA = µ 0 ∫ j • dA
(8)
rot B = µ 0 j
Für den eindimensionalen Fall, in dem j nur von x abhängt, und in Richtung y verläuft erhält
man
dB z
= µ 0 j y (x)
dx
Eine Stromschicht erzeugt einen Sprung im Magnetfeld.
ii. Das Biot - Savartsche Gesetz
Abb.159: Nach dem Biot - Savartschen Gesetz
steht der Beitrag dB des Leiterstückchens dl zum
Magnetfeld senkrecht auf r und dl
Gleichung (8) kann man mit Hilfe des Vektorpotentials A, das durch B = rot A definiert ist, in
eine Potentialgleichung umformen, deren Lösung das Biot - Savartsche Gesetz ist. Dieses gibt
den Beitrag dB an, der an einer Stelle des Raumes r durch ein linienförmiges Stromelement Idl
geliefert wird.
dB =
µ 0 Idl × r
4π r 3
(9)
Das resultierende Feld an einem Punkt ist dann die vektorielle Summe der Beiträge von allen
Teilstücken des Leiters (Abb. 159). Dieses Gesetz eignet sich besonders für numerische Berechnungen des Magnetfeldes von Leiteranordnungen, wenn die Stromverteilung bekannt ist.
Das Biot - Savart Gesetz ist äquivalent zum Ampereschen Gesetz. Es kann daher auch als
Grundgesetz betrachtet werden. Im folgenden werden die Grundzüge das Ampereschen Gesetzes aus dem Biot - Savartschen Gesetz abgeleitet, um zu zeigen, daß beide Gesetze zum gleichen Ergebnis führen.
125
iii. Magnetfeld eines geraden Drahtes aus dem Biot - Savart Gesetz
Abb. 160: Bei x = 0 im Abstand a vom Draht soll
das Magnetfeld berechnet werden. Bei x liegt das
Leiterstück dx, dessen Beitrag das Biot - Savartsche Gesetz angibt.
Der Strom möge entlang der x - Achse fließen. Im Abstand a soll das Magnetfeld berechnet
werden. Nach der in Abb.160 dargestellten Geometrie schreibt sich das Biot - Savart Gesetz
dB =
µ 0 I dx cos ϕ
2
4π
x
a
a
a = tan ϕ mit der Ableitung dx = cos 2 ϕ dϕ , ebenso r = cos ϕ
a . Damit ist auf den Winkel als unabhängige Variable transformiert
nach r aufgelöst r = cos
ϕ
und das Integral läßt sich berechnen.
Aus Abb. 160 folgt
B=
µ0I
4π
∫
adϕ cos ϕ cos ϕ µ 0 I
=
4πa
cos 2 ϕa 2
2
π
2
µ0I
∫ cos ϕdϕ = 2πa.
−π
Dies ist das gleiche Ergebnis, das oben mit dem Ampereschen Gesetz gewonnen wurde. B liegt
senkrecht zur Zeichenebene. Wegen der azimutalen Ausrichtung von B und der 1/a - Abhängigkeit ist für beliebige Kurvenformen ∫ B • ds = 0, wenn kein Strom umfaßt wird. Denn eine
beliebige Kurvenform läßt sich aus azimutalen und radialen Stücken zusammensetzen. Die radialen Stücke ergeben keinen Beitrag, da B•ds = 0, die azimutalen sind unabhängig von a, da
Bds =
µ0I
adϕ
4πa
Abb. 161: Die radialen Teilstücke der Kurve
ergeben keinen Beitrag zu Bds, die azimutalen
sind unabhängig vom Abstand a vom Draht.
Bei einem vollen Umlauf um eine geschlossene Kurve, die I nicht enthält, hat man also immer
gleich viele positive und negative Anteile.
126
Abb.162: Der Beitrag des Integrals entlang A
ist gleich dem unbekannten entlang C plus
dem bekannten entlang des Kreises K.
Es folgt sofort, daß bei einem Umlauf auf einer beliebigen Kurve C, die den Draht umschließt,
stets ∫ Bds = µ 0 I ist. Zum Beweis wird der beliebige Weg C wie in Abb.162 ergänzt, so daß
nacheinander ein Kreis (K) und die Kurve C durchlaufen werden. Die Verbindungsstücke der
beiden Kurven tragen nichts zum Integral bei, ebenso können die Beiträge der beiden Unterbrechungen der Kurven C und K beliebig klein gemacht werden, indem man die Länge der
Unterbrechungen gegen Null gehen läßt. Die Gesamtkurve A enthält keinen Durchstoßungspunkt von I. Daher gilt
∫ B • ds =∫ B • ds + ∫ B • ds = 0.
und, da
∫ B • ds = −µ 0 I (K wird in Abb. 162 entgegen der Schraubenregel, C mit der Schrau-
benregel durchlaufen), erhält man
∫ B • ds = µ 0 I
Das Amperesche Gesetz gilt, wie hier nicht bewiesen wird, nicht nur für gerade Ströme, sondern für beliebig gebogene Strombahnen. Es findet praktische Anwendung in der Rogowski
Schleife (Abb. 163), einer Spule in der nur die Magnetfeldkomponente in Richtung der Spulenachse zum Meßsignal beiträgt.
Abb. 163: Die Rogowski Spule integriert analog entlang
eines geschlossenen Weges und ist daher geeignet zur
kontaktlosen Messung von sich ändernden Strömen.
Das Signal, das sie auf grund von Induktion (s. Abschnitt 2.) liefert, ist proportional zu ∫ B • ds
. Sie ist daher zur berührungsfreien Strommessung z.B. in Stromzangen geeignet.
127
f) Kraft zwischen stromführenden Drähten
Die Kraft zwischen stromführenden Drähten berechnet man in zwei Schritten. Zuerst wird das
Magnetfeld des Stromes I1 am Ort des Stromes I2 über das Amperesche Gesetz berechnet.
∫ B 1 • ds = µ 0 I 1
Auf einen Ladungsträger, der sich im Strom I2 mit der Geschwindigkeit v2 bewegt, wirkt die
Kraft
F = Qv 2 × B 1 .
In einer Volumeneinheit befinden sich n Ladungsträger. Die Gesamtkraft pro Volumen ist daher f= nQv 2 × B 1 . Führt man die Stromdichte ein wird hieraus
(10)
f=j×B
Dies gilt sowohl für negative wie für positive Ladundsträger. In einem Metall wirkt die Kraft
zunächst auf die Elektronen. Es wird aber durch die Auslenkung eine Raumladung und damit
eine Feldstärke entstehen, durch die die Kraft auf die Atome übertragen wird. Bei zwei parallelen Drähte im Abstand a (s. Abb.164) ist das Magnetfeld von I1 an der Stelle des Stromes I2
µ0I1
. Die Gesamtkraft auf I2 wird damit
B1 =
2πa
Abb. 164: Die bewegten Ladungen in I2 erfahren eine Lorentzkraft im Feld von I1.
F = f∆V = flA = j 2 lAB 1 = I 2 l
F=
µ0I1
2πa
µ0I1I2l
2πa
Diese Formel ist Grundlage zur Definition der Einheit Ampere.
(11)
128
g) Elektromagnetische Kraft zwischen zwei Teilchen
Bei der Gravitationswechselwirkung oder der elektrostatischen Wechselwirkung waren wir
von der Kraft zwischen zwei Teilchen ausgegangen und hatten daraus alle übrigen Erscheinungen abgeleitet. Über die magnetische Wechselwirkung ist nun im vorhergehenden eine ganze
Menge gesagt worden, aber das einfachste Problem: die Kraft zwischen zwei geladenen bewegten Teilchen können wir noch nicht lösen. Wir wollen dies im folgenden, so gut es geht,
nachholen.
Abb. 165: Das geladene Teilchen ruhe in S
und werde von S´ aus beobachtet.
Um die Kraft zwischen zwei bewegten geladenen Teilchen zu berechnen, muß man zunächst
sein E - und B - Feld kennen. Das elektrische Feld wurde in Kapitel C beschrieben. Da das bewegte Teilchen einen Strom darstellt, hat es auch ein Magnetfeld. Dieses wird im folgenden
berechnet, indem vom elektrischen Feld einer ruhenden Ladung Q ausgegangen wird und dieses in ein Koordinatensystem, von dem aus gesehen sich die Ladung bewegt, transformiert
wird.
In S´ soll Q ruhen. Wir messen die Kraft auf eine Probeladung q, die ebenfalls in S´ ruht. In S´
gibt es nur eine elektrostatische Kraft auf die Probeladung: F´ = qE´
F /x = qE /x ,
F /y = qE /y ,
F /z = qE /z
(a)
Von S aus gesehen bewegt sich Q und erzeugt daher auch ein Magnetfeld. Die Probeladung q
erfährt in diesem also zusätzlich zur elektrostatischen Kraft eine Lorentzkraft
v 
F = q(E + v × B) mit v =  0  und B =
 
0 
In Komponenten: F x = qE x ,
F y = q(E y − vB z ),
 Bx 


 By 


 Bz 
F z = q(E z + vB y )
Die relativistische Transformation erfordert F /x = F x ,
F /y = γF y ,
(b)
F /z = γF z . Setzt man dies in
Gleichung (b) ein und vergleicht (a) und (b), so erhält man die Transformation
129
E /x = E x ,
E /y = γ(E y − vB z ),
E /z = γ(E z + vB y )
(12)
Die früher gewonnene Transformation für E - Felder (Kapitel C, Gleichung (2)) ist also ein
Sonderfall für ein in S verschwindendes Magnetfeld. Bei der Ableitung von Gleichung (12)
geht nur als Vorraussetzung ein, daß in S ein Magnetfeld B existiert. Wie groß B ist, ist bisher
unbekannt. Die Größe von B ermittelt man in einem zweiten Schritt. Hierbei nutzt man trickreicherweise aus, daß wegen der Symmetrie des Problems die Rücktransformation der Felder
sofort angegeben werden kann, indem man v durch -v ersetzt und Ei mit Ei/ vertauscht.
E x = E /x ,
E y = γ(E /y + vB /z ),
E z = γ  E /z − vB /y 
(d)
In dem konkreten Fall des obigen Beispiels wäre B´ = 0. Da die Form von Gleichung 12 aber
unabhängig davon ist, welche Größe B und B´ haben, gilt Gleichung (d) auch für den Fall, daß
B´ ≠ 0 ist. Aus (12) und (d) erhält man die Transformation für B, indem man etwa Ex´ und Ez´
eliminiert und nach By´ und Bz´ auflöst. Es ergibt sich
B /x = B x ,
B /y = γ  B y + v2 E z  ,


B /z = γ  B z − v2 E y 


oder mit der in der Relativitätstheorie üblichen Abkürzung v/c = β
cB /x = cB x ,
cB /y = γ(cB y + βE z ),
cB /z = γ(cB z − βE y )
(13)
Um in einem System S´ nach Gleichung (13) B´ auszurechnen ( oder E´ aus Gleichung (12)),
benötigt man also die Angabe von E und B. Die Symmetrie der Transformationsgleichungen
(12) und (13) ist ein Hinweis darauf, daß das elektrische und das magnetische Feld eine zusammenhängende Einheit ist. Wenn in S das Magnetfeld überall verschwindet, wird aus den
Gleichungen (12) und (13)
E /x = E x , E /y = γE y , E /z = γE z
cB /x = 0, cB /y = γβE z = βE /z , cB /z = −γβE y = −βE /y
Dies läßt sich zusammenfassen zu
130
/
B / =  v2 × E / 
c

(14)
Wobei v´ die Geschwindigkeit des Systems von S´ aus gesehen ist, in dem überall B verschwindet. D.h., wenn in einem System das Magnetfeld verschwindet, folgt aus Gleichung
(14) die Größe des Magnetfeldes in einem gegenüber dem ersten bewegten Systems. Ebenso
erhält man, wenn es ein System gibt, in dem E überall verschwindet,
E / = −v / × B /
wobei v/ die Geschwindigkeit des Systems von S´ aus gemessen ist, in dem E überall verschwindet.
β) Magnetfeld eines geladenen bewegten Teilchens
Abb. 166: Die Feldlinien eines bewegten Teilchens sind
Kreise um die Bahn. Die Feldstärke beschränkt sich aber
auf ein Gebiet in der Umgebung des Teilchens.
Für eine Punktladung existiert im Ruhesystem S´ kein Magnetfeld. Daher läßt sich aus Gleichung (14) B aus dem bekannten E - Feld einer Punktladung bestimmen. Wir schreiben das Ergebnis nicht explizit hin. B ist senkrecht zu v und E, d.h. die Feldlinien des B - Feldes sind
konzentrische Kreise um die Bahn des Teilchens herum, ähnlich wie bei einem geraden stromführenden Draht, allerdings ist das Feld nur in der unmittelbaren Umgebung des Teilchens von
Null verschieden (Abb. 166). Bei hohen Geschwindigkeiten konzentriert sich B wie das E Feld in der Ebene, die durch das Teilchen geht und senkrecht zu v steht.
γ) Der Impuls von Feldern
Der Impulssatz der Mechanik beruht auf dem Newtonschen Axiom actio = reactio. Die Kräfte
auf die zwei wechselwirkenden Teilchen sind hiernach gleich groß und entgegengesetzt. Bei
elektromagnetischer Wechselwirkung sind die beiden Kräfte weder vom Betrag her gleich
noch von entgegengesetzter Richtung. Dies kann man am Verhalten der Lorentzkraft zeigen.
In Abb.167 sind die Teilchenbahnen von zwei Teilchen, die sich begegnen als Gerade eingezeichnet. Da die Lorentzkraft auf ein Teilchen senkrecht zu seiner Geschwindigkeit steht, und
das Magnetfeld des anderen Teilchens konzentrische Ringe um dessen Teilchenbahn bildet
131
Abb. 167: Die Lorentzkraft auf ein Teilchen
im Magnetfeld des anderen steht senkrecht auf
seiner Bahn. Die Kräfte auf beide Teilchen
sind also nicht antiparallel ausgerichtet.
ergeben sich die eingezeichneten Kraftrichtungen, die offensichtlich nicht antiparallel liegen.
Der Betrag von v × B läßt sich durch Variation von Betrag und Richtung von v unabhängig
vom anderen Teilchen verändern. Bei beschleunigten Teilchen ist auch E nicht auf der Verbindungslinie. Man kann daher nicht davon ausgehen, daß der Impuls erhalten bleibt. Der Impulssatz kann gerettet werden, indem man dem Feld einen Impuls zuordnet. Dann läßt sich erreichen, daß
p 1 + p 2 + p Feld = const.
Ähnliche Überlegungen führen dazu, dem Feld auch Energie und Drehimpuls zuzuordnen.
h) Der Verschiebungsstrom
Abb. 168: Der Strom stößt durch die Fläche
(1). Durch (2) stößt kein materieller Strom und
doch ist das Ringintegral das gleiche.
Das Amperesche Gesetz gilt für Gleichstrom. Für zeitlich veränderlichen Strom muß es modifiziert werden. Betrachtet man z.B. einen Kondensator, der aufgeladen wird, so gilt für das
Magnetfeld B des Stromes I in der Zuleitung
∫ B • ds = µ 0 I
I ist der Strom, der eine beliebige von der Kurve C aufgespannte Fläche durchstößt. Verbiegt
man die Fläche so, daß sie sich zwischen den Kondensatorplatten schließt (Kurve (2) in Abb.
168), so wird sie von keinem Strom durchstoßen, statt dessen von einem sich ändernden elektrischen Feld. Das Amperesche Gesetz bleibt gültig, wenn man annimmt, daß die Wirkung des
132
elektrischen Feldes im Zwischenraum gleich dem des Stromes ist. Wir drücken also den Ladestrom durch durch die Feldänderung aus. Aus Q = CU folgt
•
•
•
I = C U= εA E d = εA E
d
•
Man sagt, es fließt ein Verschiebungsstrom I V = εA E oder eine Verschiebungsstromdichte
•
j=εE
(15)
jV fließt auch im Vakuum und hat dann mit der "Verschiebung" von Ladungen innerhalb eines
Dielektrikums nichts zu tun. Das Amperesche Gesetz im Vakuum hat dann die Form
 j + ε 0 E•  • dA
B
•
=
µ
ds
0
∫
∫

(16)
oder die differentielle Form
•
rot B = µ 0  j + ε 0 E 
(17)
Der von Maxwell geforderte Zusatzterm besagt, daß ein sich änderndes elektrisches Feld im
Vakuum von einem Magnetfeld umgeben ist. Als Folge wird gezeigt (s. Kap. H), daß sich im
Vakuum elektromagnetische Wellen ausbreiten können. Diese Hypothese wurde durch den
Nachweis elektromagnetischer Wellen durch Heinrich Hertz bestätigt.
2. Das Induktionsgesetz
a) Die Bewegung eines Leiters im homogenen Magnetfeld
Bewegt man ein Leiterstückchen in einem Magnetfeld, so werden die Ladungsträger im Leiter
durch die Lorentzkraft qv × B seitlich zur Geschwindigkeitsrichtung verschoben. Es bildet sich
ein Raumladungsfeld E, das der Lorentzkraft das Gleichgewicht hält: qE =−qv × B . Durch die
Bewegung entsteht also eine elektromotorische Kraft, die einer Feldstärke −v × B entspricht.
Im Bezugssystem des Leiters S´ würde man überall im Raum die Feldstärke E / =v × B messen.
Dies folgt aus den im letzten Kapitel hergeleiteten Transformationsgleichungen für kleine
133
Geschwindigkeiten, da aus γ ≈ 1 folgt, daß B´ = B. Im Innern des Leiters wird dieses Feld
durch das Raumladungsfeld kompensiert.
Abb. 169: Auf die Ladungsträger in einem im Magnetfeld bewegten Leiter wirkt die Lorentzkraft
b) Induktion in eine Leiterschleife
Abb. 170: Der bewegte Stab hat Kontakt mit
dem Drahtbügel. Daher wird in die Schleife
ein Strom induziert
Verbindet man den bewegten Leiterstab mit einer feststehenden Leiterschleife leitend, so wird
die Ladung über die ganze Schleife hinweg verschoben, so daß sich kein Gegenfeld ausbilden
kann. Es fließt ein Strom. Das Ringintegral ∫ F • ds entlang der Schleife ist ungleich Null. Definiert man wie früher E = F/q, ergibt sich durch die Bewegung ein elektrisches Feld mit
∫ E • ds ≠ 0, oder eine Ringspannung
U ind = ∫ E • ds
die gleich der Arbeit ist, die man an einer Probeladung bei einmaligem Herumführen um die
Schleife gewinnen kann, geteilt durch die Ladung. Bei obiger Geometrie ist
F = qvB=
q∆sB
∆t
∆sB
E= F
q = ∆t
U ind = Eb = b∆sB = ∆Φ
∆t
∆t
Das hier für einen speziellen Fall abgeleitete Induktionsgesetz hat eine viel allgemeinere Gültigkeit, wie im folgenden erläutert wird.
134
c) Das allgemeine Induktionsgesetz
Abb. 171: Die Leiterschleife darf jetzt beliebig bewegt und verformt werden.
In Abb. 171 ist eine Leiterschleife in einem magnetischen Feld gezeichnet, die in einer kurzen
Zeit dt verschoben und eventuell verformt wird. Die in das Stückchen dl in der Zeit dt induzierte Spannung ist
dU ind = (v × B) • dl
Mit der Vektoridentität (a × b) • c = (c × a) • b (Man bedenke, daß (a × b) • c das Volumen des
von den Vektoren a, b, c aufgespannten Rhomboeders ist, da a × b die Grundfläche und
c cosα die Höhe ist) wird
dU ind = (dl × v) • B = − dΦ
dt
Die Änderung des Flusses, der während der Zeit dt durch die Schleife tritt, ist der gesamte
Fluß, der den Konusmantel in Abb. 171 durchsetzt. Man muß also über alle Teilflächen dA
summieren und erhält
U ind = − dΦ
dt
wie es sein sollte.
Abb. 172: In eine starre Schleife, die sich in
einem homogenen Magnetfeld bewegt, wird
keine Spannung induziert.
Bewegt sich eine starre Schleife senkrecht zu einem Magnetfeld, das homogen ist wie in
Abb.172 angedeutet, so wird in den beiden Seiten, die senkrecht zu B stehen, eine gleich große
aber bezüglich der Umlaufrichtung in der Schleife entgegengesetzte Spannung induziert.
∫ E • ds = 0, wie es das Induktionsgesetz fordert.
135
Abb. 173: Bei der Bewegung in einem inhomogenen
Feld kompensieren sich die induzierten Spannungen in
den Teilen senkrecht zu B nicht vollständig.
Ist das Magnetfeld in Bewegungsrichtung inhomogen, so wird in diese Leiterstücke eine ungleiche Spannung induziert (Abb. 173).
U ind = − ds B 1 b + ds B 2 b = − dΦ
dt
dt
dt
Man kann die gesamte Spannungsänderung also wieder durch die Änderung des Flusses ausdrücken. Die Schleife kommt bei ihrer Bewegung in ein Gebiet mit veränderter Stärke des Magnetfeldes. Dadurch ändert sich der Fluß durch die Schleife und es wird eine Spannung induziert. Da die Ursache für die induzierte Spannung die Lorentzkraft ist, und in dieser die Ursache für die Erzeugung des Magnetfeldes nicht eingeht, ist auch die Ursache für die Flußänderung beim Induktionsgesetz belanglos, d.h. es gilt auch, wenn die Schleife ruht und sich B
durch die Bewegung der Spule, die B erzeugt oder durch Änderung des Stromes, der B erzeugt, ändert.
Bei der Berechnung des Flusses ist es gleichgültig, über welche Fläche, die von der geschlossenen Kurve C aufgespannt wird, integriert wird. Dies folgt aus der Tatsache, daß B keine
Quellen hat. Die Quellenfreiheit besagt, daß der Gesamtfluß durch eine geschlossene Fläche
Null ist. Unterteilt man die geschlossene Fläche in zwei Teilflächen (1) und (2), die an der
Kurve C aneinander grenzen (Abb. 174), so muß der Fluß, der durch die Fläche (1) eintritt aus
(2) wieder austreten.
Abb. 174: Der magnetische Fluß durch die die
Kurve C kann gewonnen werden, indem man
über die Fläche (1) oder über die Fläche (2)
integriert. Das Ergebnis ist gleich.
Legt man die Richtung von E durch eine Schraubenregel fest, erhält man das Induktionsgesetz
in der allgemeinen Form
U ind = ∫ E • ds = − dΦ
dt
(18)
136
Dabei ist Φ der gesamte Fluß des Magnetfeldes durch die Schleife. Beim Magnetfeld muß das
gesamte Feld, das die Schleife durchsetzt, berücksichtigt werden, also z.B. auch das Magnetfeld, das der Strom in der Schleife selbst erzeugt. Die Änderung des Flußes kann z.B. durch
Änderung des Stromes, der das Magnetfeld erzeugt, durch Änderung der Schleifenfläche oder
des Winkels zwischen B und Schleifenfläche erfolgen.
d) Die differentielle Form des Induktionsgesetzes
Schreibt man den Ausdruck für den magnetischen Fluß aus, lautet das Induktionsgesetz (Gleichung 18)
U ind = − d ∫ B • dA = ∫ E • ds
dt
Nach dem Satz von Stokes gilt
∫ E • ds = ∫rot E • dA
Hieraus folgt das Induktionsgesetz in differentieller Form
•
(19)
rot E = −B
e) Beispiele
α) Der Wechselstromgenerator
Abb. 175: Bei der Dynamomaschine werden
Drahtschleifen in einem Magnetfeld gedreht.
Bei einem Wechselstromgenerator werden meistens Schleifen in einem Magnetfeld gedreht.
Wir betrachten die Drehung einer einzelnen Schleife in einem homogenen Magnetfeld. Da
Φ = BAcosα, und α = ωt, hat der Fluß die Zeitabhängigkeit Φ(t) = BAcosωt, und die Spannug
hat nach dem Induktionsgesetz den zeitlichen Verlauf
U ind = − dΦ = BAω sin ωt
dt
137
Bei mehreren Schleifen und inhomogenem Magnetfeld müssen mehrere sinusförmige Spannungen, u.U. mit unterschiedlicher Amplitude und gegenseitiger Phasenverschiebung aber
gleicher Frequenz addiert werden. Eine solche Addition führt immer wieder zu einer sinusförmigen Zeitabhängigkeit. D.h. durch Drehen einer Spule in einem statischen Magnetfeld erhält
man eine sinusförmige Spannung.
β) Der Transformator
Abb. 176: Im Transformator kommt die Induktion
durch eine zeitliche Änderung des Stromes in der
Primärspule zustande
Der Aufbau ist in Abb. 176 skizziert. In einer Primärspule wird durch einen Wechselstrom ein
zeitveränderliches Magnetfeld erzeugt, das in der Sekundärspule eine Spannung induziert. Bei
einer Spule muß man in das Induktionsgesetz den gesamten Fluß zwischen den Anschlüssen
einsetzen. Wenn B das Magnetfeld in der Spule ist, A die Fläche einer Windung, N die Anzahl
der Windungen, wird der gesamte Fluß zwischen den Anschlüssen
Φ ges = NΦ 0 = NAB
Daher gilt beim Transformator
•
Up = Np Φp
•
Us = Ns Φs
Wenn der Gesamtfluß, den die Primärspule erzeugt, auch die Sekundärspule durchsetzt,
Φp = Φs,
gilt
Up Np
=
Us Ns
Das Spannungsverhältnis ist dann nur durch das Verhältnis der Windungszahlen bestimmt,
nicht jedoch durch die Frequenz.
138
f) Das Vorzeichen der induzierten Spannung
Abb. 177: In den Maxwellschen Gleichungen steht das
Gesamtfeld. Für die Anschauung ist es manchmal hilfreich, das Gesamtfeld in ein induziertes und ein außen angelegtes zu zerlegen.
Das Induktionsgesetz kann man selbstverständlich in beiden Richtungen lesen, d.h. wenn man
eine Ringspannung erzeugt, bildet sich ein Magnetfeld mit dem Fluß Φ = −∫ U ind dt . Es ist allerdings schwierig eine Ringspannung anders als durch Induktion zu erzeugen. Legt man z.B.
eine äußere Spannung U an eine Schleife, wie in Abb. 177, so entsteht ein in Pfeilrichtung ansteigender Strom, der ein ansteigendes Magnetfeld in der angegebenen Richtung erzeugt. Nehmen wir an, der Leiter habe keinen Widerstand (σ → ∞), dann muß wegen j = σE die elektrische Feldstärke verschwinden, da es keine unendlichen Ströme geben kann. E ist hier die gesamte elektrische Feldstärke an der Schleife. Man kann sich Eges zusammengesetzt denken aus
Eind, das durch das ansteigende Magnetfeld induziert würde, auch wenn kein Leiter vorhanden
wäre, und das durch die äußere Quelle entlang des Leiters erzeugte Feld EQ.
E ges = E ind + E Q
Wegen Eges = 0 wird Eind = -EQ. Eind wird also so groß, bis es das durch die äußere Quelle erzeugte Feld (EQ) gerade kompensiert. Wegen EQ = -Eind wird U = -Uind. Daher ist der Zusammenhang zwischen angelegter Spannung und Flußänderung
U = dΦ
dt
(20)
Das Induktionsgesetz wird häufig mit einem negativen Vorzeichen geschrieben. Jetzt ist klar,
daß dann mit U die induzierte Spannung gemeint ist. Man sieht in diesem Fall die Schleife als
aktives Element an. Die Richtung der induzierten Spannung ist dann entgegengesetzt der durch
B vorgegebenen Schraubenrichtung. Betrachtet man statt dessen die Schleife als passives Bauelement, so interessiert die induzierte Spannung weniger als die außen angelegte Spannung.
Diese erzeugt einen Strom, der mit B eine Rechtsschraube bildet. Man verwendet dann das Induktionsgesetz mit dem positiven Vorzeichen. Die Schwierigkeit bei der Vorzeichengebung
139
liegt daran, daß man dazu neigt anzunehmen, daß der induzierte Strom die Richtung der induzierten Spannung hat. Das Beispiel in Abb. 177 zeigt, daß dies nicht notwendigerweise so ist.
Lenzsche Regel
In der Praxis ist es oft einfacher, das Vorzeichen über die Lenzsche Regel zu ermitteln, die im
Grunde eine Folge des Energiesatzes ist. Die Lenzsche Regel besagt
Der Induktionsstrom ist so gerichtet, daß er den Vorgang, der ihn erzeugt, zu hemmen
versucht.
Beispiel:
Abb. 178: Eine Leiterschleife werde zwischen
den Polen eines Magneten hindurch bewegt.
Der Strom muß so fließen, daß die Bewegung
gebremst wird.
Abb. 179 und 180: Der Fluß, der durch die
Schleife tritt, im Verlaufe der Bewegung
(oben) und dessen zeitliche Ableitung
Eine Leiterschleife werde mit konstanter Geschwindigkeit zwischen zwei Magnetpolen hindurchbewegt (Abb. 178). Abb. 179 zeigt Φ(t) qualitativ. Φ(t) hat die gleiche Form wie Φ(x)
entlang der Bahn der Schleife, da x = vt. Abb. 180 zeigt dΦ(t)/dt und damit qualitativ den Verlauf von U.
Die Richtung des induzierten Stroms überlegt man sich folgendermaßen: Fließt in der Schleife
ein Strom, so hat das Magnetfeld die Form eines Dipolfeldes. Es ist damit dem eines Stabmagneten ähnlich. Nach der Lenzschen Regel erhält dieser eine Polarität so, daß er vom feststehenden Magneten anfangs abgestoßen wird, d.h. oben entsteht ein Nordpol, unten ein Südpol
in Abb. 178. Daraus ergibt sich die in Abb. 178 angedeutete Stromrichtung. Wenn sich die
Schleife vom Magneten entfernt, muß sie angezogen werden, um die Bewegung zu behindern.
Daher polt der Strom um.
140
3. Induktivität
a) Definition der Induktivität
Ein im Kreis fließender Strom erzeugt an einer beliebigen Stelle im Raum ein Magnetfeld, das,
wie z.B. das Biot - Savartsche Gesetz zeigt, proportional zu I ist. Da dies an jedem Ort gilt, ist
auch der magnetische Fluß dieses Feldes durch irgendeine Fläche proportional zu I. Man
schreibt für den Gesamtfluß, der durch einen Kreisstrom oder durch eine an den Anfangspunkt
zurückkehrende Leiterschleife geht
(21)
Φ = LI
und definiert damit die Induktivität L der Leiterschleife oder des Kreisstroms. Φ folgt aus der
Geometrie der Leiterschleife oder der Stromfäden. Das Gleiche gilt für L. Nach Gleichung
(21) ergibt sich für die Dimension von L
[L] =[Φ/I] = Vs/A = H (Henry)
Der Fluß kann durch den Strom in der Leiterschleife selbst hervorgerufen werden, L heißt
dann die Selbstinduktivität, oder durch den Strom in einer anderen Leiterschleife. Man schreibt
dann
Φ = MI
Abb. 181: Die Gegeninduktivität gibt den Zusammenhang
zwischen dem Fluß in der einen Spule und dem Strom in
der anderen Spule an, der das Magnetfeld erzeugt.
und nennt M die Gegeninduktivität. Diese wird ebenfalls in Henry gemessen. Allgemein gilt
also für zwei Leiterschleifen Φ1 = L1I1 + M12I2, Φ2 = M12I1 + L2I2. Es läßt sich zeigen, daß
M12 = M21. Diese Gleichungen zusammen mit dem Induktionsgesetz bilden die Grundlage zur
Berechnungen von Schaltungen mit Transformatoren, für den Fall, daß sich der Fluß durch die
beiden Spulen unterscheiden darf.
141
b) Die Selbstinduktivität
α) Das Induktionsgesetz als Zusammenhang von Strom und Spannung an einer Induktivität
Setzt man in Gleichung (21) den Strom I = 1A, so erkennt man, daß L der Gesamtfluß ist, den
ein Stromkreis umfaßt, wenn in ihm 1A fließt. Soll z.B. die Induktivität in einem Kreis möglichst klein gehalten werden, was in Hochfrequenzkreisen entscheidend sein kann, so muß
auch der Fluß möglichst klein gemacht werden. Eine einfache Maßnahme besteht darin, die
Fläche durch die das Magnetfeld greift, so weit wie möglich zu verringern, indem der Abstand
zwischen den Stromzufürungen möglichst eng gehalten wird. Durch Differenzieren von Gleichung (21) erhält man das Induktionsgesetz in der Form
•
(22)
U=LI
•
Setzt man I = 1A/s , so wird U = L. L gibt also an,wie groß die Spannung an einer Leiterschleife sein muß damit sie einen Stromanstieg von 1 A/s erzeugt. Die Selbstinduktivität ist also ein Maß für die Behinderung, die ein Stromkreis einer Stromänderung entgegensetzt, ähnlich wie die Kapazität ein Maß für die Behinderung gegenüber Spannungsänderungen ist. Dies
ist der Grund dafür, daß man in Hochfrequenzschaltungen auf möglichst kleine Induktivität in
den Zuleitungen achten muß.
Abb. 182: Das Induktionsgesetz hat positives
Vorzeichen, wenn Strom- und Spannungspfeil
gleiche Richtung aufweisen.
Das positive Vorzeichen im Induktionsgesetz rührt daher, daß bei außen angelegter positiver
Spannung U ein positiver Stromanstieg erfolgt (s. Abb. 182). Die Vorzeichen werden, wie in
Kapitel E/1 erläutert, mit Zählpfeilen festgelegt. Haben Spannungs- und Strompfeil an einer
Induktivität gleiche Richtung, wird das Induktionsgesetz mit positivem, sonst mit negativem
Vorzeichen geschrieben.
β) Flußerhaltung
In einer Leiterschleife mit genügend hoher Leitfähigkeit, z.B. in einem Supraleiter, kann sich
kein elektrisches Feld ausbilden. Daher kann auch keine Ringspannung existieren, und es muß
nach
dem
Induktionsgesetz
Φ
innerhalb
der
Schleife
konstant
bleiben.
Unser
142
Gedankenexperiment zur Erläuterung des Induktionsgesetzes (s. Abb. 183) würde also in diesem Fall zu einer Flußkonstanz innerhalb der Schleife führen.
Abb.183: Bei diesem Experiment würde sich
der Fluß in der Schleife bei genügender Leitfähigkeit der Leiterschleife nicht ändern.
Durch die Bewegung des Stabes in der angegebenen Richtung wird ein Strom induziert, der
das ursprüngliche Magnetfeld um so viel abschwächt, daß die durch die Flächenvergrößerung
mögliche Flußvergrößerung gerade kompensiert wird, so daß sich der Gesamtfluß nicht ändert.
Ist L bekannt (hier ist L eine zeitabhängige Größe!), kann die Änderung von I auf grund der
Flußerhaltung sofort aus dem Induktionsgesetz (Gleichung 21) ausgerechnet werden. Anschaulich gesehen können sich die Feldlinien nicht durch die supraleitende Materie senkrecht zu ihrer Richtung bewegen. Diese Betrachtungsweise erleichtert das Verständnis von dynamischen
Prozessen von leitfähiger Materie in Magnetfeldern. Die höchsten Magnetfelder kann man erzeugen, indem man ein Magnetfeld mit einem letfähigen Mantel umgibt und diesen (etwa
durch eine Sprengladung) mit dem Magnetfeld zusammen komprimiert (Abb. 184).
Abb. 184: Hohe Magnetfelder lassen sich
durch Flußkompression herstellen.
In einer Flüssigkeit mit unendlicher Leitfähigkeit, die von einem Magnetfeld durchsetzt ist,
kann sich das Magnetfeld nicht relativ zur Flüssigkeit bewegen. Man spricht von eingefrorenem Magnetfeld. Besonders in astronomischen Plasmen sind Magnetfelder häufig eingefroren.
Bei endlicher Leitfähigkeit werden Magnetfelder durch die Strömung einer leitfähigen Flüssigkeit verzerrt. Mit diesem Bild läßt sich die Verformung des Magnetfeldes der Erde im solaren
Wind anschaulich erklären.
γ) Berechnung von Selbstinduktivitäten
Der Gedankengang zur Einführung des Begriffs Induktivität gibt auch die einzelnen Schritte
für ihre Berechnung an: Man berechnet zunächst das Magnetfeld, das ein beliebig vorgegebener Strom I in der betrachteten Leiterschleife erzeugt. Der Gesamtfluß Φ ist dann eine Größe,
die proportional zu I ist. L erhält man, indem man Φ durch I teilt. Bei Hochfrequenzfeldern ist
143
die Stromverteilung in ausgedehnte Leitern nicht von vorneherein bekannt, wodurch eine zusätzliche Erschwerung hervorgerufen wird.
Beispiele
i. Induktivität einer langen Spule
Abb. 185: Die Spule habe N Windungen auf einer
Länge l, die groß ist gegenüber dem Radius.
Wir betrachten die Spule als Ausschnitt einer Ringspule. Bei dieser verschwindet das Magnetfeld außerhalb der Wicklung. In der zylindrischen Spule schließt sich das Magnetfeld im Außenraum, so daß es dort nicht vollständig verschwindet. Wenn die Länge der Spule (l) sehr viel
größer als ihr Radius ist, kann man davon ausgehen, daß das Feld der Ringspule nur wenig gestört wird. Wir setzen daher das Feld im Außenraum Null Baus = 0 und im Innenraum Binnen = B0
= const und integrieren nach dem Ampereschen Gesetz entlang einer Feldlinie
∫ B • ds = µNI = ∫ B aus • ds + ∫ B 0 ds = B 0 l
Wir haben im Ampereschen Gesetz µ statt µ0 geschrieben. µ enthält die Eigenschaften des magnetischen Materials (s. nächsten Abschnitt). Da das Integral über den Außenraum verschwindet, ergibt sich das Magnetfeld im Innenraum
B0 =
µNI
l
Der Gesamtfluß durch alle Windungen ist
Φ = NB 0 A =
µN 2 IA
l
und daher wegen Φ = LI
ii. Induktivität eines Bandleiters
2
L = µN A
l
144
Abb. 186: Der Bandleiter verbinde eine Stromquelle mit einem Verbraucher. Der vom Strom erzeugte Fluß geht dann durch die Fläche, die durch
l und d aufgespannt wird.
Wir betrachten den Bandleiter (Abb. 186) als Ausschnitt aus einem axialsymmetrischen Leiter
aus zwei koaxialen Zylindern (Koxialkabel Abb. 187) für den Grenzfall großer Radien bei
festgehaltenem Abstand d. Das Magnetfeld ist auf den Spalt beschränkt und senkrecht zu I.
Nach dem Ampereschen Gesetz erhält man
Abb. 187: Der Bandleiter kann als Ausschnitt
aus einem Koaxialleiter aufgefaßt werden.
∫ B • ds = Bb = µ 0 I
B=
µ0I
b
Die Fläche, durch die der Fluß von B tritt, ist ld. Daher wird Φ = Bld =
L=
µ 0 Ild
b
µ 0 ld
b
L ist, wie erwartet proportional zu ld. Die Abhängigkeit ~1/b rührt daher, daß bei gleichbleibendem Strom das Magnetfeld umgekehrt proportional zur Breite des Leiters ist. Ein Bandleiter ist eine extrem niederinduktive Leitung. Da C = εlb , hat ein Bandleiter besonders hohe
d
Kapazität.
δ) Die Energie des magnetischen Feldes
Transportiert man eine Ladung dq durch eine Induktivität L (Abb. 188), so leistet man eine Arbeit dW = dqU = dq L dI . Indem man q auf die Variable I transformiert, erhält man mit
dt
dq = Idt
dW = LIdt dI = LIdI
dt
145
Abb. 188: Den Energieinhalt der stromdurchflossenen
Spule rechnen wir aus, indem wir sie nacheinander mit
dq gegen die aktuelle Spannung laden.
Die gesamte Energie, die notwendig ist, um die Induktivität mit einem Strom I0 zu laden, ist
I0
daher W = ∫ LIdI . Durch Integration erhält man
W = 1 LI 20
2
(23)
Abb. 189: Die kurzgeschlossene stromführende Spule, auf
neudeutsch: die Crow - Bar Schaltung.
Induktivitäten können wie Kapazitäten als Energiespeicher verwendet werden. Schließt man
•
nach dem Laden die beiden Enden kurz, so bleibt wegen U = L I und U = 0 der Strom konstant
(Abb. 189). Die Energie bleibt gespeichert. Der Vorteil eines induktiven Speichers gegenüber
einem kapazitiven ist die deutlich höhere Energiedichte. Der Nachteil besteht darin, daß bisher
induktive Speicher mehr Verluste aufweisen als kapazitive.
Abb. 190: Kurzschluß einer verlustbehafteten
stromführenden Spule
Um das Zeitverhalten des Stroms in einer verlustbehafteten kurzgeschlossenen Spule zu erhalten, betrachten wir Abb.190. Die verlustbehaftete Spule wird durch eine ideale Induktivität mit
einem in Serie geschalteten Widerstand R beschrieben. Die Maschengleichung lautet
•
L I = −IR
146
Die Differentialgleichung
•
I + RI = 0
L
Sie wird mit dem Ansatz I = Ae λt gelöst. Der Ansatz eingesetzt in dieDifferentialgleichung ergibt die charakteristische Gleichung λ + R = 0 , also λ = − R . Die allgemeine Lösung hat also
L
L
die Form I = Ae −Rt/L . Die Konstante A wird aus den Anfangsbedingungen bestimmt, etwa
I(0) = I0. Es folgt A = I0. Die Lösung lautet
I = I 0 e −Rt/L
Abb.191: Der Strom klingt in einer verlustbehafteten kurzgeschlossenen Spule gemäß einer e - Funktion mit der charakteristischen Zeit L/R ab.
Der Zeitverlauf ist in Abb. 191 dargestellt. Ähnlich, wie bei einer Kapazität die Spannung,
nimmt hier der Strom exponentiell ab. Die Zeitkonstante ist L/R.
Drückt man die Energie einer Spule durch B aus, erhält man aus W = 1 LI 2 , indem man L er2
setzt durch LI = NΦ = NAB und B ersetzt durch Bl = µ0IN
2
W = 1 ABN Bl = B Al
µ 0 N 2µ 0
2
Man sagt, die Energiedichte des magnetischen Feldes ist
W = B2
∆V 2µ 0
(24)
4. Materie im Magnetfeld
a) Magnetisches Moment einer Stromschleife
Ähnlich, wie die Induzierung und Ausrichtung von elektrischen Dipolen, aus denen die Materie besteht, das elektrische Feld in einem Stoff beeinflußt, geschieht dies auch durch magnetische Dipole. Um diesen Vorgang quantitativ zu beschreiben, muß zunächst das magnetische
Dipolmoment definiert werden. Da es keine magnetischen Monopole gibt, betrachten wir als
147
elementaren Dipol eine Stromschleife, die ja ein Feld wie ein Dipol hat, und definieren ihr Dipolmoment durch ihre Kraftwirkung im Magnetfeld in Analogie zur Kraftwirkung auf einen
elektrischen Dipol. Ein elektrischer Dipol vom Dipolmoment p erfährt im homogenen elektrischen Feld ein Drehmoment
Abb. 192: Das Drehmoment auf die Schleife kommt
durch die Beiträge der Lorentzkraft auf die Seiten l
zustande.
MD = p × E
Die Ladungsträger in einer rechteckigen Stromschleife (s. Abb. 192) erfahren eine v ×B Kraft.
In den Seiten d kompensieren sich diese Kräfte gegenseitig. In den Seiten l bleibt ein Drehmoment MD auf die Schleife übrig. Jede Seite l hat einen Kraftarm 1 d sin α. Das Drehmoment auf
2
1
die Schleife ist also M D = 2 d sin α NQvB. Q ist die Ladung eines Teilchens und N die Ge2
samtzahl der Ladungsträger in dem Leiterstück l. N = nA/l. A/ ist der Leitungsquerschnitt. Da
der Strom I = jA/ = nQvA/, erhält man MD = IdlB sinα. Für diese rechteckige Schlefe kann
man also vektoriell schreiben
(25)
M D = IA × B
wobei A die Fläche der Stromschleife ist. Wir sparen uns, zu beweisen, daß dieses Gesetz auch
für alle möglichen anderen Ausrichtungen der Schleife gilt. Schleifen mit anderer Form teilen
wir in eine Vielzahl von rechteckigen Schleifen auf, wobei sich im Innern alle Ströme aufheben. Durch Vergleich von Gleichung (25) mit der entsprechenden Formel für das Drehmoment
auf einen elektrischen Dipol im elektrischen Feld erhält man für das magnetische
Dipolmoment
m = IA
Das Drehmoment auf einen magnetischen Dipol im Magnetfeld ist damit
(26)
148
(27)
MD = m × B
b) Magnetisches Dipolmoment in Atomen
Wir betrachten als ein Modell ein Elektron, das sich auf einer Kreisbahn um den Kern bewegt.
Es führt einen Strom, der gleich der Ladung ist, die pro Sekunde durch eine Fläche senkrecht
zur Bahn tritt (s. Abb. 193). Wenn ν die Anzahl der Umläufe pro Sekunde ist, gilt
Abb. 193: Das kreisende Elektron verkörpert
einen Strom.
I = −νe 0 = −
ω
e0 = − v e0
2πr
2π
Hier wurde ausgenutzt, daß v = ωr. Für das magnetische Moment erhält man dann nach Gleichung (26)
m = πr 2 I = − 1 rve 0
2
während der Bahndrehimpuls des Elektrons L = mevr ist. (me ist die Masse des Elektrons). Das
Verhältnis von Dipolmoment m und Drehimpuls L der Bahn ist also unabhängig von r und v.
Es ist sogar für alle Bahnen gleich groß. Man nennt dieses Verhältnis g das gyromagnetische
Verhältnis.
e
g = m = − 1 m0
2 e
L
(28)
Abb.194: Auch ein Teilchen mit Spin hat ein
magnetisches Dipolmoment
149
Für den Spin, der im klassischen Bild einer Drehung des Elektrons um seine Figurenachse entspricht (Abb. 194), ist das Gyromagnetische Verhältnis allerdings doppelt so groß wie für die
Bahnbewegung
e
g s = − m0
e
Klassisch könnte man diese Abhängigkeit durch eine geeignete Ladungsverteilung
konstruieren.
Das gyromagnetische Verhältnis im Atom kann über den Einstein - de - Haas Effekt gemessen
werden (Abb. 195). Man magnetisiert einen Eisenstab. Durch Umkehren des äußeren Feldes
kippen die Elementarmagnete um und übertragen ihre Impulsänderung auf den Eisenstab. Man
erhält den Wert -e0/me, also den Wert für den Spin des Elektrons. Man erklärt dies damit, daß
der Bahndrehimpuls im Grundzustand Null ist, und nur der Spin eines Elektrons gemessen
wird.
Abb. 195: Einstein - de - Haas Versuch
c) Die Magnetisierung M
Abb. 196: Das geasamte Dipolmoment pro
Volumen
in
einem
Stab
ist
die
Magnetisierung.
Hat man in einem Stoff n Dipole pro Volumeneinheit mit einem Dipolmoment m, so ist das
gesamte Dipolmoment pro Volumen
M = nm
M heißt die Magnetisierung. Ein parallel zu B liegender Stab der Querschnittsfläche A und der
Länge l hat das gesamte Dipolmoment mges = MV =MlA = (Ml)A. Da andererseits mges = IA, ist
150
M der Strom pro Länge an der Oberfläche des Stabes, der bei Addition aller Elementarströme
übrig bleibt (Abb. 197). Dieser Strom erzeugt das gesamte magnetische Moment. Man nennt
ihn den gebundenen Strom. (Im elektrischen Fall ist die Größe, die der Magnetisierung M entspricht die Polarisation P. P = np ist das elektrische Dipolmoment pro Volumeneinheit, oder
die Ladung pro Fläche auf grund der Verschiebung der gebundenen Ladungen. Die Flächenladung liegt auf den Stirnflächen.)
Abb. 197: Im Innern gehört zu jedem Strom ein
gleich großer entgegengesetzter. Es bleibt also insgesamt nur ein Oberflächenstrom übrig.
Den Beitrag der Materie kann man wie im elektrischen Feld auf zwei verschiedene Weisen
beschreiben:
i. Analog zu εr führt man eine Materialeigenschaft µr ein, die den gesamten Beitrag der gebundenen Ströme enthält. In allen Formeln, in denen im Vakuumfall µ0 steht, schreibt man bei Anwesenheit von Materie µrµ0. Die Permeabilität µr ist eine dimensionslose Zahl. Für Vakuum ist
µr = 1. Es gibt Stoffe, für die µr < 1 (diamagnetische Stoffe), µr > 1 (paramagnetische Stoffe)
und solche, für die µr >> 1 (ferromagnetische Stoffe). Für anisotrope Stoffe wie Kristalle ist µr
ein Tensor. Für skalares µr schreibt man das Amperesche Gesetz
∫ B • ds = µ r µ 0 I
Manchmal faßt man zusammen µrµ0 = µ. Um eine Feldgröße zu erhalten, die unabhängig von
den Stoffeigenschaften ist, definiert man ein H - Feld über
B = µrµ0H
(28)
H hat die Dimension [A] = A/m. Das Amperesche Gesetz schreibt sich mit H
∫ H • ds = I
H ist also unmittelbar mit den freien Strömen verknüpft.
151
ii. Man setzt das gesamte B - Feld aus zwei Anteilen zusammen, einen Anteil, der durch die
Ströme in einer äußeren Spule erzeugt wird, wenn kein Stoff innerhalb des Feldes wäre, also
durch die freien Ströme
B1 = µ0H
und einen Anteil durch die gebundenen Ströme
B2 = µ0M
Insgesamt
B = µ 0 (H + M)
(29)
Diese Darstellung ist auch für anisotrope Medien geeignet. M ergibt sich aus dem äußeren
Feld über die Suszeptibilität χm ähnlich wie im elektrischen Fall.
M = χmH
(30)
Setzt man dies in Gleichungen (28) und (29) ein, erhält man einen Zusammenhang zwischen
der Suszeptibilität, die sich aus der Polarisierbarkeit und daher im Prinzip aus atomaren Eigenschaften ausrechnen läßt, und der Permeabilität, die eine makroskopische Stoffeigenschaft
beschreibt.
Nach einer weniger gebräuchlichen Konvention definiert man χm über M = χ m µB . Man be0
gründet dies damit, daß das mittlere Feld im Festkörper, das die Magnetisierung verursacht B
und nicht H ist. Man definiert χm also über ein Feld, das schon durch den Festkörper modifiziert ist. µr = 1 + χm gilt dann nur für kleine χm.
d) Dia- Para- und Ferromagnetismus
α) Kraft auf eine Stromschleife im veränderlichen B - Feld
Eine Stromschleife befinde sich in einem B - Feld, dessen Änderung in z - Richtung bekannt
ist, wobei die Schleifenebene senkrecht auf dem Feld steht. Die Kraftdichte ist gegeben durch
f = j × B (s. Gleichung (10)), in dieser Geometrie durch fz = -jθBr. Die Kraft auf die Schleife ist
damit
152
Abb. 198: Über die Divergenzfreiheit des B Feldes läßt sich Br durch dBz/dz ausdrücken.
F z = −j θ AdlB r = −2πrIB r
Da Bz bekannt ist, wird Br über die Quellenfreiheit von B durch Bz ausgedrückt (s. Abb. 198).
Der Fluß, der an den Seitenflächen des Zylinders in Abb.198 austritt, muß an den Stirnflächen
eintreten
2πr∆zB r = πr 2 (B z (z) − B z (z + ∆z))
Bz(z + ∆z) wird durch Taylorentwicklung auf Bz(z) zurückgeführt
B z (z + ∆z) = B z (z) +
damit wird
2πr∆zB r = −πr 2
F z = πr 2 I
∂B z
∆z
∂z
∂B z
∂B
∆z und B r = − r z
∂z
2 ∂z
∂B z
∂B
=m z
∂z
∂z
In einem inhomogenen Feld wird der Dipol je nach Vorzeichen von m, d.h. je nach Vorzeichen
der Polarisierbarkeit in oder entgegen Richtung des Gradienten von B gezogen.
β) Diamagnetismus
Abb. 199: Beim diamagnetischen Material
werden Dipole induziert, die dem äußeren Feld
entgegengesetzt sind.
Hier ist χm < 0 und damit µr < 1, d.h. die Elementardipole richten sich entgegengesetzt zum äußeren Feld aus. Dies ist durch Induktion eines Stromes möglich. Als physikalisches Modell
dient eine Drahtschleife unendlicher Leitfähigkeit. Da bei ihr der Fluß, den sie umfaßt, beim
Einführen in ein Magnetfeld erhalten bleibt, wird in ihr ein Strom induziert, der einen Dipol
nach sich zieht, der dem ursprünglichen Magnetfeld entgegengesetzt gerichtet ist. Die Ströme
153
der Elektronen in Atomen verhalten sich wie derartige verlustfreie Stromschleifen. In inhomogenen Feldern wirkt auf diamagnetische Stoffe eine Kraft in Richtung zum Gebiet mit kleinerem Feld. Die Richtung macht man sich am einfachsten über die Kraft auf Stabmagneten klar
(Abb. 200). Alle Stoffe haben einen natürlichen Diamagnetismus. Paramagnetismus kann den
Diamagnetismus überdecken. Bei den meisten diamagnetischen Stoffen ist die Suszeptibilität
von der Größenordnung χm = -(1 - 10)·10-6. Besonders große Suszeptibilität hat Wismuth mit
χm = -157·10-6. Plasmen verhalten sich diamagnetisch.
Abb. 200: Diamagnetische Stoffe werden aus
dem Gebiet mit größerer Feldstärke gedrückt
γ) Paramagnetismus
Bei paramagnetischen Stoffen ist χm > 0 und damit µr > 1, d.h. die Elementatmagnete richten
sich parallel zu B aus. Dies ist der Fall, wenn die Atome von vorneherein ein Dipolmoment besitzen. Paramagnetische Stoffe werden in einem inhomogenen Magnetfeld in das Gebiet mit
größerem Magnetfeld gezogen (Abb. 201). Beispiele : Aluminium hat χm = 20,8·10-6, flüssiger
Sauerstoff χm = 5670·10-6.
Abb. 201: Paramagnetische Stoffe werden in
das Gebiet mit stärkerem Magnetfeld gezogen.
δ) Ferromagnetismus
Bei ferromagnetischen Stoffen wie Fe, Co, Ni ist µr >> 1. µr kann Werte bis 106 annehmen.
Dieser hohe Wert wird dadurch erreicht, daß ein großer Prozentsatz der Elementarmagnete
ausgerichtet werden kann. Sie werden durch den Spin der Elektronen erzeugt. Die Ausrichtung
erfolgt über ein Wechselspiel von ausrichtenden Kräften im Feld und Unordnung stiftender
thermischer Bewegung. Oberhalb der Curie Temperatur Tc = 770°C ist Eisen paramagnetisch,
unterhalb gilt in einem weiten Bereich das Curiesche Gesetz
154
M= C
T
Ohne Magnetfelder existieren Bereiche ("Weißsche Bezirke"), in denen der Spin einheitlich
ausgerichtet ist, die aber untereinander unterschiedliche Magnetisierungsrichtung aufweisen.
Bei zunehmendem Magnetfeld verschieben sich die Grenzen dieser Bezirke, die Bloch Wände,
zugunsten von energetisch günstigeren Positionen. Während diese Bezirksgrenzen wandern,
können sie an Gitterfehlern hängen bleiben. Das impulsartige Weiterlaufen erzeugt in einer Induktionsschleife ein Rauschen. Diesen Effekt nennt man Barkhausen Effekt. Trägt man M gegen das die Polarisation erzeugende Feld auf, das proportional dem Strom in der Spule ist, die
das Magnetfeld erzeugt, so erhält man die Magnetisierungskurve (Abb. 202). Man erkennt, daß
bei Ferromagnetika M nicht proportional zu B ist, daß M sogar von der Vorbehandlung der
Probe abhängt. Man sagt, die Magnetisierungskurve zeigt eine Hysterese. Wir hatten schon in
der Schaltungstheorie Bauteile mit Hysterese kennengelernt und gesehen, daß diese Eigenschaft zur Speicherung von Information ausgenutzt werden kann. Um gute Speichereigenschaften zu erzielen - etwa auf Disketten - benötigt man hohe und breite Kurven. Für geringe
Verluste in Transformatoren oder ähnlichen Bauteilen benötigt man schmale Kurven.
Abb. 202: Die Magnetisierungskurve von
Ferromagnetika.
155
KAPITEL G
Wechselstromkreise
1. Einleitung
Wenn Netzwerke von Strom- und Spannungsquellen gespeist werden, die sinusförmige Zeitverläufe aufweisen, und nur der eingeschwungene Zustand interessiert, ergeben sich starke
Vereinfachungen gegenüber der Behandlung in Kapitel E. Einschwingvorgänge müssen nach
wie vor mit der allgemeinen Methode über Differentialgleichungen berechnet werden. Wir beschreiben sinusförmige Zeitverläufe durch komplexe Zahlen
U = U 0 e iωt
Der zeitabhängige Faktor e iωt = cos ωt + i sin ωt enthält die Frequenzinformation. Die übrige Information ist in der komplexen Amplitude enthalten. |U0| ist die reelle Amplitude, arg U0 die
Phasenverschiebung gegenüber einer Schwingung mit reeller Amplitude.
2. Impedanzen
a) Definition
Um Spannungs- bzw. Stromverlauf an einem der Elemente zu berechnen, müßte man die spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung finden, wobei die Inhomogenität die
Zeitabhängigkeit der Quellen enthält (eventuell deren Ableitungen). Wenn die Inhomogenität
wie hier endlich viele Ableitungen besitzt, kann man die Lösung aus einer Linearkombination
der Inhomogenität und ihren Ableitungen bilden. Bei einem Zeitverlauf A 0 e iωt heißt dies, daß
in Wechselspannungskreisen an allen Elementen sinusförmige Ströme und Spannungen
vorliegen.
Für den Zusammenhang von Strom- und Spannungsamplitude an den einzelnen Elementen gilt
daher:
R: U=IR, U 0 e iωt = I 0 e iωt R , also
•
C: I = C U, I 0 e iωt = CiωU 0 e iωt
•
L: U = L I , U 0 e iωt = LiωI 0 e iωt
U 0 = RI 0
U0 = 1 I0
iωC
U 0 = iωLI 0
(1)
156
R, 1 und iωL nennt man die Impedanzen der einzelnen Elemente. Formal ähneln die U0I0 iωC
Beziehungen dem Ohmschen Gesetz. An Stelle des Widerstandes tritt die Impedanz und an
Stelle des Momentanwertes die Amplitude.
b) Strom und Spannung an L und C
Betrachtet man eine Kapazität, an der eine Wechselspannung mit reeller Spannungsamplitude
U0 liegt,
U = U 0 sin ωt
dann ist I = iωCU0 sinωt. I 0 = iωCU 0 ist eine komplexe Zahl, die um π/2 gegenüber der reellen
Achse gedreht ist. I ist also um π/2 gegenüber U phasenverschoben. Der Zeitverlauf wird daher durch I = ωCU 0 cos ωt beschrieben (Abb.203).
Abb. 203 - 205: Strom- und Spannungsverlauf an einer Kapazität, Amplituden in der
Der Strom eilt der Spannung vor. Dies können wir uns mit der Tatsache veranschaulichen, daß
beim Laden eines Kondensators zuerst Strom fließen muß, bevor die Spannung ansteigt. Das
Verhältnis von U und I kann während einer Periode alle Werte von -∞ bis +∞ annehmen. Es
ist daher nicht sinnvoll, einen Widerstand zu definieren. Der Betrag der Impedanz einer Kapazität nimmt mit steigender Frequenz ab (Abb. 205). Je höher die Frequenz ist, desto durchlässiger wird der Kondensator. Bei einer Induktivität läuft umgekehrt die Spannung um π/2 vor
dem Strom, da U 0 = iωLI 0 (Abb. 206). Der Betrag der Impedanz ist |ZL| = ωL. Die Induktivität
sperrt zunehmend bei wachsender Frequenz.
Abb. 206 - 208: Verlauf von Strom und Spannung, komplexe Amplituden und Frequenzverhalten
der Impedanz bei einer Induktivität.
157
c) Wechselstromleistung
Durch eins der passiven Elemente R, L, C, fließe der Strom I, während die Spannung U anliegt. Da die Arbeit, die dazu benötigt wird, eine Ladung dq durch das Bauelement zu treiben,
dW = dqU ist, wird P = dW = IU . An einem Widerstand hat man
dt
U = U 0 sin ωt, I = I 0 sin ωt
Abb. 209: Die Leistung an einem Widerstand hat den zeitlichen Verlauf eines sin2.
Die Leistung ist also P = U 0 I 0 sin 2 ωt = U 0 I 0 1 (1 − cos 2ωt). Bei der Mittelung bleibt, da der
2
Mittelwert von cos ωt über ganze Perioden verschwindet,
⟨P⟩ = 1 U 0 I 0
2
Man definiert den Effektivwert von U und I über
U eff = 1 U 0 und I eff = 1 I 0
2
2
und kann dann wie gewohnt schreiben
⟨P⟩ = U eff I eff .
Wechselstrom Meßgeräte zeigen Effektivwerte an. Widerstände verbrauchen Leistung.
Bei einer Kapazität und einer Induktivität sind Spannung und Strom um 90° phasenverschoben. Man erhält daher für die in ihnen verbrauchte Leistung Terme, die proportional zu
sin ωtcos ωt = 1 sin 2ωt sind. Es wird also in einer Halbwelle genau so viel Energie an das
2
Element abgegeben, wie in der nächsten von ihm aufgenommen wird. Die mittlere Leistung
verschwindet. Man nennt solche Elemente Blindelemente. Vorsicht! Wir sind bei der Berechnung der Leistung zu der reellen Schreibweise zurückgekehrt. Dies ist notwendig, denn bei
Operationen mit quadratischen Termen führt die komplexe Schreibweise zu Fehlern.
158
3. Berechnung von Netzwerken
a) Die Grundgesetze
Wir hatten gelernt, daß die Berechnung von Netzwerken auf den Kirchhoffschen Gesetzen und
den Gesetzen, die den Zusammenhang von Strom und Spannung an den einzelnen Bauteilen
beschreiben, beruht. Bei Wechselstromnetzwerken benutzt man statt der allgemeinen U/I - Gesetze die entsprechenden Gesetze für die komplexen Amplituden (Gleichungen (1)). In den
Kirchhoffschen Gesetzen läßt sich der Zeitfaktor wegkürzen
Σ
Ui = 0
Σ Ii = 0
Knoten
⇒
⇒
Σ U 0i e iωt = 0
Σ I 0i e iωt = 0
Σ U 0i = 0
⇒
⇒
Σ I 0i = 0
Es gelten also für die komplexen Amplituden formal die gleichen Grundgesetze wie für U(t)
und I(t) in Widerstandsnetzwerken. Man kann daher wie bei Widerstandsnetzwerken die Methode der Knotenpunktspotentiale und der Maschenströmme anwenden. Die reellen Amplituden ergeben sich dann aus den Beträgen der komplexen Amplituden, die Phasenverschiebungen aus ihren Argumenten.
b) Beispiele
α) In der Schaltung von Abb. 210 sollen die Ströme durch die Elemente berechnet werden.
Abb. 210: An diesem Beispiel wird die Methode der Knotenpunktspotentiale bei Wechselstromnetzwerken demonstriert.
Die Anwendung der Methode der Knotenpunktspotentiale auf Knoten A ergibt:
UA − U1 UA − U2 UA − U3
+
+
=0
ZC
ZL
ZR
U
U
U A  iωC + 1 + 1  = U 1 iωC + 2 + 3
iωL R
iωL R
UA =
U 1 iωC + U 2 /iωL + U 3 /R
iωC + 1/iωL + 1/R
159
Hieraus lassen sich die Ströme durch die Elemente ausrechnen.
β) Der Tiefpaß (Abb. 211)
Abb. 211: Schaltbild eines RC Tiefpasses
Wir stellen uns vor, die Eingangsspannung Ue sei gegeben, Ua sei gesucht. Wir berechnen das
U
Verhältnis H(iω) = a , die sogenannte Übertragungsfunktion und können, wenn sie bekannt
U
ist, durch Multiplikation der Eingangsamplitude mit H die Ausgangsspannung Ua bestimmen.
1
U
ZC
1
= iωC 1 =
H(iω) = a =
Ue ZC + ZR R +
1 + iωRC
ω
H(iω) = H ⋅ H =
1
1 + (ωRC) 2
Diskussion:
Für kleine Frequenzen ωRC << 1 ist H = 1. Ausgangs- und Eingangssignal sind gleich groß
und in Phase. Für große Frequenzen ωRC >> 1 ist H = 1 und H = 1 . Das AusgangsωRC
iωRC
signal eilt dem Eingangssignal um 90° nach und seine Amplitude nimmt mit zunehmender Frequenz ab (Abb. 212 und 213).
Abb. 212 und 213: Amplitude und
Phase bei der Übertragung durch einen Tiefpaß.
Häufig wählt man eine logarithmische Darstellung und schreibt
H
dB
= 20 log
Ua
(sprich: H in Dezibel)
Ue
Die Darstellung |H|dB gegen logω/ω0 nennt man das Bodediagramm. Für ωRC << 1 erhält
man
160
H
dB
H
dB
= 20 log 1 = 0
für ωRC >> 1
= 20 log 1 = −20 log ωRC
ωRC
Identifiziert man im Bode Diagramm H
dB
mit der Ordinate (y) und log ωRC mit der Abszis-
se (x), so erkennt man, daß sich als Asymptoten Geraden mit der Steigung 0, bzw. -20 ergeben
(Abb. 214). Die Übertragungsfunktion nimmt bei hohen Frequenzen mit 20 dB pro Dekade ab.
Manchmal sagt man auch, sie nimmt mit 6 dB pro Oktave ab und meint damit, sie nimmt um
6dB ab, wenn sich die Frequenz um einen Faktor 2 erhöht. Viele Halbleiterbauelemente wie
z.B. Operationsverstärker haben alleine durch die Zuleitungskapazität und den Zuleitungswiderstand im Ausgang hier einen Tiefpaß. Ein Tiefpaß nter Ordnung hat n Blindelemente und
einen um den Faktor n steileren Frequenzgang und eine entsprechend stärkere Phasenverschiebung.
Abb. 214: Übertragungsfunktion eines Tiefpasses
4. Schwingkreise
a) Der Parallelschwingkreis
α) Wechselstrombetrachtung
Abb. 215: Ein verlustbehafteter Parallelschwingkreis
besteht aus parallel geschalteten L, R und C. Zur Anregung soll eine Stromquelle dienen.
Der Parallelschwingkreis ist eine Parallelschaltung von L und C (Abb. 215). Die Verluste von
L und C sind in R zusammengefaßt, wobei zu beachten ist, daß der verlustfreie Schwingkreis
einem R → ∞ entspricht. Um auf den Kreis Methoden für Gleichstromnetze anwenden zu können, transformiert man ihn in einen Gleichstromkreis, der statt der Elemente RLC Widerstände
161
von der Größe der zugehörigen Impedanzen enthält. Ströme und Spannungen werden zu
Gleichspannungen von der Größe der Amplituden (Abb. 216).
Abb. 216: Der Übergang zu Impedanzen hat den Sinn, Methoden der Gleichstromnetze anwenden zu können.
Wie bei der Parallelschaltung von drei Widerständen ergibt sich für die Gesamtimpedanz Zges
1 = 1 + 1 + 1 = 1 + iωC + 1
Z ges Z R Z C Z L R
iωL
I0
= 1 = 1 + i  ωC − 1 
ωL
U 0 Z ges R 
(2)
β) Der verlustfreie Schwingkreis
Abb. 219: Der verlustfreie Parallelschwingkreis
Für 1/R = 0 wird aus Gleichung (2)
U0 = I0
1
1 
i  ωC − ωL

= I0
iωL
1 − ω 2 LC
Zur Abkürzung setzen wir ω 20 = 1 . Dann wird
LC
U0 = I0
iωL
1 − (ω/ω 0 ) 2
U0 = I0
ωL
1 − (ω/ω 0 ) 2
Abb. 217 und 218: Amplitude
und Phase des verlustfreien Parallelschwingkreises in der Umgebung der Resonanz.
Für kleine ω ((ω/ω0)2 << 1) ist U 0 ≈ I 0 iωL. U eilt vor. Da bei kleinen Frequenzen L wie ein
Kurzschluß wirkt und daher der meiste Strom durch L fließt, bestimmt L das Verhalten der
162
Schaltung. Bei großen Frequenzen bestimmt umgekehrt C das Verhalten des Schwingkreises
U 0 ≈ −I 0 i/ω. I eilt vor.
Bei ω = ω0 wird bei endlicher äußerer Stromamplitude U0 unendlich und wegen Ui =ZiIi auch
die Amplitude des Stroms in L und C unendlich. Anders ausgedrückt, ergibt sich bei ω → ω0
nur dann eine endliche Spannung, wenn von außen kein Strom zugeführt wird (I0 = 0). Man
sagt, der Schwingkreis ist in Resonanz. Weil dann
ω 20 = 1
LC
ist ω 0 L = 1 und damit |ZL| = |ZC| . Da die Spannungen an L und C gleich ist, sind unter dieω0C
sen Bedingungen auch die Stromamplituden gleich: |IL| = |IC|. Da der Strom an C um π/2 voreilt, an L um π/2 nacheilt, ist die Phasendifferenz zwischen den Strömen an den beiden Elementen π. Dies kann man entweder dadurch beschreiben, daß man sagt, IC und IL überlagern
sich zu Null, so daß aus dem Verbindungsknoten zwischen C und L kein Strom herausfließt,
oder indem man sagt, der gesamte Strom, der aus C herausfließt, ist gleich dem, der in L hineinfließt. Die Ladung Q des Kondensators bewegt sich schwingend zwischen den beiden Kondensatorplatten hin und her. Von diesem Bild rührt der Name Schwingkreis her.
Abb 220 und 221: Die Ladung schwingt von
einer der Platten des Kondensators zur
anderen.
γ) Die freie Schwingung
Abb.
222:
Der
Schwingkreis
mit
Einschwingverhalten.
Ohne äußere Energiezufuhr nimmt die Amplitude eines anfangs angestoßenen Schwingkreises
ab. Man kann daher diesen Fall nicht ohne weiteres mit der Methode der Wechselstromkreise
berechnen. Die Methode der Knotenpunktspotentiale mit den allgemeineren U/I Beziehungen
auf den in Abb. 222 angedeuteten Knoten angewandt ergibt
163
•
U +CU
+ 1 ∫ Udt = I 0 e iωt
R
L
Diese Gleichung wird nach der Zeit differenziert und durch C dividiert
••
•
I iω
U + 1 U + 1 U = 0 e iωt
RC
LC
C
(3)
mit den Abkürzungen 1 = 2δ und 1 = ω 20 wird hieraus
RC
LC
••
•
U +2δ U +ω 20 U =
I 0 iω iω
e
C
(4)
Die freie Schwingung ergibt sich für den Sonderfall daß keine äußere Stromquelle angeschlossen ist. Die Differentialgleichung wird dann homogen.
••
•
U +2δ U +ω 20 U = 0
•
••
Mit dem Ansatz U = e λt  U= λU, U= λ 2 U  erhält man die charakteristische Gleichung
λ 2 + 2δλ + ω 20 = 0
mit
der
Lösung
λ = −δ ± δ 2 − ω 20 .
Für
kleine
Dämpfung
δ < ω 20
erhält
man
λ = −δ ± i ω 20 − δ 2 . Mit der Abkürzung ω 2 = ω 20 − δ 2 wird die Lösung U = e −δt (Ae iωt + Be −iωt ) .
A und B können aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden. In reeller Schreibweise ergibt
sich eine gedämpfte Schwingung der Form (s. Abb. 223)
U = U 0 e −δt cos (ωt + ϕ)
Abb. 223: Zeitlicher Verlauf der freien gedämpften Schwingung.
164
τ = 1 ist die Zeit, in der die Schwingungsamplitude auf 1/e des Anfangswertes abfällt. Die Anδ
zahl der Schwingungen bis zu dieser Zeit ist
τ = 2RCω 0 = RCω 0 = R
π
πω 0 L
2π
T
Hierbei wurde ausgenutzt, daß ω 0 C = 1 und ω ≈ ω0.
ω0L
δ) Die Güte des Schwingkreises
Die Dimensionslose Zahl Q = Rω 0 C = R , d.h. das Verhältnis von Ohmschen Widerstand zu
ω0L
Blindwiderstand |Z| nennt man die Güte des Kondensators bzw. der Spule, Wenn R ein im Ersatzschaltbild parallel geschalteter Widerstand ist. Bei Resonanz ist der Strom, den die Quelle
liefert, gegeben durch
IR =
U0
R
Dieser leistet an R Arbeit. Man nennt ihn daher Wirkstrom. Der Strom, der zwischen L und C
U
hin und herpendelt, ist gegeben durch I B = 0 . Weil er in Blindelementen fließt, leistet er keiωL
ne Arbeit und heißt Blindstrom. Das Verhältnis von Blind- zu Wirkstrom ist
ω 0 /ωL
= R =Q
ωC
ω 0 /R
also gleich der Güte des Schwingkreises. Ein Schwingkreis kann daher bei einer bestimmten
Frequenz wie ein Transformator einen stärkeren Strom liefern als man hineinsteckt. Beschreibt
man die Verluste durch einen zu L in Serie geschalteten Widerstand mit r, so ist für hohe Güten, d.h. r << ωL
Q=
1 = ω0L
r
rω 0 C
ε) Die erzwungene Schwingung
Die Schaltung von Abb. 222 mit Wechselstromquelle führt zu einer inhomogenen Differentialgleichung (Gleichung (3)). Der eingeschwungene Zustand wird durch die spezielle Lösung der
inhomogenen Gleichung beschrieben und stellt physikalisch eine erzwungene Schwingung dar.
Nach der Theorie der Differentialgleichungen löst man die inhomogene Gleichung mit dem
Ansatz
165
U = U 0 e iωt
•
 U= iωU 0 e iωt ,

••
U= −ω 2 U 0 e iωt 
wobei jetzt ω die vorgegebene Frequenz des äußeren Kreises, hier der Stromquelle, ist. In
Gleichung (3) eingesetzt erhält man
I iω
−ω 2 U 0 e iωt + iω U 0 e iωt + 1 U 0 e iωt = 0 e iωt
LC
C
RC
Indem man diese Gleichung durch eiωt dividiert und mit C multipliziert, erhält man
iω
I
iωC + 1 + 1 = 0
R iωL U 0
die gleiche Formel, die wir oben aus den Impedanzen erhalten hatten (Gleichung (2)).
η) Die Resonanzkurve
Die Resonanzkurve stellt
U0
in Abhängigkeut von ω dar.
I0
I0
= 1 + i  ωC − 1 
ωL
R
U
2
2
I0
= 12 +  ωC − 1 
ωL
U0
R
2
2 2

R
C
1
ω2 − 1  
= 2 1+
LC  
ω2 
R 
Berücksichtigt man, daß RC = 1 ,
2δ
U0
=
I0
ω 20 = 1 , so schreibt sich |I0/U0|2:
LC
R
ω 2 −ω
1 +  ω/RC0 
2
2
Dies ist eine glockenförmige Kurve, die bei kleinem ω mit ω ansteigt, bei großem ω mit 1/ω2
U0
= R . Bei Resonanz fließt kein Strom in die Parabfällt. Bei ω = ω0 hat sie ein Maximum
I0
allelschaltung von C und L. Der Kreis verhält sich nach außen so, als ob nur R angeschlossen
166
Abb. 224: Die Spannungsamplitude folgt in Abhängigkeit von der Frequenz einer Resonanzkurve.
wäre. Vorsicht! Hier wurde die Resonanzkurve für U(ω) berechnet, für den Fall, daß der Kreis
von einer Stromquelle gespeist wird. Für andere Quellen oder andere elektrische Größen kann
das Maximum etwas verschoben sein.
Bei sehr kleinen Verlusten ist die gesamte Resonanzkurve nur in einem schmalen Bereich um
ω0 von Null verschieden. Daher kann man die Näherung machen:
∆ω = ω 0 − ω << ω 0
Dann ist
ω 20 − ω 2 = (ω 0 − ω)(ω 0 + ω) ≈ ∆ω2ω
Die Resonanzkurve hat dann die Form
U0
I0
2
F(x) =
=
R2

1 +  ∆ω
δ 
2
1
1 + ( xxh )
2
Abb.225: Bei kleinen Verlusten ist die Resonanzkurve ein Lorentzprofil.
F(x) nennt man ein Lorentzprofil (Abb.225). Es ist symmetrisch zu x = 0, fällt in den Flügeln
mit 1/x2 ab und hat eine Halbwertsbreite xh. Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve für kleine
Dämpfung ist δ. Messen der Halbwertsbreite ermöglicht die Bestimmung der Güte von L und
C, bei Spektrallinien die Bestimmung der Häufigkeit von Stößen, die zu einer Dämpfung
führen.
167
ζ) Schwingkreis als Filter
Legt man statt einer Stromquelle eine Spannungsquelle an den Schwingkreis, so ist U0 vorgegeben, I0 ergibt sich im verlustfreien Fall aus
I0 =
1 − (ω/ω 0 ) 2
U0
ωL
Bei Resonanz überlagern sich wieder IC und IL zum Gesamtstrom Null, so daß trotz der außen
angelegten Spannung kein Strom fließt. Der Schwingkreis verhält sich wie eine Sperre für diese Frequenz. Er wird daher zum Herausfiltern einer bestimmten Frequenz benutzt. Man spricht
dann von einer Bandsperre.
Abb. 226: Der Parallelschwingkreis als Filter (Bandsperre)
b) Der LC - Transformator
Abb. 227: Die optimale Anpassung einer Quelle an den
Verbraucher liegt vor, wenn der Widerstand des Verbrauchers gleich dem Innenwiderstand der Quelle ist.
Eine Spannungsquelle gibt das Maximum an Leistung an einen Lastwiderstand RL, wenn dieser gleich dem Innenwiderstand der Quelle ist. Diese Aussage folgt aus einer einfachen Minimax Aufgabe mit RL als unabhängige Variable. Wir stellen uns einen Wechselstromgenerator
vor mit Innenwiderstand Ri, der auf einem Lastwiderstand r << Ri arbeiten soll. Als Anpassungsglied ist ein Schwingkreis geeignet, dessen Bedämpfung durch den Lastwiderstand r erfolgt. Wenn man L und C so wählen kann, daß das gesamte an den Sender angeschlossene
Netzwerk einen Widerstand Ri hat, sieht der Generator seine optimale Last und die gesamte
Leistung wird auf r übertragen, da L und C keine Leistung verbrauchen.
Die Gesamtimpedanz des Kreises ist (s. Abb. 228).
168
Abb. 228: Ein LC Glied kann einen nicht passenden
Widerstand auf den erforderlichen Arbeitswiderstand
transformieren, wobei die Verluste nur durch die Verluste der Bauelemente des Transformationsgliedes gegeben sind.
r − iωL
1 = iωC + 1
= iωC + 2
Z
r + iωL
r + (ωL) 2
Die komplexe Last muß zwei Bedingungen erfüllen: Der Realteil von Z muß Ri sein, der Imaginärteil Null. Wir betrachten statt dessen die reziproken Werte der Last. Wenn der Imaginärteil des Reziproken Widerstandes verschwindet, verschwindet er auch für den Widerstand
selbst.
i. Re  1  = 1
Z
Ri
1 =
r
R i r 2 + (ωL) 2
r =
Ri
1

1 +  ωL
r 
2
2
 ωL  = R i − 1
r
 r 
ii. Im  1  = 0
Z
iωC −
iωL
=0
2
r + (ωL) 2
ωC =
ωL/r 2

1 +  ωL
r 
2
ωL
Hier wird der vorher gewonnene Ausdruck für r eingesetzt. Die Gleichung hat dann die
Form
ωCr =
Ri
r
−1
Ri
r
ωL und ωC lassen sich also aus gegebenen r und Ri berechnen.
c) Der Serienschwingkreis
Schaltet man L und C in Serie mit einer Spannungsquelle, so fließt durch beide Elemente der
gleiche Strom, die Spannungen sind aber um π phasenverschoben. Die Amplituden der Spannungen sind im allgemeinen ungleich. Bei Resonanz sind wie beim Parallelschwingkreis die
Blindwiderstände und mit ihnen die Spannungsamplituden gleich. Da die Spannungen untereinander eine Phasenverschiebung von π haben, überlagern sie sich zu Null. Obgleich also die
169
äußere Spannung Null ist, liegt an L und C eine Spannung. Im realen Fall, d.h. unter Berücksichtigung von Verlusten, erzeugt eine kleine äußere Spannung eine große Spannung an L und
C. Formal ähnelt der Serienschwingkreis einem Spannungsteiler. Die Spannung beim Abgriff
ist allerdings gegenüber der außen angelegten Spannung erhöht.
Abb. 229: Der Serienschwingkreis
Entsprechend hat der Parallelschwingkreis formale Ähnlichkeit mit einem Stromteiler. Er führt
aber im Gegensatz zu diesem zu einer Stromerhöhung in einem der Zweige und nicht zu einer
Stromerniedrigung.
170
KAPITEL H
Die Maxwellschen Gleichungen (Zusammenfassung)
1. Die Grundgleichungen
Die Maxwellschen Gleichungen geben die Quell- und Wirbelstärke des elektrischen und magnetischen Feldes an. Jede Gleichung kann in einer differentiellen und einer integralen Form
geschrieben werden. In differentieller Schreibweise heißen die Maxwellschen Gleichungen
•
rot E = −B
ρ
div E = ε
0
•
rot B = µ 0  j + ε 0 E 
div B = 0
•
ρ ist die Ladungsdichte, j die Stromdichte und ε 0 E die Dichte des Verschiebungsstroms. In
kartesischen Koordinaten lassen sich die Differentialoperationen durch den Nabla Operator beschreiben rot v = ∇ × v , div v = ∇ • v, grad ϕ = ∇ϕ . Um aus der differentiellen Form die integrale Form abzuleiten, benötigt man den Gaußschen und den Stokeschen Integralsatz.
Gaußscher Integralsatz
∫div vdV= ∫ v • dA
Stokescher Integralsatz
∫rot v•dA = ∫ v • ds
Beim Gaußschen Satz steht rechts ein Flächenintegral, das sich auf die gesamte Oberfläche erstreckt, über das auf der linken Seite der Gleichung integriert wird. Beim Stokeschen Satz steht
rechts ein Linienintegral, das sich über die Umrandung der Fläche erstreckt, über die auf der
linken Seite integriert wird. Durch Integration der differentiellen Form der Maxwell Gleichungen über ein Volumen (bei div) oder eine Fläche (bei rot) erhält man:
•
∫rot E•dA = −∫ B •dA
•
∫ E•ds = −∫ B •dA
171
•
Dies ist das Induktionsgesetz von Faraday U ind = −Φ
∫div EdV= ε 0 ∫ ρdV
1
∫ E • dA = ε 0 ∫ ρdV
1
Dies ist das Gaußsche Gesetz Φ el = ε1 Q
 j + ε 0 E•  • dA
•
=
µ
rotB
dA
0
∫
∫

•
∫ B • ds = µ 0 ∫  j + ε 0 E  • dA
Dies ist das Amperesche Gesetz ∫ B • ds = µ 0 (I + I versch. )
∫div BdV = 0
∫ B • dA = 0
2. Einfluß von Materie
Bei Anwesenheit von Materie muß in Q die gebundene Ladung und in j der gebundene Strom
mitberücksichtigt werden. Die Flächenladungsdichte durch gebundene Ladungen beschreibt
man durch den Polarisationsvektor P, die Stromdichte pro Länge durch den Magnetisierungsvektor M. Diese geben gleichzeitig das elektrische bzw. magnetische Dipolmoment pro Volumen an.
Eine andere Möglichkeit für die Berücksichtigung der Stoffeigenschaften besteht darin, in den
obigen Gleichungen µ0 durch µ0µr und ε0 durch ε0εr zu ersetzen und nur die freie Ladung bzw.
den freien Strom in die Maxwellgleichungen einzusetzen.
Es gilt
D = εrε0E = ε0E + P
B = µrµ0H = µ0H + M
172
Die freien Ströme werden über das Ohmsche Gesetz durch die Feldstärke bestimmt. Im einfachsten Fall, d.h. ohne Magnetfeld und für ein ruhendes, isotropes Medium gilt das Ohmsche
Gesetz in der Form (Kap. D, Gleichung (3))
j = σE
1 j × B und bewegter Materie
Bei Anwesenheit des Halleffektes mit der Hallfeldstärke E H = − ne
mit einem induzierten Feld E = v × B hat man das Ohmsche Gesetz in magnetohydrodynamischer Näherung
1 j × B
j = σ  E + v × B − ne

3. Technische Hilfsbegriffe
Spannung
U = ∫ E • ds
Kapazität
Q = CU
Induktivität
Φ = LI
4. Stetigkeitsbedingungen
Zur Berechnung der Felder benötigt man außer den Maxwellschen Gleichungen Bedingungen
für das Verhalten der Felder an Grenzflächen
Da Flächenladungen vorkommen können, sieht man, wie das Beispiel des Plattenkondensators
zeigt, daß sich E⊥ unstetig ändern kann, während B⊥ wegen div B = 0 stetig ist. Dafür kann
sich, wenn Oberflächenströme fließen, wegen ∫ B • ds ≠ 0 B|| sprunghaft ändern (Abb. 230).
Abb.230: Die Komponente von E, die senkrecht auf der Grenzfläche steht, und die von B, die parallel zur ihr steht, können sich unstetig ändern.
173
5. Typen von partiellen Diff. Gleichungen, die sich aus den Maxwell
Gleichungen ergeben
a) Die Potentialgleichung
In der Elektrostatik kann man wegen
∫ E • ds = 0
ein Potential des elektrischen Feldes
definieren
r
ϕ = − ∫ E • ds
r
ρ
Aus der Umkehrung E = −grad ϕ wird mit div E = ε
0
ρ
div grad ϕ = − ε
0
Dies ist die Poisson Gleichung. In kartesischen Koordinaten erhält man


∇ • (∇ϕ) = 


∂
∂x
∂
∂y
∂
∂z
 
 
 •
 
 
∂ϕ
∂x
∂ϕ
∂y
∂ϕ
∂z

 ∂2ϕ ∂2ϕ ∂2ϕ
ρ(x, y, z)
 = 2 + 2 + 2 = − ε0
∂y
∂z
 ∂x

Die Poisson Gleichung ist vom Typ einer Potentialgleichung
b) Wellengleichung
Im Vakuum ist j = 0 und damit
•
rot E = −B
•
•
rot B = µ 0 ε 0 E = 12 E
Aus diesen Gleichungen wird E eliminiert, indem die erste Gleichung nach der Zeit differen•
••
ziert wird rot E = −B und von der zweiten die Rotation gebildet wird
••
rot rot B = −B
Diese Gleichung läßt sich mit der Bedingung div B = 0 umschreiben in
••
∇2B = B
174
Dieser Typ heißt Wellengleichung. Wir veranschaulichen dies an einer einfachen Geometrie
einer eindimensionalen Welle mit
B 
B =  0  , ∇ =
 
0 
 0 
 0 


 ∂ 
 ∂z 
Dann ist
 ex 0 B   0

 
rot B =  e y 0 0  =  ∂B

  ∂z
∂
 e z ∂z 0   0
 ex 0 0
∂B

rot(rot B) =  e y 0 ∂t

∂
 e z ∂z 0





  − ∂22 B
  z
 = 0
 
  0





Die eindimensionale Wellengleichung hat also die Form
∂ 2 B 1 ••
=
B
∂z 2 c 2
Zur Lösung führt man die Transformation z = vt + ξ ein. f(ξ ) ist dann ein beliebiges Signal,
das in einem mit konstanter Geschwindigkeit v bewegten System seine Form nicht ändert.
Derartige Signale nennt man Wellen. Sie besitzen im ruhenden System die Abhängigkeit
f(z - vt) . Eine solche Funktion erfüllt die Wellengleichung, wie man durch Einsetzen erkennt.
Abb. 231: Die Wellengleichung wird von einer beliebigen Funktion gelöst, die die die Abhängigkeit
f(z - vt) besitzt. Dies ist ein Signal, das mit konstanter
Geschwindigkeit läuft und seine Form nicht ändert.
f(ξ) = f(z − vt) mit ξ = z − vt
∂f ∂f ∂ξ ∂f
=
=
∂z ∂ξ ∂z ∂ξ
es folgt
∂2f ∂2f
=
∂z 2 ∂ξ 2
175
∂f ∂f ∂ξ
∂f
=
= −v
∂t ∂ξ ∂t
∂ξ
es folgt
2
∂2f
2∂ f
=
v
∂ξ 2
∂ξ 2
Einsetzen in die Wellengleichung führt zu
∂2f v2 ∂2f
=
∂ξ 2 c 2 ∂ξ 2
Die Differentialgleichung wird erfüllt, wenn v = c. Die Maxwellsche Theorie sagt also Wellen
voraus, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Für eine größenordnungsmäßige Ab∂
∂
schätzung hätte man
durch 1 und durch 1 ersetzt, wobei T und L eine charakteristische
∂z
∂t
L
T
Zeit und eine charakteristische Länge der Lösungsfunktion sind. Die Wellengleichung ergibt
dann
B = 1 B
L2 c2 T2
und damit L = c . Man erwartet also ein Phänomen, das sich mit
T
Lichtgeschwindigkeit ausbreitet.
c) Die Diffusionsgleichung
Man betrachtet eine leitfähige Materie, etwa Kupfer in einem zeitabhängigen Magnetfeld. Hall
Effekt und Verschiebungsstrom sollen vernachlässigbar sein. Dann gilt
•
rot E = −B
rot B = µ 0 j
j = σE
Man eliminiert aus den letzten beiden Gleichungen j, und erhält rot B = µ 0 σE . Durch Bildung
der Rotation von dieser Gleichung und Einsetzen der ersten Gleichung kann man E eliminieren.
•
rot(rot B) = −µ 0 σ B
Mit Hilfe der Vektoridentität rot rot B = −∇ 2 B + grad div B und div B = 0 ergibt sich die
Diffusionsgleichung
•
∇2B = µ0σ B
Im eindimensionalen Fall erhält man
176
•
∂2
σ
=
µ
B
B
0
∂z 2
Hiermit wird die Diffusion von Magnetfeldern durch leitfähige Materie beschrieben. Bei einer
Dimensionsbetrachtung ergibt sich
B = µ σB
und damit T2 = µ 0 σ
0
2
T
L
L
Mit dieser Formel läßt sich abschätzen, wie weit ein Magnetfeld in der Zeit T diffundiert. Bei
σ → ∞ wird L = 0. Materialien mit hoher Leitfähigkeit eignen sich zum Abschirmen von zeitlich veränderlichen Magnetfeldern. Ein Wechselfeld dringt nur insgesamt um
L≈
1
=
µ 0 σ/T
1
µ 0 σν
ein. Diesen Effekt nennt man Skineffekt.
Durchsetzt das Magnetfeld den Leiter, so ändert es sich nicht mehr, auch wenn sich der Leiter
bewegt. Man spricht von eingefrorenem Magnetfeld. Bei σ → 0 durchdringt es den Körper
wie es ein Vakuum durchdringen würde.
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