Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter C.F.Classen Vorlesung Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind etwas Seltenes: Nur etwa eines von tausend Kindern ist betroffen, während es im Erwachsenenalter ja fast ein Drittel der Bevölkerung ist. Kinder haben andere Arten von „Krebs“ als Erwachsene. Die Behandlung von Kindern ist eine andere. Die Heilungschancen sind bei Kindern viel besser: ungefähr zwei Drittel werden wieder ganz gesund. Universitätsmedizin Rostock Krankheiten -Häufigkeit Akute lymphatische Leukämie 28% Akute myeloische Leukämie 4% Hirntumoren 19% Non-Hodgkin-Lymphome 7% Morbus Hodgkin 7% Neuroblastom 9% Nephroblastome 7% Hepatoblastome 1% Osteosarkom 3% Ewingsarkome 3% Rhabdomyosarkome 5% Keimzelltumoren 3% Karzinome 3% Andere 4% Universitätsmedizin Rostock Die Leukämien Universitätsmedizin Rostock Einteilung der Leukämien Quelle: Begemann/Rastetter Universitätsmedizin Rostock Einteilung der Leukämien AML ALL Universitätsmedizin Rostock Quelle: Begemann/Rastetter Klassische Initialsymptome der Akuten Leukämie im Kindesalter: ALL AML Anämie 43 % 25 % Blutungszeichen 48 % 33 % Infektion/Fieber 61 % 34 % Gelenkbeschwerden 23 % 18 % Lymphknotenschwellung 50 % 14 % Hepatosplenomegalie 68 % 55 % Keines der Symptome ist pathognomonisch für eine Leukämie Keines der Symptome muß notwendigerweise vorhanden sein Universitätsmedizin Rostock Labor-Diagnostik Blutbild: ALL/AML (normochrome) Anämie Thrombopenie Leukozytose / Leukopenie „Blasten“ im Differentialblutbild 88 % 75 % 50 % ca. 80% Klinische Chemie LDH-Erhöhung, Harnsäure-Erhöhung insgesamt eher wenig spezifisch Knochenmarkpunktion -> Diagnosestellung Universitätsmedizin Rostock Eine Leukozytose liegt nur bei ca. 40 % der kindlichen Leukämien vor! Eine normale Gesamtleukozytenzahl schließt eine Leukämie nicht aus! Universitätsmedizin Rostock Periphere Blutausstriche bei Fällen von akuter lymphatischer Leukämie: „Blasten“ Universitätsmedizin Rostock Normales Knochenmark Universitätsmedizin Rostock Knochenmark bei Akuter Lymphoblastischer Leukämie Universitätsmedizin Rostock Wann sollte eine Leukämie sollte durch Knochenmarkpunktion ausgeschlossen werden ? Di- oder Trizytopenie ohne andere erkennbare Ursache Hepatosplenomegalie / gen. Lymphadenopathie ohne andere erkennbare Ursache Bei „rheumatischen Symptomen“ spätestens vor Beginn einer Steroidbehandlung Universitätsmedizin Rostock Zur Einteilung der Leukämien Diagnostische Methoden: 1. Morphologie Rolle v.a. für AML 2. Durchflußzytometrie Rolle v.a. für ALL 3. Genetik Rolle v.a. für spez. Untergruppen Universitätsmedizin Rostock Morphologische Einteilung der Leukämien FAB-Klassifikation ALL L1 L2 L3 AML M0 M1 M2 M3 M4 / M4-eo M5a / M5b M6 M7 Universitätsmedizin Rostock Durchflußzytometrie Flowcytometrie / FACS-Analyse Färbung der Zellen durch Fluoreszenzmarkierte monoklonale Antikörper Charakterisierung auf Einzelzellebene nach Größe, Granularität und Antikörperprofil Die Durchflußzytometrie ist besonders wichtig für die Einteilung der ALLs! Universitätsmedizin Rostock Spezielle Diagnostik: Durchflußzytometrie Forward/Side-Scatter: „Gating“ nach Größe und Granularität Antikörperprofil Hier: B-Vorläufer ALL Universitätsmedizin Rostock Genetik FISH: Fluoreszenz-in situ- Hybridisierung - Metaphase - Interphase konv. Zytogenetik PCR Translokationen Rearrangements MRD- und Rezidiv-Diagnostik Universitätsmedizin Rostock Zur ALL - welche Untergruppen gibt es? Durchflußzytometrie (CD-Antigene) Welchem Entwicklungsstadium normaler T- oder B-Zellen entspricht das Antigenmuster der Leukämie-Zelle in etwa? Mature B-Cell CD19 CD20 sIgG Quelle: Pizzo/Poplack Universitätsmedizin Rostock CD10 CALLA = Common-ALL-Antigen Marker der häufigsten ALL im Kindesalter Mature B-Cell CD19 CD20 sIgG Universitätsmedizin Rostock Quelle: http://www.hmds.org.uk/ ALL - Morphologie: FAB-Klassifikation FAB L1 FAB L2 Mature B-Cell CD19 CD20 sIgG FAB L3 Universitätsmedizin Rostock ALL - Initiale Notfallsituationen - ? Universitätsmedizin Rostock ALL - Initiale Notfallsituationen (1): Tumor-lysis-Syndrom / Nierenversagen Problem: Massiver Anfall von Harnsäure, Kalium, Phosphat Therapeutische Maßnahmen: kaliumfreie forcierte alkalische Diurese Allopurinol, Uratoxidase, Hämodialyse kontrolliert einschleichende Leukämie-Therapie ALL: langsame Steigerung von Prednison Hyperleukozytose: Durchblutungsstörung ZNS / Lunge Therapeutische Maßnahmen: Hydrierung - ggf. Austauschtransfusion Anämie Thrombopenie: Transfusion (bestrahlt!) Universitätsmedizin Rostock ALL - Initiale Notfallsituationen (2) Mediastinaltumor/Pleuraerguß Häufig bei T-ALL bzw. T-NHL Kurze Anamnese, rascher Progress Cave: Narkoserisiko! Universitätsmedizin Rostock Pleuraerguß - Pleurapunktion: Entlastung und diagnostische Materialgewinnu ng Universitätsmedizin Rostock Zur ALL - Therapie: Cave: Die B-ALL (FAB L3) wird wie ein Burkitt-Lymphom behandelt! Staffelung Intensivtherapie Erhaltungstherapie ZNS-Therapie Risiko-Stratifizierung Universitätsmedizin Rostock Zur Therapie der ALL: Multizentrische Therapiestudien Universitätsmedizin Rostock Zur Therapie der ALL: Multizentrische Therapiestudien „Cortison“-Vorphase 1 Wo. Induktion Konsolidierung: ZNS-Therapie Re-Induktion Erhaltungstherapie ZNS-Therapie durch Radiatio heute nur noch in Ausnahmen! Universitätsmedizin Rostock Zur Therapie der ALL: Multizentrische Therapiestudien Stratifizierung prä-B-ALL? T-ALL? HochrisikoALL? Standard -RisikoGruppe Mittlere Risikogruppe MRD besonders günstig MRD mittelwertig HR: Prednison-PoorResponse t(9;22) = Ph+ = bcr/abl t(4;11) NR d33 Ungünst. MRD Universitätsmedizin Rostock Was heißt „MRD“ ? Für den größten Teil der Zeit ist die akute Leukämie eine Krankheit, die wir behandeln, ohne sie zu sehen. Universitätsmedizin Rostock Quantifizieriung mittels real-time PCR: Während der Kettenreaktion wird das Amplifikat durch Fluoreszenz quantitativ gemessen Universitätsmedizin Rostock ALL - Prognose: Prognose (rezidivfreies Überleben): Standard-Risiko-Gruppe Mittlere Risiko-Gruppe ca. 90 % ca. 80% Hochrisiko-Gruppe ca. 40-50% ggf. mit intensiveren Therapieverfahren, d.h. Knochenmarktransplantation ALL-Rezidiv: Prognose für rezidivfreies Überleben (alle Gruppen): ca. 60% (Spätrezidiv besser als Frührezidiv) Universitätsmedizin Rostock Akute Myeloische Leukämien Universitätsmedizin Rostock Einteilung der Akuten Myeloischen Leukämien: AML FAB M0 Undifferenzierte myloische Leukämie - sehr unreife myeloische Zellen Universitätsmedizin Rostock AML FAB M2 Myeloblastenleukämie mit Ausreifung man findet unreife, aber auch reife myeloische Zellen Universitätsmedizin Rostock Quelle http://www.hmds.org.uk/insets/m3a.htm Einteilung der Akuten Myeloischen Leukämien: AML FAB M3 (APL) Promyelozytenleukämie: mit zahlreichen Auerstäbchen (Variante M3v: ohne Auerst.) - typisch: t(15;17) Universitätsmedizin Rostock Quelle: http://www.bloodjournal.org/cgi/content/abstract/96/4/1287 http://pathy.med.nagoya-u.ac.jp/atlas/img/t1/AML3 u.ac.jp/atlas/img/t1/AML3-3.jpg Einteilung der AMLs: AML FAB M4 mit Auerstäbchen - Auerstäbchen stellen hier einen günstigen Prognosefaktor dar! Auerstäbchen entsprechen kristallisierten Granula, kommen nur bei AML M1, M2, M3, M4 vor, selten bei MDS. Universitätsmedizin Rostock Ihr Vorkommen beweist das Vorliegen einer AML/MDS. AML FAB M5a: Monozytenleukämie ohne Ausreifung (M5b: mit Ausreifung) Universitätsmedizin Rostock Therapie der AML Intensive Blocktherapie Intrathekale Therapie mit Cytarabin Erhaltungstherapie für 1 Jahr - eine der intensivsten konventionellen Therapien, die es in der päd. Onkologie gibt. Universitätsmedizin Rostock Prognose der AML Rezidivfreies Überleben: ca. 60-70 % Standard-Risiko-Formen AML FAB M3 AML FAB M4eo ohne Hyperleukozytose Hoch-Risiko-Formen alle übrigen Rezidiv-AML: sehr schlechte Prognose! Bei Hoch-Risiko-Formen Knochenmarktransplantation erwägen! Bei Rezidiv ohne KMT kaum eine Chance. Universitätsmedizin Rostock 41 June 2011 Universitätsmedizin Rostock