Krankenhaushygiene Nosokomiale Infektionen, Ines Kappstein 2004

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Die Autorin
3. Auflage
2004
Nosokomiale
Infektionen
1951 in Potsdam geboren,
1961 – 1970 humanistisches Gymnasium in Offenburg,
1970 Abitur, 1970 – 1976 Medizinstudium in Freiburg,
1976 Staatsexamen, 1977 – 1978 Medizinalassistentenzeit, 1978 Approbation, 1978 – 1979 Institut für
Allgemeine Hygiene und Bakteriologie der Universität
Freiburg, 1979 – 1984 Familienpause,
1984 – 1998 Chirurgische Klinik und
Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum
Freiburg, 1986 Promotion, 1989 Fachärztin für
Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie,
1993 Habilitation, 1997 Fachärztin für Hygiene und
Umweltmedizin, seit 1998 Institut für Medizinische
Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der
Technischen Universität München
ISBN 3-88603-838-6
03041.0/E24.50
Das Buch richtet sich an Ärzte, Pflegepersonal und
Studenten sowie an interessierte Personen aller Berufe
mit Bezug zu medizinischen Fragestellungen (z. B. in
Langzeitpflege- und Behinderteneinrichtungen). Es
stellt eine umfassende Einführung in die prinzipiellen
Übertragungswege von Erregern sowie die Entstehung
und Prävention von Krankenhausinfektionen dar und
informiert detailliert über die praktische Umsetzung
des § 23 Infektionsschutzgesetz. Darüberhinaus werden die
grundlegende Labor-Diagnostik (Entzündungsparameter,
Abnahme und Transport von mikrobiologischem
Untersuchungsmaterial) behandelt sowie ausführliche
Informationen zum Einsatz von Antibiotika und
Antimykotika bei empirischer und gezielter Therapie
gegeben.
Ines Kappstein
Über das Buch
Nosokomiale
Infektionen
Prävention, Labor-Diagnostik,
Antimikrobielle Therapie
Ines Kappstein
3. Auflage 2004
Die Autorin
3. Auflage
2004
Nosokomiale
Infektionen
1951 in Potsdam geboren,
1961 – 1970 humanistisches Gymnasium in Offenburg,
1970 Abitur, 1970 – 1976 Medizinstudium in Freiburg,
1976 Staatsexamen, 1977 – 1978 Medizinalassistentenzeit, 1978 Approbation, 1978 – 1979 Institut für
Allgemeine Hygiene und Bakteriologie der Universität
Freiburg, 1979 – 1984 Familienpause,
1984 – 1998 Chirurgische Klinik und
Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum
Freiburg, 1986 Promotion, 1989 Fachärztin für
Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie,
1993 Habilitation, 1997 Fachärztin für Hygiene und
Umweltmedizin, seit 1998 Institut für Medizinische
Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der
Technischen Universität München
ISBN 3-88603-838-6
03041.0/E24.50
Das Buch richtet sich an Ärzte, Pflegepersonal und
Studenten sowie an interessierte Personen aller Berufe
mit Bezug zu medizinischen Fragestellungen (z. B. in
Langzeitpflege- und Behinderteneinrichtungen). Es
stellt eine umfassende Einführung in die prinzipiellen
Übertragungswege von Erregern sowie die Entstehung
und Prävention von Krankenhausinfektionen dar und
informiert detailliert über die praktische Umsetzung
des § 23 Infektionsschutzgesetz. Darüberhinaus werden die
grundlegende Labor-Diagnostik (Entzündungsparameter,
Abnahme und Transport von mikrobiologischem
Untersuchungsmaterial) behandelt sowie ausführliche
Informationen zum Einsatz von Antibiotika und
Antimykotika bei empirischer und gezielter Therapie
gegeben.
Ines Kappstein
Über das Buch
Nosokomiale
Infektionen
Prävention, Labor-Diagnostik,
Antimikrobielle Therapie
Ines Kappstein
3. Auflage 2004
IV
Die Autorin:
Prof. Dr. med. Ines Kappstein
Abteilung für Infektionshygiene
Institut für Medizinische Mikrobiologie,
Immunologie und Hygiene
Technische Universität München
Trogerstraße 32, 81675 München
E-Mail: [email protected]
Auslieferungen W. Zuckschwerdt Verlag GmbH
Brockhaus Commission
Verlagsauslieferung
Kreidlerstraße 9
D-70806 Kornwestheim
Österreich:
Maudrich Verlag
Spitalgasse 21a
A-1097 Wien
USA:
Scholium International Inc.
151 Cow Neck Road
Port Washington
11050 New York
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen
handelt.
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vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein
anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden.
© 2004 W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Industriestr. 1, D-82110 Germering/München.
Printed in Germany by grafik + druck, München
ISBN 3-88603-838-6
V
Kurzer Hinweis für interessierte LeserInnen:
Es geht in diesem Buch nicht um …
2. April 1960
… Charlie Brown, Lucy und Linus, das berühmteste, wenn auch als solches weniger bekannte ‘cloud baby’1, hoffentlich auch nicht …
1
Editorial: The preposterous cloud baby. American Journal of Diseases in Children 100 (1960) 160, siehe S. 18
VI
… um Snoopy und sein Autorenschicksal2, …
… wohl aber um Neugeborene, Staphylokokken u.v.a.m. Alles keine Peanuts.
IKa
2 Vielleicht
hat er ja nur den ‘Kategorischen Inhibitiv’ nicht ausreichend beachtet: ‘Publiziere nichts, von dem
du nicht vollkommen überzeugt bist, daß du es unbedingt lesen müßtest, wenn es ein anderer geschrieben hätte’ Küper: Goldtammers Archiv für Strafrecht 1991, S. 199
VII
Inhalt
A
Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV
Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV
Entstehung von Infektionen
1
Epidemiologie übertragbarer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2
Übertragung von Erregern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
3
Virale Infektionen durch Blutkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
B
Prävention nosokomialer Infektionen
1
Standard-Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3
Invasive Maßnahmen
– Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Blasenkatheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Injektionen und Punktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Intravasale Katheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
61
65
71
4
5
6
Die vier häufigsten Infektionen
– Bakteriämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Harnwegsinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Postoperative Infektionen im Operationsgebiet
(„Wundinfektionen“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
87
91
99
Spezielle Infektionen
– Aspergillose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen . . . . . . . . . .
– Creutzfeldt-Jakob-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Legionellose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
119
132
140
148
Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche
– Anästhesiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Augenheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Dialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Geburtshilfe und Gynäkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Immunsupprimierte Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164
168
174
186
196
212
216
VIII
Inhalt
– Intensivmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Kinderheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Krankentransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Küche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Operationsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Radiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Wäscherei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226
230
243
248
258
266
270
273
277
280
7
Umgebung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284
8
Raumlufttechnische Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294
9
Isolierung bei Infektion und Kolonisation
– Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
der Infektionen von A–Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Multiresistente Erreger
– Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern . . . . . . . . . . . . . . .
– Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– MRSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Stellenwert Oxacillin-resistenter Koagulase-negativer
Staphylokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Vancomycin-Resistenz bei Enterokokken (VRE) und
Staphylococcus aureus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
310
351
354
360
404
406
11
Maßnahmen bei Ausbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
409
12
Maßnahmen bei Infektionen durch biologische Waffen . . . . . . . . . . . . . . . . .
416
C
Überwachung nosokomialer Infektionen und
resistenter Erreger gemäß IfSG
1
§ 23 Infektionsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
427
2
Surveillance-Methoden und Berechnung der (Infektions-)Raten . . . . . . . . .
434
3
CDC-Definitionen der häufigsten nosokomialen Infektionen . . . . . . . . . . . .
444
4
Surveillance der häufigsten nosokomialen Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
452
5
Surveillance (multi-)resistenter Erreger (§ 23 IfSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
468
D
Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion
1
Bestimmung unspezifischer Entzündungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
2
Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische
Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479
3
Serologischer Nachweis nosokomialer Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
486
Inhalt
E
IX
Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe
1
Allgemeine Hinweise für die Anwendung von Antibiotika . . . . . . . . . . . . . .
491
2
Wirkungsspektrum und Indikationen von Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . .
496
3
Gezielte Therapie: Antibiotika bei bekanntem Erreger und
Interpretation von Antibiogrammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
520
4
Empirische Antibiotikatherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
531
5
Perioperative Antibiotikaprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
548
6
Antimykotika bei nosokomialen Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
552
7
Mikrobielle Resistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
557
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
561
F
X
Vorwort
XI
Vorwort
zur 1. Auflage
Nahezu 15 Jahre ausgeprägt klinisch orientierter krankenhaushygienischer Tätigkeit in
Universitätskliniken haben es mir ermöglicht, mich ständig mit den Fragen und Erwartungen des klinischen Personals – auch von auswärtigen nicht-universitären Krankenhäusern und aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte – auseinanderzusetzen. Diese Fragen und Erwartungen der klinischen Praxis haben mich angeregt, einmal all das schriftlich
zusammenzufassen, womit ich als Krankenhaushygienikerin bei meiner täglichen Arbeit
zu tun habe, und dabei ein Herangehen an die Thematik zu wählen, das mehr auf Fragen
antwortet und sich um die Begründung der Antworten bemüht, was einen soliden theoretischen Hintergrund voraussetzt, als dass es Vorschriften macht, wie es im Bereich der
Krankenhaushygiene gerade in Deutschland noch sehr verbreitet ist.
Deshalb geht es in diesem Buch nicht nur darum, was man tun soll, um Patienten und Personal vor Infektion zu schützen, sondern auch, warum dies erforderlich ist oder zumindest,
wenn man es (noch) nicht sicher weiß, erforderlich zu sein scheint.
Das Warum hat in der Krankenhaushygiene in Deutschland – ganz im Gegensatz zu den
angelsächsischen oder skandinavischen Ländern – lange Zeit keine allzu große Rolle gespielt. Im Gegenteil hat sich die Krankenhaushygiene hierzulande mehr aus einer Überwachungsinstanz im Sinne einer „Hygienepolizei“ entwickelt. Dafür spricht jedenfalls erkennbar die Sprache, die bei Veröffentlichungen bevorzugt gewählt wird: man erklärt
nicht, warum die eine oder andere Maßnahme empfohlen wird, sondern man versucht, eine Hierarchie der Empfehlungen von dringenden bis weniger wichtigen Maßnahmen
durch den bewussten Einsatz modaler Hilfsverben auszudrücken (und hat sich dabei in
der „Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes und jetzigen Robert-Koch-Instituts ausdrücklich auf die DIN 820/23
„Modale Hilfsverben in Normen“ bezogen).
So erwecken etwa die deutschen Richtlinien und Empfehlungen – ob von offizieller Seite
wie von der Hygiene-Kommission des RKI oder von Seiten einzelner Fachleute in Fachzeitschriften – eher den Eindruck gesetzlicher Verordnungen als den von wissenschaftlichen Erörterungen, die man erwarten würde, weil es auch auf dem medizinischen Fachgebiet der Hygiene notwendig ist, das Bewiesene vom Unbewiesenen deutlich zu trennen
und entsprechende Empfehlungen zu formulieren.
Statt dessen werden die Empfehlungen mit Begriffen wie „muss - darf nicht“, „ist zu ..., hat
zu ...“, „ist zulässig – nicht zulässig“ bis hin zu „ist verboten“, also vor allem in einer normativen Diktion abgegeben; alles in allem eine Sprache, deren Ziel Gehorsam zu sein
scheint, nicht aber Verständnis. Dazu passt häufig auch das Auftreten in der Praxis: Es gibt
sog. „Hygienevorschriften“, und man macht „Hygienekontrollen“, die – laut RKI-Richtlinie – auch „unangemeldet“ (siehe Händehygiene) stattfinden sollen.
XII
Vorwort
Das alles trägt kaum dazu bei, dass die Krankenhaushygiene als ein Fach erscheinen kann,
das dem klinisch tätigen Personal konsiliarisch wissenschaftlich fundierte Hygienestandards vermittelt, die der im klinischen Alltag zu erbringenden lex artis entsprechen und
helfen, dass die Patienten vor vermeidbaren Infektionsschäden geschützt werden. Es geht
also um einen deutlich mehr wissenschaftlichen Ansatz, der sich umso mehr wird verwirklichen lassen, je mehr sich das Prinzip der „Evidence-based Medicine“ – auch in der
Krankenhaushygiene – durchsetzt. In diesem Sinne müssen und werden es Hygieniker
schaffen, das klinische Personal von dem, was erwiesenermaßen erforderlich ist, zu überzeugen.
Die Hygiene eignet sich deshalb auch nicht für bestimmte Medien, die zu gerne vermeintlich oder tatsächlich drohende und durchaus nicht immer gut substanziierte Szenarien an die Wand malen (z.B. über die Zahl der nosokomialen Infektionen pro Jahr in deutschen Krankenhäusern und die damit verbundenen Todesfälle oder über den Prozentsatz
der durch bessere Hygiene vermeidbaren Infektionsfälle; Angaben, die, wie das viel zitierte Drittel vermeidbarer Infektionen, auf mittlerweile „alten“, nämlich ca. 25 Jahre
alten, Studien beruhen, die nicht ohne weiteres auf unsere heutigen Verhältnisse übertragbar sind).
In vielen Fällen nosokomialer Infektionen ist auch nicht allein die Tatsache, dass es zu einer Infektion gekommen ist, das eigentliche Problem für den Patienten, sondern die mangelnde Beschäftigung mit dem Faktum, dass Infektionen nun einmal möglich sind, führt
dazu, dass sie nicht rechtzeitig wahrgenommen und nicht adäquat behandelt werden, demzufolge fortschreiten und dadurch schließlich zu Langzeitschäden bei den Patienten
führen können. Das sind in der Regel die Fälle, die auch Schlagzeilen machen. Das ist aber
nicht der natürliche Verlauf jeder nosokomialen Infektion, und u.a. diese Differenzierung
geht verloren, wenn pauschal von jährlich mehreren Hunderttausend nosokomialen Infektionen in deutschen Krankenhäusern gesprochen wird, wodurch die Öffentlichkeit verunsichert wird, aber ein positiver Effekt für den Patienten nicht zu erreichen ist.
Es reicht auch sicher nicht, Empfehlungen abzugeben, sondern diese müssen immer wieder systematisch erarbeitet, überprüft, offen in der Fachwelt diskutiert und weiterentwickelt werden. Das muss auch von der gemäß § 23 IfSG1 neu zu berufenden HygieneKommission am RKI erwartet werden und bedeutet z.B., dass die dort erarbeiteten Leitlinien in einem ersten Schritt der Fachöffentlichkeit durch Vor-Publikation, z.B. im Bundesanzeiger, zur kritischen Stellungnahme zugänglich gemacht werden müssen, wie es z.B.
in den USA und in Großbritannien üblich ist.
Dazu muss es ferner nicht nur möglich, sondern sogar erwünscht sein, dass jeder – ungeachtet seiner Auffassung von Krankenhaushygiene – seinen Beitrag leistet, um den Dialog
auch zwischen Fachleuten wachzuhalten und so eine kontinuierliche Entwicklung zu erreichen. In diesem Sinne möchte ich mein Buch verstanden wissen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen und nicht nur eine Wahrheit. Eine Forderung, die wir aufstellen, zählt
nur dann, wenn wir sie belegen können. Wenn wir dies aber nicht können (und das ist in
der Krankenhaushygiene nicht selten), müssen wir so ehrlich sein und unmissverständlich
erklären, dass dies unsere persönliche Auffassung ist, die Meinung also eines einzelnen Experten. Dagegen ist nichts einzuwenden; man muss es nur offenlegen und, ohne mit dem
Vorwort
XIII
Gesetzbuch zu drohen, erklären, wie man zu dieser Auffassung gelangt ist. Krankenhaushygiene ist nicht die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit, wie es beispielsweise Aufgabe der Gesundheitsämter ist, und der Krankenhaushygieniker hat auch nicht mit akuter
Gefahrenabwehr zu tun, wie es wiederum Aufgabe der Gesundheitsämter im sog. Seuchenfall wäre.
Wer aber gerne auf Gesetze verweisen möchte, um die Durchsetzung der Krankenhaushygiene zu fördern, kann dazu das Sozialgesetzbuch V bemühen, wo es im § 70 unter der
Überschrift „Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit“ heißt: (1) Die Krankenkassen
und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss wirtschaftlich erbracht werden. (2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete
Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken. Hier
legt der Gesetzgeber also nicht nur Wert auf das, was wir heute als „evidence-based“ bezeichnen, sondern auch auf die mit den verschiedenen Maßnahmen verbundenen Kosten,
für die, z.B. bei Klimaanlagen, wir Hygieniker die Belege vorlegen können müssen, sowie
auf die psychischen Auswirkungen der Medizin auf den Patienten, die z.B. bei der Isolierung im Einzelzimmer oder der Forderung nach bestimmter Schutzkleidung, z.B. in Form
von Masken für Personal und Patienten, von der Krankenhaushygiene verantwortet werden und deshalb auch hinsichtlich ihrer Effektivität überprüfbar sein müssen.
Dieses Buch soll ein Leitfaden für die krankenhaushygienische Praxis des medizinischen
Personals innerhalb und außerhalb von Krankenhäusern sein: es soll Zusammenhänge erklären und Fragen beantworten. Durch die Aufnahme der Kapitel über den Umgang mit
Antibiotika und die erforderliche Labor-Diagnostik bei Anzeichen für Infektionen sollen
über die klassischen krankenhaushygienischen Aspekte hinaus einige Hinweise für den
Umgang mit Infektionen überhaupt gegeben werden. Damit stehen wesentliche Informationen an einer Stelle zur Verfügung, sodass der Ratsuchende – primär wenigstens – nur
in einem Buch nachlesen muss.
Es kann ferner als wissenschaftlich fundierte Information die in vielen Kliniken üblichen
Hygienepläne ergänzen, und es soll außerdem der Weiterbildung von insbesondere hygienebeauftragten Ärzten und Hygienefachkräften sowie zur Einführung interessierter
Ärzte und Studenten in die Thematik der Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
dienen und bietet auch für diesen Zweck zahlreiche Literaturhinweise.
Selbstverständlich können die Literaturhinweise in einem derartigen Buch nicht so umfassend wie in einer systematischen Übersichtsarbeit sein. Beabsichtigt ist aber, mit den
Literaturhinweisen im Anschluss an jedes Kapitel den derzeitigen Stand des Wissens zu
umreißen: So setzen sie sich zusammen aus aktuell erschienenen Publikationen, aber auch
aus sog. klassischen Arbeiten, deren Bedeutung sich über die Jahre – und manchmal sogar
Jahrzehnte – gehalten hat. Darüber hinaus sind darin aber auch Veröffentlichungen zu finden, die über die (wegen der erforderlichen Kürze des Buches) Hinweise im Text hinaus
für den interessierten Leser zusätzliche bzw. weiterführende und vertiefende Informationen bieten, und deshalb möchte ich sehr empfehlen, die Literaturlisten ebenfalls zu „le-
XIV
Vorwort
sen“. Bewusst habe ich auf die Zitierung von Buchkapiteln verzichtet, weil der Leser meist
Schwierigkeiten hat, an die Bücher zu gelangen. Die Zeitschriftenartikel können dagegen
vergleichsweise einfach über die „Deutsche Zentralbibliothek für Medizin“ in 50924
Köln (Tel.: 0221/478-5608, FAX: 0221/478-5697) bestellt werden. Am Schluss des Buches
habe ich zusätzlich Hinweise für weiterführende Literatur in Form von Textbüchern aufgeführt.
Ziel dieses kleinen Buches im Kitteltaschen-Format ist es, den Anwendern in Klinik und
Praxis, die keinen schnellen Zugang zu Textbüchern und Fachzeitschriften über Krankenhausinfektionen haben, die Orientierung auf dem Gebiet der Epidemiologie und Prävention nosokomialer Infektionen zu erleichtern und ihnen, so umfassend, aber auch kompakt wie möglich, ausreichende Informationen über die Übertragung von Erregern sowie
die Entstehung, Erkennung und Behandlung von Infektionen zu geben. Ich hoffe, es
kommt auch tatsächlich den Bedürfnissen in der klinischen Praxis nah. Insofern bin ich
nicht nur dankbar für Anregungen, sondern auch angewiesen auf die kritische Resonanz
der Leser, damit das Buch zu einer wirklichen Unterstützung des medizinischen Personals
bei der Krankenversorgung werden kann. Weitere Kapitel sind geplant (z.B. über Surveillance von Krankenhausinfektionen, Klimaanlagen, Infektionsprävention in der Pathologie) und entsprechende Themenvorschläge werde ich ggf. gerne aufgreifen.
Was die Fachkollegen betrifft, ist mir klar, dass einige meiner Äußerungen – auch über
meine ganz persönliche Auffassung von einzelnen Aspekten der Infektionsprävention –
zumindest nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen werden. Ich würde mich freuen, wenn
sich daraus ein Dialog entwickeln könnte, bei dem jede Seite bereit ist, ihren Standpunkt
zu überdenken, gemäß dem Grundsatz „Skeptisch gegenüber dem für sicher gehaltenen
Wissen“ (Hartmut von Hentig, Pädagoge).
München, März 2000
Ines Kappstein
1 IfSG = Infektionsschutzgesetz (wird voraussichtlich ab 01.01.2001 das Bundesseuchengesetz ersetzen)
Vorwort
XV
Vorwort
zur 2. Auflage
Mit dieser Neuauflage knapp zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage habe ich
die Struktur des Buches verbessert, eine fast vollständige Neubearbeitung sämtlicher Kapitel der ersten Auflage sowie die Aufnahme zusätzlicher Kapitel (Kapitel III: § 23 IfSG)
und die Erweiterung bereits vorhandener Kapitel (Kapitel II: z.B. MRSA; Kapitel IV: Diagnostik von Pilzinfektionen; Kapitel V: Antibiotikagruppen, empirische Antibiotikatherapie, Antimykotikatherapie) vorgenommen. Die Literaturhinweise wurden auf den aktuellen Stand (Ende 2001) gebracht und sind nun auch im Text fortlaufend nummeriert eingefügt.
Ferner haben sich Verlag, Format, Gestaltung und Umfang des Buches verändert. Geblieben ist das Ziel, praxisnah in die Theorie von Infektionen generell und krankenhauserworbenen Infektionen im Besonderen einzuführen und dem Leser das Thema „Infektionen“ mit deren Entstehung, Prävention, Diagnose und Therapie möglichst übersichtlich
und in verständlicher Form darzubieten. Die zahlreichen Literaturhinweise sollen einen
Einblick in den Umfang der interessanten Literatur zum Thema geben, deren Kenntnis
erst das Verständnis dafür vermittelt, worum es bei Krankenhausinfektionen geht.
München, Januar 2002
Ines Kappstein
Vorwort
zur 3. Auflage
Die vorliegende Neuauflage wurde erforderlich, weil mittlerweile die 2. Auflage vergriffen ist. Da es noch nicht Zeit ist für eine inhaltliche Überarbeitung, mussten nur einige
kleine Fehler korrigiert werden. In der Sache ist das Buch also weiter aktuell und kann
deshalb wie bisher als Richtschnur für die Erarbeitung individueller Hygienekonzepte
dienen.
München, Februar 2004
Ines Kappstein
A
Kapitel
Entstehung
von Infektionen
Epidemiologie übertragbarer Krankheiten
A
3
1.
Epidemiologie übertragbarer Krankheiten
Für das Verständnis außerhalb und innerhalb des Krankenhauses erworbener Infektionen ist die Kenntnis ihrer entscheidenden ursächlichen Faktoren, ihres zeitlichen und örtlichen Auftretens und
ihrer Verteilung in einer Population (z.B.
Gesamtbevölkerung oder Teile der Bevölkerung mit erhöhtem Risiko, bei nosokomialen Infektionen Patienten im Krankenhaus) von wesentlicher Bedeutung.
fektion verursachen kann. Hochvirulente
Stämme können bei vielen bzw. fast allen
Personen – unabhängig von deren Immunitätslage – bei entsprechendem Kontakt
eine Infektion verursachen (z.B. bestimmte Stämme von A-Streptokokken, die
während einer Operation in das Operationsgebiet gelangen).
Infektionen entstehen durch Wechselwirkungen zwischen Erregern und exponierten Personen. Ob es bei einem Kontakt
zwischen potenziell pathogenen Mikroorganismen und prinzipiell empfänglichen
Personen zu einer Infektion kommt, hängt
von erreger- und wirtsspezifischen Faktoren ab [1, 13, 15, 17].
Ob die aktuelle Virulenz eines Erregers
ausreicht, eine Infektion zu verursachen,
wird aber auch sehr stark von Wirtsfaktoren bestimmt, also von der individuellen
Abwehrlage eines Patienten und dem Ausmaß der für seine Versorgung erforderlichen invasiven Maßnahmen, d.h. den endogenen und exogenen Risikofaktoren.
Zusammengenommen ist die Interaktion
zwischen dem Inokulum des Erregers, seiner Virulenz und der Abwehrlage des
Wirts die entscheidende Determinante für
die Entwicklung einer Infektion.
Virulenz und Pathogenität
Erregerspezifische Faktoren
Die Virulenz ist die natürliche bzw. durch
Umgebungsfaktoren bedingte (d.h. auch
wechselnde) Fähigkeit eines Erregers, eine Infektion zu verursachen (z.B. sind
Pneumokokken mit Kapsel virulenter als
unbekapselte Stämme oder bekapselte
Haemophilus influenzae Typ b-Stämme
sind virulenter als Haemophilus-Stämme
anderer Kapseltypen). Virulenz ist nicht
per se gleichzusetzen mit Pathogenität,
weil ein potenziell pathogener Erreger
nicht oder nicht dauerhaft virulent sein
muss. Vielmehr ist die Virulenz ein Maß
für die Pathogenität, d.h. für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erreger eine In-
Die Fähigkeit eines Erregers, bestimmte
Pathogenitätsfaktoren (z.B. Toxine oder
Enzyme) auszubilden, ist entscheidend
für die klinische Manifestation einer Infektion (z.B. Scharlach-Toxin-bildende
A-Streptokokken oder Toxic-ShockSyndrom-Toxin-bildende Stämme von
Staphylococcus aureus).
Wechselwirkungen
zwischen Erreger und Wirt
Durch die Entwicklung der modernen Medizin ist offensichtlich geworden, dass auch
Spezies, die lange Zeit als apathogen betrachtet wurden, spezielle Eigenschaften
besitzen, die sie im Zusammenhang mit
begünstigenden Faktoren schützen und es
4
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
ihnen dadurch ermöglichen, Infektionen
auszulösen (vor allem die Schleimbildung
Koagulase-negativer Staphylokokken in
Gegenwart von Fremdkörpern).
Auch antigene Besonderheiten der Erreger haben Einfluss auf die Entstehung von
Infektionen. Beipielsweise sind 14 von 83
bekannten Serotypen von Streptococcus
pneumoniae für mehr als 80% der Infektionen beim Menschen verantwortlich. Einen wesentlichen Einfluss auf die Persistenz einer Infektion hat die natürliche
oder erworbene Resistenz des Erregers
gegen Antibiotika und Antimykotika.
Infektionsdosis
Ein prinzipiell empfänglicher Wirt muss mit
einer bestimmten minimalen Erregermenge Kontakt haben, damit eine Infektion zustande kommen kann. Bei Personen ohne
Beeinträchtigung der körpereigenen Abwehr ist die erforderliche Keimzahl häufig
hoch, während bei Abwehrschwäche eine
wesentlich geringere Infektionsdosis ausreichend sein kann, um eine Infektion auszulösen (z.B. Enteritis-Salmonellen). Von
anderen Erregern ist bekannt, dass auch bei
Personen mit normaler Abwehrlage sehr
niedrige Keimzahlen Infektionen verursachen können (z.B. Shigellen).
Auch lokale Beeinträchtigungen der Abwehr können dazu führen, dass Infektionen schon bei Kontakt mit geringen Keimzahlen entstehen. Z.B. verursachten 3×102
KBE S. aureus in einer Wunde mit Naht-,
also Fremdmaterial einen Abszess; die intradermale Injektion von 5×106 KBE S. aureus hingegen führte lediglich zu einer Pustelbildung, und geringere Keimzahlen hatten keine Infektion zur Folge [4].
Reservoir und Ausgangsort des Erregers
Erregerreservoir: Ort, an dem der Erreger
lebt, d.h. sich (dauerhaft) aufhält und ver-
mehrt, z.B. Leitungswasser bei Wasserkeimen (= Gram-negative Stäbchen, wie
Pseudomonas spp. und Acinetobacter spp.)
oder der Darm von Mensch und Tier bei
Erregern gastrointestinaler Infektionen,
wie Enteritis-Salmonellen
Ausgangsort des Erregers: Ort, von dem
aus der Erreger, meist nach dessen Vermehrung, direkt oder indirekt mit einer
empfänglichen Person in Kontakt kommt,
z.B. Wasserbad zum Anwärmen von Blutkonserven, das mit Leitungswasser (= Erregerreservoir) gefüllt wurde, oder Essen,
das von einer infizierten Person (= Erregerreservoir) kontaminiert wurde
Erregerreservoir und Ausgangsort des Erregers können auch identisch sein (z.B.
Kontakt mit legionellenhaltigem Leitungswasser beim Zähneputzen).
Dauer der Infektiosität
Die Zeitspanne, in der eine infizierte Person für empfängliche Personen in ihrer
Umgebung infektiös sein kann, variiert je
nach Erreger. Bei manchen Erregern ist eine infizierte Person vorwiegend während
der Inkubationszeit infektiös (z.B. Hepatitis A, Windpocken, Masern), bei anderen
Erregern besteht die Infektiosität prinzipiell während der gesamten Dauer der klinisch manifesten Erkrankung (z.B. Tuberkulose) oder während der Dauer der Ausscheidung des Erregers auch nach Abklingen der klinischen Symptomatik (z.B. Salmonella typhi, Enteritis-Salmonellen).
Die Art des Kontaktes zwischen Infiziertem bzw. Ausscheider und empfänglicher
Person entscheidet darüber, ob eine Erregerübertragung möglich ist. Was die
asymptomatische Ausscheidung von Salmonellen betrifft, stellt beipielsweise Küchenpersonal ein höheres Infektionsrisiko
dar als Krankenpflegepersonal, das auf
einer Normalstation mit der Pflege von
Epidemiologie übertragbarer Krankheiten
Patienten betraut ist, sofern nicht auch die
Zubereitung von Mahlzeiten zu seinen
Aufgaben gehört.
Wirtsfaktoren
Ob aus einem Kontakt mit einem potenziell pathogenen Erreger eine Infektion resultiert, wird maßgeblich von der Summe
der endogenen und exogenen Risikofaktoren des Wirts bestimmt (siehe unten).
Charakteristika nosokomialer Infektionen
Definition nosokomialer Infektionen
Nosokomiale Infektionen stehen in Zusammenhang mit einer (meist stationären) Krankenhausbehandlung. Das bedeutet, dass nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Behandlung
und dem Auftreten der Infektion vorhanden ist. Vielmehr steht (im Gegensatz z.B.
zu einer nosokomial erworbenen Erkältungskrankheit) für typische nosokomiale
Infektionen, also z.B. einer beatmungsassoziierten Pneumonie, außer Frage, dass
neben dem zeitlichen auch ein kausaler
Zusammenhang gegeben ist. „Kausal“ bedeutet jedoch nicht, wie es manchmal interpretiert wird, „verschuldet“.
Neutral formuliert kann man eine nosokomiale oder krankenhauserworbene Infektion beispielsweise als eine Infektion, die
als Folge einer medizinischen Intervention
auftritt, beschreiben [17]. Hierbei ist unter
„medizinischer Intervention“ jede Maßnahme diagnostischer, therapeutischer
und pflegerischer Art zu verstehen, in die
irgendein Mitarbeiter des medizinischen
Personals involviert sein kann.
Vermeidbare vs unvermeidbare
nosokomiale Infektionen
Aus der Feststellung einer nosokomialen
Infektion kann nicht abgeleitet werden,
5
dass sie notwendigerweise durch ein hygienisches Defizit bei der Patientenversorgung verursacht wurde, also vermeidbar
war.Tatsächlich ist es in vielen Fällen nicht
möglich zu klären, ob eine Infektion im individuellen Fall vermeidbar gewesen wäre
oder nicht, es sei denn, es liegen besondere
Tatsachen vor, wie z.B. die fehlende Hautdesinfektion vor intraartikulärer Injektion, die in offensichtlichem Gegensatz zur
lex artis der Patientenversorgung stehen.
In aller Regel ist die Entstehung einer Infektion ein multifaktorielles Geschehen,
an dem exogene und endogene Faktoren
beteiligt sind und deren individuelles Zusammenspiel zur Folge hat, dass ein Patient eine Infektion entwickelt, andere jedoch unter vergleichbaren Umständen
nicht (siehe unten „Risikofaktoren“).
Was den Anteil generell vermeidbarer an
allen nosokomialen Infektionen angeht,
wird seit drei Jahrzehnten die Zahl von ca.
30% genannt [7, 8]. Inwieweit das Ergebnis
dieser inzwischen „alten“ Studie heute
noch im selben Maße Bestand hat, wird in
Kapitel C.1 diskutiert.
Der Begriff der nosokomialen Infektion
wird auch auf Infektionen angewendet, die
bei Personal oder Besuchern auftreten
können, wenn sie mit entsprechend infizierten Patienten im Krankenhaus Kontakt
hatten und es zu einer Erregerübertragung
gekommen ist (z.B. Tuberkulose) [1, 17].
Dies trägt jedoch nicht gerade zur Klärung
bzw. Verständlichkeit des Begriffs bei.
Häufigkeitsverteilung
Die häufigsten und deshalb auch typischen
nosokomialen Infektionen lassen jedoch
weder Zweifel an einem zeitlichen noch an
einem kausalen Zusammenhang mit der
Krankenhausbehandlung aufkommen. Ihre relative Häufigkeit an allen nosokomialen Infektionen variiert je nach Kranken-
6
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
hausbereich und Patientenpopulation.
Den folgenden Angaben liegen die Ergebnisse verschiedener internationaler Inzidenzstudien zugrunde [5, 17]:
deren Ursache zu beheben, ist häufig nicht
leicht (siehe Kapitel B.11 „Maßnahmen
bei Ausbrüchen“).
■ Harnwegsinfektionen: 38%–42%
■ Postoperative Infektion im Operationsgebiet: 23%–26%
■ Pneumonie: 11%–15%
■ Septikämie: 4%–5%
Risikofaktoren
Als weitere Infektionen können z.B. Knochen- und Gelenkinfektionen, Infektionen
im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems,
Haut- und Weichteilinfektionen, gastrointestinale Infektionen und obere Atemwegsinfektionen nosokomial erworben
werden.
Endemisches vs epidemisches Auftreten
Bei den meisten nosokomialen Infektionen handelt es sich um ein individuelles
Geschehen, das in keinem epidemiologischen Zusammenhang mit anderen infizierten oder kolonisierten Patienen steht.
Sie sind mehr oder weniger kontinuierlich
immer vorhanden, ohne aber dabei in der
Regel größere Beachtung zu erhalten. Diesen Anteil bezeichnet man als endemische
Infektionen.
Im Gegenssatz dazu spricht man von epidemischen Infektionen dann, wenn eine plötzliche und bei weitem über dem normalerweise erwarteten (also: endemischen)
Maß liegende Zahl von Infektionen vorliegt, die epidemiologisch assoziiert sind.
Man spricht auch von einem Ausbruch.
Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen endemischen und epidemischen Infektionen
wird meist mit ca. 95% : 5% angegeben
[1, 13, 15, 17]; exakte Zahlen gibt es aber
nicht. Im Gegensatz zu endemischen
Infektionen gelten epidemische in aller
Regel als vermeidbar. Ausbrüche von nosokomialen Infektionen zu erkennen und
Für die Beantwortung der Frage, ob eine
nosokomiale Infektion vermeidbar war
oder nicht, muss man das individuelle Risiko des Patienten beurteilen können.
Dieses setzt sich zusammen aus endogenen und exogenen Faktoren, deren Zusammentreffen jedoch nicht immer in
einem klaren kausalen Zusammenhang
mit der gegebenen nosokomialen Infektion steht. Deshalb spricht man von Risikofaktoren, um zum Ausdruck zu bringen,
dass sie mit der Infektion assoziiert sind,
sie aber nicht notwendigerweise verursacht haben [1].
So kann es sich lediglich um ein zufälliges
Zusammentreffen eines Faktors mit einer
Infektion (= Koinzidenz) handeln; es können bei einem Patienten aber auch mehrere Faktoren vorhanden sein, die einen additiven oder sogar einen synergistischen
Effekt hinsichtlich der Entwicklung einer
nosokomialen Infektion haben und insofern das Risiko des Patienten, eine Infektion zu erwerben, mehr oder weniger erhöhen. Man unterscheidet deshalb zwischen
zufällig mit der Infektion zusammentreffenden nicht kausalen Faktoren sowie
zwischen einerseits voneinander unabhängigen und andererseits synergistisch agierenden kausalen Risikofaktoren.
Weil es nicht leicht ist, außer über das Alter
der Patienten zuverlässige Aussagen über
deren häufig komplexes endogenes Risiko
(wie insbesondere Grundkrankheiten, immunsuppressive Therapie) zu machen,
muss man sich meist auf eine möglichst aussagefähige Beschreibung des exogenen Risikos beschränken, das quantifizierbar und
damit am ehesten vergleichbar ist [3]:
Epidemiologie übertragbarer Krankheiten
Invasive Maßnahmen
Das exogene Risiko wird am besten beschrieben durch Art und Dauer der invasiven Maßnahmen, die bei einem Patienten
aus diagnostischen und/oder therapeutischen Gründen angewendet werden mussten. Zusätzlich gibt die Häufigkeit der Anwendung invasiver Maßnahmen bezogen
auf alle Patienten, z.B. einer Krankenhausabteilung, zum einen Hinweise auf das
prinzipielle Expositionsrisiko der dort
behandelten Patienten. Zum anderen werden die mit invasiven Maßnahmen zusammenhängenden nosokomialen Infektionsraten erst aussagefähig, wenn bei ihrer Berechnung die Dauer der Anwendung der
invasiven Maßnahme berücksichtigt wird
(siehe Kapitel C „Überwachung nosokomialer Infektionen und resistenter Erreger
gemäß § 23 IfSG“) [3].
Die häufigsten invasiven Maßnahmen sind:
■
■
■
■
■
Injektionen und Punktionen
die Katheterisierung der Harnblase
die Anlage intravasaler Katheter
die mechanische Beatmung
operative Eingriffe
Die Besonderheiten dieser diagnostisch
oder therapeutisch notwendigen Maßnahmen und der damit in Zusammenhang stehenden nosokomialen Infektionen werden
in Kapitel B in jeweils eigenen Abschnitten behandelt (siehe Kapitel B.3 „Invasive
Maßnahmen“, Kapitel B.4 „Die vier häufigsten Infektionen“ und Kapitel B.6
„Operationsabteilungen“).
Erregerspektrum und Erregerreservoire
Die typischen Erreger bakterieller nosokomialer Infektionen sind vorwiegend Vertreter der normalen menschlichen Körperflora, die entweder aus dem endogenen Reservoir der betroffenen Patienten selbst
oder dem anderer Patienten bzw. dem des
7
Personals stammen. Ihre Häufigkeit ist abhängig von der Art der Infektion und damit
auch von ihrer Lokalisation. So haben z.B.
Harnwegsinfektionen ein anderes Erregerspektrum als Haut- und Weichteilinfektionen (siehe Kapitel B.4 „Die vier häufigsten
Infektionen“). Im Folgenden sind häufigere und seltenere Erreger und Erregerarten genannt, die bei nosokomialen Infektionen eine Rolle spielen können [1, 5, 13,
15, 17, 18]:
Häufigste Erreger: S. aureus und
Gram-negative Stäbchen
Insgesamt am häufigsten kommen S. aureus und Gram-negative Stäbchen, wie z.B.
Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae,
Pseudomonas aeruginosa oder Enterobacter spp., vor. Die resistenten Stämme werden dabei meist als typische „Krankenhauskeime“ betrachtet. In Anbetracht des
Auftretens verschiedener Antibiotikaresistenzen auch in der normalen Bevölkerung (z.B. MRSA,VRE) ist diese Sichtweise heute aber nur noch eingeschränkt zutreffend [6, 10, 12, 16, 19].
Dennoch kann folgendes festgehalten werden: Ein (multi-)resistenter Erreger ist vermutlich im Krankenhaus erworben worden.
Dies muss aber nicht unbedingt die Folge
einer durch mangelnde Hygiene verursachten Übertragung sein (siehe unten „Endogene vs exogene Erregerreservoire“).
A-Streptokokken
Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
spielten A-Streptokokken eine sehr wichtige Rolle bei Krankenhausinfektionen, und
viele unserer heute noch praktizierten
„Hygienemaßnahmen“ sind damals etabliert und von späteren Generationen übernommen worden. Heute sind A-Streptokokken aber vergleichsweise selten für
nosokomiale Infektionen verantwortlich.
8
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
Wegen ihrer potenziell hohen Virulenz
sind sie – trotz weltweit unveränderter Penicillin-Empfindlichkeit (siehe Kapitel E
„Antibiotika und Antimykotika bei Therapie und Prophylaxe“) – dennoch von
herausragender Bedeutung, und ihr
Auftreten, insbesondere als Erreger postoperativer Wundinfektionen, erfordert
bereits bei Einzelfällen die ganze Aufmerksamkeit des medizinischen Personals
[14] (siehe Kapitel B.4 „Postoperative
Infektionen im Operationsgebiet“ und
Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“).
den häufigen Einsatz von Antibiotika, die
wegen mangelnder (z.B. Chinolone, Imipenem) oder fehlender (Cephalosporine)
Wirksamkeit gegen Enterokokken diese
potenziell pathogenen Keime aus der
Körperflora der Patienten selektieren, indem sie die empfindlichen Keime eliminieren oder zumindest so weit reduzieren,
dass die Enterokokken durch Wegfall der
natürlichen Konkurrenz mit den anderen
Bakterienarten einen Wachstumsvorteil
bekommen und sich dadurch stärker
als ohne Antibiotikaeinfluss vermehren
können.
Koagulase-negative
Staphylokokken (KNS)
Sprosspilze
Unter den Gram-positiven Kokken sind
neben S. aureus innerhalb der vergangenen
zwei Jahrzehnte KNS zunehmend als definitive Erreger aufgetreten und gehören
heute mit zu den häufigsten Isolaten. Sie
haben aber nicht in allen Fällen Bedeutung als Erreger, sondern sind nicht selten
als Kontamination bzw. als physiologische
Kolonisation zu werten.
KNS sind typische Vertreter der normalen
Haut- und Schleimhautflora, die im Rahmen der modernen Medizin wegen ihrer
starken Affinität zu Kunststoffmaterialien
eine neue Rolle bekommen haben. Sie besiedeln bevorzugt Fremdmaterialien, wie
insbesondere intravasale Katheter und Implantate, und können sich durch Bildung
extrazellulärer Polysaccharide in Form eines sog. Biofilms vor dem Angriff durch
die körpereigene Abwehr, aber auch vor
Antibiotika schützen [2].
Wiederum als Resultat des häufigen Antibiotikaeinsatzes haben neben bakteriellen
Erregern heute auch Pilze eine zunehmende Bedeutung, wobei es sich vor allem um
Candida-Arten, insbesondere C. albicans,
handelt, die vorwiegend bei Patienten mit
ausgeprägter Schwäche der körpereigenen
Abwehrfunktionen als Erreger nosokomialer Infektionen auftreten.
In den meisten Fällen allerdings sind sie
Folge eines Selektionseffekts bedingt
durch den Einsatz von Antibiotika und lediglich Ausdruck einer Besiedlung. Der
häufige Einsatz von Fluconazol bei Nachweis von Sprosspilzen in klinischem Untersuchungsmaterial weist aber darauf
hin, dass sie von den behandelnden
Ärzten oft anders interpretiert werden
(siehe Kapitel E.1 „Allgemeine Hinweise
für die Anwendung von Antibiotika und
Antimykotika“ und E.6 „Antimykotika
bei typischen nosokomialen Pilzinfektionen“).
Enterokokken
Die Häufigkeit von Enterokokken als ursächliche Erreger von Krankenhausinfektionen hat ebenfalls deutlich zugenommen. Dies ist nicht zuletzt bedingt durch
Clostridium difficile
In Hinsicht auf die Anwendung von Antibiotika kommt heute Clostridium difficile
eine besondere Bedeutung zu, weil nahezu
Epidemiologie übertragbarer Krankheiten
alle Fälle pseudomembranöser Enterokolitis und ca. 20% der Antibiotika-assoziierten Diarrhoen durch diesen Erreger bzw.
sein Toxin verursacht werden (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere
gastrointestinale Infektionen“).
Opportunistische Erreger
Gerade bei stark immunsupprimierten Patienten werden neben den typischen Erregern auch Mikroorganismen beobachtet,
die bei immunkompetenten Personen nur
in Ausnahmefällen Infektionen verursachen (z.B. Aspergillen, Nokardien, Pneumocystis carinii, sehr selten auch Algen).
Man spricht von opportunistischen Erregern; diese Infektionen können nosokomial und außerhalb des Krankenhauses erworben werden.
Viren
Schließlich kommen auch Viren als Erreger nosokomialer Infektionen vor. Hauptsächlich bekannt sind nosokomiale Virusinfektionen in der Pädiatrie, wo Rotaviren
und respiratorische Viren (z.B. Respiratory-Syncytial-Virus, Rhinoviren) zu großen
Problemen auf Säuglingsstationen führen
können (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“) [9].
Als Blut-assoziierte Infektionen kommen
insbesondere Hepatitis B- und Hepatitis
C-Infektionen vor. Da aber die Zeit zwischen der Infektion und dem Auftreten der
ersten klinischen Symptome, wenn diese
überhaupt vorhanden sind, wesentlich länger ist als der durchschnittliche Aufenthalt
der Patienten im Krankenhaus, werden
solche Infektionen, wenn überhaupt, immer erst retrospektiv als nosokomiale Infektionen erkannt (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“).
9
Endogene vs exogene Erregerreservoire
Die Erreger nosokomialer Infektionen
können aus dem endogenen mikrobiellen
Reservoir der Patienten (wie Darm-,
Haut-, Nasopharyngealflora) stammen
oder exogen aus der belebten und unbelebten Umwelt des Patienten (wie z.B. kontaminierte Hände des Personals oder kontaminierte Instrumente) erworben werden
(siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [1, 5, 13, 15, 17].
Endogen
Die meisten Erreger nosokomialer Infektionen stammen aus der körpereigenen
Flora, die der Patient entweder bereits bei
der stationären Aufnahme mitbringt oder
die er während des Aufenthaltes durch
Kontakt mit der Umwelt im Krankenhaus
erwirbt. Dazu gehört auch der Anteil der
patienteneigenen Flora, der während des
stationären Aufenthaltes, insbesondere
unter dem Einfluss von Antibiotika, Resistenzen entwickelt.
Exogen
Für ein exogenes Reservoir kann die Art
des Erregers sprechen (z.B. ein typischer
„Wasserkeim“, wie Pseudomonas fluorescens oder Acinetobacter junii) (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“) oder
aber die Tatsache, dass ein bestimmter Erreger (z.B. Serratia marcescens oder S. aureus) auf derselben Station im selben Zeitraum bei mehr als einem Patienten nachgewiesen wird. Diese exogenen Übertragungen wahrzunehmen, wird erleichtert,
wenn die Erregerart eher selten vorkommt
(z.B. S. marcescens) oder wenn der Stamm
durch eine besondere Antibiotikaresistenz
ins Auge springt (z.B. MRSA) (siehe Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“ und Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“).
10
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
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Übertragung von Erregern
A
11
2.
Übertragung von Erregern
Infektionserreger können bei der Patientenversorgung prinzipiell auf folgenden
Wegen übertragen werden [3]:
■ Kontakt: Bei der medizinischen Versorgung ist die Übertragung durch Kontakt am bedeutsamsten.
■ Luft: Übertragungen durch die Luft,
sog. aerogene Übertragungen, kommen
nur sehr selten für die Entstehung von
Infektionen in Betracht. Deshalb spielen Hygienemaßnahmen zur Unterbrechung aerogener Übertragungswege im
klinischen Alltag nur in bestimmten Situationen eine Rolle (siehe Kapitel B.5
„Aspergillose“ und „Tuberkulose“).
■ Gemeinsame Quellen für mehrere Personen: Die Übertragung von Erregern
durch ein gemeinsames „Vehikel“ für
mehrere Personen (z.B. kontaminierte
Nahrung [21], Wasser [7] oder Blutprodukte [2, 23, 30]) ist im Vergleich zur
Kontaktübertragung ein seltenes Ereignis.
Die Besonderheiten der Übertragung viraler Infektionen durch Kontakt mit Blut
und/oder Körperflüssigkeiten wird in Kapitel A.3 behandelt.
Kontaktübertragung
Es gibt drei Formen der Übertragung
durch Kontakt [3, 22]:
■ Direkter Kontakt: Übertragung durch
Körperkontakt von einer infizierten
oder kolonisierten Person auf einen
„Empfänger“ (das bedeutet fast immer
Kontakt über die kontaminierten Hände des Personals).
■ Indirekter Kontakt: Kontakt eines
„Empfängers“ mit einem kontaminierten Gegenstand, der z.B. nach der Anwendung bei einem Patienten nicht
oder unzureichend aufbereitet wurde.
Dieser kann bei anderen Patienten mit
Körperstellen in Berührung kommen,
an denen ein Erregerkontakt zu einer
Besiedlung bzw. Infektion führen kann
(z.B. offene Wunden, Venenkathetereinstichstelle, Schleimhäute der oberen
Atemwege bei intubierten und beatmeten Patienten); möglich ist aber auch
parenteraler Kontakt, z.B. bei einer Nadelstichverletzung.
■ Große Tröpfchen („droplets“): Dabei
handelt es sich um eine spezielle Form
der Kontaktübertragung durch große
Tröpfchen respiratorischen Sekrets, die
nur kurze Strecken in der Luft zurücklegen können, weshalb eine solche
Übertragung nur bei einem Abstand
von maximal zwei Metern zwischen
zwei Personen zustande kommen kann
(siehe unten).
Manchmal ist auch heute noch von
„Schmierinfektion“ die Rede. Dieser Begriff wurde vor allem für die Beschreibung
des fäkal-oralen Übertragungsweges verwendet. „Schmieren“ ist jedoch ein Bild
für ein grobes hygienisches Defizit und impliziert eine mit bloßem Auge sichtbare
Kontamination. Der Begriff wird damit
der viel komplexeren Problematik der
Übertragung von Erregern durch lediglich
mikroskopisch nachweisbare Kontaminationen nicht gerecht. Zudem ist er in der
internationalen Fachliteratur nicht üblich
12
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
und sollte auch deshalb durch den neutralen und umfassenderen Begriff der Kontaktübertragung ersetzt werden.
■
„Tröpfcheninfektion“
Die Übertragung durch erregerhaltige
Tröpfchen respiratorischen Sekrets, die
sog. Tröpfcheninfektion, kann via Kontakt
oder via Luft (= aerogen) erfolgen. Zur
Verdeutlichung des im individuellen Fall
gegebenen Übertragungsweges muss zwischen sog. (großen) Tröpfchen (engl. droplets) und sog. Tröpfchenkernen (engl. droplet nuclei) differenziert werden [3, 7, 8, 31];
denn die Tröpfcheninfektion gibt es
nicht:
Tröpfchen
■ Durchmesser zwischen 100 µm und
2 mm.
■ Weil sie aufgrund ihrer Größe relativ
schwer sind, findet eine rasche Sedimentation auf die nächste horizontale
Oberfläche in geringem Abstand vom
Ort der Freisetzung statt.
■ Weil sie so schnell fallen, kommt es
während der Sedimentation kaum zur
Verdunstung der Wasserhülle.
■ Sie werden beim Husten und Niesen
freigesetzt und fliegen dann abhängig
von der dabei wirkenden Kraft, z.B. des
Hustenstoßes, mehr oder weniger weit
durch die Luft, maximal jedoch über eine Strecke von zwei Metern.
■ Befindet sich eine andere Person in
entsprechend geringem Abstand, kann
sie mit diesen Tröpfchen in Kontakt
kommen, z.B. an den Schleimhäuten
von Mund, Nase und Augen.
■
■
■
sind und deshalb nur sehr langsam sedimentieren.
Weil sie lange in der Luft sind, kommt
es während der (langsamen) Sedimentation zur weitgehenden Verdunstung
der Wasserhülle.
Durch den Verlust der Wasserhülle
beim Verdunsten schrumpfen sie bis
auf ihren (festen) Kern (wenn ein solcher vorhanden ist, z.B. Salzkristalle
oder Mikroorganismen).
„Tröpfchenkerne“ sind schwebende
Partikel, die über lange Zeit mit dem
Luftstrom auch in größere Entfernungen vom Ort ihrer Freisetzung getragen
und währenddessen von anderen Personen inhaliert werden können.
Tröpfchenkerne sind also eine Form
von Aerosol (siehe unten). Aerosole
sind so klein, dass sie bis in die tiefen
Abschnitte des Respirationstraktes,
d.h. bis in die Alveolen, gelangen können, weil sie nicht wie größere Tröpfchen durch Zentrifugalkräfte bereits
von der Schleimhaut des oberen Respirationstraktes aufgefangen werden.
Eine sog. „Tröpfcheninfektion“ kann somit auf zwei Wegen entstehen:
1. Erregerübertragung via Kontakt mit
großen (>100 µm) Tröpfchen bei einem
Abstand von maximal zwei Metern
zwischen Erregerreservoir und „Empfänger“
2. Erregerübertragung via Luft durch Inhalation von Tröpfchenkernen (< 10µm),
die sich als schwebende Partikel über
weite Strecken vom Erregerreservoir
entfernen können (siehe unten).
Nasopharyngeale Besiedlung
Tröpfchenkerne
■ Durchmesser <10 µm.
■ Entstehung aus Tröpfchen < 100µm, die
wegen ihrer geringen Größe sehr leicht
Die vordere Nasenhöhle ist ein wichtiges
Reservoir für Staphylococcus aureus und
auch für A-Streptokokken. Dies ist seit
langer Zeit bekannt und Gegenstand vie-
Übertragung von Erregern
ler Untersuchungen gewesen [6, 16, 17, 19,
26]. Viele Personen außerhalb und innerhalb des Krankenhauses sind insbesondere mit S. aureus besiedelt, teils nur zeitweise, teils dauerhaft. Bei manchen Personen
kann man dagegen nie eine Besiedlung
nachweisen (siehe Kapitel B.10 „MRSA“).
Besiedelte Personen können kontaminierte Tröpfchen freisetzen. Die Tatsache der
nasalen Besiedlung sagt aber noch nichts
darüber aus, ob und in welchem Umfang
dieser potenziell pathogene Keim in die
Umgebung abgegeben wird (siehe unten).
Ein solcher Träger darf also im Falle eines
Ausbruchs nicht unkritisch als dessen
Quelle betrachtet werden (siehe dazu unten „Aerosole“ und Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“).
Aerogene Übertragung
Zwei Voraussetzungen müssen gegeben
sein, damit eine Erregerübertragung auf
aerogenem Wege zustande kommen kann
[3, 7, 8, 11, 31]:
Der Erreger muss
a) sich in Form schwebender Partikel (=
Aerosol) mit dem Luftstrom auf größere Distanz vom Erregerreservoir oder
dem Ausgangsort des Erregers entfernen können
und
b) über längere Zeit in der Luft lebensfähig sein, um überhaupt in infektiöser
Form mit einem „Empfänger“ in Kontakt zu kommen, also z.B. inhaliert werden zu können.
Die alleinige Tatsache, dass potenziell pathogene Mikroorganismen in Luftproben
nachweisbar sind, kann demnach kein Beweis für deren aerogene Übertragbarkeit
sein; dies wird dennoch, wenn auch gelegentlich eingeschränkt, in dieser Weise interpretiert [1, 7].
13
Aerosol
Aerosole sind (z.B. wässrige, feste, ölige)
Schwebstoffe, also winzige Partikel, die so
leicht sind, dass sie lange Zeit in der Luft
schweben, bevor sie sedimentieren [3, 7, 8,
11, 31].
Infektiöse Aerosole bestehen entweder aus
den Erregern selbst (= Tröpfchenkerne,
evtl. noch umgeben von einer minimalen
Wasserhülle) oder aus mit Infektionserregern beladenen größeren, aber immer
noch schwebenden Partikeln, wie z.B.
Hautschuppen (siehe unten). Sie werden
aus einem Erregerreservoir freigesetzt
(z.B. Patient mit offener Tuberkulose der
Atemwege, kontaminierte Wasserquelle,
Patient mit S. aureus-Hautinfektion oder
asymptomatisch an Haut und/oder
Schleimhäuten mit A-Streptokokken besiedelte Person).
Im Gegensatz dazu bezeichnet man als
„Bio-Aerosol“ natürlicherweise in der
Luft vorhandene Mikroorganismen, wie
insbesondere Aspergillen (siehe unten).
Beispiele für Aerosole, die mit der Übertragung von Erregern im Zusammenhang
stehen können:
Tröpfchenkerne
■ Eine erkrankte Person mit einer Infektion im Bereich der Atemwege (= Erregerreservoir und Ausgangsort der Erreger) setzt (größere und kleinere) erregerhaltige respiratorische Tröpfchen
frei. Dabei entstehen aus den sehr kleinen Tröpfchen (<100 µm) durch Verdunstung Tröpfchenkerne, die den Erreger enthalten und von exponierten
Personen inhaliert werden können
(z.B. bei offener Tuberkulose der
Atemwege oder Varizellen bzw. Masern mit bronchopulmonaler Beteiligung) [3, 7].
14
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
■ Eine Person ist nasopharyngeal mit S.
aureus besiedelt (= Erregerreservoir
und Ausgangsort des Erregers). Dieser
Zustand geht ohne klinische Symptomatik einher (= asymptomatische Kolonisierung; siehe unten „cloud baby/adult“). Manche dieser Personen
streuen die Keime von dort in starkem
Maße in die Umgebung (sog. „Disperser“ oder „Shedder“) [6, 19, 26].
■ Im Leitungswasser (= Erregerreservoir) vorkommende Mikroorganismen
werden durch technische Einrichtungen [4] (= Ausgangsort der Erreger, z.B.
Klimaanlagen, Whirlpools, Vernebler,
Rückkühlwerke) in Form von Tröpfchenkernen oder kleinen Tröpfchen in
die Luft abgegeben und anschließend
entweder in unmittelbarer Nähe (z.B.
Vernebler, Whirlpool) oder nach Transport über längere Strecken durch die
Luft auch außerhalb von Gebäuden bei
weiterer Verdunstung (z.B. Klimaanlagen, Rückkühlwerke) von exponierten
Personen inhaliert (z.B. ein möglicher
Übertragungsweg der Legionellose; siehe Kapitel B.5 „Legionellose“ und Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“).
Bio-Aerosol
In der Natur (= Erregerreservoir) ubiquitär vorhandene Mikroorganismen kommen natürlicherweise auch in der Luft vor
(= Ausgangsort der Erreger), und zeitlebens besteht Kontakt mit den Atemwegen
(z.B. Inhalation von Aspergillussporen
oder Nokardien) [7]. Infektionen entstehen aber nur bei erheblicher Beeinträchtigung der körpereigenen Abwehr (siehe
Kapitel B.5 „Aspergillose“).
Hautschuppen
Jeder Mensch setzt täglich eine Vielzahl
von Hautschuppen frei, von denen ein Teil
Bakterien trägt; die meisten sind so klein
und leicht, dass sie nicht sedimentieren,
sondern in der Luft schweben [25]. Die Abgabe von bakterientragenden Hautschuppen kann bei Mitgliedern des Operationsteams von Bedeutung sein, wenn eine Person darunter ist, die virulente Erreger
streut. Zum Verständnis von Ausbrüchen
postoperativer Infektionen im Operationsgebiet (z.B. verursacht durch A-Streptokokken) sind Kenntnisse über die mikrobielle Besiedlung der Haut und die Abgabe bakterientragender Hautpartikel erforderlich (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“, Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“ und
Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“).
Normalerweise findet sich folgende anatomische Lokalisation der Hautflora [24]:
■ Hautoberfläche und Stratum corneum:
einzelne Bakterienzellen und Mikrokolonien (bis zu 10 Bakterienzellen).
■ Haarfollikel: zahlreiche Bakterienzellen in den Öffnungen zwischen Haarschaft und oberflächlicher Hornschicht
der Follikelwand.
■ Komedonen: viele Bakterien, eingebettet in Talg und Keratin (Keimzahlen am
höchsten).
■ Ausführungsgänge ekkriner Schweißdrüsen: keine Bakterien in den intradermalen Abschnitten, nur an den Öffnungen Bakterien nachweisbar, aber in
geringer Keimzahl (wie an der Hautoberfläche).
■ Haut nach Okklusion mit PolyethylenFolie: Zunahme der Keimzahl zwischen
Haarschaft und Follikelwand, mehr
Sprosspilze als auf normaler Haut, besonders an den Follikelöffnungen.
■ Intertriginöse Hautareale: zahlreiche
Bakterienzellen, Keimzahl ähnlich wie
nach Okklusion.
Übertragung von Erregern
Dass die Haut auch als Erregerreservoir in
Frage kommt, zeigen folgende Zahlen [6,
18, 25, 32]:
■ Hautoberfläche des Menschen: ca.
1,75 m2 (18% je Bein, 37% Rumpf, 9%
je Arm, 9% Kopf, <2% Axillen und Perineum)
■ An der Oberfläche abgeschilferte
Hautschuppen (30×30×3–5 µm): >108
am gesamten Körper
■ Mikrobielle Besiedlung der Haut nicht
gleichmäßig verteilt (siehe oben): nur
ca. 10% der Hautschuppen sind besiedelt
■ Durchschnittlich alle vier Tage werden
sämtliche Hautschuppen einmal abgegeben, d.h. ca. >107 Hautschuppen pro
Tag, besonders zahlreich beim Baden
und Duschen.
■ Bei normalem Gehen Abgabe von ca.
104 Hautschuppen pro Minute, Abgabe
auch im Stehen, wenn unbekleidet
durch den Luftstrom
■ Ca. 10 mg Haut werden auf diese Weise
alle zwei Stunden in der Kleidung abgelagert.
■ Durchmesser der Hautschuppen durchschnittlich ca. 14 µm
■ Duschen erhöht vorübergehend die
Abgabe von Hautschuppen (Austrocknung der Haut durch Reduzierung des Talgs), ca. zwei Stunden später ist die Haut wieder normal (präoperatives Duschen des Operationsteams als „Hygienemaßnahme“ also
nicht sinnvoll; siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“).
■ Männer geben 1,45-mal mehr Hautschuppen ab als Frauen (Männer sind
durchschnittlich größer, haben also
mehr, außerdem aber auch kleinere
Hautschuppen als Frauen).
■ Männer sind stärker mikrobiell kolonisiert und geben insgesamt 3,5-mal mehr
■
■
■
■
■
15
Bakterien ab als Frauen (in einer Untersuchung streuten von 389 Männern
11,6% S. aureus, aber von 613 Frauen
nur 1,3%).
Manche Personen „streuen“, d.h., sie
geben mehr bakterientragende Hautschuppen ab als der Durchschnitt (sog.
„Disperser“ oder „Shedder“; vergl.
oben „Nasopharyngeale Besiedlung“).
Dies ist nicht notwendigerweise mit einer Hautkrankheit, wie Ekzem oder
Psoriasis, verbunden (viele im Rahmen
von Ausbrüchen als Disperser identifizierte Personen hatten keine sichtbaren Hautveränderungen).
Auch bei Dispersern variiert das Ausmaß der Streuung, d.h., sie streuen
nicht ständig.
Bei männlichen Dispersern (siehe unten) war die Abgabe von S. aureus unbekleidet geringer als mit Kleidern (nahezu kein Unterschied bei Tragen persönlicher Kleidung und von Operationskitteln): Kleidung fördert die Abgabe von Hautpartikeln durch Reibung
an der Haut.
Die Art der Operationskleidung beeinflusst die Freisetzung von Hautpartikeln
in die Luft des Operationssaales: Baumwolle hat eine regelmäßige Webstruktur
mit „Poren“ >80 µm, d.h., Hautschuppen
können ungehindert passieren; Kunstfaser mit unregelmäßigem Faserverlauf
(„kreuz und quer“) lässt dagegen den
Luftaustausch zu, aber Hautpartikel
bleiben im Fasernetz hängen.
Die Abgabe von bakterientragenden
Hautschuppen durch medizinisches Personal ist mit großer Wahrscheinlichkeit nur
unter den Bedingungen einer Operation
von Bedeutung, weil dabei längere Zeit eine große Wundfläche freiliegt, in die in der
Luft schwebende Partikel sedimentieren
können.
16
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
Staub
Die Übertragung von Erregern durch kontaminierten Staub (z.B. Sedimentation auf
Wunden oder Inhalation mit nachfolgender Besiedlung der vorderen Nasenhöhle)
wird zwar häufig genannt, ist aber nicht belegt [3, 7, 22]. Im Rahmen der üblichen
Sauberkeit im Krankenhaus – wo liegt in
unseren Krankenhäusern überhaupt sichtbarer Staub? – spielt dieser Übertragungsweg bei der Patientenversorgung mit großer Sicherheit keine Rolle.
Was die Übertragbarkeit von A-Streptokokken via Staub angeht, konnte gezeigt
werden, dass sogar die Exposition von Versuchspersonen in einer mit A-Streptokokken stark kontaminierten staubreichen
Umgebung und auch die direkte Inokulation von A-Streptokokken-haltigem Staub
in den Nasen-Rachen-Raum weder Racheninfektionen noch eine Besiedlung der
oberen Atemwege hervorriefen [26]. Die AStreptokokken waren zwar in trockenem
Zustand anzüchtbar, hatten aber ihre Virulenz verloren, erkennbar daran, dass die
Adhäsion an Wirtszellen und ihre Resistenz
gegen Granulozyten vermindert war; in
feuchtem Milieu waren diese Virulenzfaktoren wieder aktiv. Ähnliche Ergebnisse
wurden für S. aureus im Tierversuch ermittelt (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [22, 26].
Bereits in den 1960er Jahren wurde experimentell nachgewiesen, dass eine Aufwirbelung von Keimen vom Fußboden auch
bei heftigen Aktivitäten (z.B. Blasen mit
Föhn) nicht stattfindet, dass also ein kontaminierter Fußboden als Erregerreservoir
für Krankenhausinfektionen nicht in Frage kommt [15]. Dennoch werden in
Deutschland seit Jahrzehnten vielerorts
umfangreiche routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen, z.B. auf Intensivstationen, für erforderlich gehalten. Wichtig ist fraglos die Sauberkeit auch der Fuß-
böden. Ob darüber hinaus aber die in der
Regel einmal täglich durchgeführte Fußbodendesinfektion einen Einfluss auf den
Schutz des Patienten vor Infektionen hat,
ist weder belegt noch bei rationaler Betrachtung anzunehmen. Dies gilt im Übrigen auch für die patientennahen Oberflächen (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des
Patienten“).
DNA
Über den Nachweis erregerspezifischer
DNA aus der Luft in der Umgebung infizierter Personen (z.B. Varizella-Zoster-Virus-DNA in der Raumluft bei Zoster-Patienten oder Humanes Papilloma-VirusDNA im Rauch bei der Laser-Behandlung
von genitalen Warzen) ist berichtet worden
[27, 29]. Nicht belegt ist jedoch, ob diese
Befunde tatsächlich ein Indiz für eine aerogene Übertragung dieser Erreger sind.
Zusammenfassend sind demnach aerogene Erregerübertragungen möglich durch
a) Tröpfchenkerne von Mensch zu Mensch
(z.B. offene Tuberkulose der Atemwege, Varizellen bzw. Masern mit bronchopulmonaler Beteiligung oder Freisetzung von S. aureus oder A-Streptokokken bei nasopharyngealer Besiedlung),
b) Tröpfchenkerne aus einem Wasserreservoir (z.B. Legionellose ausgehend
von Whirlpools, Verneblern oder Kühltürmen),
c) Bio-Aerosol ( z.B.Aspergillose, Nokardiose),
d) bakterientragende Hautschuppen (z.B.
postoperative Infektionen im Operationsgebiet mit S. aureus oder A-Streptokokken ausgehend von einem asymptomatisch besiedelten Träger im Operationsteam) und
e) kontaminierten Staub (nicht belegt, bei
üblicher Sauberkeit unwahrscheinlich).
Übertragung von Erregern
Im klinischen Alltag gibt es jedoch so viele
Möglichkeiten des direkten und/oder indirekten Kontakts mit Erregern, dass der aerogene Übertragungsweg von untergeordneter Bedeutung ist, und man kann zur
Frage der aerogenen Übertragung der typischen und häufigen nosokomialen Infektionen festhalten, dass immer dann, wenn
im Einzelfall die Möglichkeit einer aerogenen Übertragung erwogen wird, fast immer auch die Übertragung via direkten
oder indirekten Kontakt ebenfalls in Betracht kommt [3, 22].
Beispiele für Kontaktübertragung
vs aerogene Übertragung
„Kinderkrankheiten“
Der aerogene Übertragungsweg wird in
der Kinderheilkunde gern als „fliegende
Infektion“ bezeichnet. Unklarheit herrscht
allerdings (nicht nur in der Pädiatrie) darüber, welche Infektionen aerogen übertragbar sind bzw. ob solche Infektionen
tatsächlich nur aerogen bzw. (neben der
Kontaktübertragung) auch aerogen übertragen werden können.
■ Bei Kinderkrankheiten handelt es sich
vorwiegend um Virusinfektionen, wie
z.B. Masern und Varizellen, die wegen
hoher Kontagiosität in den meisten
Fällen beim ersten Kontakt, also in der
Regel bereits im Kindesalter (daher
der Name), erworben werden.
■ Übertragung meist via Kontakt: Hohe
Viruskonzentrationen im Nasopharyngealsekret gegen Ende der Inkubationszeit, Übertragung via große Tröpfchen bei engem Kontakt (<2 m Abstand) oder via Kontakt über die Hände mit Selbst-Inokulation durch HandGesichts-Kontakte (bei Varizellen auch
via Kontakt mit Bläschensekret) [13,
14].
17
■ Aerogene Übertragungen von Masern
und Varizellen, die zu Infektionen bei
mehreren Personen ohne Kontakt zu
den primär Erkrankten geführt haben,
sind jeweils im Zusammenhang mit einer ungünstigen Luftführung durch
Klimaanlagen beschrieben worden [9,
12, 20]. Hinzu kamen bei den beiden
nosokomialen Varizellenausbrüchen
vermutlich hohe Viruskonzentrationen
in der Luft der Patientenzimmer (einmal schwerkrankes Kind mit Varizellen-Pneumonie, einmal Einsatz eines
Staubsaugers zur Entfernung der am
Boden liegenden Reste abgestoßener
Krusten bei einem Kind mit großflächiger Hautmanifestation ohne Lungenbeteiligung) [12, 20]. Ob eine Übertragung auch unter natürlichen Bedingungen, d.h. ohne die Förderung der Erregerausbreitung durch die inadäquat arbeitende Klimaanlage zustande gekommen wäre, ist jedoch nicht klar
(siehe Kapitel B.7 „Umgebung des
Patienten“).
■ Sog. „Auslüften“ des Personals nach
Verlassen eines Varizellen-Patientenzimmers, z.B. zehn Minuten auf einem
Balkon im Freien stehen, ist eine anachronistische
„Hygienemaßnahme“
ohne rationale Basis. Dasselbe gilt für
das Abkleben der Zimmertüren inkl.
der Schlüssellöcher. Sicherlich vernünftig dagegen ist es, die Patientenzimmer häufig zu lüften (siehe Kapitel
B.5 „Tuberkulose“) und bei Vorhandensein einer Klimaanlage deren Luftführung regelmäßig zu überprüfen.
■ Um die Übertragung der sog. Kinderkrankheiten bei der Patientenversorgung zu verhüten, ist die Vermeidung
von Kontaktübertragungen, also in erster Linie die Beachtung der Händehygiene, von entscheidender Bedeutung
[5].
18
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
„Erkältungen“
Weit verbreitet ist die Auffassung, dass die
typischen sog. Erkältungskrankheiten des
oberen Respirationstraktes durch „Anhusten“ übertragen werden. Deshalb lernt
man schon als Kind, sich beim Husten die
Hand vor den Mund zu halten. Aus experimentellen Untersuchungen geht jedoch
hervor, dass diese Infektionen meist nicht
durch Tröpfchen, sondern durch Kontakt
der (eigenen) Hände mit kontaminierten
Oberflächen oder mit den kontaminierten
Händen eines Erkrankten, z.B. beim Händeschütteln, übertragen werden; anschließend kommt es durch Kontakt der eigenen
kontaminierten Hände mit der Nase oder
den Augen zur Selbst-Inokulation der Erreger [5, 13, 14].
Aus experimentellen Untersuchungen ist
ferner bekannt, dass respiratorische Viren
(z.B. Respiratory-Syncytial-Virus, Rhinoviren) auch außerhalb des Organismus für einige Zeit infektionstüchtig bleiben; beispielsweise „überleben“ RS-Viren auf Arbeitsflächen aus Kunststoff bis zu 6 Stunden,
auf Latex-Handschuhen bis zu 1,5 Stunden
und auf Händen bis zu 20 Minuten [14].
Eintrittspforten der viralen Erreger typischer Erkältungen sind die Schleimhäute
des oberen Respirationstraktes, insbesondere die Nasenschleimhaut, und die Bindehaut der Augen [13, 14]. Da häufige HandGesichts-Kontakte für den Menschen typisch sind und Personen mit florider Erkältung ihr Umfeld zwangsläufig durch
Kontakt ihrer Hände mit dem infektiösen
Sekret beim Husten und Naseputzen kontaminieren, ist die Selbst-Inokulation an
sich nicht zu verhindern, sondern kann
höchstens durch eine strenge Selbstdisziplin reduziert werden.
Aufgrunddessen ist es nahezu unmöglich,
sich vollständig vor dem Kontakt mit respi-
ratorischen Viren zu schützen. Neben der
Vielzahl von Viren, die derartige Infektionen verursachen können, ist eben diese
praktische Unmöglichkeit, einen Erregerkontakt zu vermeiden, der Hauptgrund für
die häufigen Erkältungen im Laufe des Lebens.
S. aureus-Infektionen
Einer der häufigsten Erreger krankenhauserworbener Infektionen ist S. aureus. Wie
bei den anderen nosokomialen Infektionserregern findet die Übertragung meist
durch Kontakt statt. Für eine aerogene
Übertragung gibt es, abgesehen von der
speziellen Situation bei Kontamination
von Operationswunden via bakterientragende Hautschuppen (siehe oben), nur
wenige Hinweise (siehe Kapitel B.10
„MRSA“) [3, 7, 19, 22, 26].
„Cloud babies“
Bei Neugeborenen/Säuglingen wurde eine
Interaktion zwischen nasaler Besiedlung
mit S. aureus und Virusinfektion der oberen
Luftwege beschrieben, die dazu führte, dass
die Babys quasi von einer Wolke aus S. aureus umgeben waren (diese Beobachtung
wurde damals in der nicht-medizinischen
Öffentlichkeit aufgegriffen und von Charles M. Schulz sogar in einem „Peanuts“Comic verarbeitet, siehe S. V und VI) [10].
Die Hypothese der Autoren war, dass
durch das Anschwellen der Nasenschleimhaut und durch die damit veränderten Strömungsverhältnisse vermehrt feinste respiratorische Tröpfchen, also Tröpfchenkerne,
freigesetzt werden, von denen die Kinder
umgeben sind, die sich aber als schwebende Partikel in der Raumluft verteilen
können.Andere Babys in der Nähe wurden
mit S. aureus besiedelt, weil ihre Atemwege
wie ein Luftkeimsammler wirkten und
S. aureus aus der Luft aufsaugten.
Übertragung von Erregern
„Cloud adult“
Bei Erwachsenen ist das Phänomen der Interaktion zwischen S. aureus-Besiedlung
und Virusinfektion der oberen Luftwege
erst vor wenigen Jahren in einem Einzelfall
beschrieben worden [28]. Es handelte sich
um einen Anästhesisten, der epidemiologisch mit einer Häufung postoperativer
MRSA-Pneumonien in Zusammenhang
stand. Ob diese Interaktion zwischen der
nasalen Besiedlung mit S. aureus und Erkältungskrankheiten generell eine Rolle
spielt, ist nicht bekannt. Entsprechende
Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen fehlen noch.
Allgemeine Präventionsmaßnahmen
Bei der Patientenversorgung spielt die Erregerübertragung durch direkten oder indirekten Kontakt ohne Zweifel die größte
Rolle. Zusammengefasst sind die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention von Kontaktübertragungen:
■ Händedesinfektion nach Kontakt mit
potenziell infektiösem Material oder
nach Kontakt mit einer infizierten/kolonisierten Person.
■ Vernünftiger Umgang mit EinmalHandschuhen, d.h. nach Beendigung
der Tätigkeit, für die man sie angezogen hat, umgehend ausziehen und nicht
noch andere Tätigkeiten, wie z.B. Eintragungen in die Kurve, damit durchführen.
■ Vermeidung von Hand-Gesichts-Kontakten, um die Möglichkeit der SelbstInokulation respiratorischer Infektionserreger zu reduzieren: einer derartigen Selbstdisziplinierung sind im
„normalen Leben“, d.h. außerhalb der
Patientenversorgung, natürlicherweise
Grenzen gesetzt.
■ Wenn möglich, Abstand von >2 m zu
Personen mit Infektionen der oberen
19
Atemwege halten, um den Kontakt mit
„großen“ Tröpfchen zu vermeiden.
■ Ansonsten bei nahem Kontakt während der Versorgung erkrankter Patienten (bzw. wenn das medizinische Personal selbst erkältet ist) eine Maske
tragen (Versorgung von Masern- oder
Varizellen-Erkrankten nur durch immunes Personal).
■ Nach Schnäuzen und Husten (mit
Hand vor dem Mund) möglichst immer
sofort Hände waschen, um Gegenstände und Oberflächen nicht zu kontaminieren, mit denen später auch andere
Personen Kontakt haben (z.B. Telefon,
Arbeitsflächen).
■ Sämtliche Gegenstände für die Patientenversorgung nach dem Gebrauch
und vor dem Einsatz bei anderen Patienten mit effektiven Methoden dekontaminieren, d.h. je nach Verwendungszweck entweder nur reinigen und
trocknen oder reinigen, desinfizieren
und trocknen oder reinigen, trocknen
und sterilisieren (siehe dazu auch Kapitel B.2 „Reinigung, Desinfektion, Sterilisation“).
Maßnahmen zur Prävention aerogener
Übertragungen sind schwieriger zu etablieren. Die prinzipiellen Empfehlungen dazu
sind in Kapitel B.5 „Aspergillose“ und
„Tuberkulose“ zusammengefasst.
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22
A
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
3.
Virale Infektionen durch Blutkontakt
Bei parenteralem Kontakt mit Blut können verschiedene Erreger übertragen werden. Vor allem sind dabei die Erreger von
Hepatitis B und Hepatitis C (HBV und
HCV) sowie von AIDS (HIV) von Bedeutung [4, 7, 8, 17, 19, 26, 28]. Virale hämorrhagische Fieber (VHF) werden auf
demselben Weg übertragen [4, 6, 9]. Weil
aber aufgrund von Ergebnissen aus Tierversuchen nicht völlig auszuschließen ist,
dass nicht doch teilweise auch eine aerogene Übertragung vorkommen kann, werden
im Umgang mit Patienten mit Verdacht auf
ein VHF wesentlich aufwändigere Schutzmaßnahmen empfohlen [9, 10].
Auch bei bakteriellen Infektionen können
Erreger im Blut vorkommen, wobei dann
ein parenteraler Kontakt mit dem Blut eines solchen Patienten ebenfalls zu einer
Infektion führen kann. Eine extreme Rarität stellt diesbezüglich der Fall eines Arztes dar, der sich nach einer Nadelstichverletzung eine Knochen-Tuberkulose im betreffenden Finger zugezogen hat [14].
Nicht ganz so selten sind dagegen bakterielle Kontaminationen von Blutprodukten
(siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“).
Parenteraler Kontakt bedeutet, dass das
Blut eines „Spenders“ in den Blutkreislauf
einer anderen Person gelangt. Dies kann
im Extremfall durch die Gabe von Blut einer infizierten Person geschehen. Beispielsweise ist heute bekannt, dass HCV
die Hauptursache der früher als HepatitisNon-A-Non-B bezeichneten Form, der
sog. Posttransfusions-Hepatitis, gewesen
ist [24].
Infektiöses Material
Bei HBV, HCV und HIV (und inzwischen
auch HGV) ist insbesondere das Blut infektiös; die Viren sind aber auch in einigen
Körperflüssigkeiten enthalten [4, 7, 8, 17,
19, 20, 23, 26, 28]. Deshalb muss ein Kontakt auch an der Haut immer vermieden
werden, da es über kleine, oft nicht sichtbare Hautverletzungen auch zu einem parenteralen Kontakt kommen und da man eine
Infektion der Patienten nie sicher ausschließen kann (sog. „universal precautions“) [7].
Folgende Körperflüssigkeiten müssen deshalb immer als potenziell infektiös angesehen werden (unabhängig davon, ob ein
Patient als infiziert bekannt ist oder nicht)
[7, 28]:
■ Blut und andere Körperflüssigkeiten
mit sichtbarer Blutbeimengung
■ Liquor
■ Gelenkflüssigkeit
■ Pleuraflüssigkeit
■ Peritonealflüssigkeit
■ Perikardflüssigkeit
■ Amnionflüssigkeit
■ Samenflüssigkeit
■ Vaginalsekret
Ferner ist jedes Gewebe potenziell infektiös.
Beim Umgang oder bei möglichem Kontakt mit diesen Patientenmaterialien sollen immer, d.h. ausnahmslos bei jedem Patienten, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, um einen Kontakt zu vermeiden.
Virale Infektionen durch Blutkontakt
Nicht infektiöses Material
Folgende Patientenmaterialien sind, wenn
sie kein sichtbares Blut enthalten, sehr
wahrscheinlich nur in einem extrem geringen Maße mit einem Infektionsrisiko verbunden:
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
Nasensekret
Sputum
Speichel
Schweiß
Tränenflüssigkeit
Urin
Erbrochenes
Faeces
Risikogruppen im Krankenhaus
■
Übertragungen von Blut-assoziierten Erregern bei der Patientenversorgung sind in
erster Linie vom Patienten auf das Personal zu erwarten, weil für das Personal das
Expositionsrisiko größer ist. Eine wichtige
Rolle spielt aber auch die Übertragung
vom Personal auf Patienten. Außerdem
sind Übertragungen von Patient zu Patient
berichtet worden, deren Relevanz diskutiert werden muss.
Übertragung von Patienten auf Personal
Immer noch die häufigste Ursache sind
Nadelstichverletzungen. Das Übertragungsrisiko ist dabei grundsätzlich abhängig von der Viruskonzentration im Blut des
„Spenders“, die zum einen je nach Infektion (HBV, HCV oder HIV) variiert, zum
anderen aber auch vom klinischen Zustand des Infizierten abhängt (beispielsweise sind die Virus-Titer im Blut von
AIDS-Patienten im Endstadium der Erkrankung wesentlich höher als von HIVInfizierten, die noch keine klinische Symptomatik zeigen) [2–4, 7, 8, 17, 19, 26, 28]:
■ Das HBV-Risiko ist bei HBsAg-Trägern, die zusätzlich auch HBeAg-posi-
■
■
23
tiv sind, sehr hoch (bis zu 40%, sonst
<10%).
Das HCV-Risiko liegt zwischen 0%
und 7% (–10%).
Das HIV-Risiko ist mit 0,2–0,4% wesentlich geringer.
Ein weiterer entscheidender Faktor für
das Übertragungsrisiko ist die Menge
an Blut, die inokuliert wird. Dabei haben die Tiefe des Eindringens sowie die
Art und Größe der Nadel einen wesentlichen Einfluss, weil mit einer großen Kanüle mehr Blut inokuliert werden kann als mit einer kleinen chirurgischen Nadel, die kein Lumen hat.
In einer experimentellen Untersuchung wurde gezeigt, dass die inokulierte Blutmenge um 46–86% reduziert
werden kann, wenn die Kanüle vor Einstich in die Haut noch durch Latexoder PVC-Handschuhmaterial dringen
musste [18]. Dabei wird das an der Außenseite der Kanüle haftende Blut zumindest teilweise am Handschuhmaterial abgestreift und somit nicht mit
inokuliert. Handschuhe reduzieren also
auch bei einer Nadelstichverletzung
das Übertragungsrisiko.
Blutkontakt während operativer Eingriffe ist ein relativ häufiges Ereignis,
variiert aber abhängig vom chirurgischen Fachgebiet. So kommt es bei größeren Gefäßoperationen, bei intraabdominalen, gynäkologischen und orthopädischen bzw. traumatologischen
Operationen besonders häufig zu perkutanen Kontakten [12, 21, 26, 28].
Das manuelle Tasten der Nadelspitze
ist eine vermeidbare Ursache für perkutane Blutkontakte beim Operieren;
dementsprechend muss die Operationstechnik angepasst werden. Durch entsprechende Schutzkleidung des Operationsteams (flüssigkeitsdichte Kleidung, ggf. Schutzbrille mit Seitenschutz
24
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
oder Schutzschild) sowie durch umsichtiges Vorgehen während der Operation
(z.B. spitze oder scharfe Instrumente
nicht von Hand zu Hand reichen, sondern „Selbstbedienung“ durch die
Operateure; nicht zu zweit eine Wunde
nähen, sondern dem Prinzip folgen:
„Eine Wunde, ein Chirurg“) ein Kontakt mit Blut bzw. eine Verletzung mit
spitzen oder scharfen Gegenständen
vermieden werden. Doppelte Handschuhe bieten zusätzlichen Schutz, obwohl der Qualitätsstandard moderner
Operationshandschuhe sehr hoch ist,
sie somit zuverlässig dicht sind.
■ Auch der Blutkontakt an Haut und
Schleimhaut ist prinzipiell mit einem
Infektionsrisiko verbunden, für das
keine Größenordnung angegeben werden kann, das aber wahrscheinlich sehr
viel niedriger ist als bei einer Verletzung mit einem spitzen oder scharfen
Gegenstand [7, 19, 27]. Entscheidend
sind wieder die Blutmenge, aber auch
die Dauer der Exposition und der Zustand der Haut während der Exposition (z.B. kleinere Verletzungen, Hautveränderungen bei Ekzem etc.).
Vorsichtiger Umgang mit Kanülen und allen anderen spitzen und scharfen Gegenständen sowie Schutz von Haut und
Schleimhäuten durch Einmal-Handschuhe
bzw. Maske und Schutzbrille sind die essenziellen Maßnahmen zur Prävention
Blut-assoziierter Infektionen. Die sicherste Prävention vor einer Infektion mit HBV
ist die Schutzimpfung gegen Hepatitis B,
die deshalb alle in der Patientenversorgung tätigen Personen erhalten sollen.
Übertragung von Personal auf Patienten
Es gibt verschiedene Berichte über intraoperative Verletzungen infizierter Operateure, wobei deren Blut in direkten Kon-
takt mit dem Blut des Patienten gekommen ist [15, 27]. Insgesamt ist das Risiko
wahrscheinlich gering, dennoch aber wurden Empfehlungen gegeben, wie man dieses Risiko für die Patienten so weit wie
möglich reduzieren kann [8]. Als „exposure prone invasive procedures“ (Expositions-geneigte invasive Eingriffe; vergl. im
Deutschen z.B. den Begriff „Gefahr-geneigte Arbeit“) wurden danach Eingriffe
bezeichnet, bei denen der Platz im eigentlichen Operationsgebiet so begrenzt ist,
dass die chirurgische Nadel und die Finger
des Operateurs so wenig Spielraum haben,
dass Nadelstichverletzungen wahrscheinlich sind. Operateure müssen sich deshalb
eine Technik aneignen, bei der Nadelstiche
vermieden werden (z.B. kein manuelles
Tasten der Nadel in tiefem, schlecht einsehbaren Operationssitus).
Es wurde aber auch über Übertragungen
von HBV- bzw. HCV-infizierten Operateuren berichtet, die alle Standard-Kontrollmaßnahmen eingehalten haben [11,
13]. In beiden veröffentlichten Fällen
scheinen unbemerkte nicht blutende Verletzungen bzw. Hautschädigungen, die bei
den Operateuren während der Operation
entstanden, ursächlich gewesen zu sein.
Hinzu kamen nicht sichtbare Handschuhbeschädigungen beim (festen) Fädenknüpfen bzw. beim Verdrahten des Sternums nach Sternotomie. Als entscheidend
wurde in diesen Fällen aber gesehen, dass
bei beiden Operateuren sehr hohe Virustiter im Blut nachweisbar waren, wodurch
die Infektiosität ihres Blutes wahrscheinlich sehr hoch war.
In einem Fall gibt es überzeugende Hinweise dafür, dass sich ein Anästhesiepfleger, der eine Wunde an einer Hand hatte,
aber grundsätzlich keine Handschuhe
trug, im Rahmen der perioperativen Versorgung einer HCV-positiven Patientin in-
Virale Infektionen durch Blutkontakt
fiziert hat [25]. Danach wurden ausgehend
von ihm fünf Patienten infiziert, bei deren
Versorgung er prä- und postoperativ in allen Fällen assistierte. Der genaue Übertragungsweg konnte nicht eruiert werden. Bei
der Versorgung der Patienten bestanden
für ihn aber zumindest theoretisch vielfältige Übertragungsmöglichkeiten. Handschuhe wären sowohl im Fall seiner eigenen Infektion als auch der Infektionen der
anderen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit protektiv gewesen.
Übertragung von Patient zu Patient
In einem Bericht über HBV-Übertragungen bei pädiatrischen Patienten wurden
Schleimhautkontakte mit Gegenständen,
die mit Speichel infizierter Kinder kontaminiert waren, verantwortlich gemacht
[22]:
■ HBV-Infektionen unter zytostatischer
Chemotherapie führen in einem sehr
hohen Prozentsatz zu einer persistierenden Virämie mit extrem hohen Virustitern.
■ Hinzu kommt, dass die Infektion lange
Zeit weder histologisch noch klinisch
oder serologisch nachweisbar ist, da
erst die Immunantwort, zu der diese
Patienten aber nicht in der Lage sind,
zur Leberzellschädigung führt.
■ Unter Chemotherapie treten ferner
häufig Schleimhautschädigungen mit
Blutungen auf.
■ Da (kleine) Kinder ihr Spielzeug oft in
den Mund nehmen, besteht für nicht infizierte Kontakt-Kinder, die ebenfalls
mit diesem Spielzeug spielen und darüber hinaus auch aufgrund der Chemotherapie eine geschädigte Mundschleimhaut haben, ein reales Infektionsrisiko.
■ Die Frage, ob man Kinder auf pädiatrischen onkologischen Stationen, die z.B.
25
HBV-infiziert sind, aufgrund dieser
Übertragungsmöglichkeit im Einzelzimmer isolieren und nicht mit anderen
nicht-infizierten Kindern spielen lassen
soll, wird in der Fachliteratur nicht behandelt.
Auch bei erwachsenen onkologischen Patienten gibt es Berichte über (HCV-)Übertragungen, für die zwar Bluttransfusionen
ausgeschlossen, aber kein anderer schlüssiger Übertragungsweg postuliert werden
konnte [1]. Möglicherweise sind jedoch
Übertragungen bei schwer abwehrgeschwächten Patienten möglich, wenn es
aufgrund nicht absolut konsequenter
Asepsis, z.B. beim Richten von Injektionen
und Infusionen, zu Kontaminationen
durch die Hände des Personals kommt, wie
es ähnlich auch die Erfahrungen mit der
Übertragung von HBV bei Dialysepatienten gezeigt haben (siehe Kapitel B.3 „Injektionen und Punktionen“ und Kapitel
B.6 „Dialyse“) [16].
Übertragungen durch
kontaminierte Gegenstände
HVC-Übertragungen wurden auch im Zusammenhang mit nicht völlig korrekter
Aufbereitung von Endoskopie-Zubehör
im Rahmen von Koloskopien berichtet [5].
Bei Einhaltung der empfohlenen Aufbereitungsschritte sind jedoch Übertragungen mit Blut-assoziierten oder anderen Erregern sicher zu verhindern (siehe Kapitel
B.6 „Endoskopie“).
HBV-Übertragungen wurden auch durch
kontaminierte Mehrdosisbehältnisse verursacht [16]. Dieser Übertragungsmodus wird
in Kapitel B.3 ausführlicher behandelt.
Angaben zu erforderlichen Infektionskontroll-Maßnahmen finden sich in Kapitel
B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“.
26
Kapitel A: Entstehung von Infektionen
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B
Kapitel
Prävention
nosokomialer
Infektionen
Standard-Hygiene
B
31
1.
Standard-Hygiene
Die Maßnahmen, die einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend
sind für eine gute hygienische Grundversorgung aller Patienten in jeder Situation
bei Diagnostik, Therapie und Pflege und
die gleichzeitig auch das Personal vor Kontakten mit potenziell pathogenen Keimen
schützen, bezeichnet man zusammenfassend als Standard-Hygiene. Das Hauptanliegen dieses Kapitels – wenn nicht des
ganzen Buches – ist es, die generelle Notwendigkeit einer guten hygienischen Praxis im Umgang mit allen Patienten herauszustellen. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind zum einen einfach und zum anderen bekannt, und dies nicht nur bei Krankenhaushygienikern, sondern bei allen
Vertretern des medizinischen Personals
und in etwas eingeschränktem Umfang
auch in der Normalbevölkerung, also beim
Patienten.
Auswirkungen des Prinzips
der Standard-Hygiene
Unter dem Begriff Standard-Hygiene lassen sich alle Maßnahmen subsumieren, die
bei der Versorgung jedes Patienten berücksichtigt werden müssen, um einerseits den
Patienten vor exogener Kontamination zu
schützen und andererseits andere Patienten und sich selbst vor Kontakt mit potenziell pathogenen Keimen des Patienten zu
schützen [4, 7, 13–15, 18]. Denn man kann
nie sicher wissen, ob ein Patient potenziell
pathogene oder sogar multiresistente Keime mitbringt, wenn er in die Behandlung
kommt [4]. Auch ein ausgeklügeltes Screening kann hier keine Sicherheit bieten und
ist im Übrigen so aufwändig, dass man es
ohnehin nur bei ausgewählten Patienten
anwenden kann (z.B. MRSA-Screening in
den Niederlanden; siehe Kapitel B.10
„MRSA“) [22].
Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels
Eine sorgfältige Beachtung der StandardHygienemaßnahmen würde Übertragungen relevanter potenziell pathogener Keime bei der Patientenversorgung erheblich
einschränken, und spezielle Isolierungsmaßnahmen würden sich damit häufig erübrigen [4]. Heute ist aber eher die Vorstellung verbreitet, dass für die Kontrolle multiresistenter Keime „Isolierung“ die Lösung sei, d.h. im allgemeinen Verständnis:
die Unterbringung des Patienten im Einzelzimmer und der ausgiebige Gebrauch
von Schutzkleidung bei seiner Versorgung
(siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion
bzw. Kolonisation“). Dies kann jedoch
nicht richtig sein, weil Erreger sich nicht
selbst übertragen, sondern übertragen werden.
Und das bedeutet, dass sich durch eine (in
der Routine) bessere hygienische Praxis
die Isolierung im Einzelzimmer auf vergleichsweise wenige Patienten beschränken ließe, die, wie z.B. Verbrennungspatienten, großflächig besiedelt oder infiziert
sind und demzufolge eher eine Streuquelle darstellen. Angesichts der Unmöglichkeit, bei einem Patienten die Besiedlung
mit multiresistenten Erregern auszuschließen, muss sich langfristig die Auffassung
durchsetzen, dass jeder Patient potenziell
an irgendeiner Körperstelle mit irgendei-
32
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
nem sog. „Problemkeim“ besiedelt sein
kann (so wie jeder Patient potenziell eine
mit Blut übertragbare Infektion haben
kann; siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“).
Ebenso also, wie man beim Umgang mit jedem Patienten den Kontakt mit Blut
und/oder Körperflüssigkeiten vermeiden
muss (zum eigenen Schutz), muss man lernen, bei der Versorgung jedes Patienten
den Kontakt mit potenziell pathogenen,
insbesondere multiresistenten Keimen zu
vermeiden (zum Schutz anderer Patienten
und – eingeschränkt – auch zum eigenen
Schutz). Dies erfordert aber nicht etwa
Maßnahmen, die in der Praxis nicht realisierbar wären; vielmehr schützen dieselben Maßnahmen, die den Kontakt mit
Blut/Körperflüssigkeiten vermeiden helfen, auch vor dem Kontakt mit (multiresistenten) potenziell pathogenen Keimen,
vorausgesetzt man achtet dabei nicht nur
auf den eigenen Schutz (siehe unten
„Handschuhe“).
Anstatt also immer wieder von neuem zu
überlegen, welche Isolierungsmaßnahmen
am besten geeignet seien, um mit dem
Problem von z.B. MRSA fertig zu werden,
sollte man mehr Gewicht darauf legen, bei
der allgemeinen Patientenversorgung einen besseren hygienischen Standard zu erreichen (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [4]:
dies muss zur neuen Leitschnur werden.
Denn wenn man z.B. bei einem Ausbruch
Patienten isolieren muss, reagiert man
meist lediglich auf das Resultat einer unzureichenden hygienischen Versorgung der
Patienten, d.h. man läuft der „guten“ hygienischen Praxis hinterher. Solange man
sich nur wirklich anstrengt, wenn bereits
„etwas passiert“ ist, wird man das Problem
potenziell pathogener und damit ggf. auch
(multi-)resistenter Erreger nie auch nur
annähernd in den Griff bekommen.
Was ist Standard-Hygiene?
Im Folgenden werden die Maßnahmen behandelt, die in den verschiedenen klinischen Situationen zur Standard-Hygiene
gehören können. Das bedeutet auch, dass
– mit Ausnahme der Händehygiene – nicht
alle genannten Maßnahmen zu jeder Zeit
unverzichtbarer Bestandteil der Patientenversorgung sind, sondern situationsgerecht angewendet werden müssen.
Händedesinfektion/Händewaschen
Für die Prävention nosokomialer Infektionen hat die Händehygiene eine entscheidende Bedeutung [1, 2, 4, 7, 8, 13–15, 18].
Die Desinfektion der Hände mit alkoholischen Händedesinfektionsmitteln ist
schnell durchführbar, unabhängig von der
Nähe eines Waschbeckens und auf lange
Sicht für die Haut besser verträglich als
häufiges Händewaschen.
Für den Erfolg der Händehygiene und deren Akzeptanz durch das medizinische
Personal ist die Betonung einer sorgfältigen Technik (siehe unten) bedeutsamer,
als nur eine bestimmte Mindestzeit, wie
meist 30 Sekunden, zu fordern [2]. Wichtig
ist, dass effektive Maßnahmen zur Dekontamination der Hände durchgeführt werden. Ob dabei aber die Hände gewaschen
oder desinfiziert werden, ist an sich von untergeordneter Bedeutung, da unklar ist, ob
der Unterschied in der Keimzahlreduktion
praktisch überhaupt relevant ist. Weil aber
die Händedesinfektion einfacher ist, soll
sie auch bevorzugt werden.
Ziel der Händehygiene mit Händedesinfektion (oder Händewaschen) ist die Elimination der transienten Flora, vor allem
der potenziell pathogenen Keime [20]:
Transiente Flora:
Vorübergehend auf
der Haut vorhanden
Standard-Hygiene
Residente Flora:
Normale Hautflora
Wichtig ist, dass die gesamte Haut der
Hände berücksichtigt wird, also auch Fingerkuppen, Daumen, Fingerzwischenräume und Falten der Handinnenflächen [2].
Händewaschen
■ Mit Flüssigseife aus Spender gründlich
waschen, mit Papiertuch abtrocknen
■ Dauer: 15–30 Sekunden
■ Bei Beginn bzw. Ende der Arbeit
■ Nach Benutzung der Toilette
■ Vor dem Essen bzw. vor dem Verteilen
von Essen
■ Nach Kontakt mit einem nicht-infizierten Patienten (z.B. Bettenmachen, körperliche Untersuchung)
■ Nach Naseputzen (und nach Husten
und Niesen mit Hand vor Mund und
Nase)
■ Bei sichtbarer Verschmutzung
Händedesinfektion
■ Ausreichend Händedesinfektionsmittel in die trockenen Hände geben, damit die Hände vollständig benetzt werden können, gründlich verreiben, bis
die Hände trocken sind
■ Dauer: 10–20 Sekunden
■ Vor Tätigkeiten, die aseptisches Arbeiten erfordern, z.B. Bereitstellung von
Infusionen, Herstellung von Mischinfusionen, Aufziehen von Medikamenten
■ Vor Tätigkeiten an Körperstellen, die
vor Kontamination geschützt werden
müssen, z.B. endotracheales Absaugen,
Verbandswechsel, Manipulationen an
Venen-/Blasenkatheter, Tracheostoma,
Infusionsbesteck
■ Vor invasiven Maßnahmen, auch wenn
dabei Handschuhe, ob steril oder unsteril, getragen werden, z.B.Anlage von
Venen- und Blasenkatheter, Punktionen, Endoskopie, Angiographie
33
■ Nach Kontakt mit Blut, Exkreten, Sekreten (zunächst Händewaschen, siehe
unten)
■ Zwischen der Versorgung verschiedener Patienten, um Erregerübertragungen auf andere Patienten oder eine
Kontamination der Umgebung zu verhüten
■ Auch zwischen verschiedenen Tätigeiten beim selben Patienten, um Kreuzkontaminationen von verschiedenen
Körperstellen zu verhindern
■ Vor Kontakt mit abwehrgeschwächten
Patienten
■ Nach Kontakt mit infizierten oder kolonisierten Patienten
■ Nach Kontakt mit (potenziell) kontaminierten Gegenständen, z.B. Entleeren von Wasserfalle, Absauggefäß,
Urinbeutel
■ Nach Ausziehen von Einmal-Handschuhen
Grobe Kontamination mit potenziell
infektiösem Patientenmaterial
In der klinischen Praxis geschieht es unvermeidbar trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer wieder, dass es zu einer sichtbaren Kontamination der Hände mit z.B.
Blut, Stuhl oder Eiter kommt. Um das Für
und Wider der dann erforderlichen Hygienemaßnahmen gab es viele Auseinandersetzungen, die jedoch wenig Klarheit für
das medizinische Personal gebracht haben.
Dabei geht es doch nur darum, dass die
von der Kontamination betroffenen Personen die (meist oder vermutet) hohen
Keimzahlen möglichst vollständig eliminieren und ihr Umfeld damit nicht bzw. so
wenig wie möglich kontaminieren. Man
kann sich dabei beispielsweise folgendermaßen verhalten:
■ Hände unter nicht zu starkem Wasserstrahl, damit ein Verspritzen der Konta-
34
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
mination verhindert wird, mit Wasser
und Seife waschen oder die Kontamination mit einem desinfektionsmittelgetränktem Papiertuch abwischen und
dann erst die Hände waschen, mit Papiertuch abtrocknen und anschließend
Händedesinfektion (siehe oben)
■ Aus Hautschutzgründen nur in solchen
Fällen Händewaschen und Händedesinfektion unmittelbar nacheinander
durchführen
Diese Empfehlung wird vom medizinischen Personal angenommen, weil hier das
primär ästhetische Anliegen, sich möglichst schnell von der Kontamination befreien zu können, ausreichend berücksichtigt wird. Die anschließende Desinfektion
der optisch sauberen Hände bringt dann
noch die zusätzliche Gewissheit der mikrobiologischen „Reinheit“.
Dagegen fand die Forderung, auf den
sichtbar (z.B. mit Stuhl) kontaminierten
Händen zunächst (zweimal hintereinander)
ein Händedesinfektionsmittel zu verreiben und danach erst die immer noch sichtbare Kontamination mit Wasser und Seife
abzuwaschen, wenig Akzeptanz in der Praxis. Dieses Vorgehen wurde empfohlen, um
eine Kontamination des Waschbeckens
und dessen Umgebung zu verhindern
(denn durch die Desinfektion seien die in
der sichtbaren Kontamination vorhandenen Erreger abgetötet worden und danach
sei ein Verspritzen beim Waschen nicht
mehr relevant). Solche Empfehlungen sind
jedoch in der Praxis nicht vermittelbar,
selbst wenn dieses Vorgehen theoretisch
hygienische Vorteile haben sollte.
Hautpflege
Damit die Haut nicht durch häufiges Waschen und/oder Desinfizieren geschädigt
wird, muss auf regelmäßige Hautpflege geachtet werden (Hautpflegemittel entspre-
chend dem individuellen Hauttyp auswählen) [9, 16, 17].
Handschuhe
Einmal-Handschuhe haben heute bei der
Patientenversorgung eine große Bedeutung. Der häufige Einsatz zum Personalschutz birgt jedoch die Gefahr, dass sie
nicht nach jedem Patienten gewechselt
werden und so zu einem Übertragungsrisiko für die Patienten werden können [2, 7,
10, 11, 13, 18, 19]. Deshalb muss das Personal nachhaltig darauf aufmerksam gemacht
werden, dass ein solcher „Missbrauch“ von
Einmal-Handschuhen mit einem erhöhten
Übertragungsrisiko für die Patienten assoziiert ist. Man muss also lernen, die verschiedenen Funktionen von Handschuhen
bei der Patientenversorgung zu unterscheiden, d.h. Patientenschutz und Personalschutz zu differenzieren.
Sog. Einmal-Untersuchungshandschuhe
können sowohl Patienten als auch Personal vor Erregerkontakten schützen:
■ Reduktion des Übertragungsrisikos
durch Schutz vor Kontamination der
Hände mit hohen Keimzahlen (potenziell infektiöses Material, z.B. eitrige
Sekrete), die allein durch Händedesinfektion nicht sicher vollständig eliminiert werden kann, da Händedesinfektion definitionsgemäß nur eine Keimzahlreduktion um maximal 5 log10 bewirken kann (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).
■ Schutz des Personals vor Kontakt mit
Blut und Körperflüssigkeiten, d.h. insbesondere Schutz vor HBV/HCV- und
HIV-Infektion
Anwendung
Entscheidend ist ein vernünftiger Umgang
mit Handschuhen, damit die Handschuhe
Standard-Hygiene
nicht zu einem Übertragungsrisiko werden:
■ Nach Kontamination sofort ausziehen,
also z.B.:
– Zwischen der Versorgung verschiedener Patienten
– Ggf. auch nach bestimmten Tätigkeiten beim selben Patienten (siehe
Händedesinfektion)
– Vor anderen Tätigkeiten, z.B. Eintragungen ins Krankenblatt, Telefonieren, zur Prävention einer Kontamination der Umgebung
■ Händedesinfektion nach Ausziehen, da
Kontamination der Hände trotzdem
relativ häufig (kommt am ehesten beim
Ausziehen zustande)
■ Handschuhe selbst nicht desinfizieren
Material
■ Latex bevorzugen (aus Gründen des
Umweltschutzes)
■ PVC (Polyvinylchlorid) bei Latexallergie
■ Für viele Tätigkeiten (ohne starke mechanische Beanspruchung) auch Handschuhe aus PE (Polyethylen) geeignet
■ Bei Umgang mit Desinfektionsmittellösungen und für alle Reinigungsarbeiten Haushaltshandschuhe verwenden
Kleidung und Patientenversorgung
Jegliche Kleidung von Krankenhauspersonal muss sauber sein (in bestimmten Situationen ist sterile Kleidung erforderlich).
Darüber hinaus ist die Arbeitskleidung
aber für die Prävention nosokomialer Infektionen von untergeordneter Bedeutung
[2, 3, 5, 13, 18, 21].
Umgang mit der Kleidung
■ Kleidung muss optisch sauber sein.
■ Ausreichende Anzahl zum Wechseln
erforderlich, z.B.
35
– 1 × täglich auf Intensivstationen
– 2–3 × pro Woche auf Allgemeinstationen
– Grundsätzlich nach Bedarf wechseln, z.B. nach Kontamination sofort
■ Arztkittel müssen nicht notwendigerweise immer geschlossen getragen werden:
– Maßgeblich sind Umfang und Art
des Patientenkontakts.
– Saubere Privatkleidung ist mikrobiell nicht mehr belastet als ein Kittel,
der einige Stunden getragen worden
ist.
Man kann prinzipiell drei verschiedene
Arten von Kleidung unterscheiden, die a)
den Schutz des Personals vor Kontamination mit Patientenmaterial und b) den
Schutz des Patienten vor Kontamination
durch das Personal gewährleisten:
Arbeitskleidung
■ Anstelle der Privatkleidung
– Z.B. Kasak und Hose bei Pflegepersonal
– Bunte (private) T-Shirts anstelle weißer Kasaks in Kinderabteilungen üblich, normale Waschtemperaturen
in Haushaltswaschmaschinen (z.B.
60 °C, aber auch niedriger) ausreichend
■ Über der Privatkleidung
– Z.B. Arztkittel
Schutzkleidung
■ In der Regel über der Arbeitskleidung
getragen, wenn es zu einer Kontamination kommen kann:
– Schürze (z.B. Polyethylen)
– Kittel mit langen Ärmeln
■ Aufbewahrung nach Gebrauch
– Im Patientenzimmer (bei Mehrbettzimmern in der Nähe des Patientenbettes)
36
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
– Ob Aufhängen mit Innenseite nach
außen oder umgekehrt, ist unerheblich, da verschmutzte Schutzkleidung nicht mehr aufgehängt, sondern sofort entsorgt werden soll
– Nicht auf dem Gang vor dem Zimmer aufhängen
Bereichskleidung
■ Arbeitskleidung, die nur in speziellen
Krankenhausbereichen getragen werden soll
■ Meist farbige Kleidung
■ Soll bei Betreten des Bereichs angezogen, vor Verlassen abgelegt werden
■ Typischerweise Bereichskleidung für
die Operationsabteilung:
– Sinnvoll zur sichtbaren Abgrenzung
der Operationsabteilung vom übrigen Krankenhaus
– Reduziert Personalbewegungen zwischen beiden Bereichen
– Darüber hinaus aber kein konkreter
Beitrag zur Infektionsprävention
■ In anderen Krankenhausbereichen
nicht erforderlich (z.B. Intensivstationen, Endoskopie, Bronchoskopie, Zentralsterilisation), da Umziehen bei Betreten und vor Verlassen der Bereiche
in der Regel nicht realisierbar und kein
Beitrag zur Infektionsprävention erkennbar
■ Bereichsschuhe:
– Nur für Bereiche sinnvoll, in denen
eine Kontamination der Schuhe mit
Patientenmaterial möglich ist, wie
z.B. in der Operationsabteilung
– Aufbereitung im Schuhwaschprogramm von Reinigungs- und Desinfektionsautomaten
■ Überschuhe:
– Die mikrobielle Kontamination des
Fußbodens ist aus krankenhaushygienischer Sicht irrelevant.
– Überschuhe gehören deshalb zu den
irrationalen Maßnahmen und leisten
keinen Beitrag zur Infektionsprävention.
– Darüber hinaus verursachen sie unnötige Kosten und erhöhen die Belastung der Umwelt durch unnötigen
Abfall.
– Schließlich kontaminiert man sich
beim Anziehen praktisch immer die
Hände.
Personalumkleiden
■ Dezentrale Umkleiden am oder in der
Nähe des Arbeitsplatzes bevorzugen
■ Zentrale Umkleiden mit z.T. erheblichen Wegezeiten verbunden, dadurch
z.B. auch Umkleiden während der Arbeit nach Kontamination organisatorisch schwierig
■ Getrennte Unterbringung von Arbeitsund Privatkleidung, wie in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Gesundheitsdienst“ gefordert, lediglich ästhetisches Problem, denn sichtbar verschmutzte Arbeitskleidung soll in die
Wäsche, und optisch saubere Arbeitskleidung stellt kein Risiko dar
Besucherkittel
Privat- oder Straßenkleidung stellen kein
Risiko für den Patienten dar. Deshalb sind
weder auf Intensivstationen noch bei abwehrgeschwächten Patienten noch in der
Neonatologie Kittel für Besucher erforderlich.
Mund-Nasen-Schutz (Maske)
Außerhalb von OP-Abteilungen sind Masken nur relativ selten wirklich erforderlich,
sie werden aber vom medizinischen Personal – und natürlich in der Öffentlichkeit
(siehe Fernsehserien) – sehr stark mit „Hy-
Standard-Hygiene
giene“ assoziiert und deshalb viel häufiger
als notwendig getragen. Tatsächlich aber
sind andere Hygienemaßnahmen viel
wichtiger.
Man kann verschiedene Maskenarten unterscheiden, abhängig davon, welchen
Zweck sie erfüllen sollen (siehe Kapitel
A.2 „Übertragung von Erregern“) [6, 12,
13]. Sie können sowohl für das Personal als
auch für die Patienten erforderlich sein,
sind aber in vielen Fällen verzichtbar:
Chirurgische Maske
■ Verhindert Freisetzung „großer“ respiratorischer Tröpfchen („droplets“)
■ Filtert keine Aerosole, also Partikel
< 5 µm („droplet nuclei“)
■ Typischerweise bei Operationen verwendet, um den Operationssitus vor sedimentierenden und Mikroorganismen
enthaltenden respiratorischen Tröpfchen („droplets“) zu schützen
■ Verwendung durch das Personal:
– Bei Operationen (siehe Kapitel B.4
„Postoperative Infektionen im
Operationsgebiet“ und Kapitel B.6
„Operationsabteilungen“)
– Bei invasiven Maßnahmen (z.B. Anlage zentraler Venenkatheter, Lumbalpunktion, Herzkatheterisierung)
Beitrag zur Infektionsprävention
unklar, aber meist empfohlen (siehe
Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“
und Kapitel B.4 „Bakteriämie“).
– Bei Verbandswechsel postoperativer
(großflächiger) Wunden oder Versorgung von Patienten mit Verbrennungen Notwendigkeit zum Schutz
des Patienten ungeklärt
– Bei Kontakt mit MRSA-Patienten
häufig empfohlen, um die nasale Besiedlung zu verhindern, wahrscheinlich aber, wenn überhaupt, nur bei
bestimmten Maßnahmen sinnvoll,
37
die mit Aerosolbildung einhergehen,
wie z.B. endotracheales Absaugen
(siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“ und Kapitel B.10 „MRSA“)
– Bei Erkältungskrankheiten für nahen Kontakt mit abwehrgeschwächten Patienten, alten Patienten und
Säuglingen sinnvoll, Händewaschen/Händedesinfektion aber mindestens ebenso wichtig (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“)
– Für nahen Kontakt (<2 m) mit Patienten, die eine mit großen respiratorischen Tröpfchen übertragbare
Krankheit haben (z.B. A-Streptokokken-Pharyngitis, Meningokokken-Meningitis, Diphtherie; siehe
Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion
bzw. Kolonisation“)
– Schutz vor Kontakt mit Blut und
Körperflüssigkeiten (dann auch Augenschutz erforderlich)
■ Verwendung durch die Patienten:
– Bei offener Tuberkulose der Atemwege, wenn das Zimmer verlassen
werden muss: respiratorische Tröpfchen werden zurückgehalten und dadurch die Aerosolbildung verhindert
(siehe Kapitel A.2 „Übertragung
von Erregern“ und Kapitel B.5 „Tuberkulose“)
– Bei Operationen (siehe Kapitel B.4
„Postoperative Infektionen im
Operationsgebiet“ und Kapitel B.6
„Operationsabteilungen“)
Atemschutzmaske
■ Schutz vor Inhalation von Aerosolen
■ Für industriellen Arbeitsschutz (Staubexposition) entwickelt
■ Filterung kleinster Partikel (< 0,6 µm)
■ Rückhaltegrad 95% bis >99% (HEPA
= High Efficiency Particulate Air;
38
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
FFP1- bis FFP3-Masken; N95-Maske;
siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose)
Bei folgenden Gelegenheiten sollen
Atemschutzmasken anstelle der chirurgischen Maske verwendet werden:
■ Personal: Kontakt mit Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege,
wenn Aerosolbildung zu erwarten ist
(z.B. Bronchoskopie, hustenprovozierende Maßnahmen, Pentamidin-Inhalation bei HIV-Patienten; siehe Kapitel
B.5 „Tuberkulose“)
■ Patienten: Schutz vor Inhalation von
Schimmelpilzsporen (siehe Kapitel B.5
„Aspergillose“)
Zusammenfassend kann man zur Verwendung von Masken folgendes feststellen:
■ Wenn (chirurgische) Masken für erforderlich gehalten werden und prinzipiell
effektiv sein sollen, müssen sie gut sitzen, d.h. dicht am Gesicht anliegen. Gespräche müssen auch dann auf das erforderliche Minimum reduziert werden, da die Masken nur einen relativen
Schutz vor Freisetzung von Keimen aus
dem Nasen-Rachen-Raum bieten können.
■ Bei Kontakt der Hände insbesondere
mit der Innenseite der Maske kommt
es zu einer Kontamination der Hände
mit potenziell pathogenen Keimen aus
dem Nasen-Rachen-Raum. Deshalb soll
man die Maske nicht herunterhängen
lassen, sondern anbehalten oder ganz
ablegen, und nach Kontakt die Hände
desinfizieren.
■ Für den Gebrauch von Atemschutzmasken ist spezielles Training erforderlich. Wenn sie nicht überall an der
Haut dicht anliegen, fungiert jedes
Leck wie ein Trichter, durch den die
Atemluft viel leichter angesogen werden kann als durch das feinporige Fil-
termaterial. Dadurch wird die Maske
ineffektiv.
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40
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
2.
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
Reinigung, Desinfektion und Sterilisation
sind verschiedene Methoden der Dekontamination, die abhängig davon, welchen
Grad der mikrobiellen „Sauberkeit“ man
erreichen muss, angewendet werden.
Definitionen
Reinigung
Unter Reinigung versteht man die Beseitigung sichtbarer Verunreinigungen (z.B.
Schmutz, Staub, organisches Material).
Dabei wird gleichzeitig ein großer Anteil
an Mikroorganismen beseitigt [5–9, 12, 33].
■ Der Reinigungseffekt kommt in der
Regel durch Zusammenwirken von
mechanischer Reinigungskomponente
und schmutzlösender, also chemischer
Wirkung von Reinigungsmitteln zustande.
■ Die Anzahl der Mikroorganismen wird
zusätzlich durch Trocknung reduziert,
weil sie sich auf sauberen und trockenen Flächen nicht vermehren können
und mehr oder weniger schnell absterben.
■ In vielen Fällen sind Reinigungsmaßnahmen allein schon ausreichend, um
einen Gegenstand oder eine Fläche adäquat zu dekontaminieren.
Eine gründliche Reinigung ist der erste
und wichtigste Schritt bei der Dekontamination von Gegenständen und Flächen,
weil eine evtl. anschließend erforderliche
Desinfektion oder Sterilisation nur erfolgreich sein kann, wenn zuvor alle Rückstände entfernt worden sind.
Desinfektion
Als Desinfektion bezeichnet man die weitgehende oder vollständige Eliminierung
potenziell pathogener Mikroorganismen;
ausgenommen sind bakterielle Sporen [4,
5, 20, 29, 35].
■ Für die Praxis kann man von einer Desinfektion sprechen, wenn man eine
Keimzahlreduktion um 3–5 log10-Stufen erreicht.
■ Das Ziel von Desinfektionsmaßnahmen im klinischen Alltag ist, die Zahl
an Infektionserregern auf einer Fläche
oder einem Gegenstand so weit zu reduzieren, dass davon keine Infektion
mehr ausgehen kann bzw. eine Erregerübertragung nicht mehr möglich ist.
Für die Desinfektion stehen verschiedene
Verfahren zur Verfügung [3–5, 18, 20, 21, 29,
33, 35]:
■ Für hitzestabile Materialien werden am
häufigsten
physikalisch-thermische
Verfahren in vollautomatischen Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen
(RDM) eingesetzt. Seltener wird eine
Dampfdesinfektion gereinigter und
verpackter Gegenstände in Autoklaven
durchgeführt.
■ Für hitzelabile Gegenstände stehen
maschinelle chemo-thermische Verfahren zur Verfügung.
■ Bei den manuellen Verfahren der Instrumenten- und Flächendesinfektion
werden Desinfektionsmittellösungen
angewendet.
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
Wegen der höheren Sicherheit (auch aus
Gründen des Personalschutzes) sollen vollautomatische Verfahren immer bevorzugt
werden, weil die ausgeprägte mechanische
Komponente mit intensiver Spülung der
Gegenstände zusätzlich einen wesentlichen
Beitrag zur Reduktion der Erreger leistet.
Sterilisation
Die vollständige Elimination aller mikrobiellen Zustandsformen (inkl. bakterieller
Sporen), also sowohl der potenziell pathogenen Mikroorgansimen als auch apathogener Keime, wird für die Sterilisation gefordert. Abhängig von der Hitzeverträglichkeit des Materials kann eine Sterilisation mit verschiedenen Verfahren erreicht
werden [1, 3, 11, 14–16, 28, 30–33, 35]:
41
ten von einem Gegenstand ausgeht; unabhängig von der Methode muss für eine
vollständige Trocknung gesorgt sein. Man
kann drei Risikokategorien unterscheiden
[4, 5, 29, 30, 33]:
Kritische Gegenstände
■ Kontakt mit dem Blutgefäßsystem und/
oder sterilem Gewebe (z.B. Kanülen,
chirurgische Instrumente, intravasale
Katheter, Blasenkatheter, Implantate)
■ Hohes Infektionsrisiko bei Kontamination mit (irgendwelchen) Mikroorganismen (inkl. bakteriellen Sporen)
■ Methode der Dekontamination: Reinigung und Sterilisation
Semikritische Gegenstände
■ Thermostabil: Feuchte Hitze (Dampfsterilisation = Autoklavieren) und trockene Hitze (Heißluftsterilisation)
■ Thermolabil: Plasma-, Formaldehydund Ethylenoxid-Sterilisation
■ Kalt-Sterilisation: Bei Einsatz bestimmter chemischer Desinfektionsmittel unter strikt kontrollierten Bedingungen
ist ebenfalls eine Sterilisation, also Eliminierung aller vorhandenen Mikroorganismen bis hin zu bakteriellen Sporen, erreichbar. Eine Rekontamination
ist jedoch schon deshalb leicht möglich,
weil die Gegenstände nicht verpackt
sind. Wegen erhöhter Störanfälligkeit
und damit unsicheren Ergebnissen soll
auf diese Form der chemischen Sterilisation nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden, wenn die sicheren
vollautomatischen
Sterilisationsverfahren nicht anwendbar sind.
■ Kontakt mit Schleimhäuten oder nicht
intakter Haut (z.B. Beatmungs-, Narkosezubehör, Endoskope)
■ Infektionsrisiko bei Kontamination mit
potenziell pathogenen Mikroorganismen, ausgenommen bakterieller Sporen
■ Methode der Dekontamination: Reinigung und Desinfektion
Auswahl der Dekontaminationsmethode
Wirkungsbereich von Desinfektion
und Sterilisation
Welche Methode der Dekontamination
eingesetzt werden muss, hängt davon ab,
welches potenzielle Risiko für den Patien-
Nicht-kritische Gegenstände
■ Kontakt mit intakter Haut, aber nicht
mit Schleimhäuten (z.B. Blutdruckmanschette, Stethoskop, Bettgestell,
Möbel, Waschbecken, Wände, Fußboden)
■ Infektionsrisiko nicht vorhanden oder
vernachlässigbar gering
■ Methode der Dekontamination: Reinigung
Die einzelnen Verfahren der Desinfektion
und Sterilisation haben verschiedene Wir-
42
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
kungsbereiche, die in die Gruppen A – D
eingeteilt werden. Für einen Desinfektionseffekt ist der Wirkungsbereich A + B ausreichend. Der Wirkungsbereich D wird nur von
Sterilisationsverfahren erreicht [35]:
Gruppe A: Abtötung von vegetativen
Bakterien und Pilzen
Gruppe B: Inaktivierung von Viren
Gruppe C: Abtötung von Sporen von Bacillus anthracis
Gruppe D: Abtötung von Sporen von
Clostridium perfringens
Besonders widerstandsfähig gegen die geläufigen Desinfektions- und Sterilisationsverfahren sind Prionen, die sich nicht in
das bekannte Schema von Infektionserregern einreihen lassen und nach heutiger
Auffassung als Erreger der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gelten (siehe Kapitel B.5
„Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“).
Thermische Desinfektion
Reinigungs- und
Desinfektionsmaschinen (RDM)
■ Heute am häufigsten eingesetztes thermisches Desinfektionsverfahren (= Spülen mit heißem Wasser mit Reinigungs-,
aber ohne Desinfektionsmittelzusatz)
■ Temperaturbereich 75–95 °C mit einer
Haltezeit von meist 10 Minuten
■ Sog. „BGA-Programm“: Dieses in der
Liste der vom RKI (ehemals BGA) geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (siehe unten)
aufgeführte Programm sieht eine Temperatur von 93 °C bei 10 Minuten Haltezeit vor, um auch Hepatitis B-Viren
sicher zu eliminieren, wobei jedoch sowohl die Temperatur als auch die Haltezeit auf Extrapolation von Daten beruht, die unter nicht vergleichbaren experimentellen Bedingungen erhoben
wurden [19].
■ In Zukunft wird im Rahmen der Harmonisierung der europäischen Normen
eine Temperatur vom 90 °C mit einer
Haltezeit von 5 Minuten empfohlen
werden [17].
Auskochen
■ 3 Minuten: Gruppe A + B
■ 15 Minuten: Gruppe A – C
Dampf-Desinfektion
■ Dampf-Strömungsverfahren (gesättigter Wasserdampf, 100 °C)
– 3 Minuten: Gruppe A + B
– 15 Minuten: Gruppe A – C
■ Druckloses Dampfkreislaufverfahren
(feuchte Heißluft als Dampf-Luft-Gemisch, 95–105 °C)
– 15 Minuten: Gruppe A – C
■ Fraktioniertes Dampf-Vakuumverfahren (nach Entfernung der Luft Wirkung
des gesättigten Wasserdampfes):
a) Unterdruckverfahren
– 75 °C, 20 Minuten (Gruppe A + B)
– 95 °C, 10 Minuten (Gruppe A + B)
b) Überdruck bei 105 °C
– 1 Minute (Gruppe A + B)
– 5 Minuten (Gruppe A – C)
Chemische Desinfektion
Desinfektionsmittelklassen
Je nach Umfang der antimikrobiellen
Wirksamkeit chemischer Desinfektionsmittel wurden verschiedene Desinfektionsmittelklassen unterschieden [4, 5, 20,
29, 33]:
„High level“:
„Intermediate
level“:
Aldehyde, Peressigsäure
(Gruppe A + B)
Alkohole, Jod, NatriumHypochlorit (Gruppe A +
B, aber nicht alle unbehüllten Viren)
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
„Low level“:
Quaternäre Ammoniumverbindungen (Gruppe
A, aber Gram-negative
Stäbchen häufig resistent, keine Mykobakterien, und Pilze häufig resistent; Gruppe B eingeschränkt, da nicht wirksam gegen unbehüllte Viren)
Gemäß der erforderlichen Dekontaminationsmethode für kritische, semi-kritische
und nicht-kritische Gegenstände (siehe
oben) kann man zwischen Mitteln mit
„High-level“- und „Intermediate-level“Wirksamkeit wählen, während „Low-level“-Präparate nur in Ausnahmefällen
(z.B. im Küchenbereich wegen der potenziellen Toxizität der anderen Mittel; siehe
unten und Kapitel B.6 „Küche“) zum Einsatz kommen sollen.
Desinfektionsmittel von A–Z
Die wichtigsten Eigenschaften der verschiedenen chemischen Desinfektionsmittel werden in alphabetischer Folge kurz zusammengefasst aufgeführt [2, 10, 13, 15, 18,
20–29, 33–36]:
Aldehyde
■ Breites Wirkungsspektrum (inkl. unbehüllte Viren)
■ Abhängig von Konzentration, Einwirkzeit und Substanz auch sporizide Wirkung
■ Geringer sog. Eiweißfehler (kaum Koagulation von Eiweiß)
■ Gute Umweltverträglichkeit
■ Einsatz bei Flächen- und Instrumentendesinfektion
■ Formaldehyd:
– Einsatz in den letzten Jahren wegen
kanzerogener Wirkung im Tierversuch stark eingeschränkt
43
– Früher auch durch Verdampfen
(„Vernebeln“) zur Raumdesinfektion eingesetzt (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“)
– Stark schleimhautreizend und allergisierend
– Geruchsschwelle bei 0,05 ppm,
MAK-Wert 0,5 ppm
■ Glutaraldehyd:
– Optimales Wirkungsspektrum als
2%ige Lösung bei pH 7,5–8,5 (= „aktivierte“ Lösung, Standzeit 2–4 Wochen)
– Saure Lösungen sind stabil, haben
aber einen langsameren Wirkungseintritt
– Häufiger Einsatz bei EndoskopDesinfektion (manuell und maschinell bei 60 °C als chemo-thermische
Desinfektion in RDM)
– In den meisten Zubereitungen keine
korrosive Wirkung auf Metalle und
andere Materialien
– Stark schleimhautreizend und allergisierend
– MAK-Wert 0,2 ppm
■ Glyoxal:
– Nur teilweise mit Formaldehyd und
Glutaraldehyd vergleichbares Wirkungsspektrum (z.B. nicht umfassend viruzid)
– Deshalb nur in Kombination mit
Formaldehyd oder Glutaraldehyd
angewendet
Alkohole
■ Ethanol, n-Propanol, iso-Propanol
■ Sehr gute (häufig unterschätzte) mikrobizide Eigenschaften
– Bakterizid, tuberkulozid, fungizid,
viruzid
– Gegen einige unbehüllte Viren (z.B.
Polio) nicht ausreichend wirksam,
Rotaviren und Hepatitis B-Virus
werden aber inaktiviert
44
■
■
■
■
■
■
■
■
■
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
– Nicht sporizid, deshalb Sterilfiltration erforderlich, wenn Sporenfreiheit
erreicht werden soll
Sehr schneller Wirkungseintritt
Gebrauchsverdünnung je nach Alkohol 50–90% (reiner Alkohol eher nur
konservierende Wirkung, daher nicht
zur Desinfektion geeignet)
Hoher Eiweißfehler durch Koagulation
von Eiweiß (darin evtl. eingeschlossene
Mikroorganismen vor der Alkoholwirkung geschützt; deshalb nur zur Desinfektion bereits gereinigter Gegenstände verwenden)
Schleimhautreizend
Gute Umweltverträglichkeit
Vor allem zur Hautdesinfektion verwendet (auch in Kombination mit anderen Desinfektionsmitteln, wie z.B.
PVP-Jod und Chlorhexidin; siehe dort)
Auch zur Desinfektion kleinerer Flächen geeignet (wegen Brandgefahr aber
nicht für großflächige Anwendung)
Bei Kunststoffen zuvor Materialverträglichkeit prüfen („blinde“ Stellen)
Rasche Verdunstung, deshalb keine
längeren Kontaktzeiten möglich, außer
bei Einlegen
Biguanide
■ Erhebliche Wirkungslücken (unwirksam gegen Mykobakterien, unbehüllte
Viren und Sporen), deshalb nur in
Kombination mit anderen Desinfektionsmitteln, vor allem Alkoholen, angewendet
■ Hoher Eiweißfehler durch Koagulation
von Eiweiß (darin evtl. eingeschlossene
Mikroorganismen vor der Biguanidwirkung geschützt; deshalb nur zur
Desinfektion bereits gereinigter Gegenstände verwenden)
■ Schlechte Umweltverträglichkeit
■ Wichtiger Vertreter der Gruppe ist
Chlorhexidin (siehe unten)
Chlorabspaltende Verbindungen
■ In flüssiger Form z.B. als Natrium-Hypochlorit, in fester Form z.B. als Calcium-Hypochlorit
■ Breites Wirkungsspektrum (Gruppe A
+ B)
■ Schneller Wirkungseintritt
■ Gebrauchsfertige Lösungen instabil
■ Unverträglichkeit mit kationischen
Reinigungsmitteln
■ Entstehung von Chlorgas bei Mischung
mit Säuren
■ Bleichwirkung bei verschiedenen Materialien (deshalb vor allem früher
breit eingesetzt zur Wäschedesinfektion)
■ Korrosiv für Metalle, Kunststoffe,
Gummi und andere Materialien bei
längerem Kontakt oder zu hoher Konzentration
■ Hoher Eiweißfehler durch Koagulation
von Eiweiß (darin evtl. eingeschlossene
Mikroorganismen vor der Chlorwirkung geschützt; deshalb nur zur Desinfektion bereits gereinigter Gegenstände verwenden)
■ Schleimhautreizend
■ Sehr schlechte Umweltverträglichkeit
■ Anwendung bei der Trink- und Badewasserdesinfektion (früher auch zur
Desinfektion von Babyflaschen und
-saugern)
■ Bei Einsatz im zahnärztlichen Bereich
muss mit Remobilisation von Quecksilber aus Amalgamabscheidern gerechnet
werden (vergl. Peroxidverbindungen)
Chlorhexidin
■ Gehört zur Gruppe der Biguanide (siehe dort)
■ Begrenztes Wirkungsspektrum (nur
vegetative, vor allem Gram-positive
Bakterien und behüllte Viren, aber
nicht Mykobakterien, unbehüllte Viren
und Sporen)
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
■ Inaktivierung durch Seife, Eiweiß und
anionische Reinigungsmittel
■ Relativ untoxisch
■ Ausschließlich als Haut- und Schleimhautdesinfektionsmittel eingesetzt
■ In Kombination mit Alkohol für Haut-,
Hände- und Nabeldesinfektion (0,5%
Chlorhexidin in 70%igem iso-Propanol)
■ In Kombination mit Reinigungsmittel
in antimikrobieller Flüssigseife
Farbstoffe
■ Gentianaviolett, Eosin, Methylorange,
Brillantgrün u.a.
■ Uneinheitliches
Wirkungsspektrum
(deshalb bakterielle Verunreinigungen
der Lösungen möglich)
■ Häufig eingesetzt bei Hautläsionen wegen guter austrocknender Wirkung
■ Teilweise ausgeprägt wundheilungshemmende Wirkung (Gentianaviolett,
Brillantgrün)
Glucoprotamin
■ Neuer und bisher einziger verfügbarer
Wirkstoff aus der Gruppe der Aminderivate
■ Breites Wirkungsspektrum (Gruppe A
+ B) vergleichbar mit dem von Formaldehyd und Glutaraldehyd
■ Keine Geruchsbelästigung
■ Gute Umweltverträglichkeit
■ Einsatz für Flächen- und Instrumentendesinfektion
Iodophore
■ PVP-Jodpräparate
■ Breites Wirkungsspektrum (Gruppe A
+ B)
■ Inaktivierung durch Eiweiß
■ Vor allem zur Haut- und Schleimhautdesinfektion verwendet
■ Alkoholische Zubereitungen bei präoperativer Hautdesinfektion eingesetzt
45
■ PVP-jodhaltige Flüssigseifen zur präoperativen Händedesinfektion geeignet (im Ausland häufig benutzt, in
Deutschland seit einigen Jahren nicht
mehr in der Liste der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie – DGHM – aufgeführt; siehe unten)
■ Wegen wundheilungshemmender Wirkung zurückhaltender Einsatz bei der
Wundversorgung empfehlenswert (z.B.
keine längeren Bäder infizierter Finger)
■ Besser verträglich als Jodtinktur und
wässrige Jodlösungen
■ Schlechte Umweltverträglichkeit
Octenidin
■ Neuer Wirkstoff
■ Kationenaktive Verbindung
■ Gutes Wirkungsspektrum (Gruppe A +
B, aber nicht unbehüllte Viren), auch
gegen Trichomonaden wirksam (Vaginalantisepsis)
■ Keine Toxizität, keine allergisierende
Wirkung bekannt
■ Keine wundheilungshemmende Wirkung
■ Gute Umweltverträglichkeit
■ Einsatz bei Haut- und Schleimhautdesinfektion
Peroxidverbindungen
■ Peressigsäure, Wasserstoffperoxid u.a.
■ Breites Wirkungsspektrum (bei Peressigsäure inkl. Sporen)
■ Korrosiv für Metalle
■ Lösungen instabil
■ Einsatz als Haut-, Instrumenten-, (Dialyse)-Geräte- und Flächendesinfektionsmittel
■ Einsatz bei der Wäschedesinfektion
(auch Bleichwirkung)
■ Sehr gute Umweltverträglichkeit
■ Bei Einsatz im zahnärztlichen Bereich
muss mit Remobilisation von Quecksil-
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
46
ber aus Amalgamabscheidern gerechnet werden (vergl. „Chlorabspaltende
Verbindungen“).
Phenole
■ Medizinhistorisch von Bedeutung, da
von Lister als Karbolsäure verwendet
■ Heute Phenol-Derivate im Einsatz
(hauptsächlich
ortho-Phenylphenol
und ortho-Benzyl-para-Chlorophenol)
■ Wirkungsbereich A + B, aber nicht gegen unbehüllte Viren, z.T. auch Hepatitis B-Wirksamkeit unzuverlässig
■ Geringer Eiweißfehler
■ Unverträglichkeit mit kationischen
Reinigungsmitteln
■ Absorption durch poröse Stoffe
■ Einsatz in der Neonatologie wegen
Auftreten von Hyperbilirubinämie
kontraindiziert
■ Kontakt mit Haut und Schleimhäuten
muss wegen toxischer Wirkungen
durch Absorption vermieden werden.
■ Schlechte Umweltverträglichkeit (gilt
vor allem für die Chlor-substituierten
Derivate)
■ In anglo-amerikanischen Ländern relativ häufig verwendet
Quaternäre Ammoniumverbindungen
■ Sog. „Quats“, z.B. Benzalkoniumchlorid, Cetrimid, Cetylpyridiniumchlorid
■ Eingeschränktes Wirkungsspektrum
(unwirksam gegen Mycobacterium tuberculosis, verschiedene Gram-negative Bakterien, vor allem Pseudomonas
spp., und unbehüllte Viren), deshalb
meist nur in Kombination mit anderen
Substanzen, z.B. Alkoholen
■ Zahlreiche Ausbrüche nosokomialer
Infektionen wegen Kontamination von
Gebrauchslösungen beschrieben, deshalb sollen zumindest reine Quats heute nach Möglichkeit nicht mehr verwendet werden
■ Desinfektionsmittel mit guten Reinigungseigenschaften (oberflächenaktive Verbindungen)
■ Absorption durch poröse Stoffe
(Baumwolle, Mull), dadurch antimikrobielle Wirksamkeit reduziert
■ Nahezu vollständige Inaktivierung
durch Seifen, anionische Reinigungsmittel und Eiweiß
■ Geringe Toxizität (deshalb in Küchenbereichen eingesetzt)
■ Schlechte Umweltverträglichkeit
Schwermetalle
■
■
■
■
Quecksilber, Silbernitrat, Zinn
Unsichere Wirksamkeit
Sichere Toxizität
Quecksilberverbindungen, wie vor allem Merbromin, häufig wegen der guten austrocknenden Wirkung verwendet, die aber auch mit Farbstoffen erreicht werden kann (siehe dort)
■ Sehr schlechte Umweltverträglichkeit
Desinfektionsmittellisten
DGHM-Liste
■ Mittel und Konzentrationen für die
Anwendung im klinischen Alltag
■ Aufnahme der Mittel in die Liste nach
Vorlage entsprechender Gutachten mit
Testung nach den Kriterien der
DGHM (Deutsche Gesellschaft für
Hygiene und Mikrobiologie)
■ Andere Mittel nur dann verwenden,
wenn entsprechende Gutachten vom
Hersteller vorgelegt werden können
■ Für die Händedesinfektion kann aber
ohne Bedenken z.B. 60–70%iger Alkohol (mit Zusatz von 2% Glyzerin) verwendet werden, da 60%iger n-Propanol
die Referenzsubstanz bei der Prüfung
von Händedesinfektionsmitteln ist.
■ Seit einigen Jahren sind antimikrobielle Flüssigseifen nicht mehr unter den
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
Händedesinfektionsmitteln gelistet, da
nur noch Substanzen aufgeführt sind,
die bei Anwendung nicht mit Wasser
verdünnt werden müssen, was bei Seifen unvermeidlich ist. Im Ausland werden antimikrobielle Flüssigseifen aber
häufig auch für die chirurgische Händedesinfektion eingesetzt.
RKI-Liste
■ Liste der vom Robert-Koch-Institut
(RKI) geprüften und anerkannten
Desinfektionsmittel und -verfahren
■ Mittel und Verfahren dieser Liste müssen gemäß § 18 IfSG nur auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamtes eingesetzt werden, also nicht schon
allein bei Auftreten einer gemäß §§ 6, 7
IfSG meldepflichtigen übertragbaren
Krankheit.
■ In der RKI-Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
wurden die Mittel der RKI-Liste bisher
auch dann empfohlen, wenn es zu einer
groben Kontamination mit potenziell
infektiösem Material gekommen ist.
■ Für die Praxis kann diese Empfehlung
dahingehend ausgelegt werden, dass
man Mittel aus der DGHM-Liste auswählen soll, die auch in der RKI-Liste
aufgeführt sind (z.B. Aldehyde). Diese
Mittel können dann aber in den in der
DGHM-Liste angegebenen Konzentrationen angewendet werden und müssen nicht etwa in den hohen Konzentrationen der RKI-Liste eingesetzt werden, wofür aus Gründen des Arbeitsschutzes eine spezielle Schutzausrüstung (z.B. Masken) erforderlich wäre.
Prüfverfahren für Desinfektionsmittel
Die Prüfung von Desinfektionsmitteln für
die Aufnahme in eine der relevanten Listen erfolgt unter Bedingungen, die nur teil-
47
weise für den klinischen Alltag repräsentativ sind. Bei der Prüfung von Flächendesinfektionsmitteln wird der Effekt der mechanischen Reinigung (= Wischen), die in
der Praxis immer erfolgt, nicht berücksichtigt. Stattdessen werden die Desinfektionsmittel in statischen Versuchsanordnungen
untersucht.
Bei derartigen Versuchsbedingungen kann
man zwar eine Aussage über die antimikrobielle Wirksamkeit des Desinfektionsmittels machen, die Ergebnisse geben aber
nur eingeschränkt die Bedingungen im klinischen Einsatz wieder. In der Praxis erfolgt immer auch gleichzeitig eine mechanische Reinigung, womit ein Großteil der
mikrobiellen Kontamination beseitigt wird
(siehe oben „Reinigung“).
Die Testbedingungen sind der Grund
dafür, dass in der DGHM-Liste für Flächendesinfektionsmittel nicht nur eine
Konzentration, sondern auch eine Einwirkzeit angegeben ist, die jedoch in der
Praxis nicht berücksichtigt zu werden
braucht: Sobald eine desinfizierte Fläche
abgetrocknet ist, kann sie nach allgemeiner Auffassung wieder benutzt werden
(z.B. ein Operationssaal, wenn die Aufräum- sowie Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten im Anschluss an eine Operation abgeschlossen sind).
Außerdem sind die in den Versuchen angewendeten Keimzahlen so hoch, wie sie
wahrscheinlich in der Praxis nur selten
vorkommen. Wahrscheinlich können die
meisten Flächendesinfektionsmaßnahmen
sowieso durch Reinigungsmaßnahmen ersetzt werden, weil die aus hygienischer
Sicht entscheidenden Kriterien die (optische) Sauberkeit und die Trockenheit der
Flächen sind.
An dieser Frage haben sich in der Vergangenheit wiederholt heftige Dispute unter
48
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
den Hygienikern Deutschlands entzündet.
Die von den Kontrahenten auf beiden Seiten vorgebrachten Argumente haben jedoch wenig zur Klärung der prinzipiellen
Frage beigetragen und können deshalb
nicht als konstruktiver Dialog verschiedener Meinungen begrüßt werden. Vielmehr
waren die Auseinandersetzungen im Effekt kontraproduktiv und haben dem Ansehen der Krankenhaushygiene als akademischem Fach eher geschadet.
Hinweise für den Umgang
mit Desinfektionsmitteln
■ Hautkontakt immer vermeiden und
deshalb immer Handschuhe tragen,
sonst Allergisierungsrisiko hoch
■ Zur Vermeidung schleimhautreizender
Dämpfe Lösungen mit kaltem Wasser
ansetzen
■ Genaue Dosierung einhalten, dafür
bei manueller Dosierung Messbecher
(keine „Schuss“-Methode), sonst automatische Dosiergeräte verwenden,
die aber regelmäßig benutzt werden
müssen, um Fehldosierungen zu vermeiden
■ Angesetzte Flächendesinfektionsmittellösung nicht in offenen Eimerchen
mit schwimmenden Läppchen aufbewahren, sondern stattdessen in verschließbaren Flaschen, z.B. mit Spritz(nicht Sprüh-)Öffnung, aus denen im
Bedarfsfall die Lösung auf einen Lappen gegeben wird
■ Haltbarkeit der angesetzten, also gebrauchsfertigen Lösungen beachten
(meist 2–4 Wochen, Hersteller fragen)
■ Gefäße mit angesetzter Desinfektionsmittellösung mit Deckel verschließen
(gilt auch für geruchsfreie Desinfektionsmittel)
■ Bei der manuellen Instrumentendesinfektion die empfohlenen Einwirkzeiten
einhalten
■ Nach Flächendesinfektionsmaßnahmen Raum gut lüften
■ Instrumentendesinfektionsmittel mit
Zusatz von Reinigern täglich erneuern
(auf Kompatibilität von Desinfektionsund Reinigungsmittel achten)
■ Möglichst nur DGHM-gelistete Desinfektionsmittel verwenden (siehe oben)
■ Mittel und Verfahren der RKI-Liste
nur nach dezidierter Anordnung durch
das zuständige Gesundheitsamt im
Einzelfall anwenden, nicht allein bei
Auftreten einer meldepflichtigen Infektion
Anwendungsbereiche der verschiedenen
Desinfektionsverfahren
Flächendesinfektion
■ Immer
Wischdesinfektion
(nicht
„Scheuer“-Wischdesinfektion,
weil
nicht Scheuern mit Bürsten etc. gemeint ist, sondern der mechanische
Wisch-Effekt, z.B. mit einem Lappen)
■ Keine Desinfektionsmittel versprühen
(deshalb keine Desinfektionsmittel mit
Sprühkopf einkaufen), da ein großer
Teil des Sprühnebels unvermeidbar inhaliert wird und da der Wischeffekt
wichtiger ist als die bloße Desinfektionsmittelwirkung
■ Keine Raumsprühdesinfektionen oder
Raumdesinfektionen durch Verdampfen von Formaldehyd mehr durchführen, da der Wischeffekt entscheidend
ist (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“);
aufgrund der „Erläuterungen zur Desinfektion“ in der (ursprünglichen)
„Richtlinie“ (des ehemaligen BGA) ist
mit Raumdesinfektion ohnehin nicht
die Desinfektion der in dem Raum vorhandenen Luft, sondern aller Flächen
gemeint.
■ Außer in Operationssälen und Räumen, in denen es häufig zu einer Konta-
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
■
■
■
■
■
mination des Bodens mit Blut und Körperflüssigkeiten kommt (z.B. Kreißsaal), keine routinemäßige Fußbodendesinfektion durchführen, auch nicht
auf Intensivstationen
Auch sonstige Flächen nicht routinemäßig desinfizieren, sondern reinigen
Für kleinere Flächen und Geräteoberflächen sowie deren Bedienungsknöpfe
kann Alkohol verwendet werden (dafür Alkohol, der in der Krankenhausapotheke hergestellt wird, verwenden
und nicht industriell hergestellte alkoholische Lösungen einkaufen), ggf. zuvor Materialverträglichkeit prüfen
Gezielte Desinfektion: Nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material
(z.B. Blut, Eiter, Stuhl) wird sofort eine
Reinigung und Desinfektion der kontaminierten Fläche durchgeführt.
Laufende Desinfektion: Routinemäßige einmal oder mehrmals tägliche Desinfektion der patientennahen Flächen
(d.h. Bettgestell, Nachttisch, Geräte,
meist ohne Fußboden), z.B. bei Patienten, die mit einem multiresistenten Erreger kolonisiert oder infiziert sind
Schlussdesinfektion: Maßnahmen und
Ausdehnung wie bei der laufenden
Desinfektion oder gründliche Wischdesinfektion aller erreichbaren Gegenstände und Flächen (inkl. Fußboden)
im Patientenzimmer, durchgeführt
nach Entlassung bzw. Verlegung des
Patienten oder nach Aufhebung der
Isolierungsmaßnahmen (je nachdem,
was früher ist) (siehe auch Kapitel B.9
„Isolierung bei Infektion und Kolonisation“)
Bettendesinfektion
Normalerweise ist es ausreichend, Patientenbetten zu reinigen. Eine Desinfektion
ist nur als gezielte Desinfektion (siehe
oben) sinnvoll. Für die Aufbereitung von
49
Patientenbetten sind deshalb keine automatischen Anlagen erforderlich, in denen
die Betten mit hohem Kosten-, Wasserund Energieaufwand desinfiziert werden.
Stattdessen ist die manuelle Bettenaufbereitung auf oder in der Nähe der Station
auch aus Personalgründen empfehlenswert,
damit nicht unnötige Wegezeiten für den
Transport benutzter und sauberer Betten
anfallen.
Instrumentendesinfektion und
Desinfektion anderer Gegenstände
■ Wenn möglich, maschinell-thermische
Verfahren einsetzen (z.B. Beatmungsschläuche, Absauggefäße, Waschschüsseln)
■ Bei thermolabilen Gegenständen, z.B.
Endoskopen, maschinelle chemo-thermische Verfahren, z.B. bei 60 °C, anwenden (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“)
■ Rein chemische Desinfektion ist immer
nur Verfahren zweiter Wahl
Wäschedesinfektion
■ Thermische Verfahren bei 75–95 °C
■ Chemo-thermische Verfahren bei 60–
70 °C, vorzugsweise mit Oxidanzien für
die Desinfektions- und Bleichwirkung
(möglichst nicht mehr Chlor abspaltende Mittel verwenden; siehe dazu auch
Kapitel B.6 „Wäscherei“)
Haut- und Schleimhautdesinfektion
■ Hygienische bzw. chirurgische Händedesinfektion (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“
und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“)
■ Hautdesinfektion vor Punktionen, Injektionen und Operationen (siehe Kapitel B.3 „Injektionen/Punktionen“)
50
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Schleimhautdesinfektion, besser: Antisepsis, weil auf Schleimhäuten keine
eigentliche Desinfektion zu erreichen
ist, sondern immer nur eine mehr oder
minder ausgeprägte Reduktion der
Keimzahl (siehe Kapitel B.4 „Harnwegsinfektionen“)
Betriebszeit
Zusammengesetzt aus:
Anheizzeit:
Erreichen der erforderlichen Betriebstemperatur im Druckbehälter
Ausgleichszeit:
Erforderliche Zeit, um
Betriebstemperatur an
allen Stellen der Beladung zu erreichen
Sterilisation
Dampfsterilisation
■ Gesättigter, gespannter Wasserdampf
von 121 °C oder 134 °C (Strömungs-,
Vakuumverfahren) wirkt durch Freisetzung von Energie bei der Kondensation zu Wasser
■ Wichtigstes Sterilisationsverfahren
■ Voraussetzungen: gleichmäßige Verteilung des Dampfes, möglichst vollständige Entfernung der Luft (Restluftgehalt maximal 10%), keine Luftinseln,
d.h. keine Überladung, damit der
Dampf alle Stellen erreichen kann
Mikrobielle Resistenz gegen feuchte Hitze
Stufe I:
Stufe II:
Stufe III:
Stufe IV:
Vegetative Bakterien, Pilze
und Viren
– 100 °C: Sekunden bis Minuten
Bakterielle Sporen niederer
Resistenz (z.B. B. anthracis)
– 105 °C: 5 Minuten
Bakterielle Sporen höherer
Resistenz (z.B. C. perfringens,
C. tetani)
– 100 °C: 5–10 Stunden
– 121 °C: 15 Minuten
– 134 °C: 3 Minuten
Bakterielle Sporen hoher Resistenz (apathogen)
– 134 °C: bis zu 6 Stunden
Einfluss von Temperatur und
Druck auf die Abtötungszeit:
■ 121 °C, 2,05 bar: 15–20 Minuten
■ 134 °C, 3,05 bar:
5 Minuten
Abtötungszeit +
Sicherheitszuschlag:
Abkühlungszeit:
Einwirkzeit
Erforderliche Zeit, um
die Temperatur der Beladung auf ein für das
Personal bei der Entnahme sicheres Maß zu
reduzieren
Die Sterilisierzeit setzt sich demnach zusammen aus den ersten drei Schritten, d.h.
Anheizzeit + Ausgleichszeit + Abtötungszeit + Sicherheitszuschlag.
Häufigste Fehler
■ Ungenügende Vorreinigung
■ Verwendung von zu porösem Material
(Bildung von Wasser, Sterilisiertemperatur wird nicht erreicht), z.B. Wäsche,
die sehr häufig sterilisiert worden ist
■ Bildung von Kondenswasser (zu dichtes Beladen z.B. der Instrumentensiebe)
■ Ungeeignetes
Verpackungsmaterial
(Luft muss entweichen, Dampf muss
eindringen können)
■ Zu dichte Beschickung der Container
(Dampf erreicht nicht alle Stellen, z.B.
in zu fest gepackten Wäschecontainern)
■ Verwendung von Behältern, die Dampf
nicht oder nur schwer eindringen lassen (Deckel oder Boden müssen perfo-
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
riert sein, Filter müssen regelmäßig gewechselt werden, weil sie verfilzen)
■ Innenwände der Kammer werden von
der Verpackung des Sterilisiergutes berührt (Verpackung klebt fest und wird
beim Herausnehmen beschädigt)
Heißluftsterilisation
■ Verwendung trockener Heißluft (trockene Luft hat wesentlich geringere
Wärmekapazität als gesättigter Wasserdampf)
■ Weniger sicher und materialschonend
als Dampfsterilisation
■ Erforderliche Temperatur und Einwirkzeiten im „Heißlüfter“:
– 160 °C: 200 Minuten
– 180 °C: 30 Minuten
– 200 °C: 10 Minuten
■ Nur bei hitzestabilen Materialien, wie
z.B. Glas, Porzellan und Metallen, sowie
wasserfreien Substanzen, wie z.B. Ölen,
Fetten und Pulver, anwendbar (aber
wegen Brandgefahr nicht bei Tüchern
und Papier)
■ Voraussetzungen: Luftumwälzung bei
größeren Apparaten, durch geeignete
Beschickung Luftzirkulation gewährleisten, Ausgleichszeit durch Verwendung geeigneter Materialien kurz halten (Aluminium gut, Edelstahl und
Glas schlechter wärmeleitend)
Häufigste Fehler
■ Beladung eines noch heißen Gerätes
(Vernachlässigung der Ausgleichszeit)
■ Öffnen und nachträgliches Beladen bei
laufender Sterilisation (Vernachlässigung der Ausgleichszeit)
■ Verwendung geöffneter Behälter (nur
korrekt, wenn Schlitze vorhanden, die
nach Sterilisation verschlossen werden
können, sonst anschließend Kontaminationsgefahr)
51
■ Zu dichte Beladung der Kammer und
dadurch verbleibende Luftinseln, sodass die Sterilisiertemperatur nicht
überall errreicht wird
Gassterilisation mit Ethylenoxid (EO)
■ Maßgebend für den Sterilisationserfolg
ist Kombination aus ausreichender
EO-Konzentration (1000–1200 mg/l),
Temperatur 50–60 °C (meist 55 °C), relativer Feuchte von 55–85%, Druck
bzw. Vakuum und Einwirkzeit. Aus
Gründen des Arbeitsschutzes sollen
Unterdruckverfahren bevorzugt werden. Sterilisierzeit beträgt zwischen 20
Minuten und 6 Stunden.
■ Insgesamt wesentlich aufwändiger und
anfälliger als Dampfsterilisation (deshalb, wenn überhaupt noch, nur bei thermolabilen Gegenständen einsetzen)
Nachteile
■ Sehr reaktionsfähiges, brennbares Gas,
bildet mit Luft explosives Gemisch und
wird deshalb mit inerten Gasen, vor allem CO2, in Gasflaschen geliefert
■ Atemwegsreizend
■ Starkes Protoplasmagift
■ Im Tierversuch kanzerogen (kein
MAK-Wert, sondern Technische Richtkonzentration – TRK-Wert – von
3 ml/m3 bzw. 5 mg/m3)
■ Mehr oder weniger stark an den Oberflächen des Sterilisiergutes gebunden
■ Lange Desorptionszeiten unbedingt erforderlich (siehe unten), da sehr gutes
Penetrationsvermögen in die Materialien (Vorteil bei langen Lumina)
■ Desorptionszeiten bei verschiedenen
Materialien sehr unterschiedlich (z.B.
länger bei PVC als bei Latex)
■ Restgehalt in medizinischen Produkten (inkl. Verpackung) maximal 1 ppm
(1 mg/kg)
52
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Entlüftungsschränke problematisch,
wenn immer wieder neues Material
mit noch hohen EO-Konzentrationen dazugelegt wird (EO diffundiert
in die teilweise schon entlüfteten Sterilgüter)
■ Keine konkreten Angaben vorhanden,
wie lange welche Materialien „auslüften“ müssen (mit und ohne Entlüftungsschrank)
■ Abhängigkeit der Entlüftungszeit vom
Material:
– Metall:
12 Stunden
– Kunststoff:
4 Wochen
Häufigste Fehler
■ Keine ausreichende Reinigung vor Sterilisation (Gas kann Reste von Blut,
Schleim etc. nicht durchdringen)
■ Verwendung von Leitungswasser bei
der Vorreinigung (Mineralien können
auskristallisieren, Gas kann Salzkristalle nicht durchdringen)
■ Restfeuchte am Sterilisiergut (Gas
kann Wasser nicht durchdringen)
Gassterilisation mit Formaldehyd (FO)
■ FO wird zusammen mit Wasserdampf
als stabilisierte FO-Lösung verdampft
(enthält 2% oder 3% FO)
■ Die Sterilisation erfolgt bei einer Temperatur von 60–75 °C im Unterdruck
bei 0,2 bar.
■ Sterilisierzeit unter diesen Bedingungen 90 Minuten
■ Die Desorption findet noch im Gerät
mittels mehrmaliger Vakuum- bzw.
Dampfspülung statt (zusätzliches Entlüften wie nach EO-Sterilisation nicht
erforderlich).
■ Unterhalb der Geruchsschwelle (0,05
ppm) nicht toxisch
■ Stark schleimhautreizend
■ Aufgrund tierexperimenteller Untersuchungen begründeter Verdacht auf
kanzerogenes Potenzial
■ MAK-Wert von 0,5 ppm (0,6 µg/cm2)
sollte deutlich unterschritten werden
(Richtwert für die Innenraum-Luft 0,1
ppm)
■ Stark allergisierend
■ Schlechtes Penetrationsvermögen, deshalb Sterilisation englumiger, langer
Gegenstände problematisch (im Gegensatz zu EO, aber deshalb auch keine
verlängerten Desorptionszeiten erforderlich)
Häufigste Fehler (siehe EO-Sterilisation)
Plasmasterilisation
■ Neues Niedertemperatur-Sterilisationsverfahren (45 °C, trockene Wärme)
■ Mikrobizide Eigenschaften durch Bildung hoch reaktiver freier Radikale
in einem Wasserstoffperoxid-(H2O2-)
Plasma (Plasmazustand = vierter Aggregatzustand, z.B. aus Leuchtstoffröhren bekannt)
■ Als Reaktionsprodukte entstehen Sauerstoff und Wasserdampf
■ Sterilisation von absorbierenden Materialien (z.B. Papier, Baumwolle) nicht
möglich, deshalb papierfreie Verpackung erforderlich)
Sterilisationsdauer
■ Standardzyklus:
ca. 55 Minuten
■ Flexible Endoskope: ca. 72 Minuten
Vorteile
Nachteile
■ Stechend riechendes Gas (nicht explosiv, nicht brennbar)
■ Kein toxisches Risiko (kein Entlüften,
daher auch kein Zeitverlust)
■ Schnelles Verfahren
Reinigung – Desinfektion – Sterilisation
■ Nicht korrosiv wegen geringer Restfeuchte (ggf. können thermolabile und
thermostabile Gegenstände gemeinsam sterilisiert werden, z.B. bestimmte
chirurgische Sets)
■ Sehr gute bis gute Materialverträglichkeit
Sterilfiltration
■ Abtrennung von Mikroorganismen aus
Flüssigkeiten oder Gasen
■ Druck- oder Vakuumfiltration
■ Rückhaltevermögen der Filter abhängig von der Porengröße (z.B. 0,1 µm-,
0,2 µm- oder 0,45 µm-Filter)
■ Anwendung z.B. in Apotheken (Herstellung von sporenfreiem Alkohol
oder Sterilisation von Lösungen, die
nicht autoklaviert werden können)
Hinweise für die klinische Praxis
Reinigung = wichtigste Voraussetzung
Alle Verfahren der chemischen Desinfektion und ebenso sämtliche Sterilisationsverfahren erfordern eine gründliche Vorreinigung der Gegenstände an allen äußeren und
ggf. inneren Oberflächen. „Sterilen Dreck“,
ein von Klinikern gelegentlich benutzter
Ausdruck, gibt es nicht. Zumindest kann
man sich bei sichtbaren Verunreinigungen
am Sterilgut nicht darauf verlassen, da auch
die Dampfsterilisation als wirksamstes und
deshalb sicherstes Sterilisationsverfahren
Rückstände nicht notwendigerweise durchdringt. Deshalb ist jedes Sterilisationsverfahren unsicher, wenn die Gegenstände
nicht sorgfältig gereinigt worden sind bzw.
sich nicht entsprechend reinigen lassen, z.B.
weil sie nicht vollständig zerlegbar sind.
Adäquate Reduktion der chemischen
Desinfektion
Die chemische Instrumenten- und Flächendesinfektion soll auf das absolute Mi-
53
nimum reduziert werden. Sofern thermische Verfahren in RDM anwendbar sind,
sollen sie immer den chemischen vorgezogen werden. Erstens ist der Reinigungsund Desinfektionserfolg durch das standardisierte vollautomatische Verfahren sicherer, und zweitens sprechen Personalschutzgründe für das automatische Reinigen, Desinfizieren und Trocknen in RDM.
Reichen die Kapazitäten der vorhandenen
RDM nicht aus, können Gegenstände, wie
z.B. Waschschüsseln, auch nur mit einem
umweltfreundlichen
Reinigungsmittel
ausgewischt werden. Sollte man eine Desinfektion für erforderlich halten (z.B. nach
Benutzung durch einen Patienten mit
Hautinfektion), ist das Auswischen mit einem Desinfektionsreiniger adäquat (anschließend aber mit Wasser ausspülen, um
Desinfektionsmittelreste zu entfernen).
Es können erhebliche Mengen an Desinfektionsmitteln eingespart und die damit
verbundene beträchtliche Personalexposition gegenüber Desinfektionsmitteln reduziert werden, wenn
■ Instrumente vor thermischer Aufbereitung nicht mehr in Desinfektionslösung
gelegt werden (auch nicht nach septischen Eingriffen),
■ auf das Einlegen („Tauchdesinfektion“) bestimmter Gegenstände (z.B.
Urinsammelgefäße) in Desinfektionsmittellösung verzichtet wird,
■ Waschschüsseln und andere größere
Gefäße nicht mehr mit Desinfektionsmittellösung gefüllt werden und
■ routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen außerhalb von Operationssälen zumindest in unkritischen Patientenbereichen aufgegeben werden.
Es ist ungeklärt, ob die Desinfektion von
Flächen im Vergleich zu deren gründlicher
Reinigung überhaupt einen Einfluss auf
54
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
die Entstehung nosokomialer Infektionen
hat. Solange (patientennahe) Flächen sauber und trocken sind, kann von ihnen kein
Risiko für den Patienten ausgehen (wenn
man nicht Gegenstände, die steril bleiben
müssen, darauf ablegt). Viel wichtiger als
routinemäßige Flächendesinfektion, die ein
potenziell gefährliches falsches Gefühl von
Sicherheit vermitteln kann, sind ausreichend häufige und gründliche Händehygienemaßnahmen (Händewaschen, Händedesinfektion, Hautpflege, Handschuhwechsel).
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56
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
3.
Invasive Maßnahmen
– Beatmung
Weil beatmete Patienten ein hohes Risiko
haben, eine Pneumonie zu entwickeln,
kommt dem Umgang mit dem gesamten
Beatmungssystem große Bedeutung zu,
um exogene Erregerkontakte zu verhindern [9, 20, 26, 28, 29].
Umgang mit Beatmungszubehör
Wechsel des Beatmungsschlauchsystems
Ein Wechsel des Schlauchsystems wird
nach neuesten Daten einmal pro Woche
empfohlen (inkl. Kaskadentopf) [20, 27–
29]. Dabei sind weder patientennahe Filter
noch beheizbare Schläuche noch geschlossene Sterilwassersysteme erforderlich [6,
20, 28, 29].
Kontaminationsfreie Handhabung
■ Sorgfältige Händedesinfektion vor und
nach Kontakt mit dem Beatmungssystem
■ Sorgfältiger Umgang mit EinmalHandschuhen: immer anziehen, wenn
Kontamination wahrscheinlich, d.h. bei
Kontakt mit respiratorischem Sekret,
Tracheostomapflege, Entfernen von
Kondenswasser, und gleich nach Beendigung der Tätigkeit wieder ausziehen
und danach Händedesinfektion (siehe
Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
Sichere Aufbereitungsmaßnahmen
■ Thermische Reinigungs- und Desinfektionsautomaten
■ Spezielle Einsatzkörbe für Faltenschläuche, um Spülung des Innenlumens sicherzustellen
■ Restfeuchte muss beseitigt werden, z.B.
im Trockenschrank
■ Anschließend staubfrei und trocken
aufbewahren, z.B. Staubschutzbeutel
■ Beatmungsbeutel ebenso aufbereiten
Befeuchtung der Atemgase
Aktive Befeuchtung
Bei aktiver Befeuchtung der Atemgase
sind die folgenden Hinweise von Bedeutung [28, 29]:
■ Kaskadentöpfe mit sterilem Wasser befüllen (angebrochene Aqua dest.-Flaschen nach 24 Stunden verwerfen)
■ Wassertemperatur ist hoch genug (ca.
50 °C), um Wachstum evtl. Kontaminationskeime zu verhindern
■ Keine Aerosolbildung bei Kaskadenbefeuchtung im Gegensatz zu Verneblern
■ Kondenswasserbildung unvermeidlich
wegen Temperaturunterschied von befeuchtetem angewärmten Atemgas und
Umgebungsluft (außer bei Verwendung beheizbarer Beatmungsschläuche)
■ Kondenswasser immer als kontaminierte Flüssigkeit betrachten (>105
KBE/ml nach 24–48 Stunden aus dem
Nasen-Rachen-Raum des Patienten)
■ Wasserfalle regelmäßig entleeren, dabei Kontamination der Hände vermeiden (z.B. Einmal-Handschuhe aus Polyethylen verwenden), anschließend
Händedesinfektion
■ Rückfluss von Kondenswasser zum Patienten muss vermieden werden
Beatmung
Passive Befeuchtung
Die folgenden Hinweise gelten für die passive Befeuchtung der Atemgase [7, 12, 20,
25, 28, 29]:
■ Sog. künstliche Nasen oder Klimatisierungsfilter
■ Keine (bzw. geringe) Kondenswasserbildung
■ Wechsel alle 48 Stunden möglich
■ Zusätzliche Ausstattung von HMEs mit
bakteriendichten Filtern nicht erforderlich, da Filter keine Auswirkung auf
die Häufigkeit von Pneumonien haben
■
■
Endotracheales Absaugen
Um das aseptische Arbeiten zu erleichtern, möglichst immer zu zweit arbeiten [3,
5, 20, 28, 29]:
■ Vorsichtiges Vorgehen, um Kontaminationen und Schleimhautverletzungen
zu vermeiden
■ Nicht routinemäßig in festen Intervallen absaugen, sondern nur bei einer die
Atmung behindernden Sekretansammlung
■ Da Verspritzen von respiratorischem
Sekret in vielen Fällen möglich ist, soll
(als generell erforderliche Personalschutzmaßnahme bei möglichem Kontakt mit Patientenmaterial) eine Maske
(sinnvollerweise aber auch eine Schutzbrille) getragen werden.
■ Bei zähem Sekret nur sterile Lösungen
zum Anspülen verwenden
■ Normalerweise können entweder offene Absaugkatheter oder geschlossene
Systeme verwendet werden. Hat der
Patient aber multiresistente Erreger im
Trachealsekret, ist zum Schutz der Umgebung vor einer Kontamination der
Einsatz eines geschlossenen Systems zu
empfehlen. Ob bei Verwendung dieser
Systeme ein längeres Wechselintervall
■
■
■
57
als 24 Stunden, wie von den Herstellern
empfohlen, möglich ist, kann derzeit
nicht gesagt werden; vorläufige Untersuchungsergebnisse sprechen allerdings dagegen.
Sterile Handschuhe nicht erforderlich
(bei Verwendung von einzeln verpackten nicht sterilen, aber keimarmen
Handschuhen, z.B. aus Polyethylen,
kann das Papier der Verpackung ebenfalls als Unterlage zum Ablegen des
Schlauchsystems verwendet werden)
Absaugkatheter kann während eines
Absaugvorganges wiederholt eingeführt und anschließend zum Absaugen
des Nasen-Rachen-Raumes verwendet
werden
Absaugkatheter nicht über die obere
Gesichtshälfte führen, um eine Kontamination des Auges und daraus resultierende Augeninfektionen zu verhüten
Verbindungsschlauch zum Sekretauffangbehälter
mit
Leitungswasser
durchspülen und bis zum nächsten Absaugen sicher befestigen
Sekretauffangbehälter einmal täglich
aufbereiten (Reinigungs- und Desinfektionsapparat oder auch Steckbeckenspülautomat),
Einmal-Systeme
ohne Vorteil
Intubation
Im Zusammenhang mit der Intubation sollen die folgenden Hinweise zur Prävention
von Pneumonien beitragen [10, 20, 22, 26,
28, 29]:
■ Bei nasotrachealer Intubation Verlegung der Ausführungsgänge der Nasennebenhöhlen möglich
■ Abflussbehinderung des Nebenhöhlensekrets
■ Bei Infektionszeichen Sinusitis ausschließen
58
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Ob naso- oder orotracheal intubiert
wird, scheint keine Rolle zu spielen,
wenn bei Langzeitbeatmung nach maximal 10 Tagen eine Tracheotomie
(bzw. eine der zunehmend häufiger
praktizierten minimal invasiven Methoden der Tracheostomaanlage)
durchgeführt wird.
■ Sekretansammlungen oberhalb des
Cuffs regelmäßig entfernen
■ Evtl. Tubus mit dorsaler Öffnung zum
subglottischen Absaugen verwenden
Anlage eines Tracheostomas
Die konventionelle Tracheotomie ist eine
chirurgische Maßnahme, die mit einem
mehrere Zentimeter langen Schnitt verbunden ist. Diese Wunden zeigen häufig
deutliche Entzündungszeichen und erfordern eine z.T. relativ aufwändige Pflege.
■ Der Eingriff selbst muss unter aseptischen Bedingungen durchgeführt werden (bei entsprechender Vorbereitung
auf der Station möglich) [20, 28]
■ Verbandswechsel ebenfalls unter aseptischen Bedingungen
■ Wundränder sauber und trocken halten
■ Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe bei Manipulationen am Tracheostoma, da Wunde schnell mit potenziell pathogenen Keimen kolonisiert ist
Neuerdings werden, insbesondere in der
Anästhesie, häufiger minimal invasive Verfahren für die Anlage eines Tracheostomas
angewendet, sodass die konventionelle
Tracheotomie mancherorts in den Hintergrund tritt [4, 13, 14, 17, 21]. Die Befürworter der neuen Methoden heben hervor,
dass die Tracheostomapflege wesentlich
leichter ist, weil die vergleichsweise kleinen Öffnungen für die Trachealkanüle nur
geringe Entzündungszeichen aufweisen.
Umgang mit Verneblern
Für den Umgang mit Verneblern ist für die
Prävention nosokomialer Pneumonien die
Berücksichtigung verschiedener Faktoren
von Bedeutung [20, 28, 29]:
■ Beim Vernebeln von Flüssigkeiten entstehen Aerosole (<5 µm), die bis in die
tiefen Atemwege gelangen können
(siehe Kapitel A.2 „Übertragung von
Erregern“)
■ Deshalb muss immer sterile Flüssigkeit
verwendet werden, und die Vernebler
müssen vollständig zerlegbar und thermisch desinfizierbar sein (siehe Kapitel
B.7 „Umgebung des Patienten“).
Ultraschallvernebler
■ Großes Flüssigkeitsvolumen (>500 ml)
■ Produzierte Aerosolmenge groß
■ Pneumonierisiko hoch, wenn Flüssigkeit kontaminiert ist
In-line-Medikamentenvernebler
■ Patientenah im Inspirationsschenkel
des Beatmungsschlauchsystems angebracht
■ Kleines Flüssigkeitsvolumen (ca. 30
ml)
■ Produzierte Aerosolmenge gering
■ Kontamination des Reservoirs muss
verhindert werden
■ Nach jeder Anwendung Behälter am
besten thermisch aufbereiten (Anschaffung einer genügenden Anzahl erforderlich) oder wenigstens mit Leitungswasser ausspülen, gut trocknen
und bis zur nächsten Verwendung beim
Patienten liegen lassen (z.B. in ein Tuch
eingeschlagen)
Lagerung des Patienten
Wenn möglich soll der Patient mit um 30–
45° angehobenem Oberkörper gelagert
Beatmung
werden, um einer Aspiration von Oropharyngealsekret sowie einem Reflux von Magensaft vorzubeugen [8, 20, 28, 29].
Nicht-invasive Verfahren der Beatmung
Bei der nicht-invasiven Beatmung handelt es sich um ein alternatives Verfahren,
bei dem die Beatmung über Masken ohne
endotrachealen Tubus durchgeführt wird.
Inzwischen beschäftigt sich eine Vielzahl
von Publikationen mit dieser Thematik,
und in verschiedenen Untersuchungen
konnte gezeigt werden, dass das Pneumonierisiko im Vergleich zur konventionellen mechanischen Beatmung wesentlich reduziert war [1, 2, 11, 15, 16, 18, 19,
23, 24].
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972
Blasenkatheter
B
61
3.
Invasive Maßnahmen
– Blasenkatheter
Harnwegsinfektionen im Zusammenhang
mit der Katheterisierung der Harnblase
gehören zu den häufigsten nosokomialen
Infektionen (siehe Kapitel B.4 „Die vier
häufigsten nosokomialen Infektionen“).
Blasenkatheter sollen deshalb nur bei klarer medizinischer Indikation angewendet
und immer so bald wie möglich entfernt
werden [1, 3, 5, 6, 9, 12]. Die Anlage von
Blasenkathetern muss unter regelrechten
aseptischen Kautelen vorgenommen werden. Bei suprapubischen Kathetern ist dies
mit den Anforderungen bei der Anlage
zentraler Venenkatheter vergleichbar (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“).
Manipulationen am System erfordern die
gleiche aseptische Handhabung wie an einem Venenkathetersystem und sollen, um
das Kontaminationsrisiko so gering wie
möglich zu halten, auf das notwendige Minimum reduziert werden.Aus hygienischer
Sicht ist die Katheterisierung der Harnblase wie eine offene Wunde zu betrachten.
Anlage transurethraler Blasenkatheter
Bereits bei der Anlage von Blasenkathetern können potenziell pathogene Keime
in die Blase gelangen; dieses Risiko kann
jedoch durch konsequente aseptische
Technik auf ein Minimum reduziert werden [3, 4, 6, 9, 12]. Das aseptische Arbeiten
wird erleichtert, wenn man zu zweit arbeitet:
■ Sorgfältige Vorbereitung aller benötigten Materialien
■ Händedesinfektion
■ An der führenden Hand zwei sterile
Handschuhe übereinander anziehen
■ Schleimhautdesinfektion mit sterilen
Tupfern und z.B. PVP-Jodlösung
■ Steriles Schlitztuch auflegen
■ Anschließend oberen Handschuh ausziehen
■ Gleitmittel instillieren
■ Vorsichtiges Einführen des Blasenkatheters
■ Blocken des Ballons mit steriler 8%iger
Glyzerinlösung, nicht NaCl verwenden
(kann auskristallisieren und den Kanal
verlegen, sodass Entblockung u.U. nicht
möglich), auch nicht Leitungswasser verwenden, da nicht keimfrei (siehe Kapitel
B.7 „Umgebung des Patienten“)
■ Anschluss des Drainagesystems und sichere Fixation
Art des Katheters
Das Risiko von Harnwegsinfektion im Zusammenhang mit der Katheterisierung der
Harnblase wird auch durch Art und Größe
der verwendeten Katheter bestimmt [3, 4,
6–9, 11, 12]:
■ Bei längerer Liegezeit (>3–5 Tage) bevorzugt Silikon anstelle von Latex verwenden, wenn dann nicht sowieso ein
suprapubischer Katheter gelegt wird
(lokale Verträglichkeit von Silikon besser, aber kein Einfluss auf das Ausmaß
von Inkrustierungen oder Inzidenz von
Bakteriurien)
■ Hydrogel-beschichtete Katheter mit
sterilem Wasser „einweichen“, nicht
mit Leitungswasser (nicht keimfrei,
siehe oben)
■ Widersprüchliche Ergebnisse bei Verwendung von mit Silberionen beschich-
62
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
teten Kathetern, sodass ihr Einsatz zumindest derzeit nicht empfohlen werden kann
Drainagesystem
Für Drainagesysteme gelten nach wie vor
die seit langem empfohlenen Vorgaben [3–
6, 9, 12]:
■ Nur geschlossene Systeme mit Rückflussventil verwenden
■ Schlauch und Beutel immer unterhalb
des Blasenniveaus halten, um einen
kontinuierlichen Urinfluss aufgrund
der Schwerkraft zu gewährleisten
■ Kein intermittierendes Abklemmen
des Katheters (sog. Blasentraining), um
den Urinfluss nicht zu unterbrechen
(die Blase gewöhnt sich nach Entfernung von Dauerkathetern bei anfänglich häufiger notwendigen Entleerungen von selbst wieder an den veränderten Füllungszustand)
■ Verbindungsstelle zum Katheter möglichst immer geschlossen halten (prinzipielle Vorteile von zusammenhängenden Katheter-Drainagesystemen)
– Nach versehentlicher Diskonnektion
jedoch kein Wechsel von Katheter
oder Drainagesystem erforderlich
– Stattdessen Ansatzstücke mit Alkohol desinfizieren und wieder zusammenschließen
Entleeren des Auffangbeutels
Beim Entleeren des Auffangbeutels besteht zum einen das Risiko der Kontamination der Hände des Personals, zum anderen kann aber bei unsachgemäßer Technik
auch der Beutelinhalt kontaminiert werden [3, 4, 12]:
■ Nur entleeren, wenn ausreichend gefüllt, um unnötige Manipulationen zu
vermeiden
■ Einmal-Handschuhe tragen
■ Auffanggefäß thermisch desinfizieren
(z.B. im Steckbeckenspülautomaten)
■ Einmal-Handschuhe ausziehen und
Händedesinfektion
■ Immer als kontaminierte Flüssigkeit
betrachten, deshalb entsprechende
Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, um
Kreuz-Übertragungen zu vermeiden,
da Katheterurin schon nach wenigen
Tagen mikrobiell kolonisiert
Entnahme von Urin für die Diagnostik
Bei der Urinentnahme für diagnostische
Zwecke muss folgendes berücksichtigt
werden [4, 12]:
■ Kleine Mengen, z.B. für mikrobiologische Untersuchungen, an der Punktionsstelle am Drainageschlauch nach
vorheriger Desinfektion mit Alkohol
entnehmen (siehe Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für
mikrobiologische Untersuchungen“)
■ Größere Mengen aus dem Auffangbeutel ablassen (Beutelurin für mikrobiologische Untersuchungen ungeeignet: Keimzahlen höher und Keimspektrum nicht notwendigerweise mit
dem aktuell in der Blase vorhandenen
identisch)
Blasenspülungen
Für Blasenspülungen gibt es nur wenige
Indikationen [3–6, 9, 12]:
■ Nur zur Prävention von Obstruktionen, z.B. nach Blasenoperation
■ Dabei geschlossene Systeme für kontinuierliche Spülungen verwenden
■ Keine Spülungen mit Antiseptika oder
Antibiotika durchführen
– Kontaminationsgefahr
– Reizung der Schleimhaut bis hin zu
entzündlichen Veränderungen
Blasenkatheter
– Dadurch erhöhtes Risiko für systemische Infektion
– In den meisten Fällen ohnehin ineffektiv, d.h. keine Erregerelimination
– Selektion resistenter Erreger möglich
Katheterpflege
Entgegen früherer Annahmen müssen bei
der Katheterpflege keine antimikrobiellen
Substanzen eingesetzt werden; es gibt stattdessen Hinweise, dass die Anwendung von
Antiseptika sogar mit einem höheren Risiko assoziiert sein könnte [2–4, 9, 10, 12]:
■ Bei der täglichen Körperpflege Ablagerungen auf dem Katheter am Übergang in den Meatus urethrae mit Wasser und Seife entfernen, damit sich keine Verkrustungen bilden können
■ Antiseptische Lösungen ohne Einfluss
auf die Entstehung von Bakteriurie
oder Harnwegsinfektion (evtl. bei
Frauen von Vorteil)
Wechsel von Katheter und Drainagesystem
Für einen Wechsel von Katheter und Drainagesystem gibt es folgende Empfehlungen [4–6, 12]:
■ Routinemäßiger Wechsel nicht erforderlich (abhängig von der individuellen
Situation entscheiden)
■ Ebenfalls kein Wechsel bei Diagnose einer Harnwegsinfektion erforderlich,
d.h., der Katheter bleibt liegen, und man
beginnt mit einer Antibiotikatherapie
■ Katheter und/oder Drainagesystem
nur wechseln, wenn verstopft bzw. starke Ablagerungen im Drainagesystem
oder unangenehmer Geruch vorhanden (ästhetisch unbefriedigend)
■ Latex-Katheter sollen nicht länger als
fünf Tage liegen, Silikon-Katheter maximal drei Wochen
63
Alternativen zum transurethralen Katheter
Suprapubische Katheterisierung
Suprapubische Katheter werden besonders
in der Gynäkologie und Urologie kurzzeitig
postoperativ angewendet. Generell kann
ein suprapubischer Katheter empfohlen
werden, wenn absehbar ist, dass die Katheterisierung der Harnblase länger als fünf
Tage erforderlich sein wird [1, 3, 4–6, 9, 12]:
Vorteile
■ Geringere Kolonisierung der Bauchhaut im Vergleich zum Meatus urethrae
■ Einfache Pflege der Eintrittsstelle
■ Vermeidung von Urethrastrikturen
■ Bessere Akzeptanz durch die Patienten
■ Spontanmiktion und Restharnbestimmung möglich
■ Bakteriurie-Inzidenz in den ersten Tagen signifikant niedriger als beim transurethralen Katheter, bei längerer Liegedauer kein Unterschied mehr, aber keine Aussage darüber möglich, ob Inzidenz von Harnwegsinfektionen geringer als bei Verwendung transurethraler
Katheter, da randomisierte klinische
Studien mit Harnwegsinfektion als Endpunkt nicht vorhanden sind [6, 9, 12]
Pflege
■ Tägliche Palpation der Einstichstelle
durch den liegenden Verband; bei
Schmerzreaktion Verband entfernen,
um die Einstichstelle zu kontrollieren
■ Verbandswechsel frühestens alle 72
Stunden durchführen, dabei Einstichstelle inspizieren und z.B. alkoholisches
Hautdesinfektionsmittel auftragen
■ Insbesondere bei Verwendung von
transparenten Folienverbänden Verbandswechsel nur einmal pro Woche
erforderlich
■ Wechsel alle 4–8 Wochen
64
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Kondomkatheter
Als Alternative können in bestimmten Situationen Kondomkatheter eingesetzt
werden [5, 9, 12]:
■ Insbesondere bei Langzeit-Katheterisierung (>30 Tage) eingesetzt und sinnvoll, wenn die Blase wegen Inkontinenz
katheterisiert werden soll, weil dies die
am meisten umstrittene Indikation für
einen Blasenkatheter ist
■ Relativ aufwändige tägliche Pflege erforderlich, um lokale Komplikationen
(vor allem Hautmazeration) zu vermeiden
Intermittierende Katheterisierung
Insbesondere bei der Langzeitversorgung
von Patienten mit neurologischen Störungen hat sich die intermittierende Katheterisierung bewährt, um infektiologische
Komplikationen, die sonst zwangsläufig
auftreten würden, zu reduzieren [5, 6, 9, 12]:
■ Beispielsweise bei postoperativen Patienten ein- oder mehrmalig als Alternative zum transurethralen Katheter angebracht
■ Üblich bei neurologischen Patienten
anstelle einer Dauerkatheterisierung
(auch bei nicht aseptischer Technik keine vermehrten Infektionen)
3.
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Injektionen und Punktionen
B
65
3.
Invasive Maßnahmen
– Injektionen und Punktionen
Die häufigsten invasiven Maßnahmen bei
der stationären und ambulanten Patientenversorgung sind Injektionen und Punktionen.An sich ist das damit verbundene Infektionsrisiko sehr gering. Es können aber dennoch Infektionen mit z.T. schweren Folgen
auftreten. Um exogene Infektionen zu verhindern, sind lediglich einfache Hygienemaßnahmen erforderlich, die ohne Schwierigkeiten in jeder Praxis und in jedem Krankenhaus eingehalten werden können.
Händedesinfektion
Trotz optimaler Vorbereitung von Personal und Patient können aber Infektionen
auftreten. Deshalb ist darüber hinaus
wichtig, dass der behandelnde Arzt ggf. Infektionszeichen rechtzeitig erkennt, um
durch geeignete diagnostische und therapeutische Maßnahmen darauf so schnell
reagieren zu können, dass es nicht zu einer
vermeidbaren Ausdehnung der Infektion
kommt (siehe Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“).
Die Vorbereitung von Injektionen muss
unter aseptischen Bedingungen geschehen. Trotzdem kann eine Kontamination
nie vollständig ausgeschlossen werden.
Je länger eine vorgerichtete Spritze bei
Zimmertemperatur aufbewahrt wird,
um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer relevanten Keimzahlvermehrung in der Lösung kommt,
wenn z.B. Spritze oder Kanüle kontaminiert wurde. Deshalb sollen Injektionen
möglichst immer erst unmittelbar vor
Gebrauch gerichtet und nicht für einen
Arbeitstag vorbereitet werden, wie dies
bei niedergelassenen Ärzten nicht selten
üblich ist.
Hygienemaßnahmen
Im Folgenden werden die notwendigen
Maßnahmen zur Prävention von Infektionen bei Injektionen und Punktionen an
verschiedenen Körperstellen zusammengefasst, wobei es zum einen darum geht,
exogene Kontaminationen durch die Hände des Personals oder durch kontaminierte Gegenstände, wie Spritzen, Kanülen
oder Medikamentenlösungen, zu verhindern; zum anderen müssen von der Hautflora des Patienten ausgehende endogene
Infektionen durch entsprechende Vorbereitung der Punktionsstelle so sicher wie
möglich ausgeschlossen werden.
Händedesinfektion ist vor jeder Injektion
oder Punktion und vor dem Umgang mit
Spritzen und Kanülen sowie mit Medikamentenlösungen erforderlich, unabhängig
davon, ob Einmal-Handschuhe oder sterile Handschuhe getragen werden (siehe
Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
Vorrichten von Injektionslösungen
Notfallmedikamente müssen bei vitaler
Indikation sofort verfügbar sein. Sie sollen aber – vor akzidenteller Kontamination sicher – im Kühlschrank bei einer Temperatur von mindestens ≤7 °C aufbewahrt
und spätestens nach 24 Stunden verworfen werden. Eine andere Möglichkeit wäre, die für Notfallmaßnahmen erforderlichen Substanzen als Fertigspritzen einzukaufen, sofern von der Industrie angeboten.
66
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Umgang mit Mehrdosis-Behältnissen
Medikamenten-Lösungen in MehrdosisAmpullen sind insbesondere dann kontaminationsgefährdet, wenn sie nicht mit einem wirksamen Konservierungsstoff versetzt sind.Aber auch konservierte Medikamenten-Lösungen können bei unsachgemäßem Gebrauch verunreinigt werden.
Konservierungsmittel stellen immer nur
einen relativen Schutz dar, weil sie ebenso
wie Desinfektionsmittel und Antibiotika
nur ein begrenztes Wirkungsspektrum haben. Man muss also bei der Entnahme von
Medikamenten-Lösung aus einer Mehrdosis-Ampulle unbedingt auf aseptische
Handhabung achten. Dazu gehören (nach
der immer erforderlichen Händedesinfektion) folgende Maßnahmen:
■ Den Gummistopfen, der herstellungsbedingt nicht steril ist, mit Alkohol-getränktem Zellstofftupfer abwischen
■ Für jede Entnahme eine frische Kanüle
verwenden, d.h. nach jeder Entnahme
die Kanüle entfernen, weil es sonst über
das Lumen der (steckenden) Kanüle zu
einer Kontamination des Flascheninhalts kommen kann. Alternativ stehen
Mehrfachentnahmekanülen mit Luftfilter und Schutzhülle zur Verfügung.
■ Wenn unmittelbar hintereinander eine
Reihe von Spritzen gerichtet werden
soll, z.B. Heparin-Injektionen für mehrere Patienten, kann man die Kanüle
jedoch stecken lassen und für die weiteren Entnahmen jeweils nur die neue
Spritze ansetzen.
■ Hat man für einen Patienten eine zu geringe Menge entnommen und benötigt
deshalb weitere Lösung, muss für die
zweite Entnahme nicht nur eine neue
Kanüle, sondern auch eine neue Spritze verwendet werden. Es besteht nämlich die Gefahr, dass die erste Spritze
bei der Applikation der Lösung mit
Blut des Patienten in Kontakt gekommen ist, das aber nicht sichtbar sein
muss.Wenn man diese Spritze ein zweites Mal für die Entnahme von Lösung
verwendet, kann es dadurch zu einer
Kontamination des Flascheninhalts mit
Blutspuren des Patienten kommen. Mit
diesem Übertragungsweg wurden Ausbrüche von HBV-Infektionen, insbesondere auf Dialyse-Stationen, und
auch Malaria-Übertragungen erklärt
(siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen
durch Blutkontakt“ und Kapitel B.6
„Dialyse“) [1, 6].
Hautdesinfektion
Die Haut des Menschen ist natürlicherweise mikrobiell besiedelt und somit auch ein
wichtiges potenzielles endogenes Erregerreservoir.Vor Injektionen und Punktionen
jeder Art (Ausnahme ist die subkutane Insulin-Injektion durch den Patienten selbst;
siehe unten) ist deshalb eine Reduktion
der Hautflora in Form einer Hautdesinfektion notwendig.
Desinfektionsmittel: Meist werden Alkohol
oder Lösungen mit Zusatz von Alkohol
(z.B. PVP-Jod-Alkohollösung) verwendet.
Dauer: Abhängig davon, um welche Art
von Injektion bzw. Punktion es sich handelt, wird für die Hautdesinfektion eine
Dauer von 15 sec bis mindestens 1 min für
erforderlich gehalten (siehe unten bei den
jeweiligen Indikationen). Ergebnisse aus
vergleichenden Studien über die Dauer
der Desinfektion gibt es nicht (noch nicht
einmal für die präoperative Hautdesinfektion). Die für die einzelnen Indikationen
(siehe unten) empfohlenen Zeiten erscheinen jedoch vernünftig und werden in der
Regel so angegeben, wenn überhaupt eine
konkrete Zeitdauer genannt wird und
nicht nur auf die Angaben des Herstellers
verwiesen wird.
Injektionen und Punktionen
Technik: Da beim Reinigen der mechanische Effekt immer einen wesentlich Einfluss auf das Ergebnis hat, kann eindeutig
empfohlen werden, auch bei der Hautdesinfektion das Mittel durch Wischen zu verteilen bzw. einzureiben und nicht nur auf
die Haut zu sprühen. Eine sorgfältige
Hautdesinfektion soll deshalb immer aus
abwechselndem Sprühen und Wischen für
die Dauer der empfohlenen Einwirkzeit
bestehen. Es gibt allerdings Ergebnisse aus
vergleichenden Untersuchungen, die zeigen, dass – entgegen der überwiegend vertretenen Meinung – das Abreiben der
Haut nicht mit einer höheren Keimzahlreduktion verbunden ist [4].
Tupfer: Normalerweise werden für die
Hautdesinfektion vor Injektionen und
Punktionen Zellstofftupfer (von einer
Rolle ) verwendet, und in den meisten Fällen werden dafür solche Tupfer eingekauft,
die im Rahmen des Herstellungsprozesses
bereits sterilisiert worden sind. Wird eine
solche Rolle geöffnet und in die dafür vorgesehene Spenderbox eingesetzt, sind die
Tupfer jedoch nicht mehr steril. Es sind
vielmehr „sterilisierte“ Tupfer (da sie einmal sterilisiert worden sind), aber nicht
(mehr) „sterile“ Tupfer (die bis zum Gebrauch steril verpackt sind). Diese sprachliche Spitzfindigkeit aus der ursprünglichen „Richtlinie zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen“ des ehemaligen BGA, die
sich dem Anwender in Klinik und Praxis
nicht von selbst erschließt, hat in der Vergangenheit zu beträchtlichen Verwirrungen geführt.
Für die üblichen Punktionen und Injektionen werden Zellstofftupfer von einer Rolle verwendet. Sterile Tupfer dagegen werden immer dann eingesetzt, wenn sterile
Körperhöhlen, wie Gelenke, punktiert
werden. Ob sie dafür absolut notwendig
67
sind, kann durchaus in Frage gestellt werden. Denn auch Zellstofftupfer sind keimarm, und das eigentliche mikrobiologische
Problem bei diesen invasiven Maßnahmen
ist die Hautflora des Patienten. Man sollte
also die Bedeutung von sterilen Tupfern
nicht überbewerten, sie aber natürlich bei
den genannten Indikationen verwenden.
Intrakutane und subkutane Injektion
Intrakutan: z.B. Tuberkulin-Test, „Quaddeln“ mit Lokalanästhetika
Subkutan: z.B. Insulin, Heparin
Maßnahmen: Händedesinfektion, Hautdesinfektion (15 sec, Zellstofftupfer)
Hinweise: Bei Insulininjektionen gibt es
u.U. Diskrepanzen zwischen dem im Krankenhaus üblichen Vorgehen mit Hautdesinfektion vor jeder, also auch der InsulinInjektion und der Anleitung der Patienten
für die selbständige Injektion ohne Hautdesinfektion.
Wenn auch nicht ganz logisch, erscheint es
aber eher angebracht zu sein, bei Patienten
im Krankenhaus, die sich in dieser Zeit
nicht selbst Insulin spritzen können, vor
der Injektion eine Hautdesinfektion
durchzuführen, auch wenn die Patienten es
für ihre eigene Versorgung anders lernen.
Dieses Vorgehen gibt weniger Anlass zu
Verwirrungen beim Personal, und den Patienten kann man erklären, dass man im
Krankenhaus generell die Haut vor einer
Injektion desinfiziert.
Da sich aber regelmäßig eine komplizierte
und meist fruchtlose Diskussion über die
juristischen Implikationen im (allerdings
unwahrscheinlichen) Fall einer Infektion
bei Injektion durch das Personal und nicht
durchgeführter Hautdesinfektion entwickelt, erscheint es sinnvoll, die Frage eher
pragmatisch als rational zu lösen.
68
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Intramuskuläre Injektion
Regionalanästhesien
Maßnahmen: Händedesinfektion, Hautdesinfektion (15 sec, Zellstofftupfer)
Plexusblockade: z.B. Armplexus-Blockade
für Reposition einer Schulterluxation
Hinweis: Intraglutäale Injektionen sind in
vielen Fällen eigentlich subkutane Injektionen, da die üblicherweise verwendeten
Kanülen zu kurz sind bzw. die Subkutanschicht für die (normalerweise eingesetzten) Kanülen meist zu dick ist. Wegen der
schlechteren Durchblutungsverhältnisse
können Abszesse an der Injektionsstelle
leichter entstehen, weshalb wiederum die
sorgfältige Hautdesinfektion vor der Injektion große Bedeutung hat.
Leitungsanästhesie: Hände, Füße
Gefäßpunktion oder Gefäßinjektion
Intravenös, intraarteriell: Arm, Bein, Leiste
Maßnahmen: Händedesinfektion, Hautdesinfektion (15 sec, Zellstofftupfer)
Hinweis: In der Leiste ist zum einen die
Keimzahl auf der Haut höher, zum anderen
ist die Hautflora dort anders zusammengesetzt als z.B. am Unterarm, weil Keime aus
der Darmflora vorhanden sein können. Bei
Punktionen der Leistengefäße erscheint
deshalb eine längere Desinfektionszeit als
die üblichen 15 sec sinnvoll (Anlage von
peripheren und zentralen Venenkathetern
siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“;
Vorgehen bei Punktion von Dialyse-Shunts
siehe Kapitel B.6 „Dialyse“).
Injektion und Punktion
bei Port-Systemen
Maßnahmen: Händedesinfektion, 1 min
Hautdesinfektion, sterile Tupfer, sterile
Handschuhe erscheinen sinnvoll, obwohl
die Punktionsstelle selbst nicht palpiert
werden muss.
Hinweis: Dauer der Hautdesinfektion vom
Umgang mit ZVK abgeleitet (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“)
Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile
Handschuhe, sorgfältige und großflächige
Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung nicht zwingend, Masken nicht notwendig, aber während Punktion bzw. Injektion möglichst wenig sprechen (bei Erkältung mit Schnupfen und Husten Maske
jedoch sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich
Hinweise: Sterile Tuchabdeckung immer
dann erforderlich, wenn es bei den notwendigen Manipulationen zu einer Kontamination der für die Injektion benötigten
Gegenstände oder im Bereich der Injektionsstelle kommen könnte; rückenmarksnahe Regionalanästhesien siehe unten
„Punktionen und Injektionen im Bereich
der Wirbelsäule“.
Gelenkinjektion und -punktion
Periartikulär: z.B. „Infiltration“ mit Lokalanästhetika
Intraartikulär: Injektion von Medikamenten, Punktion bei Erguss für Diagnostik
und/oder zur Entlastung, z.B. bei Gelenkerguss
Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile
Handschuhe, sorgfältige und großflächige
Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung nicht zwingend, steriler Kittel nicht
erforderlich, Masken nicht notwendig,
aber während Punktion bzw. Injektion
möglichst wenig sprechen (bei Erkältung
mit Schnupfen und Husten Maske jedoch
sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich
Injektionen und Punktionen
Hinweise:
■ Bei infizierten Wunden in der Nähe
des Gelenks eine Injektion oder Punktion nur durchführen, wenn dies
zur Entlastung des Gelenks oder aus
diagnostischen Gründen (z.B. bei Verdacht auf Gelenkinfektion) erforderlich ist.
■ D.h., intraartikuläre Injektionen entzündungshemmender Medikamente,
wie insbesondere Kortison-haltiger
Lösungen, oder von schmerzlindernden Mitteln sind unter diesen Bedingungen mit einem erhöhten Infektionsrisiko assoziiert und deshalb nicht
zu vertreten (das gleiche gilt für elektive operative, auch arthroskopische,
Eingriffe).
■ Medikamente für Gelenkinjektionen
erst unmittelbar vor Gebrauch richten
(siehe oben „Vorrichten von Injektionslösungen“): Es gibt keinen medizinisch vertretbaren Grund, Kortisonlösungen und/oder Lokalanästhetika im
Voraus für mehrere Patienten zu richten, da es sich dabei nie um eine Notfall-Intervention handelt. Nicht selten
wird dies jedoch von Orthopäden im
niedergelassenen Bereich so gehandhabt.
■ Bei Injektion Kortison-haltiger Medikamente muss immer berücksichtigt
werden, dass das Infektionsrisiko schon
allein durch das Medikament erhöht ist
und dass deshalb (u.U. sonst möglicherweise sogar folgenlose) Kontaminationen mit sehr geringen Keimzahlen zu
einer Infektion führen können [2].
Wenn also die Gabe von Kortison tatsächlich indiziert ist, dann muss ganz
besonders sorgfältig auf die erforderlichen Hygienemaßnahmen geachtet
werden.
69
Punktionen und Injektionen
im Bereich der Wirbelsäule
Lumbalpunktion: Liquordiagnostik
Myelographie: bildgebende Diagnostik
Peridural-, Spinalanästhesie: intra- und
postoperativ, Schmerztherapie bei chronischen Krankheiten
Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile
Handschuhe, sorgfältige und großflächige
Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung bei Liquorpunktion nicht zwingend, aber insbesondere bei rückenmarksnahen Regionalanästhesien mit der Anlage von Kathetern erforderlich, um
durch das sterile Feld Kontaminationen
infolge der erforderlichen Manipulationen auszuschließen; Masken nicht generell notwendig, aber während Punktion
bzw. Injektion möglichst wenig sprechen
(bei Erkältung mit Schnupfen und Husten
Maske jedoch sinnvoll), Kopfschutz nicht
erforderlich
Hinweise: Ob zusätzlich sterile Kittel getragen werden, muss (analog zum Vorgehen bei der Anlage von ZVK) davon abhängig gemacht werden, ob es z.B. bei der
Anlage eines Peridural-Katheters zu einer
Kontamination kommen kann. Das Sprechen soll auf das notwendige Minimum reduziert werden, da wiederholt über aufsteigende Infektionen mit vergrünenden
Streptokokken berichtet worden ist (siehe
Kapitel B.6 „Anästhesie“ und „Radiologie“) [3, 5, 7]. Darüber darf aber nicht in
den Hintergrund treten, dass eine konsequente aseptische Technik im Umgang mit
allen für die jeweilige Maßnahme benötigten Gegenständen und Medikamenten das
entscheidende Kriterium beim Schutz vor
Infektionen ist.
70
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Punktionen und Injektionen
von Körperhöhlen und Organen
Sterile Höhlen: z.B. Pleura-, Aszitespunktion
Organe: z.B. Leberpunktion
Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile
Handschuhe, sorgfältige und großflächige
Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung, Masken nicht generell notwendig,
aber während Punktion bzw. Injektion
möglichst wenig sprechen (bei Erkältung
mit Schnupfen und Husten Maske jedoch
sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich
Hinweise: Ob zusätzlich sterile Kittel getragen werden, muss davon abhängig gemacht
werden, ob es während der Maßnahme zu
einer Kontamination kommen kann.
Ozon-Therapie
Eine wegen fehlender Wirksamkeitsbelege von der Schulmedizin nicht anerkannte
therapeutische Maßnahme ist die OzonTherapie. Sie wird dennoch durchgeführt
und bei den verschiedensten Beschwerdebildern angewendet. Im Rahmen dieser
Maßnahme ist es in einzelnen Arztpraxen
zu Ausbrüchen von z.B. HCV-Infektionen
gekommen, aber auch zumindest eine
HIV-Infektion (bei während desselben
Behandlungszyklus erworbener HCV-Infektion) war mit hoher Wahrscheinlichkiet
die Folge einer Ozon-Therapie.
Bei der Ozon-Therapie wird dem Patienten eine gewisse Menge Blut entnommen
und nach Mischung mit einem Ozon-LuftGemisch entweder intramuskulär oder int-
ravenös wieder zurückgegeben. Z.T. wird
von den Ozon-Therapeuten für die Entnahme des Ozon-Luft-Gemisches aus einem speziellen Apparat für mehrere Patienten dieselbe Spritze verwendet. Diese
Spritze kann aber bei der Überführung des
Ozon-Luft-Gemisches in die Infusionsflasche durch Hochschäumen des Blutes kontaminiert werden und kann deshalb bei
weiteren Ozonisierungsvorgängen das
Blut der nachfolgenden Patienten kontaminieren. Es handelt sich hier um ein eklatantes Beispiel einer vitalen Gefährdung
von Patienten durch einen absolut vermeidbaren Hygienefehler im Rahmen einer unbewiesenen Therapie.
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years. Scand J Infect Dis 2000; 32: 693–696
Intravasale Katheter
B
71
3.
Invasive Maßnahmen
– Intravasale Katheter
Sehr viele stationäre Patienten erhalten einen Venenkatheter, der – z.B. ausgehend
von einer zunächst umschriebenen lokalen
Infektion an der Einstichstelle – zu schweren septischen Komplikationen führen
kann (siehe Kapitel B.4 „Bakteriämie“).
Verantwortlich für die Infektionen sind
meist Staphylokokken, aber auch Gramnegative Stäbchen können selten einmal
die Ursache sein [1, 15, 18, 20, 23, 33]. Deshalb müssen bei Anlage und Versorgung
von intravasalen Kathetern aseptische Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden (siehe
Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.3 „Injektionen/Punktionen“).
Anlage von Kathetern
Zentrale Katheter
Bei der Anlage intravasaler Katheter ist
konsequent aseptisches Arbeiten entscheidend [1, 7, 20, 22, 24–26, 33]. Mikroorganismen haften an Kathetern aus PVC und PE
stärker als an Teflon- oder PolyurethanKathetern, weshalb PVC- und PE-Katheter vermieden werden sollen. Bei der Anlage von Kathetern soll möglichst immer
zu zweit gearbeitet werden, um das aseptische Arbeiten zu erleichtern:
■ Händedesinfektion
■ Sorgfältige Hautdesinfektion mit sterilen Tupfern und (alkoholischem) Hautdesinfektionsmittel
■ 1 Minute Einwirkzeit
■ Dabei mehrmals Tupfer wechseln
(„sprühen – wischen – sprühen – wischen“)
■ Haarentfernung nicht erforderlich
■ Konsequent aseptische Technik mit
sterilem Kittel, sterilen Handschuhen,
großem sterilen Abdecktuch sowie
Kopfschutz und Maske für die Neuanlage von Kathetern sowie deren Wechsel über Führungsdraht
■ Aseptische Punktion und Anlage des
Katheters (wenn die erste Punktion
nicht erfolgreich, für den nächsten Versuch neuen Katheter verwenden)
■ Sichere Fixation des Katheters, trockener Verband mit Mullkompresse und
Spezialpflaster oder mit wasserdampfdurchlässiger transparenter Folie
■ Datum für Verbandswechsel notieren
Ob das Lochtuch zum Abdecken des Patienten tatsächlich dessen gesamten Körper
bedecken und der Arzt auch noch Kopfschutz und Maske tragen muss, ist nicht
geklärt. Denn es gibt nur Untersuchungen,
die den lange Zeit üblichen (Minimal-)Standard (kleines Lochtuch, sterile
Handschuhe) mit dem seit einiger Zeit
empfohlenen Maximal-Standard (großes
Lochtuch, steriler Kittel, sterile Handschuhe, Kopfschutz, Maske) vergleichen.
Insertionsstelle für zentrale Katheter
Bei der Wahl der Insertionsstelle für zentrale Katheter können folgende Faktoren
eine Rolle spielen [1, 7, 20, 22, 25, 33]:
■ Jugularis-Katheter höheres Infektionsrisiko als Subclavia-Katheter (insbesondere bei intubierten Patienten Zugang über V. subclavia vorteilhaft, weil
Einstichstelle leichter zu pflegen)
■ Bei Zugang über die V. femoralis höheres Kolonisierungsrisiko
72
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Keine aussagefähigen Ergebnisse aus
randomisierten Studien vorhanden,
deshalb Abwägung des Risikos infektiöser und mechanischer Komplikationen erforderlich
Mehrlumige Katheter
Mehrlumige Katheter sollen nur eingesetzt werden, wenn tatsächlich mehrere venöse Zugänge benötigt werden [1, 22]. Wegen häufigerer Manipulationen ist die
Wahrscheinlichkeit der Kontamination
höher. Ob aber Infektionen häufiger sind
als bei Verwendung einlumiger Katheter,
ist nicht geklärt.
Peripher-zentrale Katheter
Als Alternative zu implantierten Kathetern (siehe unten) werden vermehrt peripher-zentrale Katheter eingesetzt [11, 20].
Ihre Komplikationsrate ist ebenso gering,
die Kosten jedoch sind beträchtlich niedriger. Sie müssen aber von den nicht-zentralen sog. Midline-Kathetern abgegrenzt
werden, die kürzere Liegezeiten haben
und über die nur isoosmotische und nichtvenenreizende Lösungen infundiert werden können.
Periphere Katheter
Auch bei der Anlage peripherer Katheter
ist die Beachtung aseptischer Vorsichtsmaßnahmen wichtig [20, 22]:
■ Händedesinfektion
■ Handschuhe
■ Bei der Wahl der Punktionsstelle (bei
Erwachsenen: Handrücken oder Unterarm, bei Säuglingen und Kleinkindern: Kopfhaut, Hand oder Fuß) darauf
achten, dass keine Entzündungszeichen
vorhanden sind, und, wenn möglich,
Stellen mit chronischen Hautkrankheiten, z.B. Psoriasis, meiden
■ Sorgfältige Hautdesinfektion (Zellstofftupfer)
– 30 Sekunden Einwirkzeit
– Dabei mehrmals Tupfer wechseln
(„sprühen – wischen – sprühen – wischen“)
■ Aseptische Punktion und Anlage des
Katheters (wenn die erste Punktion
nicht erfolgreich, für den nächsten Versuch neuen Katheter verwenden)
■ Sichere Fixation des Katheters, trockener Verband mit Mullkompresse und
Spezialpflaster oder mit transparenter
wasserdampfdurchlässiger Folie
■ Datum für Verbandswechsel notieren
■ Deutlich geringere Phlebitisrate im Zusammenhang mit Kanülen aus Teflon
oder Polyurethan verglichen mit PVCoder PE-Kanülen
Überwachung der Katheter
Kontrolle der Einstichstelle
Von großer Bedeutung ist eine kontinuierliche Beobachtung der Einstichstelle von
Kathetern, um beginnende lokale Infektionen nicht zu übersehen [1, 7, 20, 22, 25, 32]:
■ Visuell beim Verbandswechsel, z.B. alle
72 Stunden, bei Folienverbänden jederzeit
■ Zwischendurch täglich Palpation durch
den liegenden Verband
Verbandswechsel
Wie alle Manipulationen am Kathetersystem sollen auch die Verbandswechsel auf
das erforderliche Minimum reduziert werden [12, 20, 22, 33]. Ein routinemäßiger
Wechsel wird seit einigen Jahren frühestens alle 72 Stunden empfohlen, bei Folienverbänden kann das Intervall sogar bis zu
einmal wöchentlich verlängert werden.
Gelockerte oder verschmutzte Verbände
sollen dagegen sofort gewechselt werden.
Intravasale Katheter
Bei komatösen Patienten sind bei Verwendung von konventionellen Verbänden mit
Mullkompressen wegen fehlender Reaktion auf Schmerzreiz bei Palpation häufigere Wechsel erforderlich (mindestens alle
48 Stunden), um die Einstichstelle kontrollieren zu können, wenn nicht Folienverbände verwendet werden.
Durchführung
■ Händedesinfektion
■ Verband entfernen
■ Einstichstelle z.B. mit 0,9%iger NaClLösung und sterilem Tupfer reinigen,
Desinfektion nicht unbedingt erforderlich (wenn doch, keine antimikrobiellen Cremes oder Salben verwenden)
■ Neuen Verband anlegen und Datum
notieren
■ Immer mit sog. No-touch-Technik arbeiten
Entfernung des Katheters
Eine sofortige Entfernung des Katheters
ist in folgenden Situationen erforderlich
[1, 20, 22, 26, 33]:
■ Entzündliche Reaktion an der Einstichstelle (z.B. Rötung)
■ Thrombophlebitis
■ Sekretaustritt aus der Einstichstelle
(Abstrich zur mikrobiologischen Untersuchung schicken)
■ Fieber und Verdacht auf Katheterinfektion (siehe Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“ für
genauere Hinweise zur mikrobiologischen Diagnostik), in diesem Fall zusätzlich
– Blutkulturen abnehmen
– Evtl. Katheterspitze mikrobiologisch
untersuchen lassen
73
„Ruhen“ von peripheren Kathetern
Bei diskontinuierlicher Applikation von
intravenösen Medikamenten können die
Verweilkanülen zwischenzeitlich mit einem sterilen Stopfen (zuvor mit 0,9%iger
NaCl-Lösung durchspülen, Heparinlösung
ohne Vorteile) oder Mandrin verschlossen
werden [22]. Bei längerer Nichtbenutzung
des Katheters dennoch täglich die Einstichstelle kontrollieren (siehe oben „Kontrolle der Einstichstelle“).
Manipulationen am Infusionssystem
Jede Manipulation am Infusionssystem erfordert aseptische Handhabung [20, 22]:
■ Z.B. Wechsel der Infusionsflasche, Verbandswechsel: zuvor immer Händedesinfektion
■ Gummistopfen vor Anschluss des Infusionssystems oder Injektion von
Medikamenten immer mit Alkohol
abwischen (herstellungsbedingt nicht
steril)
■ Insgesamt Manipulationen am System
so weit wie möglich reduzieren
Wechsel des Infusionssystems
Das Infusionssystem setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die insbesondere bei Intensivpatienten zahlreich
vorhanden sind. Es gehören dazu: Dreiwegehähne, Hahnenbänke, arterielle
Druckmess-Systeme sowie geschlossene
Systeme für die Messung des zentralen
Venendruckes (ZVD). Für den Wechsel
der derzeit die folgenden Empfehlungen
gegeben [7, 19, 20, 22, 27, 33]:
■ Systeme routinemäßig frühestens alle
96 Stunden erneuern
■ Systeme von leergelaufenen Infusionsflaschen oder Perfusorspritzen sofort
weiterverwenden
74
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Systeme von Blutkonserven, Blutprodukten oder Lipidemulsionen 24 Stunden
nach Beginn der Infusion auswechseln
■ Bei Kurzinfusionen (z.B. 3 × täglich Antibiotika) oder häufiger Diskonnektion
(z.B. wegen Transport des Patienten zu
Untersuchungen) das Infusionssystem
mit steriler Kappe verschließen und bis
zur nächsten Gabe bzw. Wiederanschließen am Infusionsständer hängen
lassen. In diesen Fällen kann empfohlen werden, das Infusionssystem alle 24
Stunden zu wechseln, da das Kontaminationsrisiko höher ist. Alternativ können die Systeme nach Applikation der
Kurzinfusion für die Verabreichung
kontinuierlich laufender Lösungen verwendet werden.
■ Über den Wechsel der Systeme, die für
die konservative ZVD-Messung verwendet werden, existieren keine Untersuchungen. Da die Systeme am offenen Ende Luftfilter haben, erscheint
ebenfalls ein Wechsel wie bei den Infusionssystemen vertretbar.
Umgang mit Zuspritzstellen
im Infusionssystem
Beim Zuspritzen von Medikamenten oder
bei Blutabnahme an Dreiwegehähnen,
konventionellen Zuspritzstellen für Kanüle und Spritze sowie im Umgang mit Zuspritzstellen für Spritzen ohne Kanülen
und Konnektionshilfen (Konnektoren mit
Ventilmembran), die am Katheterkonus
oder Dreiwegehahn fest angeschraubt
werden, gelten folgende Vorsichtsmaßnahmen [16, 17, 20, 22]:
■ Händedesinfektion
■ Zuspritzstelle mit Alkohol desinfizieren und einwirken lassen (Überschuss
mit Tupfer abwischen)
■ Nach Medikamentengabe etc. Zuspritzstelle von evtl. vorhandenen
Blut- bzw. Medikamentenresten freispülen
■ Zum Schluss Dreiwegehähne mit neuer steriler Kappe verschließen
In-line-Filter
Bisher gibt es keine überzeugenden Hinweise, dass In-line-Filter das Infektionsrisiko bei Infusionstherapie senken können.
Der regelmäßig erforderliche Wechsel erhöht die Zahl der Manipulationen am Infusionssystem und damit das Kontaminationsrisiko [1, 7, 20, 22].
Liegedauer von Kathetern
Periphere Katheter
Bei Erwachsenen wird ein Wechsel alle 96
Stunden empfohlen, um insbesondere das
Phlebitionsrisiko zu senken; bei Kindern dagegen können die Katheter liegen bleiben,
bis die Infusionstherapie beendet ist bzw. bis
zum Auftreten einer Komplikation [20].
Unter Notfallbedingungen gelegte Katheter sollen so schnell wie möglich innerhalb
von 48 Stunden erneuert werden, da in diesen Situationen hygienische Vorsichtsmaßnahmen meist nur eingeschränkt berücksichtigt werden können; periphere arterielle Katheter können solange liegen bleiben,
wie sie benötigt werden.
Zentrale Katheter
Die folgenden Angaben gelten für konventionelle, d.h. nicht-implantierte, zentrale und für peripher-zentrale Katheter [1, 3,
4, 20, 22, 25, 33]:
■ Ein routinemäßiger Wechsel ist bei (peripher-)zentralen Kathetern nicht erforderlich, auch nicht bei Intensivpatienten.
■ Bei klinischem Verdacht auf eine Katheter-bedingte Bakteriämie den Kathe-
Intravasale Katheter
ter nicht über Führungsdraht wechseln,
sondern an anderer Stelle neu legen;
Katheter aber nicht nur aufgrund von
Fieber entfernen, auch nicht bei Patienten mit Bakteriämie oder Fungämie,
wenn der Katheter vermutlich als Ursache nicht in Frage kommt.
■ Sog. Antibiotika-Lock-Technik (= Füllen des Katheterlumens mit hochkonzentrierter Antibiotikalösung) soll
nicht routinemäßig als eine Maßnahme
für die Prävention von Bakteriämien
angewendet, sondern evtl. bei Patienten mit Langzeit-Katheter und rezidivierenden Bakteriämien trotz optimaler aseptischer Technik durchgeführt
werden.
■ Unter Notfallbedingungen, d.h. unter
vermutlich nur suboptimalen aseptischen Bedingungen, gelegte Katheter
sollen möglichst bald erneuert werden.
■ Pulmonalarterienkatheter aus Gründen der Infektionsprävention nicht häufiger als alle 7 Tage wechseln.
Implantierte Katheter
Teilweise implantiert:
Hickman-/Broviac-/GroshongTyp
Vollständig implantiert: Port-Systeme
Die Inzidenz von Infektionen im Zusammenhang mit implantierten Kathetern ist
im Vergleich zu konventionellen intravasalen Kathetern gering [1, 21]. Je nach Ausdehnung der Infektion werden die folgenden Manifestationen unterschieden:
Infektion an der Austrittsstelle
■ Erythem, Druckschmerzhaftigkeit, Induration oder Eiterproduktion bis maximal 2 cm von der Austrittsstelle entfernt
■ Antibiotikatherapie ohne Entfernung
des Katheters möglich
75
Tunnelinfektion
■ Infektionszeichen wie oben, aber Ausdehung weiter als 2 cm von der Austrittsstelle entfernt
■ Meist Entfernung des Katheters nötig
Entfernung des Katheters
■ Dokumentierte Fungämie
■ Eitrige Tunnelinfektion
■ Erneute Bakteriämie, nachdem bereits
drei Tage eine adäquate Antibiotikatherapie wegen einer Bakteriämie
durchgeführt wurde
Die Hygienemaßnahmen im Umgang mit
implantierten Kathetern werden in Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“
behandelt.
Antimikrobiell beschichtete Katheter
Seit längerer Zeit wird der Einfluss antimikrobiell beschichteter Katheter auf
die Inzidenz von Katheterinfektionen
untersucht [1, 8, 10, 28, 29, 31, 32]. Einer
kürzlich publizierten Meta-Analyse zufolge scheinen Katheter, die mit Chlorhexidin-Sulfadiazin imprägniert sind,
das Risiko der Kolonisation der Katheter
sowie das Bakteriämie-Risiko signifikant
reduzieren zu können. Dieser positive
Effekt kann aber nur dann Bestand
haben, wenn die erforderlichen Hygienemaßnahmen im Umgang mit intravasalen Kathetern konsequent beachtet
werden.
Die Anwendung beschichteter Katheter
darf also nicht zu einem falschen Gefühl
von Sicherheit verführen, d.h. die im Umgang mit intravasalen Kathetern etablierten Hygienemaßnahmen müssen bei Verwendung beschichteter Katheter mit gleicher Sorgfalt beachtet werden.
76
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Totale parenterale Ernährung
Patienten, die eine totale parenterale Ernährung (TPE) benötigen, haben einerseits durch ihre meist schweren Grundkrankheiten, andererseits aber auch durch
die Art der Ernährung ein höheres Infektionsrisiko [22].
Besonderheiten
■ Meist relativ lange Liegezeit der Katheter
■ Infusionslösungen günstig für das
Wachstum von Mikroorganismen, insbesondere für Gram-negative Stäbchen und Candida spp.
■ Hohes nosokomiales Infektionsrisiko
bei den Patienten schon allein durch
die Grundkrankheiten gegeben
■ Insgesamt wichtige Gründe, auf die besonders sorgfältige Beachtung aseptischer Maßnahmen bei allen Manipulationen zu achten
Häufige Erreger
■ Koagulase-negative Staphylokokken,
S. aureus, Candida spp., Serratia spp.,
Enterobacter spp.
■ Malassezia furfur bei sehr kleinen Kindern
Hängezeit von Infusionslösungen
Für die maximale Hängezeit von Infusionslösungen gibt es wenig aussagefähige
Daten [20, 22]. Die früher empfohlene 12Stunden-Grenze für reine Lipidlösungen
beispielsweise beruht auf In-vitro-Studien,
die nach künstlicher Kontamination einen
Beginn des Keimwachstums nach 6–12
Stunden zeigten [22]. Bei korrektem Umgang mit Infusionen und Infusionssystemen ist eine Kontamination der Lösungen
während der Gabe unwahrscheinlich.
■ Reine Lipidlösungen nicht länger als 24
Stunden
■ Gabe von Bluttransfusionen innerhalb
von 4 Stunden beenden
■ Für andere parenterale Lösungen können derzeit keine maximalen Zeiten
für deren Gabe genannt werden.
Intravasale Druckmessung
Im Zusammenhang mit intravasaler
Druckmessung ist wiederholt über zeitweise auch epidemische Infektionen berichtet worden. Die folgenden Empfehlungen müssen deshalb beachtet werden
[20, 22]:
Geschlossene Systeme
■ Möglichst Einmal-Systeme verwenden
■ Katheter aus Gründen der Infektionsprävention nicht häufiger als alle 5 Tage wechseln
■ Transducer (auch Einmalartikel) alle 4
Tage wechseln, zusammen mit dem gesamten Druckmesssystem
■ Wiederverwendbare Transducer sorgfältig aufbereiten (Sterilisation)
Halbgeschlossene Systeme
■ Für Messung des zentralen Venendruckes
■ Bestehen aus Infusionsflasche und
Druckinfusionsgerät mit Manometer
und flüssigkeitsgefülltem, oben offenem Mess-Schlauch
■ Bei den modernen Systemen am distalen Ende des Mess-Schlauches Belüftungsöffnung mit bakteriendichtem
Filter, d.h. Kontamination an dieser
Stelle unwahrscheinlich
■ Wechselintervall des Systems alle 96
Stunden
Intravasale Katheter
Richten von Infusionen
Die Vorbereitung von Infusionen (und anderen intravenös verabreichten Medikamenten) muss unter konsequent aseptischen Bedingungen erfolgen, denn schon
äußerst geringe Kontaminationen können
bei entsprechend empfänglichen Patienten zu schweren infektiösen Komplikationen führen, zumal eine Kontamination mit
sehr geringen Keimzahlen bei der Zubereitung während der Dauer der oft vielstündigen, manchmal sogar mehrtägigen
Applikation bei Zimmertemperatur sukzessive zu einer Kontamination mit sehr
viel höheren Keimzahlen führen kann [20,
22, 23, 30]:
■ Unmittelbar zuvor Arbeitsfläche desinfizieren (z.B. mit Alkohol)
■ Händedesinfektion
■ Beim Richten von Infusionen Gummistopfen vor Zuspritzen von Medikamenten bzw. Einstechen des Infusionssystems desinfizieren
■ Infusionen möglichst immer erst unmittelbar vor Gebrauch richten, sonst
bis zur Gabe Lagerung im Kühlschrank
bei <7 °C
■ Perfusorspritzen nur einmal verwenden, da eine Kontamination des Spritzenkolbens beim Aufziehen unvermeidlich ist
■ Herstellung von Mischinfusionen (z.B.
TPE, Zytostatika) möglichst immer
zentral in der Apotheke an steriler
Werkbank durch spezialisiertes Personal
■ Medikamente oder andere parenterale
Zusätze zu Infusionslösungen immer
aus Einzeldosis-Behältnissen entnehmen; wenn aber Mehrdosis-Behältnisse
verwendet werden, entsprechend den
Herstellerangaben anschließend ggf. im
Kühlschrank lagern; Gummistopfen zuvor immer mit Alkohol reinigen; für je-
77
de Entnahme frische sterile Kanüle und
Spritze verwenden; Mehrdosis-Behältnis sofort verwerfen, wenn es zu einer
Kontamination gekommen sein könnte.
■ Nach Vorrichten von Notfallmedikamenten die Spritzen mit sterilem Stöpsel verschließen, Datum/Uhrzeit aufschreiben und Lagerung im Kühlschrank (<7 °C), nach 24 Stunden verwerfen
Hämofiltration
Bei der kontinuierlichen (veno-venösen
oder arterio-venösen) Hämofiltration werden für die Katheterisierung der Gefäße
und den Umgang mit dem Kathetersystem
die gleichen Hygienemaßnahmen empfohlen wie bei zentralen Venenkathetern (siehe oben und Kapitel B.6 „Dialyse“) [31].
Subkutane anstelle von
intravenöser Flüssigkeitszufuhr
Insbesondere bei älteren Patienten und in
der palliativen Patientenversorgung ist die
subkutane Flüssigkeitszufuhr eine nützliche und einfach durchzuführende Alternative zur intravenösen Therapie [13]. Sie
ist weniger belastend für den Patienten,
und das Infektionsrisiko ist darüber hinaus
sehr gering.
Diagnostik Katheter-assoziierter Infektionen
Zur Diagnostik von Katheter-assoziierten
Infektionen wird meist die semiquantitative Kultur der Katheterspitze verwendet;
verschiedene aufwändigere Methoden,
die z.T. ohne Entfernung des Katheters
angewendet werden können, sind beschrieben, haben sich jedoch in der Praxis
nicht durchgesetzt (siehe Kapitel B.4
„Bakteriämie“ und Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“) [1, 5, 6, 14,
21, 22].
78
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Antibiotikaprophylaxe
Ob der prophylaktische Einsatz von Vancomycin bei der Anlage von Kathetern gerechtfertigt ist, kann derzeit nicht beantwortet werden; evtl. ist der Einsatz
bei Hochrisiko-Patienten gerechtfertigt,
wenn hohe Infektionsraten durch die etablierten Hygienemaßnahmen nicht zu reduzieren sind [9].
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80
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
4.
Die vier häufigsten Infektionen
– Bakteriämie
Bakteriämien stehen insgesamt in der
Reihenfolge der Häufigkeit nosokomialer Infektionen an vierter Stelle (große
Unterschiede abhängig von der Fachabteilung) [7]. Bei ca. zwei Dritteln handelt
es sich um primäre Formen, die wiederum
in einem Drittel der Fälle im Zusammenhang mit (meist zentralen) intravasalen
Kathetern stehen [3, 8, 14–22, 28, 29]. Für
die sekundären Bakteriämien, die ca. ein
Drittel der nosokomialen Bakteriämien
ausmachen, sind vor allem Infektionen im
Bereich der Harnwege und der Lunge sowie intraabdominale Infektionen verantwortlich [1, 3, 4, 20].
Eine Streuung von Erregern ins Blut kann
ein lebensbedrohliches Krankheitsbild
hervorrufen. Eine wichtige Komplikation
ist die Absiedlung der Erreger an verschiedenen Körperstellen. Beispielsweise sind
die Prädilektionsorte bei einer hämatogenen Aussaat von S. aureus vor allem die
Wirbelsäule, aber auch Herzklappen mit
der Folge langwieriger Morbidität und erhöhter Letalität [17–19].
Bakteriämie vs Sepsis
Bakteriämie und Sepsis können folgendermaßen definiert werden [9, 17–20]:
Bakteriämie
■ Beschreibung eines mikrobiologischen
Befundes (bei Pilznachweis Fungämie
oder Candidämie bei Nachweis von
Candida spp.)
■ Asymptomatisch oder assoziiert mit
den klinischen Symptomen einer Sepsis
Sepsis
■ Beschreibung eines klinischen Bildes
(z.B. Fieber, Blutdruckabfall, Oligurie)
■ Nicht notwendigerweise Blutkultur mit
positivem mikrobiologischen Befund
Primäre vs sekundäre Bakteriämie/Sepsis
Aus epidemiologischer Sicht ist die Unterscheidung von primärer und sekundärer
Bakteriämie bzw. Sepsis von Bedeutung
[9, 18–20]:
Primäre Form:
Erregernachweis in der
Blutkultur ohne Assoziation zu einer Infektion mit demselben
Erreger an irgendeiner
Körperstelle
Sekundäre Form: Erregernachweis in der
Blutkultur bei gleichzeitig vorhandener Infektion mit demselben Erreger an irgendeiner Körperstelle (z.B. Urosepsis)
Mit intravasalen Kathetern assoziierte
Bakteriämien fallen unter die primären
Formen. Dies gilt nach Definition der Centers for Disease Control and Prevention
(CDC) auch dann, wenn zugleich eine eitrige Infektion an der Einstichstelle (oder
sogar eine eitrige Thrombophlebitis) besteht und derselbe Erreger aus dem Eiter
und der Blutkultur isoliert wird [9].
Pseudobakteriämie
Kontaminationen von Blutkuturen, also
der Nachweis von Keimen, die zum Zeit-
Bakteriämie
punkt der Blutkulturabnahme nicht im
Blut des Patienten vorhanden waren – sei
es von der Haut des Patienten, sei es aus einem exogenen Erregererservoir –, werden
unter dem Begriff der „Pseudobakteriämie“ zusammengefasst [13]. Die exogene
Kontamination kann bei der Abnahme der
Blutkultur stattfinden, aber auch bei jedem
weiteren Schritt der Bearbeitung im mikrobiologischen Labor. Meist ist eine Kontamination von Blutkulturen das Ergebnis einer unzureichenden Technik, insbesondere
der Hautdesinfektion, und deshalb prinzipiell vermeidbar. Die Möglichkeit einer
Kontamination muss deshalb bei der Beurteilung mikrobiologischer Untersuchungsergebnisse immer präsent sein. Bei Nachweis typischer Keime der Hautflora, insbesondere wenn diese nur in einer von mehreren Blutkulturflaschen nachweisbar sind,
ist dies auch in aller Regel der Fall.
Bei weniger typischen „Kontaminationskeimen“ aber ist einige Wachsamkeit erforderlich, um die Patienten nicht unnötig
mit Antibiotika zu behandeln [12]. Andererseits aber kann die Entscheidung, ob es
sich um eine Pseudobakteriämie oder um
einen echten Erregernachweis aus der
Blutkultur handelt, den verantwortlichen
Arzt vor große Probleme stellen, da er die
Folgen einer möglicherweise überflüssigen
Therapie gegen das Risiko abwägen muss,
dem Patienten eine u.U. doch erforderliche Therapie vorzuenthalten.
Risikofaktoren
Man kann endogene und exogene Risikofaktoren unterscheiden, wobei man aber
berücksichtigen muss, dass Art und Umfang der exogenen Risikofaktoren zu einem wesentlichen Teil durch das Ausmaß
der endogenen Risikofaktoren bedingt
sind, die invasive Maßnahmen erst erforderlich machen [3, 8, 10, 15–22, 28, 29]:
81
Endogen
■ Niedriges (<1 Jahr) bzw. hohes (>60
Jahre) Lebensalter
■ Schwere Grundkrankheiten
■ Immunsuppression
■ Nicht-intakte Haut (chronische Hautkrankheiten, Verbrennungen)
Exogen
■ Intravasale Katheter und andere invasive Maßnahmen
■ Nicht ausreichende Beachtung der erforderlichen Hygienemaßnahmen bei
invasiven Maßnahmen
■ Sekundäre Bakteriämien durch unzureichende Behandlung oder zu späte
Erkennung primärer Infektionsherde
(z.B. von Abszessen)
Erregerspektrum
Eine Vielzahl von Erregern kommt als Erreger in Betracht, meist handelt sich um
bakterielle Erreger [6–8, 10, 11, 14–24,
28–31]:
Gram-positive Bakterien
■ S. aureus nach wie vor einer der häufigsten Erreger
■ Koagulase-negative Staphylokokken
(KNS) sind in den letzten zwei Jahrzehnten wesentlich häufiger geworden,
besonders bei primären Bakteriämien.
Dafür gibt es zwei Gründe:
– Zunahme komplizierter invasiver
Maßnahmen und damit verbunden
häufigerer Einsatz von Kunststoffmaterialien, die Adhäsion und Kolonisation von KNS erleichtern
– Selektion der resistenteren KNS bei
breitem Antibiotikaeinsatz (ca. zwei
Drittel sind Oxacillin-resistent und
damit – wie MRSA – auch resistent gegen die sonst typischerweise
82
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
wirksamen Staphylokokken-Antibiotika)
Die Zunahme von KNS ist aber sicher
auch z.T. ein Artefakt wegen stärkerer Beachtung als potenziell pathogene Erreger
und häufigerer Blutkulturdiagnostik, wobei bei der Interpretation solcher Blutkultur-Befunde sicher auch zu wenig zwischen
Kontamination und Infektion differenziert
wird (nicht zuletzt deshalb zu häufiger
Einsatz von Glykopeptiden).
Aus Untersuchungen mit molekularbiologischer Typisierung ergeben sich Hinweise
darauf, dass ein Teil der KNS-Isolate, die im
Zusammenhang mit Bakteriämien von verschiedenen Patienten isoliert werden, klonalen Urspungs oder zunmindest nahe verwandt sind. Das bedeutet, dass es sich bei
KNS-Isolaten möglicherweise nicht nur um
Vertreter der patienteneigenen, schon bei
der stationären Aufnahme vorhandenen
Hautflora handelt. Vielmehr weisen diese
Ergebnisse zumindest darauf hin, dass Patienten im Krankenhaus mit anderen KNSStämmen besiedelt werden können, ebenso wie sie dort auch mit typischen nosokomialen Erregern besiedelt werden können.
Aus dieser krankenhauserworbenen endogenen Flora können im weiteren Verlauf
Infektionen entstehen. Übertragungen von
KNS müssen demzufolge auch in Betracht
gezogen werden. Denkbar ist außerdem eine epidemische Ausbreitung bestimmter
KNS-Stämme, z.B. bedingt durch unterschiedliche Adhäsionseigenschaften (siehe
Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“).
■ Enterokokken sind ebenfalls im gleichen Zeitraum häufiger geworden.Vermutlich handelt es sich dabei auch um
ein Selektionsphänomen bedingt durch
den häufigen Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika ohne (insbesondere
alle Cephalosporine) oder ohne ausreichende (Chinolone, Carbapeneme)
Wirkung gegen Enterokokken bei Prophylaxe und Therapie.
Gram-negative Bakterien
■ Insgesamt seltener als vor 20 Jahren,
aber wegen zunehmender Resistenz gegen Antibiotika z.T. sehr problematisch
■ Enterobakteriazeen (Escherichia coli,
Enterobacter spp., Proteus spp., Klebsiella pneumoniae und andere Klebsiellen, Serratia spp. etc.)
■ Pseudomonas aeruginosa (und andere
Pseudomonas spp.)
■ Acinetobacter baumannii (und andere
sog. Nonfermenter)
Pilze
■ Insbesondere verschiedene CandidaSpezies, vor allem C. albicans
■ Deutliche Zunahme in den letzten Jahren, besonders bei Patienten mit schweren Grundkrankheiten und unter langdauernder (Breitspektrum-)Antibiotikatherapie
■ Zusätzliche Problematik durch häufigeres Auftreten resistenter(er) Candida-Arten (C. krusei, C. glabrata)
Polymikrobielle Bakteriämien
■ Meist bei schwerkranken Patienten
(Neonatologie, Onkologie), aber auch,
wenn der Gastrointestinaltrakt die
Quelle der Bakteriämie ist (Beteiligung von Anaerobiern möglich)
■ Höhere Letalität (>50%) als bei monomikrobiellen Formen (gleichzeitig aber
natürlich auch bedingt durch die
schweren Grundkrankheiten)
Rezidivierende Bakteriämie
Bei manchen Patienten kommt es wiederholt zu einer Aussaat von Erregern ins Blut
[20]:
Bakteriämie
■ Nicht selten bei onkologischen Patienten
■ Zu einem bedeutenden Teil aber bei
Patienten mit nicht ausreichend therapierter Primärinfektion (häufig im Bereich der Harnwege)
■ Wichtige Ursache sind außerdem konservativ nicht therapierbare Infektionsherde (z.B. Abszesse, infizierte Implantate und andere Infektionsherde mit
schlechter Penetration von Antibiotika, z.B. aufgrund von Hämatom- oder
Nekrosebildung)
Katheter-assoziierte Infektionen
Infektionen im Zusammenhang mit intravasalen Kathetern können sich klinisch
sehr unterschiedlich manifestieren. Es
kann sich um lokale infektiöse Komplikationen an der Einstichstelle bis hin zu
schweren Septikämien mit Absiedlung der
gestreuten Erreger an einzelnen bis mehreren Körperstellen handeln. Die rechtzeitige Erkennung einer septischen Streuung
ist deshalb hinsichtlich der Prävention sekundärer infektiöser Komplikationen von
größter Bedeutung (siehe Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“). Im Folgenden sollen die wichtigsten
Charakteristika und diagnostischen Möglichkeiten genannt werden [2, 3, 8, 10, 14–
22, 25–29].
83
■ Ablösung der Keime und Streuung ins
Blut mit der Folge einer Bakteriämie
bzw. Sepsis
Eine Kolonisierung intravasaler Katheter
kann folgendermaßen entstehen:
■ Kolonisierung der Einstichstelle: Hautflora des Patienten, Hände des Personals, kontaminierte Hautdesinfektionsmittel (extraluminale Kolonisierung)
■ Kontamination des Katheteransatzstückes (engl. Hub): Hautflora des Patienten, Hände des Personals (intraluminale Kolonisierung)
■ Kontamination der Infusionslösung:
z.B. bei der Zubereitung von Mischinfusionen (intraluminale Kolonisierung)
■ Hämatogene Erregerstreuung: Ausgehend von einem Infektionsherd an einer anderen Körperstelle (extraluminale Kolonisierung)
Die im Folgenden aufgeführten Definitionen sollen eine Differenzierung der unterschiedlichen Manifestationen von Katheter-assoziierten Infektionen ermöglichen
[16, 25]:
(Thrombo-)Phlebitis
■ Entzündung, Induration, (Druck-)
Schmerz im Bereich der Einstichstelle
(mit oder ohne Thrombose)
■ Ursache meist physiko-chemischer,
nicht infektiöser Natur
Pathogenese
■ Kolonisierung des Katheters durch Adhäsion potenziell pathogener Keime
am Kathetermaterial
■ Vermehrung der Keime am Katheter
und insbesondere bei Biofilmproduktion
– Schutz vor körpereigenen Abwehrmechanismen
und
– Schutz vor der Wirkung von Antibiotika
Kolonisierung des Katheters
■ Katheterspitze positiv (semiquantitative Kultur nach Maki; siehe unten und
Kapitel D.2 „Abnahme und Transport
von Material für mikrobiologische Untersuchungen“)
und
■ keine Zeichen einer lokalen Katheterinfektion (siehe unten)
und
84
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ keine Zeichen einer Katheter-bedingten Bakteriämie (siehe unten)
Lokale Katheterinfektion
■ Eines der folgenden Zeichen:
– eitrige Sekretion an der Einstichstelle oder
– Entzündung im Haut- und Subkutanbereich über dem Katheter oder
– positive Katheterspitze und entweder (Thrombo-)Phlebitis oder Fieber (≥ 38 °C) oder
– positive Blutkultur (entnommen via
Katheter) und entweder (Thrombo-)
Phlebitis oder Fieber (≥ 38 °C)
und
– negative periphere Blutkultur (oder
keine Blutkultur peripher entnommen)
■ Eitrige Phlebitis sehr selten, aber sehr
gefährlich mit hoher Letalität, deshalb
immer Notfallintervention erforderlich
Durch periphere Katheter
bedingte Bakteriämie
■ Eitrige Sekretion an der Einstichstelle
und derselbe Erreger aus peripherer
Blutkultur isoliert oder
■ Entzündung im Haut- und Subkutanbereich über dem Katheter und primäre Bakteriämie (siehe oben) oder
■ Positive Katheterspitze und periphere
Blutkultur mit Wachstum des gleichen
Erregers oder
■ Quantitative Blutkultur mit mindestens fünfmal höherer Keimzahl in der
Katheterkultur im Vergleich zur peripher entnommenen Kultur
ZVK-assoziierte Bakteriämie
■ Primäre Bakteriämie
und
■ ZVK zum Zeitpunkt der Blutkulturentnahme vorhanden
Bakteriämie bedingt durch
kontaminierte Infusionslösung
■ Isolierung des gleichen Erregers aus
peripherer Blutkultur und Infusionslösung
und
■ Keine andere Quelle für die Bakteriämie erkennbar
Mikrobiologische Diagnostik
Die wichtigste Diagnostik bei Verdacht
auf eine systemische Infektion im Zusammenhang mit intravasalen Kathetern
besteht in der Anlage von Blutkulturen, und sehr häufig wird zusätzlich die
Untersuchung der Katheterspitze mit
der semiquantitativen Methode nach
Maki angewendet (siehe Kapitel D.2
„Abnahme und Transport von Material
für mikrobiologische Untersuchungen“).
Im Folgenden sind die verschiedenen
prinzipiell möglichen Methoden teils mit,
teils ohne Entfernung des Katheters aufgeführt:
■ Mit Entfernung des Katheters:
– Direktfärbung der Katheteroberfläche
– qualitative Bouillonkultur der Katheterspitze
– semiquantitative Kultur der Katheterspitze
– quantitative Kultur der inneren und
äußeren Oberfläche der Katheterspitze (Durchspülen, Schütteln, Ultraschall)
– Kultur des Katheteransatzstückes
(Hub-Kultur)
■ Ohne Entfernung des Katheters:
– Gram-Färbung und Kultur eines
Hautabstrichs um die Einstichstelle
– Gram-Färbung und Kultur eines Abstrichs der inneren Oberfläche des
Katheteransatzstückes
– Quantitative Blutkulturen
Bakteriämie
Für die Prävention Katheter-assoziierter
Infektionen ist die konsequente Beachtung der etablierten aseptischen Maßnahmen im Umgang mit dem Katheter und
dem gesamten Infusionssystem sowie den
intravasal verabreichten Medikamenten
von entscheidender Bedeutung (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“), wie
kürzlich wieder in einer umfangreichen
Studie bei Intensivpatienten gezeigt werden konnte [5].
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Harnwegsinfektion
B
87
4.
Die vier häufigsten Infektionen
– Harnwegsinfektion
Harnwegsinfektionen haben einen Anteil
von ca. einem Drittel an allen nosokomialen Infektionen und sind damit die häufigsten krankenhauserworbenen Infektionen.
In der Regel handelt es sich um eher harmlose Erkrankungen, die den Krankenhausaufenthalt nicht wesentlich verlängern.
Wichtige Komplikationen sind Pyelonephritis und Bakteriämie. Das BakteriämieRisiko bei Patienten mit Gram-negativer
Bakteriurie ist relativ niedrig. Dennoch
aber ist die Bakteriurie die häufigste Ursache Gram-negativer Bakteriämien, weil eine große Zahl stationärer Patienten katheterisiert wird.
Bei Bakteriurie im Zusammenhang mit
Blasenkathetern hilft diese Differenzierung jedoch in der Praxis häufig nicht weiter, weil nämlich ein hoher Prozentsatz der
Patienten keine typischen klinischen
Symptome hat. Es wurde deshalb empfohlen, das Auftreten einer Bakteriurie (oder
Candidurie) in einer Keimzahl von >103
KBE/ml als Ausdruck einer nosokomialen
Katheter-assoziierten Harnwegsinfektion
zu interpretieren [10]. Die Entscheidung
für oder gegen eine antimikrobielle Therapie ist für den Kliniker deshalb schwierig.
Im Zweifelsfall kann man empfehlen, Patienten mit prinzipiell erhöhtem Risiko (siehe unten) eher zu behandeln.
Bakteriurie vs Harnwegsinfektion
Bakteriurie und Harnwegsinfektion können prinzipiell folgendermaßen unterschieden werden [1–3, 6, 9–12]:
Bakteriurie
■ Asymptomatisch, d.h. Kolonisierung
des Urins ohne Invasion der Erreger in
das Gewebe
■ Keine klinischen Zeichen einer Infektion (Leukozyturie allerdings häufig)
Harnwegsinfektion
■ Symptomatisch, d.h. Nachweis von potenziell pathogenen Erregern im Urin
und Zeichen der Invasion in das Gewebe
■ Klinische Zeichen einer Infektion, wie
z.B. Fieber, suprapubische Druckschmerzhaftigkeit und/oder Leukozyturie
Risikofaktoren
Endogene wie exogene Risikofaktoren
können für die Entwicklung von Harnwegsinfektionen verantwortlich sein, und
die endogenen Risiken stellen teilweise
die Grundlage für Art und Umfang der invasiven Maßnahmen dar, die wiederum
das Risiko für Infektionen im Bereich der
ableitenden Harnwege erhöhen [1, 2, 5, 6,
9, 11, 12]. Harnwegsinfektionen bei Risikopatienten werden als „kompliziert“ eingestuft; dies spiegelt sich auch in den Therapieempfehlungen wider, die generell
längere Behandlungszyklen (mindestens
7–10 Tage bzw. bis 3–5 Tage nach Entfieberung) als bei unkomplizierten Fällen vorsehen [4, 5].
Endogen
■ Höheres Lebensalter (> 60 Jahre)
■ Schwere Grundkrankheiten
88
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Weibliches Geschlecht
■ Periurethrale Kolonisierung mit potenziell pathogenen Erregern von Harnwegsinfektionen (insbesondere Gramnegative Stäbchen und Enterokokken)
Exogen
■ Katheterisierung der Harnwege: je länger die Liegedauer, um so höher das Risiko (auch noch nach Entfernung des
Katheters für mindestens 24 Stunden
erhöhtes Risiko wahrscheinlich aufgrund einer vermehrten urethralen Kolonisierung durch potenziell pathogenen Keime, aber auch nach Einmal-Katheterisierung entwickeln altersabhängig bis zu 20% der Patienten eine Bakteriurie)
■ Instrumentierung der Harnwege
Kurzzeit-Katheterisierung
In den meisten Fällen ist bei der Notwendigkeit der Katheterisierung der Harnwege absehbar, dass diese invasive Maßnahme nur von kurzer Dauer sein wird. Definitionsgemäß spricht man bis zu einer
Dauer von 30 Tagen von Kurzzeit-Katheterisierung; die meisten Katheter haben
aber eine Liegezeit von nur wenigen Tagen
[1, 6, 9, 12]. Das Ziel muss sein, die Entwicklung einer Bakteriurie zu verhüten
oder wenigstens hinauszuzögern. Die
wichtigste Präventionsmaßnahme ist demzufolge die zeitige Entfernung des Katheters, sobald er nicht mehr benötigt wird,
denn ca. 50% der Patienten, die länger als
7–10 Tage katheterisiert sind, entwickeln
eine Bakteriurie.
Komplikationen
Abhängig von der Liegedauer kommt es
bei 10–50%, nach 30 Tagen bei 80–95% der
Patienten zur Bakteriurie; aus einer primä-
ren Besiedlung können sich bei bis zu 30%
der Patienten Harnwegsinfektionen mit
Fieber, akute Pyelonephritis sowie Bakteriämie bzw. klinische Sepsis (< 5% der Patienten) entwickeln [1, 6, 9, 12]. Meist treten die Bakteriämien bereits innerhalb
von 24 Stunden nach Entstehung der Bakteriurien auf (Ausnahme ist Serratia marcescens mit Auftreten von Bakteriämien
meist erst mehrere Tage nach Beginn der
Bakteriurie). Trotz der an sich insgesamt
geringen sekundären Bakteriämierate sind
Harnwegsinfektionen aber in bis zu 15%
die Ursache nosokomialer Bakteriämien,
weil eine so große Zahl von Patienten katheterisiert wird. Für Gram-negative Bakteriämien können Katheter-assoziierte
Bakteriurien bzw. Harnwegsinfektionen in
30–40% verantwortlich sein. Eine Antibiotikaprophylaxe bei Patienten mit Blasenkathetern kann evtl. für besondere Manipulationen bei bestimmten Hochrisiko-Patienten eingesetzt werden [7]; KonsensusEmpfehlungen gibt es jedoch nicht.
Langzeit-Katheterisierung
Bei länger als 30 Tage erforderlicher Urindrainage spricht man von Langzeit-Katheterisierung [12]. Das Auftreten einer Bakteriurie ist in diesen Fällen nicht zu verhindern (siehe oben). Ziel kann deshalb nur
die Prävention der möglichen Komplikationen sein (siehe unten); aber auch die
Prävention von Erregerübertragungen aus
dem Reservoir des kolonisierten Urins
muss beachtet werden. Bei der Verlegung
von Patienten mit Dauerkathetern, z.B.
aus Pflegeheimen, muss man immer berücksichtigen, dass der Urin dieser Patienten vermutlich mit einer Vielzahl möglicherweise auch (poly-)resistenter Erreger
in jeweils hoher Keimzahl (>105 KBE/ml)
besiedelt ist. Betroffen sind in erster Linie
zwei Patientengruppen:
Harnwegsinfektion
■ Neurologische Patienten (meist aber
keine Dauerkatheterisierung, sondern
intermittierende Katheterisierung)
■ Alte Patienten mit Harninkontinenz
oder nicht operablen Blasenausgangsobstruktionen, wenn Inkontinenzunterlagen und Windeln nicht ausreichen,
um Mazerationen der Haut mit der
möglichen Folge der Entwicklung eines
Dekubitus zu verhindern
Komplikationen
Relativ häufig kommen Katheterobstruktionen mit Notwendigkeit des Katheterwechsels vor, ferner Harnsteine, chronische interstitielle Nephritis, Urethrafistel,
eitrige Epididymitis, Skrotumabszess,
Prostatitis, Prostataabszess (zusätzlich zu
den bei Katheterisierung der Harnwege
typischen Komplikationen, siehe oben).
Eintrittspforten für Bakterien
Eintrittspforten für potenziell pathogene
Keime bei transurethralen Blasenkathetern [1, 6, 9, 12]:
1. Meatus urethrae (extraluminal)
2. Verbindungsstelle zwischen Katheter
und Auffangbeutel (intraluminal)
3. Ablasshahn am Auffangbeutel (intraluminal)
Ein kleiner Teil der Bakteriurien entsteht
bereits bei der Anlage der Katheter durch
direkte Inokulation potenziell pathogener
Keime in die Harnblase, die meisten jedoch entwickeln sich erst während der Liegezeit des Katheters [12]. Dabei spielt offenbar bei Frauen die periurethrale Besiedlung und damit der extraluminale Weg
die größere Rolle als bei Männern. Untersuchungen über die Eintrittspforten von
Erregern haben gezeigt, dass bei 15–20%
der Patienten die Erreger zunächst im
Drainagesystem nachweisbar waren und
89
erst sekundär in geringer Keimzahl intraluminal während der folgenden 24–48
Stunden in die Harnblase gewandert sind,
wo sie sich in weniger als 24 Stunden auf
Keimzahlen von >105 KBE/ml vermehren
können.
Erregerspektrum
Es sind hauptsächlich Keime aus dem großen Erregerreservoir des Darmes, die für
Harnwegsinfektionen verantwortlich sind
[1, 6, 9, 11, 12]:
■ Escherichia coli, Enterokokkken, Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, S. marcescens
(E. coli am häufigsten endemisch, P. aeruginosa und S. marcescens am häufigsten epidemisch auftretend)
■ Bei Langzeit-Katheterisierung auch
seltenere und Antibiotika-resistente
Gram-negative Bakterien, wie z.B.
Morganella morganii, Providencia stuartii und andere Proteus spp. (häufig
auch gleichzeitig mehrere Erreger
nachweisbar, jeweils in hoher Keimzahl, d.h. >105 KBE/ml)
■ Bei katheterisierten Patienten sind polymikrobielle Infektionen relativ häufig. Der Nachweis mehrerer Erreger in
einer Urinprobe kann deshalb nicht,
wie bei Mittelstrahlurin, im Sinne einer
Kontamination interpretiert werden.
■ Staphylokokken kommen relativ selten
vor, und der Nachweis von S. aureus im
Urin muss immer auch als Hinweis auf
eine Bakteriämie betrachtet werden.
Zeigen Blutkulturen aber kein Wachstum von S. aureus, kann die Suche nach
einem primären Focus von der klinischen Symptomatik abhängig gemacht
werden, denn die meisten Patienten mit
einer S. aureus-Bakteriurie ohne begleitende Bakteriämie haben keinen
okkulten S. aureus-Focus [8].
90
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Der Nachweis von Candida spp. Ist in
vielen Fällen Ausdruck einer Kolonisierung und nicht einer Infektion und
bedarf deshalb in aller Regel keiner
Therapie; eine Candidurie kann aber
auch – wie eine Bakteriurie mit S. aureus – Folge einer hämatogenen Streuung
von Candida spp. sein.
Die Erreger von Harnwegsinfektionen bei
katheterisierten Patienten unterscheiden
sich nicht nur in der Häufigkeit des Auftretens, sondern auch in ihren Wachstumseigenschaften im Urin und im Zusammenhang mit dem Blasenkatheter. Es gibt Erreger, die sich im Urin selbst vermehren (frei
schwimmend wie Plankton), und solche, die
auf der Oberfläche des Katheters in einem
Biofilm wachsen [1, 9, 12]. Diese Biofilmproduzierenden Erreger (insbesondere
Pseudomonas spp. und Proteus spp.) adhärieren zunächst an der Katheteroberfläche
und sezernieren extrazelluläre Substanzen,
worin im weiteren Verlauf Urinproteine
(Tamm-Horsfall) und auskristallisierte
Urinsalze (besonders ausgeprägt bei P. mirabilis infolge der alkalisierenden Wirkung
seiner starken Urease) eingelagert werden,
und in dieser Matrix betten sich die Bakterien quasi ein. Es bilden sich Beläge im Katheterlumen, die letztlich zur Obstruktion
des Katheters führen können. Neben bakteriellen Faktoren gibt es aber offenbar
auch – bisher allerdings noch relativ ungeklärte – Patientenfaktoren, die mit einer
Katheterobstruktion assoziiert sind. Für
die Entscheidung einer antimikrobiellen
Therapie gibt es je nach klinischer Situation entsprechende Empfehlungen, an denen
man sich orientieren kann [4, 5].
Die Maßnahmen zur Prävention von Harnwegsinfektionen im Zusammenhang mit
der Katheterisierung der Harnwege sind in
Kapitel B.3 „Blasenkatheter“ zusammengefasst, und Hinweise für die mikrobiologi-
sche Diagnostik finden sich in Kapitel D.2
„Abnahme und Transport von Material für
mikrobiologische Untersuchungen“.
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Pneumonie
B
91
4.
Die vier häufigsten Infektionen
– Pneumonie
Unter den vier häufigsten Krankenhausinfektionen steht die Pneunomie an zweiter
Stelle [9]. Bei beatmeten Patienten stellt
sie eine schwere, oft sogar lebensbedrohliche Infektion dar und kann zu einer wesentlichen Verlängerung des stationären
Aufenthaltes führen [4, 7, 16, 19, 22].Andere ebenfalls meist lebensbedrohliche
Pneumonien treten hauptsächlich bei
schwer abwehrgeschwächten Patienten
auf und werden an anderer Stelle behandelt (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“ und
„Legionellose“).
durch verschiedene Einflussfaktoren verändert, sodass im Nasen-Rachen-Raum
bald Gram-negative Stäbchen und S. aureus
nachweisbar sind und die physiologische
Flora der oberen Atemwege sukzessive verdrängen [4, 7, 16, 19, 22]. Als exogene Erregerreservoire kommen prinzipiell kontaminiertes Beatmungszubehör, kontaminierte
Medikamentenlösungen bei Anwendung
von Verneblern und von Leitungswasser bei
der Befeuchtung der Atemwege, immer
aber auch die Hände des Personals in Frage
(siehe Kapitel B.3 „Beatmung“).
Pathogenese
Pneumonieerreger können die Lunge
prinzipiell folgendermaßen erreichen [4, 7,
16, 19, 22]:
Um eine Pneumonie zu verursachen, müssen potenziell pathogene Keime Voraussetzungen vorfinden, die es ihnen erleichtern, an den Schleimhäuten der Atemwege
zu adhärieren. Daraus kann sich eine Kolonisation entwickeln und im weiteren
Verlauf eine Infektion entstehen, wenn die
Erreger aus dem besiedelten Oropharynx
in die tieferen Atemwege gelangen können und die natürlichen Abwehrfunktionen überwunden werden. Bei schwerkranken beatmeten Patienten können Erreger
aus den tieferen Atemwegen nicht nur
nicht mehr effektiv eliminiert werden, sondern sie können sich darüber hinaus auch
an Stellen lokaler Gewebsschädigung unbeeinflusst von den normalerweise aktiven
lokalen Abwehrfunktionen der Lunge
schützen [4, 7, 19, 22].
Meist kommen die Erreger von Pneumonien bei beatmeten Patienten aus dem endogenen Reservoir des Patienten, das sich jedoch während des stationären Aufenthaltes
■ Aspiration von Oropharyngealsekret
und/oder Magensaft
■ Inhalation bakterienhaltiger Aerosole
■ Hämatogene Aussaat von Erregern aus
einem entfernten Infektionsherd oder
Translokation aus dem Darm
Aspiration
Für die Pathogenese der beatmungsassoziierten Pneumonie hat die (Mikro-)Aspiration von Oropharyngealsekret und Magensaft große Bedeutung. Der Oropharynx mit seiner veränderten Flora und der
Magensaft, insbesondere bei hohem pHWert, können sehr hohe Keimzahlen
Gram-negativer Stäbchen aufweisen. Eine
wichtige Quelle für Pneumonien bei beatmeten Patienten sind ferner die Nasennebenhöhlen, die wahrscheinlich aus dem
Nasen-Rachen-Raum besiedelt werden [5].
Auch die Tubusmanschette stellt keinen
92
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
vollständigen Schutz dar, sodass das bakterienreiche Sekret, das sich regelmäßig
oberhalb der Manschette ansammelt, eine
ständige Quelle für Aspirationen darstellt.
Inhalation von Aerosolen
Bakterienhaltige Aerosole stellen ein besonderes Risiko für die Entstehung von
Pneumonien, nicht nur bei beatmeten Patienten, dar, weil sie aufgrund ihrer geringen
Größe ungehindert bis in die tiefen Atemwege gelangen können und auch nicht
durch die normalen Abwehrfunktionen des
oberen Respirationstraktes aufgehalten
werden können (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [4, 7, 16, 19, 21, 22].
Bei intubierten und beatmeten Patienten
werden diese natürlichen Abwehrfunktionen zusätzlich noch durch den Tubus umgangen. Insofern muss im Rahmen der respiratorischen Therapie bei allen Maßnahmen, die mit einer Aerosolproduktion verbunden sein können, auf die Verwendung
steriler Lösungen (inkl. steriles Aqua dest.
zum Befüllen Wasser führender Geräte)
und auf eine kontaminationsfreie Handhabung geachtet werden.
Risikofaktoren
Einerseits patienteneigene, andererseits
exogene durch die Behandlung und Versorgung der Patienten bedingte Faktoren
bestimmen das Risiko eines Patienten, eine Pneumonie, insbesondere unter Beatmung, zu erwerben. Auf die endogenen
Faktoren kann man naturgemäß nur bedingt Einfluss nehmen, weshalb sich die
Aktivitäten der Infektionsprävention
maßgeblich auf Hygienemaßnahmen im
Umgang mit der Beatmungstherapie konzentrieren. Endogene und exogene Risikofaktoren lassen sich folgendermaßen zusammenfassen [4, 7, 16, 19, 22]:
Endogen
■ Hohes Lebensalter
■ Schwere Grundkrankheit
■ Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
■ Rauchen
■ Trauma
■ Koma bzw. Bewusstseinstrübung
■ Neuromuskuläre Erkrankungen
■ Begleitkrankheiten, wie z.B. Diabetes
mellitus, Alkoholabusus
Hämatogene Entstehung
Exogen
Bei Vorliegen einer Primärinfektion an irgendeiner Körperstelle kann es nach hämatogener Aussaat der Erreger zu einer
Absiedlung in der Lunge und damit zu einer sekundären Pneumonie kommen. Dieser Übertragungsweg spielt – ebenso wie
die Translokation von Erregern aus dem
großen Erregerreservoir des Darmes – bei
der Entstehung nosokomialer Pneumonien zwar nur eine untergeordnete Rolle,
dennoch aber gilt eine frühe enterale Ernährung, die u.a. das Risiko der Translokation reduziert, auch hinsichtlich der Pneumonieprävention als wichtige Maßnahme
[1, 4, 7, 19, 22].
■ Am wichtigsten: Intensivmedizinische
Behandlung mit Intubation und Beatmung
■ Kopf-, Hals-,Thorax-,Abdominal-Operationen
■ Enterale Ernährung durch Kolonisierung des Magens und erhöhtes Aspirationsrisiko, insbesondere bei zu großem
Residualvolumen
■ Kontamination von Beatmungszubehör,
Wasser (bei Verwendung von Leitungswasser, z.B. zum Durchspülen der Magensonde) und Händen des Personals
■ Bronchoskopie mit Loslösung von
Bakterien in Biofilm aus dem Tubus,
Pneumonie
bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit
größerem Restvolumen von Spülflüssigkeit und dadurch bedingter Beeinträchtigung der natürlichen lokalen
Abwehrvorgänge
■ Medikamente, wie z.B. Sedativa, Kortikoide, Immunsuppressiva und Antibiotika
Erregerspektrum
Die häufigsten bakteriellen Erreger nosokomialer Pneumonien sind S. aureus und
Gram-negative Stäbchen, wie Enterobakterien und P. aeruginosa [4, 7, 16, 19, 22].
Häufig werden mehrere Erreger aus dem
Untersuchungsmaterial isoliert, und es ist
schwierig zu entscheiden, welches der Isolate für das klinische Infektionsgeschehen
verantwortlich ist. In der Regel müssen
dann alle prinzipiell klinisch relevanten
Erreger ursächlich in Betracht gezogen
und bei der Therapie berücksichtigt werden.
Beim Nachweis bestimmter Keime kann
man aber immer eine Kolonisierung der
Atemwege bzw. eine Kontamination von
tiefem respiratorischem Sekret durch Keime aus dem oberen Respirationstrakt annehmen. Folgende Keime sollen nicht in
die therapeutischen Überlegungen einbezogen werden:
■ Koagulase-negative Staphylokokken
(KNS)
■ Enterokokken (außer bei Nachweis in
Reinkultur und hoher Keimzahl, d.h.
reichlich bis massenhaft)
■ Candida-Spezies, meist C. albicans
Sie sind insbesondere bei beatmeten Patienten und bei Patienten unter Breitspektrum-Antibiotikatherapie sehr häufig in
Mischkultur nachweisbar, haben aber nur
extrem selten klinische Bedeutung. Beispielsweise finden sich in der Weltliteratur
93
nur wenige Einzelfälle dokumentierter
Enterokokken-Pneumonien [3]. CandidaPneumonien kommen zwar vor, sind aber
sehr selten (<1%) [7].
Bei der Pneumonie unter Beatmung wird
häufig eine Früh- und eine Spätform unterschieden, die sich durch ein unterschiedliches Erregerspektrum auszeichnen [4, 7,
16, 19, 22]:
Früh-Pneumonie
■ Auftreten innerhalb der ersten vier Tage nach stationärer Aufnahme
■ Das Erregerspektrum umfasst Keime,
die bei gesunden Normalpersonen im
Nasen-Rachen-Raum vorkommen können, wie z.B. Pneumokokken und Haemophilus influenzae.
Spät-Pneumonie
■ Auftreten >4 Tage nach Beginn der Beatmung
■ Das Erregerspektrum setzt sich vorwiegend aus typischen nosokomialen
Erregern zusammen, wie vor allem S.
aureus (20–40%), P. aeruginosa, Acinetobacter spp., Enterobacter spp. und andere Gram-negative Stäbchen (ca.
60%)
Neben den erwähnten typischen bakteriellen Erregern nosokomialer Pneumonien
kommen Viren (z.B. Influenza, RSV) und
vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten auch Aspergillen und Legionellen vor
(siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“ und Legionellose“).
Diagnostik
Einen sog. Gold-Standard für die Diagnose einer Pneumonie gibt es nicht. In der
Regel sind es klinische Symptome (z.B.
Fieber, Krankheitsgefühl, Dyspnoe, pro-
94
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
duktiver Husten, Tachypnoe, Tachykardie,
Unruhe, Koma, Hypotonie, Schock), radiologische Zeichen (lokalisierte oder diffuse
Verschattung, Pleuritis, Pleuraexsudat,
Abszessformation), Laborparameter (Leukozytenzahl im Blut, Differenzialblutbild,
Blutgase) sowie mikrobiologische Kriterien, auf denen in der Praxis die Diagnose einer Pneumonie basiert [4, 7, 16, 19, 22]:
Eine adäquate Sputum- bzw. Trachealsekretprobe kann nützliche diagnostische Informationen liefern (siehe Kapitel D „Abnahme und Transport von Material für
mikrobiologische Untersuchungen“). Die
mikrobiologische Diagnostik wird beeinträchtigt durch vorherige Antibiotikagaben. Findet sich lediglich Wachstum von
normaler Flora der oberen Atemwege bei
Mischflora im Gram-Präparat, müssen
auch Anaerobier in Betracht gezogen und
bei der Antibiotikaauswahl berücksichtigt
werden (siehe Kapitel E.4 „Empirische
Therapie“).
Quantitative Ergebnisse mit bronchoskopisch oder durch BAL gewonnenem Untersuchungsmaterial haben eine höhere
Spezifität als Sputum bzw. Trachealsekret;
aussagefähig sind sie aber nur bei optimaler Technik, und sowohl falsch-negative
wie falsch-positive Befunde sind möglich.
Neben den invasiven bronchoskopischen
Verfahren werden alternativ auch nicht-invasive („blinde“) Techniken angewendet.
Bei ebenfalls quantitativer Auswertung
sind sie einfacher und kostengünstiger
durchzuführen und liefern ähnlich gute
Ergebnisse wie die invasiven Verfahren.
Von den CDC wurden Definitionen für
nosokomiale Infektionen erarbeitet, die
weltweit bei Surveillance-Projekten verwendet werden (siehe Kapitel C.3 „CDCDefinitionen der häufigsten nosokomialen Infektionen“) [11]. Bei klinisch-wissenschaftlichen Untersuchungen wird
meist eine modifizierte CDC-Definition
für die beatmungsassoziierte Pneumonie
verwendet, die folgende Kriterien berücksichtigt [5]: ein neues oder progressives Infiltrat im Röntgenbild, das seit mindestens
48 Stunden vorhanden ist, plus mindestens
zwei der folgenden Zeichen: Fieber
>38,5 °C oder <35,0 °C, Leukozytenzahl im
Blut >10 000/µl oder <5000/µl, eitriges
Sputum oder Isolierung potenziell pathogener Bakterien aus dem Trachealsekret.
Alternativ wird auch ein Score verwendet,
in den ebenfalls klinische und mikrobiologische Kriterien eingehen (CPIS = clinical
pulmonary infection score) [5].Wichtig für
den Verlauf bei Pneumonie unter Beatmung ist eine frühzeitige adäquate Antibiotikatherapie, die häufig auf empirischer Basis gewählt werden muss, wenn
noch keine mikrobiologischen Befunde
vorliegen [10, 14]. Das bedeutet, dass mit
einer Breitspektrum-Antibiotikatherapie
begonnen werden muss, die nach Erhalt
der mikrobiologischen Ergebnisse an das
ermittelte Erregerspektrum angepasst
werden soll.
Prävention
Bei der Prävention von Pneumonien unter
Beatmung müssen Maßnahmen im Vordergrund stehen, die sich an den relevanten Erregerreservoiren orientieren und
darauf abzielen, die Zugangswege für Erreger zur Lunge zu unterbrechen [4, 7, 12,
15, 16, 19, 22]:
Nicht-invasive Beatmung
Nicht-invasive Methoden der Beatmung
haben offensichtliche Vorteile gegenüber
der Beatmung über eine endotracheale Intubation. Verschiedene Untersuchungen
konnten zeigen, dass sich damit das Pneumonierisiko deutlich reduzieren lässt [2,
13].
Pneumonie
Einfluss auf die Kolonisierung
von Oropharynx und Magen
Um die Kolonisierung von Oropharynx
und Magen mit potenziell pathogenen Erregern zu verhindern, wurde längere Zeit
die Anwendung der selektiven Dekontamination mit topischen Antibiotika (SDD)
bei beatmeten Intensivpatienten in den
Vordergrund gestellt. Systematische Auswertungen der großen Plazebo-kontrollierten Studien zeigten zwar Vorteile von
SDD für bestimmte Patientengruppen
(z.B. Traumapatienten), bei denen die
Pneumonieraten reduziert werden konnten; die Mortalität blieb jedoch unbeeinflusst [6, 20]. Ihr wesentlicher Nachteil ist
das Risiko der Resistenzentwicklung
und/oder der Selektion primär resistenter
oder nur mäßig empfindlicher Erreger.
Ebenso wie SDD stand auch die Stressulkusprophylaxe eine Zeit lang im Zentrum
der Diskussion [7]. Es gibt aber keine sicheren Hinweise darauf, dass Sucralfat im
Gegensatz zu H2-Blockern das Pneumonierisiko senkt.
Verhinderung der Aspiration
Die Patienten sollen möglichst mit leicht
angehobenem Oberkörper (30–40°) gelagert werden [8, 19]. Bei enteraler Ernährung ist unklar, ob eine kontinuierliche
oder eine intermittierende Nahrungsgabe
bevorzugt werden soll [1].
Geräte für Diagnostik und Therapie
im Bereich der Atemwege
Lungenfunktionsgerät
Es gibt nur wenige Untersuchungen, die
die Kontamination von Spirometern untersucht haben und zu unterschiedlichen
Ergebnissen kommen. Eine Kontamination im Inneren des Gerätes findet nicht
(oder nur äußerst selten) statt [21]. Unsi-
95
cherheit entsteht immer dann, wenn ein
Patient mit einer Tuberkulose der Atemwege untersucht worden ist. Gewöhnlich
ist zwar bei der Untersuchung nur Ausatmen erforderlich. Um ein versehentliches
Einatmen am Gerät zu verhindern, kann
ein Ventil zwischengeschaltet werden, welches das Einatmen unmöglich macht.
Folgende Maßnahmen sind erforderlich,
um das Lungenfunktionsgerät korrekt aufzubereiten:
Sieb:
Täglich reinigen, trocknen und autoklavieren
Plastikbeutel: Einmal wöchentlich erneuern
Schwamm:
Täglich reinigen und autoklavieren, angebrochene Aqua dest.-Flaschen
nach 24 h verwerfen
Plastikplatte:
Täglich mit z.B. 80%igem
Alkohol abwischen
Gummimuffe: Täglich mit z.B. 80%igem
Alkohol abwischen
Krümmer:
Nach jedem Patienten
wechseln, reinigen, trocknen und thermisch desinfizieren oder autoklavieren
Mundstück:
Nach jedem Patienten
wechseln, reinigen, trocknen und thermisch desinfizieren oder autoklavieren
Nasenklemme: Nach jedem Patienten
wechseln, thermisch desinfizieren oder mit z.B.
80%igem Alkohol abwischen
Therapievernebler
■ Gerät nach jedem Gebrauch aufbereiten
■ Mundstück vom Vernebleroberteil abziehen
96
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Maske und Oberteil abschrauben
■ Mundstück, Maske und Oberteil unter
fließendem Wasser abspülen
■ Düsen durch Vernebeln von Wasser
(mehrmals Intervallhebel betätigen)
reinigen
■ Verbindungsschlauch
mit Wasser
durchspülen
■ Bei Verwendung öliger Medikamente
Reinigung mit Zusatz von Spülmittel
oder Instrumentenreiniger, anschließend alle Teile gründlich mit Wasser abspülen
■ Alle Teile thermisch desinfizieren, anschließend trocknen, zusammensetzen
und staubfrei aufbewahren
■ Einmal jährlich Filterwechsel erforderlich
Ultraschallvernebler
■ Verneblerkammer, Nebelschlauch und
Gebläseschlauch: täglich thermodesinfizieren oder autoklavieren
■ Wasserflasche mit Schläuchen: bei Bedarf wechseln, mindestens einmal täglich
■ Vernebler, Trägerarme, Standrohr und
Fünffuß, Schalter: einmal täglich mit
umweltfreundlichem Reiniger abwischen
Sauerstoff-Befeuchter
■ Steriles Aqua dest. In den Behälter füllen
■ Wasserbehälter und Gasverteiler bei
Anwendung mit Wasser alle 48 Stunden, ohne Wasser einmal wöchentlich wechseln: thermisch desinfizieren
oder autoklavieren, Einzelteile anschließend staubfrei und trocken lagern
■ Flowmeter mit z.B. 80%igem Alkohol
abwischen (kann nicht thermisch desinfiziert oder autoklaviert werden)
■ Schläuche im Aufwachraum nach jedem Patienten, sonst alle 48 Stunden
wechseln und thermisch desinfizieren
(Heim-)Inhalationsgeräte
■ Nicht immunsupprimierte Patienten:
Mundstücke und Vernebleroberteil mit
Medikamentenbecher einmal täglich
wechseln, wenn nur bei einem Patienten in Gebrauch, thermisch desinfizieren, so weit thermostabil
■ Mukoviszidose- und immunsupprimierte Patienten: Mundstücke nach jeder Anwendung wechseln, Vernebleroberteil und Medikamentenbecher einmal täglich wechseln, thermisch desinfizieren
Weitere Maßnahmen
Förderung der Lungenfunktion: Präoperatives Atemtraining und postoperative Physiotherapie etc., wirkungsvolle postoperative Schmerzbekämpfung, um einer
schmerzbedingten Behinderung der Atmung vorzubeugen
Lagewechsel: Betten, die einen regelmäßigen langsamen Lagewechsel des Patienten
um seine Längsachse erzeugen (sog. kinetische Betten) sind in ihrer Effektivität
nicht belegt.
Frühe enterale Ernährung: Prävention der
Translokation von Mikroorganismen und
Endotoxin aus dem Darm durch Erhaltung
der Schutzfunktion der Darmschleimhaut
und dadurch Prävention von entzündlichen
und infektiösen Komplikationen
Pneumokokken-Impfung: Gefährdete Patientengruppen gegen Pneumokokken zu
impfen, hat nur indirekt mit der Prävention nosokomialer Infektionen zu tun. In
folgenden Situationen kann ein Krankenhausaufenthalt für eine PneumokokkenImpfung genutzt werden [17, 18]:
Pneumonie
■ Alter ≥ 65 Jahre
■ Chronische kardiovaskuläre oder pulmonale Erkrankungen
■ Diabetes mellitus
■ Alkoholismus
■ Leberzirrhose
■ Liquorfistel
■ Immunsuppression
■ Funktionelle oder anatomische Asplenie
■ HIV-Infektion
Für diese Patienten kann eine Pneumokokken-Infektion lebensbedrohlich sein,
und sie führt in aller Regel zu einer stationären Aufnahme, häufig auf einer Intensivstation mit dem damit verbundenen erhöhten Risiko, zusätzlich nosokomiale Infektionen zu erwerben.
Die speziellen Hygienemaßnahmen bei
Beatmung sind in Kapitel B.3 „Invasive
Maßnahmen“ zusammengefasst. Hinweise
für die mikrobiologische Diagnostik bei
Verdacht auf Pneumonie finden sich in Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von
Material für mikrobiologische Untersuchungen“.
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Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
B
99
4. Die vier häufigsten Infektionen
– Postoperative Infektionen im
Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
Postoperative Infektionen im Operationsgebiet (früher „Wundinfektionen“) gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen (an zweiter Stelle nach Harnwegsinfektionen) und sind nicht selten mit einer relevanten Morbidität und dadurch einem erheblich verlängerten Krankenhausaufenthalt verbunden [6, 8, 21, 27, 28, 37].
Die Infektionsraten sind aber in den verschiedenen operativen Fachgebieten sehr
unterschiedlich, z.B. sehr niedrig in der
Ophthalmologie und Zahnmedizin und
wesentlich höher in der Abdominal- und
Herzchirurgie. Entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation werden sie eingeteilt
in [15]
1) oberflächliche Infektionen im Bereich
der Inzision,
2) tiefe Infektionen im Bereich der Inzision und
3) Infektionen im eigentlichen Operationsgebiet (z.B. Organ/Körperhöhle).
Zu dieser Einteilung passt der Begriff der
„Wundinfektion“ nicht mehr; denn die
Wunde ist für den Chirurgen an sich nur
die Inzision, nicht aber das darunter liegende Operationsgebiet. Deshalb wurde
von den CDC im Anschluss an die 1988
publizierten Definitionen für „chirurgische Wundinfektionen“ [11] einige Jahre
später eine Modifikation vorgestellt, in der
die umfassendere, wenn auch etwas umständliche Bezeichnung „postoperative Infektion im Operationsgebiet“ eingeführt
wurde [15]. Für Surveillancezwecke werden meist diese Definitionen der CDC verwendet, die in Kapitel C.3 wiedergegeben
sind. Für ausführliche Hinweis zur Surveillance wird auf Kapitel C.4 „Surveillance
der häufigsten nosokomialen Infektionen“
verwiesen.
Pathogenese
Notwendige Voraussetzung für die Entstehung postoperativer Infektionen im Operationsgebiet ist eine bakterielle Kontamination des Operationsgebietes. Darüber
hinaus aber ist entscheidend, inwieweit es
zu einem Missverhältnis zwischen den natürlichen lokalen und systemischen Abwehrfunktionen auf der einen Seite und
dem Erreger und seiner sei es durch Keimzahl oder Virulenz gegebenen Pathogenität zu Ungunsten des Patienten kommt.
Dieses normalerweise gültige Prinzip der
Pathogenese wird bei Vorhandensein von
Fremdkörpern in der Weise modifiziert,
dass zum einen wesentlich geringere
Keimzahlen üblicher Infektionserreger
ausreichen, um eine Infektion zu erzeugen
[7], zum anderen aber insbesondere im Zusammenhang mit großen Fremdkörpern,
wie Gelenkimplantaten, auch Keime zu Infektionen führen können, deren natürliche
Virulenz eher gering ist und die deshalb
früher als apathogen eingestuft wurden
(siehe Kapitel A.1 Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“) [26, 29].
Die meisten postoperativen Infektionen
im Operationsgebiet bei primärem Wundverschluss werden während des Eingriffs
erworben, weil in dieser Phase das Kontaminationsrisiko der Wunde – ob aus endogenem oder exogenem Reservoir – am
100
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
größten ist, denn eine primär verschlossene Wunde ohne Drainage gilt nach 24
Stunden als verschlossen und nicht mehr
kontaminationsgefährdet [6, 21, 27, 28, 37].
Die endogene Patientenflora spielt bei
weitem die größte Rolle, z.B. ist es bei
Darm-Operationen die typische Mischflora aus Gram-negativen Enterobakteriazeen, Enterokokken und Gram-negativen
Anaerobiern [6, 21, 27, 28, 37].
Wie häufig eine hämatogene oder lymphogene Streuung eines potenziell pathogenen Erregers und dessen Absiedlung im
Operationsgebiet als einem locus minoris
resistentiae (intra- oder postoperativ) von
Bedeutung ist, ist weitgehend unbekannt,
wird aber als relativ gering eingeschätzt [6,
21, 27, 28, 37]. Da aber zum Zeitpunkt der
Operation an einer anderen Körperstelle
vorhandene Infektionen das postoperative
Infektionsrisiko erhöhen, muss dieser Weg
der Infektionsentstehung bei den Überlegungen über die möglichen Ursachen auch
in Betracht gezogen werden.
Die nasale Besiedlung mit S. aureus erhöht
ebenfalls das postoperative Risiko, eine S.
aureus-Infektion zu erwerben [2, 3, 19, 22,
35]. Dabei kann ebenfalls eine hämatogene
Streuung in Betracht gezogen werden, und
die Hypothese ist, dass es im Rahmen von
Intubationsnarkosen bei Patienten, die
auch pharyngeal besiedelt sind, durch die
erforderlichen Manipulationen an der
Schleimhaut bei In- und Extubation zu einer Einschwemmung von S. aureus in die
Blutbahn kommen und anschließend intraoder postoperativ eine Absiedlung im Operationsgebiet stattfinden kann [22]. Ferner
gilt die Nase als das hauptsächliche Reservoir des Menschen für S. aureus, und von
dort, so ist die Auffassung, wird der restliche Körper besiedelt (siehe Kapitel B.10
„MRSA“) [2, 3, 19, 22]. Somit kommt bei
nasal besiedelten Personen als Erregerre-
servoir für postoperative S. aureus-Infektionen auch die Haut in Frage, die man
zwar präoperativ gründlich desinfiziert,
womit man aber nicht notwendigerweise
alle dort, insbesondere in tieferen Schichten, vorhandenen Hautkeime erreichen
kann (siehe unten „Erregerreservoire“).
Als exogenes Erregerreservoir kommt das
Operationspersonal und insbesondere das
unmittelbar am Operationssitus stehende
Operationsteam in Betracht. Von diesen
Personen freigesetzte Keime können das
Operationsgebiet erreichen, sei es in Form
von Hautschuppen aus dem Kopf-HalsBereich, sei es durch Tröpfchen aus dem
Nasen-Rachen-Raum, die trotz Masken in
die Umgebung gelangen können. Letzterem misst man aber heute bei der Entstehung endemischer Infektionen keine große Bedeutung mehr zu. Bei Ausbrüchen,
also epidemisch auftretenden postoperativen Infektionen, muss man dagegen dieses
Reservoir in Betracht ziehen, wenngleich
andere Körperstellen des Operationspersonals wahrscheinlich von größerer Bedeutung sind als der Nasen-Rachen-Raum
(siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [23].
Exogene postoperative Erregerübertragungen sind selten; eine Voraussetzung dafür ist ein Zugangsweg für die Erreger.
Dieser kann z.B. durch kleine Dehiszenzen
einer sonst primär heilenden Wunde oder
durch Drainagen gegeben sein. Operationswunden, die bis zu einem sekundären
Wundverschluss offen bleiben, sowie Drainagen für postoperative Spülungen des
Operationsgebietes stellen dagegen eine
wahrscheinliche Eintrittspforte für Erreger dar, weshalb besondere Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit diesen Wunden
erforderlich sind, um eine Kontamination,
z.B. mit Leitungswasser, zu verhindern [6,
21, 27, 28, 37].
Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
Die Luft spielt bei den meisten operativen
Eingriffen als Erregerreservoir keine wesentliche Rolle, und selbst bei orthopädischen Implantationsoperationen kann sie
nicht als Haupterregerreservoir betrachtet
werden. Die Bedeutung von raumlufttechnischen (RLT-)Anlagen in der Operationsabteilung wird in Kapitel B.8 behandelt.
Kontaminationsklassen
operativer Eingriffe
In der anglo-amerikanischen Literatur
werden seit Anfang der 1960er Jahre je
nach Art des Eingriffs verschiedene Kontaminationsklassen operativer Eingriffe
unterschieden, die lange Zeit hauptsächlich zur Stratifizierung der Patienten in
Gruppen mit unterschiedlichem postoperativen Infektionsrisiko verwendet wurden [6, 21, 27, 28, 37]. Heute wird meist eine differenziertere Stratifizierung unter
Einbeziehung weiterer Faktoren mit Hilfe
eines Risiko-Scores angewendet [5], in den
neben den klassischen Kontaminationsklassen auch noch andere Parameter einfließen (siehe unten „Risikofaktoren“ und
Kapitel C.4 „Surveillance der häufigsten
nosokomialen Infektionen“). Die klassischen vier Kontaminationsklassen sind folgendermaßen definiert:
Sauberer (= aseptischer) Eingriff
■ Keine physiologische mikrobielle Besiedlung und keine Entzündung oder
Infektion im Operationsgebiet, weder
Respirations- noch Gastrointestinaloder Urogenitaltrakt eröffnet
■ Primärer Wundverschluss und, falls erforderlich, geschlossene Drainagen
■ Keine Kontamination des Operationsgebietes durch ortsständige Flora oder
Infektion (z.B. Schilddrüsen-, Herz-,
Gelenk-Operation), auch Eingriffe
nach stumpfem Trauma
101
Sauber-kontaminierter
(= bedingt aseptischer) Eingriff
■ Operationsgebiet mit physiologischer
mikrobieller Besiedlung, Eröffnung
des Respirations-, Gastrointestinaloder Urogenitaltraktes unter kontrollierten Bedingungen ohne ungewöhnliche Kontamination
■ Kontamination des Operationsgebietes
mit wenig virulenter Flora in mäßiger
Keimzahl (z.B. Oropharynx-, Gallenwegs-, Vaginal-Operation)
Kontaminierter Eingriff
■ Größerer Bruch in der aseptischen
Technik, deutlicher Austritt von Darminhalt, Vorliegen einer akuten, aber
nicht eitrigen Entzündung im Operationsgebiet oder offene, frische Verletzungswunde
■ Erhebliche Kontamination des Operationsgebietes durch endogene Standortflora oder exogene Erreger (z.B.
Dickdarm-Operation, Operation bei
frischer Unfallwunde), Eingriffe mit
Eröffnung des Urogenitaltraktes bei
kolonisiertem Urin oder mit Eröffnung
der Gallenwege bei kolonisierter Gallenflüssigkeiten
Schmutziger oder infizierter
(= septischer) Eingriff
■ Eitrige Infektion im Operationsgebiet,
Perforation im Gastrointestinaltrakt
oder ältere Verletzungswunde mit devitalisiertem Gewebe
■ Massive Kontamination des Operationsgebietes durch endogene Standortflora oder exogene Erreger (z.B. Operation nach Darmperforation, bei eitriger Cholecystitis, Operation bei älterer
Verletzungswunde)
102
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Minimal-invasive Chirurgie
Für die moderenen Verfahren der endoskopischen Operationen haben die gleichen pathogenetischen Prinzipien Bedeutung wie für konventionelle Operationen.
Das Kontaminationsrisiko des Operationsgebietes ist bei den endoskopischen
Verfahren theoretisch geringer; dennoch
sind die gleichen Vorsichtsmaßnahmen
wichtig, damit potenziell pathogene Keime
keinen Zugang zum Operationsgebiet finden (siehe Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). In dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung sind die wiederverwendbaren endoskopischen Instrumente, die vollständig zerlegbar sein müssen, damit nicht
nur alle äußeren, sondern auch alle inneren Oberflächen vollkommen rückstandsfrei gereinigt werden können. Dies ist die
unabdingbare Vorausetzung für jede Form
anschließender Sterilisation (siehe Kapitel
B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).
Zum Beispiel sind diese Überlegungen im
Zusammenhang mit den neuen minimalinvasiven Roboter-Techniken wichtig, um
nicht mit hervorragenden technischen
Entwicklungen prinzipiell immer sicherere
operative Eingriffe durchführen zu können, sondern gleichzeitig die jedem wiederverwendbaren Gegenstand immanente
Gefahr der Kontamination nicht nur mit
Bakterien, sondern auch mit Viren, und
hier insbesondere den mit Blut übertragbaren Viren (HBV, HCV, HIV), zu berücksichtigen. Meist handelt es sich bei diesem
Spezialzubehör um sehr teure Instrumente, und die Hersteller derartiger Instrumente zum mehrfachen Gebrauch müssen
suffiziente Aufbereitungsempfehlungen
formulieren. Eine Aufbereitung endoskopischer Instrumente mit Lumen – insbesondere mit langen, engen Lumina – ist jedoch nur möglich, wenn diese sicher gerei-
nigt werden können, und dies ist nur zu erreichen, wenn man das Instrument auseinander nehmen kann. Darauf müssen
Chirurgen achten, wenn sie sich zum Kauf
von Instrumenten für minimal-invasive
Eingriffe entschließen. Am besten wäre,
wenn sie sich schon zuvor mit einem Krankenhaushygieniker in Verbindung setzen
würden, um zu erfahren, ob eine sichere
Aufbereitung überhaupt möglich ist.
Risikofaktoren
Die Anwendung der Kontaminationsklassen für die Einordnung operativer Eingriffe in Risikogruppen ist zu ungenau, weil
auch andere Faktoren als das Ausmaß der
Kontamination, insbesondere das endogene Risiko des Patienten, wesentlichen Einfluss auf das postoperative Infektionsrisiko haben. Der Risiko-Index der CDC berücksichtigt sowohl endogene als auch
exogene Risikofaktoren und ist einfach
anzuwenden [5].
Der Score kann 0 bis maximal 3 Punkte haben und gibt die Anzahl an Risikofaktoren
wieder. Er wird ermittelt aus
■ dem ASA-Score [20] (3, 4 oder 5 = 1
Punkt),
■ den klassischen Kontaminationsklassen (kontaminiert bzw. septisch = 1
Punkt) und
■ der Operationsdauer (länger als „T“
Stunden, wobei „T“ von der Art des
Eingriffs abhängt und die Zeit ist, nach
der 75% dieser Eingriffe beendet sind;
z.B. Hysterektomie 2 Stunden, KolonOperation 3 Stunden, koronare Bypass-Operation 5 Stunden, = 1 Punkt)
Dieser Risiko-Index lässt eine Aussage
über das zu erwartende postoperative Infektionsrisiko zu und ermöglicht durch die
Stratifikation in vier verschiedene Risikogruppen den Vergleich der Daten zwischen
Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
den Operateuren einer Klinik sowie mit
anderen Abteilungen und Krankenhäusern (siehe dazu Kapitel C.4 „Surveillance
der häufigsten nosokomialen Infektionen“).
Weitere Faktoren, deren Einfluss auf das
postoperative Infektionsrisiko belegt ist
und die entsprechend berücksichtigt werden können, sind die Körpertemperatur
des Patienten während der Operation (erhöhtes Risiko bei Hypothermie) [25], die
Sauerstoffzufuhr (reduziertes Risiko bei
zusätzlicher Gabe von Sauerstoff) [12] sowie die Gabe von allogenen Bluttransfusionen (erhöhtes Risiko, wenn Leukozyten
nicht weitgehend durch Filtration entfernt
sind) [17, 18, 32]. Das postoperative Infektionsrisiko ist ebenfalls erhöht bei Vorliegen einer Infektion an einer anderen Körperstelle, weshalb bei elektiven Eingriffen
ggf. vorhandene Infektionen erst therapiert werden sollen [34].
Generell kann man die Risikofaktoren unterteilen in endogene und exogene Faktoren, wobei definitive, wahrscheinliche,
mögliche und unwahrscheinliche Faktoren
unterschieden wurden [21]:
Endogene Riskofaktoren
Definitiv
■ Höheres Lebensalter: Reduzierte Abwehrfunktionen
■ Krankhaftes Übergewicht: Infektionen
im Bereich der Inzision durch reduzierte Durchblutung, größeres Wundgebiet, größere operationstechnische
Schwierigkeiten im Umgang mit dem
adipösen Gewebe
■ Begleitkrankheiten: Mehrere schwere
Krankheiten
■ ASA-Score: Einschätzung des präoperativen Zustands des Patienten (siehe
oben)
103
■ Nasale Besiedlung mit S. aureus (siehe
oben „Pathogenese“ und unten „Erregerreservoire: Patient“)
■ Infektionen an einer anderen Körperstelle (siehe unten „Erregerreservoire:
Patient“)
■ Dauer des präoperativen Aufenthaltes: Je
länger, um so schwerer die Erkrankungen und um so größer die Möglichkeit
der Besiedlung mit potenziell pathogenen, auch multiresistenten Erregern
Wahrscheinlich
■ Unterernährung und niedriges SerumAlbumin: Ursache möglicherweise die
Beeinträchtigung von Abwehrfunktionen
■ Diabetes mellitus: Hinweise insbesondere bei Insulin-abhängigem Diabetes
mellitus, Beeinträchtigung der Abwehrfunktionen und erhöhtes generelles Infektionsrisiko bei Diabetikern bekannt, insbesondere erhöhtes Risiko
für S. aureus-Infektionen
Möglich
■ Maligne Erkrankung: Nicht gut belegt,
aber plausibel, weil nicht selten dadurch Beeinträchtigung immunologischer Funktionen
■ Immunsuppressive Therapie: Wenig
Daten, widersprüchliche Ergebnisse,
theoretisch ebenfalls plausibel
Unwahrscheinlich
■ Geschlecht: In den meisten Untersuchungen keine Korrelation mit dem
Geschlecht des Patienten
Exogene Risikofaktoren
Definitiv
■ Präoperative Haarentfernung: Insbesondere bei Haarentfernung durch
104
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
konventionelles Rasieren und am
Abend vor der Operation, geringstes
Risiko bei Verwendung von Haarentfernungscreme oder vollkommenem
Verzicht auf Haarentfernung
■ Art des Eingriffs: Kontaminationsklassen (siehe oben), spezielle Operationstechniken bei einzelnen Eingriffen
(z.B. erhöhtes Sternuminfektionsrisiko
bei koronarer Bypass-Operation unter
Verwendung der A. mammaria interna,
möglicherweise wegen daraus resultierender schlechterer Sternumdurchblutung)
■ Antibiotikaprophylaxe:Verzicht auf perioperative Antibiotikagabe bei Hochrisiko-Eingriffen (nicht nur kontaminierte und septische Eingriffe, sondern
auch aseptische mit hohen Infektionsraten)
■ Dauer der Operation: Einer der drei
Faktoren des CDC-Risiko-Index (siehe
oben); Expositionsrisiko höher, Möglichkeit der Gewebetraumatisierung
größer wegen der länger notwendigen
Manipulationen am Gewebe
Wahrscheinlich
■ Gleichzeitig mehrere Eingriffe: z.B.
Cholecystektomie und Appendektomie; Einfluss auf das Infektionsrisiko
unklar, möglicherweise erhöht wegen
längerer Operationsdauer und/oder
mehrerer Erkrankungen
■ Traumatisierung des Gewebes: Mangelnde Durchblutung, Toträume, nekrotisches Gewebe, Blutungen schaffen Bedingungen, die Erregern günstige Voraussetzungen für Adhäsion und
Vermehrung bieten. Eine schonende
Operationstechnik gehört deshalb zu
den unverzichtbaren Konzepten guter
chirurgischer Praxis.
■ Fremdkörper: In Anwesenheit von
Fremdmaterial können sehr geringe
Keimzahlen zu einer Infektion führen
(siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie
übertragbarer Krankheiten“).
■ Bluttransfusion: Insbesondere bei mehreren Konserven; reduzierte zelluläre
Abwehrfunktionen
Möglich
■ Präoperatives Duschen: Ganzkörperwaschungen mit antiseptischer Seife bewirken zwar eine Reduktion der Hautkeimzahl, aber in keiner Studie konnte
dadurch eine Reduktion der postoperativen Infektionen im Operationsgebiet
beobachtet werden. Insofern ist es lediglich möglich, aber aufgrund der gegebenen Datenlage nicht anzunehmen,
dass präoperatives Waschen des Patienten mit normaler Seife ein erhöhtes Infektionsrisiko zur Folge hat.
■ Notfall-Operationen: Plausibel wegen
notwendigerweise geringerer Beachtung der Regeln der Asepsis unter Notfallbedingungen, auch wegen möglicherweise schwererer Erkrankungen
der Patienten, aber keine sicheren Hinweise auf höheres Infektionsrisiko aus
den spärlich vorhandenen Daten
■ Drainagen: potenziell erhöhtes Kontaminationsrisiko des Operationsgebietes, wenn auch zweifellos positiver Effekt bei der Reduktion von Toträumen
und der Drainage von Blut und Gewebsflüssigkeit; in klinischen Studien
widersprüchliche Ergebnisse, aber nie
geringeres Infektionsrisiko bei Verwendung von Drainagen, deshalb restriktiver Einsatz gerechtfertigt
■ Tageszeit bei der Operation: Keine ausreichenden Daten vorhanden
Unwahrscheinlich
■ Gebrauch von nur einem Messer: Der
Gebrauch von einem Messer für die
Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
Hautinzision und einem weiteren Messer für das tiefer liegende Gewebe ist
nicht mit einer geringeren Infektionsrate assoziiert [10, 14]. Es ist deshalb
unwahrscheinlich, dass der Gebrauch
von nur einem Messer einen Risikofaktor darstellen würde.
Erregerspektrum
In den meisten Fällen werden postoperative Infektionen im Operationsgebiet von
bakteriellen Erregern verursacht, aber
auch Pilze, vor allem C. albicans kommen
vor [6, 8, 21, 27, 28, 37]. Insgesamt am häufigsten sind in allen operativen Fachgebieten Staphylokokken, in erster Linie handelt es sich um S. aureus, aber auch Koagulase-negative Staphylokokken können
postoperative Infektionen verursachen
(z.B. Sternuminfektionen nach Herz-Operation). Abhängig vom Operationsgebiet
spielen auch Enterobakterien, wie E. coli,
ferner Enterokokken und Gram-negative
Anaerobier, vor allem Bacteroides spp., eine Rolle.
Erregerreservoire
Die körpereigene Flora des Patienten
stellt das Haupterregerreservoir dar [6, 21,
27, 28, 37]. Exogene Reservoire, wie die
Körperflora des Operationspersonals oder
Keime aus der unbelebten Umgebung im
Operationssaal, sind sehr viel seltener die
Ursache endemischer postoperativer Infektionen (siehe oben „Pathogenese“). Bei
Ausbrüchen jedoch haben diese exogenen
Reservoire eine große Bedeutung (siehe
dazu auch Kapitel A.2 „Übertragung von
Erregern“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). Im Folgenden sind die in Frage kommenden Erregerreservoire auf Seiten des Patienten, des Personals und der
Umgebung in der Operationsabteilung zusammengestellt [6, 21, 27, 28, 37]:
105
Patient
Auch postoperative Infektionen, die nach
aseptischen Eingriffen entstehen, können
durch Keime aus der Körperflora des Patienten verursacht werden. Beispielsweise
lässt sich die Hautflora auch bei sorgfältiger präoperativer Desinfektion des Operationsfeldes nicht vollständig eliminieren.
Dies gilt besonders für die tieferen Hautschichten. Wird aber die Hautdesinfektion
nicht gründlich genug durchgeführt, oder
hat der Patient z.B. eine chronische Hautkrankheit, wobei die Effektivität der Hautdesinfektion eingeschränkt sein kann, besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen
verursacht durch Hautkeime.
Die Erreger können aber auch von einer
zum Zeitpunkt der Operation bestehenden Infektion an einer vom Ort des operativen Eingriffs entfernt liegenden Körperstelle stammen [34] und von dort wahrscheinlich auf hämatogenem Weg in die
Wunde gelangen, wo sie intra- oder postoperativ als locus minoris resistentiae günstige Bedingungen für Absiedlung und
Wachstums finden. Außerdem gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen nasopharyngealer Besiedlung mit S. aureus
und erhöhtem Risiko für postoperative S.
aureus-Infektionen [2, 3, 19, 22, 35].
Personal
Haut: Durch die ständige Abgabe von abgeschilferten Epithelien, insbesondere bei
körperlicher Bewegung oder durch Reibung der Kleidung an der Haut, stellt die
Haut des Personals in der Operationsabteilung ein potenzielles Erregerreservoir
dar [30]:
■ Hautschuppen sind sehr klein (Durchmesser ca. <20 µm) und deshalb so
leicht, dass sie zu den schwebenden
Partikeln gehören. Da die Haut mikro-
106
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
biell besiedelt ist, werden häufig mit
den Epithelien auch Mikroorganismen
in die Luft freigesetzt.
■ Insofern stammen die meisten Keime
in der Luft eines Operationssaales von
den anwesenden Personen, und die
Luftkeimzahl ist maßgeblich von der
Anzahl und der körperlichen Aktivität
dieser Personen abhängig. Der Patient
kommt diesbezüglich weniger in Betracht, weil er von Tüchern (fast vollständig) bedeckt ruhig auf dem Operationstisch liegt.
■ Das Ausmaß der natürlichen Streuung
von Epithelien hängt u.a. vom Geschlecht ab (Männer > Frauen). Außerdem wird beim Duschen die Lipidschicht der Haut vorübergehend beeinträchtigt, was zwischenzeitlich zu vermehrter Abgabe von Hautschuppen
führt. Daher ist präoperatives Duschen
des Operationsteams, durchgeführt als
„Hygienemaßnahme“ z.B. vor Implantation großer Fremdkörper, nicht zu
empfehlen.
Schleimhaut des Nasopharynx: Die Abgabe
potenziell kontaminierter Tröpfchen aus
dem Nasen-Rachen-Raum wird durch die
chirurgische Maske zwar reduziert, aber
nicht vollständig aufgehoben. So ist aus
verschiedenen Untersuchungen bekannt,
dass die Freisetzung von Nasopharyngealflora des Operationsteams davon abhängig
ist, wie viel gesprochen wird. Dabei kommt
es aber vorwiegend zur Freisetzung großer
respiratorischer Tröpfchen, nicht aber zu
einer Aerosolbildung (siehe Kapitel A.2
„Übertragung von Erregern“), und das bedeutet, dass die Erregerübertragung aus
dem Nasen-Rachen-Raum, wenn sie überhaupt stattfindet, nicht aerogen erfolgt,
sondern durch Sedimentation der Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum des
Operationsteams in den Operationssitus
(siehe oben „Pathogenese“).
Hände: Transiente und residente Flora der
Hände sind wegen der unmittelbaren Nähe der Hände zum Operationssitus als Erregerreservoir zweifellos von großer Bedeutung (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
■ Die präoperative Händedesinfektion
hat deshalb das Ziel, die transiente Flora zu eliminieren und die residente Flora weitgehend zu reduzieren.
■ Durch die sterilen Handschuhe wird
das Kontaminationsrisiko des Operationssitus weiter reduziert.
Haare: Haare haben nicht wie die Haut eine residente Flora, sondern sind, wenn
überhaupt, nur transient kolonisiert [16,
31, 36].
■ Das Haar spielt bei der Streuung von
Mikroorgansimen in die Luft wahrscheinlich keine Rolle.
■ Kopf- (und evtl. Bart-)schutz haben
den Zweck, das Operationsfeld vor herabfallenden Haaren zu schützen, die
Luftkeimzahl wird dadurch jedoch
nicht beeinflusst.
Umgebung
Flächen und Gegenstände: Die sog. unbelebte Umgebung im Operationssaal
kommt als Erregerreservoir für postoperative Infektionen nur in Betracht, wenn Gegenstände, die nicht regelrecht sterilisiert
oder die anschließend rekontaminiert wurden, in direkten oder indirekten Kontakt
mit dem Operationssitus kommen. Flächen in größerer Distanz (z.B.Wände, Fußboden, Geräte) spielen bei der Entstehung
postoperativer Infektionen keine Rolle,
weil eine Aufwirbelung bereits sedimentierter Mikroorganismen unter normalen
Bedingungen einer Operation nicht zustande kommt [1]. Früher wurden nicht selten postoperative Clostridium perfringens-
Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
Infektionen in Zusammenhang mit einer
Kontamination aus der unbelebten Umgebung des Operationssaales interpretiert;
inzwischen ist aber aus epidemiologischen
Untersuchungen hinreichend bekannt,
dass derartige Infektionen nahezu immer
aus dem endogenen Erregerreservoir der
Patienten stammen, wenngleich sie bei früher berichteten Ausbrüchen im Zusammenhang mit extrem kontaminierten RLTAnlagen möglicherweise doch eine exogene Quelle hatten [33].
Luft: Als Erregerreservoir ist die Luft im
Operationssaal außer bei streng aseptischen Eingriffen mit Implantation großer
Fremdkörper wahrscheinlich ohne wesentliche Bedeutung [1, 6, 21, 27, 28, 37].
Bei gut gewarteter RLT-Anlage stammen
die Keime in der Luft eines Operationssaales überwiegend von den dort anwesenden Personen, die mikrobiell beladene
Hautschuppen (meist mit normaler Hautflora, selten mit virulenten Keimen, siehe
unten) an die Umgebung abgeben (siehe
oben „Personal“). Diese Luftkontamination gilt außerhalb der Implantationschirurgie in Anbetracht der normalen endogenen Erregerreservoire des Patienten als
bedeutungslos für die Entstehung postoperativer Infektionen.
In sehr seltenen Fällen können Ausbrüche
postoperativer Infektionen auf eine aerogene Übertragung der ursächlichen Erreger zurückgeführt werden; dabei finden
sich unter dem Operationspersonal Personen, die unbemerkt und trotz Beachtung
der Regeln der Asepsis potenziell pathogene Keime streuen [23]. Einige dieser Personen hatten den Berichten zufolge keinen
Patientenkontakt während der Operation,
und man konnte z.B. durch Aufstellen von
Sedimentationsplatten zeigen, dass diese
Personen die Erreger in die Luft abgaben.
Es gibt jedoch keine Möglichkeit, solche in
107
den meisten Fällen asymptomatischen
Streuer, die oft keine chronische Hautkrankheit haben, rechtzeitig, d.h. präventiv, zu ermitteln (z.B. durch routinemäßige
Personaluntersuchungen).
Solche Ereignisse sind sehr selten. Die
wichtigste Schutzmaßnahme ist, das Erregerspektrum postoperativer Infektionen
wachsam zu beobachten und bei Auftreten
gehäufter Infektionen, insbesondere aber
auch schon bei Auftreten von Einzelfällen
von A-Streptokokken-Infektionen, sofort
aktiv eine Ursachenklärung anzustreben,
um die Entwicklung eines Ausbruchs möglichst früh zu erkennen.
Verbandswechsel
Bei primär heilenden Operationswunden
sind Verbandswechsel nicht mehr erforderlich, wenn der am Ende der Operation
gelegte Verband 48 Stunden danach entfernt wird [4]. Manche Patienten möchten
jedoch keine offene Wundbehandlung; ihnen kann man einen Streifen Pflaster über
die Naht kleben.
Jede Wunde jedoch, die, obwohl primär verschlossen, nicht an jeder Stelle primär verheilt, und alle Wunden, die bis zu einem sekundären Verschluss offen gelassen werden,
benötigen einen Verband, um das Wundsekret aufzufangen. Weil bei solchen Wunden
eine exogene Kontamination möglich ist,
müssen die Verbandswechsel unter den üblichen aseptischen Vorsichtsmaßnahmen
durchgeführt werden. Auch jede Spülflüssigkeit muss steril sein, weil Leitungswasser
nicht keimfrei ist, und sog.Wasserbakterien,
z.B. Pseudomonas spp., enthalten kann (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“).
Das in der Chirurgie vielerorts praktizierte
Duschen infizierter Wunden mit Leitungswasser ist mit dem Risiko der sekundären
Kontamination der Wunde verbunden,
108
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
wenngleich der damit erzielte mechanische
Spüleffekt prinzipiell positiv ist, weil Sekretreste und nekrotisches Gewebe auf schonende Art entfernt werden.
Vorgehen
Nach Möglichkeit soll beim Verbandswechsel zu zweit gearbeitet werden, weil
dadurch das aseptische Arbeiten erleichtert wird. Unabhängig davon, ob die Wunden infiziert sind oder nicht, soll der Verbandswagen zum Patienten mitgenommen
werden. Denn man hat im Zimmer des Patienten praktisch nie eine geeignete Ablagefläche zur Verfügung, auf der man z.B.
ein Tablett mit den notwendigen Materialien abstellen kann (wenn das Verbandsmaterial in diesen Fällen nicht ohnehin in
die Kitteltaschen gesteckt und dann letztlich auf dem Patientenbett abgelegt wird).
Erfahrungsgemäß fehlen meist doch irgendwelche Utensilien, die man dann von
draußen hereinholen muss, wofür man die
Handschuhe ausziehen müsste. Diese Improvisation wird alles in allem auf die Patienten eher unprofessionell wirken, und ein
Vorgehen dieser oder ähnlicher Art ist weder praktisch noch mit den Erfordernissen
eines aseptisch durchzuführenden Verbandswechsels zu vereinbaren.
Es macht außerdem keinen Sinn, zwei verschiedene Verbandswagen für aseptische
und septische Wunden vorzuhalten. Wenn
nämlich die Verbände infizierter Wunden
und die bei der Versorgung dieser Wunden
verwendeten Instrumente, Handschuhe
etc. sofort in entsprechende Behälter entsorgt werden, besteht kein Risiko, dass der
Verbandswagen und das darauf gelagerte
Material kontaminiert wird.
Die im Folgenden aufgeführten Maßnahmen bei Vorbereitung und Durchführung
des Verbandswechsels sind wichtig, um
exogene Kontaminationen zu vermeiden.
■ Wenn die Wundflächen groß sind und
damit das Risiko der Kontamination
der Arbeitskleidung besteht, soll der
Arzt, der den Verbandswechsel durchführt, seinen Kittel vorher ablegen und
sich z.B. eine Einmalschürze umbinden.
■ Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe anziehen
■ Verband bis auf die wundabdeckenden
Kompressen entfernen und vorsichtig
in einen gut erreichbaren Abfalleimer
entsorgen
■ Danach die wundabdeckende Kompresse mit steriler Pinzette abnehmen
und ebenfalls ohne Kontamination der
Umgebung sofort entsorgen
■ Handschuhe ausziehen und Händedesinfektion, anschließend mit No-TouchTechnik weiterarbeiten
■ Reinigung der Wunde wie im individuellen Fall erforderlich (z.B. Kompressen mit Kochsalzlösung tränken und
die Umgebung der Wunde sauber wischen)
■ Desinfektion der Wundfläche: Mittel
großzügig auftragen und trocknen lassen
■ Frische Wundauflagen mit sterilen Instrumenten auflegen und geeignet fixieren
■ Abschließend nochmals Händedesinfektion und Dokumentation des Zustands der Wunde im Krankenblatt
Antiseptische Wundbehandlung
Bei der Frage der Notwendigkeit einer antiseptischen Behandlung von Operationswunden gibt es manche Unklarheit. Man
kann folgendes festhalten:
■ Primär heilende Wunden müssen nicht
in regelmäßigen Abständen mit einem
Desinfektionsmittel behandelt werden,
d.h. man entfernt den noch im Operationssaal gelegten Verband, säubert die
Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“)
Wunde ggf. und kann anschließend
noch einmal ein Desinfektionsmittel
auf die Wunde geben. Weitere Verbände sind bei solchen Wunden nicht erforderlich [4] (allenfalls ein Pflasterstreifen, siehe oben); sie müssen aber weiterhin beobachtet und darauf kontrolliert werden, dass die Wundheilung ungestört abläuft und nicht z.B. sekundäre Dehiszenzen entstehen.
■ Sind Drainagen irgendeiner Art vorhanden, ist dagegen an deren Austrittsstelle eine regelmäßige antiseptische
Behandlung sinnvoll, bis nach ihrer
Entfernung die Hautdefekte wieder
verschlossen sind.
■ Nahtmaterial und Hautklammern sollen immer erst nach gründlicher Desinfektion der Naht mit sterilen Instrumenten entfernt werden. Danach soll
die Wunde nochmals desinfiziert und
mit einem Pflaster bedeckt werden.
Wundauflagen bzw. Verbandmaterial
Es hängt vom Zustand der Wunde ab, welche Art Wundauflage oder Wundverband
gewählt werden soll:
■ Geschlossene und trockene Wunden sollen möglichst offen bleiben und ggf. nur
an Stellen größerer mechanischer Beanspruchung (Reibung durch die Kleidung) mit einem sterilen Pflaster zugedeckt werden.
■ Offene Wunden, die mit Granulationsgewebe bedeckt sind, werden mit einer
nicht verklebenden Wundauflage abgedeckt (trockene Kompressen würden
mit der Wundfläche verkleben und die
frischen Epithelschichten beim nächsten Verbandswechsel abreißen)
■ Infizierte und sezernierende Wunden
werden in der exsudativen Heilungsphase mit saugfähigen Wundauflagen
bedeckt und gegen Austrocknen und
109
Auskühlen geschützt. Dafür geeignet
sind gaspermeable Verbände, die semipermeablen hydrokolloidalen Verbände sowie Hydrogel-Verbände
Da nicht jede Wunde primär heilt oder
nicht primär verschlossen werden kann,
müssen Ärzte in der chirurgischen Ausbildung frühzeitig darin unterrichtet werden,
wann ein Wundverband sinnvoll ist und
wie Wundverbände bei offenen und infizierten Wunden sowie in den unterschiedlichen Heilungsphasen sinnvollerweise
durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß
wird darauf nicht immer ausreichender
Wert gelegt, und man kann in der klinischen Praxis wiederholt beobachten, dass
die jüngsten ärztlichen Mitarbeiter die
Verbandsvisite allein durchführen müssen,
ohne dass ihnen offensichtlich zuvor die
notwendige praktische Ausbildung gegeben wurde. Eine Wunde ist aber nur dann
eine einfache Sache, für die man keine
Ausbildung benötigt, wenn sie primär
heilt.Alle anderen Wunden müssen von einem erfahrenen Arzt begleitet werden.
Außerdem eignet sich der Vorgang des
Verbandswechsels sehr gut, um auch postoperativ mit dem Patienten in Kontakt zu
bleiben, indem über den Zustand der Wunde und den Fortgang der Heilung gesprochen wird. Diese Kommunikation hilft den
Patienten sehr, über eine unerwartet lange
Phase der postoperativen Wundheilung
hinwegzukommen. Da der Zustand einer
Operationswunde ein nicht unwesentliches Ergebnis einer Operation ist, gibt die
Beschäftigung mit der Operationswunde
dem Operateur darüber hinaus Gelegenheit, sich mit der eigenen Operationstechnik zu beschäftigen und ggf. über Verbesserungen nachzudenken. Im Sinne einer
ganzheitlichen chirurgischen Behandlung
gehört die Operationswunde zweifellos
mit zu den therapeutischen Aspekten, die
110
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ein Chirurg in der Regel nicht an Mitarbeiter delegieren sollte.
Baulich-technische Maßnahmen zur
Prävention postoperativer Infektionen
Bauliche Konzeption von
Operationsabteilungen
Operationsabteilung werden vom übrigen
Krankenhausbereich durch sog. Schleusen
abgetrennt, um Personal-, Material- und
Gerätewechsel unter Kontrolle zu haben
und auf das Notwendige zu reduzieren und
um eine Abschottung der Operationsabteilung zu bewirken. Eine direkte hygienische Bedeutung haben Schleusen jedoch
nicht. Eine Funktion als Luftschleusen –
also zum Schutz vor einem Austausch der
Luft der Operationsabteilung mit der der
angrenzenden Krankenhausbereiche – ist
nicht von Bedeutung, weil postoperative
Infektionen zum einen nur selten durch eine aerogene Erregerübertragung entstehen und zum anderen dann nur die Luft im
Operationssaal selbst eine Rolle spielen
würde, aber nicht die Luft in der Peripherie der Operationsabteilung. Denn von
dort kann die Luft schon aufgrund der üblichen Schutzdruckhaltung durch die RLTAnlage nicht bis in den Operationssaal
strömen. Außerdem konnte in experimentellen Untersuchungen gezeigt werden,
dass selbst zwischen zwei aneinandergrenzenden Operationssälen kein relevanter
Luftaustausch stattfindet [13].
Operationsabteilungen müssen baulich so
konzipiert sein, dass die verschiedenen Organisationsabläufe störungsfrei möglich
sind [1, 9, 24]. Man kann jedoch mit einer
bestimmten baulichen Konzeption nicht
ein entsprechendes Personalverhalten erzwingen. Bekanntermaßen findet das Personal immer Möglichkeiten, die Wegeführung so zu ändern, wie sie in der täglichen
Routine praktischer ist.
RLT-Anlagen
Moderne RLT-Anlagen in Operationsabteilungen sind so konzipiert, dass keimarme
bis nahezu keimfreie Luft in die Räume geführt wird. In Deutschland wurden sie meist
nach den Vorgaben der DIN 1946/4 geplant.
Nach der DIN-Norm gehören alle Räume
einer Operationsabteilung zur Raumklasse
I (= „Hohe bzw. besonders hohe Anforderungen an die Keimarmut“). Das bedeutet,
dass alle Räume dreistufig gefiltert werden
müssen, d.h. Grobfilter, Feinfilter und endständiger Schwebstofffilter, der 99,97% aller schwebenden Partikel (<5 µm) zurückhält. Dieser hohe lufttechnische Aufwand
ist, wenn überhaupt, nur in den Operationssälen gerechtfertigt, sodass alle anderen
Räume der Operationsabteilung mit zweistufig gefilterter Luft versorgt werden können. Es gibt aber auch neue RLT-Konzepte,
deren Ziel ist, den höchsten Grad der Luftreinheit im Bereich des Operationstisches
zu schaffen und die Bereiche der Operationsabteilung außerhalb des Operationssaales mit einer Klimatisierung auszustatten,
wie sie in anderen Bereichen des Krankenhauses oder außerhalb von Krankenhäusern
in großen Gebäuden üblich ist (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“).
Angaben zu den einzelnen in Operationsabteilungen üblichen Hygienemaßnahmen
finden sich in Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“ und Hinweise zur Diagnostik
von postoperativen Infektionen im Operationsgebiet in Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“.
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Aspergillose
B
113
5. Spezielle Infektionen
– Aspergillose
Vorkommen von Aspergillen
Aspergillen kommen weltweit überall in
der Umwelt vor, haben geringe Anforderungen an die Umgebungsbedingungen
und tolerieren einen breiten Temperaturbereich [5]. Es gibt ca. 200 verschiedene
Spezies dieser Fadenpilze, und sie sind in
der Natur ubiquitär vorhanden, vor allem
in Erde,Wasser, Pflanzenresten, also insbesondere überall dort, wo organisches Material reichlich vorhanden ist, d.h. auch in
Schmutz und Staub [5]. Unter günstigen
Bedingungen können sich Aspergillen
stark vermehren, sodass tausende von Sporen (= Konidien) freigesetzt werden können und die Konzentration in der Luft sehr
hohe Werte annehmen kann.
Aspergillus-Sporen haben einen Durchmesser von 2,5–3,5 µm und sind damit so
klein und leicht, dass sie als Bio-Aerosol
immer in der Luft vorhanden sind (siehe
Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Zeitlebens inhaliert der Mensch
Pilzsporen (auch andere als Aspergillus
spp., z.B. Mucor, Fusarium, Penicillium
spp.), pro Tag durchschnittlich 40 Aspergillus-Sporen, von denen ca. sieben bis in die
Alveolen gelangen [17]. Eine Besiedlung
der Nasennebenhöhlen ist möglich [4].
Humanpathogen ist nur ein kleiner Teil
der Aspergillus spp., und zwar nur die Spezies, die in der Lage sind, im Temperaturbereich des menschlichen Organismus vermehrungsfähig zu bleiben. A. fumigatus
und A. flavus werden meist bei Infektionen
isoliert, während A. niger, A. terreus und
andere Spezies häufiger bei Luftuntersuchungen innerhalb und außerhalb von Ge-
bäuden und sehr viel seltener als Infektionserreger gefunden werden.
Nachweis von Aspergillosen
Die Diagnostik invasiver Aspergillosen ist
schwierig. Der Antigen-Nachweis (Galaktomannan = Zellwandbaustein) im Serum
und verschiedenen Körperflüssigkeiten
(z.B. Urin, BAL) ist trotz positiver Berichte häufig nicht erfolgreich (siehe Kapitel
D.3 „Serologischer Nachweis von Pilzinfektionen“) [16, 18]. Der mikrobiologische
und/oder histologische Nachweis in Gewebeproben ist mit zusätzlichen Risiken bei
der Probengewinnung verbunden und
wird selten versucht. Deshalb muss die Diagnose in der Regel klinisch auf Verdacht
hin gestellt werden, unterstützt von den
Ergebnissen bildgebender Verfahren. Für
die Behandlung von Patienten mit Aspergillose-Verdacht gibt es umfangreiche, detaillierte Empfehlungen, die dem Kliniker
die Entscheidungsfindung für das weitere
Vorgehen im individuellen Fall erleichtern
(siehe Kapitel E.6 „Antimykotika bei nosokomialen Pilzinfektionen“) [18].
Risikofaktoren für invasive Aspergillosen
Aspergillen sind typische opportunistische
Erreger (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie
übertragbarer Krankheiten“). Invasive Aspergillosen treten vorwiegend bei abwehrgeschwächten Patienten auf und sind immer lebensbedrohlich (siehe Kapitel B.6
„Immunsupprimierte Patienten“). Aspergillus-Infektionen sind eine der häufigsten
Ursachen für Pneumonien bei Patienten
nach Knochenmarktransplantation [13,
114
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
20]. Die individuelle Abwehrlage hat den
größten Einfluss auf das Aspergillose-Risiko, wobei Granulozytopenie der wichtigste
Risikofaktor ist; gefährdet sind jedoch alle
Patienten, die immunsuppressiv behandelt
werden oder infolge ihrer Erkrankung immunsupprimiert sind, also auch Patienten
nach Organtransplantation und unter Dauer-Steroidtherapie sowie AIDS-Patienten
[2, 3, 10, 13, 20, 22]. Abhängig vom Ausmaß
der Exposition kann es aber auch bei weniger ausgeprägter Immunsuppression zu einer Aspergillose kommen [6, 10, 13, 14]. Es
können darüber hinaus auch bei anderen
schwerkranken Patienten, die meist nicht
bei den Risikogruppen genannt werden,
z.B. bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose oder Diabetes mellitus, invasive Aspergillosen beobachtet werden.
Nosokomiale Aspergillosen können ihre
Ursache aber auch in einer endogenen Besiedlung haben, die schon bei Krankenhausaufnahme vorhanden war, z.B. im Bereich der Nasennebenhöhlen [15]. Eine
Besiedlung kann ferner durch Kontakt mit
natürlicherweise kontaminierten Nahrungsmitteln, wie z.B. Früchten und Gewürzen, entstehen.
Übertragung
Luftkeimzahl und Bautätigkeit
Exogene und endogene Erregerreservoire
Im Zusammenhang mit Bautätigkeit wurden häufig höhere Luftkeimzahlen und eine
erhöhte Inzidenz von Aspergillosen beschrieben (siehe oben). Es gibt aber auch
Untersuchungen, die zeigen, dass Baumaßnahmen mit Mauerabbruch nicht unbedingt
zu einer erhöhten Zahl von AspergillusSporen in der Luft führen müssen [4, 12].
Es gibt keine sichere Assoziation zwischen
dem Sporengehalt der Luft und der Inzidenz von Aspergillosen, denn auch bei
niedriger Anzahl von Pilzsporen in der
Luft kommen Infektionen vor [4, 10]. Bei
Ausbrüchen nosokomialer Aspergillus-Infektionen ist eine exogene Quelle wahrscheinlich. Ausbrüche wurden meist im
Zusammenhang mit Bautätigkeit (Abriss
alter Bauteile, Erdaushubarbeiten, Arbeiten im Bereich abgehängter Decken und
im Umgang mit Isolierungs- und Feuerschutzmaterial) in der Nähe der erkrankten Patienten beschrieben [1, 2, 7, 9, 10, 13,
14, 20–23]. Wie bei bakteriellen Erregern
werden die modernen molekularbiologischen Typisierungsmethoden auch bei Aspergillus-Ausbrüchen eingesetzt, um die
epidemiologischen Hinweise auf einen
exogenen Zusammenhang zu überprüfen
(siehe Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“) [1, 8, 11, 19].
Luftkeimzahl
In Gebäuden mit natürlicher Belüftung ist
die Zahl von Aspergillus-Sporen ebenso
hoch wie in der Außenluft [10, 13]. Mit
dreistufigen RLT-Anlagen (d.h. Anlagen
mit endständigem Schwebstofffilter) kann
der Sporengehalt wesentlich reduziert
werden (siehe unten und Kapitel B.8
„Raumlufttechnische Anlagen“).
Luftkeimzahl und Kolonisierung
von Patienten
■ A. flavus und A. fumigatus werden wesentlich seltener in der Luft gefunden
als A. niger, sie werden aber vorwiegend von Schleimhäuten isoliert, A. niger dagegen nur selten [17].
■ Nicht die relative Häufigkeit einzelner
Aspergillus spp. in der Luft oder deren
absolute Luftkeimzahl scheint deshalb
entscheidend zu sein, sondern vielmehr
die spezielle Fähigkeit einzelner Spezies
zur Adhäsion an Epithelien und damit
zur Besiedlung von Schleimhäuten [17].
Aspergillose
115
Luftkeimzahlmessungen zur Bestimmung
der Aspergillus-Sporenzahl sind nicht unproblematisch und müssen differenziert
interpretiert werden, um daraus für die
Praxis die geeigneten Konsequenzen zu
ziehen [12]. Folgende Hinweise müssen beachtet werden:
nosokomiale Aspergillosen ist die Untersuchung von z.B. Staub, Lüftungsgittern,
Lüftungsschächten, Deckenhohlräumen,
Küchenbereichen, Vogelkot in der Nähe
von Fenstern sinnvoll, um die Quelle der
Kontamination zu finden.
■ Die Sporenzahl in der Luft zeigt Tagesschwankungen bedingt durch Veränderungen von Temperatur, Feuchtigkeit,
Luftbewegung und Lichteinfluss. Es
müssen deshalb immer mehrere Messungen durchgeführt werden, da einzelne Messungen nicht aussagefähig sein
können.
■ Empfehlungen für definitive Keimzahlgrenzen von Pilzsporen, die nicht
überschritten werden sollen, gibt es
nicht, aber die folgenden Zahlen können zugrunde gelegt werden:
– 103–105 KBE/m2 in der Außenluft,
davon 0,2–3,5 Aspergillus-Sporen/m2 (jahreszeitliche Schwankungen müssen berücksichtigt werden)
– RLT-Anlagen mit Schwebstofffilter
(95% Filtereffektivität und >10 Luftwechsel pro Stunde) AspergillusSporenzahl < 0,1 KBE/m2
■ Untersuchungen über die Ursache von
Aspergillus-Kontaminationen sind in
folgenden Situationen erforderlich:
– Keimzahlen innerhalb des Gebäudes höher als außerhalb
– Innerhalb vorkommende Spezies
außerhalb nicht gefunden
– Häufigste Spezies innerhalb eine andere als außerhalb
– In einem Bereich des Krankenhauses
Monokultur einer Spezies, die in anderen Bereichen nicht nachweisbar ist
– Innerhalb dauerhaft hohe Keimzahlen
Prävention
Bei dauerhaft hohen Keimzahlen innerhalb des Gebäudes oder bei Verdacht auf
Luftfilterung
KMT-Patienten: In der Phase der schweren
Granulozytopenie stellt eine dreistufige
Luftfilterung eine wichtige Maßnahme
zum Schutz vor einer Aspergillose dar [2,
10, 13, 14, 20, 23]. Währenddessen sollen
die Patienten möglichst in dieser geschützten Umgebung bleiben. Wenn sie aber z.B.
zu wichtigen diagnostischen Maßnahmen
das Zimmer verlassen müssen, ist es zum
Schutz vor der Inhalation von AspergillusSporen erforderlich, dass sie eine Atemschutzmaske anlegen (siehe Kapitel B.1
„Standard-Hygiene“).
Aspergillosen lassen sich aber auch mit der
technisch aufwändigen Maßnahme einer
dreistufigen Luftfilterung nicht immer verhüten. Ihr Auftreten ist eher ein Anzeichen
für die Schwere der Erkrankung als ein
Hinweis auf mangelnde Infektionskontrollmaßnahmen. Auch bei gut gewarteten
dreistufigen RLT-Anlagen ist die Luft im
Patientenzimmer nicht immer sporenfrei,
z.B. weil die Zimmertüren immer wieder
geöffnet werden müssen (siehe Kapitel B.8
„Raumlufttechnische Anlagen).
Patienten mit Langzeit-Immunsuppression:
Nach Organtransplantation ist eine lebenslange Immunsuppression erforderlich, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Auch diese Patienten sind prinzipiell
gefährdet, eine Aspergillose zu entwickeln
[3, 13, 20, 22]. Das Risiko ist aber im Vergleich zu KMT-Patienten eher gering,
steigt jedoch, wenn aufgrund von Absto-
116
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ßungsreaktionen die Dosis der immunsuppressiven Therapie erhöht werden muss.
Andere potenziell gefährdete Patienten:
Unklar ist, welche anderen Patienten unter
vorübergehender oder dauerhafter Immunsuppression, z.B. Intensivpatienten
oder Patienten unter Langzeit-Steroidtherapie, ebenfalls durch Unterbringung in
dreistufig gefilterten Räumen vor invasiven Aspergillosen geschützt werden können [6]. Da man aber sowieso nicht alle potenziell gefährdeten Patienten in solchen
Räumen unterbringen kann, muss man
sich auf die bekanntermaßen hoch gefährdeten Patientengruppen beschränken.
Es gibt jedoch für keine dieser Patientengruppen Angaben darüber, wann sie die
geschützte Umgebung wieder verlassen
können. Insbesondere gilt dies für organtransplantierte Patienten, bei deren immunsuppressiver Behandlung es nicht zur
Granulozytopenie kommt. In der Praxis
kann deshalb beobachtet werden, dass Patienten nach Organtransplantation z.T. nur
wenige Tage in einem solchen Zimmer gepflegt werden, weil sie verlegt werden, sobald ein frischtransplantierter Patient
kommt.
Allgemeine Präventionsmaßnahmen
Folgende Maßnahmen dienen dem Schutz
von Patienten in Hochrisiko-Bereichen
(hämatologisch-onkologische Stationen,
Transplantationsstationen) vor Kontakt
mit Aspergillus-Sporen über das in der
Luft normalerweise vorhandene BioAerosol hinaus [13, 20]:
■ Verzicht auf sämtliche Maßnahmen in
der täglichen Routine, die mit Staubentwicklung einhergehen (z.B. Staubsaugen, Fegen)
■ Keine Topfpflanzen (einschließlich
Hydrokulturen) auf den Stationen (al-
so auch nicht in Flurbereichen als Verschönerung von Sitzecken oder in Aufenthaltsräumen für die Patienten) und
Trockenblumensträuße, aber auch kein
Weihnachtsschmuck mit Tannenzweigen
■ Keine frischen nicht schälbaren Früchte und keine unbehandelten Gewürze
Baumaßnahmen
Im Zusammenhang mit Baumaßnahmen
kommt es immer zu erheblicher Verschmutzung der angrenzenden Bereiche,
wenn nicht entsprechende Vorkehrungen
getroffen werden, die Baustelle von den
Patientenbereichen effektiv abzugrenzen
[13]. Folgende Hinweise sollen dabei beachtet werden:
Kleine Baumaßnahmen
■ Staubschutzplanen
■ Ggf. sofortiges Absaugen von Baustaub
beim Bohren
■ Häufige feuchte Reinigung
■ Ggf. Terminabsprache mit der Station
lange genug vor Beginn der Baumaßnahme, um zu verhindern, dass gleichzeitig Patienten unter HochdosisChemotherapie stationär sind
Große Baumaßnahmen
■ Fest installierte Staubschutzwände
■ Ggf. Abdichtung der Fenster bei Außenarbeiten (z.B. umfangreicher Erdaushub)
■ Zugang zur Baustelle von außen über
Gerüst und Außenaufzug
■ Alternativ getrennte Wegeführung
(Treppen, Aufzüge) für Personal bzw.
Patienten und Bauarbeiter
■ Häufige feuchte Reinigung der angrenzenden Klinikbereiche
■ Nach Möglichkeit Auslagerung von
Stationen mit Hochrisiko-Patienten
Aspergillose
in einen anderen Klinikbereich für die
Dauer der Baumaßnahme
Trotz Absprachen bei der Bauplanung und
schriftlicher Hinweise für das Baupersonal
kommt es immer wieder vor, dass lang- oder
kurzfristig geplante Baumaßnahmen zu einem nicht näher angekündigten Zeitpunkt
begonnen werden, ohne dass zuvor der
betroffene Klinikbereich oder der zuständige Krankenhaushygieniker benachrichtigt
und ohne dass die vereinbarten Schutzmaßnahmen im ganzen Umfang beachtet werden. Dies führt regelmäßig zu Verunsicherung und Verärgerung beim medizinischen
Personal und letztlich dann auch zu Verzögerungen der Bautätigkeiten, bis die Staubschutzmaßnahmen schließlich absprachegemäß nachträglich realisiert sind.
Hinzu kommt, dass auch kleinere Umbaumaßnahmen (z.B. Ersatz vorhandener Türen am Zugang der Station durch Feuerschutztüren) mit beträchtlicher Schmutzund Staubentwicklung verbunden sein
können. Auch bei diesen Maßnahmen
müssen deshalb wirkungsvolle Vorkehrungen getroffen werden, um die Verschmutzung in Grenzen zu halten, und dies um so
mehr, wenn es sich um Bereiche mit abwehrgeschwächten Patienten handelt.
Aber auch weit entfernt von Abteilungen
mit Risikopatienten sind Staubschutzmaßnahmen nicht nur aus ästhetischen Gründen wichtig; wenn nämlich Baumaßnahmen z.B. in der Röntgenabteilung durchgeführt werden, dann sind davon alle Patienten betroffen, die während dieser Zeit
dorthin zu einer Untersuchung müssen, also auch der immunsupprimierte Patient,
bei dem z.B. die Lage des neu gelegten
ZVK kontrolliert werden muss (eine nahezu alltägliche Situation). Insofern muss bei
allen Baumaßnahmen in Krankenhäusern
das prinzipielle Risiko gefährdeter Patienten berücksichtigt werden.
117
Es ist deshalb wichtig, dass sich die Mitarbeiter in den betroffenenen Krankenhausbereichen möglichst rasch an den zuständigen Krankenhaushygieniker und die Bauleitung wenden. Nicht selten nämlich fällt
den Hygienefachkräften erst bei zufälligen
Stationsbesuchen auf, dass Bautätigkeiten
mit unzureichender Abschirmung der Patientenbereiche im Gange sind. Um die
Bedeutung von Baustellen auch kleineren
Umfangs (z.B. Renovierungen einzelner
Räume einer Station) für die Gesundheit
gefährdeter Patienten zu unterstreichen,
sollte sich der zuständige Krankenhaushygieniker in solchen Situationen selbst einschalten und sich vor Ort über die Gegebenheiten informieren, nicht aber nur eine
Hygienefachkraft schicken, die nämlich
gewöhnlich von dem verantwortlichen
Baupersonal mit den mit Staubschutzmaßnahmen verbundenen Kosten konfrontiert
wird und somit allein leicht auf verlorenem
Posten steht.
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Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen
B
119
5. Spezielle Infektionen
– Clostridium difficile und andere
gastrointestinale Infektionen
Über die Inzidenz nosokomialer gastrointestinaler Infektionen ist relativ wenig bekannt. Eine Vielzahl von Erregern kommt
ursächlich in Betracht (z.B. Enteritis-Salmonellen, Shigellen, Campylobacter jejuni,
Rotaviren); für nosokomiale Infektionen
ist in den meisten Fällen Clostridium difficile verantwortlich [11, 13, 14, 21]. Rotaviren spielen fast nur bei sehr kleinen Kindern eine Rolle (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“). Exakte Inkubationszeiten
können für gastrointestinale Infektionen
nicht angegeben werden. Deshalb ist es in
Einzelfällen manchmal schwierig zu entscheiden, ob die Infektion nosokomial
oder bereits vor der stationären Aufnahme
erworben wurde.
Da bei mehreren Tagen hospitalisierten
Patienten typische darmpathogene Keime, wie Salmonellen, nur sehr selten die
Ursache von gastrointestinalen Infektionen sind, wurde verschiedentlich empfohlen, diese Erreger bei der Stuhldiagnostik
aus Kostengründen nicht zu berücksichtigen [5, 15, 26, 49]. Stattdessen soll nach der
sog. Drei-Tage-Regel bei Patienten, die
länger als 72 Stunden stationär sind, nur
nach C. difficile-Toxin (und bei Kindern
nach Rotaviren) gesucht werden; liegt jedoch eine blutige Diarrhoe vor oder besteht Verdacht auf einen Ausbruch, sollen
auch die typischen darmpathogenen Erreger in die Diagnostik eingeschlossen werden [15].
Die übliche bakteriologische Stuhldiagnostik soll nach einer anderen Empfehlung nur dann vorgenommen werden,
wenn eines der folgenden drei Kriterien
gegeben ist [5]:
1. Auftreten einer Diarrhoe innerhalb
von 72 Stunden nach stationärer Aufnahme
2. Auftreten einer Diarrhoe mehr als 72
Stunden nach stationärer Aufnahme
und
– Alter über 65 Jahre bei Grundkrankheit mit dauerhaft veränderter Organfunktion oder
– HIV-Infektion oder
– Neutropenie <500 Neutrophile/mm3
oder
– Verdacht auf Ausbruch
3. Verdacht auf Manifestation einer enteralen Infektion ohne Diarrhoe (z.B. Polyarthritis)
Es muss aber auch berücksichtigt werden,
dass manche Patienten, die längere Zeit
hospitalisiert sind, entweder von ihren Angehörigen mit Essen versorgt werden oder,
wenn sie mobil sind, gelegentlich auch außerhalb des Krankenhauses zum Essen gehen. Bei Auftreten von Durchfällen sollte
man die Patienten auch nach derartigen
Gewohnheiten fragen, um zum einen eine
sinnvolle Diagnostik nicht zu unterlassen
und zum anderen beispielsweise einen evtl.
positiven Salmonellen-Befund richtig einordnen zu können, nämlich definitionsgemäß zwar als nosokomial, aber eben doch
nicht im strengen Sinne im Krankenhaus
erworben. Angaben zum Vorgehen bei der
Stuhldiagnostik finden sich in Kapitel D.2
„Abnahme und Transport von Material für
mikrobiologische Untersuchungen“.
120
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Ausbrüche nosokomialer gastrointestinaler Infektionen gehen fast immer von kontaminierter Nahrung aus. Diese kann primär kontaminiert sein (z.B. Eier mit S. enteritidis) oder sekundär bei der Zubereitung kontaminiert werden (z.B. Küchenpersonal, das Salmonellen ausscheidet und
nicht ausreichend auf die Händehygiene
achtet). Die Mehrzahl der endemischen
Fälle nosokomialer gastrointestinaler Infektionen wird auf fäkal-oralem Weg
durch direkten oder indirekten Kontakt
übertragen.
Clostridium difficile
Infektionen durch C. difficile nehmen unter den nosokomialen gastrointestinalen
Infektionen den bedeutendsten Platz ein.
Seit ca. 20 Jahren ist C. difficile als Ursache
der pseudomembranösen Kolitis (PMK) in
fast allen Fällen sowie der Antibiotika-assoziierten Diarrhoe (AAD) in ca. 20% der
Fälle bekannt. Wegen seiner besonderen
Bedeutung als nosokomialer Infektionserreger und seiner späten „Entdeckung“ soll
der Erreger im Folgenden genauer beschrieben werden [3, 4].
Läsion der Darmschleimhaut
Erstmals beschrieben wurde das Krankheitsbild der PMK lange vor der antibiotischen Ära (1893) bei einer jungen schwer
kranken Frau mit einem Magentumor. Einige Wochen postoperativ traten schwere
Durchfälle auf, und bei der Autopsie wurden „diphtherische Membranen“ beschrieben. In den 1950er Jahren war die PMK eine relativ häufige Komplikation. Bei Stuhluntersuchungen wurde oft S. aureus nachgewiesen, der lange Zeit für den Erreger
gehalten wurde. Als 1959 Vancomycin auf
den Markt kam, wurden die Patienten deshalb mit Vancomycin per os behandelt, das
auch wirksam war. 1974 wurde erstmals
eine systematische endoskopische Untersuchung bei Patienten mit AAD und PMK
durchgeführt. Man fand überraschenderweise eine PMK bei 10% der Patienten,
die mit Clindamycin therapiert wurden.
S. aureus war nicht nachweisbar.
Bakteriologischer Nachweis
und Toxinproduktion
Der Erreger wurde 1935 das erste Mal beschrieben. Da er schwer anzüchtbar war,
wurde er zunächst „Bacterium difficile“
genannt. Man fand das Bakterium auch im
Stuhl von asymptomatischen Neugeborenen und interpretierte den Befund deshalb
als Besiedlung. Erst 1974 wurde die weite
Verbreitung von C. difficile in der Umwelt
und im Darm von Tieren sowie die Toxinproduktion nachgewiesen.
Eine Toxinproduktion wurde auch schon
1943 in Tierversuchen beobachtet, ohne dass
man aber damals die Verbindung zwischen
der Besiedlung im Darm und der verabreichten Antibiotikatherapie ziehen konnte. 1974 beobachtete man zytotoxische Veränderungen in Gewebekulturen, die mit
Darminhalt von Meerschweinchen inokuliert worden waren, und hielt dies für einen
Viruseffekt. 1977 wurde dann erstmals das
zytopathische Toxin im Stuhl von Patienten
mit PMK nachgewiesen. Erst Ende der
1970er Jahre erkannte man die Assoziation
zwischen der Läsion der Darmschleimhaut
(und damit der klinischen Symptomatik),
dem Erreger und seinem Toxin:
Toxin A
Läsion der Darmschleim(= Enterotoxin): haut
Toxin B
(= Zytotoxin):
Zytopathischer Effekt in
der Gewebekultur
Bei der C. difficile-Diagnostik werden heute Tests verwendet, mit denen Toxin A
nachgewiesen wird. Ob damit ein kleiner
Teil von Patienten mit C. difficile-Infektion
Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen
nicht erkannt wird, deren Stämme Toxin
A-negativ, aber Toxin B-positiv sind, wird
noch kontrovers beurteilt.
Die Nachweishäufigkeit des Erregers in
der Kultur (bzw. seiner Toxine) bei verschiedenen Personen bzw. Patienten im
Krankenhaus wird folgendermaßen angegeben:
121
fige asymptomatische Besiedlung von
Neugeborenen, bei denen im Gegensatz zu
asymptomatisch besiedelten Erwachsenen
etwa gleich häufig auch das Toxin nachweisbar ist.
■ Pseudomembranöse
Kolitis:
95–100% (95–100%)
Eine primäre symptomlose Kolonisation
mit C. difficile (aber nicht die verbleibende
Kolonisation nach Therapie einer C. difficile-Diarrhoe) scheint unabhängig davon,
ob die Stämme Toxin bilden oder nicht,
eher vor einer C. difficile-assoziierten Diarrhoe zu „schützen“, wobei der Mechanismus noch unklar ist [39]. Möglicherweise verhindern diese Stämme eine Besiedlung des Darmes mit virulenteren Stämmen. Kürzlich wurde darüber berichtet,
dass die Produktion von Antikörpern gegen Toxin A als Immunantwort während
einer primären Episode einer C. difficileInfektion vor einem Rezidiv schützt [24].
Pathophysiologie
Risikofaktoren
Die Voraussetzung für das Auftreten einer
AAD oder PMK ist eine Antibiotika-Exposition und das Vorhandensein von C. difficile im Darm. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Schwere der
Erkrankung und dem Nachweis von C. difficile. Bei unkomplizierter AAD ist meist
weder C. difficile noch sein Toxin nachweisbar, und man spricht dann auch von
„Dysbiose“ der Darmflora; die Antibiotika-Exposition führt zu einer Störung des
ökologischen Gleichgewichts der Darmflora (auch Zytostatika können diese Wirkung haben).
Hauptrisikofaktor ist die Antibiotika-Exposition; dabei ist neben der Anwendung
von Clindamycin und Ampicillin die häufige Anwendung von Cephalosporinen der
dritten Generation offenbar von großer
Bedeutung [3, 4, 7, 11–14, 17, 20, 21, 36].Außerdem spielen folgende Faktoren eine
Rolle: Malignom, Chemotherapie, Bestrahlung, Immunsuppression, HIV-Infektion, höheres Lebensalter, längerer oder
wiederholter Krankenhausaufenthalt, abdominale Operationen, Darmmotilitätshemmer [3, 4, 7, 11, 13, 14, 21, 23].
■ Gesunde
Erwachsene:
2–3% (0%)
■ Gesunde
Neugeborene: 5–70% (5–63%)
■ Diarrhoe ohne AntibiotikaExposition:
2–3% (0,5%)
■ Antibiotika-assoziierte
Diarrhoe:
15–25% (10–25%)
Wenn C. difficile im Darm vorhanden ist,
kann der Erreger sich unter diesen veränderten Bedingungen vermehren und mit
der Produktion von Toxin A beginnen. Die
Toxinproduktion findet jedoch nicht immer statt. Dass die Empfindlichkeit der
Schleimhaut gegenüber dem Toxin altersabhängig unterschiedlich ist, zeigt die häu-
Symptome
Man kann typische Symptome und schwere Komplikationen unterscheiden [3, 4, 11,
13, 14, 21]. Typische Symptome sind
krampfartige Bauchschmerzen, subfebrile
Temperaturen, Leukozytose im Blutbild,
Leukozyten im Stuhl und wässrige Durchfälle, und zu den schweren Komplikatio-
122
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
nen gehören die pseudomembranöse Kolitis, hohes Fieber (>40 °C), Hypalbuminämie mit Ödembildung, toxisches Megakolon sowie chronische Diarrhoe (Wochen
bis Monate) nach Absetzen der ursächlichen Antibiotikatherapie.
comycin einsetzt, dann muss die Substanz
immer per os verabreicht werden, da Vancomycin bei parenteraler Gabe nicht ins
Darmlumen gelangt [4].
Therapie
■ Mittel der Wahl:
– Metronidazol 4 × 250 oder 3 × 400 mg
oral
■ Alternative:
– Vancomycin in einer Dosis von 4 ×
125 mg oral
■ Therapiedauer:
– 10 Tage
Heute wird nahezu jeder auffällige Stuhl
bei hospitalisierten Patienten auch auf C.
difficile-Toxin untersucht. Nicht selten ist
ein positiver Befund automatisch auch Anlass für eine spezifische Antibiotikatherapie. In der Literatur wird jedoch die Auffassung vertreten, dass mindestens zwei
Drittel dieser Patienten keine Antibiotikatherapie benötigen, weil die Symptomatik
mit Absetzen der auslösenden Antibiotikatherapie schnell verschwindet [3, 4, 11,
13–15, 21].
Für die Entscheidung zur Gabe von Antibiotika bei positivem Toxin-Nachweis wurden deshalb die folgenden Empfehlungen
gegeben [3, 4, 15]:
■ Fortbestehen der Diarrhoe trotz Absetzen der induzierenden Antibiotikatherapie
■ Schwere Symptomatik, z.B. ansonsten
nicht erklärbares Fieber, Leukozytose,
floride Diarrhoe, Ileus, toxisches Megakolon oder Zeichen der Kolitis bei Endoskopie oder im CT
■ Notwendigkeit der Fortführung der
auslösenden Antibiotikatherapie (z.B.
Endokarditis, Osteomyelitis)
Metronidazol wird heute international als
Mittel der Wahl empfohlen [3, 4, 15]. Vancomycin dagegen soll wegen der seit Ende
der 1980er Jahre beobachteten Entwicklung Vancomycin-resistenter Enterokokken (VRE) grundsätzlich restriktiv eingesetzt werden (siehe Kapitel B.10 „Maßnahmen bei VRE“). Wenn man aber Van-
Für Dosis und Dauer der Therapie gelten
folgende Empfehlungen [3, 4, 15]:
Rezidive
Rezidive sind oft nur schwer zu beherrschen, manche Patienten haben über lange
Zeit immer wieder Rezidive [3, 4]. Allerdings weiß man inzwischen aufgrund molekularbiologischer Typisierung, dass eine
große Anzahl von „Rezidiven“ eigentlich
Neuinfektionen mit anderen Stämmen von
C. difficile sind [36, 47, 50].
Ziel der Therapie beim Rezidiv ist die Wiederherstellung eines normalen Gleichgewichts der Darmflora. Man beginnt zunächst wieder mit Metronidazol (Dosis
und Dauer wie bei primärer Infektion, siehe oben). Anschließend wird empfohlen,
für mindestens drei Wochen (einzeln oder
kombiniert) Colestyramin oder eine Biotherapie mit Saccharomyces boulardii bzw.
Laktobazillen zu verabreichen, um wieder
eine physiologische Darmflora aufzubauen; dieser Therapieansatz wird jedoch nach
wie vor kontrovers beurteilt [3, 4, 40].
Zu beachten ist, dass nur behandelte Patienten Rezidive entwickeln, nicht jedoch
Patienten, bei denen man nur die auslösende Antibiotikatherapie abgesetzt hat [3, 4].
Deshalb soll nach Möglichkeit keine spezifische Therapie bei AAD und C. difficile-
Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen
Nachweis durchgeführt, sondern nur die
induzierende Antibiotikatherapie abgesetzt werden, sofern dies mit der klinischen
Situation vereinbar ist (siehe oben).
Prävention von C. difficile-Infektionen
durch rationalen Umgang mit Antibiotika
Ein vernünftiger Umgang mit Antibiotika
bei Therapie und perioperativer Prophylaxe ist neben der Beachtung einfacher Infektionskontrollmaßnahmen die wichtigste Voraussetzung, um das Auftreten von C.
difficile-Infektionen zu verhüten (siehe
Kapitel E. „Antibiotika und Antimykotika
bei Therapie und Prophylaxe“). Grundsätzlich kann jedes Antibiotikum zur Selektion von C. difficile führen. Besonders
häufig ist dies aber bei den folgenden drei
Antibiotika(gruppen), den sog. „großen
Drei“ [3, 4, 11, 13, 14, 21]: Clindamycin, Cephalosporine und Ampicillin. Viel seltener
dagegen kommt es bei Einsatz von Chinolonen, Cotrimoxazol und Tetracyclinen zu
AAD oder PMK.
Selbstverständlich müssen Antibiotika bei
gesicherten oder vermuteten bakteriellen
Infektionen eingesetzt werden. Häufig
wird aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Antibiotikatherapie im individuellen Fall so „schmal“ wie möglich sein
und so kurz wie möglich verabreicht werden soll. Insbesondere bei Risikopatienten, z.B. Malignompatienten, müssen diese
beiden Prinzipien der Antibiotikatherapie
beachtet werden.
Aber auch nicht durch schwere Erkrankungen beeinträchtigte Patienten können
von einer C. difficile-Infektion betroffen
sein, wenn sie lange mit Antibiotika behandelt werden. Eine Antibiotikatherapie
muss hinsichtlich Substanzwahl und Dauer
immer rational nachvollziehbar sein. Nicht
selten kann man bei Patienten mit C. difficile-Infektionen sehen, dass eine unsyste-
123
matische und viel zu lange Antibiotikatherapie vorausging. C. difficile-Infektionen
sind keineswegs immer zu verhüten, aber
die auslösende Antibiotikatherapie (oder
ggf. perioperative Prophylaxe) muss vertretbar sein.
Dabei muss beachtet werden, dass Antibiotika, wie Imipenem oder Clindamycin,
prinzipell eine sehr gute Wirksamkeit gegen Anaerobier haben, jedoch nicht gegen
C. difficile wirksam sind, sodass die Gabe
von z.B. Imipenem nicht vor einer C. difficile-Infektion schützen kann (und die Gabe von Clindamycin bekannterweise sogar
zur Selektion von C. difficile führt).
Auch eine perioperative Antibiotikaprophylaxe kann zur Selektion von C. difficile
führen. Dies ist ein weiterer Grund dafür,
eine Ein-Dosis-Prophylaxe mit einem Basis-Antibiotikum (= schmales Wirkungsspektrum unter Einschluss von Staphylokokken, z.B. ältere Cephalosporine) zu bevorzugen und keine Breitspektrum-Antibiotika zu verwenden, weil sie ohnehin wegen unzulänglicher Wirksamkeit gegen S.
aureus nicht für diese Indikation geeignet
sind (siehe Kapitel E.5 „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“).
Enteritis-Salmonellen
Salmonellen gehören außerhalb des Krankenhauses zu den häufigen Erregern einer
– meist lebensmittelbedingten – Gastroenteritis [2, 43]. Nosokomiale Infektionen
durch Salmonellen sind dagegen sehr selten [26]. Gegentlich wird aber über gehäufte Infektionen berichtet, wie kürzlich über
einen Ausbruch mit einer Chinolon-resistenten Salmonella enterica, Serovar
Schwarzengrund [31]. Es gibt eine Fülle
verschiedener Enteritis-Salmonellen (=
Serovare); am häufigsten ist in Deutschland mit 45% aller Salmonellen-Isolate S.
enteritidis [43]. Im Gegensatz zu den Ente-
124
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ritis-Salmonellen ist S. typhi heute in
Deutschland nicht mehr endemisch.
Normalerweise sind relativ hohe Keimzahlen (bis 106 KBE) für eine Infektion erforderlich, bei Patienten mit eingeschränkter
Immunfunktion (z.B. Früh-/Neugeborene,
alte Patienten, immunsupprimierte Patienten) können aber auch wesentlich geringere Keimzahlen ausreichend sein (≥102
KBE) [43]. Das Übertragungsrisiko für gesunde Kontaktpersonen (medizinisches
Personal, Besucher) und für immunkompetente Mitpatienten ist bei normaler persönlicher Hygiene sehr gering [41].
auch Rohmilch kann kontaminiert sein
[42, 43]. Nur sehr selten ist Campylobacter
spp. die Ursache nosokomialer Infektionen, obwohl die erforderliche Infektionsdosis mit ca. 500 KBE niedrig ist [43].
Escherichia coli
Außerhalb des Krankenhauses ist E. coli
als häufiger Erreger der Reisediarrhoe bekannt. Man unterscheidet verschiedene
darmpathogene E. coli, z.B. [16, 23, 43]:
ETEC
Shigellen
Shigellen kommen in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr endemisch vor,
sondern werden vorwiegend von Auslandsaufenthalten mitgebracht [43]. Im
Vergleich zu Salmonellen sind auch bei immunkompetenten Personen wesentlich geringere Keimzahlen für eine Infektion ausreichend (10 KBE) [11, 13, 14, 43]. Trotzdem sind nosokomiale Übertragungen selten. Für die Übertragung steht wegen der
geringen erforderlichen Infektionsdosis
der direkte Kontakt von Mensch zu
Mensch im Vordergrund, weshalb bei der
Versorgung von hospitalisierten Patienten
mit Shigellen-Infektion die Händehygiene
absolut vorrangig ist. Milchprodukte, insbesondere Käse, spielen aber bei den Lebensmitteln eine wichtige Rolle [43].
Campylobacter jejuni/coli
C. jejuni/coli ist weltweit verbreitet und eine der häufigsten Ursachen außerhalb des
Krankenhauses erworbener Diarrhoen sowie von Reisediarrhoe [11, 13, 14, 43]. Bei
Tieren ist Campylobacter spp. weit verbreitet, auch bei Haustieren, die asymptomatisch besiedelt sind. Besonders betroffen
sind Schweinefleisch und Geflügel, aber
EPEC
EIEC
EAEC
Enterotoxische E. coli, die hitzelabile und hitzestabile Enterotoxine produzieren, Ursache der sog. Reisediarrhoe
Enteropathogene E. coli, die
früher besonders in der Neonatologie von Bedeutung waren, heute aber epidemiologisch unbedeutend sind
Entroinvasive E. coli, die das
klinische Bild der Dysenterie
hervorrufen, ebenfalls Ursache der Reisediarrhoe
Enteroaggregative E. coli, insbesondere bei HIV-Infektion
Ursache chronischer Diarrhoen, außerdem ebenfalls
Ursache von Reisediarrhoe
Enterohämorrhagische E. coli (EHEC>)
Eine besondere Rolle spielt EHEC (= enterohämorrhagische E. coli, auch VTEC =
Vero-Toxin produzierender E. coli) [10, 11,
13, 14, 28, 29, 32, 43, 45], vor allem Serotyp
O157:H7, aber auch andere Serotypen, wie
O111, O103 und O26, kommen zunehmend häufiger vor.
Klinisch manifestiert sich die Infektion als
hämorrhagische Kolitis, wobei manchmal
sogar nur rektale Blutungen vorhanden
sein können, wodurch der klinische Verdacht nicht auf das Vorliegen einer Darm-
Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen
infektion gelenkt wird [18, 44]. Dies ist bei
EHEC deshalb von besonderer epidemiologischer Bedeutung, weil ebenfalls sehr
geringe Keimzahlen (10 KBE) ausreichend sind, um eine Infektion auszulösen
[11, 13, 14, 43]. Sog. Vero-Toxine (benannt
nach der Vero-Zellkultur) oder Shiga-Toxine sind die Ursache der Krankheitssymptome.
Die besondere medizinische Bedeutung
von EHEC liegt in der Assoziation mit
dem postinfektiös auftretenden hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS), das
möglicherweise die häufigste Ursache von
akutem Nierenversagen im Kindesalter
darstellt (und auch nach Shigellen-Infektion auftreten kann) [11, 13, 14, 18, 28, 29, 32,
43]. Eine Antibiotikatherapie bei EHECInfektion gilt heute als wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines HUS,
weshalb Antibiotika, ganz gleich welche
Substanz, nicht verabreicht werden sollen
[48, 51]. Möglicherweise wird durch den
Einfluss der Antibiotika die Produktion
oder die Freisetzung von Shiga-Toxin aus
den EHEC-Zellen gefördert [51]. Das
HUS kann aber auch bei Patienten auftreten, die nicht antibiotisch behandelt wurden. Deshalb muss die Prävention von
EHEC-Infektionen im Vordergrund stehen, und das bedeutet, dass insbesondere
Kleinkinder keine potenziell kontaminierten Nahrungsmittel (siehe unten) zu sich
nehmen dürfen.
Außerhalb des Krankenhauses ist EHEC
als Ursache von schweren Ausbrüchen
durch kontaminierte Nahrungsmittel (vor
allem Rindfleisch und Milchprodukte,
aber auch unpasteurisierte Fruchtsäfte)
mit HUS-bedingten Todesfällen bekannt
[11, 13, 14, 18, 43]. Nosokomiale Infektionen sind im Rahmen von Ausbrüchen vorwiegend aus psychiatrischen Kliniken und
Altenpflegeheimen berichtet worden;
125
auch Übertragungen auf medizinisches
Personal wurden beschrieben [10, 45].
Weitere Erreger
Andere Bakterien
Selten einmal kann Pseudomonas aeruginosa die Ursache einer nosokomialen Diarrhoe sein; dies wird jedoch praktisch nur
bei abwehrgeschwächten Patienten beobachtet [1]. Gelegentlich wird auch über
enterotoxinproduzierende Stämme von
Klebsiella pneumoniae berichtet [11, 13,
14]. Manchmal wird Clostridium perfringens als Erreger von Darminfektionen ohne Bezug zu Nahrungsmitteln genannt; die
Bildung von Enterotoxin wird bei diesen
Stämmen für die klinische Symptomatik
verantwortlich gemacht, die stärker ausgeprägt ist als bei nahrungsmittelbedingten
Infektionen mit C. perfringens [8, 11]. Über
die Bedeutung aller dieser Erreger als Ursache für die klinischen Symptome der
Gastroenteritis herrscht jedoch relative
Unklarheit.
Cryptosporidium parvum
Cryptosporidium parvum gehört zu den
Protozoen und ist bei HIV-infizierten Personen ein häufiger Erreger von Darminfektionen; der besondere Immundefekt
prädestiniert diese Personen zu schweren
chronischen Infektionen mit Cryptosporidien [23]. Nicht selten aber wird C. parvum
auch bei alten Menschen und gelegentlich
bei immunkompetenten jüngeren Personen nachgewiesen, bei denen sie jedoch
meist unproblematische, selbstlimitierte
Infektionen hervorrufen [11, 30]. Bis Mitte
der 1970er Jahre waren Cryptosporidien
nur als Erreger bei Tieren bekannt. Um
Übertragungen bei der Patientenversorgung zu verhindern, ist die Beachtung der
üblichen Standard-Hygienemaßnahmen
wichtig.
126
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Viren
Zu den Viren, die mit Gastroenteritis assoziiert sind, gehören vor allem Rota-, Astro-,
Adeno- und Caliciviren sowie die Gruppe
der „small round structured viruses“, Norwalk- und Norwalk-ähnliche Viren [11, 13,
14, 19]. Weltweit haben alle diese Viren als
Erreger von Durchfallerkrankungen große Bedeutung. Im Krankenhaus sind vor
allem Rotaviren bekannt, die bei Säuglingen und Kleinkindern wiederholt im Zusammenhang mit Ausbrüchen beschrieben
wurden (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“).
Norwalk-Viren wurden erst Anfang der
1980er Jahre beschrieben [19]. Infektionen
mit diesen Viren sind häufig mit einer Kontamination von Wasser und Nahrungsmitteln assoziiert [38]. Die Infektionsdosis ist
sehr gering; 10–100 Viruspartikel sind ausreichend, um eine Infektion zu verursachen [19]. Sie verursachen heftige gastrointestinale Infektionen mit unkontrollierbarem profusem Erbrechen und schweren
Durchfällen. Wegen der nicht selten ohne
Prodromi einsetzenden klinischen Symptomatik kann es zu einer erheblichen
Umgebungskontamination kommen, die
wiederum – neben der geringen Infektionsdosis – für die zahlreichen Übertragungen verantwortlich gemacht wird. Kürzlich
wurde über Sekundärinfektionen im Rahmen eines Football-Spiels berichtet, die
auf den direkten Kontakt zwischen infizierten (und kontaminierten) sowie nicht
infizierten Spielern zurückgeführt werden
konnten [6].
Ausbrüche außerhalb des Krankenhauses
wurden wiederholt von Kreuzfahrtschiffen, aber auch von Restaurants berichtet
[25]; nosokomiale Ausbrüche sind ebenfalls beschrieben [33, 37].Wegen der hohen
Übertragungfrequenz wird schon seit längerem die Frage diskutiert, ob neben der
Kontaktübertragung auch eine aerogene
Übertragung von Bedeutung ist [25, 37].
Endgültig geklärt ist diese Frage aber trotz
der häufigen Erwähnung dieses Übertragungsweges nicht (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“).
Mycobacterium avium-Komplex
Bei AIDS-Patienten ist Mycobacterium
avium-Komplex ein häufiger Erreger von
Infektionen und kann auch Ursache wässriger Diarrhoen mit ausgeprägter klinischer Symptomatik sein [23].
Hygienemaßnahmen
Für die Prävention der Übertragung gastrointestinaler Infektionen ist die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen,
in erster Linie der Händehygiene, entscheidend (siehe Kapitel B.1 „StandardHygiene“). Abhängig davon, ob ein Erreger bei immunkompetenten Patienten bereits in niedrigen Keimzahlen eine Infektion auslösen kann oder ob es dazu in der
Regel hoher Keimzahlen bedarf, erscheint
es erforderlich, den Patienten in einem
Einzelzimmer mit eigener Nasszelle unterzubringen, bzw. möglich, dass er sich Zimmer und sanitäre Einrichtungen mit anderen Patienten teilt, Einsichtsfähigkeit und
Kooperation von seiner Seite vorausgesetzt (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“). Insgesamt jedoch sind die patientennahen Hygienemaßnahmen unabhängig davon, ob die Infektionsdosis eher gering oder in der Regel
höher ist, gleich.
Vorwiegend hohe
Infektionsdosis erforderlich
■ Enteritis-Salmonellen
■ Darmpathogene E. coli (außer EHEC)
■ Yersinia enterocolitica
Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen
Maßnahmen beim Personal
■ Händedesinfektion nach allen Tätigkeiten mit Kontaminationsrisiko
■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt
mit infektiösem Material möglich
(nach Ausziehen immer Händedesinfektion)
■ Schutzkittel, wenn Kontamination der
Arbeitskleidung möglich
Maßnahmen beim Patienten
■ Händehygiene
■ Eigene Toilette (nicht unbedingt erforderlich, sondern abhängig von der Stärke der Durchfallsymptomatik)
■ Wäsche nur bei Kontamination mit infektiösem Material zur sog. infektiösen
Wäsche, sonst in normalen Wäschesack
■ Mit infektiösem Material kontaminierter Abfall sowie alle bei der Pflege des
Analbereichs verwendeten Materialien
zum sog. infektiösen Abfall
■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln)
und Schlussdesinfektion als Wischdesinfektion
Die Maßnahmen können aufgehoben werden, wenn z.B. drei Stuhlproben (Anzahl
abhängig von Länderregelungen), entnommen im Abstand von 48 Stunden, negativ sind. Kontrolluntersuchungen sollen
jedoch erst frühestens 72 Stunden nach
Absetzen einer evtl. verabreichten Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
127
prinzipiell wieder arbeiten, soll aber
keine Nahrung (z.B. Sondenkost) zubereiten
■ Ausscheider sollen in folgenden Krankenhausbereichen nicht tätig sein (sondern stattdessen möglichst während
der Dauer der Ausscheidung in anderen Bereichen eingesetzt werden):
– Intensivstationen
– Hämatologisch-onkologische Stationen
– Transplantationsstationen
– AIDS-Stationen
– Früh- und Neugeborenenstationen
Küchenpersonal darf während der Ausscheidung nicht mit der Zubereitung von
Nahrungsmitteln beschäftigt werden.
Geringe Infektionsdosis ausreichend
■ Shigellen, EHEC, Campylobacter spp.,
Vibrio cholerae
und
■ Erreger systemischer Infektionen, die
mit dem Stuhl ausgeschieden werden
(S. typhi, S. paratyphi)
Maßnahmen beim Personal
■ Händedesinfektion nach allen Tätigkeiten mit Kontaminationsrisiko
■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt
mit infektiösem Material möglich
(nach Ausziehen immer Händedesinfektion)
■ Schutzkittel, wenn Kontamination der
Arbeitskleidung möglich
Weitere Maßnahmen
■ Stuhluntersuchung bei allen Kontaktpersonen mit klinischer Symptomatik
(Namensliste des Personals zum Betriebsarzt)
■ Personal, das nach einer Darminfektion noch den Erreger ausscheidet, aber
keine Symptomatik mehr hat, kann
Maßnahmen beim Patienten
■ Händehygiene
■ Einzelzimmer mit eigener Nasszelle
■ Geschirr wie üblich entsorgen (keine
Desinfektion auf der Station)
■ Mit infektiösem Material kontaminierte Wäsche, Stecklaken sowie Handtü-
128
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
cher und Waschlappen nach Gebrauch
im Analbereich zur sog. infektiösen
Wäsche
■ Mit infektiösem Material kontaminierter Abfall sowie alle bei der Pflege des
Analbereichs verwendeten Materialien
zum sog. infektiösen Abfall
■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln)
und Schlussdesinfektion z.B. mit aldehydischen Flächendesinfektionsmitteln als Wischdesinfektion
Die Maßnahmen können aufgehoben
werden, wenn z.B. fünf Stuhlproben (Anzahl abhängig von Länderregelungen),
entnommen im Abstand von 48 Stunden,
negativ sind. Kontrolluntersuchungen sollen jedoch erst frühestens 72 Stunden
nach Absetzen einer evtl. verabreichten
Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Weitere Maßnahmen
■ Stuhluntersuchung bei allen Kontaktpersonen unabhängig davon, ob klinische Symptomatik vorhanden oder
nicht (Namensliste des Personals zum
Betriebsarzt)
■ Personal, das nach einer Infektion noch
den Erreger ausscheidet, aber keine
Symptome mehr hat, soll keine Tätigkeiten mit Patientenkontakt ausüben
bzw. darf nicht in der Küche arbeiten.
Bei Personal mit z.B. reiner Bürotätigkeit wird die Entscheidung über eine
Wiederzulassung zur Arbeit in jedem
Einzelfall individuell nach Abstimmung zwischen Betriebsarzt und Krankenhaushygiene getroffen.
■ Untersuchungen nach Kontakt mit Typhus-Patienten:
– Blutkulturen abnehmen, wenn 7–12
Tage nach Exposition (= Inkubationszeit) Fieber auftritt
– Stuhluntersuchung von allen Kontaktpersonen (auch ohne Symptomatik) 4 1/2 Wochen nach Exposition
(= Auftreten der Erreger im Stuhl)
Maßnahmen zur Kontrolle von
C. difficile-Infektionen
Übertragungen von C. difficile im Rahmen
von Ausbrüchen wurden vielfach beschrieben, und kürzlich wurde eine Untersuchung vorgelegt, in der gezeigt werden
konnte, dass die räumliche Nähe zu einem
Patienten mit AAD oder PMK einen unabhängigen Risikofaktor für eine Infektion mit C. difficile darstellt [9].
Inwieweit jedoch die Umgebungskontamination mit C. difficile-Sporen einen Einfluss hat auf das Risiko, eine C. difficile-Infektion zu erwerben, ist nicht endgültig geklärt. Bei Verwendung sporeninaktivierender Mittel zur Flächendesinfektion konnte
bei einzelnen Patientengruppen ein protektiver Effekt beobachtet werden, bei anderen jedoch blieb die Rate von C. difficile-Infektionen unbeeinflusst [27].
Bei der Endoskop-Desinfektion sind die
üblicherweise verwendeten Aldehyde
auch geeignet, die Sporen von C. difficile
abzutöten, da diese Sporen nicht in dem
Maße desinfektionsmittelresistent sind
wie die Sporen anderer Bakterien (siehe
Kapitel B.6 „Endoskopie“) [34].
Maßnahmen beim Personal
■ Gründliches Händewaschen nach Patientenkontakt und vor Verlassen des
Zimmers (Sporenreduktion durch Abschwemmeffekt)
■ Händedesinfektion bei allen infektionsgefährdenden Tätigkeiten nach den
üblichen Regeln
■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt
mit infektiösem Material möglich
Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen
(nach Ausziehen immer Händedesinfektion)
■ Schutzkittel, wenn Kontamination der
Arbeitskleidung möglich, auch bei üblichen Pflegetätigkeiten bei Patienten
mit schwerer Symptomatik wegen der
stärkeren Kontamination des direkten
Patientenumfeldes
129
sind, der Umgang mit Antibiotika jedoch
der entscheidendere Faktor ist [22, 35, 46].
Clindamycin und Cephalosporine der dritten Generation sind mit dem Anstieg von
C. difficile-Infektionen assoziiert. Ein reduzierter Einsatz dieser Substanzen führte
zu einer verminderten Inzidenz von C. difficile-Infektionen und -Kontaminationen
in der Umgebung der Patienten.
Maßnahmen beim Patienten
■ Händehygiene
■ Eigene Toilette (nicht unbedingt erforderlich, sondern abhängig von der Stärke der Durchfallsymptomatik)
■ Einzelzimmer für Patienten mit schwerer Symptomatik oder bei Inkontinenz
■ Patienten mit mäßiger Symptomatik
können mit anderen Patienten ein
Zimmer teilen, sollen während der
Dauer der Symptomatik aber nicht mit
folgenden Patienten zusammen liegen:
– Stark abwehrgeschwächte Patienten
– Patienten unter Antibiotikatherapie
(inkl. Patienten nach perioperativer
Antibiotikaprophylaxe)
■ Geschirr wie üblich entsorgen
■ Sämtliche Wäsche wie üblich entsorgen
(Bettzeug vorsichtig abziehen und sofort in den Wäschesack abwerfen, um
eine Ausbreitung der Sporen so gering
wie möglich zu halten)
■ Sämtlichen Abfall zum „Hausmüll“
■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln)
und Schlussdesinfektion als Wischdesinfektion
Die Maßnahmen können nach Beendigung
der Symptomatik aufgehoben werden (keine Kontrolluntersuchungen durchführen,
da asymptomatische Ausscheidung häufig
und unterschiedlich lang).
Aus den Berichten über die Kontrolle von
C. difficile kann man den Schluss ziehen,
dass Hygienemaßnahmen zwar wichtig
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132
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
5. Spezielle Infektionen
– Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Epidemiologie
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK)
gehört zu den übertragbaren spongiformen Enzephalopathien (TSE) [4, 8, 10–14,
18, 24]. Als spongiform werden sie wegen
des schwammartigen Erscheinungsbildes
der histologischen Schnitte des Gehirns
bezeichnet. Es handelt sich um neurodegenerative Erkrankungen, die auch bei
einigen Tieren (z.B. BSE bei Rindern,
Scrapie bei Schafen) bekannt sind. CJK
tritt weltweit mit einer Inzidenz von 0,5–
1,5 Fällen pro eine Million Einwohner pro
Jahr auf. Neben den sog. sporadischen (ca.
90%) gibt es familiäre Formen von CJK
(ca. 10%). Für eine Übertragung von
Mensch zu Mensch gibt es keine Hinweise. Die Erkrankung verläuft immer tödlich.
Nach dem BSE-Ausbruch in Großbritannien, der Ende der 1980er bis Anfang der
1990er Jahre seinen Höhepunkt hatte,
wurde die Aufmerksamkeit verstärkt auf
die Epidemiologie der TSE allgemein und
insbesondere der CJK gelenkt und dabei
speziell auf die Frage, ob BSE vom Rind
auf den Menschen übertragbar sei. Inzwischen wird aufgrund epidemiologischer,
tierexperimenteller und molekularbiologischer Daten angenommen, dass die seit
Mitte der 1990er Jahre beobachteten Fälle einer neuen Variante der CJK (vCJK)
ihren Ursprung in der Rinderkrankheit
BSE haben [4, 8, 10–13, 18, 24]. In Deutschland existiert seit 1994 ein nationales Surveillance-System für CJK. Die Inzidenz ist
seither unverändert pro Jahr 1–1,5 Fälle
pro eine Million Einwohner; Fälle von
vCJK sind hierzulande noch nicht aufgetreten [18, 22].
Neben den sporadischen und familiären
CJK-Formen sind iatrogene Fälle bekannt,
die auf die Behandlung mit humanem
Wachstumshormon oder Gonadotropin,
auf die Transplantation von humaner Dura
Mater oder Cornea sowie auf operative
Eingriffe am ZNS mit nicht ausreichend
aufbereiteten neurochirurgischen Instrumenten zurückgeführt werden konnten [4,
5, 8, 10, 11, 13, 14, 24]. Da Hormone seither
gentechnologisch hergestellt werden und
Dura Mater mit 1N Natriumhydroxid (NaOH) vorbehandelt wird, existiert dieses
Risiko heute nicht mehr.
Während bei den chirurgischen Instrumenten lange Zeit nur diejenigen, die bei
Patienten mit dringendem CJK-Verdacht
oder hohem CJK-Risiko für Eingriffe am
ZNS verwendet wurden, mit speziellen
Dekontaminationsmethoden (siehe unten) behandelt wurden, hatte das Auftreten von vCJK zur Folge, dass nun prinzipiell alle chirurgischen Instrumente (also
auch solche, die nicht bei ZNS-Operationen verwendet werden) und andere Gegenstände, wie insbesondere Endoskope,
die ebenfalls bei verschiedenen Patienten
zum Einsatz kommen, als ein neues Risikopotenzial angesehen werden, auch wenn
bei den Patienten kein vCJK-Verdacht besteht.
Hintergrund dabei ist, dass bei der klassischen Form von CJK der Nachweis des Erregers nur in ZNS und Auge geführt werden konnte; bei vCJK jedoch wurde der
Erreger vereinzelt (und zwar bei retro-
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
spektiver Untersuchung von anlässlich einer Operation zu einem Zeitpunkt vor der
Diagnosestellung entnommenem und aus
anderem Grunde asserviertem Gewebe)
bereits vor Auftreten klinischer Symptome
auch in lymphatischem Gewebe nachgewiesen, und damit könnte er auch im Blut
vorkommen [18, 22]. Angesichts der derzeitigen epidemiologischen Ungewissheit
führte dies zu der Befürchtung, dass eine
unbekannte Zahl von Patienten bereits infiziert sein könnte, die somit als potenzieller
Überträger für den Erreger in Frage kommen könnten. Aus diesem Grunde erfolgte
z.B. in Großbritannien, Frankreich und der
Schweiz eine neue Risikobewertung chirurgischer Instrumente mit daraus resultierenden veränderten Aufbereitungsempfehlungen [18]. In Deutschland wurde gemeinsam
vom RKI und dem wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer eine Task Force
vCJK gebildet, deren Abschlussbericht auf
der Basis der bis November 2001 verfügbaren und ableitbaren epidemiologischen
Daten Empfehlungen für den Umgang mit
chirurgischen Instrumenten und Endoskopen gibt, die bei Patienten mit bzw. ohne erkennbares (v)CJK-Risiko eingesetzt werden sollen oder wurden [18].
Bei medizinischem Personal ist eine Übertragung von CJK noch nie gesichert worden;
dies gilt auch für Personal in der Pathologie,
das wegen seiner beruflichen Exposition das
größte Risiko hat [1, 6, 8, 10, 14, 24].
Erreger
Bisher gibt es nur begrenzte Informationen über den Erreger [4, 8, 10, 11, 14, 18,
24]:
■ Proteinhaltige infektiöse Partikel
(selbstreplizierendes Protein), d.h. Protein als wesentlicher Bestandteil des infektiösen Agens (Prionen-Theorie); ein
Nukleinsäure enthaltendes virusartiges
133
Agens (frühere Virus-Theorie) konnte
nicht gefunden werden
■ Sehr hohe Resistenz gegen physikalische (z.B. Autoklavieren) und chemische Inaktivierungsverfahren
■ Keine Reaktion des Immunsystems auf
den Erreger, deshalb keine Diagnose
der Infektion vor Auftreten der klinischen Symptomatik möglich
■ Nachweis nur indirekt im Tierversuch
(vorwiegend durch intrazerebrale Injektion von infektiösem Material)
Übertragung
TSE können prinzipiell mit infiziertem
Gewebe oral und parenteral auch über
Speziesgrenzen hinweg übertragen werden; im Tierexperiment gelingt die Übertragung am leichtesten mit intrazerebraler
Injektion [8, 24]. Für manche Tiere ist dies
der einzige Infektionsweg. Eine Übertragung mit Blut (z.B. Transfusion) oder eine
vergleichbare Übertragung des Erregers
wie bei Hepatitis B-Virus (HBV) gilt für
CJK als unwahrscheinlich bzw. ausgeschlossen, für vCJK als möglich (siehe
oben) [4, 8, 10–14, 18, 24].
Die Übertragbarkeit des CJK-Erregers bei
medizinischen Maßnahmen durch kontaminierte Instrumente oder Gewebe (siehe
oben) ist seit Anfang der 1970er Jahre bekannt. Unklar ist, ob ein und, wenn ja, welches Übertragungsrisiko mit Instrumenten
verbunden ist, die bei unerkannt infizierten Patienten mit vCJK eingesetzt worden
sind und dabei insbesondere mit lymphatischem Gewebe, aber auch mit Blut in Kontakt gekommen sind. Wegen des theoretischen Risikos einer TSE-Übertragung
durch Verwendung von chirurgischem
Nahtmaterial bovinen Ursprungs wurde
der Einsatz Catgut-haltiger Nahtmaterialien seit Anfang 2001 untersagt.
134
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Risikopatienten
Hinsichtlich des Übertragungsrisikos unterscheidet man aufgrund der klinischen
Symptomatik zwei klassische CJK-Risikogruppen [8, 10, 13, 14, 18, 24]:
Patienten mit hohem CJK-Risiko
■ Patienten mit nachgewiesener CJK
■ Patienten mit klinischem Verdacht auf
CJK
■ Träger pathogener Mutationen im Prionprotein-Gen
■ Mitglieder einer Familie mit CJK oder
ähnlichen Krankheiten
Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko
■ Patienten mit ungeklärter, progressiver
Erkrankung des ZNS (mit und ohne
Demenz)
■ Mitglieder von Familien, in denen derartige Erkrankungen gehäuft aufgetreten sind
■ Empfänger von humanen Hypophysenhormonen (Wachstumshormon oder
Gonadotropine)
■ Empfänger von Dura-Mater-Transplantaten in den Jahren 1972 bis 1987
Hinzu kommen heutzutage noch die Patienten mit klinisch wahrscheinlicher vCJK
und Verdacht auf vCJK [26]. Bei allen übrigen Personen wird kein CJK-Risiko angenommen.
Risikogewebe
Der Einteilung verschiedener Körpergewebe in Risikogruppen liegen für die klassische CJK vorwiegend Daten aus tierexperimentellen Studien zugrunde [5, 8, 10,
13, 14, 18, 24]:
Hohe
Infektiosität: Gehirn, Rückenmark, Auge
Mittlere
Milz, Tonsillen, LymphknoInfektiosität: ten, Ileum, proximales Kolon, Liquor, Hypophyse, Nebenniere, Dura Mater, Zirbeldrüse, Plazenta, distales
Kolon, peripheres Nervensystem
Geringe
Nasenschleimhaut, Thymus,
Infektiosität: Knochenmark, Leber, Lunge, Pankreas
Keine
Skelettmuskulatur, Herz,
Infektiosität: Brustdrüse, Muttermilch,
Blut, Blutgerinnsel, Serum,
Faeces, Niere, Schilddrüse,
Speicheldrüse,
Speichel,
Ovarien, Uterus, Hoden, Samen, fetales Gewebe, Kolostrum, Galle, Knochen, Sehnen, Bindegewebe, Haare,
Urin, Haut
Unklar ist bis auf weiteres, in welchem
Maße diese Risikoeinteilung für vCJK
modifiziert werden muss und ob insbesondere Blut und Blutprodukte mit einem
Übertragungsrisiko assoziiert sind [12, 18,
24]. Dies kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, es gibt andererseits aber auch
keine Hinweise darauf aus der klinischen
Praxis; so war beispielsweise unter den
Fällen mit vCJK kein Hämophilie-Patient
[12].
Prävention
Bei der normalen Krankenversorgung besteht weder für medizinisches Personal
noch für andere Kontaktpersonen ein erhöhtes Übertragungsrisiko [9, 13–15, 18].
Bei bestimmten operativen Eingriffen
(insbesondere ZNS- und Augen-Operationen) ist das Operationsteam jedoch bei
Verletzungen mit Inokulation von infektiösem Material gefährdet:
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
ZNS- und Augen-Operationen
Maßnahmen bei Patienten mit hohem bzw.
erhöhtem Risiko für CJK und bekanntem
bzw. erkennbarem Risiko für vCJK:
■ Das Operationsteam soll aus erfahrenen Personen zusammengesetzt sein.
■ Neben der üblichen Operationskleidung sollen doppelte Handschuhe und
eine Schutzbrille getragen werden.
■ Wegen der schwierigen Dekontamination gebrauchter Instrumente kommen
in erster Linie, so weit möglich, EinmalInstrumente in Betracht.
■ Kontaminierter Abfall (= Kontamination mit infektiösem Gewebe) wird als
sog. infektiöser Abfall entsorgt.
Alle übrigen Operationen
Auch wenn nicht an ZNS oder Auge operiert wird, ist es sinnvoll, bei Operationen
von Patienten mit hohem bzw. erhöhtem
Risiko für CJK und bekanntem bzw. erkennbarem Risiko für vCJK die oben genannten Vorsichtsmaßnahmen zu beachten.
Dekontamination
wiederverwendbarer Gegenstände
Für den Fall, dass keine Einmal-Instrumente verwendet werden können, ist für
die Aufbereitung wiederverwendbarer
Gegenstände, die bei Patienten mit CJKRisiko eingesetzt wurden, bisher folgendes
Vorgehen empfohlen worden [3, 6, 9, 13–
21, 23]:
■ Eine Stunde in 1N NaOH, 2,5–5% Natriumhypochlorit (NaOCl) oder 4M
Guanidiniumthiocyanat
(GndSCN)
(oder 15 Minuten in 6M GndSCN) bei
Raumtemperatur einlegen; Gegenstände zuvor vorsichtig abwischen, um
Rückstände von Gewebe und Körper-
135
flüssigkeiten zu entfernen (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion –
Sterilisation“ für Hinweise zur Vorbereitung der chemischen Desinfektion)
■ Anschließend für mindestens 18 Minuten (bis zu 1 Stunde) bei 134 °C autoklavieren
Hierbei handelt es sich um ein Vorgehen,
das nur mit hitzestabilen Gegenständen
durchführbar ist und bei dem eine evtl.
vorhandene Restkontamination durch die
anschließende für die Inaktivierung des
Erregers erforderliche überlange Sterilisation beseitigt werden soll.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat das
Einlegen in NaOH oder NaOCl für 24
Stunden empfohlen, weil sich eine Desinfektionszeit von einer Stunde nicht in allen
experimentellen Studien als ausreichend
erwiesen hat [15].
Hinweis für den Einsatz von
Aldehyden und Alkohol
Kontakt mit Aldehyden oder Alkohol erschwert die Inaktivierung des CJK-Erregers durch Protein-Fixierung erheblich.
Deshalb soll eine Behandlung potenziell
kontaminierter Gegenstände mit diesen
Desinfektionsmitteln, wenn überhaupt,
immer erst erfolgen, wenn die CJK-spezifischen Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt sind [13, 15, 18, 21].
Modifikation der Aufbereitungsmaßnahmen
in Anbetracht von vCJK
Für Patienten mit klinisch wahrscheinlicher vCJK (bekanntes bzw. erkennbares
Risiko) wurde von der Task Force vCJK
für den Umgang mit Instrumenten das folgende modifizierte Vorgehen empfohlen,
das ggf. bei Änderung der epidemiologischen Situation erneut verändert werden
muss [18]:
136
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Patienten mit klinisch wahrscheinlicher
vCJK
– Bei allen Eingriffen (auch in der
Zahnmedizin) nur Einmal-Instrumente verwenden und anschließend
verbrennen
■ Patienten mit klinisch möglicher vCJK
– Möglichst immer Einmal-Instrumente verwenden (und anschließend verbrennen)
– Wenn Verwendung von Einmal-Instrumenten unmöglich, die Instrumente postoperativ kennzeichnen
und in verschlossenen Behältern bis
zur Klärung der Diagnose aufheben
– Bestätigt sich der Verdacht oder
bleibt die Diagnose weiter ungeklärt, die Instrumente verbrennen
– Bei Ausschluss einer vCJK die Instrumente wie bei allen anderen Instrumenten üblich aufheben
■ Patienten ohne ausdrücklichen Verdacht auf vCJK
– Theoretisch ist ein Übertragungsrisiko auch nach sorgfältiger Aufbereitung von Instrumenten, die bei symptomlosen Trägern oder unerkannten
vCJK-Patienten verwendet wurden,
nicht völlig auszuschließen [22].
– Da – anders als bei CJK – ein Übertragungsrisiko im Zusammenhang
mit lymphatischem Gewebe und
Blut bei vCJK nicht ausgeschlossen
werden kann (siehe oben), wurde in
Großbritannien vom Department of
Health festgelegt, für Tonsillektomien nur noch Einmal-Instrumente zu
verwenden [18]. Ebenso dürfen dort
Kontaktlinsen (nach Anpassung)
und Einmal-Artikel nicht wieder
aufbereitet werden.
– In Frankreich wird für die Aufbereitung von Instrumenten nach ZNSoder Augen-Operationen schon generell eine abschließende Dampfste-
rilisation bei 134 °C für mindestens
18 Minuten empfohlen [18].
– Für Deutschland hat das RKI empfohlen, besondere Sorgfalt auf die
Reinigung aller wiederverwendbaren Instrumente (einschließlich Endoskope; siehe unten) zu legen und
keine aldehydhaltigen kombinierten
Reinigungs- und Desinfektionsmittel
einzusetzen, d.h. – nach Möglichkeit
maschinelle – Reinigung im alkalischen Bereich (> pH 10) und anschließende Dampfsterilisation bei
134 °C für 5 Minuten oder bei 121 °C
für 20 Minuten [18].
– Gegenstände, die nicht maschinell
behandelt werden können, müssen
sorgfältig manuell gereinigt und sollen anschließend bei 134 °C für 18
Minuten autoklaviert werden [18].
Umgang mit Untersuchungsmaterial
Bei Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko
sind die folgenden Vorsichtsmaßnahmen
notwendig [2, 7]:
■ Bei Punktionen, Probeexzisionen,
Blutabnahmen etc. Vorgehen entsprechend den bekannten universellen Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz vor
HBV etc. (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“ und Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw.
Kolonisation“)
■ Kontaminierte Einmal-Gegenstände
und Reste von Untersuchungsmaterial
in den sog. infektiösen Abfall geben
Pathologie
Hirngewebeproben sollen nach der Fixierung mit Formalin für eine Stunde mit 95–
100%iger Ameisensäure behandelt und
anschließend mit frischem Formalin nachfixiert werden [2, 7]. Dadurch kann eine
weitgehende Inaktivierung des Erregers
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
erreicht werden. Für den Schutz des Sektionspersonals gelten prinzipiell dieselben
Vorsichtsmaßnahmen wie für Operationspersonal.
Maßnahmen bei der üblichen Versorgung
von Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko
Folgende Kriterien gelten bei der Patientenversorgung auf der Station [6, 9, 13–15]:
■ Kein Übertragungsrisiko bei normalem Patientenkontakt
■ Ebenfalls kein Risiko bei Kontakt mit
Blut etc. an intakter Haut
■ Eine Unterbringung der Patienten in
einem Einzelzimmer ist nicht erforderlich.
■ Über die Anwendung der StandardHygienemaßnahmen hinaus sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich
(siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
■ Eine spezielle Flächendekontamination mit z.B. 2,5% NaOCl ist nur nach
Kontamination mit Liquor erforderlich.
■ Geschirr, Besteck, Wäsche wie üblich
aufbereiten
■ Abfall zum Hausmüll geben, auch
wenn mit Blut oder Liquor kontaminiert
Vorgehen nach Verletzungen und
Kontamination mit potenziell
infektiösem Material
Zum Schutz vor einer Erregerübertragung
werden folgende Maßnahmen empfohlen
[9, 13, 15]:
■ Nach Stichverletzungen im Anschluss
an Injektionen (iv, im, sc) übliche Maßnahmen (Betriebsarzt: HBV-Diagnostik etc.)
■ Nach Stich- oder Schnittverletzungen
bei Eingriffen am ZNS oder Auge zu-
137
nächst ausgiebig mit Wasser spülen und
anschließend für 5–10 Minuten mit 1N
NaOH oder mit 0,5% NaOCl desinfizieren, zum Abschluss nochmals gründlich mit Wasser spülen (Hautverträglichkeit von NaOH besser als von NaOCl),
evtl. chirurgische Exzision der Verletzungswunde
■ Schleimhäute nach Kontamination
durch Verspritzen von potenziell infektiösem Material gründlich mit Wasser
spülen
Spezielle Hinweise für einzelne
medizinische Fachgebiete
Einzelne medizinische Fachgebiete sind
potenziell häufiger als andere mit CJK-Patienten konfrontiert; folgende Besonderheiten können festgehalten werden [15]:
Neurologie:
Bei Risikopatienten Einsatz von Einmal-Material
(z.B. Elektroden für
EMG)
Augenheilkunde:
Einsatz
von
berührungsfreien Tonometern
bei Risikopatienten (Tränenflüssigkeit
jedoch
nicht infektiös)
Transplantationen:
Folgende Patienten sollen von Organ- und
Gewebespenden ausgeschlossen werden:
– CJK-Risikogruppen
(siehe oben)
– Personen mit unklaren
ZNS-Erkrankungen
– Personen, die in psychiatrischen Kliniken
verstorben sind
– Personen, die mit humanen Hypophysenhormonen behandelt
worden sind
138
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Maßnahmen bei Endoskopie von
Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko
Da flexible Endoskope nicht hitzestabil
sind, ist ihre Aufbereitung relativ problematisch. Wegen der hohen Kosten eines Endoskops ist eine Entsorgung nach Gebrauch
ausgeschlossen. Eine sorgfältige Vorreinigung ohne Einsatz aldehydhaltiger kombinierter Reinigungs- und Desinfektionsmittel stellt die wesentliche Voraussetzung für
eine sichere Aufbereitung dar. Für die anschließende chemische Desinfektion wurde
bisher folgendes Verfahren empfohlen [15,
18]:
■ Einlegen für 2 × 30 Minuten in 4M
GndSCN mit manueller Zwischenreinigung (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“ für die übliche manuelle und maschinelle Aufbereitung von Endoskopen)
■ Anschließend möglichst in einer Endoskop-RDM (oder nochmals manuell)
aufbereiten
Wegen der mit dieser Aufbereitung verbundenen praktischen Schwierigkeiten
wurde ein zentraler Gerätepool eingerichtet, aus dessen Sortiment Gastroskope und
Koloskope für spezielle geplante Untersuchungen gemietet werden können (Institut
für Neuropathologie der Universität
Göttingen). Anschließend werden die gebrauchten Endoskope nach manueller Vorreinigung mit alkalischem Reiniger (ohne
Aldehydzusatz; siehe Empfehlung der
Kommission für Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention zur Aufbereitung
von Endoskopen und endoskopischen Zusatzinstrumentariums, die in Kürze publiziert wird) wieder dorthin zurückgeschickt
und mit speziellen Verfahren aufbereitet.
Ebenso können eigene notfallmäßig eingesetzte Endoskope zur Dekontamination an
dieses Zentrum geschickt werden.
Die häufigste Indikation für eine Gastroskopie bei Patienten mit CJK-Verdacht ist
die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG). Eine Möglichkeit, die problematische Endoskop-Aufbereitung nach diesem Eingriff zu umgehen,
ohne im Rahmen einer konventionellen
Operation eine Witzel-Fistel anlegen zu
müssen, ist die CT-gesteuerte Anlage einer
Magenfistel.
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B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
5. Spezielle Infektionen
– Legionellose
Legionellen sind typische opportunistische
Erreger; sie wurden erst Mitte der 1970er
Jahre entdeckt, und zwar einige Monate
nach einem Ausbruch von Pneumonien bei
Teilnehmern eines Treffens von Legionären
(daher auch ihr Name) [3, 4, 6, 16, 18, 21–23,
27]. Bekannt sind inzwischen über 40 verschiedene Legionellen-Spezies, von denen
vor allem die Serogruppe 1 von Legionella
pneumophila humanpathogene Bedeutung
hat; weitere Serogruppen, die aber sehr viel
seltener aus klinischem Untersuchungsmaterial isoliert werden, sind die Gruppen 3, 4
und 6 [21]. Gelegentlich werden auch andere Legionellen-Spezies isoliert, z.B. L. micdadei oder L. longbeachae [5, 16, 21].
Häufig handelt es sich bei Legionellosen
um außerhalb des Krankenhauses erworbene Infektionen, und insbesondere bei
Karzinom-Patienten, bei Rauchern und
bei Patienten mit chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankungen, die mit Pneumonie
stationär aufgenommen werden, muss man
an diese Ursache denken [16, 21, 23]. Der
Anteil nosokomialer Fälle an allen Legionellosen in Europa wurde von der WHO
für 1997 mit 16–22% angegeben [27]. Abhängig von der Empfänglichkeit der Patienten und der Exposition können die Angaben über die Inzidenz nosokomialer Legionellosen naturgemäß erheblich schwanken. Am stärksten gefährdet sind Organtransplantierte und Patienten unter Dauersteroidtherapie, während das Risiko
neutropenischer Patienten mit Leukämien
dem der Normalbevölkerung entspricht
(ausgenommen Haarzell-Leukämie) [21].
Auch in der Pädiatrie wurden nosokomia-
le Legionellosen bei der am stärksten gefährdeten Patientengruppe der Organtransplantierten berichtet [4].
Vorkommen von Legionellen in der Umwelt
Legionellen sind typische Vertreter von
Bakterien, die in der Umwelt weit verbreitet sind, gemessen daran aber nur sehr selten als Erreger von Infektionen in Erscheinung treten; dies hängt damit zusammen,
dass Legionellen in natürlichen Gewässern
nur in sehr geringer Keimzahl vorhanden
sind und erst durch technische Einrichtungen einen ökologischen Vorteil gegenüber
anderen Wasserkeimen erhalten. Folgende
Eigenschaften zeichnen Legionellen aus
[2, 6, 7, 16, 19, 21, 22, 28]:
■ Vorkommen in natürlichen Gewässern
■ Förderung des Wachstums durch
künstliche Wasseranlagen, vor allem
Leitungswassersysteme (siehe Kapitel
B.7 „Umgebung des Patienten“)
■ Legionellen sind fakultativ intrazellulär und können deshalb in den normalerweise in Wasser vorhandenen apathogenen Amöben sowie in Makrophagen überleben und sich vermehren.
■ Ihr Temperaturoptimum liegt zwischen
32 °C und 35 °C, Wachstum ist aber bis
45 °C möglich. Über 55 °C findet keine
Vermehrung mehr statt, und Temperaturen über 60 °C wirken bakterizid.
Temperaturen zwischen 45 °C und 55 °C
sind zwar nicht optimal, bieten aber
den Legionellen einen selektiven
Wachstumsvorteil gegenüber anderen
Wasserbakterien, sodass relativ hohe
Keimzahlen erreicht werden können.
Legionellose
■ Eingebettet in Biofilm oder eingeschlossen in Amöben bleiben Legionellen vor störenden Umwelteinflüssen,
z.B. der normalen Chlorierung des
Trinkwassers, geschützt.
Übertragungswege von Legionellen
Wasser ist das (nahezu) einzige Reservoir
für Legionellen [5–7, 16, 18, 21, 22, 28]. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch
gilt als ausgeschlossen [16, 21].
Direkter Kontakt mit Leitungswasser
Wird die Mund- und Gesichtspflege vom
Patienten selbständig am Waschbecken
vorgenommen, findet dabei je nach persönlicher Gewohnheit u.U. ein beträchtlicher Wasserkontakt statt. Dasselbe gilt für
das Duschen, insbesondere wenn das Wasser ausgiebig über den Kopf läuft oder das
Gesicht direkt in den Duschstrahl gehalten
wird. Ähnliches gilt für pflegebedürftige
Patienten, wenn z.B. Leitungswasser zum
Spülen von Magensonden oder zum Reinigen des Tracheostomas verwendet wird.
Für eine Übertragung von Legionellen
kommen dabei folgende Möglichkeiten in
Betracht [12, 16, 18, 21, 22, 28]:
■ Einzelne Legionellen werden aus dem
Biofilm in den Wasserleitungen freigespült und gelangen durch (Mikro-)Aspiration bzw. Inhalation direkt bis in
die Alveolen. Dort erfolgt Aufnahme in
ortsständige Makrophagen, intrazelluläre Vermehrung, Freisetzung der neu
entstandenen Legionellen nach Platzen
der Makrophagen, erneute Aufnahme
in Makrophagen usw.
■ Teile des Biofilms werden aspiriert
bzw. inhaliert, gelangen jedoch wegen
ihrer Größe nicht direkt bis in die Alveolen. Die Biofilmreste schützen vor
der körpereigenen Abwehr, und die
Legionellen können sich darin vermeh-
141
ren. Einzelne Bakterienzellen werden
aus dem Biofilm freigesetzt und gelangen sekundär bis in die Alveolen.
■ Es kommt zur Aspiration bzw. Inhalation von Wasseramöben mit intrazellulären Legionellen. Auch die Amöben gelangen primär nicht bis in die Alveolen.
Freigesetzte Legionellen können aber
sekundär die Alveolen erreichen.
■ Durch den Kontakt mit Leitungswasser
kommt es zu einer Kontamination des
respiratorischen Sekrets, das im weiteren Verlauf aspiriert werden kann.
Keimzahl im Leitungswasser
Eine klinisch relevante Keimzahl kann
nicht angegeben werden, da Legionellen
im Leitungswasser sowohl als einzelne
Bakterienzellen als auch in Form von Bakterienzell-Aggregaten in Biofilm und
Amöben vorkommen; Legionellen sind also, wie andere Wasserbakterien auch, nicht
gleichmäßig im Wasser verteilt [6, 11, 12,
21, 28]. Wasserproben stellen demnach immer nur eine Momentaufnahme dar.
Aerosolbildung
Jede kontinuierliche oder über eine längere Zeit vorhandene Aerosolbildung ausgehend von nahen bis zu relativ fernen Wasserreservoiren kann zum Auftreten vereinzelter oder sogar zu ausbruchsartigen Legionellosen führen [16, 18, 21, 28]. So wurde z.B. über Legionellen-Infektionen im
Zusammenhang mit Whirlpools und
Springbrunnen berichtet.
Duschen
Bei Umgebungsuntersuchungen wurden
Legionellen natürlich auch an Duschköpfen gefunden; beim Duschen findet sich
jedoch nur eine geringe Aerosolbildung
[16, 21, 28]. In prospektiven Untersuchungen wurde Duschen bisher nicht als Risi-
142
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
kofaktor für eine Legionellose ermittelt
[16, 21, 28]. Duschen ist also – entgegen einer nach wie vor verbreiteten Auffassung
– sehr wahrscheinlich nicht mit einem höheren Risiko verbunden als der Kontakt
mit Leitungswasser aus einem Wasserhahn.
Beatmungstherapie
Bei Maßnahmen im Rahmen der respiratorischen Therapie können – abhängig von
der Art des Befeuchtungssystems – Aerosole entstehen, die direkt bis in die tiefen
Atemwege inhaliert werden können (siehe
Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Leitungswasser kann deshalb für
die respiratorische Therapie im weiteren
Sinne nicht verwendet werden, weil es
nicht keimfrei ist (siehe Kapitel B.4 „Pneumonie“ und Kapitel B.7 „Umgebung des
Patienten“). Dies gilt also auch für patientennahe Befeuchter oder Raumluftbefeuchter, insbesondere wenn sie nach dem
Verneblerprinzip arbeiten [16, 21].
Aerosolkontakt über größere
Entfernungen
Eine echte aerogene Übertragung von Legionellen, d.h. ein Transport freischwebender legionellenhaltiger Aerosole über weite Distanzen in der Luft (im Gegensatz zu
den oben beschriebenen kurzen Strecken
vom Wasserhahn oder Duschkopf bzw. von
kontaminierten Verneblern zum Patienten) muss bei der Entstehung von Legionellosen als ein möglicher Infektionsweg
betrachtet werden. Als Ursache für endemische Fälle von Legionellose hat die aerogene Übertragung aber (im Gegensatz
zum direkten Wasserkontakt) keine Bedeutung. Es wurden jedoch Ausbrüche von
Legionellosen außerhalb von Krankenhäusern beschrieben, bei denen eine Aerosolbildung, ausgehend von relativ weit ent-
fernten Kühltürmen bzw. Rückkühlwerken, ursächlich war [16, 18, 21, 28].
Epidemiologie
Die Legionellose kann in zwei klinischen
Formen auftreten [7, 21]: 1) als PontiacFieber, eine akute, selbstlimitierte Erkrankung, typischerweise mit Fieber, Kopfschmerzen und Myalgien, aber ohne Pneumonie; 2) als Pneumonie (= Legionärskrankheit) mit der gesamten Breite möglicher klinischer Symptomatik mit leichten
bis lebensbedrohlichen Erscheinungsbildern.
Nosokomiale Legionellosen wurden nur
als Pneumonien berichtet und treten fast
nur bei abwehrgeschwächten Patienten
auf [4, 16, 18, 21]. Über die Inzidenz ist relativ wenig bekannt, weil spezielle Methoden angewendet werden müssen, um
Legionellosen diagnostizieren zu können. Nicht in allen Krankenhäusern
wird jedoch bei Patienten mit Pneumonien
eine systematische Legionellen-Diagnostik
durchgeführt.
Die Inkubationszeit beträgt 2–10 Tage [7,
21]. Deshalb gilt eine Legionellen-Infektion
■ als eindeutig nosokomial, wenn der Patient bei Diagnosestellung mindestens
10 Tage stationär war,
■ als möglicherweise nosokomial, wenn
der Patient bei Diagnosestellung zwischen 2 und 10 Tagen stationär war.
Legionellen-Ausbrüche in Krankenhäusern können nahezu immer auf eine Kontamination des Warmwassernetzes zurückgeführt werden [16, 18, 21, 28]. Mit molekularbiologischen Typisierungsmethoden ist
es möglich, einen epidemiologischen Zusammenhang zwischen den bei infizierten
Patienten und den aus kontaminierten
Wasser führenden Gegenständen, wie z.B.
Strahlreglern (siehe Kapitel B.7 „Umge-
Legionellose
bung des Patienten“), isolierten Stämmen
herzustellen, dies aber auch nur dann,
wenn eine kulturelle Diagnostik durchgeführt worden ist (siehe unten) [9, 17].
Diagnostik
Für den Nachweis einer Legionellose stehen prinzipiell mehrere Methoden zur
Verfügung [8, 21]:
■ Kultureller Nachweis aus respiratorischem Sekret: Sehr sensitiv, erfordert
aber spezielle Nährböden, langwierig
(erste Kolonien erst nach 5 Tagen)
■ Antigen-Nachweis im Urin:Von wesentlichem Vorteil ist, dass Urin leicht gewonnen werden kann, wobei mehrere
Proben im Abstand von ein bis zwei Tagen untersucht werden sollen, weil das
Antigen nicht sofort zu Beginn der Erkrankung nachweisbar sein muss. Der
Test bleibt auch nach Beginn einer spezifischen Antibiotikatherapie für einige
Tage positiv, sodass er auch bei bereits
empirisch anbehandelten Patienten
durchgeführt werden kann. Inzwischen
gibt es auch einen polyvalenten Test,
der nicht nur L. pneumophila der Serogruppe 1, sondern auch die Antigene
anderer Serogruppen von L. pneumophila und darüber hinaus auch weitere
Legionellen-Spezies nachweisen kann.
■ Direkter Immunfluoreszenz-Test (DFT)
aus respiratorischem Sekret (vor allem
BAL): hoch spezifisch, aber nicht zuverlässig sensitiv
■ Molekularbiologische Methoden, wie
z.B. DNA-Sonden oder PCR: Nicht
sensitiver als die Kultur und zumindest
derzeit noch spezialisierten Institutionen vorbehalten.
■ Indirekter
Immunfluoreszenz-Test
(IFT): Der Antikörpernachweis im Serum kann bei Vorliegen von Infektionen mit anderen Bakterien zu falsch-
143
positiven Resultate führen. So kann es
bei Patienten mit Tuberkulose, Pneumokokken-Pneumonie oder Campylobacter-Enteritis zu Kreuzreaktionen
kommen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Wahrnehmung von Legionellosen überhaupt ist die
Nutzung der diagnostischen Möglichkeiten. Bei ungezielter kultureller Diagnostik
respiratorischer Sekrete wurden nämlich
unabhängig von der klinischen Diagnose
und der ärztlichen Diagnostikanforderung
Legionellen-Infektionen entdeckt, davon
mehrere nosokomiale Legionellosen [10].
Ähnliche Ergebnisse wurden u.a. in einer
anderen Untersuchung bei Anwendung
des Urin-Antigen-Nachweises (siehe unten) berichtet [11].
Prävention
Die entscheidenden Maßnahmen zur Prävention von Legionellen-Pneumonien sind
die Verwendung von sterilem Wasser für
Wasser führende Geräte und für jede Maßnahme im Zusammenhang mit Beatmungstherapie sowie die Aufbereitung
von Beatmungszubehör mit thermischen
Desinfektionsverfahren [6, 16, 18, 21, 28].
In Hochrisiko-Bereichen (z.B. Patienten
nach Knochenmark- oder Organtransplantation) erscheint es sinnvoll, den Patienten für die Mund- und Gesichtspflege
abgekochtes oder steriles Wasser zur Verfügung zu stellen (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“) [6]. Zum
Trinken sollte vorzugsweise Wasser aus
Flaschen, abgekochtes oder steriles Wasser
verwendet werden [6]. Kurzes Duschen ist
möglich, jedoch sollte dabei das Gesicht
nicht direkt in den Duschstrahl gehalten
werden, um eine Wasseraspiration zu vermeiden. Siebstrahlregler sollen durch Lamellenstrahlregler ersetzt und regelmäßig,
am besten einmal pro Woche, abge-
144
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
schraubt und gereinigt werden (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“).
Extrapulmonale nosokomiale Legionellen-Infektionen sind eher untypisch und
wurden als exogene Infektionen im Bereich postoperativer Wunden beschrieben
[14, 16, 18, 21]. Die Prävention besteht in
diesem Bereich der Patientenversorgung
darin, den Kontakt von Operationswunden mit Leitungswasser, z.B. beim Waschen, Baden oder Duschen, zu vermeiden.
Umgebungsuntersuchungen
Es gab längere Zeit relativ konträre Ansichten zu der Frage, ob routinemäßige
Wasseruntersuchungen für die Prävention
geeignet sind [16, 18, 21, 28]. Die Gegner
führten an, dass Legionellen in Wasser
führenden Systemen häufig nachzuweisen
seien, aber nicht notwendigerweise zu Infektionen führen. Die Befürworter argumentierten, dass Leitungswassersysteme
nicht gleichmäßig kontaminiert seien, dass
aber der Nachweis von Legionellen im
Leitungswasser der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Legionellosen
sei.
Inzwischen scheinen sich die beiden
Standpunkte einander angenähert zu haben, da in den neuesten CDC-Empfehlungen nun auch die Ansicht vertreten wird,
dass in Hochrisiko-Bereichen, die routinemäßige Untersuchung von Leitungswasser
mit dem Ziel, das Wasser durch geeignete
Maßnahmen legionellenfrei zu halten,
als Präventionsmaßnahme in Betracht
gezogen werden solle [6]. In allen anderen Krankenhausbereichen (z.B. zahnoder HNO-ärztliche Behandlungseinheiten) sind jedoch routinemäßige Wasseruntersuchungen sicher nicht sinnvoll. Generell gilt aber, dass Wasserproben genommen werden müssen, wenn nosokomiale
Legionellosen beobachtet werden.
Nachweismethode
Zum Nachweis von Legionellen im Leitungswassersystem ist es sinnvoll, zusätzlich zu Wasserproben entsprechend Trinkwasser-Verordnung auch das sog. Schwallwasser sowie Abstriche von den Innenwänden der Wasserhähne oder den Strahlreglern zu untersuchen [21, 28]. Mit den
Abstrichen kann eine Mobilisierung des
Biofilms erreicht werden, in dem sich Legionellen festsetzen und vermehren können. Dies ist bei der alleinigen Wasserentnahme nicht immer zu erwarten. Eine Methode des Legionellen-Nachweises in
Trinkwasser und Badebeckenwasser ist
kürzlich in einer Empfehlung des Umweltbundesamtes umfassend beschrieben worden [24]. In einer Untersuchung wurden
verschiedene Nachweistechniken miteinander verglichen [25].
Legionellen-Elimination aus
dem Leitungswassernetz
Vielerorts besteht immer noch Unklarheit
darüber, ob der Einsatz von Maßnahmen
zur Reduktion der Legionellen-Keimzahl
im Wasser davon abhängig gemacht werden soll, ob potenziell pathogene Legionellen nachgewiesen werden oder ob diese Maßnahmen nur dann eingeleitet werden sollen, wenn auch Legionellen-Infektionen beobachtet werden. Einfach zu
beantworten ist die Frage dann, wenn die
Inzidenz endemischer nosokomialer Legionellen-Infektionen hoch ist oder wenn
es zu einem Ausbruch gekommen ist:
Kontrollmaßnahmen sind in solchen Fällen immer erforderlich [6, 16, 18, 21,
28].
Werden Wasseruntersuchungen zur Überwachung der Legionellen-Prävalenz im
Leitungswasser nur in Hochrisiko-Bereichen durchgeführt, wird im Falle positiver
Befunde das weitere Vorgehen darauf ab-
Legionellose
zielen, eine Dekontamination zu erreichen, weil das Vorkommen von Legionellen im Wasser der entscheidende Risikofaktor für das Auftreten von LegionellenInfektionen darstellt [6, 21, 28].
Man sollte sich bei der Entscheidung,Wasseruntersuchungen zur Überwachung verschiedener Krankenhausbereiche durchzuführen, nur auf tatsächliche Risikobereiche für Legionellen-Infektionen beschränken und berücksichtigen, dass Intensivstationen zwar Risikobereiche für nosokomiale Infektionen sind, nicht aber für
Legionellen-Infektionen, außer wenn bei
der Beatmungstherapie Leitungswasser
verwendet werden würde (siehe oben).
Das bedeutet, dass als Risikobereich für
Legionellen-Infektionen nur die Abteilungen gelten, in denen Patienten gepflegt
werden, die zwar in ihrer körpereigenen
Abwehr erheblich geschwächt sind, aber
trotz der prinzipiellen Schwere ihrer Erkrankung in der Lage sind, ihre Körperpflege selbst durchzuführen, also mit Leitungswasser Kontakt haben, beides Voraussetzungen für eine Akquisition von Legionellen-Infektionen.
Werden Wasseruntersuchungen außerhalb
von Risikobereichen des Krankenhauses
durchgeführt und dabei Legionellen nachgewiesen, dort aber keine Legionellen-Infektionen beobachtet, sind Dekontaminationsmaßnahmen des Leitungsnetzes nicht
gerechtfertigt. In diesen Bereichen sollen,
um unnötige Verwirrungen zu vermeiden,
ohne konkrete klinische Fragestellung keine Wasseruntersuchungen eingeleitet werden.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur
Desinfektion des Leitungswassernetzes,
wobei man prinzipiell lokale und systemische Maßnahmen unterscheiden kann
[1, 15, 19–21, 26, 28]:
145
Lokale Maßnahmen
■ Sie werden nur an einem Abschnitt des
Leitungswassernetzes durchgeführt,
z.B. dezentrale Wasserboiler, mit denen
eine sichere thermische Desinfektion
erreicht werden kann. Um Verbrühungen zu verhindern, muss eine anschließende Abkühlung des Wassers (zur
Vermeidung einer Rekontamination
aber nicht durch Zumischung von kaltem Wasser) gewährleistet sein.
■ Je weiter entfernt von den Wasserzapfstellen eine solche Maßnahme durchgeführt wird, um so unsicherer ist ihr
Erfolg, weil der nachfolgende Abschnitt der Wasserleitung nicht in die
desinfizierende Maßnahme eingeschlossen ist.
■ Wasserfilter:
– Installation bakteriendichter Filter
an den Wasserhähnen
– Effektivität der Filter nicht absolut
– Daten aus klinischen Studien nicht
vorhanden
– Mit relativ hohen Investitionskosten
verbunden, weil bei bereits bestehenden Wasseranschlüssen immer
Umbaumaßnahmen
erforderlich
sind, um die relativ großen Filter anbringen zu können.
– Eine regelmäßige qualifizierte Wartung muss gewährleistet sein, d.h.
zwei mal wöchentliche Sterilisation
der Filter und Überprüfung auf
Dichtigkeit, womit dauerhafte Folgekosten verbunden sind.
Systemische Maßnahmen
■ Gesamtes Wassernetz eingeschlossen
■ Am häufigsten werden die diskontinuierliche Aufheizung des Leitungswassers und Hyperchlorierung angewendet.
■ Eine weitere Methode ist die KupferSilber-Ionisation. Dabei werden aus ei-
146
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ner Kupfer-Silber-Elektrode nach Anlegen eines elektrischen Stromes Kupfer- und Silberionen abgegeben, die an
die Bakterienzellwand binden und zur
Zellwandzerstörung mit Zellyse führen. Als entscheidend für die Wirksamkeit der Methode wird die Aufrechterhaltung der vom Hersteller empfohlenen Silber- und Kupferkonzentration
von 40 µg/l bzw. 400 µg/l bezeichnet [13].
■ Wasseraufheizung in Kombination mit
Chlordesinfektion:
– Personal- und kostenintensive Maßnahme, die aber nur alle 2–3 Jahre
durchgeführt werden muss und sehr
erfolgreich sein soll
– Prinzip ist die Desinfektion der zentralen Wassertanks mit Chlor, die
nachfolgende Aufheizung der Tanks
auf Temperaturen > 70 °C und
schließlich die Spülung sämtlicher
Leitungen mit dem erhitzten Wasser.
■ Kontinuierliche Hyperchlorierung:
– Sehr teure Maßahme
– Nicht immer ausreichend effektiv
(relative Chlorresistenz der Legionellen durch Aufnahme in Amöben)
– Korrosionsschäden an den Leitungen möglich, die aber durch Präzipitation von Natrium-Silikat als
Schutzschicht an den inneren Oberflächen der Wasserleitungen reduziert werden können
Nach aller Erfahrung dürfte keine Desinfektionsmethode in der Lage sein, die Entstehung nosokomialer Legionellosen vollständig zu verhüten. Das liegt hauptsächlich
an folgenden Faktoren: 1) Es ist sehr schwierig, in einem ausgedehnten Wasserleitungsnetz jede Stelle des Systems zu erreichen. 2)
Möglicherweise können auch sehr niedrige
Keimzahlen bei Exposition von Hochrisikopatienten zu einer Legionellen-Infektion
führen. Mit Einzelfällen von Legionellose
muss also immer gerechnet werden.
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148
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
5. Spezielle Infektionen
– Tuberkulose
Die Tuberkulose ist weltweit immer noch
eine bedeutende Infektionskrankheit (ca.
1/3 der Weltbevölkerung ist infiziert) [29,
40, 54]. Sie trägt insbesondere in den armen Ländern wesentlich zur Morbidität
und Mortalität bei: 1997 kam es bei 8 Millionen Menschen zu einer aktiven Tuberkulose, und 1,9 Millionen Menschen starben daran. Damit gehört die Tuberkulose
zu den häufigsten zum Tode führenden Infektionskrankheiten.
In den USA kam es in den 1980er Jahren
zu einer starken Zunahme der Tuberkulose-Fälle: Vor 1980 war die Tuberkulose in
den USA eine Krankheit der gesamten
Bevölkerung, seither ist sie wieder vorwiegend eine Krankheit der sozial benachteiligten Schichten, die meist in großen Städten leben. Besonders betroffen sind HIVInfizierte, Obdachlose und neue Immigranten [5, 29]. In Deutschland ist die Tuberkulose-Inzidenz mit 15 Fällen pro
100 000 Einwohner pro Jahr gering [39,
47]. Erregerreservoir ist heute in Mitteleuropa fast ausschließlich der Mensch.
Besonderheiten der Tuberkulose-Infektion
Im Gegensatz zu vielen anderen Infektionen gelten für die Infektion mit Mycobacterium tuberculosis besondere Regeln,
denn zwischen Infektion und Auftreten
der klinischen Erkrankung kann eine extrem unterschiedliche Zeitspanne von wenigen Wochen bis Jahrzehnten liegen,
wenn die Erkrankung überhaupt ausbricht
[5, 9, 14, 16, 23, 38, 41, 44, 51]:
■ Tuberkulose-Infektion (= Primärinfektion) bedeutet nicht notwendigerweise,
■
■
■
■
dass es zu einer manifesten Tuberkulose
(= postprimäre Erkrankung) kommt.
Eine manifeste Erkrankung, d.h. eine
sog. aktive Tuberkulose, tritt bei 5–10%
aller infizierten Personen im Laufe ihres Lebens auf, d.h., ca. 90% der Infizierten bleiben lebenslang lediglich latent infiziert, entwickeln keine aktive
Tuberkulose und sind nicht infektiös.
Das Auftreten einer aktiven Tuberkulose ist in den ersten zwei Jahren nach
der Primärinfektion am höchsten und
kommt in dieser Phase bei bei 3–5%
der immunkompetenten Personen vor.
Eine aktive Tuberkulose ist typischerweise das Ergebnis einer endogenen
Reaktivierung des seit der Primärinfektion ruhenden Erregers.
Exogene Reinfektionen, d.h Neuinfektionen bei Personen mit normaler Abwehrlage nach Verschwinden einer ursprünglich positiven Tuberkulinreaktion, oder Superinfektionen, d.h. zusätzliche Infektionen mit einem weiteren
Stamm von M. tuberculosis bei bestehender positiver Tuberkulin-Hautreaktion, sind selten. Eine Primärinfektion
wurde lange Zeit als weitgehender
Schutz vor einer Re- bzw. Superinfektion betrachtet; heute ist dagegen akzeptiert, dass dieser Schutz nicht zuverlässig ist [29]. Das Risiko hängt jedoch
stark von der Expositionswahrscheinlichkeit ab. So besteht nur in einer Umgebung mit hoher Tuberkulose-Inzidenz für primär infizierte Personen
überhaupt die reale Chance einer erneuten Exposition und damit prinzipiell auch die Möglichkeit einer Reinfektion bzw. Superinfektion [14, 44].
Tuberkulose
Tuberkulose bei HIV-Infektion
Bei HIV-infizierten Personen kommt es
nach einer Infektion mit M. tuberculosis zu
einem entscheidend anderen Verlauf [5, 9,
10, 16, 23, 29, 35, 38, 51]:
■ Wird die Primärinfektion nach erfolgter HIV-Infektion erworben, entwickeln 37% der Infizierten bereits innerhalb von sechs Monaten eine manifeste
Tuberkulose.
■ Wurde die Primärinfektion vor der
HIV-Infektion erworben, liegt das Risiko der endogenen Reaktivierung pro
Jahr zwischen 7 und 10%.
Übertragung
Nahezu immer sind die Atemwege die Eintrittspforte für M. tuberculosis (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [5, 9,
16, 23, 38, 45, 50, 52]:
■ Der Erreger wird via Inhalation infektiöser Tröpfchenkerne (= Aerosol
<5 µm), die ungehindert bis in die Alveolen gelangen können, übertragen.
Nur dort im Bereich der Atemwege
kann eine Tuberkulose-Infektion entstehen. Das bedeutet andererseits
auch, dass ein Kontakt mit M. tuberculosis lediglich an den Schleimhäuten
der oberen Atemwege (z.B. durch Anhusten) nicht zu einer Infektion führen
kann.
■ Natürlicherweise kommt es zu einer
Freisetzung des Erregers in die Luft
nur bei Patienten mit sog. offener Tuberkulose der Atemwege (Lunge, Kehlkopf), vor allem beim Husten, und zwar
in Form von kleinen (potenziell infektiösen) Tröpfchen respiratorischen
Sekrets, die aufgrund ihres geringen
Gewichts langsam sedimentieren, deshalb bis auf ihren Kern, nämlich die
einzelne Zelle von M. tuberculosis, ein-
149
trocknen und dadurch zu schwebefähigen infektiösen Partikeln werden, die
inhaliert werden können. Werden aber
extrapulmonale Infektionsherde offen
gespült, kann es ebenfalls – wenn auch
nicht zu einer physiologischerweise
vorhandenen – Aerosolisierung des
Wundsekrets kommen [22].
■ Nach Sedimentation auf Oberflächen
gelten Aerosole als nicht mehr infektiös, weil es nicht zu einer Resuspension
in die Luft kommt. Eine Übertragung
durch Kontakt mit derartigen potenziell kontaminierten Oberflächen ist
nicht möglich.
Eine Infektion kann selten auch einmal
durch Inokulation des Erregers auf parenteralem Wege erfolgen, wenn eine Verletzung mit einem kontaminierten Gegenstand stattgefunden hat (z.B. mit erregerhaltigem Blut von Patienten in der mykobakteriämischen Phase oder Wundsekret
bei Lymphknoten-Tuberkulose) [16, 20].
Infektiosität
Die aerogene Übertragung ist prinzipiell
abhängig von der Zahl der freigesetzten
Erreger, der Dauer der Exposition und der
Enge des Kontakts mit der infizierten Person [5, 9, 16, 23, 29, 38]. Wahrscheinlich ist
die Infektiosität relativ niedrig, wenn das
mikroskopische Präparat negativ und nur
die Kultur positiv ist. Ein mikroskopischer
Nachweis ist ab ca. 104 KBE/ml Sputum
möglich [48]. Übertragungen sind jedoch
auch bei negativer Mikroskopie nach intensivem Aerosol-Kontakt, z.B. während
Bronchoskopie, beschrieben worden [5,
52]. Ein Patient gilt auch dann als infektiös, wenn nur die PCR-Diagnostik, nicht
aber die Mikroskopie positiv ist.
Das Infektionsrisiko von Kontaktpersonen
ist von verschiedenen Faktoren abhängig
[2, 5, 9, 16, 20, 22, 25, 38, 52]:
150
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Patientenfaktoren
■ Ist das mikroskopische Präparat positiv, kommt es bei 30% der dauerhaften Kontaktpersonen zu einer Infektion
■ Ist die Mikroskopie negativ, kommt es
bei <10% der dauerhaften Kontaktpersonen zu einer Infektion.
■ Je mehr ein Patient hustet und je weniger er dabei den Mund mit einem Taschentuch verdeckt, umso
höher ist für die Kontaktpersonen
das Infektionsrisiko, weil um so
mehr potenziell erregerhaltige Tröpfchen freigesetzt werden, die anschließend zu Tröpfchenkernen eintrocknen
und dann prinzipiell unbegrenzte Zeit
als Aerosol in der Luft schweben
können.
■ Dauer der antituberkulotischen Therapie: Bei empfindlichen Stämmen ist
ein Patient ca. 2–3 Wochen nach Therapiebeginn wahrscheinlich nicht
mehr infektiös. Über die Dauer der Infektiosität bei resistenten Stämmen
können keine Angaben gemacht werden. Mikrobiologisch gilt ein Patient
als „nicht mehr infektiös“, wenn sein
Sputum an drei verschiedenen Tagen
mikroskopisch negativ war (siehe unten „Dauer der Isolierungmaßnahmen“).
Umgebungsfaktoren
■ Dauer und Intensität des Kontaktes
■ Größe und Belüftung des Raumes
Empfänglichkeit der exponierten Person
■ Reduzierte Abwehrfunktionen (z.B.
HIV-Infektion, Dauer-Steroidtherapie,
Immunsuppression bei Z. n. Organtransplantation)
■ Kleinkind
Nosokomiales Risiko für
Patienten und Personal
Zu der Zeit, als es in den USA zu einem
Wiederanstieg der Tuberkulose-Inzidenz
einerseits und zu Ausbrüchen auch in
Krankenhäusern mit multiresistenten
Stämmen kam, trat das nosokomiale Infektionsrisiko in den Vordergrund, und die
CDC-Empfehlungen von 1994 sind die
Antwort auf diese Situation [5, 28, 43].
Übertragungen von Patienten auf Personal
und sogar von Besuchern auf andere Besucher wurden berichtet [6, 7, 34, 58, 59]. Ob
aber die gelegentlich außerhalb von Ausbruchssituationen auftretenden Einzelfälle
von Tuberkulose bei medizinischem Personal während der Arbeit im Krankenhaus
oder im Privatleben erworben wurden, ist
nicht bekannt. Bekannterweise haben bestimmte Berufsgruppen wegen ungewöhnlicher Exposition ein hohes TuberkuloseRisiko, im Krankenhaus insbesondere Mitarbeiter der Pathologie oder Rechtsmedizin, der Pulmologie, Thoraxchirurgie und
Atemphysiotherapie und außerhalb des
Krankenhauses z.B. Bestattungspersonal
[2, 17, 20, 24, 25, 32, 38, 56, 57].
Multiresistente Stämme
Gleichzeitig mit der Zunahme der Tuberkulose-Fälle in den 1980er Jahren sind in
den US-amerikanischen Metropolen multiresistente Stämme aufgetreten [5, 10].
Mehrere Ausbrüche mit schneller Verbreitung resistenter Stämme (Resistenz gegen
die übliche Therapie, entsprechend längere Ausscheidung der Erreger, dadurch höhere Übertragungsraten möglich) sind beschrieben [5, 9, 16, 23, 28, 38, 43]. Für eine
höhere relative Infektiosität von Patienten
mit Infektionen durch multiresistente
Stämme im Vergleich zu empfindlichen
Stämmen gibt es aber keine Hinweise.
Als Hauptursache für die Resistenzent-
Tuberkulose
wicklung gilt die unzuverlässige Medikamenteneinnahme. In Deutschland lag der
Anteil multiresistenter Stämme zwischen
1991 und 1996 konstant bei ca. 5%; in Osteuropa und insbesondere in den Ländern
der ehemaligen UdSSR, ist dagegen die
Prävalenz multiresistenter Stämme steigend [29, 47].
Dauer der Therapie
Isoniazid (INH) und Rifampicin nehmen
unter den Antituberkulotika eine Schlüsselstellung ein, weil von der Empfindlichkeit des individuellen Stammes gegen diese beiden Substanzen die (voraussichtliche) Dauer der Therapie und ihre grundsätzliche Effektivität abhängen [5, 9, 16,
23]. Je nach In-vitro-Empfindlichkeit des
im individuellen Fall isolierten Stammes
gelten deshalb die folgenden Regeln:
■ Empfindlichkeit gegen INH und Rifampicin: 6–9 Monate
■ Empfindlichkeit gegen Rifampicin,
aber Resistenz gegen INH: 9–12 Monate
■ Empfindlichkeit gegen INH, aber Resistenz gegen Rifampicin: 12–18 Monate
■ Resistenz gegen INH und Rifampicin:
Therapiedauer und klinische Wirksamkeit unklar
Für die Therapie der Tuberkulose im Einzelnen gibt es aktuelle Empfehlungen in
der Fachliteratur [21, 49].
Wegen der generellen Charakteristika einer Infektion mit M. tuberculosis (zunächst
Primärinfektion, z.B. im jungen Erwachsenenalter, und bei ca. 5% der infizierten
Personen endogene Reaktivierung in höherem Lebensalter; siehe oben) hat eine
Infektion mit multiresistenten Stämmen
bei immunkompetenten Personen zum jetzigen Zeitpunkt auch eine wesentliche Be-
151
deutung für die Zukunft in einigen Jahrzehnten. Da nämlich das Risiko der endogenen Reaktivierung der latenten Infektion mit zunehmendem Alter (physiologischer Aktivitätsrückgang der zellulären
Immunfunktionen) steigt, werden in den
nächsten 40–50 Jahren postprimäre Erkrankungen mit den resistenten Stämmen
auftreten, die zur jetzigen Zeit zu Primärinfektionen geführt haben.
Post-Chemotherapieära
Die Bedeutung der multiresistenten Stämme ist deshalb so groß, weil die Therapie
z.T. auch klinisch so ineffektiv ist, dass Heilungsraten wie bei unbehandelten Patienten beobachtet werden, und möglicherweise können solche Patienten, wie es früher
erforderlich war, nur noch chirurgisch behandelt werden. In den USA wurde auch
die Wiedereinführung von TuberkuloseKliniken diskutiert, in denen man entsprechende baulich-technische Voraussetzungen für Isolierungsmaßnahmen schaffen
und spezialisiertes medizinisches Personal
einsetzen kann, um möglichst effektive
protektive Maßnahmen durchführen zu
können.
Prävention der Übertragung
Von den CDC wurden 1994 überarbeitete
Empfehlungen zur Prävention der Tuberkulose im Krankenhaus veröffentlicht [5,
38]. Es muss dabei berücksichtigt werden,
dass diese Empfehlungen vor dem Hintergrund eines seit Anfang der 1980er Jahre
beobachteten Anstiegs der TuberkuloseInzidenz (nach jahrzehntelangem Rückgang) sowie mehrerer Ausbrüche mit multiresistenten Stämmen entstanden sind.
Diese damals überraschende und beunruhigende Situation liegt inzwischen in den
USA schon lange nicht mehr vor und war
in Deutschland nie gegeben. Bei der Be-
152
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
wertung der CDC-Empfehlungen muss außerdem beachtet werden, dass – entsprechend ihrer Bedeutung – eine Hierarchie
der Empfehlungen (mit absteigender
Dringlichkeit) aufgestellt wurde.Wie in anderen Fällen, gilt auch bei dieser Empfehlung der CDC, dass man die Aussage nur
verstehen kann, wenn man den gesamten
Text gelesen hat. Die Empfehlungen lassen
sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Organisatorische Maßnahmen
Patienten:
Personal:
Diagnose, Isolierung, empirische Therapie abhängig von der lokalen Resistenzsituation
Tuberkulintestung, Information über Präventionsmaßnahmen
2. Umgebung: Belüftung der Patientenzimmer, Einsatz von UV-Licht
3. Masken: Personalschutz
Von den CDC werden verschiedene theoretisch effektive Maßnahmen der respiratorischen Isolierung empfohlen, deren
Wirksamkeit aber durch klinische Studien
nicht belegt ist [5, 31, 36, 46]:
UV-Licht:
RLT-Anlagen:
Masken:
Z.B. für Ambulanz-Warteräume, wo Patienten
mit unerkannter Tuberkulose sein können
Besonders in Räumen für
Bronchoskopie,
Sputuminduktion, Pentamidin-Aerosol-Anwendung
(mit 6–12 Luftwechseln
pro Stunde)
Bisher keine Objektivierung ihrer Wirksamkeit
(auch Ausbrüche mit
multiresistenten
Erregern konnten ohne ihren
Einsatz beendet werden)
Die Bedeutung der Maßnahmen zur respiratorischen Isolierung ist umstritten [36].
Absolut im Vordergrund der TuberkulosePrävention stehen die organisatorischen
Maßnahmen mit zügiger Diagnosestellung, räumlicher Isolierung und raschem
Beginn einer empirischen antituberkulotischen Therapie in allen Fällen dringenden
klinischen Verdachts [5]. Aber auch die
Möglichkeit eines falsch-positiven Befundes (z.B. bei einmaligem Nachweis säurefester Stäbchen) muss ggf. in Betracht gezogen werden [4].
Hauptprobleme bei der
Bekämpfung der Tuberkulose
■ Kulturelle Diagnostik langwierig: 2–8
Wochen [48]
■ Erforderliche Therapie langwierig: 6–
12 Monate bei empfindlichen Stämmen
[5, 21, 49]
Empfehlungen für die klinische Praxis
Die folgenden Maßnahmen können zusammenfassend für die Versorgung von
Patienten mit Tuberkulose empfohlen werden. Da in Mitteleuropa wegen des gemäßigten Klimas nur selten Klimaanlagen in
den Patientenbereichen von Krankenhäusern eingebaut werden, sind RLT-Anlagen
hier nicht genannt:
Einzelzimmer
■ Bei gesicherter Infektion und bei dringendem Verdacht so schnell wie möglich räumliche Isolierung in einem Einzelzimmer
■ Stehen nicht genügend Einzelzimmer
zur Verfügung, können mehrere Patienten in einem Zimmer zusammengelegt
werden, wenn die Erreger die gleiche
Empfindlichkeit haben und bei allen
Patienten die Therapie begonnen hat.
Tuberkulose
■ Patienten, bei denen auch die Tuberkulose in die Differenzialdiagnose einbezogen werden muss, der TuberkuloseVerdacht jedoch nicht im Vordergrund
steht, können bei Mangel an Einzelzimmern mit Tuberkulin-positiven Patienten in einem Zimmer untergebracht
werden, wenn es sich nicht um abwehrgeschwächte Mitpatienten handelt.
■ Bei Verdacht auf Tuberkulose verursacht durch einen multiresistenten
Stamm, z.B. bei Patienten aus Osteuropa, immer Unterbringung in einem
Einzelzimmer
■ Die Patienten auffordern, beim Husten
den Mund mit einem (Papier-)Taschentuch zu bedecken, um die Freisetzung
respiratorischer Tröpfchen zu reduzieren
■ Die Patienten sollen möglichst in ihrem
Zimmern bleiben, solange eine räumliche Isolierung erforderlich ist. Die Türen sollen nicht offen stehen. Die Patienten können aber zu Spaziergängen
im Klinikgelände auch ins Freie gehen
und müssen dort keine Maske tragen.
■ Die Patientenzimmer sollen häufig gelüftet werden (Zimmertür dabei geschlossen halten).
■ RLT-Anlage:
In den USA wird eine künstliche Belüftung der Patientenzimmer für Tuberkulose-Patienten mit mindestens sechsfachem Luftwechsel für bestehende Anlagen (bei Neubauten 12 Luftwechsel/Stunde) und leicht negativem
Druck im Patientenzimmer im Vergleich zu den angrenzenden Räumen
(bei täglicher Kontrolle der Druckverhältnisse) empfohlen, aber auch kontrovers beurteilt [5, 13, 31, 38, 50, 52]. Im
Übrigen ist nicht bekannt, welche Rolle RLT-Anlagen bei der Prävention der
Tuberkulose tatsächlich spielen. Möglicherweise ist es sogar günstiger, keine
153
RLT-Anlage zu haben, den Raum aber
vorwiegend geschlossen zu halten, als
über eine RLT-Anlage zu verfügen, die
unbemerkt jedoch einen höheren
Druck im Patientenzimmer im Vergleich zu den angrenzenden Räumen
aufbaut (siehe Kapitel B.7 „Umgebung
des Patienten“).
Masken
Man kann chirurgische Masken und Partikel filtrierende Atemschutzmasken (auch
Feinstaubmasken genannt) unterscheiden
(siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
Zum Schutz des Personals vor Inhalation
von Aerosolen ist theoretisch nur die
Atemschutzmaske geeignet [5, 12, 13, 61].
Zum Schutz der Umgebung vor der Freisetzung respiratorischer Tröpfchen durch
den Patienten wäre an sich die chirurgische
Maske sinnvoll (und wird dafür auch von
den CDC empfohlen). Da aber meist Verwirrung entsteht, wenn bei der Tuberkulose-Prävention von unterschiedlichen Masken für Personal und Patienten gesprochen
wird, wird in vielen Fällen die Atemschutzmaske generell sowohl vom Personal als
auch von den Patienten verwendet. Aus
pragmatischer Sicht ist dies sinnvoll.
Eine höhere Effektivität von Atemschutzmasken im Vergleich zur (theoretisch für
die Filtrierung von Aerosolen nicht geeigneten) chirurgischen Maske darin, bei üblichen Patientenkontakten (z.B. Betreten
des Patientenzimmers) vor einer Infektion
mit M. tuberculosis zu schützen, ist nicht
belegt [5, 12, 13, 18, 31, 61, 62]. Dennoch
werden Masken generell und Atemschutzmasken im Besonderen meist empfohlen
und/oder wenigstens vom medizinischen
Personal (oder Taxifahrern) gefordert.
Nach den Empfehlungen der CDC sind
sog. N95-Masken für diesen Zweck geeignet [5, 12].
154
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Um die Bezeichnung der Masken zu verstehen, muss man wissen, wie sie getestet
werden [12, 16]. Es wird ein sehr feines
(nicht-biologisches) Test-Aerosol (in den
USA Partikelgröße ca. 0,3 µm) verwendet.
Je nach deklarierter Filterleistung muss
das Material in der Lage sein, mehr als
99,97%, 99% bzw. 95% (= N95) der Partikel zurückzuhalten, sodass – umgekehrt
ausgedrückt – weniger als 0,03%, 1% bzw.
5% (= N95) der Test-Partikel das Maskenmaterial penetrieren können. Der Buchstabe „N“ bei den in den USA empfohlenen Masken steht für „Nicht resistent gegen Öl“, weil es bei der Anwendung im
Krankenhaus nicht um ölige Partikel geht,
wie in manchen industriellen Bereichen.
In Europa wird der Buchstabe „S“ verwendet (S = solid = feste und wasserlösliche Partikel).
In Deutschland werden zur TuberkulosePrävention gemäß der europäischen Norm
EN 149 (nicht-biologisches Prüfaerosol
bestehend aus NaCl-Kristallen mit einer
Größenverteilung von 0,02–2 µm mit einem durchschnittlichen Durchmesser von
0,6 µm) Masken der Schutzstufe FFP2 S
(Rückhaltegrad mindestens 94%) und bei
multiresistenten Stämmen Masken der
Schutzstufe FFP3 S (Rückhaltegrad mindestens 97%) empfohlen (FFP = filtering
facepiece; Klasse P1 bis P3) [8].
Masken können aber, wenn überhaupt, nur
dann effektiv sein, wenn sie dicht am Gesicht anliegend getragen werden, was häufig nicht der Fall ist. Jedes Leck, z.B. an der
Wange, fungiert wie ein Trichter, über den
die Luft wesentlich leichter als durch das
dichte Maskenmaterial eingeatmet werden kann [5]. Deshalb muss das Personal
auch darin trainiert werden, Masken richtig zu tragen [13, 15, 18, 27].
Personal: Atemschutzmasken sind für medizinisches Personal bei allen Husten pro-
vozierenden Maßnahmen sinnvoll und
deshalb empfehlenswert, insbesondere bei
■ Bronchoskopie,
■ Sputum-Induktion,
■ Pentamidin-Inhalation,
und zwar deshalb, weil es in diesen Situationen auch zu einer Freisetzung sehr kleiner, lungengängiger Tröpfchen kommen
kann und das Personal, z.B. bei der Bronchoskopie, während der Maßnahme mitten
in diesem „Nebel“ steht und ihm beim Atmen nicht entkommen kann.
Die präventive Bedeutung von Masken
bei Betreten von Patientenzimmern mit
Tuberkulose-Patienten ist dagegen wesentlich geringer. Deshalb kann Folgendes
empfohlen werden:
■ Das Personal soll eine Atemschutzmaske aufsetzen vor Betreten von Zimmern mit Patienten, die a) stark husten,
b) dabei nicht zuverlässig den Mund
mit einem Taschentuch bedecken, c)
sich klinisch nicht überzeugend bessern, d) kavernöse Veränderungen aufweisen und/oder e) mit einem multiresistenten Stamm infiziert sind.
■ In allen anderen Fällen erscheint der
Gebrauch von Masken weniger erforderlich. Das Personal soll sie zur Verfügung haben, um selbst entscheiden zu
können, ob sie verwendet werden.
Die Masken können von einer Person
mehrfach benutzt werden (natürlich auch
bei der Versorgung verschiedener Tuberkulose-Patienten). Die Tatsache, dass sie
von der Industrie als Einweg-Produkt deklariert werden, spielt bei der Verwendung
durch das Personal weder in Hinsicht auf
ihre Funktion noch aus hygienischen
Gründen eine Rolle. Im Übrigen konnte
experimentell gezeigt werden, dass Masken
nicht als Reservoir fungieren, in dem sich
M. tuberculosis vermehren und von dem
Tuberkulose
der Erreger wieder in die Luft freigesetzt
werden kann [42]. Bei wirtschaftlichen Erwägungen, Kosten dadurch zu sparen, dass
preiswertere Masken eingekauft werden,
muss deshalb berücksichtigt werden, dass
stabilere Masken zwar teurer sind, aber
länger (z.B. über Wochen) von derselben
Person immer wieder benutzt werden können, weil sie haltbarer sind [46].
Besucher: Für Besucher können die gleichen Regeln gelten wie für das Personal.
Da es sich bei ihnen aber meist um Angehörige oder enge Bezugspersonen handelt, die mit dem Patienten schon vor der
Tuberkulose-Diagnose und damit vor Beginn der Therapie Kontakt hatten, ist der
protektive Effekt von Masken noch fraglicher.
Patient:
■ Der Patient braucht, solange er sich in
seinem Zimmer aufhält, keine Maske
zu tragen.
■ Muss er sein Zimmer z.B. wegen einer
diagnostischen Maßnahme verlassen,
soll er, wenn er viel hustet oder mit einem multiresistenten Stamm infiziert
ist, eine Maske aufsetzen.
■ Für den Patienten wäre eine chirurgische Maske adäquat, weil durch sie die
Freisetzung respiratorischer Tröpfchen, die zu Tröpfchenkernen eintrocknen können, verhindert wird.
■ Weil die Differenzierung zwischen
chirurgischer Maske bzw. Atemschutzmaske für Patienten bzw. Personal in
der Praxis zu Unklarheiten führt, wird
der Patient, weil es leichter vermittelbar ist, meist ebenfalls mit einer Atemschutzmaske versorgt (siehe oben).
■ Insgesamt ist die Maske für den Patienten bei der Tuberkulose-Prävention
von untergeordneter Bedeutung. Bekannterweise wird den Patienten, die
aus Krankenhäusern in Lungen-Fach-
155
kliniken verlegt werden, dort gewöhnlich als eine der ersten Handlungen die
Maske abgenommen.
Verschiedene Maßnahmen
Generell müssen bei der Versorgung von
Tuberkulose-Patienten die Regeln der
Händehygiene beachtet werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“), auch wenn
M. tuberculosis nicht über die Hände übertragen wird. Der Tuberkulose-Patient
muss aber einerseits wie jeder andere Patient auch vor vermeidbaren Erreger-Kontakten geschützt werden, und das Personal
muss sich andererseits auch vor Kontakt
mit Blut und Körperflüssigkeiten schützen, wenn es sich um einen Patienten mit
Tuberkulose handelt.
Für die verschiedenen Situationen der
Versorgung von Tuberkulose-Patienten
sind außerdem folgende Maßnahmen
empfehlenswert [5, 38]:
Vorgehen bei Husten provozierenden
Maßnahmen
■ Bei Patienten mit Tuberkulose-Verdacht die Türen des Raumes während
der Maßnahme geschlossen halten
■ Das Personal soll währenddessen eine
Atemschutzmaske tragen (siehe oben).
■ Der Rücktransport des Patienten auf
die Station soll erst erfolgen, wenn sich
der Husten gelegt hat. Bis dahin sollen
keine anderen Patienten im selben
Raum sein.
■ Nach Abschluss der Maßnahme muss
der Raum, wenn er nicht künstlich belüftet ist, gründlich gelüftet werden; dabei müssen die Türen geschlossen bleiben.
■ Nach einer Narkose sollen Patienten
mit offener Tuberkulose der Atemwege
getrennt von den anderen Patienten
überwacht werden.
156
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Schutzkleidung
Abfallentsorgung
■ Wenn eine Kontamination der Arbeitskleidung mit infektiösem Material, z.B.
respiratorischem Sekret, wie bei Bronchoskopie oder beim offenen endotrachealen Absaugen, möglich ist, soll – als
generelle und infektionsunabhängige
Maßnahme des Personalschutzes –
über der Arbeitskleidung immer
Schutzkleidung getragen werden, auch
wenn die Tuberkulose über derartige
Kontaminationen nicht übertragen
wird.
■ Es handelt sich hierbei also um eine übliche Regel der Standard-Hygiene, die
bei allen Patienten unabhängig davon,
ob bei ihnen eine Infektion oder welche Infektion bekannt ist, angewendet
werden soll (siehe Kapitel A.1 „Standard-Hygiene“).
Nur der mit infektiösem Material kontaminierte Anteil des Abfalls eines Tuberkulose-Patienten, also z.B. Papiertaschentücher zum Auffangen des respiratorischen
Sekrets beim Husten und sonstige kontaminierte Materialien (z.B. Endotrachealtuben, Sputum-Einmal-Becher, Verbandsmaterial), wird getrennt gesammelt und als
infektiöser Abfall entsorgt.
Geschirr
Das benutzte Geschirr wird ohne vorherige Desinfektion auf der Station und ohne
eine Kennzeichnung wie das Geschirr aller
anderen Patienten zur Aufbereitung transportiert und dort zusammen mit dem anderen Geschirr mit den üblichen Verfahren maschinell gereinigt und thermisch
desinfiziert. Von dem Geschirr, das Patienten mit Tuberkulose benutzt haben, geht
für niemanden ein Risiko aus, und deshalb
gibt es auch bei Tuberkulose für die Verwendung von Einmal-Geschirr keinen rationalen Grund.
Wäsche
Die Wäsche wird nur, wenn sie mit infektiösem Material kontaminiert ist, als sog.
„infektiöse“ Wäsche getrennt gesammelt
und zur Wäscherei transportiert (entsprechend UVV „Gesundheitsdienst“ und
„Wäscherei“; siehe Kapitel B.6 „Wäscherei“).
Umgang mit Sekreten und Exkreten
Stuhl und Urin werden, wie bei allen Patienten üblich, in thermischen SteckbeckenSpülautomaten entsorgt. Absauggefäße
können ebenfalls in diesen Apparaten gereinigt und desinfiziert werden. Dadurch
reduziert sich der Kontakt des Personals
mit potenziell infektiösem Material auf
den Transport der Gefäße zu diesen Geräten. Da die Gefäße in den Maschinen automatisch entleert werden, ist durch Wegfall
des manuellen Ausschüttens das Kontaminationsrisiko für das Personal und damit
auch der mögliche Aerosolkontakt auf ein
Minimum reduziert.
Transport im Rettungs-/Krankenwagen
oder Taxi
■ Patienten, die noch in der Klinik behandelt werden, sollen (irgend-)eine
Maske (siehe oben) aufsetzen (dies
dient mehr der Beruhigung der Fahrer,
als dass damit ein realer präventiver
Nutzen verbunden wäre).
■ Patienten, die nicht mehr in der Klinik
behandelt werden, brauchen keine
Maske zu tragen.
■ Die Fahrer bzw. Sanitäter sollen bei
Durchführung von Maßnahmen, die
mit einer Freisetzung von Aerosolen
verbunden sind (z.B. Intubation, endotracheales Absaugen), eine Maske aufsetzen; bei sonstigen Kontakten ist eine
Tuberkulose
■
■
■
■
■
Maske für das Begleitpersonal nicht erforderlich.
Eine über der normalen Arbeitskleidung
getragene Schutzkleidung ist nur erforderlich, wenn eine Kontamination mit infektiösem Material zu erwarten ist, wie
z.B. beim endotrachealen Absaugen. Bei
komplikationslosem Transport eines Tuberkulose-Patienten unabhängig davon,
wie lange er bereits behandelt ist, besteht
keine Notwendigkeit für die Fahrer und
Sanitäter, eine spezielle Schutzkleidung
überzuziehen. Dies gilt auch für den
Transport von beatmeten Patienten mit
Tuberkulose.Wegen der dabei in der Regel offenen Beatmung sind Atemschutzmasken für die Begleiter ggf. sinnvoll.
Wenn es während des Transports nicht
zu einer Kontamination von Flächen
mit (potenziell) infektiösem Material
gekommen ist, müssen nach Beendigung der Fahrt keine über die üblicherweise nach Transport eines Patienten
hinausgehenden Maßnahmen, wie z.B.
eine besondere Flächendesinfektion,
vorgenommen werden.
Nach einem Taxi-Transport wird der
Wagen lediglich gut durchgelüftet.
Nach einem Transport im Rettungs/Krankenwagen wird zusätzlich zum
Lüften des Wagens, wie nach Transport
anderer Patienten auch, das Tuch auf
der Transportliege gewechselt und eine
Flächenreinigung bzw. -desinfektion
durchgeführt.
Für die Entsorgung von Wäsche und
Abfall gelten dieselben Regeln wie bei
der Versorgung von Patienten im Krankenhaus (siehe oben).
Desinfektionsmaßnahmen
157
onsmitteln in normaler Konzentration
durchgeführt (gemäß DGHM-Liste; siehe
Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion –
Sterilisation“). Dabei macht man eine laufende Desinfektion der patientennahen
Flächen und eine Schlussdesinfektion, die
alle erreichbaren horizontalen Flächen im
Patientenzimmer einbezieht.
Von den CDC wird eine Desinfektion der
Flächen nicht für erforderlich gehalten,
weil die Tuberkulose nicht über kontaminierte Flächen übertragen wird [5, 38].
Deshalb seien Reinigungsmaßnahmen
ausreichend, ein konsequent rationaler
Ansatz, der an sich ohne Einschränkung zu
empfehlen ist, aber in Deutschland nicht
durchsetzbar sein wird.
Desinfektion von Gegenständen
und Instrumenten
■ Alle wiederverwendbaren thermostabilen Gegenstände werden zusammen
mit den Gegenständen anderer Patienten in vollautomatischen Reinigungsund Desinfektionsmaschinen (RDM)
thermisch aufbereitet.
■ Für thermolabile Gegenstände, wie Endoskope, müssen chemische Desinfektionsmittel eingesetzt werden.Vorzugsweise sollte eine maschinelle Aufbereitung erfolgen, die als chemothermische
Desinfektion in speziellen RDM vorgenommen wird (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“).
■ Die manuelle Aufbereitung ist anfälliger für Fehler, und Tuberkulose-Übertragungen durch manuell aufbereitete
Bronchoskope sind in der Literatur
mehrfach berichtet [1, 34, 60].
Flächendesinfektion
Raumdesinfektion
In der Regel wird eine Wischdesinfektion
von Oberflächen mit üblichen Desinfekti-
Eine Raumdesinfektion, bei der Flächendesinfektionsmittel in die Raumluft ver-
158
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
sprüht oder eine regelrechte FormalinVerdampfung vorgenommen wird, sollte
heutzutage überall als obsolet angesehen
werden. Inzwischen ist es weitgehend akzeptiert, dass es sich dabei um eine ineffektive Desinfektionsmethode handelt. Meist
wurde die Raumdesinfektion noch dazu
als Desinfektion der Luft des Raumes missverstanden; noch zu Zeiten des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes wurde aber
in der „Richtlinie“ klargestellt, dass mit
dieser speziellen Desinfektionsmaßnahme
eben nicht die Luft desinfiziert, sondern
vielmehr die potenziell kontaminierten
Flächen des Raumes quasi desinfizierend
vorbehandelt werden sollten, um das Personal, das anschließend die Wischdesinfektion der Flächen des Patientenzimmers
durchführt, zu schützen [55].
Mittlerweile hat sich das Prinzip durchgesetzt, dass eine Desinfektion von Oberflächen ohne die mechanische Komponente
des Wischens nicht wirksam ist. Eine
Raumdesinfektion ist an sich nichts anderes als eine Art Sprühdesinfektion: auf die
(möglicherweise) vorhandenen Kontaminationen wird ein Nebel aus Desinfektionsmittel gelegt, gesäubert wird jedoch
nicht. Das bedeutet im Fall der Tuberkulose, dass der Erreger, der ja nicht als einzelne Bakterienzelle offen auf den Oberflächen liegt, in organischem Material, also
respiratorischem Sekret, geschützt mit
dem Desinfektionsmittel nicht notwendigerweise in Kontakt kommt und somit
nicht inaktiviert wird. In der internationalen Fachliteratur wird die Raumdesinfektion ohnehin nicht empfohlen.
Es gibt auch keine gesetzliche Regelung,
die in bestimmten Fällen, wie z.B. nach
Entlassung eines Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege, eine Raumdesinfektion vorschreibt. Eine solche Maßnahme ist auch nicht etwa deshalb erfor-
derlich, weil die Tuberkulose gemäß §§ 6, 7
IfSG eine meldepflichtige übertragbare
Krankheit ist. Denn bei meldepflichtigen
Infektionen müssen keine über das normale Maß hinausgehenden Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden, wenn
nicht das zuständige Gesundheitsamt im
jeweiligen individuellen Fall ein besonderes Desinfektionsverfahren anordnet.
Ferner wird auch in der derzeit noch gültigen Empfehlung der RKI-Richtlinie nicht
generell eine Raumdesinfektion bei Tuberkulose oder anderen meldepflichtigen Infektionskrankheiten gefordert, sondern es
heißt dort wörtlich [3]: „In Abhängigkeit
von der epidemiologischen Situation und
den örtlichen Gegebenheiten muss im Einzelfall durch den zuständigen Krankenhaushygieniker festgelegt werden, ob ... eine
Raumdesinfektion notwendig ist.“
Schließlich muss berücksichtigt werden,
dass Raumdesinfektionen wegen unvermeidbarer Desinfektionsmittel-Exposition während der Maßnahme und unkontrollierbarer Desinfektionsmittel-Rückstände nach der Durchführung toxikologisch problematisch sind. Dies gilt sowohl
für den Desinfektor, der das Mittel versprüht, als auch für die Personen, die sich
später in dem Raum aufhalten müssen, also Patienten und Personal, selbst wenn der
Raum gelüftet wurde.
Dauer der Isolierungsmaßnahmen
Die Dauer der Maßnahmen ist abhängig
vom klinischen Ansprechen auf die antituberkulotische Therapie. In den USA wird
gefordert, dass vor Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen drei an verschiedenen
Tagen abgenommene Sputumproben mikroskopisch negativ sind [5, 11, 33, 38]. Bei
Infektion mit normal empfindlichen Stämmen von M. tuberculosis können die Isolierungsmaßnahmen unter folgenden Bedin-
Tuberkulose
gungen spätestens drei Wochen nach Beginn der Therapie aufgehoben werden:
■ Adäquate Therapie über zwei Wochen
mit klinischer Besserung
■ Kein Husten mehr oder zweimal mikroskopisch negatives Sputum
■ Kein Hinweis auf Infektion mit multiresistentem Stamm
■ Überwachte Weiterführung der Therapie gesichert
■ Bei Entlassung Rückkehr in ein Umfeld ohne gefährdete Personen, wie insbesondere Kleinkinder oder Personen
mit zellulärem Immundefekt
Eine Aufrechterhaltung der Isolierungsmaßnahmen über die Dauer von drei Wochen hinaus ist in folgenden Fällen erforderlich:
■ Mikroskopischer Nachweis säurefester
Stäbchen im Sputum oder Magensaft
länger als drei Wochen nach TherapieBeginn
■ Keine durchgreifende klinische Besserung, z.B. wegen Erregerresistenz
■ Verdacht auf resistenten Stamm, z.B.
bei Patient aus Osteuropa
■ Unzuverlässige Medikamenteneinnahme bei nicht kooperativen Patienten
(deshalb nach Möglichkeit immer die
Medikamente unter Beobachtung einnehmen lassen = directly observed therapy = DOT)
Besondere Hinweise
■ Säuglinge und (Klein-)Kinder: Im Allgemeinen sind die angegebenen Isolierungsmaßnahmen bis ins Kleinkindalter nicht erforderlich, weil kleine Kinder mit Tuberkulose selten husten und
im Vergleich zu Erwachsenen im Bronchialsekret nur geringe Keimzahlen
aufweisen [5, 16, 38]. Finden sich aber
Kavernen oder besteht eine Kehlkopf-
159
Tuberkulose müssen sie als ebenso infektiös wie erwachsene Patienten angesehen werden [6].
■ Extrapulmonale Tuberkulose: Isolierungsmaßnahmen sind nur erforderlich, wenn sezernierende Läsionen, z.B.
bei abszedierender Lymphknoten-Tuberkulose, vorhanden sind. In diesen
Fällen sind Standard-Hygienemaßnahmen, wie Einmal-Handschuhe und Kittel bei möglicher Kontamination, ausreichend. In der Regel müssen diese
Patienten nicht in einem Einzelzimmer
untergebracht werden, weil normalerweise keine Freisetzung der Erreger in
die Luft in Form von Aerosolen stattfindet. Solche Infektionsherde dürfen
aber nicht offen gespült werden, weil es
dabei zu einer künstlichen Aerosolbildung kommen kann [22]. Es wurde
aber wiederholt über TuberkuloseÜbertragungen ausgehend von Patienten mit extrapulmonalen Manifestationen berichtet [7, 30].
BCG-Impfung
Die Tuberkulose-Impfung hat im Gegensatz zu vielen anderen Impfungen neben
unbestreitbaren Vorteilen allerdings auch
gewisse Nachteile, weshalb ihr Einsatz unterschiedlich beurteilt wird [5]:
■ Weltweit ist sie die am häufigsten verabreichte Impfung.
■ Ihre Effektivität ist umstritten, da das
Tuberkulose-Risiko nur um ca. 50% reduziert wird.
■ Sie bietet in mehr als 50% der Fälle jedoch Schutz vor den lebensbedrohlichen Komplikationen der TuberkuloseInfektion, der disseminierten Infektion
und der Meningitis.
■ Hauptargument gegen die Impfung ist
die Frage, ob eine Impfung, die nur bei
ca. 50% der Impflinge protektiv ist, den
160
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Verlust der Aussagekraft der Tuberkulin-Reaktion auf eine frische Infektion
rechtfertigt, weil jeder Geimpfte – zumindest viele Jahre lang – ein positives
Testergebnis zeigt.
Vorgehen nach Tuberkulose-Exposition
Infektiosität
Stellt sich bei einem Patienten heraus, dass
er eine Tuberkulose hat, und war diese Diagnose zuvor nicht bekannt oder vermutet
worden, muss zunächst geklärt werden, ob
der Patient infektiös ist bzw. war, also eine
offene Tuberkulose der Atemwege hat (siehe oben). Bei extrapulmonaler Tuberkulose
kommt es unter normalen Umständen nicht
zu einer Freisetzung des Erregers in die
Luft, sodass bei der Versorgung dieser Patienten für das Personal nicht die Gefahr der
Inhalation infektiöser Aerosole besteht.Allerdings dürfen derartige Infektionsherde
nicht offen gespült werden (siehe oben).
gangssituation sofort nach Bekanntwerden der Exposition ein Tuberkulin-Hauttest durchgeführt. Der Test wird 8 Wochen
später wiederholt.Wird dann eine Konversion festgestellt, muss 8–12 Wochen nach
der Exposition eine Röntgen-Aufnahme
des Thorax durchgeführt werden, um zu
klären, ob eine manifeste Erkrankung vorliegt; ggf. wird eine Therapie begonnen. Bei
fehlenden Krankheitssymptomen muss
eine sog. Postexpositionsprophylaxe mit
Isoniazid für 6–12 Monate erwogen werden [5, 19].
Mit-Patienten
Analog zu den Personaluntersuchungen
wird bei den Mit-Patienten vorgegangen.
Bei Patienten, die schon entlassen oder
verlegt sind, wird der Hausarzt oder die
nachsorgende Einrichtung benachrichtigt,
die dann nach dem gleichen Schema vorgehen, um zu eruieren, ob die Exposition
zu einer Infektion geführt hat.
Personaluntersuchung
Muss ein Patient retrospektiv als infektiös
eingestuft werden, müssen Personaluntersuchungen eingeleitet werden, um zu eruieren, ob der Kontakt mit dem bis dahin
noch unerkannten Tuberkulose-Patienten
zu einer Erregerübertragung geführt hat.
Tuberkulin-positive Kontaktpersonen
Bei Personen, die bereits als Tuberkulin-positiv bekannt sind, muss ca. 8–12 Wochen
nach Exposition neben der üblichen klinischen Untersuchung eine Röntgen-Aufnahme der Lunge durchgeführt werden. Bei
manifester Tuberkulose-Erkrankung wird
eine entsprechende Therapie eingeleitet.
Tuberkulin-negative Kontaktpersonen
Bei Personen, die bis dahin Tuberkulin-negativ waren, wird zur Feststellung der Aus-
Abschließende Hinweise
Zusammenfassend haben bei der Tuberkulose-Prävention im Krankenhaus organisatorische Maßnahmen den höchsten Stellenwert [5, 9, 16, 23, 38]. Das bedeutet insbesondere, dass Mediziner die Tuberkulose immer in die differenzialdiagnostischen
Überlegungen einbeziehen, bei entsprechender klinischer Symptomatik die Verdachtsdiagnose stellen, die Patienten bis
zur Sicherung der Diagnose isolieren und
schnell mit einer antituberkulotischen
Therapie beginnen müssen. Schutzmaßnahmen für das Personal sind bei hohem
Expositionsrisiko wichtig. Aber das größte
Risiko für Kontaktpersonen ist nicht der
identifizierte Tuberkulose-Patient oder etwa die suboptimale Maske, sondern der
unerkannte Patient mit offener Tuberkulose der Atemwege [37, 61].
Tuberkulose
Es müssen aber auch regionale Unterschiede in der Tuberkulose-Prävalenz berücksichtigt werden, sodass nicht für jedes
Krankenhaus die gleichen Empfehlungen
gelten können [5, 9, 16, 23, 29]. So liegt in
Deutschland eine andere epidemiologische Situation vor als in den USA, wo aber
andererseits große Unterschiede in der Tuberkulose-Prävalenz zwischen den großen
Metropolen einerseits und ländlichen Gebieten andererseits bestehen. Umfangreiche Informationen über die Bedeutung
der Tuberkulose weltweit können ständig
aktualisiert über das Internet abgerufen
werden [26].
Schließlich muss immer wieder auch deutlich gemacht werden, dass das TuberkuloseRisiko für Beschäftigte im Gesundheitsdienst nicht vollständig beseitigt, sondern
maximal auf das Risiko der Allgemeinbevölkerung reduziert werden kann.
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B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Anästhesiologie
In der Anästhesie werden vielfältige invasive Techniken angewendet, die prinzipiell
alle mit einem teilweise beträchtlichen Infektionsrisiko assoziiert sind. Beachtung
der Standard-Hygienemaßnahmen und
aseptisches Arbeiten bei Injektionen,
Punktionen und ebenso beim Intubieren
sind deshalb entscheidende Voraussetzungen für die Prävention von Infektionen
(siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“
und Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“).
Als Mitarbeiter der Operationsabteilung
ist das Anästhesiepersonal darüber hinaus
an die dort üblichen Hygieneregeln gebunden (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“).
Intubationsnarkosen
Der Umgang mit Narkosezubehör für Inhalationsnarkosen ist heute durch die
Qualität des Materials sowie durch einfache und sichere maschinelle Aufbereitungsmöglichkeiten aus hygienischer Sicht
relativ unkompliziert (siehe unten). Für
die Verwendung von Einmal-Material gibt
es deshalb keine Veranlassung.
Wechsel des Narkoseschlauchsystems
■ Schlauchwechsel nach jedem Patienten
(keine Filter etc.)
oder
■ Verwendung von HME (Heat-andmoisture exchanger, sog. künstliche Nasen) oder bakteriendichter Filter (mit
oder ohne HME-Funktion) und Wechsel des HME nach jedem Patienten,
während das Schlauchsystem für die
folgenden Narkosen weiterverwendet
wird (dann Aufbereitung nur einmal
täglich, möglicherweise auch seltener)
■ HME bzw. Filter zu verwenden und
diese zusammen mit dem Schlauchsystem nach der Narkose zu wechseln, ist
auch bei Patienten mit Infektionen der
Atemwege, wie insbesondere auch Tuberkulose, nicht erforderlich.
Kreissystem
■ Wechsel bei den modernen Narkosegeräten alle 72 Stunden, wöchentlich bzw.
nach einer bestimmten vom Hersteller
angegebenen Zahl von Betriebsstunden
■ Kein Wechsel nach Einsatz bei Patienten mit Tuberkulose erforderlich
Sowohl der Wechsel des Schlauchsystems
nach jedem Patienten als auch der alternative Einsatz von HME sind aus hygienischer Sicht adäquate Maßnahmen, um eine
Übertragung potenziell pathogener Erreger zu verhindern. Für den Einsatz bakteriendichter Filter gibt es jedoch keine
Grundlage, da aufgrund der Daten in der
Fachliteratur weder Narkosegase noch das
Narkosegerät als Erregerreservoir für postoperative Pneumonien in Frage kommen
[4–8, 12].
Narkoseausleitung
Die Ausleitung der Narkose kann sowohl im
Ein-/Ausleitungsraum als auch im Operationssaal stattfinden. Aus hygienischer Sicht
gibt es keine Präferenz; entscheidend sind
allein organisatorische Gesichtspunkte.
Anästhesiologie
Moderne bauliche Konzepte für Operationsabteilungen sehen z.T. ohnehin keine
Ein-/Ausleitungsräume mehr vor, weil die
dafür notwendigen Flächen besser genutzt
und damit die Investitionen für die teuren
technischen Vorrichtungen eingespart
werden können [9]. Man hätte dann z.B.
zwei nebeneinander liegende Operationssäle, wobei im einen Saal die Ausleitung
stattfindet, während im Nachbarsaal der
nächste Patient bereits eingeleitet wird.
Damit wären Räume und Technik optimal
genutzt.
Regionalanästhesien
Die Allgemeinnarkose durch Inhalation
ist in zahlreichen Fällen durch die verschiedenen Möglichkeiten der heute
durchführbaren Regionalanästhesien ersetzt worden, die auch postoperativ oder
bei chronischen Schmerzen für die
Schmerztherapie genutzt werden können.
Gemeinsam haben alle diese Formen (von
der rückenmarksnahen Regionalanästhesie über die Anästhesie der Extremitäten
mittels Plexusblockade bis hin zu den Leitungsanästhesien im Bereich der Hände
und Füße), dass sie bedingt durch die Notwendigkeit der Punktion und Injektion in
sterile Körperareale mit lokalen und systemischen Infektionsrisiken verbunden sind.
Intraspinale Abszessbildung und durch
vergrünende Streptokokken (vermutlich
aus dem Respirationstrakt des Personals)
verursachte Meningitis nach Spinalanästhesien sind mehrfach berichtet worden [2,
3, 8, 10, 11, 14]. Aber auch Weichteilinfektionen, z.B. nach Fußblockade, können
schwer wiegende Folgen für den Patienten
haben. Deshalb müssen auch bei einfachen
Regionalanästhesien die Standard-Hygienemaßnahmen sorgfältig beachtet werden.
Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen
erforderlich:
165
■ Sorgfältige Händedesinfektion
■ Gründliche und großflächige Hautdesinfektion im Bereich der Punktionsstelle
■ Aseptische Handhabung von Spritzen,
Kanülen und Medikamenten
■ Sterile Handschuhe und Abdecktücher
bei Spinalanästhesien und tiefen Infiltrationen im Bereich der ExtremitätenPlexus
■ Bei Spinalanästhesien soll während der
Vorbereitung der Medikamente, während Punktion, ggf. Legen von SpinalKathetern und bei den Injektionen so
wenig wie möglich gesprochen werden;
dies ist wahrscheinlich wichtiger, als eine Maske zu tragen, obwohl diese zweifellos einen partiellen Schutz gewährleisten kann [13].
Intravenöse Anästhesien
Die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen ist eine wichtige Voraussetzung für die Infektionsprävention bei Gabe intravenöser Medikamente [8]. Hinzu
kommt die absolute Notwendigkeit, mit
Mehrdosis-Behältnissen so sorgfältig umzugehen, dass eine exogene Kontamination des Inhalts nicht stattfinden kann [8].
Wenn es zu Infektionen im Zusammenhang mit intravenösen Anästhesieverfahren kommt, sind nahezu immer Fehler in
der aseptischen Technik dafür verantwortlich. Deshalb:
■ Intravenöse Anästhetika nicht vorrichten
■ Für jeden Patienten neues Injektionszubehör verwenden
■ Reste von Narkoselösungen nicht bei
anderen Patienten weiterverwenden
Propofol
Besondere Bedeutung unter den intravenös angewendeten Anästhetika hat Propo-
166
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
fol, mit dessen Applikation mehrfach Ausbrüche verbunden waren [1, 8, 15]. Die
meisten Anästhetika liegen einerseits in
schwach saurer Lösung vor, wodurch
schon allein das mikrobielle Wachstum gehemmt wird, und enthalten andererseits
Konservierungsstoffe. Bei Propofol dagegen ist die Lösung lipidhaltig und nicht mit
Konservierungsstoffen versetzt. Dadurch
ist Propofol für eine exogene Kontamination sehr anfällig [1, 8]. Wenn also bei der
Entnahme von Propofol aus der Ampulle
keine vollständig aseptische Technik angewendet wird, kann es zu einer Kontamination der Lösung kommen, die eine Infektion verursachen kann [8, 15].
Aus diesem Grund macht auch der Hersteller ausdrückliche Angaben zum Umgang mit der Substanz:
■ Nach dem Öffnen der Ampulle gleich
in eine sterile Spritze aufziehen
■ Anschließend sofort mit der Verabreichung beginnen
■ Jede Ampulle nur bei einem einzigen
Patienten einsetzen
■ Die verwendete Spritze sowie etwaige
Reste in der Ampulle am Ende der
Operation entsorgen
Maßnahmen nach der Operation
Aufwachraum
In Hinsicht auf die Infektionsprävention
ist es unerheblich, ob der Aufwachraum in
die Operationsabteilung integriert ist (erkennbar daran, dass das Personal ebenfalls
die in der Operationsabteilung übliche Bereichskleidung trägt) oder als angrenzender, aber außerhalb liegender Bereich geführt wird. Das Anästhesie-Personal kann
in jedem Fall die Patienten in den Aufwachraum begleiten, ohne sich anschließend frische Bereichskleidung anziehen zu
müssen. Das postoperative Infektionsrisi-
ko bleibt davon unbeeinflusst, auch wenn
Operateure gelegentlich etwas anderes behaupten.
Reinigung und Desinfektion
Für die Reinigung und Desinfektion werden – abhängig von der Verträglichkeit der
Materialien – vorzugsweise thermische
Verfahren eingesetzt (siehe Kapitel B.2
„Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Der überwiegende Teil des Anästhesiezubehörs kann in Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen aufbereitet und
braucht anschließend, wie z.B. Narkoseschläuche, nicht zusätzlich sterilisiert zu
werden.
Narkosegeräte werden außen mit Reinigungs- oder (meist) Desinfektionsmittel
abgewischt und für den nächsten Patienten
neu bestückt. Maßnahmen zur Desinfektion des Inneren der Geräte, wie sie früher
mit der Formaldehydkammer versucht
wurden, sind ineffektiv und darüber hinaus
überflüssig, da es zu keiner Kontamination
im Inneren kommt, die desinfizierende
Maßnahmen erforderlich machen würde.
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J Hosp Infect 1998; 39: 67–70
168
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Augenheilkunde
Nosokomiale Augeninfektionen sind sehr
selten, können aber in Neugeborenen-Abteilungen einen relevanten Anteil an den
nosokomialen Infektion haben; wenn es
sich aber nicht um schwere Infektionen am
Auge, wie z.B. Endophthalmitis, handelt,
werden Augeninfektionen außer bei Neugeborenen aber auch häufig nicht wahrgenommen [13, 18].
Ursachen nosokomialer Augeninfektionen
Postoperative Augeninfektionen
Im Zusammenhang mit Operationen können exogene und endogene Erregerreservoire für Infektionen verantwortlich sein
(siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“) [4, 6, 11, 13, 15,
18]:
Exogene Erregerreservoire
Kontaminationen von intraoperativ angewendeten Lösungen, Instrumenten oder
Geräten inkl. Zubehör können Ursache von
postoperativen Augeninfektionen sein, z.B.
■ Spüllösungen
■ Haut- und Schleimhautdesinfektionsmittel
■ Implantate (Kunststofflinsen)
■ Transplantate (Hornhaut)
■ Chirurgische Instrumente
■ Operationsmikroskop
■ Silikonschläuche für Phakoemulsifikations- und Vitrektomiegerät
Die häufigsten Erreger sind dabei:
■ Enterobakteriazeen
■ Pseudomonas spp.
■ Sprosspilze
■ Koagulase-negative Staphylokokken
■ Pneumokokken
Endogenes Erregerreservoir
Eine bei weitem größere Rolle als Keime
aus der Umgebung spielt die körpereigene
Flora des Patienten. Durch die physiologische Besiedlung des äußeren Auges und
der Tränenflüssigkeit ist natürlicherweise
ein potenzielles Erregerreservoir für postoperative Infektionen vorhanden [13, 18].
Operationsunabhängige
Augeninfektionen
Sowohl exogene als auch endogene Erregerreservoire können bei Infektionen am
Auge, die unabhängig von Operationen
auftreten, verantwortlich sein [2, 3, 8, 13,
18]:
Exogene Erregerreservoire
Kontaminationen des Auges über direkten
oder indirekten Kontakt können für Augeninfektionen verantwortlich sein. Dabei
spielen die Hände des Personals die bedeutendste Rolle, z.B. unzureichende Händehygiene bei Versorgung von Neugeborenen mit Konjunktivitis oder Patienten mit
Keratoconjunctivitis epidemica (siehe unten).
Bei Erregerübertragungen durch indirekten Kontakt kann es sich z.B. um kontaminierte Augentropfen oder Augensalbe handeln. Deshalb ist die vorsichtige Handhabung bei der Applikation von Medikamenten aus Mehrdosis-Behältnissen, die bei
Augenheilkunde
verschiedenen Patienten zum Einsatz kommen, von großer Bedeutung. Jegliche Berührung mit dem Patienten, z.B. der Augenpipette auch nur mit den Wimpern, muss
vermieden werden. Ansonsten muss das
Fläschchen etc. verworfen werden. Bei Verwendung einer Salbentube für mehrere Patienten soll deshalb die Applikation der
Salbe mit einem Glasstäbchen erfolgen.
Für Patienten mit Infektionen am Auge
sollen immer eigene Medikamente verwendet werden, wobei auch dann Berührungen vermieden werden müssen, damit
es nicht zu einer Rekontamination des Auges kommen kann.
Bei beatmeten Intensivpatienten ist ein Infektionsrisiko dann gegeben, wenn beim
endotrachealen Absaugen das Auge mit
respiratorischem Sekret kontaminiert wird
(unvollständiger Lidschluss bei komatösen
Patienten). Deshalb soll der Katheter nach
dem Absaugen nicht über die obere Gesichtshälfte des Patienten geführt werden
[8].
Endogenes Erregerreservoir
Unter begünstigenden Bedingungen, wie
z.B. Austrocknung oder Verletzung, kann
auch die ortsständige Flora des Auges zu
Infektionen führen. Sehr selten kann es
über eine hämatogene Aussaat von Erregern aus einer Infektion an einer anderen
Körperstelle oder via Translokation von
Erregern aus dem Darm (siehe Kapitel B.4
„Bakteriämie“) zu einer Absiedlung im
Auge und einer Endophthalmitis kommen. Beim Nachweis bestimmter Erreger
im Blut, wie insbesondere Candida spp.
und Bacillus spp., für deren Absiedlung das
Auge eine Prädilektionsstelle darstellt,
muss man auch ohne klinische Symptomatik immer eine Beteiligung des Auges ausschließen und ein augenärztliches Konsil
einholen [5, 15].
169
Keratoconjunctivitis epidemica
Die durch Adenoviren (vor allem Typ 8)
verursachte Keratoconjunctivitis epidemica (sog. „Epidemica“) ist in der Regel sehr
kontagiös und nimmt deshalb unter den
Augeninfektionen einen besonderen Platz
ein [1, 7, 10, 12, 17]. Die Infektion wird über
direkten und indirekten Kontakt, aber
nicht, wie gelegentlich angenommen wird,
aerogen übertragen. Bis ca. zwei Wochen
nach Auftreten der ersten klinischen
Symptome müssen die Patienten als infektiös betrachtet werden.
Nicht selten macht die Versorgung infizierter Patienten unter stationären Bedingungen Probleme, und zwar insbesondere,
wenn es sich um die typischen Patienten
ophthalmologischer Stationen handelt.
Dies sind alte Menschen, die häufig
schlecht sehen, weshalb sie ja auch ins
Krankenhaus kommen. Diese Patienten in
ihren Zimmern zu isolieren bzw. zu erreichen, dass sie sich möglichst nicht in die
Augen fassen und insgesamt auf eine sorgfältige persönliche Händehygiene achten,
ist kaum realisierbar. Man muss also unter
solchen Bedingungen von einer beträchtlichen Kontamination des unbelebten Umfeldes ausgehen, wodurch andere Personen (Mitpatienten und Personal) prinzipiell gefährdet sind, wenn sie nicht ihrerseits
auf eine konsequente Händehygiene achten, um indirekte Übertragungen zu vermeiden.
In sporadischen Fällen wird man deshalb
immer versuchen, den betroffenen Patienten nach Hause zu entlassen. Hat man
mehrere infizierte Patienten, sei es im
Rahmen eines Ausbruchs innerhalb des
Krankenhauses oder aufgrund jahreszeitlicher Häufungen in der Bevölkerung, ergeben sich daraus erhebliche organisatorische Probleme, weil man meist nicht alle
Patienten nach Hause entlassen bzw. ins
170
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Pflegeheim zurückverlegen kann (dann
würde das Problem nur verschoben).
Man muss unter diesen Umständen versuchen, die Umgebungskontamination so gering wie möglich zu halten. Jeder Patient
muss entsprechend informiert und immer
wieder daran erinnert werden, dass bei
Kontakt mit dem Gesicht eine Kontamination der Hände und nachfolgend die Kontamination der Umgebung mit den Erregern
möglich ist. An möglichst vielen Stellen der
Station innerhalb und außerhalb der Patientenzimmer, also auch auf den Fluren, sollen gut sichtbar Flaschen mit Händedesinfektionsmittel stehen, weil damit das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Händehygiene wach gehalten werden kann.
Eine erhöhte Reinigungsfrequenz der
Stellen, die häufig mit den Händen berührt
werden, ist in solchen Situationen zumindest hilfreich. Der Zusatz von Desinfektionsmitteln erscheint hier nicht erforderlich, weil einerseits Adenoviren als hüllenlose Viren ohnehin relativ resistent gegen
Desinfektionsmittel sind, weil aber andererseits allein schon die mechanische Reinigung durch Wischen einen wesentlichen
Teil der mikrobiellen Kontamination, also
auch der viralen, beseitigt. Wichtig ist vor
allem Sauberkeit.
Händehygiene
Die Übertragung von Mensch zu Mensch
via direkten oder indirekten Kontakt kann
nur durch sorgfältige Händehygiene verhütet werden. Dem Patienten muss die
Notwendigkeit der Händereinigung erklärt und eine effektive Methode gezeigt
werden (siehe dazu Kapitel B.1 „StandardHygiene“). Um den Stellenwert dieser
Maßnahmen für den Patienten noch zu unterstreichen, kann man ihm ein Händedesinfektionsmittel geben und ihn bitten, dies
zusätzlich anzuwenden. Von großer Be-
deutung ist aber schon allein der mechanische Spüleffekt, den man am besten mit
warmem Wasser und Seife erreicht.
Auch für das Personal ist Händehygiene
die wichtigste Maßnahme, um Übertragungen bzw. Selbstinokulation zu vermeiden. Bei jedem Kontakt mit dem Gesicht
eines Patienten mit „rotem Auge“, also insbesondere bei jeder augenärztlichen Untersuchung, müssen darüber hinaus Handschuhe getragen werden, um die Kontamination der Hände so gering wie möglich zu
halten. Anschließend ist es besonders
wichtig, die Handschuhe sofort wieder auszuziehen, um nicht die Umgebung damit
zu kontaminieren.
Dekontamination von Gegenständen
mit Patientenkontakt
Die Übertragung durch indirekten Kontakt
mit Instrumenten oder Geräten, die bei der
Untersuchung der Patienten verwendet
werden, kann nur durch gründliche Reinigung und ggf. Desinfektion verhindert werden (siehe unten). Diese Maßnahmen müssen im Übrigen immer, also ungeachtet der
epidemiologischen Situation, eingehalten
werden, weil auch ohne klinische Symptomatik, d.h. „rotes Auge“, ein Patient bereits
infiziert sein und deshalb ein Erregerreservoir darstellen kann. Bei Entlassung bzw.
Verlegung eines Patienten werden die Pflegeutensilien mitgegeben oder verworfen
und das Zimmer gründlich gereinigt.
Patienteninformation
Damit die Patienten wissen, wie sie sich in
ihrem privaten Leben mit ihrer Augeninfektion zu verhalten haben, ist es empfehlenswert, ihnen ein Merkblatt auszuhändigen, auf dem sie die wichtigsten Informationen zusammengefasst nachlesen können. Dies kann beispielsweise folgendermaßen aussehen:
Augenheilkunde
Patienteninformation zur
Keratoconjunctivitis epidemica
Die Keratoconjunctivitis epidemica (sog.
„Epidemica“ oder „Augengrippe“) ist eine
Augeninfektion, die von Viren verursacht
wird und eine schmerzhafte Entzündung
des Auges (gerötetes Auge) hervorrufen
kann. In aller Regel verschwinden die
Symptome innerhalb kurzer Zeit ähnlich
einer „Grippe“ wieder von selbst. Die Infektion ist aber sehr ansteckend und kann
deshalb leicht auf andere Personen der Familie oder des Bekanntenkreises übertragen werden. Die folgenden Hinweise sollen Ihnen helfen, eine Übertragung der Erreger zu vermeiden:
1. Achten Sie darauf, Ihre Augen so wenig
wie möglich zu berühren. Wenn Sie
aber Kontakt mit den Augen hatten,
dann waschen Sie gleich danach Ihre
Hände gründlich mit warmem Wasser
und Seife.
2. Verwenden Sie keine Gegenstände gemeinsam mit anderen Personen, die
Kontakt mit Ihren Augen oder Händen
hatten, wie insbesondere Waschlappen,
Handtücher, Kopfkissen und (Sonnen-)
Brillen.
3. Wenn Sie zu einem Arzt müssen oder
zur Kontrolle in die Augenklinik kommen, sagen Sie schon bei der Anmeldung, dass Sie eine Keratoconjunctivitis epidemica haben.
4. Während der Erkrankung sind Sie
nicht arbeitsfähig, Sie sollten den Kontakt mit anderen Personen möglichst
meiden.
171
gungen und sonstige Schädigungen der Patienten zu verhüten (siehe dazu auch Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).Abhängig davon, wie eng der Kontakt von Instrumenten bzw. Geräten mit
dem Auge des Patienten ist, unterscheidet
man Gegenstände mit hohem und mit niedrigem Übertragungsrisiko [2, 3, 13, 14, 18]:
Hohes Übertragungsrisiko
Druckhütchen und Kontaktgläser
■ Sofort nach der Anwendung mit einem
Zellstofftupfer gründlich abwischen
■ Anschließend z.B. für 5 Minuten in z.B.
80%igen Alkohol einlegen (alternativ
10 Minuten in 2,5%ige alkalische Glutaraldehydlösung)
■ Kontaktfläche vollständig und luftblasenfrei eintauchen (ggf. mit Metallsieb
beschweren)
■ Anschließend Alkohol verdunsten lassen bzw. Desinfektionsmittelreste unter fließendem Wasser sorgfältig abspülen und abtrocknen
Das alleinige Abwischen mit Alkohol ist
keine regelrechte Desinfektion. Der Erfolg dieser Maßnahme hängt entscheidend
von der Sorgfalt der Durchführung ab. Obwohl in experimentellen Untersuchungen
als wirksam beschrieben [16], dürfte damit
in der täglichen Praxis ein relevantes
Übertragungsrisiko verbunden sein. Deshalb muss eine genügende Anzahl von
Druckhütchen etc. angeschafft werden, um
sie nach Einsatz am Patienten (wie oben
beschrieben) effektiv reinigen und desinfizieren zu können.
Reinigung und Desinfektion
Im Folgenden werden Hinweise gegeben,
wie die verschiedenen für die Augenheilkunde spezifischen Gegenstände und Geräte gereinigt und ggf. desinfiziert bzw. sterilisiert werden müssen, um Erregerübertra-
Schioetz-Geräte
■ Nach Gebrauch Gewicht vom Gewinde
des Stiftes abdrehen
■ Stift entnehmen und mit z.B. 80%igem
Alkohol abwischen
172
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Hohlraum zunächst mit Aqua dest.
durchspülen und anschließend mit einer Spezialbürste (z.B. Pfeifenreiniger)
trocknen
■ Gerät wieder zusammensetzen und mit
Heißluft sterilisieren
■ In geschlossenem Gehäuse aufbewahren
Ultraschallsonde
■ Sofort nach Gebrauch gründlich mit
z.B. 80%igem Alkohol abwischen
■ Anschließend Alkohol verdunsten lassen
Kontaktlinsen
■ Weiche und harte Kontaktlinsen für 10
Minuten in 3%ige WasserstoffperoxidLösung einlegen (Herstellerangaben
beachten)
■ Anschließend mit Leitungswasser abspülen und je nach Material trocken oder
in spezieller Lösung, die regelmäßig gewechselt werden muss, aufbewahren
■ Weiche Kontaktlinsen aus SilikonHydrogel für den Langzeit-Gebrauch
(Einweg-Produkte, die Tag und Nacht
getragen werden und nach mindestens
einer Woche bis längstens vier Wochen
verworfen werden sollen) sind mit einem erhöhten Keratitis-Risiko assoziiert, weshalb ihre Anwendung nicht
empfohlen werden kann [3].
Endoskop für Tränengangoperationen
■ Spülen mit Aqua dest., trocknen und
anschließend in Sterilisierfolie verpacken, vorzugsweise Plasmasterilisation,
ggf. auch Formaldehydgassterilisation
■ Alternativ, wenn nicht genügend Endoskope zur Verfügung stehen, nach Gebrauch mit Aqua dest. spülen und anschließend in 2,5%ige alkalische Glutaraldehyd-Lösung für mindestens 20 Mi-
nuten so einlegen, dass alle Oberflächen
luftblasenfrei in die Lösung eintauchen
■ Anschließend mit sterilen Handschuhen aus der Lösung nehmen und mit
sterilem Aqua dest. die Desinfektionsmittelreste gründlich abspülen, mit sterilen Kompressen trocknen und bis
zum nächsten Gebrauch z.B. in Sterilisierfolie einschweißen (als „desinfiziert“ beschriften)
Vitrektomiegerät etc. und
Silikonschlauchsystem
■ Schläuche nach der Operation vom
Gerät abnehmen und mit Aqua dest.
gründlich durchspülen, anschließend
mit Druckluft innen trockenblasen und
außen mit Kompressen trocknen
■ Zusammen mit dem anderen Zubehör
(Handstück etc.) z.B. in speziellem Metallcontainer autoklavieren
■ Wichtig ist, die Schläuche nicht in Desinfektions- (oder Reinigungs-)Lösung
einzulegen, weil auch nach gründlichem Spülen Reste der Mittel im bzw.
am Silikon zurückbleiben können, die
zu toxischen Schädigungen am Auge
der nachfolgend operierten Patienten
führen können.
■ Da, wenn auch sehr selten, Kontaminationen im Inneren der Geräte vorkommen können, muss das Verbindungsstück zum Druckaufnehmer nach jeder
Operation mit Alkohol abgewischt
werden; sicherer ist die Verwendung eines bakteriendichten Filters an dieser
Stelle, der einmal täglich gewechselt
werden kann [9].
Niedriges Übertragungsrisiko
Spaltlampe
■ Teile mit Patientenkontakt (z.B. mit
Stirn oder Händen) mit z.B. 80%igem
Alkohol abwischen
Augenheilkunde
■ Teile ohne Patientenkontakt mit Reinigungsmittel abwischen
■ An der Kinnstütze nach jedem Patienten die Papierauflage wechseln
Gerät zur Prüfung des Gesichtsfeldes
■ Kinnstütze und Stirnband wie bei der
Spaltlampe behandeln
■ Restliche Teile ohne Patientenkontakt
mit Reinigungsmittel abwischen
Andere Gegenstände
■ Glasstäbchen zur Salbenapplikation entweder manuell reinigen und sterilisieren
oder in Reinigungs- und Desinfektionsmaschine (RDM) vollautomatisch reinigen und thermisch desinfizieren
■ Augenklappen, Gitterbrillen und Augenspreizer in RDM reinigen und desinfizieren
■ Anschließend alle Gegenstände staubgeschützt aufbewahren
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174
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Dialyse
Dialyse-Patienten sind – abhängig vom
Dialyse-Verfahren (Hämo- oder Peritonealdialyse) – unterschiedlichen Infektionsrisiken ausgesetzt [3, 5–11, 16, 20]. Insgesamt spielen Infektionen im Rahmen der
Dialyse neben den durch die Grundkrankheiten gegebenen Gesundheitsrisiken die
größte Rolle.
Im Folgenden werden die Ursachen für Infektionen bei Hämodialyse und Peritonealdialyse behandelt sowie Empfehlungen
für deren Prävention gegeben. Für die Verfahren der Hämofiltration gelten die gleichen Hygienemaßnahmen wie im Umgang
mit anderen intravasalen Kathetern, weshalb dazu auf Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“ und Kapitel B.4 „Bakteriämie“
verwiesen werden kann.
Hämodialyse
Die häufigsten Infektionen im Zusammenhang mit der Hämodialyse sind 1) lokale
Infektionen im Bereich von zentralen Venenkathetern (ZVK) bzw. des Shunts, 2)
systemische Komplikationen infolge Bakteriämie bzw. Endotoxin-bedingten pyrogenen Reaktionen durch Kontamination
von Dialysat, Dialysator oder DialyseSchlauchsystem und 3) mit Blut übertragbare Virusinfektionen, in erster Linie Hepatitis B [3, 5–11, 14, 16, 18–20]. Ein korrekter Umgang mit dem Dialyse-Gerät
inkl. Wasseraufbereitung, mit Dialyse-Kathetern bzw. Shunt und die Maßnahmen
der Standard-Hygiene, insbesondere disziplinierte und sorgfältige Händehygiene,
stehen deshalb bei der Infektionsprävention im Mittelpunkt.
Dialyse-Gerät
Bei der Hämodialyse werden Blut und
Dialysat gleichzeitig auf gegenüberliegenden Seiten einer semipermeablen Membran, dem Dialysator, entlanggeführt.
Durch diese Membran diffundieren die
harnpflichtigen Substanzen aus dem Blut
in das isotonische und isoionische Dialysat. Das Konzentrationsgefälle wird durch
große Mengen Dialysat aufrecht erhalten.
Theoretisch können Bakterien, Viren und
Proteine etc. eine intakte Dialyse-Membran nicht passieren. Minimale Läsionen
der Membran können aber den Übertritt
von Mikroorganismen oder Toxinen in beide Richtungen zulassen. Deshalb muss
durch geeignete Maßnahmen
■ bei der Aufbereitung des für die Herstellung des Dialysats notwendigen Wassers,
■ bei der Zumischung des Dialyse-Konzentrats,
■ bei der Führung von Wasser und Dialysat zum Dialyse-Gerät,
■ im Umgang mit dem Dialyse-Schlauchsystem bei der Aufrüstung des DialyseGerätes
und
■ bei der Desinfektion des Dialyse-Gerätes
dafür gesorgt werden, dass eine Kontamination des Systems nicht zustande kommen oder eliminiert werden kann.
Wasseraufbereitung
Trinkwasser muss für die Dialyse aufbereitet werden, um Mikroorganismen und
Dialyse
Fremdstoffe, wie Chlor, gelöste Salze und
Metallionen etc., zu entfernen [2, 4, 7–9,
15]:
■ Das optimale Verfahren ist die Umkehrosmose, womit man durch eine nur für
Wassermoleküle passierbare Membran
mikrobiologisch und chemisch nahezu
reines Wasser erhält [7, 8]. Mikroläsionen der Membran können jedoch vorkommen und die Passage von Bakterien oder Endotoxin ermöglichen.
■ Die UV-Licht-Behandlung ist ungeeignet, weil nicht alle Bakterien gleich
empfindlich gegen UV-Licht sind und
weil der Endotoxin-Gehalt des Wassers
dadurch nicht beeinflusst wird [4, 7, 8].
■ Alle anderen Methoden mit verschiedenen Filtern und Ionenaustauscher
bzw. Deionisator führen meist allein zu
keiner ausreichenden Wasserqualität,
weil die Systeme ein geeignetes Reservoir für Bakterien und damit auch Endotoxin darstellen [4, 7, 8]. Die mikrobiologische Wasserqualität kann durch
diese Behandlungen sogar schlechter
werden.
■ Die Kombination der verschiedenen
Methoden zur Vorbehandlung des
Wassers mit nachfolgender Umkehrosmose und einer abschließenden Ultrafiltration ist für die Bereitstellung von
chemisch und mikrobiologisch adäquatem Wasser sehr gut geeignet [7, 8].
Im aufbereiteten Wasser soll gemäß der
Europäischen Pharmakopoe (PhEur 3 =
Europäisches Arzneibuch) die Gesamtkeimzahl ≤100 KBE/ml liegen, und in den
USA wird eine Keimzahl ≤200 KBE/ml
empfohlen [4]. Laut PhEur 3 soll der Endotoxingehalt ≤0,25 IE/ml sein.
Dialysat
Das Dialyse-(Acetat- oder Bikarbonat-)
Konzentrat bietet Mikroorganismen durch
175
seinen hohen Salz- und ggf. auch GlukoseGehalt keine guten Wachstumsbedingungen. Bei Bikarbonat gilt dies wegen des für
das Wachstum von Bakterien ungünstig
niedrigen pH-Wertes insbesondere für
saures Bikarbonat, während in alkalischem Bikarbonat, das aus zentralen Tankanlagen über ein Rohrleitungssystem zu
den Dialyse-Plätzen geführt wird, nicht
selten Gram-negative Wasserkeime nachgewiesen werden können.
Das Dialysat entsteht durch z.B. 1:34-Mischung des Konzentrats mit dem aufbereiteten Wasser.Aufgrund seiner Zusammensetzung ist es dann im Gegensatz zum Dialyse-Konzentrat ein geeignetes Medium
für die Vermehrung von Wasserkeimen. In
den USA wird eine Keimzahl ≤2000
KBE/ml als Grenze gesetzt wird [4, 7, 8].
Laut PhEur soll der Endotoxingehalt im
Dialysat <0,5 IE/ml betragen.
Tanks und Leitungen für Wasser,
Dialyse-Konzentrat und Dialysat
Durch Stagnation von Wasser und DialyseKonzentrat in zentralen Tankanlagen und
Leitungssystemen mit blinden Enden bzw.
Stichleitungen wird die bakterielle Besiedlung der Anlagen gefördert, weshalb eine
regelmäßige Desinfektion des gesamten
Systems inkl. der Tanks (mit mechanischer
Entfernung des Biofilms) gewährleistet
sein muss, um die Konzentration von Bakterien und Endotoxin so niedrig wie möglich zu halten [7, 8]. Die Leitungsquerschnitte sollen, um die Strömungsgeschwindigkeit zu erhöhen und damit die
Absiedlung von Bakterien an den inneren
Oberflächen der Leitungen zu behindern,
so gering wie möglich sein [7, 8].
Da es in den Leitungen für alkalisches Bikarbonat schnell zu einer Kontamination
mit Wasserbakterien kommt, soll es stattdessen am Dialyse-Platz aus Kanistern
176
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
oder als Trockensubstanz aus Kartuschen
entnommen werden. Um die bakterielle
Konzentration im Dialysat vor der Dialyse
möglichst gering zu halten, soll das Dialysat
außerdem erst kurz vor dem Einsatz auf
Körpertemperatur angewärmt werden.
Dialyse-Schlauchsystem
Das Schlauchsystem, das Dialysat und Patientenblut durch den Dialysator leitet,
kann bei der Vorbereitung der Dialyse,
beim Aufrüsten des Gerätes und beim Füllen mit NaCl-Lösung kontaminiert und
Ursache für septische Komplikationen bei
den behandelten Patienten werden [1].
Deshalb muss auf sorgfältige Händehygiene geachtet und jede direkte Berührung
mit den Anschlussstücken beim Zusammensetzen vermieden werden.
Aufbereitung des Dialyse-Gerätes
Nach jeder Dialyse müssen die Geräte, d.h.
die Dialysat-führenden Teile im Inneren
der Maschine, dekontaminiert werden [4,
7, 8]. Es stehen dafür thermische und chemische Methoden zur Verfügung:
■ Dampfsterilisation bei 121 °C (nur
möglich bei autoklavierbaren Geräten
mit Edelstahlwanne)
■ Desinfektion mit heißem Wasser bei einer Soll-Temperatur von ca. 84 °C für
20 min (Zugabe von Zitronensäure zur
Verhinderung von Kalkablagerungen
und Biofilmbildung)
■ Chemische Desinfektion mit Peressigsäure, Formaldehyd, Glutaraldehyd
oder Natriumhypochlorit bei 37 °C
Eine Dampfsterilisation ist zwar aus mikrobiologisch-hygienischer Sicht optimal,
autoklavierbare Geräte stehen aber meist
nicht zur Verfügung. Die thermische und
chemische Desinfektion sind jedoch ebenfalls effektiv. Es gibt deshalb keinen
Grund, beide Desinfektionsmethoden
nacheinander anzuwenden. Dies wird in
manchen Dialyse-Abteilungen so gehandhabt, um Blut-assoziierte Viren sicher zu
inaktivieren, ist jedoch nicht sinnvoll, weil
jede Methode für sich bereits eine Inaktivierung von HBV und anderen relevanten
Viren erreicht.
Mikrobiologische Untersuchungen
In regelmäßigen Abständen sind stichprobenartige mikrobiologische Kontrollen
von Dialysewasser und Dialysat sinnvoll
[7, 8]. Dafür gibt es verschiedene Richtwerte (siehe oben „Wasseraufbereitung“
und „Dialysat“), die aber nicht als absolute Grenzen, die nicht überschritten werden
dürfen, verstanden werden sollen. Sie basieren auf mikrobiologischen Untersuchungen im Rahmen von epidemiologischen Studien und können deshalb lediglich als Orientierung dienen: septische und
pyrogene Reaktionen sind bei diesen Werten unwahrscheinlich [5, 7, 8].
Untersucht werden sollen
■ Wasser für die Herstellung des Dialysats (Abnahme direkt am Dialyse-Platz
aus der Ringleitung)
■ basisches Bikarbonat, wenn aus Ringleitungen verwendet (Abnahme direkt
am Dialyse-Platz aus der Leitung)
■ Dialysat vor der Dialyse
Die Häufigkeit der Untersuchungen muss
sich an den mikrobiologischen Ergebnissen orientieren. Zunächst sind monatliche
Intervalle sinnvoll. Bei guten Ergebnissen
können die Intervalle auf drei bis sechs
Monate ausgedehnt werden. Bei mikrobiologischen oder infektiologischen Problemen müssen sie verkürzt werden, und bei
einer Änderung in der Wasserbehandlung
müssen Kontrollen außer der Reihe durchgeführt werden.
Dialyse
Wichtigste Infektionen
und Präventionsmaßnahmen
ZVK- bzw. Shunt-Infektionen
Lokale Infektionen im Bereich des ZVK
oder der internen AV-Fistel am Shuntarm
können zu schweren septischen Komplikationen führen [5–10, 16–18]. Der häufigste
Erreger eitriger Infektionen ist S. aureus;
aber auch Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) sind nicht selten Ursache
von Infektionen, insbesondere bei Patienten mit einer Kunststoff-AV-Fistel. DialysePatienten gehören zu den Patientengruppen, die zu einem hohen Prozentsatz mit S.
aureus besiedelt sind (in manchen Untersuchungen zu 50–60%) (siehe Kapitel B.10
„MRSA“), weshalb die sorgfältige Hautdesinfektion vor Injektionen und Punktionen
einen sehr hohen Stellenwert bei der Prävention von Infektionen hat [7–9, 16, 18].
Bei Dialyse über ZVK oder einen temporären externen AV-Shunt müssen die gleichen Regeln wie im Umgang mit normalen
ZVK beachtet werden (siehe Kapitel B.3
„Intravasale Katheter“ und Kapitel B.4
„Bakteriämie“) [18]. Der interne Shunt
muss für jede Dialyse punktiert werden,
und es besteht dadurch die Gefahr der
Kontamination mit Keimen von der Haut
des Patienten oder den Händen des Personals. Folgende Maßnahmen sind deshalb
für die Infektionsprävention erforderlich
[7, 8, 16, 18]:
■ Shuntarm gründlich mit warmem Wasser und Flüssigseife waschen und anschließend mit frischem Stoffhandtuch
abtrocknen
■ Sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion der Punktionsstelle mit einer
Einwirkzeit von mindestens einer Minute (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.3 „Punktionen
und Injektionen“)
177
■ Vor der Punktion Einmal-Handschuhe
anziehen, danach keine Flächen in der
Umgebung des Patientenbettes mehr
berühren (siehe unten „Übertragung
von HBV“) und den Shunt punktieren
(sichere Fixation der Punktionskanüle,
Punktionsstelle mit sterilem Pflaster
bedecken)
Maske und Kopfschutz sind für den Infektionsschutz in ihrer Effektivität nicht bewiesen (vergl. andere invasive Maßnahmen) und werden auch in den meisten Dialyse-Abteilungen nicht eingesetzt. Ebenfalls keinen Anhalt gibt es dafür, dass für
die Punktion eines Kunststoff-Shunts sterile Handschuhe und steriler Kittel erforderlich sind. Auch ein steriles Lochtuch ist
für die Infektionsprävention nicht entscheidend, sondern die gründliche Vorbereitung der Punktionsstelle mit Reinigung
und Desinfektion.
Ungeklärt ist ferner, ob die Shunt-Punktionsstelle zwischen den Dialysebehandlungen verbunden werden soll oder offen bleiben kann. Bei lokalen Infektionszeichen,
insbesondere bei einer Sekretion aus der
Punktionsstelle, muss ein Abstrich zur mikrobiologischen Untersuchung geschickt
werden, und bei jedem unklaren Fieber
muss eine Shunt-Infektion in Betracht gezogen und eine Blutkulturdiagnostik
durchgeführt werden.
Komplikationen durch Kontamination des
Dialyse-Systems
Pyrogene Reaktionen können bedingt
durch die Passage von Endotoxinen (Lipopolysaccharide: Bestandteil der Zellmembran Gram-negativer Bakterien) durch die
semipermeable Dialysator-Membran oder
aufgrund transmembranöser Stimulation
der Zytokin-Produktion durch Endotoxine in der Dialyseflüssigkeit (Zytokin-Antwort bei Langzeit-Dialyse-Patienten im
178
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Vergleich zu Patienten, die nicht dialysiert
werden, verstärkt) auftreten.
Bakteriämie bzw. Sepsis kann durch die
Passage von intakten Bakterienzellen
durch die Dialyse-Membran verursacht
werden, die prinzipiell nicht für Bakterien
durchlässig ist, aber auch ohne Beschädigung vereinzelt minimale, für Bakterien
passierbare, Membranläsionen aufweisen
kann.
Sowohl für Bakteriämie bzw. Sepsis als
auch pyrogene Reaktionen gilt:
Je höher die Keimzahl Gram-negativer
Bakterien oder die Endotoxin-Konzentration im Dialysat, umso größer die Wahrscheinlichkeit der Passage von Bakterien
oder Endotoxin durch die Membran
(Richtwerte siehe oben unter „Wasseraufbereitung“ und „Dialysat“).
Neben den mikrobiologischen Kontrollen
von Wasser und Dialysat, die immer nur
sporadisch durchgeführt werden können,
hat deshalb die systematische Beobachtung pyrogener und septischer Episoden
eine wesentliche Bedeutung, um Problembereiche rechtzeitig zu erkennen.
Blut-assoziierte Virusinfektionen
Sowohl für Patienten als auch für das Personal ist das Risiko, eine HBV-Infektion zu
akquirieren, im Vergleich zu einer Infektion mit HVC oder HIV, am größten (siehe
Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch
Blutkontakt“) [5, 7, 8, 10]. Da HDV als defektes RNA-Virus nur zusammen mit
HBV eine Infektion verursachen kann, ist
das HDV-Risiko abhängig von einer
gleichzeitigen oder aufeinander folgenden
Exposition gegenüber HBV und HDV.
HBV
■ Außerordentlich hohe Viruskonzentrationen im Blut von Patienten, die nicht
nur HBsAg-, sondern auch HBeAg-positiv sind
■ Umgebungskontamination mit HBV
auch ohne sichtbares Blut möglich
■ Außerhalb des Organismus relativ stabil und deshalb längere Zeit infektionstüchtig
■ Blutexposition bei Hämodialyse hoch,
deshalb HBV-Risiko für Personal und
Patienten hoch
Die Übertragung von HBV bei der Hämodialyse kann auf folgenden Wegen (mit abnehmender Wahrscheinlichkeit) stattfinden [5, 7, 8]:
■ Perkutane Inokulation durch Nadelstichverletzung
■ Perkutane Übertragung durch Kontakt
von Blut mit Hautläsionen
■ Schleimhautkontakt mit Blut
■ Schleimhautkontakt mit anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten außer Blut
■ Indirekter Kontakt mit (nicht notwendigerweise sichtbarem) Blut durch
kontaminierte Oberflächen
Hinweise auf eine aerogene Übertragung
von HBV gibt es nicht, ebenso wenig auf
einen gastrointestinalen Infektionsweg.
Hauptsächliche Ursachen für Infektionen
beim Personal sind Nadelstichverletzungen. Wegen der prinzipiell kontinuierlichen Blutexposition spielen beim Personal
auch Hautläsionen als Eintrittspforte eine
nicht unwesentliche Rolle.
Infektionen bei den Patienten können im
Zusammenhang mit Injektionen entstehen,
wenn die Injektionsstelle, z.B. nach Kontakt
der Hände oder Handschuhe des Personals
mit Oberflächen, kontaminiert wurde, oder
durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen an Stellen mit nicht intakter Haut
zustande kommen. Sie können auch durch
unsachgemäßen Umgang mit Mehrdosis-
Dialyse
Behältnissen hervorgerufen werden [12,
13]. Es gibt keine Berichte über Infektionsübertragungen von infizierten Mitgliedern
des Personals auf Patienten [5, 7, 8].
Die (nicht sichtbare) Umgebungskontamination mit HBV auf Dialyse-Stationen
scheint einen bedeutenden Einfluss auf die
HBV-Übertragungswahrscheinlichtkeit zu
haben [5, 7, 8]. Deshalb sollen sich die Präventionmaßnahmen darauf konzentrieren,
dieses Risiko zu reduzieren. Eine Kontamination im Innern der Dialyse-Geräte
wird demgegenüber als wenig relevant betrachtet [5, 7, 8].
HCV
■ Im Vergleich zu HBV in der Regel
niedrige Viruskonzentrationen im Blut
■ Stabilität außerhalb des Organismus
scheint wesentlich geringer zu sein als
bei HBV
■ Übertragungsrisiko deshalb niedriger
als bei HBV (und HDV)
■ Multiple HCV-Genotypen aufgrund
der Ergebnisse von Nukleotid-Sequenzierungen von HCV-Isolaten
■ Außerdem besteht HCV bei einem infizierten Individuum aus mehreren genetisch verwandten, aber unterschiedlichen Subpopulationen.
■ Anders als bei HBV-infizierten Dialyse-Patienten ist, abgesehen von der geringeren Umgebungskontamination,
auch deshalb eine räumliche Trennung
HCV-infizierter Patienten von den übrigen Dialyse-Patienten nicht sinnvoll,
weil es aufgrund der genetischen Heterogenität der HCV-Populationen in der
Gruppe der HCV-infizierten Patienten
ebenfalls zu Übertragungen mit anderen HCV-Stämmen kommen kann.
HDV
■ Virus mit defekter RNA, das für seine
Replizierung die gleichzeitige Anwe-
179
senheit von HBV benötigt und deshalb
nur zusammen mit HBV eine Infektion
verursachen kann (als simultan erworbene Koinfektion oder als im Anschluss an eine primäre HBV-Infektion
erworbene Superinfektion)
■ HBV-Prävention bedeutet deshalb
gleichzeitig Schutz vor einer Infektion
mit HDV.
■ Außerordentlich hohe Viruskonzentrationen im Blut (bis zu dreifach höher
als die HBV-Titer bei Hepatitis B)
■ Für das Übertragungsrisiko gelten deshalb dieselben Hinweise wie bei HBV.
Maßnahmen zur Prävention
Die sorgfältige Beachtung der StandardHygienemaßnahmen (siehe Kapitel B.1
„Standard-Hygiene“) schützt sowohl die
Patienten als auch das Personal vor der
Übertragung Blut-assoziierter Viren. Im
Einzelnen lassen sich die erforderlichen
Maßnahmen folgendermaßen zusammenfassen [5, 7–10, 12, 13, 16, 18, 20]:
■ Gründliche Händehygiene durch Händewaschen bzw. Händedesinfektion sowie Schutz vor Haut- und Schleimhautkontakt mit Blut durch Handschuhe,
Schutzkittel und ggf. Gesichtsschutz,
wenn Kontamination mit Blut möglich
ist
■ Umgang mit Einmal-Handschuhen
– Vor Kontakt mit potenziell kontaminierten Patienten- oder Dialyse-Materialien (Personalschutz) anziehen
– Vor der Versorgung eines Patienten
frische Handschuhe anziehen
– Vor der Palpation bei der Vorbereitung von Injektionen bzw. Punktionen nach Anziehen der Handschuhe
keine Flächen (z.B. Dialyse-Gerät)
mehr berühren, um eine Kontamination der Handschuhe auch bei optisch sauberen Flächen und damit eine mögliche Übertragung infolge
180
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
nicht sichtbarer Flächenkontamination zu verhindern
Kein Austausch von Gegenständen
der allgemeinen Patientenversorgung
(z.B. Scheren, Klemmen, Blutdruckmanschetten, Thermometer), von Instrumenten und Medikamenten zwischen den Patienten, unabhängig davon, ob bei ihnen eine mit Blut übertragbare Infektion bekannt ist oder
nicht
Zentrale Medikamentenvorbereitung
abseits der Dialyse-Plätze
Eindeutige räumliche Trennung sog.
reiner und unreiner Bereiche für die
Handhabung von Gegenständen der
Patientenversorgung
Sichere, vorzugsweise thermische Aufbereitungsmethoden für wiederverwendbare Gegenstände
Geschirr und Besteck ebenso behandeln wie bei Patienten außerhalb der
Dialyse
Kinderspielzeug maschinell-thermisch
reinigen (z.B. Geschirrspülmaschine)
oder mit Alkohol abwischen
Mit Blut kontaminierte Wäsche von
HBV- bzw. HCV-infizierten Patienten
als sog. infektiöse Wäsche entsorgen
Sämtliche Abfälle als Hausmüll entsorgen
Sorgfältige Reinigung bzw. Desinfektion der Flächen in der ferneren und näheren Patientenumgebung
Gezielte Desinfektion nach Kontamination von Flächen mit Blut möglichst
schnell durchführen
Kanülen sofort nach Gebrauch in
durchstichsichere Behälter abwerfen
(aber gesonderte Kanülenabwurfbehälter für Kanülen, die bei Patienten
mit chronischer Hepatitis im Einsatz
waren, haben keinen Einfluss auf den
Infektionsschutz von Patienten und
Personal)
Spezielle Maßnahmen bei HBV- bzw.
HBV/HDV-Infektion
HBV-Screening
■ Routinemäßig bei allen Patienten bei
Aufnahme und beim Personal bei der
Einstellung HBsAg und anti-HBs bestimmen (gegen die Beschäftigung von
HBsAg-positivem Personal auf Dialyse-Stationen gibt es keine Einwände)
■ Untersuchungen in Abständen wiederholen (Intervalle abhängig von der
Zahl infizierter Patienten und vom
Impfstatus von Patienten und Personal)
■ Patienten und Personal, die länger als
sechs Monate HBsAg-positiv sind, sollen einmal jährlich nachuntersucht
werden (manchmal erst verspätet wieder negativ).
HBV-Impfung
■ Patienten und Personal, die nicht immun sind (anti-HBs <10 mIE/ml), müssen aktiv geimpft werden.
■ Liegen bei Patienten nach der Impfung
die anti-HBs-Titer >10 mIE/ml, soll
einmal jährlich eine Kontrolle durchgeführt werden.
■ Bei geimpften Patienten sind Auffrischimpfungen erforderlich, wenn die
anti-HBs-Titer <10 mIE/ml liegen (bei
Personal dagegen, das auf die Impfung
adäquat reagiert hat, sind Kontrollen
nicht erforderlich)
Personelle Trennung
Personal, das HBV-infizierte Patienten
versorgt, soll nach Möglichkeit nicht
gleichzeitig für nicht infizierte Patienten
sorgen, um eine Übertragung über kontaminierte Hände bzw. Handschuhe auszuschließen (kann aber anti-HBs-positive
Patienten versorgen). Wegen des grund-
Dialyse
sätzlich hohen Übertragungsrisikos soll
auch für HBV/HDV-positive Patienten eigenes Personal zur Verfügung stehen, das
HBV-positive, aber HDV-negative Patienten nicht gleichzeitig versorgen muss. Die
Trennung des Personals ist für den Schutz
vor Übertragungen wichtiger als eine
räumlich-apparative Trennung [5, 7, 8].
Räumlich-apparative Trennung
Wegen des hohen Risikos der Umgebungskontamination aufgrund der hohen Virustiter im Blut von HBV- und auch HDV-infizierten Patienten wird in den USA für
diese Patienten eine räumlich getrennte
Dialyse-Versorgung mit speziellen, nur bei
diesen Patienten verwendeten DialyseGeräten (bei denen es ebenfalls um die potenzielle Kontamination der Geräteoberfläche und nicht um eine durch die GeräteAufbereitung nicht sicher zu eliminierende
Kontamination im Innern der Geräte
geht) empfohlen [5, 7, 8]. Dabei müssen
aber auch die HDV-infizierten Patienten
von den nur HBV-infizierten Patienten
räumlich und apparativ (sowie personell,
siehe oben) getrennt versorgt werden.
HBV-Ausbrüche sind nämlich auch bei
Einhaltung der räumlichen Trennung vorgekommen, konnten aber darauf zurückgeführt werden, dass die empfohlenen
Maßnahmen, wie serologisches Screening
der Patienten (und damit Erkennung der
infektiösen Patienten), Trennung des Personals für die Versorgung von HBV-infizierten und -nicht infizierten Patienten
oder Benutzung von Mehrdosis-Behältnissen nur für einen Patienten, nicht ausreichend beachtet wurden [12, 13].
Ist eine räumliche Trennung nicht zu verwirklichen, sollen die infizierten Patienten
so weit wie möglich von den nicht infizierten getrennt und von eigenem Personal
versorgt werden. Wenn eine apparative
181
Trennung nicht möglich ist, können die
Geräte nach üblicher Aufbereitung (siehe
oben) und gründlicher Reinigung bzw.
Desinfektion der Oberfläche auch bei
nicht infizierten Patienten eingesetzt werden [5, 7, 8].
Maßnahmen bei HCV-Infektion
Die Tatsache, dass HCV in wesentlich geringeren Konzentrationen im Blut infizierter Personen vorhanden ist als HBV, bedeutet, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit wesentlich geringer ist als bei
HBV und rechtfertigt deshalb nicht die
Forderung nach einer getrennten personellen, räumlichen und apparativen Versorgung HCV-infizierter Patienten.Außerdem gibt es bislang noch keine ScreeningVerfahren, um anti-HCV-positive infektiöse und nicht-infektiöse Patienten voneinander zu unterscheiden.
Innerhalb einer HCV-Kohorte wären also
Reinfektionen mit demselben Stamm und
(wegen der genetischen Vielfalt von
HCV) darüber hinaus auch Superinfektionen mit anderen Stämmen möglich.
Aus diesen Gründen wird in den USA
empfohlen, HCV-positive Patienten zusammen mit nicht-infizierten Patienten
unter den gleichen Bedingungen zu dialysieren [5, 7, 8].
Maßnahmen bei HIV-Infektion
Wie bei der HCV-Infektion sind auch bei
der HIV-Infektion die Viruskonzentrationen im Blut in der Regel gering, sodass
die Standard-Hygienemaßnahmen ausreichen, um Übertragungen zu verhindern.
Deshalb sind für die Infektionsprävention
in Dialyse-Abteilungen weder ein routinemäßiges HIV-Screening der Patienten
noch eine räumlich, apparativ und personell getrennte Versorgung HIV-positiver
Patienten erforderlich. Wie bei allen mit
Blut übertragbaren Infektionen müssen
182
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
zum Schutz des Personals unter allen Umständen Nadelstichverletzungen vermieden werden.
anderer Raum zur Verfügung steht. Wichtig ist, dass umsichtig gearbeitet wird, um
eine Kontamination der Umgebung zu
vermeiden:
„Gelbe“ und „weiße“ Dialyse
Die traditionelle Unterteilung in „gelbe“
und „weiße“ Dialyse ist zu undifferenziert,
was das Übertragungsrisiko von Blut-assoziierten Viren angeht, und sollte deshalb
verlassen werden. Patienten mit den verschiedenen Infektionen jeweils getrennt zu
dialysieren, ist demgegenüber zu absolut,
aber auch realitätsfern und deshalb undurchführbar.
■ Verband vorsichtig mit Einmal-Handschuhen entfernen und beides sofort
danach in einen Abfallbehälter ablegen
■ Anschließend Händedesinfektion, ggf.
wieder Handschuhe anziehen und
Wundversorgung mit No-Touch-Technik
■ Gebrauchte Instrumente sofort nach
ihrem Einsatz in einen Transport-Behälter legen
■ Alle benutzten Materialien so schnell
wie möglich aufräumen, wodurch eine
Kontamination der Umgebung effektiv
vermieden werden kann
■ Zum Abschluss nochmals Händedesinfektion (auch wenn Handschuhe getragen wurden)
Maßnahmen bei Patienten mit
polyresistenten Erregern
Ein Patient, der z.B. mit MRSA oder mit
polyresistenten Gram-negativen Bakterien, besiedelt oder infiziert ist, kann in der
Dialyse-Abteilung dialysiert werden,
auch wenn dort kein Einzelzimmer zur
Verfügung steht. Bei Einhaltung der Standard-Hygienemaßnahmen, vor allem häufige Händedesinfektion und vernünftiger
Umgang mit Einmal-Handschuhen (siehe
Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel
B.9 „Isolierung bei Kolonisation und Infektion“ und Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“), besteht keine Gefahr, dass
z.B. allein durch die Anwesenheit eines
MRSA-Patienten die anderen DialysePatienten mit MRSA besiedelt werden [5,
7, 8].
Ein solcher Patient muss deshalb nicht außerhalb der Dialyse-Abteilung behandelt
werden, wenn dies zu medizinischen oder
erheblichen organisatorischen Problemen
führen würde, auch wenn die räumliche
Trennung infizierter oder kolonisierter Patienten grundsätzlich bevorzugt wird, um
das Übertragunsgrisiko zu reduzieren.
Verbandswechsel können auch am Dialyseplatz vorgenommen werden, wenn kein
Peritonealdialyse
Die Peritonealdialyse wird heute meist
nicht mehr intermittierend mit automatischen Peritonealdialyse-Geräten, sondern
als kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD) durchgeführt, bei der die
Patienten lernen, sich selbst zu versorgen.
Sie müssen deshalb im aseptischen Umgang mit Peritonealkatheter und Spülflüssigkeit gut geschult werden.
Die wesentlichen Infektionsrisiken bei
CAPD sind die lokale Infektion an der
Eintrittsstelle des getunnelt laufenden und
in der Peritonealhöhle endenden Katheters (sog. Exit-site-Infektion), die TunnelInfektion und die Peritonitis [3, 7, 11]. Die
häufigsten Erreger sind Staphylokokken,
und wiederum sind nasopharyngeal mit S.
aureus besiedelte Patienten am meisten infektionsgefährdet.
Dialyse
Wichtigste Infektionen
Exit-site-Infektion
■ Rötung, Schwellung und/oder Schmerzen an der Ein- bzw. Austrittsstelle des
Peritonealkatheters mit oder ohne Exsudation
■ Ausdehnung der Entzündungszeichen
auf die Katheter-Eintrittsstelle begrenzt
Tunnel-Infektion
■ Entzündungszeichen im Verlauf des
subkutanen Tunnels (mit oder ohne Infektionszeichen an der Katheter-Eintrittsstelle)
Peritonitis
■ Schmerzen im Abdomen
■ Ablaufendes Dialysat trüb
Präventionsmaßnahmen
Anlage des Peritonealkatheters
Die Anlage des Katheters erfolgt in der
Regel unter den bei einer Operation üblichen Bedingungen. Im Folgenden sind die
wichtigsten aseptischen Maßnahmen bei
der Vorbereitung des Patienten aufgeführt
[3, 7, 11]:
■
■
■
■
Händedesinfektion
Steriler Kittel
Sterile Handschuhe
Großzügige Abdeckung des Patienten
mit sterilen Tüchern
■ Sorgfältige Hautdesinfektion (mindestens 1 Minute wie vor Anlage von
ZVK, besser 3 Minuten wie üblicherweise präoperativ)
Verbandswechsel
Der Verband wird meist alle zwei Tage gewechselt. Bei jedem Verbandswechsel
183
wird die Haut um die Eintrittsstelle des
Katheters sorgfältig desinfiziert (z.B. mindestens 30 Sekunden mit einem alkoholischen Hautdesinfektionsmittel) und auf
Entzündungszeichen hin inspiziert. Entweder werden konventionelle Verbände
mit Mull und Pflaster oder transparente
Folienverbände verwendet. In jedem Fall
muss die Kathetereintrittsstelle sorgfältig
überwacht werden, z.B. durch tägliche
Palpation bei konventionellen Verbänden
(siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“).
Anschluss des Spülsystems
Die Patienten müssen intensiv in der aseptischen Handhabung von Katheter-Anschlussstück und Dialysat-Überleitungssystem geschult werden. Auf folgende
Maßnahmen muss dabei großer Wert gelegt werden:
■ Desinfektion der Arbeitsfläche mit Alkohol
■ Gründliche Händedesinfektion (Ringe
und Armbänder zuvor ablegen)
■ Einmal-Handschuhe anziehen
■ Desinfektion des Anschlussstücks
durch Einsprühen mit Hautdesinfektionsmittel (Einwirkzeit mindestens 30
Sekunden)
■ Überleitungssystem ohne Berührung
der Ansatzstücke an den Katheter anschließen
Maske und Kopfschutz müssen nicht getragen werden.
Reinigung und Desinfektion
Kontaminationen mit Blut kommen in
Dialyse-Abteilungen naturgemäß wesentlich häufiger vor als in anderen Krankenhausabteilungen (außer Operationsabteilungen). Wegen des prinzipiellen Risikos
der Übertragung von Viren wie HBV etc.
184
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
muss deshalb in Dialyse-Abteilungen großer Wert auf Sauberkeit gelegt werden [5,
7, 8]. Dies wird durch übersichtliche Anordnung von Geräten, Zubehör und anderem Material der Patientenversorgung ermöglicht. Deshalb muss bei der Planung
von Dialyse-Abteilungen darauf geachtet
werden, dass für jeden Dialyse-Platz eine
ausreichend große Fläche zur Verfügung
steht.
Neben den üblichen täglichen Reinigungsmaßnahmen muss die gezielte Desinfektion nach einer Kontamination mit Blut so
schnell und gründlich wie möglich durchgeführt werden. Dies trägt wesentlich dazu
bei, eine (unsichtbare) Kontamination der
Umgebung mit Viren wie HBV zu verhindern [5, 7, 8].
Weil der Flächen-Kontamination in Dialyse-Abteilungen bei der Übertragung Blutassoziierter Viren eine große Bedeutung
zugeschrieben wird, müssen insbesondere
die Flächen, die vom Personal häufig mit
den Händen berührt werden müssen, sauber gehalten werden. Praktisch immer
wird die Dekontamination der Flächen in
Dialyse-Abteilungen als routinemäßige
Desinfektion durchgeführt. Dies darf aber
nicht zu einem falschen Gefühl von Sicherheit führen und darüber hinwegtäuschen,
dass die Flächen dennoch durch zwischenzeitlichen Kontakt mit Händen oder
Handschuhen kontaminiert worden sein
können.
Neben der optischen Sauberkeit der Flächen ist es demnach für den Schutz der Patienten am wichtigsten, vor der Shuntpunktion (und ähnlichen invasiven Maßnahmen) nach Anziehen der Handschuhe
keine Flächen mehr zu berühren, um eine
Kontamination der Handschuhe mit z.B.
HBV und damit eine Übertragung des Virus auf den Patienten bei der Palpation der
Punktionsstelle zu verhindern.
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186
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Endoskopie
Endoskopische Techniken sind schon seit
langem ein wesentlicher Bestandteil der
Medizin. Sie werden sowohl bei Diagnostik
als auch Therapie eingesetzt, und ihre Weiterentwicklung hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass endoskopische Verfahren
teilweise sogar konventionelle chirurgische
Eingriffe ersetzt haben. In der minimal-invasiven Chirurgie werden Endoskopie und
chirurgisches Vorgehen effektiv miteinander kombiniert, um das operative Eingreifen so begrenzt wie möglich zu halten.
Ob konventionelle Gastro- oder Koloskopie, endoskopisch-laparoskopische Rendezvous-Techniken oder minimal-invasives
Operieren: gemeinsam ist all diesen Verfahren, dass relativ kompliziert aufgebaute und
lange Geräte mit einem oder mehreren, teilweise sehr engen Lumina verwendet werden, deren Reinigung hohe Anforderungen
an das Personal bei manueller bzw. an Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen
(RDM) bei automatischer Aufbereitung
stellt. Hinzu kommt, dass flexible Endoskope nicht thermostabil, also nicht autoklavierbar sind, sodass man sich bei der Dekontamination auf Reinigung und Desinfektion
beschränken muss (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfekion – Sterilisation“).
Aber auch das bei flexiblen endoskopischen Verfahren eingesetzte wiederverwendbare Zubehör (z.B. Biopsiezangen,
Schlingen, Papillotome) ist, obwohl autoklavierbar, problematisch, weil die Reinigung oft nicht zuverlässig möglich ist, sodass auch das anschließende Sterilisieren
nicht mit ausreichender Sicherheit eine
Erregerübertragung ausschließen kann.
Infektionsrisiken
Endogene Erregerreservoire
Ein Transfer potenziell pathogener Keime
aus einem physiologischerweise besiedelten Körperareal im Bereich der verwendeten Körperöffnung in tiefer liegende keimarme bis keimfreie Regionen des Körpers
(z.B. ERCP, Bronchoskopie) ist möglich.
Ferner kann es bedingt durch die Schleimhautmanipulation zu transienten, meist
asymptomatischen Bakteriämien kommen, die z.B. bei Patienten mit Herzklappenschaden zu einer Absiedlung an den
Herzklappen und nachfolgender Endokarditis führen können.
Exogene Erregerreservoire
Übertragung von Patient zu Patient
Erregerübertragungen von Patient zu Patient wurden verschiedentlich beschrieben
(z.B. Salmonellen, Pseudomonas aeruginosa, atypische Mykobakterien, Mycobacterium tuberculosis, Helicobacter pylori, Hepatitis B- und Hepatitis C-Virus) und auf
unzureichende Aufbereitungsmaßnahmen
– mangelnde Reinigung, zu kurze Einwirkzeiten des Desinfektionsmittels oder ineffektive Desinfektionsmittel – zurückgeführt (siehe unten „Reinigung und Desinfektion“) [1–3, 9, 12, 16, 19].
Übertragung aus der unbelebten
Umgebung
Sehr häufig sind für Kontaminationen von
Endoskopen sog. Wasserkeime aus dem
bei der Aufbereitung verwendeten Wasser
Endoskopie
(z.B. beim Nachspülen) verantwortlich
(siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Um Rekontaminationen der gereinigten und (chemisch) desinfizierten
Endoskope zu verhindern, muss deshalb
besondere Sorgfalt auf das Nachspülwasser verwendet werden (siehe unten
„Reinigung und Desinfektion“). Es erscheint aus diesem Grunde sinnvoll, in der
gesamten Endoskopieabteilung anstelle
der konventionellen Siebstrahlregler alternativ Lamellen-Strahlregler zu verwenden.
Auch die Hersteller von Endoskop-RDM
(ERDM) haben in den letzten Jahren zunehmend die Problematik des normalerweise nicht keimfreien Wassers berücksichtigt und in ihren Geräten entweder eine Behandlung des Wassers mit UV-Licht
oder eine thermische Desinfektion durch
Aufheizen des Wassers auf 95 °C vorgesehen [4, 11].
Personalschutz
Die üblichen Schutzmaßnahmen vor Kontakt mit Patientenmaterial (z.B. Handschuhe, Kittel, Maske) haben auch in der
Endoskopie große Bedeutung. Beim Umgang mit den kontaminierten Endoskopen
im Rahmen der Aufbereitungsmaßnahmen besteht jedoch kein besonderes Übertragungsrisiko, wenn die Regeln der Standard-Hygiene beachtet werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
Bei Bronchoskopien von Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege besteht
die Möglichkeit der Übertragung der Erreger via Aerosol, weshalb das Personal
bei diesen Patienten (und bei entsprechenden Verdachtsfällen) während der Untersuchung Atemschutzmasken tragen soll,
um sich vor der Inhalation der infektiösen
Aerosole zu schützen (siehe Kapitel B.5
„Tuberkulose“).
187
Insbesondere im Zusammenhang mit H.
pylori gibt es eine Reihe von Untersuchungen über das Risiko des Endoskopiepersonals, diesen Erreger bei der Patientenversorgung zu akquirieren. Insgesamt scheint
Endoskopiepersonal ein erhöhtes Risiko
für eine H. pylori-Infektion zu haben [18].
Definitive Aussagen würden jedoch Daten
aus großen prospektiven Studien erfordern, die es derzeit jedenfalls noch nicht
gibt.
Reinigung und Desinfektion
Die maschinelle Aufbereitung in ERDM
hat heute die früher übliche manuelle Aufbereitung von Endoskopen vielerorts verdrängt. Obwohl eine sorgfältig durchgeführte manuelle Reinigung und Desinfektion aus mikrobiologisch-hygienischer
Sicht gute Ergebnisse liefert, ist die maschinelle Aufbereitung insgesamt von Vorteil, weil dadurch personelle Kapazitäten
frei werden und der Personalschutz durch
Wegfall des Kontaminationsrisikos und
der Desinfektionsmittelexposition verbessert wird. Aber auch die maschinelle Aufbereitung ist noch nicht ohne Probleme [1,
2, 6, 11, 19].
Vorreinigung
Unabhängig davon, ob die Aufbereitung
manuell oder maschinell durchgeführt
wird, ist es üblich und erforderlich, dass alle Kanäle des Endoskops sofort nach Beendigung der Untersuchung mit Wasser
(mit oder ohne Reinigungsmittel) durchgespült werden, um eine Antrocknung der
Kontaminationen im Innern des Gerätes
zu verhindern. Dieser Schritt gehört notwendigerweise zum Aufbereitungsprozess,
wird aber meist nicht gemeint, wenn von
„Vorreinigung“ die Rede ist.
Vielmehr wird unter „Vorreinigung“ das
Einlegen in Reinigungs- oder Desinfekti-
188
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
onslösung und das manuelle Durchbürsten der Kanäle verstanden. Dieser Schritt
ist ein normaler Bestandteil der manuellen Endoskop-Aufbereitung. Bei der maschinellen Aufbereitung in den modernen
vollautomatisch arbeitenden ERDM gibt
es diesbezüglich jedoch Kontroversen. Es
hat heftige Auseinandersetzungen zwischen Hygienikern und Herstellern von
ERDM über die Notwendigkeit der
mechanischen Vorreinigung mittels Bürste gegeben. In der Praxis jedenfalls wird
bei maschineller Aufbereitung überwiegend auf das Vorreinigen verzichtet; Expertenempfehlungen laufen aber darauf
hinaus, dass dieser manuelle Schritt vor
der maschinellen Aufbereitung unverzichtbar ist.
Auch wenn die manuelle Aufbereitung
mehr und mehr an Bedeutung verliert,
muss dennoch gelegentlich auf das manuelle Verfahren zurückgegriffen werden.
Deshalb werden im Folgenden dazu Empfehlungen gegeben. Damit soll also nicht
etwa die manuelle Aufbereitung von Endoskopen in den Vordergrund gestellt werden, sondern lediglich die erforderliche
Information für den Fall festgehalten werden, dass beispielsweise durch Ausfall
einer Maschine darauf zurückgegriffen
werden muss. Die Sicherheit der manuellen Aufbereitung hängt ganz entscheidend
von der Sorgfalt des Personals ab.
Manuelle Aufbereitung
flexibler Endoskope
Vorbereitung
■ Noch im Untersuchungsraum den Außenmantel mit Zellstoff abwischen
■ Alle Kanäle mit Wasser (± Reinigungsmittel, Desinfektionsmittelzusatz nicht
erforderlich) durchspülen
■ Das Endoskop kann dazu praktischerweise in eine auf dem Endoskopiewa-
gen stehende Wanne mit einer Lösung
aus Instrumentenreiniger gelegt werden, aus der es erst wieder herausgenommen wird, wenn die eigentliche
Aufbereitung beginnt.
Reinigung
■ Am Aufbereitungsplatz das Endoskop
in eine Wanne mit einer Lösung aus einem Instrumentenreinigungsmittel legen (Ventile vorher abnehmen), die
Kanäle voll saugen und den Außenmantel abwaschen
■ Kanäle mit flexibler Bürste durchbürsten, Distalende mit weicher Bürste reinigen, Ventile und –gewinde mit Tupfer
aus- und abwischen
■ Kanäle mit Wasser durchspülen, Außenmantel und Ventile abspülen
■ Kanäle mit Druckluft durchblasen
Desinfektion
■ Endoskope vollständig (bei nicht wasserdichten Geräten bis 5 cm unterhalb
des Bedienungskopfes) in eine Desinfektionslösung einlegen
■ Alle Kanäle mit der Lösung füllen
(darauf achten, dass der Flüssigkeitsspiegel nicht absinkt)
■ Ventile und Verschlusskappen ebenfalls in die Lösung legen
■ Einwirkzeit abwarten (abhängig vom
verwendeten Mittel nach Herstellerangabe), z.B. bei aldehydischen Mitteln 20
Minuten ausreichend, aber auch kürzere Zeiten möglich, insbesondere wenn
die Eliminierung von M. tuberculosis
nicht im Vordergrund steht, d.h. bei der
gastrointestinalen Endoskopie (in
Großbritannien 10 Minuten zwischen
den Patienten und am Ende des Arbeitstages 20 Minuten empfohlen [2,
19])
Endoskopie
Nachbereitung
■ Nach Beendigung der Desinfektionszeit den Außenmantel und alle Kanäle
sowie Ventile etc. mit Wasser gründlich
von Resten der Desinfektionslösung
freispülen
■ Bei Verwendung von Spülwannen, die
an eine Pumpe angeschlossen sind,
muss beachtet werden, dass in den Verbindungsschläuchen auch nach Entleeren der Wanne Restwasser zurückbleibt, worin sich bei längerer Standzeit, z.B. über Nacht, Wasserkeime vermehren können. Deshalb ist es notwendig, vor dem nächsten Füllen der
Wanne das Wasser einige Minuten laufen zu lassen, um die Schläuche freizuspülen und damit die Keimzahl zu reduzieren.
■ Außenmantel z.B. mit Kompressen
trocknen
■ Kanäle mit Druckluft trocknen und danach mit z.B. 80%igem Alkohol durchspülen und nochmals mit Druckluft
durchblasen
■ Bedienungskopf mit Alkohol abwischen
■ Ventile etc. trocknen und wieder einsetzen
189
Manuelle Aufbereitung starrer
Endoskope
Vorbereitung
■ Noch im Untersuchungsraum das Endoskop außen mit Zellstoff abwischen
■ Ggf. Kanal mit Wasser (± Reinigungsmittel, Desinfektionsmittelzusatz nicht
erforderlich) durchspülen
■ Das Endoskop kann dazu in eine bereit
stehende Wanne mit einer Lösung aus
Instrumentenreiniger gelegt werden,
aus der es erst wieder herausgenommen wird, wenn die eigentliche Aufbereitung beginnt.
Reinigung
■ Endoskop inkl. Optik in seine Einzelteile zerlegen
■ Alle Teile in eine Reinigungslösung legen und ggf. Kanal vollständig mit der
Lösung füllen
■ Außenseite abwaschen und Kanal mit
einer Bürste reinigen
■ Außenseite mit Wasser abspülen und
Kanal durchspülen
■ Kanal mit Druckluft trocknen, Außenseite mit Kompressen oder sauberem
Tuch trocknen
Aufbewahrung
Sterilisation
■ Staubfrei und trocken bis zur nächsten
Untersuchung lagern
■ Meist in Schränken mit Hängevorrichtung, aber auch Lagerung in Schubladen möglich
■ Bei Endoskopen, die in einem Transportkoffer aufbewahrt werden, muss
eine Kontamination des Koffers verhindert werden. Die benutzten Geräte
können deshalb nicht im Koffer, sondern nur getrennt zur Aufbereitung
transportiert werden.
■ Geräteteile mit Pflegeöl behandeln, zusammensetzen und in Container legen
■ Danach autoklavieren oder plasmasterilisieren
Desinfektion
Falls eine Sterilisation nicht möglich ist,
muss eine Desinfektion wie bei flexiblen
Endoskopen durchgeführt werden:
■ Das in seine Einzelteile zerlegte Endoskop in eine Lösung aus Desinfektionsmittel einlegen, ggf. Kanal mit der Lö-
190
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
sung füllen (darauf achten, dass der
Flüssigkeitsspiegel nicht absinkt)
■ Einwirkzeit abwarten (abhängig vom
verwendeten Mittel nach Herstellerangabe), z.B. bei aldehydischen Mitteln 20
Minuten ausreichend
Das weitere Vorgehen ist abhängig davon,
wofür das Endoskop anschließend eingesetzt wird, d.h. ob es der Risikokategorie
„kritischer“ oder „semi-kritischer“ Gegenstand zuzuordnen ist (siehe Kapitel B.2
„Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“):
a) Eingriffe in sterilen Körperhöhlen
■ Endoskop mit sterilen Handschuhen
aus der Lösung nehmen und in eine
(sterilisierte) Wanne mit sterilem Aqua
dest. legen
■ Gerät außen und ggf. innen mit dem
sterilen Wasser gründlich spülen und
mit einem sterilen Tuch außen trocknen
■ Ggf. Kanal mit steriler Spritze und Luft
trockenblasen
■ Endoskop bis zu seiner nächsten Verwendung in einem sterilisierten Behälter mit Deckel aufbewahren
b) Eingriffe im Bereich von
Schleimhäuten
■ Einzelteile mit Leitungswasser ab- und
durchspülen
■ Außen mit einem sauberen Tuch oder
mit Kompressen, ggf. innen mit Druckluft trocknen
■ Mit Alkohol abwischen bzw. durchspülen und nochmals trockenblasen
■ Nach Zusammensetzen der Einzelteile
das Endoskop in einem geschlossenen
Behälter trocken und staubfrei aufbewahren
■ Behälter zwischenzeitlich entweder mit
Alkohol auswischen oder in einer
RDM aufbereiten
Es muss berücksichtigt werden, dass im Bereich der Endoskopie die Grenze zwischen
kritischen und semi-kritischen Gegenständen fließend ist, weil auch Endoskope, die
im Bereich physiologisch besiedelter
Schleimhäute eingesetzt werden, für die eine Desinfektion als ausreichende Aufbereitungsmethode angesehen wird, mit
Schleimhautläsionen Kontakt haben können, wobei streng genommen nur sterile
Instrumente eingesetzt werden sollen.
Nachbereitung
■ Nach Beendigung der Desinfektionszeit Außenseite und ggf. Kanal mit Wasser gründlich von Resten der Desinfektionslösung freispülen
■ Bei Verwendung von Spülwannen, die
an eine Pumpe angeschlossen sind,
muss beachtet werden, dass in den Verbindungsschläuchen auch nach Entleeren der Wanne Restwasser zurückbleibt, worin sich bei längerer Standzeit, z.B. über Nacht, Wasserkeime vermehren können. Deshalb ist es notwendig, vor dem nächsten Füllen der Wanne das Wasser einige Minuten laufen zu
lassen, um die Schläuche freizuspülen
und damit die Keimzahl zu reduzieren.
■ Außenseite z.B. mit Kompressen trocknen
■ Ggf. Kanal mit Druckluft trocknen und
danach mit z.B. 80%igem Alkohol
durchspülen und nochmals mit Druckluft durchblasen
Maschinelle Endoskop-Aufbereitung
Die maschinelle Aufbereitung bewirkt eine erhebliche Arbeitsentlastung und wesentlich reduzierte DesinfektionsmittelExposition für das Personal. Da es sich
aber bei Endoskopen um Geräte mit zumeist relativ engen (und bei flexiblen Endoskopen noch dazu mit sehr langen) Lu-
Endoskopie
mina handelt, werden an die Reinigungsleistung der Geräte sehr hohe Anforderungen gestellt. Sicherlich sind bei weitem
noch nicht alle Probleme gelöst, aber es
gibt auch keinen Anhalt dafür, dass die
heute verfügbaren Maschinen ihre Arbeit
weniger gut verrichten als das medizinische Personal bei der manuellen Aufbereitung.
Insgesamt hat die Aufbereitung in vollautomatisch arbeitenden ERDM eine
Reihe von Vorteilen:
Chemothermische Desinfektion in ERDM
■ Standardisiertes Verfahren
■ Wesentlich geringerer Personalaufwand
■ Geringeres Kontaminationsrisiko für
Personal und Umgebung
■ Dokumentation der verschiedenen
Schritte des Aufbreitungsprozesses
Die Hersteller von ERDM haben z.T. unterschiedliche Lösungen für die Dekontamination des zum Spülen verwendeten
Wassers gefunden. Entweder wird das
Wasser durch Aufheizen auf 93 °C thermisch desinfiziert oder mit UV-Strahlen
behandelt oder schließlich durch einen autoklavierbaren Sterilfilter geleitet. Es handelt sich dabei sämtlich um Methoden, die
theoretisch wirksam sind, in der Praxis
aber – durch die Methode selbst oder
durch den Aufbau der Maschine bedingt –
auch ihre Grenzen haben.
■ So muss z.B. das thermisch desinfizierte Wasser aus dem Wassertank in den
Spülraum geleitet werden, und die Frage ist, wie man dieses Überleitungsstück auf Dauer in einen effektiven
Desinfektionsprozess eingliedern kann.
■ Die Wirksamkeit einer UV-Lampe lässt
nach einer gewissen Zahl von Betriebsstunden nach, sodass sie rechtzeitig er-
191
setzt werden muss. Außerdem darf das
UV-Licht nicht durch Biofilm-Bildung
in seiner Intensität geschwächt werden.
■ Sterilfilter müssen regelmäßig physikalisch auf Defekte überprüft werden, damit sie nicht für Mikroorganismen
durchlässig werden, und sie müssen regelmäßig autoklaviert werden, weil sie
von Mikrorganismen bewachsen und
sogar „durchwachsen“ werden können.
Chemische Desinfektion mit Peressigsäure
Insbesondere in den USA wird offenbar
sehr häufig die automatische Desinfektion
mit Peressigsäure angewendet. Klarer
Nachteil ist, dass das Gerät nicht reinigt,
sondern nur eine automatische Desinfektion (bzw. „Sterilisation“) durchführt. Bei
entsprechender Vorreinigung ist jedoch das
Desinfektionsergebnis einwandfrei [1, 15].
■ Peressigsäure inaktiviert bakterielle
Sporen, deshalb handelt es sich theoretisch um ein Sterilisationsverfahren.
■ Rekontaminationen sind aber möglich,
da die Endoskope unverpackt im Gerät
liegen und deshalb anschließend offen
wieder herausgenommen werden müssen.
Das Verfahren ist besonders geeignet für
Situationen, in denen man mit Erregern
rechnen muss, die mit den normalerweise
verwendeten aldehydischen Desinfektionsmitteln nicht sicher inaktiviert werden
(insbesondere M. avium-intracellulare).
Für übliche endoskopische Eingriffe benötigt man aber kein „steriles“ Instrument,
weshalb dieses vom Hersteller häufig angeführte Argument für seinen Einsatz
nicht relevant ist.
Trocknung
Unabhängig von der Methode der Aufbereitung muss besonderer Wert darauf ge-
192
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
legt werden, dass die Endoskope vor der
Aufbewahrung, z.B. über Nacht, gut getrocknet werden. Feuchtigkeitsreste in den
Kanälen können dazu führen, dass während der Lagerung die Keimzahl von evtl.
vorhandenen Wasserbakterien zunimmt.
Deshalb müssen bei manueller Aufbereitung alle Kanäle sorgfältig mit Druckluft
durchgeblasen werden. Es ist aber zusätzlich empfehlenswert, die Kanäle nach der
ersten Trocknung mit Alkohol zu spülen
und danach nochmals mit Luft durchzublasen, weil dadurch eine zusätzliche Desinfektionswirkung erzielt werden kann
und das Trocknungsergebnis verbessert
wird [1, 2, 19]. Aber auch bei maschineller
Aufbereitung ist die Trocknungsphase im
Gerät häufig nicht ausreichend, sodass
vor längerer Lagerung, z.B. über Nacht,
ggf. mit Alkohol gespült und anschließend
mit Druckluft nachgetrocknet werden
muss.
Zwischen den einzelnen Untersuchungen
eines Tages jedoch kann bei Gastroskopen
und Koloskopen Restfeuchte in den Kanälen toleriert werden, weil keine Zeit für die
Vermehrung der Keime bleibt und deshalb
ein Infektionsrisiko nicht besteht. Da die
Laufzeit der ERDM relativ lang ist und
häufig ein (relativer) Mangel an Endoskopen besteht, können die Endoskope auch
vor Ablauf der Trocknungsphase entnommen und manuell mit Druckluft durchgeblasen werden, damit sie ohne zu großen
Zeitverlust wieder beim nächsten Patienten zum Einsatz kommen können.
Aufbereitung des Endoskop-Zubehörs
Besondere Sorgfalt muss auch auf das endoskopische Zubehör verwendet werden,
weil insbesondere die Reinigungsergebnisse nicht immer ausreichend sind [1, 2, 13,
19]. Folgende Maßnahmen sollen berücksichtigt werden:
■ Biopsiezangen etc. gründlich reinigen
(z.B. im Ultraschallbad), abspülen,
trocknen und autoklavieren (oder plasmasterilisieren)
■ Lichtleitkabel mit Alkohol abwischen
■ Bürsten in RDM reinigen und thermisch desinfizieren
■ Ansätze von Druckluft- und Wasserpistole ebenfalls in Desinfektionslösung
einlegen
■ Spritzen zum Füllen der Kanäle zerlegen, danach in RDM reinigen und thermisch desinfizieren oder in Desinfektionslösung einlegen
■ Wasserflasche und Überleitungsschlauch täglich vorzugsweise thermisch desinfizieren oder sterilisieren,
bei chemischer Desinfektion darauf
achten, dass auch der Schlauch gründlich von Desinfektionsmittelresten freigespült wird
Desinfektionsmittel-Empfindlichkeit
potenziell pathogener Erreger
Für die Desinfektion von Endoskopen
wird häufig – bei maschineller Aufbereitung in vollautomatischen ERDM bisher
immer – ein aldehydhaltiges Desinfektionsmittel verwendet. In der Fachliteratur
wird meist Glutaraldehyd in 2%iger alkalischer Lösung genannt. Die meisten potenziell pathogenen Erreger sind gut empfindlich. Einzelne Erreger sind jedoch relativ resistent, wodurch insbesondere dann
Probleme entstehen können, wenn die
Reinigung nicht gründlich genug durchgeführt wird. Es kann aber auch zu einer Kolonisierung der Maschinen durch Keime
aus dem Leitungswasser kommen, die nur
eine eingeschränkte Empfindlichkeit haben. Dies ist am häufigsten von M. chelonae berichtet worden [5, 10].
Bekannterweise sind Sporen sehr desinfektionsmittelresistent, und ihre Inaktivie-
Endoskopie
rung erfordert z.B. bei Aldehyden sehr lange Einwirkzeiten (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“)
[19]. C. difficile wird jedoch rasch in einer
2%igen Glutaraldehyd-Lösung abgetötet,
und dasselbe gilt für Viren wie Rotaviren
und Hepatitis A-Virus [19]. Cryptosporidien und andere Parasiten dagegen sind bei
üblicher Desinfektionszeit nicht empfindlich, weshalb die sorgfältige Reinigung der
Endoskope sehr wichtig ist, weil dadurch
die Kontamination im Wesentlichen schon
eliminiert wird.
Mykobakterien gelten als relativ resistent
gegen Desinfektionmittel, auch Glutaraldehyd. Dies trifft aber weniger auf M. tuberculosis, sondern mehr auf atypische
Mykobakterien und darunter insbesondere auf M. avium-intracellulare zu. Deshalb
werden manchmal längere Desinfektionszeiten empfohlen, wenn die Inaktivierung
atypischer Mykobakterien erforderlich ist
(45 Minuten oder noch länger anstelle von
20 Minuten); dies aber wird von Expertenseite nicht für erforderlich gehalten, weil
eher Fehler bei der Aufbereitung als mangelnde Wirksamkeit von Glutaraldehyd
verantwortlich waren, wenn M. tuberculosis nicht eliminiert wurde [14].
Bei gehäuftem Nachweis, z.B. aus bronchoalveolärer Lavage (BAL), von typischen
Wasserbakterien, wie z.B. Aeromonas hydrophila oder atypischen Mykobakterien,
muss immer eine Kontamination durch die
bei der Untersuchung verwendeten Endoskope ausgeschlossen werden (PseudoAusbruch), um unnötige Antibiotikagaben
zu vermeiden [5, 7]. Eine mikrobiologische
Überprüfung der Aufbereitung ist in solchen Situationen immer erforderlich. Außerdem ist der Einsatz molekularbiologischer Typisierungsmethoden sinnvoll, um
die Übereinstimmung der Stämme zu bestätigen oder auszuschließen.
193
Vergleichsweise ungelöst ist die Frage, wie
man mit Endoskopen umgeht, die bei Patienten mit Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
(CJK) – oder dringendem Verdacht – eingesetzt wurden (z.B. für die Anlage einer
perkutanen endoskopischen Gastrostomie). Keines der möglichen Aufbereitungsverfahren kann mit hinreichender Sicherheit gewährleisten, dass das infektiöse
Agens eliminiert wird (siehe Kapitel B.5
„Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“). Auch in
diesen Fällen ist also die gründliche Reinigung der Endoskope entscheidend.
Toxizität von Desinfektionsmitteln
Um toxische Reaktionen durch in den Endoskopkanälen verbliebene Reste von
Desinfektionsmitteln auszuschließen, muss
sehr viel Wert auf gründliches Nachspülen
gelegt werden. Über eine sog. Glutaraldehyd-Kolitis ist berichtet worden, für die
zum einen Reste des Desinfektionsmittels
in den Kanälen, zum anderen aber auch
Reste im Verbindungsschlauch zwischen
Wasserflasche und Endoskop als Ursache
betrachtet wurden [8, 17].
Um allergische Reaktionen von Seiten des
Respirationstraktes und der Haut zu vermeiden und die Exposition des Personals
auf ein Minimum zu reduzieren, müssen
entsprechende Vorkehrungen getroffen
werden. Erforderlich sind der Gebrauch
von Schutzkleidung (Handschuhe, Plastikschürzen und ggf. auch Augenschutz) sowie effiziente Absaugsysteme, um die auch
bei Verwendung von ERDM freiwerdenden Desinfektionsmitteldämpfe nach außen abzuleiten.
Mikrobiologische Überprüfung
der Endoskope
Eine Überprüfung des Aufbereitungsergebnisses in Intervallen von z.B. 3–6 Mo-
194
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
naten durch stichprobenartige mikrobiologische Überprüfung von Endoskopen ist
sinnvoll, um ggf. Fehler rechtzeitig zu erkennen. Eine Überprüfung der Endoskope (= Produktkontrolle) ist auch bei der
maschinellen Aufbereitung sinnvoll, weil
eine Überprüfung der Apparate selbst (=
Prozesskontrolle) zu aufwändig ist.
Dafür müsste man nämlich ein Endoskop
(oder ein entsprechendes Modell, sog.
Dummy, mit langem, engem Lumen) kontaminieren und anschließend die Keimzahlreduktion bestimmen. Wendet man jedoch für die Überprüfung von ERDM nur
die Methoden für normale RDM an, kann
man danach nur eine Aussage über die
Reinigungs- und Desinfektionsleistung
des Apparates an der Außenseite der Endoskope machen, nicht jedoch über die
Resultate in den Lumina der Endoskope.
Folgendes Überprüfungsschema kann beispielsweise angewendet werden:
■ Abstriche mit sterilen Watteträgern,
befeuchtet z.B. mit NaCl, von Außenmantel, Distalende, Gewinde der Distalschutzkappe, allen Kanaleingängen
sowie dazugehörigen Verschlusskappen bzw. Ventilen (jeweils an der Innenseite)
■ Durchspülen aller Kanäle mit NaCl
und Auffangen der Spüllösung in sterilen Gefäßen
■ Probe aus der Wasserflasche entnehmen
Die Proben müssen dann möglichst schnell
zur weiteren Bearbeitung in das mikrobiologische Labor geschickt werden.
Eine Überprüfung des letzten Spülwassers vor dem Abpumpen ist schwierig zu
realisieren, erscheint aber auch nicht erforderlich, da die Endoskope ohnehin getrocknet werden müssen. Alternativ kann
aber eine Probe des Restwassers (ent-
spricht dem letzten Spülwasser) unmittelbar nach Programmende untersucht
werden. Selbstverständlich ist die Wasserqualität auch bei maschineller Aufbereitung wichtig (siehe oben), sie kann aber
letztlich nur durch entsprechenden technischen Aufbau der Maschinen, nicht aber
durch stichprobenartige Kontrollen sichergestellt werden.
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196
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Geburtshilfe und Gynäkologie
Historischer Hintergrund
Die Infektionskontrolle hat historisch besonders in der Geburtshilfe eine Rolle gespielt. Bedingt durch das Kindbettfieber
gab es lange Zeit eine hohe Müttersterblichkeit, die erst 1935 stetig zu sinken begann [15, 16]. Verantwortlich dafür war
nicht zuletzt eine krasse Ignoranz der geburtshilflich tätigen Ärzte gegenüber den
Erkenntnissen über die Entstehung und
Prävention von Infektionen.
Lange Zeit war es für eine werdende Mutter
sogar sicherer, die Geburt von einer Hebamme anstelle eines Arztes begleiten zu lassen [14]. Dies lag vorwiegend daran, dass die
Hebammen den natürlichen Verlauf der
Geburt geduldig abwarteten, während die
Ärzte intervenierten und z.B. mit dem Einsatz der Zange im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts begannen, die Geburten zu beschleunigen. Diese Manipulationen setzten
die Gebärende u.a. einem erhöhten Infektionsrisiko aus, zumal die mikrobielle Ursache von Infektionen und damit die Möglichkeit der Erregerübertragung erst langsam
bekannt wurde. Auch noch im ersten Drittel
des 20. Jahrhunderts waren Frauen, die sich
aufgrund ihrer sozialen Situation keinen
Arzt leisten konnten, sondern sich auf Betreuung durch eine Hebamme beschränken
mussten, weniger gefährdet, am Kindbettfieber zu erkranken [14].
Wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung
der Infektionskontrolle in der Geburtshilfe hatten die Erkenntnisse von Ignaz Semmelweis, der den Zusammenhang zwischen der ärztlichen Tätigkeit im Sektionssaal und der Inzidenz von Kindbettfieber
erkannte und daraufhin die Desinfektion
der Hände vor vaginaler Untersuchung
Schwangerer einführte. Er war aber nicht
der Erste, der durch systematische Beobachtung zu der Erkenntnis kam, dass es
sich dabei um Erkrankungen handelte, die
durch Kontakt übertragen werden.
Lange vor ihm hat Ende des 18. Jahrhunderts Alexander Gordon die Kontagiosität
dieser häufig tödlich ausgehenden Erkrankung mit Ärzten oder Hebammen als
Überträger beschrieben, weit vor der Zeit
also, als man Bakterien als Ursache von Infektionen entdeckte [10, 30, 36]. Gegen die
damals dominante Miasmentheorie konnte er sich jedoch mit seiner Auffassung
nicht durchsetzen. 1843 – also auch noch
vor Semmelweis – beschrieb Oliver Wendell Holmes das Kindbettfieber als Krankheit, die häufig durch Ärzte und Schwestern von Patientin zu Patientin übertragen
wird [30, 36].
Trotz dieser historischen Gegebenheiten
hat die Infektiologie heute in der Geburtshilfe und Gynäkologie keine große Bedeutung. Die häufigsten nosokomialen Infektionen in der modernen Geburtshilfe und
Gynäkologie sind Harnwegsinfektionen
und postoperative Infektionen im Operationsgebiet [12, 13, 18]. Die Maßnahmen der
Infektionskontrolle in der Gynäkologie
entsprechen denen in anderen Fachgebieten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“,
Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im
Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). In der Geburtshilfe
gibt es jedoch einige Besonderheiten. In
Geburtshilfe und Gynäkologie
diesem Kapitel werden deshalb nur die
Fragen behandelt, die in anderen Gebieten
der Medizin keine Rolle spielen.
Geburtshilfe
Nosokomiale Infektionen in der Geburtshilfe können sowohl Mutter als auch Kind
betreffen. Typische Infektionen der Mutter
sind das Amnioninfektionssyndrom (oder
auch Chorioamnionitis), die postpartale Endomyometritis und die Mastitis puerperalis;
typische Infektionen des Neugeborenen
sind die Konjunktivitis, Sepsis oder Meningitis durch B-Streptokokken und andere potenziell pathogene Keime der mütterlichen
Darm- oder Vaginalflora sowie Herpes simplex-Infektionen des ZNS [12, 13, 18, 37].
Amnioninfektionssyndrom
Nosokomiale und außerhalb des Krankenhauses erworbene Amnioninfektionen werden nach folgenden Kriterien unterschieden:
Außerhalb des Krankenhauses
erworbene Infektion
■ Bei stationärer Aufnahme klinisch manifest
oder
■ Auftreten nach der stationären Aufnahme (z.B. zur Beobachtung einer Patientin mit vorzeitigem Blasensprung),
aber
– vor vaginaler Untersuchung
– vor geburtseinleitenden oder anderen geburtshilflichen Maßnahmen
(z.B. intrauterines Monitoring)
Nosokomiale Infektion
Auftreten frühestens 24 Stunden
■ nach Durchführung invasiver geburtshilflicher Maßnahmen
oder
■ nach Einleitung der Geburt
197
Endomyometritis puerperalis
■ Immer nosokomiale Infektion (außer
bei Patientinnen, die mit Amnioninfektionssyndrom oder einem mindestens
24 Stunden zurückliegenden Blasensprung aufgenommen wurden)
■ Meist nach Sectio caesarea (insbesondere, wenn bereits Wehen bestanden
haben oder die Blase gesprungen war)
■ Nach vaginaler Entbindung ist der vorzeitige Blasensprung der wichtigste Risikofaktor, aber auch protrahierte Geburt und Retention von Plazentaresten
spielen eine Rolle.
■ Häufigkeit nach vaginaler Entbindung
1–4%, nach elektivem Kaiserschnitt (=
keine Wehen, kein Blasensprung) ca.
2%, bei Notfall-Sectio 8% bis sogar
85%
■ A-Streptokokken
– Wichtigster Erreger des Kindbettfiebers [10, 14–16, 36]
– Auch heute gelegentlich Berichte
über Ausbrüche [6, 17, 19]
– Bei gehäuften Infektionen nicht selten kolonisierte oder infizierte Patientinnen als Erregerreservoir vorhanden
– Übertragungen auf Wochenstationen mehr durch indirekten als durch
direkten Kontakt
– Insbesondere nach operativer Entbindung auch – meist asymptomatisch – besiedelte Mitglieder des
Operationspersonals als Erregerreservoir verantwortlich
– Jeder Einzelfall muss als Notfall betrachtet werden (obwohl A-Streptokokken weltweit noch immer Penicillin-sensibel sind), weil bestimmte
Stämme therapeutisch nur schwer zu
beeinflussende lebensbedrohliche
Infektionen verursachen können
– Sofortige Einleitung von Infektionskontrollmaßnahmen (siehe unten
198
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
„Infektionskontrollmaßnahmen bei
perinatalen mütterlichen Infektionen“)
– Bei Verdacht auf einen sog. Ausbruch, d.h. Auftreten von mehr als
einer Infektion innerhalb kurzer
Zeit (z.B. zwei Wochen), systematische epidemiologische Untersuchung mit gezielten Patienten- sowie ggf. Personal- und Umgebungsuntersuchungen einleiten (siehe
Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“)
Mastitis puerperalis
■ Häufig erst nach der Entlassung klinisch manifest (dennoch meist nosokomiale Infektion)
■ Häufigster Erreger: Staphylococcus aureus
■ Eindringen potenziell pathogener Keime meist durch Rhagaden in der Umgebung der Brustwarzen
Prävention von Infektionen bei
Mutter und Kind
Amnioninfektionssyndrom und
Endomyometritis puerperalis
■ Händehygiene vor jeder vaginalen Untersuchung (Händedesinfektion und
Einmal-Handschuhe)
■ Ob bei vaginaler Untersuchung nach
Blasensprung sterile Handschuhe erforderlich sind, wird zu Recht kontrovers beurteilt, denn die sterilen Handschuhe werden beim Vaginalkontakt
sofort kontaminiert.
■ Vaginale Untersuchungen und transvaginale Manipulationen (z.B. Sonographie,Amnioskopie), insbesondere nach
Blasensprung, auf das notwendige Minimum reduzieren
■ Bei Geburtseinleitung die Geburt so
schnell wie möglich anstreben
■ Invasives fetales Monitoring (z.B.
Kopfschwartenelektroden, Fetalblutanalyse) und interne Tokographie unter aseptischen Bedingungen durchführen
■ Bei Notfall-Kaiserschnitt Antibiotikaprophylaxe (in der Regel Gabe eines
Basis-Cephalosporins oder einer Ampicillin/Betalaktamase-Inhibitor-Kombination als Einmal-Dosis; siehe Kapitel E.5 „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“) verabreichen, aber erst nach
Abklemmen der Nabelschnur, um eine
evtl. später beim Neugeborenen erforderliche mikrobiologische Diagnostik
nicht durch dann auch bei ihm vorhandene Antibiotikaspiegel zu beeinflussen (Antibiotika aber auch nicht später
intra- oder erst postoperativ verabreichen, damit das Myometrium als das
am meisten infektionsgefährdete Operationsgebiet noch rechtzeitig ausreichende Antibiotikaspiegel erhält)
■ Große Bedeutung für die Prävention
hat das präpartale Screening der Vaginalflora auf bakterielle Vaginose (=
häufigste Form der Vaginalinfektion
bei schwangeren und nicht-schwangeren Frauen) und ggf. entsprechende
therapeutische Maßnahmen zur Wiederherstellung einer normalen Vaginalflora.
Mastitis puerperalis
■ Sorgfältige Pflege der Brustwarzen zur
Vermeidung von Rhagaden
■ Gründliche Händehygiene von Personal und Patientin
■ Bei den Müttern Händewaschen ausreichend
■ Kontakt der Brustwarzen mit dem Lochialsekret vermeiden, weil der Wochenfluss immer mit Vaginalflora besiedelt ist, wozu auch potenziell pathogene
Keime aus der Darmflora und S. aure-
Geburtshilfe und Gynäkologie
us, manchmal auch A-Streptokokken,
gehören können, die bei Kontakt mit
Rhagaden der Brustwarzen zu Infektionen der Brust führen können
Konjunktivitis des Neugeborenen
(Ophthalmia neonatorum)
■ Klassische Prophylaxe durch Applikation von 1%iger wässriger SilbernitratLösung nach vollständiger Reinigung
beider Augen (= Credé’sche Prophylaxe; in ca. 10% chemische Konjunktivitis) [35]
■ Wegen Chlamydien-Wirksamkeit auch
0,5%ige Erythromycin-Salbe oder
1%ige Tetracyclin-Salbe empfohlen
[35]
■ 2,5%ige PVP-Jod-Lösung ebenfalls
wirksam (geringe Nebenwirkungen)
[8]
■ Prophylaxe unabhängig davon, ob die
Geburt vaginal oder durch Kaiserschnitt erfolgte
B-Streptokokken-Infektionen
■ Sepsis oder Meningitis nach Kolonisierung des Neugeborenen mit B-Streptokokken aus dem mütterlichen Genitaltrakt (sog. Early- und Late-onset-Infektionen)
■ Empfehlungen für den Nachweis von
B-Streptokokken und die perinatale
Antibiotikaprophylaxe in der pädiatrischen und geburtshilflichen Fachliteratur [1, 2, 24–26]
Herpes simplex-Infektionen
■ Neonatale Herpes simplex-Infektionen
können mit schweren neurologischen
Langzeitschäden assoziiert sein.
■ Prävention durch Schnittentbindung
■ Sectio-Indikation heute nur noch abhängig vom klinischen Zustand der
werdenden Mutter: Bei sichtbaren ge-
199
nitalen Läsionen oder typischen Prodromalsymptomen eines genitalen
Herpes simplex unabhängig davon, ob
es sich um eine Primärinfektion oder
um ein Rezidiv handelt (auch bei Rezidiven ist der Schutz durch mütterliche
Antikörper nicht immer vollständig)
[21, 27]
Infektionsrisiken bei Wassergeburt
Ob eine Geburt im Wasser tatsächlich eine
„natürliche“ Geburt ist, kann zu Recht in
Zweifel gezogen werden [34]. Abgesehen
davon, dass das Liegen in warmem Wasser
die Phase der Eröffnungswehen erleichtern kann, ist es in den letzten Jahren relativ populär geworden, die Entbindung unter Wasser durchzuführen. Dabei gibt es
prinzipiell für alle Beteiligten, also für die
Mutter, das Kind und das Personal, Infektionsrisiken [4, 11, 22, 23, 33, 38]:
■ Bei der Mutter Hautinfektionen mit
Pseudomonas aeruginosa und anderen
Wasserkeimen (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“), weil sie am
längsten Wasserkontakt hat, wodurch
es zu deutlicher Aufweichung der Haut
und damit deren herabgesetzter Widerstandskraft kommen kann
■ Beim Neugeborenen invasive Infektionen mit Wasserkeimen oder Erregern
aus der Stuhlflora der Mutter (während
der Geburt relativ unkontrollierbarer
Stuhlabgang)
■ Beim medizinischen Personal Kontakt
mit (blutigem) Wasser auch bei Verwendung
von
flüssigkeitsdichter
Schutzkleidung (inkl. lange bis zum
Oberarm reichende Schutzhandschuhe) meist nicht zu umgehen, dadurch
möglicherweise Übertragung Blut-assoziierter Erreger, wenn auch durch
den Verdünnungseffekt eher unwahrscheinlich
200
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Es gibt einzelne Berichte über kindliche
Infektionen nach Geburt im Wasser, aber
keine systematischen Untersuchungen über
Infektions- und andere Risiken im Vergleich zur normalen Geburt. Insgesamt betrachtet ist das Kind am meisten gefährdet.
Um die – möglicherweise nur geringen –
Gefahren durch Keime, die schon im Leitungswasser vorhanden sein können, zu
minimieren, sind die folgenden Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll [38]:
■ Das Wasser der Wanne jeden Tag für einige Minuten laufen lassen, um auch
bei Nicht-Benutzung der Wanne die
Leitungen regelmäßig durchzuspülen
■ Vor Einlassen der Badewanne das Wasser wiederum einige Minuten laufen
lassen
■ Wasserproben vom einlaufenden Wasser
und vom Wannenwasser nach der Geburt mikrobiologisch untersuchen lassen
(dadurch Hinweis auf potenzielle Erreger, falls beim Neugeborenen Verdacht
auf eine Infektion bestehen sollte)
■ Badewanne nach einer Geburt gründlich mit Flächendesinfektionsmittel reinigen und desinfizieren, anschließend
gründlich ausspülen und trocknen
Infektionskontrollmaßnahmen bei
perinatalen Infektionen
Wenn eine Schwangere um den Zeitpunkt
der Geburt eine Infektion erwirbt, sollen
die im Folgenden genannten Maßnahmen
– die Frau, das Neugeborene und das Personal betreffend – beachtet werden (siehe
auch Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“) [29]:
Borreliose
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei Erythema migrans Amoxicillin oral
für 14 Tage
■ Bei systemischer Infektion für 14 Tage
Penicillin oder Cephalosporin intravenös
Maßnahmen beim Kind
■ Bei Verdacht auf Infektion (sehr unwahrscheinlich) sofort Antibiotikatherapie beginnen
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Kein Risiko
■ Standard-Hygienemaßnahmen
Chlamydien
Maßnahmen bei der Frau
■ Screening in der Frühschwangerschaft
und zu Beginn des dritten Trimenon
■ Bei Nachweis Antibiotikatherapie einleiten, Sexualpartner auch untersuchen
und ggf. therapieren
■ Kontrolle nach Therapie
Maßnahmen beim Kind
■ Augenprophylaxe (siehe Abschnitt
„Konjunktivitis des Neugeborenen“)
oder tägliche Beobachtung
■ Bei Konjunktivitis durch Chlamydien
Therapie mit Makroliden für 14 Tage
per os, ebenso bei Verdacht auf Pneumonie (kann bis zum vierten Lebensmonat auftreten)
Maßnahmen beim Personal
■ Standard-Hygienemaßnahmen
Cytomegalie-Virus
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei CMV-Nachweis in Zervixsekret
oder Urin Isolierung bei der Geburt
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
Geburtshilfe und Gynäkologie
201
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Gastrointestinale Infektionen
Maßnahmen beim Kind
■ Bei akuter Infektion bzw. asymptomatischer Auscheidung von z.B. EnteritisSalmonellen oder Campylobacter spp.
Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
■ Bei Verdacht auf CMV-Infektion Bestimmung von anti-CMV-IgM und
Nachweis von CMV im Urin versuchen
(selten Symptome bei der Geburt)
■ CMV-Ausscheidung in Speichel und
Urin für 1–2 Jahre möglich
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen bei der Frau
Maßnahmen beim Personal
Maßnahmen beim Kind
■ Übertragung möglich (z.B. Kontakt mit
Urin)
■ Schwangere bei anderen Patienten einsetzen
■ Sorgfältige Händehygiene
■ Antibiotikatherapie, wenn Mutter an
Typhus erkrankt, sonst Antibiotika
nur bei symptomatischen Kindern
oder evtl. auch bei positiven Stuhlkulturen
■ Kann gestillt werden
Enteroviren (ECHO, Coxsackie)
Maßnahmen bei der Frau
■ Wenn innerhalb von 6 Wochen vor
der Geburt Fieber, Muskelschmerzen,
Nackensteife, Kopfschmerzen, Hautausschlag etc. bestanden haben oder innerhalb von 14 Tagen vor der Geburt
Kontakt mit einer infizierten Person
stattfand, besteht potenziell Kontagiosität.
■ Isolierung bei der Geburt
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Sorgfältige Beobachtung auf Meningitissymptome
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Sorgfältige Händehygiene
Maßnahmen beim Personal
■ Sorgfältige Händehygiene
■ Kein Kontakt mit Neugeborenen, wenn
selbst Ausscheider
Hepatitis A, E
Maßnahmen bei der Frau
■ Nach z.B. HAV-Kontakt Standard-Immunglobulin, wenn nicht immun
■ Bei akuter Hepatitis Isolierung bei der
Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Bei z.B. HAV-Kontakt der Mutter innerhalb der letzten zwei Wochen vor
der Geburt evtl. Standard-Immunglobulin sofort nach der Geburt
■ Kann gestillt werden
202
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Maßnahmen beim Personal
Herpes simplex-Virus
■ Bei Verdacht auf Exposition Gabe von
Standard-Immunglobulin
■ Sorgfältige Händehygiene
Maßnahmen bei der Frau
Hepatitis B, C oder D bzw. HIV-Infektion
Maßnahmen bei der Frau
■ Keine speziellen Isolierungsmaßnahmen vor und während der Geburt
■ Bei HIV-Infektion Vorteile der elektiven Schnittentbindung für das
Kind unsicher, derzeit nicht empfohlen
[31]
■ Auf der Wochenstation evtl. Einzelzimmer (mit Kind), insbesondere wenn
HBeAg-positiv
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Bei HBV-Infektion der Mutter sofort
nach der Geburt aktive Hepatitis BImpfung beginnen (2. Gabe nach 1 Monat, 3. Gabe nach 6 Monaten)
■ Gleichzeitig mit der ersten Impfung
Gabe von Hepatitis B-Immunglobulin
■ Bei HBV-Infektion der Mutter kann
das Kind gestillt werden, auch bei
HCV-Infektion ist Stillen nicht kontraindiziert, während bei HIV-Infektion in Industrieländern das Stillen
nicht empfohlen wird, da das Infektionsrisiko unklar ist und Flaschennahrung kontaminationsfrei zubereitet
werden kann.
Maßnahmen beim Personal
■ Hepatitis B-Impfschutz wichtig
■ Nach Nadelstich bei Personen ohne
HBV-Immunität aktiv-passive Simultan-Impfung gegen Hepatitis B
■ Bei primärem Herpes genitalis und bei
sekundärem im Bläschenstadium
Schnittentbindung
■ Bei primärem Herpes labialis Maske
bei Versorgung des Kindes (Kind nicht
küssen)
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind), bis alle Läsionen verkrustet
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ HSV-Diagnostik 24 bis 48 Stunden
nach der Geburt sowie am 5. und 12.
Lebenstag (Conjunctiva, Urin, Stuhl,
Nasopharynx und Liquor)
■ Genaue Beobachtung (z.B. auf Hauteffloreszenzen achten)
■ Evtl. Acyclovir-Therapie beginnen
(Manifestation einer HSV-Infektion
bis sechs Wochen nach Geburt möglich)
■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Sorgfältige Händehygiene
■ Bei Herpes-Infektion (Lippe, Haut)
möglichst kein Kontakt mit Neugeborenen, sonst Maske tragen und nicht
mit den Kindern schmusen
■ Bei aktivem Herpes genitalis StandardHygienemaßnahmen
Listeriose
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei schwerer Symptomatik Ampicillin
intravenös für vier Wochen, sonst oral
für 2–3 Wochen
Geburtshilfe und Gynäkologie
■ Evtl. Antibiotikaprophylaxe bei Listeriennachweis im Vaginalsekret (Ampicillin oral)
■ Isolierung bei der Entbindung (auch
bei Kolonisierung)
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene
Maßnahmen beim Kind
■ Sorgfältige Beobachtung (Early- bzw.
Late-onset-Infektionen)
■ Bei Verdacht auf Infektion frühzeitig
Antibiotika für 2–3 Wochen einsetzen
(zuvor Blut, Liquor, Urin, Stuhl, Nasopharyngealsekret mikrobiologisch untersuchen)
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Sorgfältige Händehygiene, da Übertragung nach Kontakt mit Stuhl oder Vaginalsekret möglich (Late-onset-Infektionen durch nosokomiale Übertragung beschrieben)
Masern
Maßnahmen bei der Frau
■ Wenn nicht immun, besteht Kontagiosität ab 5–6 Tage nach Exposition, bis 5
Tage nach Auftreten des Exanthems.
■ Wenn nicht immun, Standard-Immunglobulin innerhalb von drei Tagen nach
Exposition
■ In diesem Fall Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Standard-Immunglobulin bei Erkrankung der Mutter (nicht mehr, wenn
203
schon Symptome beim Kind vorhanden)
■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Personal in der Geburtshilfe soll immun sein, sonst Impfung empfehlen
■ Bei fehlender oder unsicherer Immunität vom 6.–15. Tag nach Exposition (=
Inkubationszeit) nach Hause, alternativ Antikörper-Status überprüfen
■ Sorgfältige Händehygiene
Mumps
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei Erkrankung innerhalb von 10 Tagen (auch bei Verdacht) oder Kontakt
innerhalb der letzten drei Wochen vor
der Geburt bei fehlender bzw. unsicherer Immunität besteht potenziell Kontagiosität.
■ In diesen Fällen Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen, da 50% asymptomatisch infiziert,
wenn die Mutter manifest erkrankt ist
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Personal in der Geburtshilfe soll immun sein, sonst Impfung empfehlen
■ Bei fehlender bzw. unsicherer Immunität vom 10.–21. Tag nach Exposition (=
Inkubationszeit) kein Kontakt mit
nicht immunen Patienten
204
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ 10 Tage nach Beginn einer Erkrankung
Aufnahme der Arbeit prinzipiell wieder möglich
■ Sorgfältige Händehygiene
Parvovirus B 19 (Ringelröteln)
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei gesicherter Infektion oder Verdacht Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
■ Schwangere bei anderen Patienten einsetzen
■ Sorgfältige Händehygiene
Maßnahmen beim Personal
■ Übertragung möglich, wenn nicht immun, aber Risiko gering
■ Standard-Hygienemaßnahmen
Respiratorische Infektionen
Maßnahmen bei der Frau
■ Kontakt mit Mitpatientinnen und deren Kindern vermeiden
■ Bei Bronchitis nach Pertussis-Exposition fragen (siehe oben)
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Bei Schnupfen RSV-Infektion abklären
■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen
■ Kann gestillt werden
Maßnahmen beim Personal
Pertussis (Keuchhusten)
Maßnahmen bei der Frau
■ 10 Tage Erythromycin, auch wenn Geburtstermin erst in >7 Wochen
■ Wenn Geburt innerhalb 7 Wochen nach
Beginn der klinischen Symptomatik,
nochmals Erythromycin bei Aufnahme
■ Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
Maßnahmen beim Neugeborenen
■ Mindestens 5 Tage Erythromycin
■ Kann gestillt werden
■ Vor der Entlassung allen Personen im
selben Haushalt mit Verdacht auf Pertussis mindestens 5 Tage Erythromycin
geben
■ Wenn selbst erkrankt, nach Möglichkeit kein Kontakt mit Neugeborenen
oder Schwangeren bzw. Maske tragen
■ Sorgfältige Händehygiene
Röteln
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei Erkrankung innerhalb der letzten
zwei Wochen vor der Geburt besteht
Kontagiosität.
■ In diesem Fall Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
■ Kein Kontakt mit Schwangeren ohne
Immunität
Geburtshilfe und Gynäkologie
205
Maßnahmen beim Kind
Maßnahmen beim Personal
■ Bei Erkrankung der Mutter in den ersten 20 Wochen oder in den letzten drei
Wochen der Schwangerschaft ist das
Kind potenziell infektiös.
■ Kein Kontakt mit nicht immunen Personen (für sechs Monate bei kongenitaler Infektion)
■ Kann gestillt werden
■ Sorgfältige Händehygiene
■ Bei gehäuften Infektionen systematische epidemiologische Untersuchung
■ Wenn selbst eitrige Hautinfektion, keinen Kontakt mit Neugeborenen
Maßnahmen beim Personal
■ Mikrobiologische Diagnostik bei Verdacht und ggf. Antibiotikatherapie
■ Isolierung bei der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
■ Personal in der Geburtshilfe soll immun sein, sonst Impfung (dringend)
empfehlen
■ Nicht immune Schwangere an anderem
Arbeitsplatz einsetzen
■ Sorgfältige Händehygiene
Staphylococcus aureus
Maßnahmen bei der Frau
■ Chirurgische und/oder antibiotische
Therapie
■ Evtl. Isolierung bei der Geburt (abhängig von Art und Ausdehnung der Infektion)
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind), insbesondere bei MRSA
(siehe Kapitel B.10 „MRSA“)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Bei Erkrankung Blutkulturen sowie
Abstriche von Conjunctiva, Nase, Nabel, ggf. Hautläsionen und Antibiotikatherapie beginnen
■ Kann gestillt werden (auch bei Mastitis)
■ Nabelpflege mit Chlorhexidin in Alkohol (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“)
■ Evtl. Waschen mit Chlorhexidinseife
Streptokokken der Gruppe A
Maßnahmen bei der Frau
Maßnahmen beim Neugeborenen
■ Keine Antibiotikaprophylaxe
■ Sorgfältige Beobachtung
■ Nabelabstrich, wenn positiv und Zeichen der Omphalitis, Gabe von Antibiotika, wenn nur besiedelt, evtl. für 5
Tage Penicillin
Maßnahmen beim Personal
■ Sorgfältige Händehygiene
■ Jeden Einzelfall abklären und schon
beim zweiten Fall innerhalb kurzer Zeit
(z.B. zwei Wochen) systematische epidemiologische Untersuchung einleiten
(siehe oben „Endomyometritis puerperalis“)
■ Auf gründliche Reinigungsmaßnahmen bei gemeinsam genutzten sanitären Anlagen achten und die Patientinnen darüber informieren, wie sie Duschen und Bidets korrekt benutzen, damit es nicht zu einem direkten Körperkontakt kommt
206
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Streptokokken der Gruppe B
Maßnahmen beim Personal
Maßnahmen bei der Frau
■ Personal in der Geburtshilfe soll nach
Möglichkeit immun sein.
■ Wenn keine Immuniät vorhanden
(oder unsicher), vom 9.–21. Tag nach
Exposition (= Inkubationszeit) zu Hause bleiben, alternativ Antikörper-Status überprüfen
■ Sorgfältige Händehygiene
■ Antibiotikaprophylaxe nach Empfehlungen in der pädiatrischen und
geburtshilflichen Fachliteratur [2, 24–
26]
■ Antibiotikatherapie bei Infektion
der Mutter (dann Einzelzimmer mit
Kind)
Maßnahmen beim Kind
■ Antibiotikatherapie bei Verdacht auf
Infektion
Maßnahmen beim Personal
■ Standard-Hygienemaßnahmen
■ Late-onset-Infektionen sind als nosokomiale Übertragungen beschrieben,
deshalb Händehygiene sehr wichtig
Zoster (Herpes zoster)
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei Auftreten von Hauteffloreszenzen
innerhalb von 7 Tagen vor der Geburt
die gleichen Maßnahmen wie bei Windpocken durchführen
■ Bei Auftreten von >7 Tagen vor der Geburt und verkrusteten Effloreszenzen
keine Isolierung erforderlich
Maßnahmen beim Kind
Windpocken
Maßnahmen bei der Frau
■ Bei florider Erkrankung oder, wenn
nicht immun, nach Varizella-Zoster-Virus-(VZV-)Kontakt innerhalb von drei
Wochen vor der Geburt Isolierung bei
der Entbindung
■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer
(mit Kind)
■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung
durch das Personal)
Maßnahmen beim Kind
■ Sofort nach der Geburt Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG), wenn die
Mutter innerhalb von 5–7 Tagen vor
der Geburt erkrankt ist oder 2–4 Tage
danach erkrankt
■ Möglichst vor dem 10. Tag nach Exposition nach Hause entlassen
■ Kann gestillt werden
■ Keine VZIG-Prophylaxe erforderlich,
da durch mütterliche Antikörper geschützt
Maßnahmen beim Personal
■ Personal in der Geburtshilfe soll nach
Möglichkeit gegen VZV immun sein.
■ Wenn keine Immuniät vorhanden
(oder unsicher), vom 9.–21. Tag nach
Exposition (= Inkubationszeit) zu Hause bleiben, alternativ Antikörper-Status überprüfen
■ Sorgfältige Händehygiene
Allgemeine Hygienemaßnahmen
in der Geburtshilfe
Kreißsaal
Patientin
■ Vor der Geburt das Genitale reinigen
oder Schleimhautantiseptikum (z.B.
0,2%ige PVP-Jodlösung) verwenden
Geburtshilfe und Gynäkologie
■
■
■
■
(wahrscheinlich aber keine Vorteile für
Mutter und Kind bei Verwendung von
Schleimhautantiseptika [5, 32])
Einmal-Handschuhe für vaginale Untersuchungen bei intakter Fruchtblase
Meist Verwendung von sterilen Handschuhen, sobald die Fruchblase geplatzt
ist
Sterile Handschuhe bei vaginaler Nachtastung und manueller Plazentalösung
Aseptisches Vorgehen bei invasiven
Maßnahmen im Rahmen des pränatalen Monitoring
Anwesenheit des Vaters
■ Kein Infektionsrisiko
■ Maske, Kopfschutz und Schutzkittel
nicht erforderlich, sondern nur gründliches Händewaschen
Ausstattung und Möblierung
■ Behagliche Umgebung schaffen
■ Geeignet für Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen
■ Bequeme Sitzgelegenheiten, waschbare Gardinen oder Vorhänge und Topfpflanzen kein hygienisches Risiko
Wochenstation
Da es sich bei Wöchenrinnen in der Regel
um gesunde Frauen handelt, ist ihre Versorgung meist unproblematisch. Besondere Maßnahmen sind nur bei Infektionen
von Mutter und/oder Kind erforderlich
(siehe oben).
Rooming-in
■ Seit langer Zeit allgemein akzeptiert
■ Infektionsrisko für das Neugeborene
höher bei dessen Versorgung im Neugeborenenzimmer, deshalb Roomingin die beste Lösung, wenn es der Allgemeinzustand der Mutter zulässt
207
■ Bei perinatalen mütterlichen Infektionen (siehe oben) Unterbringung des
Kindes bei der Mutter im Zimmer sogar wichtige Hygienemaßnahme, um
Übertragungen auf andere Personen
und insbesondere andere Neugeborene
zu verhindern, weil das Kind durch die
Mutter besiedelt sein kann und somit
ein potenzielles Erregerreservoir ist
Wochenfluss
■ Sekret immer mikrobiell besiedelt, jedoch nicht „infektiös“ oder sogar
„hochkontagiös“, potenziell pathogene
Keime können aber vorkommen, deshalb direkten und indirekten Kontakt
vermeiden
■ Gesamtkeimzahl im Wochenfluss wenige Tage post partum zwischen 105–108
KBE/ml
■ Als infektiöses Material zu betrachten,
wenn hohe Keimzahlen eines Infektionserregers enthalten sind, wie z.B. bei
einer Endometritis verursacht durch
A-Streptokokken
■ Gelegentlich Berichte über gehäufte
postpartale Infektionen, die auf eine
Kontamination sanitärer Anlagen (z.B.
Bidets) zurückgeführt werden konnten
(siehe oben „Endomyometritis puerperalis“) [6]
■ Die Benutzung der sanitären Anlagen
den Patientinnen gut erklären, und
darauf hinweisen, dass es nicht zu einem direkten Körperkontakt kommen
darf
■ Infizierte Patientinnen in einem Einzelzimmer mit eigener Nasszelle versorgen
■ Vorlagen müssen nicht steril sein, aber
für alle Wöchnerinnen leicht zugänglich sein, damit es nicht zu Kontaminationen kommen kann (z.B. in Einmalhandtuch-Spendern verschiedener
Größe für kleine und große Vorlagen)
208
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Sitzbäder bei Patientinnen mit Episiotomie können mit und ohne Badezusätze durchgeführt werden, sind aber für
die Infektionsprophylaxe nicht notwendig (Abduschen erfüllt den gleichen Zweck)
■ Sowohl für Personal als auch für Patienten Händehygiene außerordentlich
wichtig
Besucher
■ Normalerweise keine Einschränkungen, da Mutter und Kind in der Regel
gesund
■ Besucher mit Erkältungen sollen direkten Kontakt mit dem Kind vermeiden,
einen gewissen Mindestabstand (ca. 2 m)
zum Kind halten, damit das Kind nicht in
Kontakt mit dem respiratorischen Sekret kommt, und sich nach dem Naseputzen die Hände gründlich waschen.
■ Besucher mit floridem Herpes labialis
dürfen mit dem Kind keinen Kontakt
haben und auf keinen Fall mit ihm
schmusen.
■ Wenn der Vater einen floriden Herpes
labialis hat, soll er auf gründliche Händehygiene achten und bei Kontakt mit
dem Kind eine Maske tragen.
■ Geschwister können ebenfalls zu Besuch kommen, sollen aber, wenn sie einen Schnupfen haben, möglichst Abstand halten.
Neugeborenenzimmer
Weil auch bei einem gesunden reifen Neugeborenen das Immunsystem noch nicht
voll entwickelt ist, muss verhindert werden, dass das Neugeborene mit potenziell
pathogenen Errgern in Kontakt kommt,
die über eine primäre Besiedlung zu einer
Infektion führen können.
■ Sorgfältige Händehygiene von größter
Bedeutung, insbesondere wenn ein in-
fiziertes Kind da ist, z.B. mit einer Konjunktivitis oder einer Hautinfektion
verursacht durch S. aureus
■ Personal mit Hautinfektionen an den
Händen, mit Darminfektionen oder einem floriden Herpes labialis soll für die
Dauer der Erkrankung keinen Kontakt
mit Neugeborenen haben.
■ Das Gleiche gilt für Personal, das asymptomatisch darmpathogene Erreger ausscheidet.
■ Bei respiratorischen Infektionen soll
das Personal bei Versorgung der Neugeborenen Masken tragen, wenn man
es für die Dauer der Erkrankung nicht
außerhalb der Neugeborenen-Abteilung einsetzen kann.
Gynäkologie
Nosokomiale Infektionen gynäkologischer Patientinnen entsprechen denen von
Patienten anderer Fachgebiete. Häufig
sind Harnwegsinfektionen, und eine wichtige Rolle spielen postoperative Infektionen im Operationsgebiet (siehe Kapitel
B.4 „Die vier häufigsten Infektionen“) [3,
7, 20]. Bei gynäkologisch-onkologischen
Patientinnen bestehen abhängig vom Ausmaß der Immunsuppression die gleichen
Infektionsrisiken wie bei onkologischen
Patienten anderer Fachgebiete (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“).
Lasertherapie
Bei der Lasertherapie von PapillomavirusInfektionen konnte im Rauch intakte
Virus-DNA nachgewiesen werden [28].
Unklar ist, ob damit ein Infektionsrisiko
für das beteiligte Personal verbunden ist,
wobei die Entstehung von Kehlkopfpapillomen in Betracht gezogen wird. Ähnliche
Überlegungen gibt es für die Lasertherapie von Patienten mit HBV und anderen
Geburtshilfe und Gynäkologie
Blut-assoziierten Virusinfektionen, obwohl nicht bekannt ist, ob auch die Nukleinsäuren anderer Viren im Laserrauch
nachweisbar sind.
Ob das Personal deshalb anstelle normaler chirurgischer Masken sog. Atemschutzmasken tragen müsste (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel
B.5 „Tuberkulose“), um die Inhalation
DNA- oder RNA-haltigen Rauches zu
vermeiden, ist nicht geklärt. Klar ist, dass
eine Kontamination des Personals mit potenziell infektiösem Virusmaterial so effektiv wie möglich verhindert werden
muss. Eine notwendige Voraussetzung dafür ist eine gut funktionierende Absauganlage, möglichst mit Abführung an die
Außenluft. Außerdem muss die Absaugung so nah wie möglich an der Stelle
sein, an der die Rauchentwicklung stattfindet. Schon bei einer Entfernung von
2 cm werden bis zu 50% des Rauches
nicht mehr abgesaugt. Damit reduziert
man außerdem die Geruchsbelastung
durch den übel riechenden Rauch.
Reinigung und Desinfektion
Die in anderen operativen und nicht operativen Abteilungen üblichen Maßnahmen
bei Reinigung und Desinfektion (siehe
Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion –
Sterilisation“) gelten ebenso in der Geburtshilfe und Gynäkologie.
Instrumentendesinfektion
Spekula
■ Thermische Desinfektion in Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen
(RDM)
■ Bei manueller Aufbereitung zunächst
Einlegen in Reinigungslösung, reinigen, abspülen, trocknen, verpacken und
autoklavieren oder dampfdesinfizieren
209
Ultraschallsonden für die
transvaginale Sonographie
■ Bei der Untersuchung die Sonde mit einer Latexhülle schützen (Kondom oder
Einmal-Handschuh) [9]
■ Anschließend die Sonde mehrmals
gründlich mit z.B. 80%igem Alkohol
abwischen (trotz Schutzhülle häufig
mit Blut oder Vaginalsekret kontaminiert)
Scheidendiaphragma-Anpassungsringe
■ Nach Benutzung mit Instrumentenreiniger säubern und trocknen
■ Anschließend für 10 Minuten in z.B.
80%igen Alkohol einlegen, herausnehmen und Alkohol verdunsten lassen
(oder abspülen)
Flächendesinfektion
Kreißbett etc.
■ Nach der Entbindung Kreißbett, Gebärstuhl und andere Gegenstände, die
bei der Geburt kontaminiert wurden,
mit Desinfektionslösung abwischen
■ Fußboden und sonstige Flächen im
Kreißsaal nur, wenn es zu einer Kontamination gekommen ist (entsprechend
dem Vorgehen in einem Operationssaal, wo eine Kontamination mit Blut
häufig vorkommt)
Badewannen etc. im Kreißsaal
■ Bei Benutzung von Warmwasserbecken während der Eröffnungswehen
die in Schwimmbädern üblichen Maßnahmen einhalten
■ Bei Verwendung von Badewannen in
der Regel Reinigung ausreichend, nach
Kontamination des Badewassers mit
Blut die Wanne mit einem Desinfektionsmittel auswischen
210
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Sanitäre Anlagen auf Wochenstationen
Normalerweise werden sanitäre Anlagen,
wie Badewannen, Duschen, Bidets und
Toiletten, wenn sie von Patienten ohne Infektion benutzt wurden, nur gereinigt und
nicht desinfiziert. Auch die Wöchnerin ist
in den meisten Fällen nicht infiziert, aber
der Wochenfluss kann potenziell pathogene Keime enthalten, zu denen bei asymptomatischen Patientinnen z.B. A-Streptokokken und S. aureus gehören können.
Deshalb sollen die Gegenstände, die mit
der Genitalregion Kontakt haben können
– auch wenn bei sachgemäßem Gebrauch
kein Körperkontakt stattfinden soll, wie
z.B. bei Duschköpfen – mit Desinfektionsmittel abgewischt und nicht nur gereinigt
werden. Dies gilt ebenso für Sitzbadewannen, die mit (blutigem) Wochenfluss und
ggf. mit Sekret der Episiotomiewunde kontaminiert werden.
Wenn die Patientinnen die Reinigung der
von ihnen genutzten sanitären Anlagen
selbst durchführen sollen, muss man sie
sehr genau einweisen und auf die Bedeutung der ordentlichen Säuberung aufmerksam machen. Ob auf diese Weise – ganz abgesehen von möglichen Verständigungssschwierigkeiten mit fremdsprachigen Patientinnen – eine sorgfältige Dekontamination erreicht werden kann, ist fraglich und sollte häufig überprüft werden.
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212
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Operationsunabhängige nosokomiale Infektionen im HNO-Bereich sind selten. Es
gibt aber einige potenzielle Infektionsrisiken bei der konventionellen Versorgung
von HNO-Patienten, die im Folgenden behandelt werden sollen. Was die Probleme
im Zusammenhang mit operativen Eingriffen angeht, kann auf Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und auf Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“ verwiesen werden.
Tracheotomie
Die Besonderheit im Vergleich zu anderen
Fächern ist in der HNO naturgemäß die
Häufigkeit tracheotomierter Patienten,
die außerhalb von HNO-Abteilungen fast
nur auf Intensivstationen angetroffen werden. Der Umgang mit Tracheostoma und
Trachealkanüle hat deshalb große Bedeutung.
Tracheostomapflege
Bei der Versorgung eines Tracheostomas
muss man zwischen frischen und alten Tracheotomien unterscheiden. Bei frisch tracheotomierten Patienten stellt die Pflege
des Tracheostomas dieselben Anforderungen wie eine frische Operationswunde an
einer anderen Körperstelle.
Frisches Tracheostoma
■ Alle Manipulationen unter aseptischen
Bedingungen durchführen
■ Einmal-Handschuhe zum Schutz vor
Kontamination der Hände, sterile
Handschuhe oder sterile Pinzette
■ Tracheostomarand mit steriler Kompresse oder sterilem Stieltupfer und
Hautdesinfektionsmittel von Belägen
reinigen (ggf. Borken mit Pinzette entfernen), anschließend mit frischem
Tupfer nochmals Desinfektionsmittel
auftragen und antrocknen lassen, Kompresse unterlegen (verschmutzte Kanülenbändchen auswechseln)
■ Verbandswechsel in der Regel einmal
täglich, bei Bedarf (z.B. nässende Wunde) häufiger, Wundränder möglichst
immer sauber und trocken halten
Langzeit-Tracheostoma
Nach Abheilung der Tracheotomiewunde
kann die Pflege vereinfacht werden, sodass
das aseptische durch sauberes Arbeiten,
z.B. zu Hause durch den Patienten selbst,
ersetzt werden kann [1, 2]:
■ Säuberung des Tracheostomas bei der
normalen Körperpflege
■ Bei der Versorgung eines solchen Patienten durch medizinisches Personal
sollen Einmal-Handschuhe getragen
werden (für den Patienten, der sich
selbst versorgt, ist Händewaschen ausreichend).
■ Für die Reinigung werden ein frischer
Waschlappen oder Watteträger, Mullkompressen bzw. kommerzielle Reinigungstücher verwendet (ggf. Borken
mit Pinzette entfernen).
■ Um eine Schädigung der Haut zu vermeiden, das Stoma sicher vor Feuchtigkeit und Schleim schützen (hautfreundliche Kompressen mit Metalline-Beschichtung verwenden)
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
■ Haut mit Fettcreme oder Hautöl pflegen
213
len, die Katheter mit heißem Wasser
und Geschirrspülmittel zu reinigen und
mehrfach zu verwenden.
Wechsel der Trachealkanüle
Behandlungseinheit
Frisches Tracheostoma
■ Wenn erforderlich, Patienten zunächst
abhusten lassen oder absaugen
■ Trachealkanüle mit Einmal-Handschuhen entfernen und in Nierenschale ablegen, Handschuhe ausziehen
■ Händedesinfektion und sterile Handschuhe anziehen
■ Sterile Kanüle vorsichtig einsetzen,
Kompresse unterlegen und fixieren
Langzeit-Tracheostoma
Prinzipiell ist das Vorgehen das gleiche wie
beim frischen Tracheostoma. Anstelle der
sterilen Materialien ist jedoch sauberes
Arbeiten ausreichend [1, 2]. Das bedeutet
aber selbstverständlich, dass durch vorsichtige Handhabung eine Kontamination
z.B. der gesäuberten Kanüle durch unbeabsichtigten Kontakt mit potenziell kontaminierten Flächen oder Gegenständen
vermieden werden muss. Händewaschen
bzw. Händedesinfektion bzw. EinmalHandschuhe bei der Versorgung der Patienten durch medizinisches Personal sind
dafür wichtige Voraussetzungen.
Absaugen
■ Das Absaugen erfolgt bei frisch tracheotomierten Patienten unter den üblichen aseptischen Bedingungen.
■ Bei Langzeit-Tracheotomie saugen sich
die Patienten zu Hause selbst ab; sie
müssen also darüber informiert werden, wie sie sauber und kontaminationsfrei arbeiten. Verwendet werden
auch dabei meist einzeln verpackte sterile Absaugkatheter. Es wurde aber für
die häusliche Versorgung auch empfoh-
Ohrspülungen
Wegen der normalen mikrobiellen Kontamination von Leitungswasser sind die Wasser führenden Leitungen am HNO-Behandlungsplatz problematisch. Täglich vor
der ersten Benutzung des Gerätes soll deshalb das Wasser möglichst ca. 10 Minuten
laufen, um durch den Spüleffekt die Keimzahl zu reduzieren.
Bei perforiertem Trommelfell kann Leitungswasser nicht für Ohrspülungen verwendet werden. Für diese Fällen eignen sich
deshalb entweder autoklavierbare Wasserfilter, deren Wartung allerdings aufwändig
ist (mindestens zweimal wöchentlich Sterilisation und regelmäßige physikalische Überprüfung auf Dichtigkeit), oder man hat ein
separates Spülaggregat zur Verfügung und
kann dann mit sterilem Wasser spülen.
Medikamentenzerstäuber
Zerstäuberfläschchen sollen vorzugsweise
ein Steigrohr aus Edelstahl haben, da sie
dann autoklaviert werden können. Da die
Medikamentenlösungen nur begrenzt
haltbar sind, muss das Verfallsdatum auf
dem Fläschchen vermerkt werden.
Umgang mit Nasen- und Ohrentropfen
Bei der Applikation der Tropfen muss eine
Berührung der Gefäße mit dem Patienten
vermieden werden, weil sonst der Inhalt
der Fläschchen als kontaminiert betrachtet
werden muss und sie nicht mehr weiter
verwendet werden können. Denn die Konservierungsstoffe in den Lösungen können
das Wachstum potenziell pathogener Keime nicht sicher verhüten.
214
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Reinigung und Desinfektion
Im Folgenden werden nur die für die HNO
speziellen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen aufgeführt (siehe Kapitel B.2
„Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).
Trachealkanülen
Frisches Tracheostoma
■ Grobe Verunreinigungen vorsichtig
unter fließendem Wasser abspülen
■ Kanüle in ihre Einzelteile zerlegen
■ In Instrumentenreinigungslösung einlegen und mit einer jeweils frischen
(thermisch desinfizierten oder sterilisierten) Bürste äußere und innere
Oberflächen gründlich reinigen
■ Gründlich mit Wasser abspülen und mit
frischer Kompresse trocknen
■ Thermostabile Kanülen in Metallbehälter oder in Sterilisierfolie verpackt
autoklavieren
■ Bei thermolabilen Kanülen vorzugsweise Plasmasterilisation anwenden
(alternativ Gassterilisation, bei Verwendung von Ethylenoxid Auslüftungszeiten beachten)
Langzeit-Tracheostoma
■ Nach Abheilung der Tracheotomiewunde ist keine Sterilisation der Kanülen mehr erforderlich.
■ Kanülen in Einzelteile zerlegen, äußere
und innere Oberflächen gründlich unter fließendem Wasser mit sauberer
Bürste reinigen und danach trocknen
(Bürste in der häuslichen Geschirrspülmaschine reinigen oder mit Geschirrspülmittel waschen und anschließend
auskochen)
■ Abschließend die Kanüle für 10 Minuten in z.B. 80%igen Alkohol einlegen,
danach lufttrocknen lassen
■ Thermostabile Kanülen (z.B. Silberkanülen) können auch 15 Minuten ausgekocht werden
Absauggefäße
Im Krankenhaus werden die Sekretauffangflaschen in der Regel einmal täglich
geleert und mit den Überleitungsschläuchen in Reinigungs- und Desinfektionsautomaten aufbereitet. Zu Hause kann für
die maschinelle Reinigung der Flaschen
die Geschirrspülmaschine verwendet werden (der Überleitungsschlauch muss manuell gereinigt werden).Alternativ können
die Flaschen nach dem Entleeren in eine
Reinigungslösung eingelegt, gründlich gesäubert und anschließend zusammen mit
dem Überleitungsschlauch für 15 Minuten
(in einem ausreichend großen Kochtopf
mit leicht geöffnetem Deckel) ausgekocht
werden.
Instrumentarium
Für die normale HNO-ärztliche Untersuchung müssen die Instrumente nicht steril
sein. Ihre Aufbereitung in einem Reinigungs- und Desinfektionsautomaten wäre
daher adäquat.Tatsächlich wird das Instrumentarium nach der Reinigung häufig unverpackt sterilisiert und bis zum Gebrauch
in den Schubladen der Behandlungseinheit gelagert.
Diese Methode der Aufbereitung beruht
auf der (korrekten) Auffassung, dass das
HNO-Gebiet physiologischerweise besiedelt ist, weshalb man keine sterilen Instrumente verwenden muss, solange man die
Schleimhäute nicht durchdringt. Sie
stammt aber aus einer Zeit, als man noch
keine vollautomatische Reinigung und
thermische Desinfektion zur Verfügung
hatte. Heute ist dieses Vorgehen deshalb
nicht mehr zeitgemäß.
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
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B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Immunsupprimierte Patienten
Infektionen tragen bei abwehrgeschwächten Patienten erheblich zur Erhöhung von
Morbidität und Mortalität bei. Das Erregerspektrum umfasst einerseits die üblichen nosokomialen Infektionserreger,
darüber hinaus aber auch eine Reihe von
Mikroorganismen von geringer Virulenz,
die fast ausschließlich nur bei abwehrgeschwächten Patienten Infektionen verursachen [2, 5–7, 9–11, 17, 18, 20].
Nicht immer ist klar, welche Patienten als
abwehrgeschwächt einzustufen sind. Manche Äußerungen gehen dahin, jeder Patient, der in einem Großklinikum behandelt
werde, sei so krank, dass er in die Kategorie der immunsupprimierten Patienten falle, womit das Problem alles andere als klar
definiert ist.
Immunsuppression und ihr Ausmaß sind
von der Interaktion verschiedener Variablen abhängig, die das individuelle Infektionsrisiko eines Patienten bestimmen. Die
individuelle Immunitätslage wird dadurch
bestimmt, welche Faktoren bei einem Patienten vorhanden sind und was ggf. aus deren Interaktion resultiert. Folgende Veränderungen sind mit einer Beeinträchtigung
der körpereigenen Abwehrfunktionen
verbunden [5, 13, 19]:
■ Änderung der Zahl und Funktion der
Granulozyten: akute Leukämie, aplastische Anämie, Chemotherapie verschiedener maligner Erkrankungen,
schlecht eingestellter Diabetes mellitus, angeborene Granulozytenfunktionsstörungen, chronischer Alkoholismus
■ Störungen der zellulären Immunität: M.
Hodgkin, Kortikosteroid-Therapie, Cyclosporin-Therapie, 3. Trimenon der
Schwangerschaft, chronischer Alkoholismus
■ Störungen der humoralen Immunität:
chronische lymphatische Leukämie,
multiples Myelom, Makroglobulinämie, erworbene Hypogammaglobulinämie,
■ Hautschäden: ausgedehnte Operationen, Verbrennungen, Verletzungen,
schwere Hautkrankheiten, Ulzera (Dekubitus, Diabetes mellitus, Verschluss
großer Gefäße)
■ Schleimhautschäden: Mukositis (Chemotherapie, Bestrahlung), Verletzungen im Kopf-Hals-Bereich, Inhalationstraumen, endotracheale Intubation
■ Obstruktionen natürlicher Körperpassagen: große Tumoren, Mukoviszidose
■ Verschiedene Gegebenheiten mit Auswirkung auf das Immunsystem: Alter,
schwere Verletzungen, Unterernährung, Adipositas, immunmodulierende
Infektionen (z.B. HIV, CMV, EBV), Leberinsuffizienz
Infektionsprävention
Auch bei Patienten mit schwerster Abwehrschwäche ist in erster Linie die konsequente Beachtung der Standard-Hygiene
wichtig (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“); bei besonders gefährdeten Patienten werden darüber hinaus spezielle
Schutzmaßnahmen für erforderlich gehalten (siehe unten und Kapitel B.5 „Aspergillose“ und „Legionellose“) [2, 4, 14–16, 19].
Immunsupprimierte Patienten
Auch extreme Hygienemaßnahmen können bei abwehrgeschwächten Patienten
Infektionen nicht vollständig verhindern,
weil gerade bei ihnen eine große Zahl von
Infektionen durch potenziell pathogene
Erreger aus der körpereigenen Flora verursacht wird. Auf diese endogenen Infektionen hat man mit klassischen Hygienemaßnahmen, die auf eine Reduktion der
exogenen Kontamination abzielen, nur bedingt Einfluss (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“).
Im Folgenden soll ein Überblick über die
verschiedenen Maßnahmen bei Personal
und Patienten gegeben werden, die diese –
in sich nicht homogene – Patientengruppe
vor nosokomialen Infektionen schützen
sollen [2, 4, 14–16, 19]. Bei weitem nicht alles ist durch Ergebnisse aus klinischen Untersuchungen in seiner Effektivität gesichert; viele Empfehlungen basieren dagegen eher auf dem gesunden Menschenverstand [14]. Weil die Patienten aber in hohem Maße infektionsgefährdet sind, wird
aus verständlichen Gründen auch einiges
praktiziert, was vielleicht nur theoretisch
den Schutz vor Infektionen verbessern
könnte.
Hier ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem tatsächlich Erforderlichen und
dem möglicherweise noch Sinnvollen zu
finden, ist eine wesentliche Aufgabe des
medizinischen Personals bei der Versorgung dieser Patienten. Durch ihre Erkrankung und die daraus resultierenden therapeutischen Maßnahmen sind sie physisch
wie psychisch erheblichen Belastungen
ausgesetzt. Jede vermeidbare weitere Belastung, wozu auch Hygienemaßnahmen
gehören können, muss deshalb vermieden
werden.
Insofern müssen Hygienemaßnahmen daraufhin überprüft werden, ob sie rational
betrachtet eine Auswirkung auf die Inzi-
217
denz von Infektionen bei dieser prinzipiell
gefährdeten Patientengruppe haben. Es
geht also aus hygienischer Sicht auch darum, abwehrgeschwächten Patienten soviel
„normales Leben“ wie möglich zu erhalten
und für sie Bedingungen zu schaffen, die
die Entstehung zusätzlicher Ängste nicht
noch fördern.
Maßnahmen beim Personal
Das Personal muss die Maßnahmen der
Standard-Hygiene, die sämtlich auch im
Umgang mit schwerst abwehrgeschwächten Patienten vorrangig sind, sehr sorgfältig durchführen (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Im Folgenden wird deshalb hauptsächlich auf einige besondere
Aspekte hingewiesen, die vor allem für Patienten mit schwerer Neutropenie (Leukozytenzahl <1000/mm3), aber auch für Patienten nach Organtransplantation gelten
und über die in der täglichen Praxis gewisse Kontroversen entstehen können.
Händehygiene
Häufige und sorgfältige Händedesinfektion sowie ein vernünftiger Umgang mit
Einmal-Handschuhen sind auch im Umgang mit abwehrgeschwächten Patienten
die effektivsten Maßnahmen zur Prävention exogener Infektionen.
Arbeitskleidung
■ In Bereichen, in denen granulozytopenische Patienten versorgt werden, soll
für das Pflegepersonal genügend Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt
werden, damit die Kleidung täglich, wie
auf Intensivstationen üblich, gewechselt werden kann, weil diese Patienten
meist sehr viel pflegerische Betreuung
benötigen.
■ Ärzte können unter ihrem Kittel private Kleidung tragen. Die haushaltsübli-
218
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
chen Waschverfahren (30 °C und höher) sind ausreichend und können entsprechend der Zusammensetzung der
Stoffe beliebig gewählt werden.
■ Dienst habende Ärzte, die z.B. zur Anlage eines peripheren Venenkatheters
gerufen werden, brauchen den Kittel
nicht zu wechseln, wenn sie das Patientenzimmer betreten.
Maske
Besteht eine obere Atemwegsinfektion
oder ein florider Herpes labialis soll das
Personal vor Betreten der Patientenzimmer eine (chirurgische) Maske aufsetzen
(die Regeln der Händehygiene müssen in
diesen Situationen besonders sorgfältig
beachtet werden; siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Wünschenswert
wäre es allerdings, dass diese Personen für
die Dauer der Erkrankung keinen direkten Patientenkontakt haben. Dies kann jedoch meist nicht realisiert werden.
Kopfschutz und Bereichsschuhe
Beides hat keinen Einfluss auf die Inzidenz von Infektionen und soll deshalb
nicht verwendet werden.
Maßnahmen beim Patienten
1. Organisatorische Maßnahmen
Einzelzimmer
■ Die Unterbringung eines Patienten in
einem Einzelzimmer kann aus protektiven Gründen (früher als Umkehrisolierung bezeichnet) notwendig werden,
wenn der Patient stark granulozytopenisch (<500/mm3) ist. Das Personal
muss sich nicht umziehen, wenn es das
Zimmer betreten möchte, sondern
kann in seiner normalen Arbeitskleidung zum Patienten gehen.
■ Patienten mit Infektionen sollen nach
Möglichkeit ebenfalls allein untergebracht werden, um das Übertragungsrisiko einzuschränken (siehe Kapitel B.9
„Isolierung bei Infektion und Kolonisation“).
Mehrbettzimmer
Alle anderen Patienten mit weniger ausgeprägter Immunsuppression oder ohne Infektion können in Mehrbettzimmern gepflegt werden.
Künstlich klimatisierte Zimmer
■ Vor allem bei granulozytopenischen
Patienten besteht die Gefahr, dass sie
in der Phase der schweren Immunsuppression eine invasive Aspergillose entwickeln (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“) [1]. Diese Patienten werden meist
in Zimmern mit einer RLT-Anlage mit
endständigem Schwebstofffilter untergebracht, die nahezu keimfreie Luft in
die Räume einleitet (siehe Kapitel B.8
„Raumlufttechnische Anlagen“).
■ In diesen Räumen herrscht ein Überdruck im Vergleich zu den angrenzenden Räumen, sodass beim Öffnen der
Türen, sofern diese nicht unnötig lange
offenstehen, die Luft nur aus den Zimmern heraus-, aber nicht von außen hereinströmen kann. Deshalb können in
den Personalräumen die Fenster auch
geöffnet werden.
■ In den Patientenzimmern sollen die
Fenster aber nicht geöffnet werden,
weil sonst die aufwändige RLT-Anlage
sinnlos wird.
■ Die Patienten sollen bei Verlassen eines solchen Zimmers eine Atemschutzmaske anlegen.
Ausstattung der Patientenzimmer
■ Die Einrichtung der Zimmer soll praktisch sein, sodass alle Reinigungsmaß-
Immunsupprimierte Patienten
nahmen leicht und schnell durchführbar sind.
■ Die Mitnahme persönlicher Gegenstände (z.B. Radio/CD-Player, Bücher)
wird mit den Patienten individuell besprochen.
■ Auf Pflanzen und Trockenblumen muss
wegen Besiedlung mit Aspergillen verzichtet werden.
Sanitäre Anlagen
Die Patientenzimmer sollen integrierte Badezimmer mit Toilette haben, die insbesondere bei Mehrbettzimmern so oft gereinigt
werden müssen, dass sie immer sauber sind.
Gerade Patienten unter Chemotherapie
haben häufig Durchfall und müssen deshalb die Toilette sehr oft benutzen. Um den
Patienten in Mehrbettzimmern die gemeinsame Benutzung einer Toilette zu erleichtern, kann mit ihnen vereinbart werden, den
Toilettensitz nach jeder Benutzung mit z.B.
80%igem Alkohol abzuwischen.
2. Persönliche Hygiene
Händehygiene
Auch für die Patienten ist häufiges Händewaschen sinnvoll (z.B. nach Aufenthalt außerhalb des Zimmers, nach WC-Benutzung). Sie können auch ein Händedesinfektionsmittel verwenden, sollen aber die
Methode der Händehygiene anwenden,
die ihre Haut am besten verträgt. Eine
ständige Kombination von Händewaschen
mit anschließender Händedesinfektion ist
nicht erforderlich und beeinträchtigt nur
den Zustand der Haut.
Mund- und Gesichtspflege
■ Eine sorgfältige und häufige Mundpflege ist ein wichtiger Faktor für die Reduktion der Mundflora, wobei die mechanische Reinigung wichtiger ist als
219
die Anwendung antiseptischer Spüllösungen. Zum Zähneputzen eignen sich
weiche Zahnbürsten.
■ In einigen Abteilungen werden die
Zahnbürsten in bestimmten Intervallen, z.B. wöchentlich, gewechselt. Wenn
sie aber nach dem Gebrauch zum
Trocknen luftig, also mit dem Bürstenteil nach oben, in einen Becher gestellt
werden, scheint mit ihrer weiteren Verwendung kein Infektionsrisiko verbunden zu sein.
■ Zum Spülen der Mundhöhle sollen
schwer abwehrgeschwächte Patienten
nach Möglichkeit kein Leitungswasser
verwenden, sondern entweder steriles
Aqua dest. oder mit kochendem Wasser aufgebrühte Tees (siehe Kapitel B.5
„Legionellose“). Angebrochene Aqua
dest.-Flaschen sollen nach 24 Stunden
verworfen, und Tee soll mehrmals täglich frisch zubereitet werden.
■ Bei der Mundpflege muss sorgfältig
darauf geachtet werden, die Spüllösung
nicht zu kontaminieren. Das Mundpflegeset von bettlägerigen Patienten, die
sich nicht selbst versorgen können, soll
einmal täglich in einer Reinigungs- und
Desinfektionsmaschine (RDM) aufbereitet werden. Dazwischen sollen
Klemmen, Gläser und Becher nach jeder Anwendung mit z.B. 80%igem Alkohol ab- bzw- ausgewischt werden.
Körperpflege
■ Beim Waschen sollen die Patienten das
Wasser nach Aufdrehen des Wasserhahnes für etwa eine Minute laufen lassen, um Wasserkeime wegzuspülen, die
sich im stagnierenden Wasser am Auslass möglicherweise angesammelt haben (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des
Patienten“).
■ Für die Körperwäsche kann ohne Einschränkung Leitungswasser verwendet
220
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
werden. Es können auch normale (milde) Seifen verwendet werden. Antimikrobielle Seifen stören eher das ökologische Gleichgewicht der Haut, und ihr
Einfluss auf die Infektionsinzidenz ist
unklar.
■ Nach dem Waschen (ein- oder mehrmals täglich, wie es für den Patienten
angenehm ist) soll die Haut mit einer
Körperlotion eingerieben werden, um
Austrocknung zu vermeiden und sie geschmeidig zu halten.
■ Um während der Phase der schweren
Immunsuppression keine vermeidbaren Hautverletzungen zu erleiden, sollen die Patienten Finger- und Fußnägel
noch vor Beginn der stationären Behandlung schneiden. Aus demselben
Grund soll auch auf eine Nassrasur verzichtet werden.
Wäsche
■ Ein häufiger Wechsel von Nachthemden und Schlafanzügen ist meist erforderlich (Unterwäsche einmal täglich).
■ Die persönliche Wäsche kann von den
Angehörigen zu Hause wie üblich in
der Waschmaschine (z.B. je nach Material bei 40 °C oder 60 °C) gewaschen
werden.
■ Die Bettwäsche kann alle 2–3 Tage und
bei Bedarf (z.B. starkes Schwitzen) früher erneuert werden.
■ Handtücher sollen ausreichend zur
Verfügung stehen, damit sie ausgetauscht werden können, wenn sie
feucht sind.
■ Waschlappen für den Körper sollen nur
einmal verwendet werden und dann in
die Wäsche kommen (für das Gesicht
aber können sie mehrfach benutzt und
täglich erneuert werden).
Der Umgang mit Wäsche ist ein Beispiel
dafür, dass es schwierig ist, konkrete Anga-
ben zu machen, weil es zu den verschiedenen Fragestellungen keine Daten in der Literatur gibt. Insofern kann man sich an den
für das normale Leben üblichen Grundsätzen orientieren und den gesunden Menschenverstand einsetzen. Wichtig ist, dass
der Patient sich wohl fühlt. Daran haben
Wäsche und Kleidung einen wesentlichen
Anteil.Von hygienischer Bedeutung ist die
Wäsche aber nicht, solange sie sauber ist
und den allgemeinen ästhetischen Ansprüchen genügt.
3. Ernährung
Nahezu alle unsere Nahrungsmittel enthalten Mikroorganismen verschiedener
Art (z.B. Bakterien, Pilze). Normalerweise
stellt diese Kontamination aber für den
Menschen kein Risiko dar, da sowohl der
saure Magensaft als auch ein intaktes Immunsystem im Stande sind, die mit der
Nahrung aufgenommenen Mikroorganismen zu reduzieren und auf den MagenDarm-Trakt beschränkt zu halten.
Grundsätzlich sind alle rohen Nahrungsmittel wesentlich stärker kontaminiert als
gekochte, weil durch das Erhitzen auf
mehr oder weniger hohe Temperaturen eine deutliche Reduktion der Keimzahlen
erreicht wird. Beim Kochen lassen sich
aber nur dann die Keimzahlen nachdrücklich beeinflussen, wenn ein für die Abtötung von Mikroorganismen ausreichender
Temperaturbereich erreicht wird und die
Speisen gut durchgegart werden (siehe
Kapitel B.6 „Küche“).
Aus diesem Grunde soll bei der Ernährung
von Patienten in Phasen starker Immunsuppression darauf geachtet werden, dass
sie keine rohen Nahrungsmittel (z.B. frische Salate, nicht schälbares Obst) zu sich
nehmen. Ebenso problematisch sind alle
Speisen, die rohe Eier enthalten (z.B.
Bouillon mit Ei, verschiedene Süßspeisen),
Immunsupprimierte Patienten
oder Eierspeisen mit nicht durchgegarten
Eiern (z.B. Rührei, Spiegelei). Produkte
aus unpasteurisierter Milch oder Schimmelkäse sind ebenfalls ungeeignet. Auf
Garnierungen mit Petersilie o.ä. muss verzichtet werden, auch wenn sie an sich nur
für das Auge da sind.
Eine solche relativ keimarme Diät soll
routinemäßig bei neutropenischen Patienten eingehalten werden. Welche Bedeutung die Diät als Maßnahme der Infektionsprävention hat, ist jedoch nicht bekannt, weil ihr Einfluss auf die Inzidenz
von Infektionen nie allein, sondern immer
nur zusammen mit anderen Faktoren (wie
z.B. antimikrobielle Prophylaxe, RLT-Anlage) untersucht worden ist.
Die Patienten sollen keine Lebensmittelreste im Zimmer aufbewahren, weil sich
Mikroorganismen bei Raumtemperatur
rasch vermehren können, auch wenn sie
ursprünglich nur in geringer Keimzahl in
einem Nahrungsmittel vorhanden waren.
Geschirr und Besteck werden wie für alle
anderen Patienten eines Krankenhauses
auch aufbereitet, d.h., sie werden in der
Krankenhausküche in speziellen Geschirrspülmaschinen gereinigt und getrocknet.
Alle mit gekochtem Wasser zubereiteten
Getränke (z.B. Kaffee, Tee) stellen kein
Problem dar. Bei Säften ist darauf zu achten, dass sie bei der Herstellung pasteurisiert worden sind [3]. Ansonsten können
frisch gepresste Säfte aus schälbarem Obst
getrunken werden. Ob die in Mineralwasser nachweisbaren Mikroorganismen überhaupt eine Gefährdung für stark abwehrgeschwächte Patienten darstellen können,
ist unklar. Epidemiologische Hinweise dafür gibt es nicht. Darüber hinaus gibt es keinen Grund, in Mineralwasser ein größeres
infektiöses Potenzial zu sehen als in anderen industriell hergestellten Getränken.
221
4. Unterstützung der Abwehrfunktionen
Auf verschiedenen Wegen wird versucht,
die Funktionen der körpereigenen Abwehr zu erhalten bzw. zu verbessern:
■ Azidität des Magensaftes: Erhaltung
der natürlichen Azidität des Magensaftes durch Verzicht auf Medikamente
zur Stressulkusprophylaxe, die mit einer
Anhebung des Magensaft-pH in den
neutralen oder sogar alkalischen Bereich verbunden sind
■ Immunisierung: Polysaccharid-, Konjugat- und Toxoidimpfstoffe und Impfstoffe aus inaktivierten Erregern können allen Patienten unabhängig von der Art
der Immunsuppression verabreicht werden. Lebendimpfstoffe dagegen sind bei
Patienten mit schwerer Immunsuppression, bis zwei Jahre nach Knochenmarktransplantation (KMT) und bei Graftvs-Host-Disease (GVHD) kontraindiziert. Passive Immunisierungen mit Immunglobulinzubereitungen können immer angewendet werden.
■ Außerdem werden hämatopoetische
Wachstumsfaktoren (z.B. GCSF) eingesetzt, deren Rolle aber auch bei febrilen neutropenischen Patienten nicht
endgültig geklärt ist.
5. Prophylaxe endogener Infektionen
Bei schwerer Immunsuppression wird eine
Vielzahl von lokal und systemisch applizierten Antibiotika und Antimykotika angewendet, um Infektionen aus der körpereigenen Flora zu reduzieren [8, 12]. Nicht
selten sind damit aber auch Probleme – bedingt durch Resistenzentwicklung oder Selektion – verbunden (z.B. bei Prophylaxe
mit Chinolonen Auftreten resistenter
Gram-negativer Stäbchen bzw. Selektion
vergrünender Streptokokken; siehe Kapitel E „Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe“).
222
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Maßnahmen bei Besuchern
Je ausgeprägter die Immunsuppression,
um so eher ist es vertretbar, die Zahl der
Besucher auf die nächsten Angehörigen
und engsten Freunde zu beschränken. Jedem Besucher sollen die erforderlichen
Hygienemaßnahmen erklärt werden, wobei es vorrangig wieder auf die Händehygiene ankommt. Man muss erklären, dass
immunsupprimierte Patienten keine üblichen Lebensmittel und keine Blumen oder
Pflanzen bekommen sollen. Die Besucher
können aber in ihrer Straßenkleidung zum
Patienten gehen und müssen keine Überkittel anziehen.
Sie müssen darauf hingewiesen werden,
dass nach Niesen oder Naseputzen die
Hände gewaschen oder desinfiziert werden müssen. Personen mit z.B. starkem
Schnupfen und Husten bei Infektionen der
Atemwege sollen in dieser Zeit möglichst
keinen Kontakt mit dem Patienten haben.
Handelt es sich um wichtige Bezugspersonen, können sie den Patienten besuchen,
sollen aber vor Betreten des Zimmers einen Mundschutz aufsetzen und einen Mindestabstand von zwei Metern zum Patienten halten.
Dasselbe gilt für Personen mit einem floriden Herpes labialis. Auch Personen mit
Symptomen einer Diarrhoe sollen keinen
Patientenkontakt haben, weil insbesondere manche viralen Durchfallerkrankungen
schon zwischen immunkompetenten Personen sehr leicht übertragbar sind (siehe
Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“).
Gesunde Kinder können unter den gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu Besuch
kommen. Dies gilt für Säuglinge und
Kleinkinder ebenso wie für ältere Kinder.
Ist ein Kind aber beispielsweise stark erkältet, sollte es in dieser Zeit keinen Kon-
takt zum Patienten haben. Es ist darüber
hinaus wichtig, nach Kontakt mit Erkrankungen wie Varizellen, Masern, Röteln,
Mumps, Hepatitis A, A-StreptokokkenPharyngitis oder Keuchhusten zu fragen,
weil bei Kindern derartige Expositionen
viel häufiger sind als bei Erwachsenen.
Letztlich können aber für den Besuch von
Kindern keine einheitlichen Regeln festgelegt werden. Aus hygienischer Sicht besteht ein großer Spielraum, der von Ärzten
und Pflegepersonal genutzt werden sollte,
um individuelle Lösungen zu finden, die alle Beteiligten, so gut es eben möglich ist,
zufrieden stellen.
Vorgehen bei invasiven Maßnahmen
Prinzipielle Unterschiede im Umgang mit
invasiven Maßnahmen bei immunkompetenten und immunsupprimierten Patienten gibt es nicht. Insofern gelten alle in Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“ aufgeführten Empfehlungen gleichermaßen bei
abwehrgeschwächten Patienten. Im Folgenden werden deshalb nur einige Hinweise für den Umgang mit implantierten Kathetern gegeben (siehe auch Kapitel B.4
„Bakteriämie“).
1. Vollständig implantierte Katheter
(Portsysteme)
Punktion der Injektionsstelle
Zur erforderlichen Dauer der Hautdesinfektion vor der Punktion gibt es keine speziellen Daten. Deshalb kann man nur, ausgehend von vergleichbaren invasiven
Maßnahmen, extrapolieren und z.B. eine
Einwirkzeit des Desinfektionsmittels von
einer Minute empfehlen. Dies entspricht
der Dauer der Hautdesinfektion vor Anlage konventioneller zentraler Venenkatheter und ist höchstwahrscheinlich ebenfalls
sinnvoll, aber auch ausreichend.
Immunsupprimierte Patienten
Verbandswechsel
Bei kontinuierlicher Infusion wird die
Punktionsstelle mit einem Verband abgedeckt, der, wie bei konventionellen Kathetern auch, routinemäßig frühestens alle
drei Tage gewechselt wird.
Nadelwechsel
Zur Notwendigkeit eines Kanülenwechsels in einem bestimmten Intervall gibt es
keine präzisen Angaben. Meist bleibt deshalb die Kanüle solange liegen, wie sie für
die intravenöse Therapie benötigt wird.
Nach Entfernen der Kanüle ist ggf. vorübergehend ein Verband nötig.
2. Teilweise implantierte Katheter
Bei teilweise implantierten Kathetern mit
extrakorporaler Injektionsstelle wird vor
Diskonnektion von Katheteransatzstück
und Infusionssystem eine sterile Kompresse untergelegt und danach eine Desinfektion des Katheteransatzstücks mit einer
Einwirkzeit von einer Minute durchgeführt (zum Abwischen überschüssigen
Desinfektionsmittels sterile Tupfer verwenden). Alle weiteren Maßnahmen entsprechen denen im Umgang mit konventionellen Kathetern.
Umgang mit Patienten vor und nach
Organtransplantation
Die präoperative Vorbereitung von Patienten für eine Organtransplantation unterscheidet sich nicht von den Maßnahmen
bei normalen operativen Eingriffen (siehe
Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im
Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“).
In manchen Kliniken werden für die Einleitung und Durchführung der Narkose
sterile Utensilien verwendet. Diese Maßnahme kann jedoch keinen Einfluss auf die
223
Inzidenz postoperativer Pneumonien
(oder sonstiger Infektionen) haben, weil
die sterilen Gegenstände einerseits sofort
bei Kontakt mit den Schleimhäuten des
Patienten durch die ortsständige Flora
kontaminiert werden und andererseits die
sonst übliche Verwendung desinfizierter
Gegenstände zu keiner Kontamination der
Atemwege führt. Denn die nach regelrechter Desinfektion evtl. noch in geringer
Zahl vorhandenen Mikroorganismen
kommen als Infektionserreger auch bei
diesen Patienten nicht in Betracht (siehe
Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion –
Sterilisation“). Ebenso wenig wie bei granulozytopenischen Patienten ist es bei
transplantierten Patienten sinnvoll, ihre
postoperative Versorgung mit umfangreicher Schutzkleidung (steriler Kittel, sterile
Handschuhe, Maske, Kopfschutz) durchzuführen.
Bei Organtransplantierten werden nicht
selten von den behandelnden Ärzten
merkwürdig anmutende „Hygienemaßnahmen“ angeordnet, die man vom Umgang mit z.B. KMT-Patienten nicht kennt.
Möglicherwiese spiegeln sich darin Unterschiede zwischen den verantwortlichen
(Fach-)Ärzten – Chirurgen bei Organtransplantierten, Internisten bei KMT-Patienten – wider. Beispielsweise kann man
beobachten, dass Patienten nach Organtransplantation bei Verlassen ihres Zimmers weiße Baumwollhandschuhe anziehen müssen.
RLT-Anlage
Ob überhaupt und, wenn ja, wie lange diese Patienten postoperativ in Zimmern mit
spezieller RLT-Anlage gepflegt werden
sollen, ist eine ungeklärte Frage. Im Gegensatz zu Patienten, die vorübergehend extrem granulozytopenisch sind, ist bei Patienten nach Organtransplantation die Pha-
224
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
se der Empfänglichkeit für Aspergillus-Infektionen viel schwieriger zu definieren.
Bekannt ist, dass sie in den ersten vier Wochen nach der Transplantation in der Regel
durch typische nosokomiale Infektionen
gefährdet sind und erst ab dem zweiten
Monat ein erhöhtes Aspergillose-Risiko haben [5, 18]. Deshalb ist es zumindest fragwürdig, die Patienten unmittelbar postoperativ für einige Tage in einem Zimmer
mit Schwebstofffilterung unterzubringen,
das sie dann meist schon bald für den
nächsten frisch transplantierten Patienten
wieder räumen müssen. Denn in Kliniken,
in denen viele Transplantationen durchgeführt werden, stehen nie so viele Patientenzimmer dieser Art zur Verfügung, um
alle Patienten z.B. zwei bis drei Wochen
unterzubringen.
Ebenso wie die RLT-Anlage muss man bei
ihnen aber auch das Tragen von Atemschutzmasken außerhalb des Zimmers
skeptisch beurteilen, dies insbesondere,
wenn sie gar nicht (mehr) in einem klimatisierten Zimmer, sondern in einem Zimmer mit natürlicher Belüftung untergebracht sind, wo die Zahl an AspergillusSporen ebenso hoch ist wie in der Außenluft (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“).
Reinigung und Desinfektion
Unterschiede in den Verfahren der Reinigung und Desinfektion im Vergleich zu
Stationen mit immunkompetenten Patienten gibt es nicht (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). In
Bereichen mit schwer neutropenischen Patienten muss aber – ähnlich wie auf Intensivstationen – in den meisten Fällen öfter
gereinigt bzw. desinfiziert werden, weil die
Patienten bedingt durch die Chemotherapie häufig Durchfall und auch Erbrechen
haben, es also häufiger zu Kontaminationen in ihrem Umfeld kommen kann.
Ob Reinigungsmaßnahmen ausreichend
sind oder die Desinfektion der Flächen einen besseren Schutz vor Infektionen bietet, ist bei abwehrgeschwächten Patienten
ebenso unklar wie z.B. bei Patienten auf Intensivstationen. Meist wird das patientennahe Umfeld zweimal täglich desinfiziert.
Es ist aber kaum anzunehmen, dass bei einer so seltenen Anwendung und in der
Zwischenzeit exponierten Oberflächen das
Desinfektionsmittel einen signifikanten
Einfluss auf Qualität und Quantität der auf
den Oberflächen vorhandenen Mikroorganismen bzw. auf die Infektionsinzidenz der
in diesen Bereichen versorgten Patienten
haben kann. Es ist deshalb nicht abwegig zu
vermuten, dass mit derselben Sorgfalt
durchgeführte Reinigungsmaßnahmen den
gleichen Effekt haben würden.
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226
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Intensivmedizin
Wegen der Schwere der Grundkrankheiten und der dadurch bedingten zahlreichen invasiven Maßnahmen sind nosokomiale Infektionen bei intensivmedizinischen Patienten z.T. wesentlich häufiger
als auf Allgemeinstationen [2–5, 7–9, 11–
13]. Krankenhaushygienische Maßnahmen haben deshalb bei der Versorgung
dieser Patienten einen außergewöhnlich
hohen Stellenwert.
Die Diagnostik beispielsweise der Pneumonie bei beatmeten Patienten ist nach
wie vor schwierig, und auch deshalb werden Intensivpatienten häufig mit einer
Vielzahl von Antibiotika behandelt. Eine
Antibiotikatherapie sollte aber nur bei
konkretem Infektionsverdacht eingeleitet
werden (siehe Kapitel E. „Antimikrobielle
Therapie und Prophylaxe“).
Eine Kolonisierung z.B. des Trachealsekrets mit Bakterien oder Pilzen kommt
häufig vor und stellt an sich keine Behandlungsindikation dar. Deshalb ist auch
das sog. „mikrobiologische Monitoring“
an sich nicht sinnvoll, wird aber von den
Klinikern wohl deshalb geschätzt, weil es
ein gewisses Gefühl von Sicherheit vermittelt zu wissen, welche Keime bei den
Patienten nachweisbar sind, falls irgendwann Zeichen einer Infektion auftreten
[6].
Allgemeine Maßnahmen
Generell sind im Umgang mit Intensivpatienten die Maßnahmen der Standard-Hygiene von ausschlaggebender Bedeutung
[9, 11–13]:
Personal
■ Händedesinfektion ist auch auf Intensivstationen die wichtigste Maßnahme
zur Prävention von direkten und indirekten Erregerübertragungen.
■ Sorgfältiger Umgang mit EinmalHandschuhen
■ In der Regel täglicher Wechsel der Arbeitskleidung, wenn erforderlich auch
häufiger
■ Schutzkleidung (Schürze, Kittel) bei
nahem Patientenkontakt, wenn Kontamination der Arbeitskleidung möglich
(Wechsel z.B. einmal pro Schicht)
Ausführliche Angaben zu diesen Punkten
finden sich in Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“.
Besucher
■ Schutzkittel nicht erforderlich, da die
Privatkleidung kein Risiko darstellt
■ Händewaschen bzw. Händedesinfektion
■ Besucher mit akuten Atemwegsinfektionen sollen keinen direkten Kontakt
mit dem Patienten aufnehmen (ca. 2 m
Abstand halten). Ebenso soll direkter
Kontakt bei Hautinfektionen oder Ausscheidung darmpathogener Erreger
vermieden werden.
Bauliche Konzeption
■ Sog. Schleuse als Abtrennung zum übrigen Krankenhaus nicht erforderlich
(siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“)
■ Für Besucher am Eingang Möglichkeit
zum Aufhängen von Mänteln etc.
Intensivmedizin
■ Bei Planung von Mehrbetträumen
muss auf ausreichenden Abstand zwischen den Bettplätzen geachtet werden, weil dadurch das ungestörte und
damit kontaminationsfreie Arbeiten
erleichtert wird.
■ Verfügbarkeit von Einzelboxen sinnvoll, um ggf. bestimmte Patienten von
den anderen räumlich trennen zu können (Abtrennung kann auch durch flexible, z.B. auch durchsichtige, Wände
innerhalb eines größeren Raumes erreicht werden)
Spezielle Maßnahmen
Spezielle Maßnahmen der Infektionsprävention betreffen insbesondere alle für die
Intensivtherapie typischen und üblichen
invasiven Maßnahmen (siehe Kapitel B.3
„Invasive Maßnahmen“). Daneben spielen weitere Maßnahmen eine wichtige
Rolle, die zwar auch bei Patienten auf Allgemeinstationen angewendet werden,
aber bei Intensivpatienten wegen ihrer
prinzipiellen Infektionsgefährdung von
besonderer Bedeutung sind.
Mundpflege
■ Möglichst wiederaufbereitbares Set bestehend aus Tablett mit Deckel, mehreren Bechern und Ablage für Pflegeutensilien verwenden
■ Mundpflegelösung in geschlossenem
Becher aufbewahren und zum jeweiligen Gebrauch eine kleine Menge in einen anderen Becher schütten (dadurch
wird eine Kontamination der Vorratslösung durch die bereits benutzte
Mundpflegeklemme verhindert)
■ Becher und Klemme nach jedem Gebrauch mit z.B. 80%igem Alkohol ausbzw. abwischen
■ Gesamtes Tablett einmal täglich thermisch aufbereiten
227
Enterale Ernährung
Sondennahrung stellt für viele potenziell
pathogene Keime ein gutes Nährmedium
dar (aseptische Vorsichtsmaßnahmen bei
Zubereitung und Gabe) [1, 10]. Kontaminationsfreies Arbeiten ist deshalb sehr
wichtig.
■ Bei Anwärmen industriell hergestellter
Flaschennahrung im Wasserbad die
Flaschen anschließend gut abtrocknen
(Wasserkontakt mit Flaschenverschluss vermeiden)
■ Zubereitung von Tee mit kochendem
Wasser (Teeblätter sind nicht keimfrei,
Wasser aus Kaffee- und Teemaschinen
ist in der Regel nicht aufgekocht)
■ Bei intermittierendem Nahrungsaufbau
für jede Nahrungsgabe frische Spritze
verwenden (anschließend Aufbereitung
in Geschirrspülmaschine bei 65 °C oder
thermische Desinfektion in Reinigungsund Desinfektionsautomat)
■ Plastikbeutel mit angeschweißtem
Überleitungssystem spätestens nach 24
Stunden verwerfen (sichere Aufbereitung nicht möglich)
■ Angebrochene Sondenkostflaschen im
Kühlschrank lagern und Reste nach 24
Stunden verwerfen
■ Zubereitung pulverförmiger Nahrung
in portionsgerechten Mengen zum sofortigen Verbrauch
– Pulvernahrung ist nicht keimfrei und
soll deshalb, sobald angerührt,
schnell verbraucht werden.
– Schüttelbecher, Messlöffel etc. thermisch desinfizieren
– Anrühren immer nur mit abgekochtem oder sterilem Wasser
Sondenpflege
■ Nach jeder Nahrungsgabe Sonde mit
Tee durchspülen, um Verstopfung der
Sonde zu verhindern
228
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Bei transnasaler Sonde tägliche Pflege
mit Reinigung von Naseneingang und
Sonde mit Wasser und Seife, Nasensalbe zur Pflege des Nasenflügels, schonendes Pflaster zur Fixierung der Sonde
■ Bei perkutaner endoskopischer Gastrostomie Verbandswechsel alle 72
Stunden (ggf. häufiger, wenn Verband
lose oder nicht mehr sauber)
um die Ansammlung von Verunreinigungen aus dem Leitungswassernetz zu reduzieren bzw. zu verhindern. Da eine Biofilmbildung aber unvermeidbar ist, sollen
die Strahlregler regelmäßig (z.B. einmal
pro Woche) in einer Geschirrspülmaschine
oder einem Reinigungs- und Desinfektionsautomaten aufbereitet werden.
Ventrikeldrainagen
■ Routinemäßig Fußböden mit hausüblichem Reinigungssystem und umweltfreundlichem Reiniger aufwischen
(zweimal täglich, da Verschmutzungen
häufiger als außerhalb von Intensivbereichen)
■ Patientennahe Flächen (Nachttisch,
Versorgungsleiste, Monitor, Medikamenten-, Verbandswagen) einmal täglich, ggf. häufiger, mit Reinigungslösung abwischen
■ Bedienungsoberflächen von Geräten
einmal pro Schicht mit Reinigungslösung abwischen oder dazu Alkohol
bzw. ein Flächendesinfektionsmittel
verwenden (zuvor Materialverträglichkeit prüfen)
■ Nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material sog. gezielte Desinfektion (siehe Kapitel B.2 „Reinigung –
Desinfektion – Sterilisation“)
■ Beim Wechsel von Ventrikeldrainagen
möglichst zu zweit arbeiten (erleichtert
das aseptische Arbeiten)
■ Wechselintervall alle 72 Stunden
■ Vorgehen wie bei Venenkatheterverbandswechsel und Wechsel von Infusionssystemen (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“)
Umgang mit Leitungswasser
Im Leitungswasser sind häufig in wechselnder Keimzahl sog. Wasserkeime nachweisbar. Dabei handelt es sich vor allem
um potenziell pathogene Gram-negative
Stäbchen, z.B. Acinetobacter spp., Pseudomonas spp. (siehe Kapitel B.7 „Umgebung
des Patienten“).
Es kann deshalb sinnvoll sein, dem Waschwasser von Patienten mit offenen Wunden
(z.B. großflächige Schürfwunden nach Unfällen) oder nicht intakter Haut bei ausgedehnten chronischen Hautkrankheiten
PVP-Jodlösung zuzusetzen (1 : 100 verdünnt). Den nachteiligen austrocknenden
Effekt kann man durch Zugabe eines pflegenden Badezusatzes ausgleichen, ohne
die antimikrobielle Wirksamkeit der Jodkomponente zu beeinträchtigen.
Als Strahlregler an den Wasserhähnen sollen überall Lamellenstrahlregler anstelle
von Siebstrahlreglern verwendet werden,
Flächenreinigung und -desinfektion
Sämtliche Flächen müssen sauber und trocken sein. Routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen, z.B. der patientennahen Flächen, erscheinen aber auch auf Intensivstationen nicht sinnvoll, weil bekanntlich eine Rekontamination schnell
wieder vorhanden ist (siehe Kapitel B.7
„Umgebung des Patienten“).
Ob die Kontamination von Flächen bei der
Übertragung von potenziell pathogenen
Erregern überhaupt eine Rolle spielt, ist
ungeklärt. Eine routinemäßige Flächen-
Intensivmedizin
desinfektion (einmal täglich der patientennahen Flächen, einmal pro Schicht der Bedienungsflächen von Geräten), wie häufig
empfohlen, macht Händehygiene nicht seltener erforderlich und sorgt eher für ein
falsches Gefühl von Sicherheit.
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230
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Kinderheilkunde
Bei der Entstehung nosokomialer Infektionen in der Kinderheilkunde spielen neben der physiologischen Unreife des Immunsystems bei Frühgeborenen und auch
noch bei reifen Neugeborenen sowie der
Immunsuppression bei Kindern mit onkologischen Erkrankungen invasive Maßnahmen als exogene Risikofaktoren eine
wesentliche Rolle.
Infektionen bei Intensivpatienten
Bei älteren Kindern ist die Häufigkeit der
verschiedenen nosokomialen Infektionen
ähnlich wie bei Erwachsenen; an erster Stelle stehen Harnwegsinfektionen,
Pneumonie und Sepsis [31]. Bei Früh- und
Neugeborenen dagegen tritt die Bakteriämie mit Abstand am häufigsten auf [15,
36, 37, 45, 52]. Mit zunehmender Unreife
des Kindes steigt das Infektionsrisiko signifikant und ist bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1500 g am höchsten [45, 52].
Das Ausmaß invasiver Maßnahmen ist naturgemäß bei intensivpflichtigen Kindern
und bei Kindern auf onkologischen Stationen am größten [7, 10, 36, 37, 45, 47, 49, 52].
Häufig müssen sie noch dazu über einen
langen Zeitraum durchgeführt werden,
weshalb optimale hygienische Techniken
bei Diagnostik und Therapie essenziell
sind. Aber auch bei exakter Beachtung der
erforderlichen Hygienemaßnahmen lässt
sich bei diesen Patienten aufgrund ihres
hohen endogenen Risikos nur ein Teil der
Infektionen überhaupt verhüten (siehe
Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer
Krankheiten“).
Für den Umgang mit invasiven Maßnahmen (intravasale Katheter bei Früh-/Neugeborenen und Beatmungszubehör und
zusätzlich Blasenkatheter bei größeren
Kindern) gelten die gleichen Hygienemaßnahmen wie bei der Versorgung Erwachsener (siehe Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“ und Kapitel B.4 „Die vier häufigsten
nosokomialen Infektionen“). Es werden
also auch für sehr kleine Frühgeborene
z.B. keine häufigeren Wechselintervalle
von Beatmungs- oder Infusionssystemen
und keine strikt aseptischen Maßnahmen,
wie sterile Handschuhe beim Wechseln der
Infusionssysteme, empfohlen [33, 48].
Die besondere Problematik der Übertragung Blut-assoziierter Viren, wie HBVund HCV, bei onkologischen pädiatrischen
Patienten ist in Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“ behandelt.
Erregerspektrum
Altersabhängig ist das Erregerspektrum
nosokomialer Infektionen in der Kinderheilkunde unterschiedlich [17, 31, 36, 45,
52]:
Neugeborene
■
■
■
■
■
Koagulase-negative Staphylokokken
Staphylococcus aureus
Escherichia coli
B-Streptokokken
A-Streptokokken
Ältere Kinder
■ Staphylococcus aureus
■ Koagulase-negative Staphylokokken
Kinderheilkunde
231
■ Candida spp.
■ Pseudomonas spp.
nicht zu eliminieren sind (siehe Kapitel B.1
„Standard-Hygiene“).
Im Rahmen von Ausbrüchen muss bei
Hochrisiko-Kindern auch die normale
Kontamination der unbelebten Umgebung
als Erregerreservoir in Betracht gezogen
werden (z.B. Leitungswasser und Pflegeutensilien) [6, 19, 27, 34, 51, 54]. Außerdem
müssen die Aufbereitungsmethoden für
wiederverwendbare Gegenstände regelmäßig überprüft werden, weil Kontaminationen von z.B. Beatmungszubehör mit
fehlerhafter Reinigung und Desinfektion
zusammenhängen können [16].
Daraus wird verständlich, dass es bei nosokomialen Infektionen auf neonatologischen Intensivstationen Häufungen einzelner Stämme Koagulase-negativer Staphylokokken geben kann. Dabei handelt es
sich aber nicht notwendigerweise um Ausbrüche in dem Sinne, dass es ausgehend
von einem Index-Patienten oder einem
exogenen Reservoir in der unbelebten
Umgebung zu einer Übertragung eines
Stammes auf mehrere Patienten kommt,
und zwar aus folgendem Grund [21, 40]:
Kolonisierung von Neugeborenen
■ Bakteriämie und Sepsis, vor allem versursacht durch KNS, spielen bei neonatologischen Intensivpatienten eine herausragende Rolle.
■ Wie ältere Patienten erwerben auch
Früh- und Neugeborene Infektionen
im Zusammenhang mit intravasalen
Kathetern vorwiegend aus dem Erregerreservoir ihrer Hautflora.
■ Ältere Patienten haben aber bereits eine etablierte Hautflora mit individueller Zusammensetzung, wenn sie ins
Krankenhaus kommen.
■ Die Haut- und übrige Körperflora von
Früh- und Neugeborenen wird jedoch –
hauptsächlich während der ersten Lebenswoche – auf der Intensivstation,
und zwar zu einem wesentlichen Teil
durch den Kontakt mit dem medizinischen Personal erworben.
■ Deshalb kann man mit molekularbiologischen Typisierungsmethoden bei neonatologischen Intensivpatienten Häufungen einzelner Stämme, z.B. von Staphylococcus epidermidis, nachweisen.
■ Dabei handelt es sich aber in der Regel
um ein endemisches Auftreten verschiedener Stämme und nicht um die
(prinzipiell mögliche) epidemische
Häufung einzelner Stämme.
Neugeborene besitzen noch nicht wie ältere Patienten eine physiologische Flora der
Haut und Schleimhäute, die einen wichtigen Schutz vor potenziell pathogenen Keimen darstellt. Ein gesundes Neugeborenes
erwirbt die primäre Körperflora von seiner Mutter, seinen sonstigen Kontaktpersonen sowie der gesamten Umgebung zunächst im Krankenhaus und bald danach
zu Hause; Kinder hingegen, die in ihrer
ersten Lebenszeit auf Intensivpflege angewiesen sind, werden zwangsläufig in der
„unnatürlichen“ Umgebung ihrer Intensivstation primär mikrobiell besiedelt.
Auch wenn heute die Eltern auf neonatologischen Intensivstationen häufig auch
Körperkontakt mit ihren Kindern haben
können, hat das medizinische Personal
doch den Hauptkontakt mit den Neugeborenen. Die Kinder erwerben somit einen
wesentlichen Teil ihrer Flora über das medizinische Personal [9, 21, 25]. Dazu gehören vor allem – und auch bei optimaler Hygiene unvermeidlich – die Keime der normalen Hautflora des Personals, wie insbesondere Koagulase-negative Staphylokokken (KNS), weil diese residenten Hautkeime durch die Desinfektion der Hände
232
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Hygienemaßnahmen in der
neonatologischen Intensivpflege
Allgemeine Maßnahmen
Personal
Äußerst sorgfältige Beachtung der Standard-Hygiene mit Händehygiene als wichtigster Maßnahme und Ausschluss von erkranktem Personal (z.B. gastrointestinale
Infektion, Hautinfektion) aus der direkten
Versorgung von Hochrisiko-Kindern sind
essenzielle Voraussetzungen, um Erregerübertragungen und Infektionen zu verhindern [11, 12, 18, 23, 24, 32].
Anwendung von Antibiotika
Insbesondere Breitspektrum-Antibiotika
fördern die Entwicklung bzw. Selektion resistenter Erreger (siehe Kapitel E „Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe“).
Ein besonnener Umgang mit Antibiotika
ist auch in der Kinderheilkunde von großer Bedeutung, um Komplikationen mit
resistenten Erregern zu vermeiden [32,
49].
Nabelpflege
Die Kolonisierung des Neugeborenen beginnt am Nabel und dehnt sich von dort auf
den übrigen Körper aus. Um das Neugeborene vor potenziell pathogenen Keimen zu
schützen, muss man deshalb der Nabelpflege bei intensivpflichtigen Kindern besondere Aufmerksamkeit widmen [5]:
■ Einmal täglich z.B. 0,5% Chlorhexidin
in 70%igem Alkohol auftragen
■ Dafür sterilen Tupfer in die Lösung
tauchen und damit kreisförmig um den
Nabel wischen
■ Danach einen weiteren sterilen Tupfer
mit der Lösung befeuchten und den
Nabelstumpf abtupfen
■ Die Lösung anschließend eintrocknen
lassen
■ Bei schmierig belegtem Nabelstumpf
mikrobiologische Untersuchung veranlassen
■ Sobald der Nabelstumpf trocken ist,
keine besondere Behandlung erforderlich.
Kinderkleidung, Windeln, Bettwäsche
■ Übliche Waschverfahren auch für die
Wäsche von Früh- und Neugeborenen
auf Intensivstationen anwenden, Sterilisation der Wäsche nicht erforderlich
■ Dezentrale Waschmaschinen mit 60 °CProgramm (mit oder ohne Vorwäsche)
können verwendet werden, wenn z.B.
aus organisatorischen Gründen die Babywäsche nicht in der Krankenhauswäscherei gewaschen werden kann.
■ Bügeln der Wäsche aus hygienischen
Gründen nicht erforderlich
■ Felle müssen waschbar sein
■ Wollsöckchen können bei 30 °C (z.B.
mit einem Wollprogramm) gewaschen
werden.
■ Einmal-Windeln bei Kindern mit
Durchfallerkrankungen
oder
mit
Nachweis darmpathogener Keime verwenden, weil dadurch die Umgebungskontamination geringer sein soll (wenn
nicht ohnehin alle Kinder damit gewickelt werden)
Schutzkittel
■ Über der Bereichskleidung getragene
Schutzkittel nur bei direktem Kontakt
mit dem Kind sinnvoll, z.B. Herausnehmen des Kindes aus dem Inkubator
■ Insbesondere wichtig bei direktem
Kontakt mit infizierten Kindern (z.B.
RSV und Rotaviren, siehe unten)
Das Anziehen von Schutzkitteln bei Betreten der Intensivstation (z.B. konsiliarisch tätiges Personal) ist auf pädiatrischen Intensivstationen ebenso ineffektiv wie in der Er-
Kinderheilkunde
wachsenen-Intensivmedizin; insbesondere
konnte gezeigt werden, dass damit das hygienische Verhalten auf der Station im Umgang
mit den Kindern (z.B. Häufigkeit der Händedesinfektion) nicht beeinflusst wird [42].
■
Mikrobiologisches Monitoring der Kinder
Routinemäßig, z.B. ein- oder zweimal wöchentlich, durchgeführte mikrobiologische
Untersuchungen von Neugeborenen und
Säuglingen an verschiedenen Körperstellen (z.B. Abstriche an Ohr, Nase, Augen,
Nabel) haben nur selten Einfluss auf die
Antibiotikatherapie, wenn im Verlauf der
Verdacht auf eine Infektion gegeben ist
[26, 30]. In den meisten pädiatrischen Intensivstationen gibt es etablierte Schemata
für die empirische Antibiotikatherapie, die
in der Mehrzahl der Fälle nicht an die Ergebnisse des mikrobiologischen Monitorings angepasst werden.
Besucher
Gesunde Eltern
■ Vor Betreten der Station Hände (bei
Kindern im Inkubator auch die Unterarme) gründlich waschen, abtrocknen
und anschließend desinfizieren (Erklärung durch das Personal)
■ Schutzkittel nur anziehen, wenn das
Kind auf den Arm genommen werden
soll.
■ Um auch sehr unreifen oder kranken
Früh- und Neugeborenen den wichtigen engen Körperkontakt zu ermöglichen, ist es heute üblich, die Kinder auf
die bloße Haut des Oberkörpers zu legen, ohne dass damit ein Infektionsrisiko verbunden wäre.
Eltern mit Infektionen
■ Bei respiratorischen Infektionen der
oberen Atemwege ist die gründliche
■
■
■
233
Händehygiene ausreichend, solange
das Kind im Inkubator liegt. Nach jedem Naseputzen müssen die Hände jedoch erneut gewaschen und desinfiziert
werden.
Kann das Kind auf den Arm genommen werden, soll ein Mundschutz getragen werden, um den direkten Kontakt mit respiratorischen Tröpfchen zu
verhindern.
Bei eitrigen Infektionen an den Händen sollen die Eltern nur dann direkten
Kontakt mit ihrem Kind haben, wenn
ein frischer Verband die Wunde vollständig bedeckt (evtl. zusätzlich einen
Einmal-Handschuh darüber ziehen).
Bei floridem Herpes labialis müssen
die Eltern ebenfalls auf die sorgfältige
Händehygiene hingewiesen werden.
Außerdem sollen sie eine Maske tragen.
Eltern mit Schnupfen, Husten oder
Herpes labialis muss erklärt werden,
dass sie mit ihrem Kind nicht schmusen
dürfen, auch wenn sie eine Maske tragen.
Geschwister
Auch Geschwister können auf die Intensivstation mitgenommen werden. Sie sollen jedoch keine Infektionen haben und
auch in der letzten Zeit keinen Kontakt
mit an typischen Kinderkrankheiten, wie
z.B. Windpocken, erkrankten Kindern gehabt haben, wenn sie nicht sicher immun
sind. Deshalb sollen sie erst dann auf die
Intensivstation gehen, wenn ein Verantwortlicher der Station sie gesehen und die
Eltern nach typischen Symptomen und
Expositionen befragt hat. Außerdem muss
sichergestellt sein, dass die Eltern gut auf
ihr Kind aufpassen können und es nur in
ihrer Nähe behalten.Auch die Geschwister
sollen sich vor Betreten der Station die
Hände waschen.
234
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Ernährung
Abpumpen von Muttermilch
Muttermilch gilt auch in der modernen
Neonatologie als sehr wichtig für die Entwicklung der Kinder. Solange die Kinder
noch nicht an die Brust gelegt werden können, pumpen deshalb viele Mütter die
Milch ab. Einige Vorsichtsmaßnahmen
müssen dabei beachtet werden, da Muttermilch auch bei gesunder Brust der Mutter
mikrobiell kontaminiert sein oder beim
Abpumpen bzw. anschließend bei nicht geeigneter Versorgung kontaminiert werden
kann [4, 22, 28, 38, 41, 46, 55]. Eine schriftliche Anleitung, die möglichst auch in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stehen und folgende Hinweise enthalten soll,
unterstützt die Müttern dabei:
■ Vor dem Abpumpen Hände gründlich
mit warmem Wasser und Seife waschen
und mit einem frischen Handtuch abtrocknen
■ Brustwarzen mit einem frischen
Waschlappen oder mit Mullkompressen nass abwischen
■ Unmittelbar vor dem Abpumpen die
Hände desinfizieren (Erklärung durch
das Personal)
■ Zum Auffangen der Milch nur saubere
(z.B. Geschirrspülmaschine) und vorgekühlte Gefäße verwenden (frisch abgepumpte Milch nicht zu bereits gekühlter Milch dazugeben, sondern bei
jedem Abpumpen neue Flasche verwenden)
■ Die erste Portion (ca. einen Teelöffel)
verwerfen
■ Darauf achten, dass das Auffanggefäß
beim Abpumpen gerade gehalten wird,
damit keine Milch durch den Schlauch
zur Pumpe fließen kann
■ Milch schnell abkühlen und im Kühlschrank bei 4 °C (Kühlschrankthermometer) aufbewahren und für den Trans-
port ins Krankenhaus eine Kühltasche
verwenden (einfrieren, wenn täglicher
Transport in die Klinik nicht möglich)
■ Beim Öffnen und Schließen der Flaschen Innenseite des Deckels und Flaschenrand nicht berühren
■ Alle Teile, die mit der Milch in Kontakt
kommen (Auffanggefäß, Brustglocke,
Saugschlauch und Milchflaschen),
– sofort nach Gebrauch gründlich in
heißem Wasser mit Spülmittel (oder
in der Spülmaschine) reinigen,
– anschließend in einen Topf mit frischem Wasser legen und drei Minuten auskochen oder
– die Teile in einem Dampfdrucktopf
thermisch desinfizieren (sobald der
Druckanzeiger vollständig sichtbar
ist, den Topf zur Seite stellen und
warten, bis Druckanzeiger wieder
verschwunden ist),
– danach alle Teile mit frischen Geschirrtüchern abtrocknen und z.B. in
ein sauberes und trockenes Geschirrtuch eingeschlagen aufbewahren.
■ Als Einlagen nur spezielle Stilleinlagen
oder bei 60 °C gewaschene und anschließend gebügelte Tücher (z.B. große Taschentücher) verwenden
Mikrobiologischen Untersuchung
der Muttermilch
Bei Risiko-Kindern sind mikrobiologische
Untersuchungen der Muttermilch sinnvoll
und auch notwendig, da immer wieder potenziell pathogene Keime, wie z.B. Klebsiella pneumoniae oder Enterokokken,
auch bei Müttern ohne Anzeichen für eine
Brustentzündung und ohne Rhagaden an
der Brust nachgewiesen werden. Bis zum
Erhalt des mikrobiologischen Befundes
bleibt die Milch eingefroren.
Mangels allgemein akzeptierter Grenzwerte ist die Entscheidung, dem Kind die
Kinderheilkunde
Milch zu geben oder zur Sicherheit vorzuenthalten, manchmal schwierig. Gram-negative Keime sollen allerdings nie nachweisbar sein. Bei S. aureus und Enterokokken werden meist bis zu 100 KBE/ml toleriert; die Gesamtkeimzahl, also inkl. der
normalerweise apathogenen bzw. wenig virulenten Keime, soll möglichst nicht über
104 KBE/ml liegen.
Problematisch wird die Interpretation der
Befunde auch dadurch, dass nicht nur die
klassischen potenziell pathogenen Keime,
wie Enterobakteriazeen, sondern auch
Keime der normalen Haut- und Schleimhautflora, wie Koagulase-negative Staphylokokken, zu Infektionsproblemen führen
können, zumindest dann, wenn die Keimzahlen sehr hoch sind [41].
235
wird die Muttermilch mit der Pulvermilch
in Küchengefäßen z.B. mit einem Schneebesen gemischt.
Dabei muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass nach jeder Herstellung einer
Muttermilchmischung das Gefäß und der
Schneebesen gegen frisches Zubehör getauscht werden. Meist werden nämlich der
Reihe nach die Nahrungen für mehrere
Kinder gerichtet. Bei Weiterverwendung
des Zubehörs gelangen somit Reste der
Muttermilchmischungen in die Nahrung
anderer Kinder. Kolonisierungen mehrerer Frühgeborener mit Enterobakteriazeen durch kontaminierte Milch einer
asymptomatisch besiedelten Mutter sind
dadurch vorgekommen, während das
Milchpulver mikrobiologisch unauffällig
war (eigene Beobachtung).
Pasteurisierung der Muttermilch
Zur Inaktivierung von Viren, z.B. Cytomegalie-Virus (CMV), kann die Muttermilch
pasteurisiert werden (am schonendsten bei
57 °C für 30 Minuten) [46]. Dies kann im
Wasserbad in speziellen Geräten geschehen, die einmal täglich durch Aufheizen
auf z.B. 90 °C für fünf Minuten thermisch
desinfiziert werden können. Zusätzlich
muss man das Wasser aus den Behältern
regelmäßig, z.B. einmal wöchentlich, ablassen und die Wände des Wasserbades
gründlich reinigen, bevor sie wieder mit
frischem Wasser gefüllt werden. Bei regelrechter Bedienung dieser Geräte besteht
kein Kontaminationsrisiko durch das Wasserbad [4].
Umgang mit Muttermilch auf der Station
Wenn der mikrobiologische Befund unauffällig war, kann das Kind die Milch seiner
Mutter erhalten. Gerade bei sehr unreifen
Frühgeborenen wird häufig der Muttermilch noch ein spezielles Fertigmilchpulver für Frühgeborene zugemischt. Dazu
Ernährung mit Pulvernahrung
Milch ist ein gutes Nährmedium für Bakterien. Deshalb muss auch bei der Herstellung von Babynahrung aus industrieller
Pulvernahrung so gearbeitet werden, dass
eine Kontamination nicht möglich ist.
Milchpulver selbst ist nicht steril, enthält
aber höchstens sehr geringe Keimzahlen
aerober Sporenbildner. Die Qualitätskontrollen in der Industrie sind heute so gut,
dass eine Kontamination mit Enterobakteriazeen bei der Herstellung sehr unwahrscheinlich ist [38]. Die folgenden Hinweise
sollen eingehalten werden, um eine exogene Kontamination zu vermeiden:
■ Händedesinfektion vor Herstellung
von Säuglingsnahrung
■ Nur sauberes und trockenes Zubehör
(Becher, Schneebesen) verwenden
■ Nur frisch abgekochtes Wasser zum
Auflösen der Pulvernahrung verwenden (Wasser aus Kaffee-/Teemaschinen
nicht geeignet, da es in den meisten Maschinen nicht genügend erhitzt wird)
236
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
– „Stilles“ Wasser hat keinen Vorteil
vor Leitungswasser und muss in jedem Fall auch abgekocht werden
■ Aus hygienischer Sicht haben EinmalFlaschen und -Sauger keinen Vorteil,
da Reinigung und thermische Desinfektion in Maschinen heute sehr einfach und sicher ist (Autoklavieren deshalb nicht erforderlich)
Augenpflege bei der Phototherapie
Unabhängig davon, ob Muttermilch oder
künstliche Nahrung verwendet wird, müssen
die Regeln der Standard-Hygiene bei der
Vorbereitung und Verabreichung der Nahrung sehr sorgfältig beachtet werden [3].
Anwärmen von Milchflaschen
Allgemeine Hygienemaßnahmen
bei der Versorgung von Neugeborenen
und Säuglingen
Über die neonatologische Intensivpflege
hinaus gibt es auch bei nicht so gefährdeten Patienten auf Früh- und Neugeborenen- sowie auf Säuglingsstationen einige
Besonderheiten:
Haut- und Schleimhautdesinfektion
■ Für die Hautdesinfektion alkoholische
Desinfektionsmittel verwenden, da
PVP-Jod-haltige Mittel erst bei Säuglingen ≥6 Monate eingesetzt werden
sollen
■ Zur Schleimhautdesinfektion bei Kindern <6 Monaten Verwendung von
0,5%iger wässriger Chlorhexidinlösung (wegen Kontaminationsgefahr
nur in kleinen Portionen von maximal
50 ml abfüllen), bei älteren Kindern
PVP-Jodlösung einsetzen
■ Octenidin bei Kindern wegen mangelnder Erfahrung noch nicht zugelassen
■ Quecksilberhaltige Desinfektionsmittel sollen überhaupt nicht mehr verwendet werden, da nebenwirkungsärmere und sicherere Substanzen zur
Verfügung stehen.
Bei Phototherapie wegen Hyperbilirubinämie ist eine regelmäßige und sorgfältige
Augenpflege erforderlich, um eine durch
die Okklusion der Augen bedingte Vermehrung potenziell pathogener Keime zu
verhindern, die zu Infektionen am Auge
führen kann [13].
Wasserbad
■ Zeitaufwändig
■ Hygienisch problematisch, weil die Flaschen durch das Wasser kontaminiert
werden können (die hohen Temperaturen fördern das Wachstum von Wasserkeimen)
■ Deshalb nur Geräte verwenden, die
aufgeheizt werden und das Wasser
thermisch desinfizieren können (z.B.
90 °C für fünf Minuten)
■ Dafür Gerätewanne säubern, mit Leitungswasser befüllen und zunächst das
Wasser thermisch desinfizieren, dann
erst zum Anwärmen der Milchflaschen
verwenden
■ Das Wasser täglich einmal thermisch
desinfizieren und einmal wöchentlich
ausleeren und die Wanne reinigen, wieder mit Wasser füllen und erst nach
thermischer Desinfektion als Wasserbad benutzen
Heißluftgerät
■ Zeitaufwändig (15–20 Minuten)
■ Hygienisch unproblematisch
Elektrisches Flaschenwärmgerät
■ Zeitaufwändig (ca. 30 Minuten)
■ Reinigung schwierig, weil der Heizblock nicht herausgenommen werden
kann und die Vertiefungen für die Flaschen eng sind
Kinderheilkunde
Mikrowellenherd
■ Sehr schnell (ca. 45 Sekunden), einfach
und ohne hygienisches Risiko
■ Wärme aber nicht gleichmäßig verteilt,
die Flasche deshalb gut durchschütteln,
weil „heiße Inseln“ vorkommen können
Prävention der RSV-Übertragung
Respiratory-Syncytial-Virus-(RSV-)Infektionen treten am häufigsten während des
Winters und Frühjahrs im Säuglings- und
Kleinkindalter auf und können mit schweren Pneumonien assoziiert sein [50]. Die
Übertragung erfolgt durch direkten oder
indirekten Kontakt mit respiratorischen
sog. großen Tröpfchen (siehe Kapitel A.2
„Übertragung von Erregern“). Für die
Prävention der Übertragung steht die
Händehygiene absolut im Vordergrund
[29, 50]:
■ Häufige Händedesinfektion, aber auch
Händewaschen adäquat (in einer experimentellen Studie hatten z.B. HandGeschirrspülmittel eine signifikant bessere Wirksamkeit als antimikrobielle
Seifen [8])
■ Einmal-Handschuhe bei möglichem
Kontakt mit respiratorischem Sekret
und Wechsel der Handschuhe nach
Versorgung eines Kindes
■ Schutzkittel bei der Versorgung
erkrankter Säuglinge, Ausziehen des
Kittels nach Beendigung der Tätigkeit
und vor Versorgung eines anderen Kindes
■ Personal mit Symptomen einer respiratorischen Virusinfektion soll Neugeborene und Säuglinge nach Möglichkeit
nicht versorgen.
■ Besucher mit Zeichen von respiratorischen Virusinfektionen sollen keinen
direkten Kontakt mit Neugeborenen
und Säuglingen haben.
237
Die Mitarbeiter müssen immer wieder an
die Übertragungswege erinnert und insbesondere darauf hingewiesen werden,
dass sie selbst hauptsächlich durch Selbstinokulation (= Kontakt der eigenen Hände mit Augen- und Nasenschleimhaut) infektionsgefährdet sind. Sehr sorgfältige
Händehygiene und die Vermeidung von
Hand-Gesichts-Kontakten schützen demnach sowohl vor der Übertragung der Viren von Kind zu Kind als auch vom Kind
auf die Mitarbeiter, die, wenn sie selbst erkrankt sind, wiederum zu einem potenziellen Erregereservoir für die Kinder werden.
Bei Ausbrüchen mit RSV ist die gemeinsame Unterbringung der erkrankten Kinder
in einem eigenen Bereich der Station (sog.
Kohorten-Isolierung) sinnvoll, wobei das
Personal möglichst nicht zwischen den infizierten und nicht infizierten Kinder-Kohorten wechseln soll.
Prävention der Rotavirus-Übertragung
Rotavirus-Infektionen können zu erheblichen Problemen auf Säuglingsstationen
führen, wenn die Standard-Hygienemaßnahmen nicht ausreichend beachtet werden [20, 35]. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Ausscheidung von
Rotaviren, insbesondere nach schweren
Diarrhoen, langwierig sein kann, sodass
Vorsichtsmaßnahmen auch nach Beendigung der klinischen Symptomatik weiter
notwendig sind [44].
■ Bei Kindern Hauptursache nosokomialer gastrointestinaler Infektionen
■ Vor allem Säuglinge über sechs Monate und Kleinkinder bis zwei Jahre betroffen
■ Neugeborene meist nur asymptomatisch besiedelt
■ Jahreszeitliche Häufungen im Winter
und Frühjahr
238
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Infektionen aber auch bei Erwachsenen möglich, besonders bei alten Patienten
■ Außerhalb des Organismus können
Rotaviren auf Händen und Oberflächen bis zu 60 Minuten aktiv bleiben [1]
■ Flächendesinfektion, z.B. der Wickelunterlage (siehe unten), mit z.B.
80%igem Ethylalkohol [53]
Das Virus ist im respiratorischen Sekret
nachweisbar. Es gibt aber keinen epidemiologischen Hinweis auf eine aerogene
Übertragung, auch wenn dies gelegentlich
zumindest als eine Möglichkeit dargestellt
wird. In einer tierexperimentellen Studie
wurde eine Infektion der Versuchstiere
durch – 30-minütige – Inhalation von
virushaltigem Aerosol mit hoher Viruskonzentration hervorgerufen [43]. Wie es
unter den Bedingungen einer natürlichen
Infektionen zu einer Aerosolisierung von
Rotavirus kommen soll, wird offen gelassen, sodass die tierexperimentellen Ergebnisse keine Rückschlüsse auf den Übertragungsweg beim Menschen zulassen.
Dennoch werden diese Untersuchungsergebnisse mit Hinweis darauf angeführt,
dass Rotaviren „fliegen“ könnten.
■ Evtl. im Bett wickeln, um die Ausbreitung des Erregers so gering wie möglich zu halten
■ Thermometer mit z.B. 80%igem Ethylalkohol abwischen, auch wenn Schutzhüllen verwendet werden
■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln)
und Schlussdesinfektion als Wischdesinfektion
■ Spielzeug maschinell reinigen (z.B. Geschirrspülmaschine auf der Station)
oder mit z.B. 80%igem Ethlyalkohol
abwischen
■ Bei Ausbrüchen Kohorten-Isolierung
der betroffenen Kinder
Reinigung und Desinfektion
Auch in der Kinderheilkunde kann nicht
vollständig auf den Einsatz chemischer
Desinfektionsmittel verzichtet werden.
Die chemische Desinfektion soll aber
zum Schutz der Kinder nur eingesetzt
werden, wenn thermische Verfahren nicht
möglich sind, und auch auf Früh- und
Neugeborenen-Intensivstationen kann
ebenso wie bei Erwachsenen die Flächendesinfektion weitgehend reduziert werden.
Maßnahmen beim Personal
■ Händedesinfektion nach allen Tätigkeiten mit Kontaminationsrisiko
■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt
mit infektiösem Material möglich, z.B.
beim Wickeln und bei der (rektalen)
Temperaturmessung (nach Ausziehen
immer Händedesinfektion)
■ Schutzkittel, wenn Kontamination der
Arbeitskleidung möglich, insbesondere
beim Wickeln infizierter Kinder
Maßnahmen bei infizierten Kindern
■ Wickelunterlage mit z.B. 80%igem
Ethylalkohol abwischen
Inkubatoren
■ Desinfektion nicht in allen Fällen erforderlich, aber nach Belegung mit infizierten Kindern, sonst Reinigung ausreichend [2]
■ Gerät so weit wie möglich auseinander
nehmen und die Einzelteile inkl. Plexiglashaube mit Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel abwischen
■ Teile trocknen lassen und wieder zusammensetzen, nach Verwendung von
Desinfektionsmittel mit klarem Wasser
nachwischen und mit frischem Tuch
trocknen
Kinderheilkunde
■ Inkubator anschließend bei 37 °C mindestens eine Stunde belüften
■ Aqua dest.-Flaschen erst austauschen,
wenn das Wasser aufgebraucht ist
Wickeltische
■ Desinfektion von Wickeltisch und Wickelunterlage routinemäßig nicht erforderlich, da meist jedes Kind auf zwei
individuellen Unterlagen aus Gummi
und Baumwolle gewickelt wird
■ Wenn es trotzdem zu einer Kontamination des Wickeltisches oder der gemeinsamen gepolsterten Wickelunterlage gekommen ist, wird eine gezielte
Desinfektion, am besten mit z.B.
80%igem Alkohol durchgeführt
Laryngoskope
Nicht adäquat aufbereitete Lanryngoskope wurden mehrfach mit Erregerübertragungen in der Neonatologie in Zusammenhang gebracht [14, 39]. Deshalb sind
eine sorgfältige Reinigung und Desinfektion sehr wichtig:
■ Gründlich von allen Sekretresten reinigen
■ Anschließend nicht nur mit Alkohol
abwischen, sondern für 10 Minuten in
z.B. 80%igen Alkohol einlegen oder
thermisch aufbereiten (d.h. Ausstattung der Station mit ausreichender
Zahl von Laryngoskopen erforderlich)
Milchflaschen, Sauger, Schnuller
■ Thermische Aufbereitung in Reinigungs- und Desinfektionsmaschine
(RDM) mit speziellen Einsätzen
■ Alternativ drei Minuten auskochen
oder im Dampfdrucktopf desinfizieren
(siehe oben „Abpumpen von Muttermilch“)
239
■ Sog. Vaporisator ebenfalls gut geeignet
(genaue Temperatur- und Zeiteinstellung möglich)
■ Desinfektion im Mikrowellenherd nur
mit Hilfe von Wasser, das zum Kochen
gebracht wird, möglich (keine Sterilisation durch Mikrowellenbehandlung)
■ Keine chemische Desinfektion mit Natriumhypochlorit mehr durchführen
(unzuverlässig wegen Inaktivierung
der Lösung durch Eiweiß, außerdem
toxikologisch problematisch)
Spielsachen
■ Keine routinemäßige Desinfektion erforderlich
■ Spielzeug soll vorzugsweise abwaschbar sein
■ Nach Kontamination Abwischen mit
Alkohol
■ Plüsch- und Kuscheltiere sollen in der
Waschmaschine bei 30 °C waschbar
sein, falls sie einmal wegen einer gröberen Kontamination oder z.B. nach einer
S. aureus-Infektion des Kindes gereinigt werden müssen.
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Krankentransport
B
243
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Krankentransport
Mitarbeiter im Krankentransport- und
Rettungswesen – auf dem Boden und in
der Luft – haben nicht selten Kontakt mit
(unklaren) Infektionsfällen, weshalb Fragen zum potenziellen Infektionsrisiko eine
große Rolle spielen. Es ist deshalb wichtig,
dass alle Personen, die direkt oder indirekt
mit dem Transport von Patienten zu tun haben, also auch diejenigen, die für die Reinigung und Desinfektion der Transportfahrzeuge zuständig sind, über die prinzipiellen
Übertragungswege der verschiedenen
möglichen Erreger Bescheid wissen (siehe
Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“)
und in lokalen Krankenhäusern jederzeit
Ansprechpartner für aktuelle Fragen haben. In diesem Kapitel sollen Hinweise für
das Übertragungsrisiko bei den verschiedenen Infektionen und die erforderlichen
Maßnahmen gegeben werden.
Allgemeine Maßnahmen
Unter dem Begriff „Standard-Hygiene“
werden alle Maßnahmen der Infektionskontrolle zusammengefasst, die zum einen
im Umgang mit jedem Patienten berücksichtigt werden sollen, unabhängig davon,
ob eine Infektion bekannt ist oder nicht,
die zum anderen aber auch bei den meisten Infektionen einen ausreichenden
Schutz vor einer Erregerübertragung bieten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“), also
■ Händehygiene (Händewaschen oder
Händedesinfektion) nach Kontamination bzw. vor Tätigkeiten, bei denen der
Patient unbedingt vor einer Kontamination geschützt werden muss,
■ Handschuhe bei Kontakt mit Schleimhäuten, Sekreten, Exkreten, Blut oder
nicht intakter Haut,
■ Schutzkleidung (zusätzlich zur üblichen Arbeitskleidung), wenn eine Kontamination mit Patientenmaterial möglich ist,
■ Maske (+ ggf. Augenschutz) zur Vermeidung von Kontakt mit respiratorischem Sekret bzw. Blut,
■ Reinigung, Desinfektion und ggf. Sterilisation von Instrumenten und anderen
Gegenständen der Patientenversorgung,
■ Gezielte Desinfektion nach Kontamination mit Patientenmaterial, bei ausgedehnter Kontamination des Fahrzeugs Wischdesinfektion des gesamten
Innenraumes.
Spezielle Maßnahmen
Im Folgenden werden am Beispiel der relevanten Infektionen die jeweils erforderlichen Maßnahmen genannt, die vor einem
Kontakt mit infektiösem Material schützen
(siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“). Wie generell bei medizinischem Personal sollen auch bei den Mitarbeitern im Krankentransportwesen alle
Möglichkeiten der aktiven Immunisierung
ausgeschöpft werden, um prinzipiell vermeidbare Infektionsrisiken auszuschalten.
Infektiöses Material: Blut
bzw. Körperflüssigkeiten
■ Hepatitis B, C und AIDS (siehe Kapitel
A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“)
■ Parenteraler Kontakt erforderlich
244
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Risiko bei Kanülenstich
– HBV: <10–30%
– HCV: bis 10%
– HIV: 0,2–0,4%
■ Übertragung prinzipiell auch möglich
durch Schleimhautkontakt und Kontakt mit nicht-intakter Haut, wobei das
Risiko aber nicht quantifizierbar ist
■ Kein Risiko bei Versorgung von Patienten ohne Blutungen und ohne z.B.
nässende Hautveränderungen
■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor
parenteralem Kontakt mit infektiösem
Material, d.h. Standard-Hygiene
Infektiöses Material: Respiratorisches
Sekret
■ Bakterielle Infektionen, wie z.B. Meningokokken-Meningitis, Diphtherie,
Scharlach (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“)
■ Virusinfektionen, wie z.B. Windpocken, Masern, Röteln
■ Naher Kontakt (Tröpfchen) erforderlich, damit ein Schleimhautkontakt mit
infektiösen Tröpfchen stattfinden kann
■ Bei bakteriellen Infektionen 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Antibiotikatherapie kein Risiko mehr
(Diphtherie: bei zwei negativen Abstrichen nach Beendigung der Therapie)
■ Bei Virusinfektionen (z.B. Masern)
häufig höchstes Risiko am Ende der Inkubationszeit, d.h. vor Auftreten des
Exanthems, und bei Patienten mit pulmonaler Beteiligung (kein Risiko bei
geschlossener Beatmung), kein Risiko
für immunes Personal (ggf. Impfungen
durchführen)
■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor
direktem und indirektem Kontakt des
infektiösen Materials mit Schleimhäuten der oberen Atemwege, d.h. Standard-Hygiene und Maske für den Patienten; wenn nicht möglich (z.B. bei
kleinen Kindern), Maske für das Personal
Infektiöses Material: Stuhl
■ (Gastro-)Enteritis, z.B. verursacht
durch Enteritis-Salmonellen, Shigellen
(siehe Kapitel A.2 „Übertragung von
Erregern“ und Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“)
■ Hepatitis A, E
■ Orale Aufnahme des Erregers erforderlich, z.B. nach Kontamination der
Hände mit Stuhl
■ Kein Risiko bei Transport kontinenter
Patienten, z.B. Ausscheider von Salmonella typhi
■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor
direktem und indirektem Kontakt mit
infektiösem Material, d.h. StandardHygiene, insbesondere Händehygiene
Infektiöses Material: Aerosole
■ Insbesondere offene Tuberkulose der
Atemwege (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.5
Tuberkulose“)
■ Risiko abhängig vom Ausmaß des Aerosol-Kontaktes, z.B. hoch bei starkem
Husten, Intubation
■ Je länger der Patient schon therapiert
ist, um so geringer das Risiko
■ Kein Risiko bei geschlossener Beatmung
■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor
Inhalation infektiöser Aerosole, d.h.
Maske für den Patienten, ggf. Atemschutzmaske für das Personal
Besondere Situationen
Infektion bzw. Kolonisation
mit polyresistenten Erregern
■ MRSA (= Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), VRE (= Vanco-
Krankentransport
■
■
■
■
mycin-resistente Enterokokken) oder
multiresistente Gram-negative Stäbchen (siehe Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“)
Kein Risiko für gesunde Personen, d.h.
auch kein Risiko für die Angehörigen
des Personals
Keine nasale Besiedlung durch Versorgung von MRSA-Patienten während
Krankentransport zu erwarten
Übertragung z.B. auf kleinere Wunden
bei Einhaltung der Regeln der Standard-Hygiene sehr unwahrscheinlich
Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor
direktem und indirektem Kontakt mit
infektiösem Material, d.h. StandardHygiene, insbesondere Händehygiene
Maßnahmen bei speziellen Infektionen
Nicht immer zu Recht werden die folgenden
Infektionen als hochkontagiös betrachtet.
Da es sich jedoch um in der Regel schwere
Infektionen handelt, sind schon allein deshalb über das normale – und vielleicht erforderliche – Maß hinausgehende Schutzmaßnahmen gerechtfertigt (siehe Kapitel B.9
„Maßnahmen bei speziellen Infektionen“):
Pharyngeale Diphtherie
■ Infektiöses Material: Respiratorisches
Sekret
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, Maske für Patient und/oder
Personal, weitere Maßnahmen nicht erforderlich
Wund-Diphtherie, Hautmilzbrand,
Beulenpest
■ Infektiöses Material: Wundsekret
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, d.h. Handschuhe sowie insbesondere bei ausgedehnten Wunden
auch Schutzkleidung, kein Risiko ohne
Wundkontakt
245
Cholera
■ Infektiöses Material: Stuhl
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko ohne Kontakt mit
Stuhl
Typhus/Paratyphus
■ Infektiöses Material: Stuhl
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko ohne Kontakt mit
Stuhl (evtl. auch Urin)
Poliomyelitis, Meningo-Enzephalitis
■ Infektiöses Material: Stuhl, respiratorisches Sekret
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, Maske bei nahem Kontakt,
kein Risiko ohne Kontakt mit Stuhl
und respiratorischem Sekret
Hämorrhagische Fieber
■ Z.B. Lassa, Ebola
■ Infektiöses Material: Blut und Körperflüssigkeiten bei parenteralem Kontakt
■ Erforderliche Maßnahmen: Generell
Handschuhe, Maske, Schutzkleidung,
da in der Regel hohes Übertragungsrisiko (Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit Blut und Körperflüssigkeiten
wie bei Hepatitis B etc.)
Lungenpest
■ Infektiöses Material: Respiratorisches
Sekret
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, Maske für das Personal, kein
Risiko bei geschlossener Beatmung
Lungenmilzbrand (Anthrax)
■ Infektiöses Material: keine Übertragung von Mensch zu Mensch
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene
246
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Tollwut
■ Infektiöses Material: Respiratorisches
Sekret
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko ohne Kontakt mit
respiratorischem Sekret
Windpocken, generalisierter Zoster
■ Infektiöses Material: Bläschen-Sekret
(bei Windpocken auch respiratorisches
Sekret)
■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko für immunes Personal, ggf. Maske für nicht-immunes
Personal
Fahrzeug-Reinigung bzw. -Desinfektion
Für ausführliche Angaben zur Reinigung
und Desinfektion von Flächen wird auf
Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion –
Sterilisation“ verwiesen.
Reinigung
■ Ausreichend, um normale Verschmutzungen, wie Straßenschmutz durch
Schuhe etc., zu entfernen, d.h. ohne Zusatz von Desinfektionsmitteln
■ In der Regel einmal täglich
■ Einmal pro Woche Grundreinigung der
Innenräume und der Ausstattung
Desinfektion
■ Flächendesinfektion
routinemäßig
nicht erforderlich
■ Nur bei Kontamination mit potenziell
infektiösem Material (sog. gezielte
Desinfektion)
■ Immer Wisch-Methode einsetzen: im
Transportwagen saubere Lappen und
gebrauchsfertig angesetzte Desinfektionslösung, z.B. abgefüllt in handlichen
Plastikflaschen mit kleiner Spritzöffnung (eindeutig gekennzeichnet, mit
Angabe des Haltbarkeitsdatums), mitführen
■ Desinfektionsmittel nicht versprühen
Maßnahmen nach Transport von
Tuberkulose-Patienten
■ Keine speziellen Desinfektionsmaßnahmen erforderlich
■ Insbesondere keine Raumdesinfektionen durch Versprühen von Desinfektionsmitteln oder Verdampfen von Formalin durchführen
■ Solange keine Kontamination des
Fahrzeugs mit infektiösem Material
stattgefunden hat, ist die Reinigung des
Fahrzeugs die adäquate Dekontaminationsmaßnahme. Dies gilt prinzipiell
auch für andere als „hochkontagiös“
betrachtete Infektionen (siehe oben),
obwohl man in diesen Fällen schon wegen der potenziellen Gefährlichkeit der
involvierten Erreger gründliche Desinfektionsmaßnahmen in jedem Fall
durchführen wird, auch wenn keine
Kontamination stattgefunden hat.
■ Mittel aus der DGHM-Liste (z.B.Aldehyde, Glucoprotamin) in üblicher Konzentration verwenden (siehe dazu auch
Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion
– Sterilisation“)
■ Nach jeder Flächendesinfektion Fahrzeuge gründlich lüften
Weil nach Transport von Patienten mit Tuberkulose nicht generell besondere Dekontaminationsmaßnahmen erforderlich
sind, können die Patienten auch mit einem
Taxi transportiert werden, das anschließend ebenfalls gut durchgelüftet werden
soll (siehe dazu Kapitel B.5 „Tuberkulose“). Der Patient muss während der Fahrt
nicht unbedingt eine Maske tragen. Da die
Taxifahrer aber häufig ängstlich sind, sollte man den Patienten bitten, eine Maske
aufzusetzen – die ihm erfahrungsgemäß
Krankentransport
bei der Ankunft in Lungen-Kliniken sofort
abgenommen wird.
Reinigung und Desinfektion von
Gegenständen der Patientenversorgung
Für ausführliche Angaben zur Reinigung
und Desinfektion von Instrumenten etc.
wird auf Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“ verwiesen.
Instrumente
■ In den Leitstellen sollten Reinigungsund Desinfektionsmaschinen für die
Aufbereitung der thermostabilen Gegenstände vorhanden sein.
■ Chemische Desinfektion soll möglichst
auf thermolabile Gegenstände beschränkt werden.
Transport-Inkubatoren
■ Außen und innen mit Reinigungslösung abwischen
■ Desinfektion nur nach Transport infizierter Kinder durchführen
247
■ Anschließend Inkubator eingeschaltet
und auf 37 °C eingestellt mindestens eine Stunde gut belüften, um Desinfektionsmitteldämpfe zu beseitigen
Wäsche
■ Wie im Krankenhaus üblich normale
und sog. infektiöse Wäsche getrennt
sammeln (siehe Kapitel B.6 „Wäscherei“)
■ Arbeitskleidung mit einem für Krankenhauswäsche üblichen Waschverfahren waschen
Abfall
■ Abfälle in die üblichen Fraktionen aufteilen und an den Leitstellen entsprechend entsorgen
■ An den Einsatzorten darauf achten,
dass keine Abfälle zurückbleiben, insbesondere Spritzen und Kanülen sofort
sicher entsorgen, damit sie nicht zu einer Gefahr für z.B. spielende Kinder
werden können
248
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Küche
Täglich müssen in Krankenhausküchen
Tausende von Speisen für Patienten, Personal und evtl. auch Besucher gerichtet werden. Gewöhnlich geschieht die Essenszubereitung in einer zentralen Krankenhausküche, von der die Speisen anschließend in die
verschiedenen Klinikbereiche transportiert
werden. Ein sachgerechter hygienisch einwandfreier Umgang mit den Nahrungsmitteln von der Lieferung über die Lagerung
bis hin zu Verarbeitung, Transport oder ggf.
Aufbewahrung muss gewährleistet sein, um
Nahrungsmittel-bedingte Erkrankungen zu
verhindern [16, 23].
Infektionen vs. Intoxikationen
Im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln
kann es zu Infektionen und Intoxikationen
kommen, je nachdem, ob die Krankheitssymptome durch Vermehrung des Erregers
im Körper oder durch mit der Nahrung aufgenommenes Toxin ausgelöst werden. In
den meisten Fällen handelt es sich um gastrointestinale Erkrankungen (siehe Kapitel
B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“), manchmal aber
auch um lokale oder systemische Erkrankungen ohne die typischen Symptome von
Seiten des Magen-Darm-Traktes (z.B.
A-Streptokokken-Pharyngitis, Listeriose,
Hepatitis A), und es gibt viele Berichte über
Ausbrüche [z.B. 1–4, 6–8, 10, 11, 13, 15, 17,
20, 21]. Eine Vielzahl von Erregern kommt
potenziell für Infektionen und Intoxikationen in Frage [5, 9, 14, 16, 18, 19, 22, 23].
Ursachen von Infektionen
■ Enteritis-Salmonellen (z.B. S. enteritidis, S. typhimurium)
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
E. coli (z.B. EHEC)
Campylobacter coli/jejuni
Yersinia enterocolitica
Listeria monocytogenes
Aeromonas spp.
Clostridium perfringens
Salmonella typhi
A-Streptokokken
Hepatitis A-Virus
Norwalk-Virus
Giardia lamblia
Kryptosporidien u.a.m.
Ursachen von Intoxikationen
■
■
■
■
S. aureus
Bacillus cereus
E. coli (ETEC)
Clostridium botulinum u.a.m.
In vielen Fällen reicht eine Kontamination
der Nahrung für die Entstehung von
Krankheitssymptomen nicht aus, weil das
Erkrankungsrisiko abhängig ist von der
Menge an aufgenommenem Erreger bzw.
Toxin, von der Virulenz der Erreger und
der individuellen Abwehrlage der Person.
Personen, deren körpereigene Abwehr reduziert ist, sind deshalb am stärksten gefährdet (siehe dazu auch Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“
und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“).
Eine wesentliche Voraussetzung für das
Auftreten von Infektionen oder Intoxikationen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Nahrungsmitteln ist eine mikrobielle Kontamination einzelner Bestandteile
der Speisen. Die Kontamination kann entweder primär bereits im Lebensmittel vor-
Küche
handen sein (z.B. S. enteritidis in Eiern,
EHEC in Fleisch) oder sekundär bei der
Verarbeitung zustande kommen, z.B. durch
Kontakt mit kontaminierten Lebensmitteln, aber auch durch direkten Kontakt des
Personals bei mangelnder persönlicher
Hygiene. Dabei kann es sich um asymptomatische Ausscheider von Erregern (z.B.
Enteritis-Salmonellen, Hepatitis A-Virus)
oder um Personen handeln, die z.B. superinfizierte Verletzungen an den Händen haben (z.B. verursacht durch S. aureus,
A-Streptokokken).
Prävention Nahrungsmittel-bedingter
Erkrankungen
Für die Prävention von Erkrankungen ist
deshalb entscheidend, dass die Nahrungsmittel bzw. fertigen Speisen bei Lagerung,
Verarbeitung und Transport so behandelt
werden, dass sich ggf. primär vorhandene
Erreger nicht vermehren können und dass
es nicht zu einer sekundären Kontamination kommen kann.
Allgemeine Maßnahmen
Kontinuierliche Schulung
Eine wichtige Voraussetzung für die Prävention von Erkrankungen im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln aus der Krankenhausküche ist eine umfassende, für das
Küchenpersonal verständliche Information über die Risiken, die mit der Verarbeitung von und dem Umgang mit Nahrungsmitteln verbunden sein können. Dafür ist
nicht nur eine sorgfältige Instruktion bei
der Einstellung neuer Mitarbeiter (inkl.
Übergabe schriftlicher Richtlinien in der
jeweiligen Muttersprache) erforderlich,
sondern darüber hinaus auch die kontinuierliche Begleitung und Fortbildung des
gesamten Küchenpersonals durch den Küchenleiter und die Mitarbeiter der Krankenhaushygiene.
249
Personaluntersuchungen – Küche
Ein Gesundheitszeugnis ist nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) heute nicht mehr
erforderlich; Personen, die direkten oder
indirekten Lebensmittelkontakt haben,
sollen aber regelmäßig geschult werden.
Stuhluntersuchungen sind bei gastrointestinalen Beschwerden notwendig, aber
nicht routinemäßig, denn einzelne Untersuchungen sind nicht aussagefähig, weil
z.B. niedrige Keimzahl oder intermittierende Ausscheidung zu einem negativen
Ergebnis führen können [12, 24]. In der
Zwischenzeit kann es außerdem zu einer
asymptomatischen Infektion kommen.
Ebenso sind routinemäßige Nasen-Rachen-Abstriche nicht sinnvoll, weil selbst
bei Nachweis von S. aureus oder A-Streptokokken keine Aussage darüber möglich
ist, ob der Erreger bei adäquatem hygienischem Verhalten während der Arbeit auch
in die Umgebung freigesetzt wird (siehe
Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Darüber hinaus sind viele Menschen im Laufe ihres Lebens immer einmal
insbesondere mit S. aureus – meist kurzzeitig – kolonisiert; Untersuchungen des Nasen-Rachen-Raumes liefern deshalb ebenso wie Stuhluntersuchungen keine aussagefähigen Ergebnisse (siehe auch Kapitel
B.10 „MRSA“).
Diese Untersuchungen bringen keine erhöhte Sicherheit, sondern können im Gegenteil ein falsches Gefühl der Sicherheit
vermitteln. Jedem, der in der Küche arbeitet, muss deutlich gemacht werden, dass er
jederzeit, ohne etwas davon zu spüren,
zum Ausscheider darmpathogener Erreger
oder zum Träger von Keimen im NasenRachen-Raum werden kann. Eine Kontamination von Nahrungsmitteln kann bei den
Personen, die diese Nahrung zu sich nehmen, zu ernsten Konsequenzen führen. Ein
negatives kulturelles Ergebnis zeigt immer
250
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
nur an, dass kein Erreger gefunden werden
konnte, nicht aber, dass kein Erreger vorhanden ist. Deshalb ist es wichtig, das Personal kontinuierlich dahingehend zu schulen, dass auch die Krankenhausküche ein
Bereich ist, für den die ständige konsequente Beachtung der Basis-Hygieneregeln eine große Bedeutung hat.
Hauterkrankungen
Mikrobiologische Personaluntersuchungen sind dagegen in Ausbruchssituationen
unumgänglich, wenn der epidemiologische
Kontext auf die Küche als Ausgangsort des
Ausbruchs hinweist. Dann müssen je nach
Erreger Stuhluntersuchungen, Nasen-Rachen-Abstriche oder ggf. auch Untersuchungen anderer Körperstellen (z.B. Hautinfektionen an den Händen) durchgeführt
werden.
Das Personal muss ausdrücklich darüber
informiert werden, dass neben gastrointestinalen Beschwerden auch alle Hautverletzungen, eiternde Hautläsionen und Hautausschläge, insbesondere an den Händen,
noch vor Dienstantritt dem Küchenleiter
gemeldet werden müssen. Bei Hautläsionen an Händen und Unterarmen kann das
Personal nur dann weiter mit Lebensmittelkontakt arbeiten, wenn die Läsion mit
einem wasserdichten Verband, Handschuh
oder Fingerling sicher abgedeckt werden
kann. Anderenfalls muss für die Dauer der
Erkrankung eine Umsetzung an einen Arbeitsplatz ohne Kontakt zu Nahrungsmitteln erfolgen, z.B. an das Geschirrabräumband.
Erkrankungen des Personals
Erkältungen
Das Personal muss darauf hingewiesen
werden, dass es sich bei Auftreten von
Krankheitssymptomen sofort an die Küchenleitung wenden muss, weil es bei bestimmten Symptomen ggf. am vorgesehenen Arbeitsplatz nicht weiterarbeiten darf.
Deshalb soll zwischen Küchenleitung und
Personal eine Atmosphäre geschaffen
werden, in der das Personal keine Angst
vor Nachteilen haben muss, wenn eine
Krankheit auftritt oder zumindest vermutet werden muss.
Bei den typischen Virusinfektionen der
oberen Atemwege steht die Händehygiene
im Vordergrund, um Kontaminationen der
Nahrung zu verhindern. Bei starkem
Schnupfen und Husten soll Personal, das
im reinen Bereich bei der Speisenzubereitung, Speisenverteilung etc. arbeitet, einen
Mundschutz tragen. Besser wäre es, diese
Personen für die Dauer der ausgeprägten
und schlecht kontrollierbaren Symptomatik mit Niesen und Husten an einen Arbeitsplatz im unreinen Bereich umzusetzen.
Gastrointestinale Beschwerden
Treten Beschwerden von Seiten des Magen-Darm-Traktes, wie insbesondere
Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und Durchfall, auf, muss sofort der Küchenleiter informiert werden, der den Mitarbeiter am besten direkt zur Untersuchung zum Personal- oder Hausarzt
schickt.
Spezielle Hygienemaßnahmen
Arbeitskleidung
■ Die Arbeitskleidung muss mindestens
täglich gewechselt werden, damit sie
immer sauber ist.
■ Im unreinen Bereich (z.B. Salat- und
Gemüseküche) ist es sinnvoll, wasserdichte Schürzen überzuziehen. Dann
kann auch ggf. nach Ausziehen der
Küche
Schürze im reinen Bereich weitergearbeitet werden.
■ Das Küchenpersonal muss einen Kopfschutz tragen, der die Haare vollständig
bedeckt.
■ Die Schuhe müssen wegen der häufig
nassen Böden rutschfest sein. Eine hygienische Bedeutung haben sie nicht.
Händehygiene
Die Dekontamination der Hände ist eine
auch für die Küchenhygiene sehr wichtige
Maßnahme zur Prävention von Kreuzkontaminationen. Deshalb müssen in ausreichender Zahl Waschbecken vorhanden
sein.Wo dies nicht möglich ist, sind Händedesinfektionsmittel-Spender sinnvoll.
Händewaschen mit antimikrobieller Seife:
Im Küchenbereich können normalerweise
sog. Hände-Dekontaminationspräparate
(= HD-Präparate) verwendet werden. Dabei handelt es sich um desinfizierende
Flüssigseifen, die gleichzeitig die Reinigung der Hände und eine Reduktion der
Keimzahl, z.B. nach direktem Kontakt mit
Fleisch und anderen Lebensmitteln, ermöglichen. Dadurch entfällt die sonst erforderliche Kombination von Händewaschen mit anschließender alkoholischer
Händedesinfektion, die für die Haut auf
Dauer zu belastend ist. Händewaschen ist
in folgenden Situationen erforderlich:
■
■
■
■
Vor Arbeitsbeginn
Nach Niesen, Schnäuzen und Husten
Nach WC-Benutzung
Bei Wechsel vom unreinen in den reinen Küchenbereich
■ Vor der Zubereitung von Speisen
■ Nach Umgang mit allen Rohwaren,
nach Reinigungsarbeiten
Handbürsten: Bürsten sollen nur ausnahmsweise benutzt werden und dann sofort zur thermischen Desinfektion (mit
251
Geschirr und Besteck in der Spülstraße)
gegeben werden.
Hautpflege: Auf regelmäßige Hautpflege
soll geachtet werden, damit die Hände
durch den häufig notwendigen Kontakt
mit Wasser und Seife nicht trocken und rissig und damit anfällig für eine Besiedlung
mit nicht zur typischen Hautflora gehörenden Keimen werden.
Schmuck: Da sich das Tragen von Schmuck
an Händen und Handgelenken sowie von
Armbanduhren nicht mit der im Küchenbereich notwendigen Händehygiene verträgt, muss das Personal bei der Arbeit darauf verzichten. Es spricht allerdings nichts
dagegen (ebenso wie in Operationsabteilungen), kleine Halsketten oder Ohrringe
– oder eben auch einen Nasenring – zu tragen.
Es gibt also keinen Grund, generell das Tragen von Schmuck bei der Arbeit in der
Krankenhausküche zu verbieten, wie es in
manchen Häusern üblich ist. Ein solches
Verbot wird dann damit begründet, es
könnten sich Keime an den Schmuckstücken festsetzen, die in die Speisen „fallen“
könnten. Diese Vorstellung ist nicht richtig.
Zum einen nämlich haben Metalle bekanntermaßen eine gewisse antimikrobielle
Wirksamkeit (z.B.Vorteil von Münzgeld im
Vergleich zu Papiergeld). Zum anderen
aber würde man auch keinem Brillenträger
verbieten, bei der Arbeit seine Brille aufzusetzen, und dies gilt wiederum sowohl für
den Operationssaal als auch für die Küche.
Schmuck ist aus hygienischen Gründen also immer nur dann fehl am Platz, wenn er
bei der Händehygiene stören kann, und
das kann nur Schmuck, der an Händen
und/oder Handgelenken getragen wird.
Auch Nagellack beeinträchtigt die regelmäßige Händehygiene, weil die Erfahrung
zeigt, dass die Hände, um den Nagellack zu
252
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
schonen, nicht so häufig wie eigentlich erforderlich gewaschen werden. Dasselbe
gilt natürlich für künstliche Fingernägel.
Handschuhe
Im Küchenbereich ist häufig das Tragen
von Handschuhen erforderlich, um den direkten Kontakt der Hände mit Lebensmitteln zu vermeiden. Dies trifft auf die Zubereitung von Speisen zu, die nicht erhitzt
werden (z.B. Salate), und auf den Umgang
mit Speisen, die schon fertig gegart sind.
Je nach Tätigkeit können verschiedene Arten von Schutzhandschuhen sinnvoll sein,
z.B.
■ Latex- oder Polyethylen-(PE-)Handschuhe bei
– Umgang mit rohem Fleisch, Geflügel
und Fisch oder mit fertigen Gerichten (z.B. Aufschneiden von Braten)
– Aufschneiden und Portionieren von
Wurst, Schinken und Käse
– Abräumen der Tabletts vor der Geschirrspülstraße
– Bei Verletzungen an den Händen
■ Baumwollhandschuhe bei
– Speisenportionierung am Band
– Speisenausgabe im Personalcasino
– Sortierung von frisch gespültem Geschirr und Besteck
■ Haushaltshandschuhe bei
– allen Flächen-Reinigungs- und -Desinfektionsmaßnahmen
Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit
Nahrungsmitteln
■ Nahrungsmittel solllen nur aus zuverlässigen Quellen eingekauft werden.
■ Tiefkühlware muss bei Anlieferung eine Temperatur von –18 °C haben.
■ Nur pasteurisierte Milch sowie Milchund möglichst auch Eiprodukte verwenden
■ Kühllagerung (bei <4 °C) roher Nahrungsmittel, die natürlicherweise mikrobiell kontaminiert sind oder sein
können (z.B. Fleisch, Fisch, Gemüse,
Eier), bereits zubereiteter Speisen und
leicht verderblicher Nahrungsmittel
(z.B. Milchprodukte) ohne wesentliche
Unterbrechung der Kühlkette
■ Schnelles Herunterkühlen von fertig gegarten Speisen (innerhalb von zwei Stunden auf Raumtemperatur und innerhalb
der nächsten vier Stunden auf 4 °C)
■ Auftauen von tiefgefrorenem Fleisch
und Geflügel bei Kühlschranktemperatur (4 °C), sichere Entsorgung der Auftauflüssigkeit ohne Verspritzen in die
Umgebung, sofortige Reinigung und
thermische Desinfektion der zum Auftauen verwendeten Gefäße und der
evtl. dabei kontaminierten Arbeitsgeräte,Wischdesinfektion kontaminierter
Flächen und von nicht thermisch desinfizierbaren Geräten (Wischtücher sofort in die Wäsche geben)
■ Ausreichende Erhitzung bis ins Zentrum der Lebensmittel (z.B. Hackfleisch, tiefgefrorenes Geflügel), weil
dort sonst bei bakterieller Kontamination optimale Wachstumsbedingungen
für nicht inaktivierte Erreger herrschen
■ Fertig zubereitete warme Speisen bei
>60 °C warm halten
■ Wiedererwärmen bereits abgekühlter
Speisen auf >80 °C
■ Speisen, die nicht gekocht oder gebacken werden, nicht mit rohen Eiern zubereiten, z.B. Süßspeisen, Mayonnaise
und Saucen, wie Hollandaise und Béarnaise; keine Speisen mit nicht durchgegarten Eiern, wie Bouillon mit Ei, Spiegelei, Rührei, weiches Ei, anbieten
■ Zur Vermeidung von Kreuzkontamination Trennung der Küchenbereiche für
die Verarbeitung roher und bereits gekochter Nahrungsmittel
Küche
Besucher und Handwerker
Für Personen, die, wie Besucher und
Handwerker, weder Kontakt mit Lebensmitteln oder fertigen Speisen haben noch
in deren Nähe kommen, sind keine speziellen Hygienemaßnahmen erforderlich.
Das bedeutet, dass sie mit ihrer normalen
Kleidung (Privat- oder Arbeitskleidung)
die Küche betreten können und auch keinen Kopfschutz aufsetzen müssen. Ebenso können sie selbstverständlich Schmuck
an den Händen und Armbanduhren tragen.
Reinigung und Desinfektion
Sauberkeit ist in einer Küche von zentraler
Bedeutung. Fast immer sind dabei Reinigungsmaßnahmen ausreichend, während
eine chemische Desinfektion nur selten erforderlich ist (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Ein
übersichtlicher Reinigungs- und Desinfektionsplan soll in jeder Küche an mehreren
Stellen gut sichtbar aushängen, damit sich
jeder bei Fragen und Unklarheiten noch
einmal vergewissern kann, was im Einzelfall zu tun ist. Bei den Personal-Schulungen muss regelmäßig über die Methoden
der Reinigung und Desinfektion gesprochen werden, damit das Personal immer
wieder auf die Bedeutung der Sauberkeit
in der Küche hingewiesen wird.
Thermische Desinfektion
Geschirr und Besteck wird in vollautomatischen Bandtransport-Geschirrspülstraßen zunächst gereinigt und anschließend
während einer kurzen Nachspülphase bei
80 °C desinfiziert. Der Zusatz eines Desinfektionsmittels im Sinne einer chemo-thermischen Desinfektion ist nicht erforderlich. Da es aber schwierig sein kann, Teeund Kaffeegeschirr von den schwer entfernbaren Rückständen zu reinigen, muss
253
ggf. aus diesem Grunde eine geringe Menge Chlor zudosiert werden.
Optimale Spülergebnisse lassen sich nur
erzielen, wenn auf eine korrekte Beladung
der Maschinen (d.h. Vermeidung von sog.
Spülschatten) und auf eine regelmäßige
Reinigung der Siebe geachtet wird. Darüber hinaus ist eine routinemäßige Wartung der Maschinen wichtig, damit rechtzeitig nicht funktionstüchtige Düsen, zu
geringe Spül- oder Trockentemperatur,
fehlerhafte Dosierung des Geschirrspülmittels und/oder ein zu niedriger Wasserdruck entdeckt werden.
Sämtliche Töpfe, Schüsseln, Schneidbretter und die abbaubaren Teile von z.B.
Fleischwolf, Mixer und Aufschnittmaschinen sollen ebenfalls maschinell gereinigt
und thermisch desinfiziert werden.
Chemische Desinfektion
Die chemische Desinfektion von Flächen
oder sonstigen Gegenständen, die nicht in
einer Spülmaschine aufbereitet werden
können (Arbeitsflächen, Wannen, Küchenmaschinen), kann auch in der Küche
auf ein Mindestmaß reduziert werden. So
ist eine Flächendesinfektion angebracht,
nachdem bestimmte rohe Lebensmittel,
die mikrobiell belastet sein können, verarbeitet wurden (z.B. Fleisch, Fisch, Geflügel, Eier). Die Wischdesinfektion dieser
Flächen und Gegenstände soll sofort nach
der Verarbeitung der Lebensmittel erfolgen, und die dafür verwendeten Reinigungstücher sollen unmittelbar danach in
die Wäsche gegeben werden.
Nach Anwendung von Desinfektionsmitteln sollen die Flächen an der Luft trocknen. Bevor man sie wieder zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln benutzt, muss
man diese Flächen mit klarem Wasser abwischen, um Desinfektionsmittelreste zu
entfernen.
254
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Reinigung
Für alle anderen Flächen, Geräte und Gegenstände, die nicht maschinell aufbereitet
werden können, ist eine Reinigung (ggf.
mit Spezialreiniger für Backofen, Grill
etc.) ausreichend. Dies trifft insbesondere
für das Portionier- und Abräumband zu,
für Kühltruhen, Kühlschränke und Kühlräume, Essenstransportwagen sowie für
sämtliche Einrichtungsgegenstände, Türen, Wände und Fußböden.
üblich, regelmäßige mikrobiologische Untersuchungen ihrer Reinigungs- und Desinfektionswirkung durchzuführen. Dafür
wurde z.B. die Verwendung von Edelstahlplättchen (10×1 cm) empfohlen, die mit einer Suspension aus Rinder-Albumin, Mucin und Stärke (= RAMS) sowie E. faecium
(ATCC 6057) kontaminiert worden sind.
Diese Bioindikatoren werden zusammen
mit Besteckteilen in Besteckeinsätzen
über die gesamte Bandbreite verteilt.
Mikrobiologische Untersuchungen
Rückstellproben
Flächen und Gegenstände
Sehr wichtig ist die Aufbewahrung von
Proben sämtlicher zubereiteter Speisen in
kleinen Mengen (à 100g), die bei –18 °C
zwei Wochen tiefgefroren bleiben. Sie sollen ggf. für eine mikrobiologische Untersuchung zur Verfügung stehen, wenn Infektionen vorkommen, die mit Nahrungsmitteln aus der Küche zusammenhängen
könnten. Eine routinemäßige Untersuchung von Rückstellproben verursacht jedoch nur unnötigen Laboraufwand, ohne
einen konkreten Beitrag zur Küchenhygiene zu leisten.
Routinemäßige Abklatsch- oder Abstrichuntersuchungen sind auch in Küchen generell nicht sinnvoll.Wenn überhaupt, können
sie bei Arbeitsflächen und Geräten durchgeführt werden, die mit sog. Risiko-Lebensmitteln, wie rohem Fleisch, Fisch, Geflügel
und Eiern, in Kontakt kommen und anschließend nicht maschinell-thermisch desinfiziert werden können (z.B. Auftauwannen, Rühr- und Mengmaschinen).
Für diese Untersuchungen gelten prinzipiell dieselben Einschränkungen wie für andere Screening-Untersuchungen: sie stellen immer nur Momentaufnahmen dar.
Davon abgesehen werden sie viel zu selten
durchgeführt (z.B. halbjährlich), um eine
Aussage über die hygienische Sorgfalt in
der Küche zuzulassen. Viel besser sind Besuche der Mitarbeiter der Krankenhaushygiene in kurzen Abständen (z.B. einmal
monatlich), bei denen das Hygienefachpersonal für Fragen zur Verfügung steht
und ggf. Schwachstellen entdeckt und besprochen werden können.
Überprüfung der
Bandtransport-Geschirrspülmaschinen
Ebenso wie bei anderen RDM ist es auch
für Spülmaschinen in Krankenhausküchen
Küchenschädlinge
Dem Auftauchen von Ungeziefer in der
Küche kann am besten durch optimale
Sauberkeit vorgebeugt werden. Zur Bekämpfung muss ggf. Fachpersonal beauftragt werden.
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256
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Operationsabteilung
In Operationsabteilungen müssen neben
den Grundsätzen des aseptischen Arbeitens beim Operieren auch die StandardHygienemaßnahmen im Umgang mit
dem Patienten vor und nach der Operation beachtet werden (siehe Kapitel B.1
„Standard-Hygiene“, Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Anästhesiologie“).
Darüber hinaus wird aber gerade in der
operativen Medizin vieles praktiziert, was
man nur unter der Bezeichnung „Hygienerituale“ zusammenfassen kann. Es sind
Maßnahmen, die dem Personal in Operationsabteilungen von Generation zu Generation tradiert und insbesondere vom
leitenden Pflegepersonal häufig mit äußerster Konsequenz, auch den (Chef-)
Ärzten gegenüber, vertreten werden, für
deren Einfluss auf die Inzidenz postoperativer Infektionen im Operationsgebiet
es aber weder wissenschaftliche Belege
noch – bei rationaler Betrachtung – einen
plausiblen theoretischen Hintergrund
gibt. Hier Änderungen zu erreichen,
scheint tatsächlich manchmal am gebündelten Widerstand des verantwortlichen
Personals der Operationsabteilung zu
scheitern.
Auch nicht für alle der in der modernen
Fachliteratur genannten Empfehlungen
gibt es eindeutige wissenschaftliche Belege; in ihrer Gesamtheit tragen sie aber dazu bei, dass in der Operationsabteilung
ein Klima besonderer Sorgfalt und Sauberkeit herrscht, ohne dass sie überzogene Anforderungen darstellen würden [3,
8–11, 13].
Verhaltensregeln und Hygienemaßnahmen
für das Personal
Bereichskleidung
■ Vor Betreten der Abteilung in der Umkleide die Bereichskleidung sowie
Haube und Bereichsschuhe anziehen
■ Frische persönliche Kleidung, z.B.
T-Shirt mit kurzen Ärmeln, kann darunter getragen werden.
■ Bereichskleidung nach sichtbarer Kontamination wechseln
■ Routinemäßiger Wechsel der Bereichskleidung nach Benutzung der Toilette
muss nicht empfohlen, sondern kann von
jedem individuell entschieden werden
■ Vor Verlassen der Abteilung die Bereichskleidung ausziehen
■ Muss man später wieder in die Operationsabteilung zurückkehren, kann die
Bereichskleidung, wenn sie sauber ist,
in den Schrank gelegt und dann wieder
angezogen werden.
Die Bereichskleidung z.B. soll (sehr) sauber sein, weil sie unmittelbar unter dem
sterilen Kittel getragen wird. Sie soll deshalb auch nicht außerhalb der Operationsabteilung getragen werden, auch wenn sie
natürlich dadurch nicht per se kontaminiert wird. Prinzipiell gilt, dass, solange die
Bereichskleidung optisch sauber ist, den
hygienischen Anforderungen Genüge getan ist. Bereichsschuhe sind aus praktischen Erwägungen erforderlich, weil sie
häufig während der Eingriffe kontaminiert
werden; sie haben aber keinen hygienischen Nutzen bei der Prävention postoperativer Infektionen [6].
Operationsabteilung
257
Schmuck, Armbanduhren
Mund-Nasen-Schutz (Maske)
Schmuck an den Händen und Unterarmen
ist in der Operationsabteilung nicht mit
den hygienischen Anforderungen in Einklang zu bringen, weil er – wie im Übrigen
auch Nagellack und künstliche Fingernägel – erfahrungsgemäß die Händedesinfektion beinträchtigt. Vor dem Operieren
muss er ohnehin abgelegt werden. Jedoch
spielen kurze Halsketten, Ohrringe und
auch Nasenringe (sowie sonstiges Bodypiercing) aus hygienischer Sicht keine Rolle und können deshalb auch von Personal
in der Operationsabteilung getragen werden. Schließlich bestehen auch keine Einwände gegen Brillenträger.
■ Eine Maske soll nur im Operationssaal
während der Operation von allen anwesenden Personen getragen werden,
auf dem Flur und in den Nebenräumen
ist sie nicht erforderlich.
■ Sie muss Mund und Nase vollständig
bedecken und dicht am Gesicht anliegen.
■ Masken müssen während der Operation nicht routinemäßig, z.B. alle zwei
Stunden, gewechselt werden.
■ Die Maske soll nach länger dauernden
Operationen, muss aber nicht notwendigerweise nach jedem (kurzen) Eingriff (z.B. <60 Minuten) gewechselt
werden.
■ Masken sollen zwischen zwei Eingriffen entweder anbehalten oder ganz abgenommen werden. Sie sollen jedoch
nicht herunterhängen, da die Innenseite durch die Nasen-Rachen-Flora immer kontaminiert ist.
■ Das Personal, das zwischen den Eingriffen den Operationssaal reinigt,
muss dabei keine Maske tragen.
Händedesinfektion
■ Vor Betreten des Flurs der Operationsabteilung, d.h. noch in der Umkleide,
sollen die Hände desinfiziert werden.
■ Eine Händedesinfektion soll vor und
nach jedem Patientenkontakt durchgeführt werden.
■ Auch das Personal der Anästhesie oder
Kardiotechnik soll auf regelmäßige und
sorgfältige Händedesinfektion achten.
Kopfschutz
■ Der Kopfschutz soll das Haar vollständig bedecken.
■ Für Vollbartträger gibt es einen zusammenhängenden Kopfbartschutz.
Ein Kopfschutz hat außerhalb der Operationssäle sicher keinen konkreten hygienischen Nutzen, trägt aber dazu bei, dass das
Personal besonders ordentlich wirkt. Beim
Operationsteam soll der Kopfschutz verhindern, dass Haare in das Operationsfeld
gelangen. Deshalb muss auch das gesamte
Haar vom Kopfschutz bedeckt sein. Einen
Einfluss auf die Luftkeimzahl hat das Tragen eines Kopfschutzes aber nicht [7].
Die Bedeutung der Maske, was ihren Effekt hinsichtlich der Infektionsprävention
beim Patienten angeht, wird in der Regel
bei weitem überschätzt. Es ist wahrscheinlich sinnvoll, dass das Operationsteam eine
Maske trägt, um den Operationssitus so
gut wie möglich zu schützen (außerdem
bieten Masken dem Personal Schutz vor
verspritzendem Blut).
Es gibt aber auch Untersuchungen, die zeigen, dass Masken keinen Beitrag zur Reduktion postoperativer Infektionen leisten
[12]. Darüber hinaus wird mit Sicherheit in
einem Operationssaal mehr gesprochen,
wenn Masken getragen werden. Außerhalb der Operationssäle – und auch innerhalb, wenn nicht operiert wird und keine
Instrumente gerichtet werden – eine Mas-
258
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ke zu tragen, hat lediglich die Bedeutung
eines Hygienerituals ohne Effekt bei der
Infektionsprävention.
Sterile Operationskleidung
■ Dem ärztlichen Personal werden Kittel
und Handschuhe in der Regel durch
das Instrumentierpersonal angezogen.
■ Muss während der Operation der Kittel
gewechselt werden, soll er immer vor
den Handschuhen ausgezogen werden,
um eine Kontamination der Hände zu
vermeiden.
■ Nach einer kurzen Händedesinfektion
können der neue Kittel und die Handschuhe angezogen werden.
Sterile Handschuhe
■ Bei starker Beanspruchung der Handschuhe und dadurch erhöhter Perforationsgefahr, z.B. in der Traumatologie,
ist es sinnvoll, grundsätzlich mit doppelten Handschuhen zu operieren.
■ Das Tragen von doppelten Handschuhen reduziert auch das Risiko einer
Kontamination mit bzw. Inokulation
von Blut: bei Perforationen ist nicht immer auch der innere Handschuh betroffen, und im Falle eines Nadelstichs
wird durch das Abstreifen des Blutes
am Handschuhmaterial die inokulierte
Blutmenge vermindert.
■ Handschuhe müssen nach Perforation
und nach septischem Teil einer Operation gewechselt werden (dazwischen
kurze Händedesinfektion).
Verhalten während der Operation
■ Die Türen des Operationssaales sollen
während der Operation möglichst immer geschlossen bleiben, weil sonst die
RLT-Anlage ihre Funktion nicht erfüllen kann (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“)
■ Während der Operation sollten so wenig Personen wie möglich im Operationssaal anwesend sein und kein unnötiger Personaldurchgang stattfinden.
■ Die Gespräche aller während der Operation anwesenden Personen sollen
sich auf das Notwendige beschränken,
da die Maske immer nur einen begrenzten Schutz vor der Freisetzung
von Keimen aus dem Nasen-RachenRaum darstellt.
Ablegen der OP-Kleidung
■ Nach dem Eingriff werden Kittel,
Handschuhe und Maske im Operationssaal in die entsprechenden Entsorgungsbehälter abgelegt.
■ Wenn die Schuhe sichtbar kontaminiert sind, werden sie ebenfalls im Saal
ausgezogen. Saubere Schuhe sollen
dann bereitstehen, damit man nicht auf
Strümpfen in die Umkleide gehen muss
(Arbeitssicherheit).
Chirurgische Händedesinfektion
■ Ziel ist die Elimination der transienten
und weitgehende Reduktion der residenten Flora (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“)
■ In der Regel wird ein alkoholisches
Einreibepräparat verwendet, bei Unverträglichkeit kann aber auch antimikrobielle Flüssigseife (z.B. PVP-Jod)
benutzt werden.
Erster operativer Eingriff
Verwendung von alkoholischen
Einreibepräparaten
■ Eine Minute Waschen der Hände und
Unterarme bis zum Ellenbogen mit
Flüssigseife
■ Fingernägel und Nagelfalze mit Bürste
reinigen
Operationsabteilung
■ Gründliches Abtrocknen der Haut mit
einem sauberen Einmal- oder Baumwolltuch
■ Danach drei Minuten Einreiben des
Händedesinfektionsmittels in ausreichender Menge, sodass die Haut von
Händen und Unterarmen gut benetzt
ist, bis die Haut trocken ist
Verwendung von PVP-Jod-Seife
■ Eine Minute Waschen der Hände und
Unterarme bis zum Ellenbogen
■ Fingernägel und Nagelfalze mit Bürste
reinigen
■ Danach weitere vier Minuten Waschen
mit PVP-Jod-Seife
■ Seife anschließend unter fließendem
Wasser abspülen
■ Mit frischem Baumwolltuch gründlich
abtrocknen
Aufeinander folgende Eingriffe
Händewaschen
Vor der Händedesinfektion in der Regel
nicht nötig, sondern nur bei Verschmutzung oder, wenn deutliche Reste von
Hautpflegemitteln an den Händen sind
(Operationshandschuhe zwischen den
Eingriffen nicht anlassen, da ohne Effekt
auf die Keimzahl an den Händen)
Händedesinfektion
■ Liegt die letzte Händedesinfektion <60
Minuten zurück, ist eine Händedesinfektion von einer Minute Dauer vor
dem nächsten Eingriff ausreichend.
■ Liegt die letzte Händedesinfektion >60
Minuten zurück, erneut drei Minuten
desinfizieren
Die früher übliche Dauer von fünf Minuten bewirkt keine höhere Keimzahlreduktion. Regelmäßiges Waschen mit Wasser
und Seife vor Anwendung des Desinfekti-
259
onsmittels hat keinen Effekt auf die Keimzahlreduktion. Deshalb sollen bei aufeinander folgenden Eingriffen die Hände nur
dann vor der Desinfektion auch noch gewaschen werden, wenn sie verschmutzt
sind oder zu viel Reste von Hautpflegemitteln vorhanden sind.
Die Handbürste soll nur für Fingernägel
und Nagelfalze verwendet werden. Bürsten der Haut bedeutet eine zu starke mechanische Beanspruchung mit der möglichen Folge von Unverträglichkeiten bis
hin zur Entwicklung kumulativ-toxischer
oder allergischer Schäden. Außerdem erhöht Bürsten durch Mobilisierung der
Hautflora aus tieferen Hautschichten die
Keimzahl auf der Haut. Die Bürsten werden in Reinigungs- und Desinfektionsautomaten aufbereitet und brauchen anschließend nicht sterilisiert zu werden.
Werden alkoholische Händedesinfektionsmittel nicht vertragen, kann auch antimikrobielle Flüssigseife (z.B. PVP-Jod) angewendet werden, wobei dann eine Desinfektionszeit von fünf Minuten für eine ausreichende Reduktion der Hautkeimzahl sicherer erscheint (Untersuchungen über
kürzere Desinfektionszeiten gibt es nur für
Mittel mit Alkohol).
Präoperative Vorbereitung des Patienten
Körperpflege
■ Am Vortag mit normaler Seife baden
oder duschen, dabei auf gründliche Reinigung bestimmter Körperregionen, wie
Finger- und Fußnägel, Bauchnabel, achten sowie ggf. Nagellack entfernen.
■ Die Verwendung antimikrobieller Seife hat keinen Einfluss auf die Häufigkeit postoperativer Infektionen, sodass
für die präoperative Körperwaschung
am Tag vor dem Eingriff normale Seife
verwendet werden kann.
260
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Bettzeug
Das Bett nur frisch beziehen, wenn die
Bettwäsche nicht mehr sauber ist (gilt auch
bei sog. „septischen“ Patienten)
Verbände
Evtl. vorhandene Verbände werden erneuert, wenn sie nicht mehr frisch aussehen.
Haarentfernung
■ Haare lassen sich ebenso gut desinfizieren wie die Haut, deshalb möglichst
keine Haarentfernung durchführen
■ Wenn konventionelle Rasur, dann unmittelbar präoperativ, da minimale, d.h.
nicht notwendigerweise sichtbare,
Hautläsionen unvermeidbar sind
■ Am besten Clipper verwenden, dann
auch Haarentfernung am Vortag möglich, da dabei keine Hautläsionen entstehen
■ Auch Haarentfernungscreme am Vortag möglich (evtl. zuvor Allergietestung
durchführen).
Aus hygienischer Sicht kann auf die präoperative Haarentfernung vollständig verzichtet werden [14]. Anderenfalls sollen
Haarschneidemaschinen bevorzugt werden. Dabei sollen die Scherköpfe auswechselbar sein und nach jedem Patienten gereinigt und anschließend desinfiziert werden, am besten durch Einlegen in z.B.
80%igen Alkohol für 10 Minuten.
Transport in die Operationsabteilung
■ Der Patient ist in der Regel nur mit frischem Operationshemd ohne Unterwäsche bekleidet. Gegen frische Unterwäsche ist jedoch nichts einzuwenden,
wenn der Patient es wünscht. Wenn sie
nicht bei der Operation stört, kann sie
auch währenddessen anbehalten werden.
■ Umlagerung vom Bett über mechanische Hebevorrichtung, die Fläche nach
jedem Patienten ringsum mit Reinigungsmittel abwischen, nur nach Kontamination mit Blut etc. desinfizieren,
am besten mit z.B. 80%igem Alkohol
■ Kinder können zum Umlagern auch
auf den Arm genommen werden.
■ Eltern können ihr Kind, nachdem sie
sich wie das Personal umgekleidet haben, in die Operationsabteilung begleiten.
Maßnahmen in der Operationsabteilung
■ In der Regel bekommt jeder Patient
auch einen Haarschutz. Dies ist jedoch
nicht an sich notwendig.
■ Bei Regionalanästhesie erhält der Patient meist auch eine Maske. Dies ist aber
nicht unbedingt erforderlich, selbst
wenn der Patient erwartungsgemäß
während der Operation spricht. Da
Masken selbst beim Operationsteam
von fragwürdiger Effektivität sind, gilt
dies umso mehr für den Patienten.
Hautdesinfektion
■ Meist durch ärztliches Personal nach
der chirurgischen Händedesinfektion,
aber vor Anziehen des Operationskittels und der Handschuhe
■ Wenn erforderlich, die Haut über dem
Operationsgebiet zuvor abwaschen
(z.B. mit PVP-Jodseife)
■ Großflächige Desinfektion des Operationsfeldes mit einem geeigneten Hautdesinfektionsmittel, z.B. PVP-Jod-Alkohol-Lösung, während drei Minuten
■ Während der Desinfektion das Desinfektionsmittel mit reichlich getränkten
Tupfern auf der Haut verreiben und
Tupfer mehrfach wechseln
Hinsichtlich der erforderlichen Dauer der
präoperativen Hautdesinfektion gibt es
Operationsabteilung
keine eindeutigen Angaben. Wichtig ist,
dass sie gründlich durchgeführt wird. In
Analogie zur präoperativen Händedesinfektion sind drei Minuten sehr wahrscheinlich adäquat.
Ob auf talgdrüsenreicher Haut eine längere Desinfektionszeit erforderlich ist, um
postoperative Infektionen sicherer zu verhüten, ist nicht bekannt. Da die Fettsäuren
der Haut u.a. auch einen antimikrobiellen
Effekt haben, kann man die Notwendigkeit längerer Desinfektionszeiten (z.B. 10
Minuten) zumindest in Frage stellen.
Abdecken des Patienten
■ Die sterile Tuchabdeckung wird von
zwei Personen vorgenommen, die
schon den sterilen Kittel und die sterilen Handschuhe angezogen haben.
■ Die Handschuhe müssen anschließend
nicht notwendigerweise gewechselt
werden.
Zum Abdecken des Patienten können
Mehrweg- oder Einwegtücher verwendet
werden. Aus hygienischer Sicht gibt es dabei keine Unterschiede [5, 8]. Es können
selbstverständlich nach wie vor auch Baumwolltücher eingesetzt werden, solange man
nicht flüssigkeitsdichtes Material braucht,
was bei etlichen Eingriffen (z.B. Stereotaxie, Handchirurgie) nicht erforderlich ist.
Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die mit
der Verwendung von Baumwolltüchern
verbundene Flusenbildung das Risiko postoperativer Infektionen erhöht. Fremdkörper nämlich, die die Wundheilung stören
und deshalb die Entstehung von Wundinfektionen begünstigen können, sind wesentlich größer als Baumwollflusen [1, 2].
Operationsvorbereitung bei Kindern
Kinder können, um Ängste abzubauen, zusammen mit den Eltern am Tag zuvor die
261
Operationsabteilung besichtigen, ohne
dass dies ein hygienisches Risiko darstellen würde.
Postoperative Maßnahmen
Instrumentenentsorgung
■ Benutzte Instrumente werden trocken
in die Entsorgungscontainer gelegt.
■ Das routinemäßige Einlegen benutzter
Instrumente in Desinfektions- oder Reinigungslösung ist nicht erforderlich und
auch hinsichtlich der Lebensdauer der
Instrumente nicht empfehlenswert [4].
■ Nicht benutzte saubere Instrumente
müssen vor dem erneuten Sterilisieren
nicht mit den benutzten Instrumenten
noch einmal den Reinigungsprozess
durchlaufen, sondern können im Sterilcontainer bleiben.
Routinemäßig soll die Trockenentsorgung
von Instrumenten bevorzugt werden. Nur
am Wochenende und abends, also immer
dann, wenn keine baldige Aufbereitung erfolgt, soll man die Instrumente in eine Reinigungslösung einlegen, um das Antrocknen von Blut etc. zu verhindern.
Eine Desinfektionslösung dafür zu verwenden, ist jedoch überflüssig. Dies führt
nur zu einer unnötigen Desinfektionsmittelexposition für das Personal, deutlich höheren Kosten und einer vermeidbaren
Umweltbelastung, ohne dass irgendein hygienischer Nutzen damit verbunden wäre.
Operationstücher
■ Die benutzten Tücher werden im Operationssaal in die Wäschesäcke gegeben (bei Durchfeuchtung in Plastiksack).
■ Nicht benutzte Abdeck- und Bauchtücher müssen nicht wieder in die Wäsche, sondern können sofort zum Sterilisieren gegeben werden.
262
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Abfallentsorgung
Der anfallende Abfall wird im Operationssaal in die entsprechenden Abfallsäcke gegeben.
den, ohne dass zuvor irgendwelche
Desinfektionsmaßnahmen, z.B. der Räder, durchgeführt werden müssen.
Maßnahmen nach septischen Eingriffen
Blei- und ggf. Gummischürzen
Allgemeine Maßnahmen
Nach jedem Tragen werden die Schürzen
mit Reinigungslösung abgewischt. Nach
Kontamination mit Blut wird eine Wischdesinfektion durchgeführt. Zur Trocknung
werden sie z.B. in den Waschräumen auf
Bügel aufgehängt.
■ Kittel, Handschuhe und Maske wie üblich im Operationssaal ablegen
■ Kopfschutz im Operationssaal ablegen,
falls er mit infektiösem Material kontaminiert worden ist
■ Schuhe nur bei sichtbarer Kontamination im Operationssaal ausziehen
■ Bereichskleidung in der Umkleide
wechseln
■ Anschließend hygienische Händedesinfektion vor Rückkehr in die Operationsabteilung
■ Wäsche- und Abfallentsorgung wie üblich in die entsprechenden Säcke ohne
zusätzliche Verpackung der Säcke in einen weiteren Sack (außer bei Durchfeuchtung)
Extubation
Der Patient wird meist, wenn vorhanden,
in der Ein-/Ausleitung extubiert. Die Extubation kann aber auch im Operationssaal durchgeführt werden.
Transport in den Aufwachraum
Das Anästhesiepersonal bringt den Patienten in den Aufwachraum. Der Aufwachraum kann vom Personal in der Bereichskleidung betreten werden. Ein Umkleiden
vor der Rückkehr in die Operationsabteilung ist nur erforderlich, wenn die Bereichskleidung nicht mehr sauber ist.
Transport auf die Station
■ Für den Rücktransport des Patienten
muss nicht notwendigerweise ein frisches Bett bereitgestellt werden.
■ Nur wenn das Patientenbett beim
Transport in die Operationsabteilung
nicht mehr sauber war, soll die Bettwäsche teilweise oder vollständig erneuert
werden, bevor der frisch operierte Patient wieder in das Bett gelegt wird.
■ Auch das Bettgestell muss nur dann gereinigt werden, wenn es verschmutzt
ist.
■ Zum Umlagern kann das saubere Bett
in den Aufwachraum geschoben wer-
Desinfektionsmaßnahmen
■ Benutzte Instrumente können wie üblich zur Aufbereitung transportiert
werden und müssen nicht noch in der
Operationsabteilung desinfiziert werden.
■ Wischdesinfektion mit dem hausüblichen Flächendesinfektionsmittel in
normaler Konzentration
■ Alle patientennahen Flächen, z.B. Operationstisch, Geräte, Fußboden, einschließlich Instrumentiertisch, einbeziehen
■ Nach Möglichkeit mobile Gerätschaften im Operationssaal lassen und dort
desinfizieren
■ Generell alle kontaminierten Flächen
reinigen und desinfizieren
■ Desinfektion von Wänden und Decken
nur bei sichtbarer Kontamination er-
Operationsabteilung
forderlich, kann also in der Regel entfallen
■ Operationssaal kann wieder in Betrieb
genommen werden, sobald die Flächen
trocken sind. Eine Einwirkzeit muss
nicht abgewartet werden.
■ Die gleichen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen gelten nach Operation von Patienten mit meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten, z.B.
Salmonellose, Tuberkulose.
■ Über das übliche Maß hinausgehende Desinfektionsmaßnahmen müssen
bei meldepflichtigen übertragbaren
Krankheiten nur durchgeführt werden,
wenn dies im speziellen Fall vom zuständigen Gesundheitsamt angeordnet
wurde.
Die Desinfektionsmaßnahmen nach septischen Eingriffen entsprechen denen nach
aseptischen Operationen (siehe unten).
Das Versprühen von Desinfektionsmitteln
oder das Verdampfen von Formaldehyd
sind längst überholte Maßnahmen, die,
weil ineffektiv, der Vergangenheit angehören sollten. Darüber hinaus sind solche
Maßnahmen toxikologisch problematisch.
Die Instrumente müssen vor dem Transport in die ZSVA nicht in der Operationsabteilung desinfiziert werden. Die Anschaffung von Reinigungs- und Desinfektionsautomaten für die Operationsabteilung
oder das Einlegen der Instrumente in Desinfektionsmittellösung noch in der Operationsabteilung erübrigen sich damit.
Maßnahmen bei Patienten mit
Blut-assozierten Virusinfektionen
Hepatitis B/C- und HIV-positive
Patienten
■ Auch Patienten, von denen man (noch)
nicht weiß, dass eine mit Blut und Körperflüssigkeiten übertragbare Infekti-
■
■
■
■
■
■
■
263
on vorliegt, können infektiös sein; daher ist es sinnvoll, bei allen Patienten
die gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu
beachten (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“).
Die Reihenfolge des Operationsprogramms wird nicht beeinflusst.
Kittel und Abdecktücher sollen flüssigkeitsdicht sein, die Verwendung von
Einmal-Material ist jedoch nicht notwendig.
Das Tragen von doppelten Handschuhen reduziert das Risiko einer Kontamination mit bzw. Inokulation von
Blut: bei Perforation ist nicht immer
auch der innere Handschuh betroffen,
und im Falle eines Nadelstichs wird
durch das Abstreifen des Blutes am
Handschuhmaterial die inokulierte
Blutmenge vermindert.
Wenn mit Verspritzen von Blut in die
Umgebung zu rechnen ist, sollen
Schutzbrillen getragen werden, um
Schleimhautkontakt zu vermeiden.
Schnitt- und Stichverletzungen müssen
durch umsichtiges und konzentriertes
Arbeiten im Umgang mit scharfen und
spitzen Gegenständen vermieden werden.
Anstelle des manuellen Fassens und
Führens der Nadel soll eine Operationstechnik mit vermehrtem instrumentellen Arbeiten angewendet werden.
Im Anschluss an die Operation wird eine normale Wischdesinfektion durchgeführt. Es ist nicht erforderlich, das
Flächendesinfektionsmittel in einer höheren Konzentration als üblicherweise
einzusetzen. Auch eine längere Einwirkzeit muss nicht eingehalten werden, sodass der Operationssaal weiter
genutzt werden kann, sobald die Flächen abgetrocknet sind, also keine
Rutschgefahr mehr besteht (Arbeitsschutz).
264
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Mit Blut kontaminierte Wäsche als „infektiös“ entsorgen, Abfall zum Hausmüll geben
Flächenreinigung und -desinfektion
■ Nicht alle Flächen in einer Operationsabteilung müssen notwendigerweise
routinemäßig desinfiziert werden.
■ Außerhalb der Operationssäle sind
routinemäßig gründliche und regelmäßige Reinigungsmaßnahmen ausreichend. Nur nach Kontamination mit
potenziell infektiösem Material ist dort
eine sog. gezielte Desinfektion sinnvoll.
■ In den Operationssälen kommt es abhängig vom operativen Fachgebiet häufig zu einer Kontamination in der Umgebung des Operationstisches. Deshalb
ist es sinnvoll, dort routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen durchzuführen.
■ Zwischen den Operationen werden die
Flächendesinfektionsmaßnahmen nur
in der Umgebung des Operationstisches vorgenommen.
■ Sobald der Fußboden getrocknet ist,
kann mit den Vorbereitungen für den
nächsten Eingriff begonnen werden.
■ Unmittelbar nach Ende des Tagesprogramms soll mit der Abschlussreinigung und -desinfektion begonnen werden, damit Kontaminationen nicht antrocknen können.
■ Alle Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten werden nach hausüblichem System durchgeführt, d.h., es werden in der
Operationsabteilung dieselben Desinfektionsmittel und Konzentrationen
wie im übrigen Krankenhaus verwendet.
■ Jede Operationsabteilung soll über einen detaillierten und übersichtlichen
Reinigungs- und Desinfektionsplan verfügen. Er soll regelmäßig überarbeitet
und gut sichtbar aufgehängt werden.
Literatur
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266
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Physiotherapie
Das nosokomiale Infektionsrisiko im Zusammenhang mit physiotherapeutischen
Maßnahmen ist gering, obwohl das Personal mit vielen Patienten – meist auch direkten – Körperkontakt hat. Bei der Physiotherapie kommt das Personal meist nur
mit der Kleidung oder der Haut des Patienten in Berührung, aber nicht mit Körperstellen, bei denen eine Kontamination
eine Infektion nach sich ziehen kann, wie
z.B. bei der Venenkathetereinstichstelle
oder einer Operationswunde. Denn wenn
Physiotherapie durchgeführt werden
kann, dann sind solche prinzipiell gefährdeten Stellen durch Verbände abgedeckt
und damit vor Kontamination geschützt.
Das Personal der Physiotherapie muss
deshalb hauptsächlich auf die Maßnahmen
der Basis-Hygiene, insbesondere also auf
die Händehygiene, achten (siehe Kapitel
B.1 „Standard-Hygiene“). Obwohl weder
für die Patienten noch für das Personal ein
relevantes Infektionsrisiko besteht, gibt es
einige Besonderheiten, die hier erörtert
werden sollen.
Umgang mit Patienten bei
Isolierungsmaßnahmen
Patienten, die wegen einer Infektion mit
einem problematischen Erreger, wie z.B.
MRSA, in einem Einzelzimmer isoliert
sind, müssen meist auch an anderen als der
durch die Infektion betroffenen Körperstelle als besiedelt angesehen werden (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion
und Kolonisation“ und Kapitel B. 10 „Multiresistente Erreger“). Auch für die physikalische Therapie sind deshalb besondere
Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit diesen Patienten erforderlich.
Ort der Behandlung
Die Krankengymnastik sollte, wenn möglich, im Patientenzimmer durchgeführt
werden. Bei mobilen Patienten ist aber die
Behandlung in der Physiotherapie-Abteilung notwendig, weil im Patientenzimmer
nicht genügend Platz ist und die erforderlichen Übungsgeräte nicht vorhanden sind.
Man muss dann entsprechende Vorkehrungen treffen, um eine Verbreitung des Erregers, so weit möglich, zu reduzieren:
■ Ist der Erreger in einer Wunde nachgewiesen, muss der Patient ggf. einen frischen Verband erhalten, bevor er das
Zimmer verlässt.
■ Der Patient soll außerdem frische Wäsche (Schlafanzug, Trainingsanzug) anziehen.
■ Außerdem soll er sich gründlich die
Hände waschen oder desinfizieren
(und bei nasopharyngealer Besiedlung
mit MRSA darauf achten, den Kontakt
der Hände mit dem Gesicht zu vermeiden; eine Maske ist nicht erforderlich).
■ Nach der Benutzung von Geräten oder
Gymnastikmatten etc. ist eine Wischdesinfektion erforderlich, um eine Erregerübertragung auf nachfolgend mit
denselben Geräten etc. behandelte Patienten so sicher wie möglich auszuschließen (siehe dazu Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).
■ Damit das Personal die erforderliche
Händehygiene durchführen kann, müssen auch in der Physiotherapie-Abtei-
Physiotherapie
lung die dafür notwendigen Voraussetzungen, wie Handwaschbecken und
insbesondere Spender für Händedesinfektionsmittel, vorhanden sein.
Die Patienten können aber zu Gehübungen auch auf den Stationsflur oder ins
Treppenhaus geführt werden.
Schutzkleidung
Das Personal soll Schutzkleidung überziehen, die anschließend meist in die Wäsche
gegeben werden muss, weil Krankengymnastik nicht selten auch für das Personal
anstrengend ist, sodass die Kleidung anschließend mehr oder weniger verschwitzt
ist. Sie kann aber ggf. auch für den nächsten Gebrauch im Patientenzimmer hängen
bleiben.
Handschuhe müssen in der Regel nicht getragen werden, sondern kommen nur in
Betracht, wenn das Personal Kontakt mit
Blut bzw. Körperflüssigkeiten haben
könnte. Handschuhe wären weder für das
Personal noch für den Patienten angenehm, und ihre Bedeutung als Schutz vor
einer Erregerübertragung, wenn kein Kontakt mit der infizierten bzw. kolonisierten
Körperstelle besteht, ist unklar (siehe dazu
auch Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“ und Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“). Händewaschen und Händedesinfektion sind dagegen sehr wichtig.
Hydrotherapie
Therapie- und Bewegungsbecken
Das Infektionsrisiko ist bei regelrechter
Wartung der Badebecken sehr gering. Da
bei physiotherapeutischen Maßnahmen
der Aufenthalt im Wasser meist relativ
kurz ist, kommt es auch zu keiner wesentlichen Aufweichung der Haut, die wiederum erst die Entstehung bestimmter Er-
267
krankungen, wie insbesondere Fußpilzinfektionen, fördert. Folgende Maßnahmen
können dazu beitragen, das insgesamt geringe Infektionsrisiko noch weiter zu reduzieren:
■ Vor dem Baden Blase und ggf. Darm
entleeren
■ Vor und nach dem Baden duschen
■ Im Badebereich Badeschuhe tragen
■ Nach dem Baden Füße und insbesondere Zehenzwischenräume gründlich
abtrocknen
■ Nach jedem Baden die Badebekleidung waschen
Patienten mit Anus praeter
Mit wasserfesten Versorgungssystemen
können Patienten mit Anus praeter auch
an der Hydrotherapie teilnehmen. Vor
dem Baden soll der Beutel erneuert werden. Patienten, die z.B. durch morgendliche Darmspülung geregelten Stuhlgang
haben, können einen Minibeutel verwenden oder eine Stomakappe aufsetzen.
Patienten mit Infektionen
(auch polyresistente Erreger)
Patienten mit Infektionen der Haut, ausgedehnten Fußmykosen oder Wundinfektionen sollen Gemeinschaftsbäder nicht benutzen.
Wasserqualität
■ Mikrobiologische Anforderungen an
das Rein- und Beckenwasser wie in öffentlichen Schwimmbädern (Reinwasser = aufbereitetes Wasser nach Einmischung des Desinfektionsmittels)
– Reinwasser: maximal 20 KBE/ml bei
20 °C und 36 °C, in 100 ml bei 36 °C
kein Nachweis von E. coli, koliformen Keimen, Pseudomonas aeruginosa und Legionella pneumophila
268
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
– Beckenwasser: maximal 100 KBE/ml
bei 20 °C und 36 °C, in 100 ml bei
36 °C kein Nachweis von E. coli, koliformen Keimen, P. aeruginosa, in
1 ml bei Warmsprudelbädern und
Becken mit zusätzlichen Wasserkreisläufen sowie Wassertemperaturen über 30° C kein Nachweis von L.
pneumophila
– Füllwasser: Trinkwasserqualität, wird
zum Nachfüllen benutzt (entweder
kontinuierlich oder einmal täglich
pro Patient Austausch von mindestens 30 l Badewasser durch Füllwasser)
■ Mikrobiologische Kontrollen einmal
monatlich: Entnahme des Beckenwassers oberflächennah während der
Hauptbelastungszeit ca. 50 cm vom Beckenrand entfernt, jeweils eine Probe
von Ein- und Auslauf (optional), Entnahme der Reinwasserproben direkt
aus dem Zapfhahn der Reinwasserleitung vor Eintritt in das Becken
Reinigung und Desinfektion
■ Das Wasserbecken muss routinemäßig
gereinigt werden (auch Roste, z.B. Rinnenroste, in die Reinigungsarbeiten
einbeziehen)
■ Die Verwendung von Desinfektionsmitteln für das Wasserbecken oder die
Flächen im Badebereich, also Fußböden, Wände, Umkleidekabinen, Duschen, Toiletten, bewirkt nur eine kurzzeitige Keimzahlreduktion und ist deshalb nicht notwendig.
■ Wärmesitzbänke immer trocken halten
■ Wäscheschleudern wegen möglicher
Kontamination der Badekleidung nicht
aufstellen
■ Fußsprühanlagen sind zur Fußpilzprophylaxe ungeeignet (Desinfektionsmittel sind potenziell toxisch, Einwirkzeit
zu kurz), stattdessen Badeschuhe an-
ziehen und auf gründliches Trocknen
der Füße und Zehenzwischenräume
achten
Wannenbäder
Medizinische Bäder werden als Wannenbäder mit verschiedenen Zusätzen (z.B.
Pflanzenextrakte, Kohlensäure), als Moorbäder oder als hydroelektrische Vollbäder
(Stanger-Bad) angewendet. Bei Patienten
mit Verbrennungen ist mehrfach über Ausbrüche mit Gram-negativen Erregern, insbesondere P. aeruginosa, berichtet worden
[1–3]. Bei Umgebungsuntersuchungen
fand sich eine ausgeprägte Kontamination
des Wasser führenden Zubehörs, wie
Strahlregler und Duschköpfe. Gründliche
Reinigungs-, Spül- und/oder Desinfektionsmaßnahmen führten jedoch nie zu einer
Eliminierung der Ausbruchsstämme, sondern nur zu einer vorübergehenden Keimzahlreduktion. Wegen des nahezu unvermeidlichen Infektionsrisikos ist die Hydrotherapie bei der Behandlung von Patienten mit Verbrennungen in den Hintergrund getreten.
Reinigung und Desinfektion
■ Nach Behandlung nicht infizierter Patienten werden die Wannen mit einem
Reinigungsmittel gesäubert.
■ Nach Benutzung durch Patienten mit
Infektion bzw. Kolonisation (z.B.
Wundinfektionen oder Hautausschläge) ist eine Wischdesinfektion der Wannen erforderlich (hausübliches Desinfektionsmittel in normaler Konzentration, siehe Kapitel B.2 „Reinigung –
Desinfektion – Sterilisation“), wobei
die Flächen anschließend gründlich gespült werden müssen.
■ Unabhängig davon, ob gereinigt oder
desinfiziert wird, ist jedoch die sorgfältige Behandlung aller Flächen der Ba-
Physiotherapie
dewanne von größerer Bedeutung. Insbesondere der Boden ist meist schwerer zu erreichen als die Seitenwände [1,
3].
Acrylbadewannen
Acrylglas (Plexiglas) ist ein nicht kratzfester Kunststoff, der gegen mechanische und
chemische Einflüsse relativ empfindlich
ist. Deshalb müssen bei der Pflege einige
besondere Regeln beachtet werden:
– Nur Reinigungstücher verwenden
(keine Bürsten, auch keine Schwämme)
– Staub immer nur mit feuchtem, nicht
trockenem Tuch entfernen
– Nur flüssige Reinigungs- oder Desinfektionsmittel (nie Scheuersand,
aber auch keine Scheuermilch) verwenden
– Reinigungs- oder Desinfektionsmittel nur nach korrekter Dosierung,
nicht konzentriert anwenden
– Keinen Alkohol oder alkoholhaltige
Reinigungs- oder Desinfektionsmittel anwenden
– Nach Anwendung von farbigen Badezusätzen muss man die Wanne an-
269
schließend sofort reinigen, um die
Farbrückstände entfernen zu können.
Packungen
Für Fango-Packungen werden meist Paraffin-Fango-Gemische verwendet, die nach
thermischer Desinfektion in speziellen
Aufbereitungsanlagen wieder verwendet
werden können. Ein Übertragungsrisiko
besteht dabei nicht.
Literatur
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270
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Radiologie
Die moderne Radiologie umfasst neben
den klassischen und neueren bildgebenden Verfahren eine Vielzahl invasiver
Methoden für diagnostische und therapeutische Zwecke [5, 6]. Diese neuen
interventionellen Verfahren haben z.T.
konventionelle
operative
Eingriffe
ersetzt. Damit hat prinzipiell auch das
Infektionsrisiko zugenommen. Deshalb
haben in der Radiologie nicht nur
Standard-Hygienemaßnahmen, sondern
auch komplexere Verfahren der Infektionsprävention – vergleichbar den Hygienemaßnahmen bei Operationen – Bedeutung.
Invasive radiologische Verfahren
Im Folgenden sind die wichtigsten Informationen über das Auftreten infektiöser
Komplikationen bei den verschiedenen invasiven radiologischen Verfahren zusammengefasst [6]:
Konventionelle und interventionelle
Angiographie
■ Sehr geringes Infektionsrisiko bei konventioneller Angiographie, inkl. Koronarangiographie (selten Bakteriämien und
Infektionen an der Katheter-Eintrittsstelle)
■ Seit den 1980er Jahren zunehmend sog.
interventionelle Angiographien, z.B.
Gefäßdilatation, Stent-Implantation
und Embolisation
■ Gelegentliche Berichte über Infektionen mit Abszessen und Sepsis nach ausgedehnten Embolisationen im Bereich
von Leber und Milz
Interventionelle Verfahren außerhalb
des Gefäßsystems
■ Sehr geringes Infektionsrisiko bei CTgesteuerten perkutanen Biopsien
■ Häufigere infektiöse Komplikationen
nach perkutaner Drainage von Abszessen im Bereich innerer Organe
■ Ebenso höheres Infektionsrisiko
(meist Sepsis) bei perkutaner transhepatischer Drainage der Gallenwege (meist Malignom-Patienten mit
bakterieller Besiedlung der Gallenwege), aber Infektionsrisiko geringer als
bei konventionellen operativen Verfahren
■ Vergleichbares Risiko bei transhepatischer Cholangiographie, Stent-Implantation oder Steinentfernung
■ Bei perkutanen Eingriffen am Urogenitaltrakt (z.B. Entlastung bei Malignom-bedingter Obstruktion, Entfernung von Strikturen oder Steinen) geringeres Infektionsrisiko als bei vergleichbaren Eingriffen an den Gallenwegen
Myelographie
■ Infektionsrisiko sehr gering
■ Einzelne Berichte über Meningitis-Fälle verursacht durch vergrünende Streptokokken vermutlich nach Freisetzung
der Erreger aus dem Nasen-RachenRaum des Untersuchers [2–4, 7, 8]
■ Gespräche des bei der Untersuchung anwesenden Personals müssen
auf das notwendige Maß reduziert
werden (auch wenn Masken getragen
werden)
Radiologie
Kontrasteinläufe
■ Übertragungen von darmpathogenen
Erregern durch kontaminierte Gegenstände möglich
■ Thermostabile Gegenstände verwenden und thermisch desinfizieren oder
alternativ Einmal-Material einsetzen
■ Asymptomatische Bakteriämien relativ häufig, deshalb Endokarditis-Prophylaxe bei Personen mit hohem Endokarditis-Risiko, insbesondere nach
Klappenersatz, empfohlen
Hygienemaßnahmen
Standard-Hygiene
■ Im Zusammenhang mit den konventionellen Methoden der Radiologie ist die
Anwendung der Standard-Hygienemaßnahmen ausreichend, um Erregerübertragungen zwischen Patienten
bzw. zwischen Patienten und Personal
zu verhüten (siehe dazu Kapitel B.1
„Standard-Hygiene“). Händehygiene
hat dabei die größte Bedeutung.
■ Die Reinigung von Oberflächen, mit
denen der Patient Kontakt hatte, ist in
der Regel die ausreichende Methode
der Dekontamination, während Flächendesinfektionsmaßnahmen
nur
nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material erforderlich sind.
■ Für alle invasiven Maßnahmen muss
das Personal ausreichend in der Anwendung aseptischer Techniken geschult sein.
■ Kontakt mit Blut durch geeignete
Schutzmaßnahmen (Handschuhe, Kittel, ggf. Maske und Gesichtsschutz) verhindern
271
Maßnahmen bei Angiographie,
Myelographie und anderen
perkutanen Eingriffen
■ Konsequent aseptisches Arbeiten ausschlaggebend
■ Sorgfältige Hautdesinfektion
■ Händedesinfektion und sterile Handschuhe
■ Sterile Kittel, wenn Kontamination von
Katheter und anderen Gegenständen
möglich
■ Bedeutung von Masken und Kopfschutz unklar
■ Bei Untersuchungen mit Gabe von
Kontrastmittel Überleitungssystem zum
Kontrastmittel-Behälter (inkl. Drei-Wege-Hähne) nach jedem Patienten wechseln, da retrograde Kontamination mit
Blut möglich (z.B. Übertragung von
Plasmodium falciparum berichtet) [1]
Spezielle Maßnahmen bei
interventionellen Verfahren
Ausgedehnte invasive Verfahren, wie z.B.
Stent-Implantationen, erfordern vom gesamten beteiligten Personal Hygienemaßnahmen wie bei operativen Eingriffen
(siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6
„Operationsabteilungen“):
■ Ablegen von Schmuck an Händen und
Armen
■ Anziehen frischer Operationsbereichskleidung sowie Haube und Mundschutz
■ Chirurgische Händedesinfektion (3
Minuten)
■ Sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion im Bereich des geplanten
Eingriffs (3 Minuten)
■ Sterile Kittel und Handschuhe
■ Abdeckung des Patienten mit sterilen
Tüchern wie für eine konventionelle
Operation
272
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Ausreichend große, steril abgedeckte
Arbeitsfläche zur Bereitstellung der erforderlichen Instrumente, Katheter,
Kontrastmittel, Spüllösungen etc.
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Wäscherei
B
273
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Wäscherei
Obwohl benutzte und insbesondere mit
Patientenmaterial verschmutzte Wäsche
mit hohen Keimzahlen potenziell pathogener Mikroorganismen kontaminiert sein
kann, spielt Krankenhauswäsche als Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen
keine Rolle [1–4]. Standards über maximale Keimzahlen auf frischer Wäsche gibt es
nicht. Geeignete thermische oder chemothermische Waschverfahren sorgen aber
nicht nur für saubere, sondern auch für
mikrobiologisch-hygienisch einwandfreie
Wäsche, die ohne Risiko bei jedem Patienten eingesetzt werden kann, sodass die Sterilisation von Wäsche außer für den Operationsbereich nicht erforderlich ist.
Wäsche-Kategorien
Neben den üblichen hygienischen Anforderungen der Standard-Hygiene müssen
beim Umgang mit Krankenhauswäsche
auch die Unfallverhütungsvorschriften
(UVV) „Gesundheitsdienst“ und „Wäscherei“ beachtet werden. UVVen dienen
– prinzipiell sinnvoll – dem Schutz des Personals, also im Gesundheitsdienst dem
Schutz des Personals, das direkt oder indirekt mit der Versorgung von Patienten zu
tun hat, und in der Wäscherei dem Schutz
des dort arbeitenden Personals. Die UVV
„Wäscherei“ macht aber auch Vorschriften, die über ihren eigentlichen Verantwortungsbereich hinausgehen und außerdem fragwürdig sind.
1981 veröffentlicht, geben die UVVen aber
natürlich die Auffassung ihrer Zeit wieder
und stimmen deshalb nicht zufällig mit den
Empfehlungen der Hygiene-Kommission
des ehemaligen BGA überein. Darüber
hinaus handelt es sich um juristische Texte
und nicht um medizinische Verlautbarungen, selbst wenn sie medizinische Themen
behandeln. Als solche dienen sie der Gefahrenabwehr und können deshalb über –
im vorliegenden Fall medizinisch-hygienische – Erfordernisse hinausgehen.
Nach der UVV „Wäscherei“ wird Krankenhauswäsche abhängig von ihrem zu erwartenden Kontaminationsgrad in drei
Gruppen eingeteilt:
Sog. infektionsverdächtige Wäsche
■ Normale Krankenhauswäsche, d.h. weder von Patienten mit sog. hochkontagiösen noch mit anderen meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten (siehe
unten)
■ Hauptteil der Krankenhauswäsche
– Gebrauchte, aber nicht notwendigerweise auch sichtbar verschmutzte
Wäsche
– Wäsche von Patienten mit nicht meldepflichtigen Infektionen
– Mit Blut oder Stuhl kontaminierte
Wäsche von Patienten mit nicht meldepflichtigen und ohne Infektionen
■ Nach Transport in die Wäscherei soll
laut UVV ein Waschverfahren angewendet werden, das „desinfizierend“
wirkt (siehe unten).
Sog. infektiöse Wäsche
■ Wäsche von Patienten mit meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten (gemäß §§ 6, 7 IfSG) unabhängig davon,
274
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ob sie auf einer Infektionsstation untergebracht sind oder auf Allgemeinoder Intensivstationen versorgt werden
■ Dazu gehört nur der Anteil der Wäsche, der mit infektiösem Material kontaminiert ist, nicht die gesamte Wäsche
der Patienten.
■ Nach Transport in die Wäscherei soll
laut UVV ein Waschverfahren angewendet werden, das die Wäsche „desinfiziert“ (siehe unten).
Sog. hochinfektiöse Wäsche
■ Wäsche von speziellen Infektionsstationen, auf denen Patienten mit in der
Regel hochkontagiösen Infektionen,
wie z.B. hämorrhagische Fieber, gepflegt werden
■ Eine Desinfektion dieser Wäsche soll
schon am Sammelort, also noch vor
dem Transport in die Wäscherei, stattfinden.
■ Diese Wäschekategorie kommt in normalen Krankenhäusern nicht vor, weil
die Patienten in Spezialkliniken versorgt werden.
Die Wäschekategorien machen keine Aussage darüber, ob beim sachgerechten Umgang mit der Wäsche ein tatsächliches Infektionsrisiko gegeben ist. Das Personal in
der Wäscherei muss immer sorgsam mit der
Wäsche umgehen, damit es nicht zu einem
direkten oder indirekten Kontakt kommt.
Auch unter der normalen Krankenhauswäsche können Wäschestücke sein, die z.B.
mit Stuhl eines Patienten kontaminiert
sind, der unerkannt z.B. Salmonellen ausscheidet. Diese Wäsche wird nicht als „infektiöse“ Wäsche transportiert und wird
zusammen mit der normalen Wäsche in
den entsprechenden Maschinen gewaschen, aus denen die erste Flotte vor Abschluss des Desinfektionsvorgangs abgelassen wird (siehe unten).
Die Einteilung in normale und sog. infektiöse Wäsche ist deshalb aus hygienischer
Sicht nicht sinnvoll. Vielmehr trägt sie zur
Verwirrung des Personals und zu einer verzerrten Wahrnehmung der realen Infektionsgefahren bei. UVV-Vorschriften sind
bindend; sie dürfen jedoch nicht mit krankenhaushygienischen Erkenntnissen im
Sinne wissenschaftlich fundierter Empfehlungen gleichgesetzt werden.
„Desinfizierend waschen“
vs. „Desinfizieren“
Es wird in der UVV nicht konkret dargelegt, worin der Unterschied zwischen „desinfizierend waschen“ und „desinfizieren“
bei normaler Krankenhauswäsche und der
Wäsche von Patienten mit meldepflichtigen Infektionen liegt. Ausgeführt wird
aber, wann diese Forderungen als erfüllt
angesehen werden:
„Desinfizierend waschen“
■ Freie Wahl des Waschverfahrens
■ Beendigung des Desinfektionsvorgangs vor Beginn der Spülphase
„Desinfizieren“
■ Anwendung von Mitteln und Verfahren der RKI-Liste
■ Desinfektionsvorgang vor dem ersten
Ablassen der Flotte abgeschlossen
Der praktisch relevante Unterschied besteht darin, dass beim desinfizierenden
Waschen kein Waschverfahren aus der
RKI-Liste verwendet werden und dass der
Desinfektionsvorgang nicht bereits vor
dem ersten Ablassen der Flotte abgeschlossen sein muss.
Die UVV-Forderungen sind aber zumindest irreführend, weil nämlich Mittel und
Verfahren der RKI-Liste nur auf ausdrückliche Anordnung des Gesundheitsamtes
Wäscherei
angewendet werden müssen. Der Text der
UVV „Wäscherei“ wird allerdings so verstanden, dass bei der sog. infektiösen Wäsche die Mittel und Verfahren der RKI-Liste immer angewendet werden müssen.
Mit der Forderung aber, dass die Desinfektion vor dem erstmaligen Ablassen der
Flotte abgeschlossen sein müsse, verlässt
die UVV ihren Zuständigkeitsbereich,
nämlich den Schutz des in der Wäscherei tätigen Personals. Ob nämlich das Abwasser
durch mikrobiell kontaminierte Flotten belastet wird, hat für den Schutz des Wäschereipersonals keine Bedeutung. Außerdem
ist dies auch für die Gesundheit der Bevölkerung angesichts der sonstigen mikrobiellen Belastung von Abwasser innerhalb und
außerhalb von Krankenhäusern irrelevant.
Organisation der
Wäschever- und -entsorgung
Wäschesammlung
■ Wäsche bereits auf den Stationen etc.
sortiert in den entsprechenden Wäschesäcken sammeln, damit spätere
Manipulationen nicht nötig sind
■ Fleckenwäsche getrennt sammeln, damit sie in der Wäscherei sofort besonders behandelt wird
■ Wäschestücke vorsichtig in die Wäschesäcke legen, um eine mögliche
Kontamination der Umgebung zu vermeiden
■ Wäschesäcke:
– Textile (Wickel-)Säcke aus ausreichend dichtem und widerstandsfähigem Material (öffnen sich in der Maschine, sodass es nicht zu einem Kontakt des Wäschereipersonals mit der
Wäsche kommt)
– Foliensäcke, die nur bei feuchter
oder nasser Wäsche eingesetzt werden sollen (müssen vor Beladung der
275
Waschmaschine aufgeschlitzt werden, wodurch ein direkter Kontakt
des Personals mit der Wäsche möglich wird)
■ Transport so organisieren, dass keine
langen Lagerzeiten entstehen
■ Bis dahin die Wäsche in einem trockenen, kühlen Raum lagern
Wäschetransport
■ Wäschesäcke auf dem Transport nicht
stauchen und nicht werfen
■ Durchfeuchtete Säcke ohne einen flüssigkeitsdichten Schutzsack mit Handschuhen umlagern
■ Transportcontainer verwenden, die in
vollautomatischen Anlagen gereinigt
werden können
■ Durch geeignete Organisation sicherstellen, dass die Container sofort nach
Transport der Schmutzwäsche gereinigt werden, um sie für den Rücktransport der sauberen Wäsche wieder einsetzen zu können
Arbeitsabläufe in der Wäscherei
■ Auf beiden Seiten der Wäscherei müssen genügend Handwaschbecken und
Spender für Flüssigseife und Händedesinfektionsmittel vorhanden sein.
■ Eine Klimatisierung ist notwendig zur
Regelung der Raumtemperatur und
Luftfeuchtigkeit, nicht aber aus hygienischen Gründen.
Zur Trennung der Arbeitsabläufe beim
Umgang mit schmutziger und sauberer
Wäsche räumliche Einteilung in sog. reinen und unreinen Bereich:
Unreiner Bereich
■ Beladeseite der Waschautomaten
■ Zugang zur Waschanlage für die Transportcontainer
276
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
■ Schutzkleidung für das Personal, um
Kontakt mit der kontaminierten Wäsche zu verhindern, d.h. auch Handschuhe (Haarschutz nicht erforderlich,
ggf. langes Haar zusammenbinden)
■ Wegen des prinzipiellen Infektionsrisikos in diesem Bereich weder essen
noch trinken noch rauchen (z.B. Bericht über Salmonellen-Infektion bei
Mitarbeitern einer Wäscherei, in der
regelmäßig während der Arbeit gegessen wurde [5])
Reiner Bereich
■ Entnahme der sauberen Wäsche
■ Trocknen, Pressen, Mangeln
■ Beladung der gereinigten Transportcontainer
■ Schutzkleidung für das Personal, um
die saubere Wäsche vor Kontamination
zu schützen (Haarschutz nicht erforderlich, ggf. langes Haar zusammenbinden)
■ Personal an den Mangelplätzen darf
wegen der hohen Umgebungstemperatur Getränke zu sich nehmen
Umgang mit sauberer Wäsche
■ Saubere, trockene Lagerung in Regalen, auf Tabletts oder in Schränken in
der Wäscherei bis zum Transport zu
den Bedarfsstellen
■ Zum Transport die Wäsche unverpackt
in die gereinigten Container legen (bei
Verpackung in Folie Bildung von Kondenswasser möglich, wenn die Wäsche
beim Einpacken noch warm ist)
■ Saubere Wäsche in der Wäscherei und
auf den Stationen etc. mit sauberen
Händen, d.h. gewaschen oder desinfiziert, versorgen
Dezentrale Waschmaschinen
In Krankenhausbereichen, in denen spezielle Wäsche anfällt, wie z.B. die vielen kleinen bunten Wäscheteile (darunter auch
Wollsöckchen) auf Früh- und Neugeborenen-Stationen, oder in denen das Wäschewaschen zum therapeutischen Konzept gehört, wie in der Psychiatrie, können auch
dezentrale Maschinen verwendet werden.
Literatur
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infection control in healthcare facilities, 2001.
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home. Infect Control Hosp Epidemiol 1994;
15: 22–26
Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde
B
277
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde
Patienten und Personal in der Zahnmedizin können über Blut, Speichel und respiratorische Sekrete mit verschiedenen
potenziell pathogenen Mikroorganismen
in Kontakt kommen (siehe Kapitel A.2
„Übertragung von Erregern“).Am häufigsten werden in diesem Zusammenhang Blutassoziierte Viren, wie HBV oder HIV, genannt (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“), aber auch Herpes simplex-Virus (HSV), Mycobacterium
tuberculosis und andere Bakterien, wie
Staphylokokken und Streptokkoken,
kommen in Betracht. Prinzipiell kann man
neben den durch Blut übertragbaren Viren
mit allen Erregern rechnen, die im Respirationstrakt vorkommen können.
Personalschutz
Impfungen
Der häufige Kontakt mit Blut und respiratorischem Sekret führt zu einem hohen
Expositionsrisiko mit Erregern, gegen die
z.T. Impfungen verfügbar sind. Deshalb
soll Personal in der Zahnmedizin möglichst alle relevanten Impfungen erhalten,
wenn nicht ohnehin schon durch natürlichen Kontakt Immunität besteht. Im Vordergrund steht die Impfung gegen Hepatitis B, aber auch die Immunität gegen die typischen Kinderkrankheiten, wie Masern
und Mumps, sollte vorhanden sein.
Händehygiene
Händewaschen/Händedesinfektion
Für Händewaschen und Händedesinfektion gelten die üblichen Regeln bei Kontakt
mit Patienten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Berücksichtigt werden
muss, dass die Hände auch desinfiziert
werden sollen, wenn man beispielsweise
eine Prothese eines Patienten mit bloßen
Händen berührt hat, weil dabei ein Kontakt mit Speichel-, aber nicht selten auch
mit Blutresten stattfindet.
Einmal-Handschuhe
Um direkten Kontakt mit Patientenmaterial zu vermeiden, sollen für derartige Tätigkeiten (z.B. auch bei der Vorbereitung
extrahierter Zähne für Unterrichtszwecke) Einmal-Handschuhe getragen werden, bei deren Gebrauch die üblichen Regeln gelten (siehe Kapitel B.1 „StandardHygiene“). Ein „Missbrauch“ von EinmalHandschuhen, d.h. kein rechtzeitiger
Wechsel und damit Vernachlässigung des
Patientenschutzes, ist in der Zahnmedizin
häufig zu beobachten.
Meist wird empfohlen, die Handschuhe
zwischen den Patienten nicht zu waschen
oder zu desinfizieren, weil dadurch abhängig von der Qualität der Handschuhe das
Material durchlässig werden kann [6].
Ebenso muss beachtet werden, dass das
Handschuhmaterial undicht werden kann,
wenn Handschuhe über die von der Händedesinfektion noch alkoholfeuchten
Hände gezogen werden [6].Als allgemeine
Regel gilt, dass die Perforationsrate von
Handschuhen mit zunehmender Tragedauer steigt. Zur (unsichtbaren) Perforation
kann es bei Handschuhen minderer Qualität sogar schon beim Anziehen kommen
[6]. Beim Einkauf von Handschuhen müs-
278
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
sen diese Aspekte neben ökonomischen
Erwägungen ebenfalls berücksichtigt werden; denn Handschuhe müssen einen sicheren Schutz gewähren.
Schutzkleidung
Kittel
Eine besondere Schutzkleidung über der
Arbeitskleidung ist immer dann erforderlich, wenn es zu grober Verunreinigung mit
Patientenmaterial kommen kann (siehe
Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
Maske und Augen- bzw. Gesichtsschutz
Die zahnmedizinische Behandlung bedingt, dass ein Kontakt von Speichel, respiratorischem Sekret und Blut mit dem Gesicht des Personals häufig ist. Deshalb soll
mindestens ein Mundschutz getragen werden, um den direkten Schleimhautkontakt
zu vermeiden [2, 7].
Da aber ein Kontakt mit der Bindehaut des
Auges ebenfalls möglich, müssten auch
Schutzbrillen oder sogar ein zusammenhängender Gesichtsschutz getragen werden. In
der Regel aber trägt das Personal in der
Zahnmedizin nur Masken. Entsprechende
Schutzmaßnahmen sind auch für das Personal im zahntechnischen Labor erforderlich.
Reinigung, Desinfektion und
Sterilisation von Instrumenten
Alle wiederverwendbaren Gegenstände,
die mit dem Patienten in Kontakt kommen, müssen nach der Anwendung gründlich gereinigt werden. Ob sie bei der weiteren Dekontamination nur desinfiziert oder
sogar sterilisiert werden müssen, hängt davon ab, mit welchem Risiko der Erregerübertragung sie assoziiert sind (kritische,
semi-kritische, nicht-kritische Gegenstände; siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).
Maschinelle Aufbereitung
■ Thermostabile Gegenstände sollen
nach Möglichkeit immer in Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen
(RDM) vollautomatisch gereinigt,
thermisch desinfiziert und getrocknet
werden.
■ Ist Sterilität bei der Anwendung Voraussetzung, werden sie anschließend
verpackt und autoklaviert.
Manuelle Aufbereitung
Wenn eine maschinelle Aufbereitung nicht
möglich ist, müssen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, damit
es nicht zu einer Verletzung beim Umgang
mit scharfen oder spitzen Gegenständen
kommen kann:
■ Benutzte Gegenstände werden sofort
nach der Anwendung in einen Behälter
mit einer Reinigungslösung auf einem
Sieb abgelegt, damit es nicht zur Antrocknung von Blutresten etc. kommt.
■ Zur Unterstützung der manuellen Reinigung können die Gegenstände mit
dem Sieb in ein Ultraschallbad gestellt
werden.
■ Anschließend werden sie sorgfältig
manuell gereinigt.
■ Für die weitere endgültige Dekontamination sollen daran anschließend auch
semi-kritische Gegenstände, die an sich
nur desinfiziert werden müssen, autoklaviert werden, weil die chemische
Desinfektion weniger sicher und mit einer vermeidbaren Personalbelastung
verbunden ist.
Hand- und Winkelstücke
■ Eine Kontamination mit Patientenmaterial im Innern und intraorale Freisetzung
dieser Reste bei der Behandlung des
nächsten Patienten sind möglich [1, 3, 4].
Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde
■ Reinigung und chemische Desinfektion im Innern bei der Aufbereitung sind
aber nur begrenzt effektiv.
■ Deshalb müssen die Instrumente nach
jedem Gebrauch für ca. 30 sec mit Wasser durchgespült werden, um Reste von
Patientenmaterial auszuspülen
■ Anschließend wird die Sterilisation,
vorzugsweise im Autoklaven, durchgeführt.
■ Zur Reduktion der Keimzahl (Zunahme von sog. Wasserkeimen bedingt
durch die Wasserstagnation über Nacht
bzw. über das Wochenende) in den
Wasserleitungen, an die die Handstücke angeschlossen sind, werden zu Beginn jedes Arbeitstages die Handstücke abgenommen, damit das Wasser
zum Ausspülen der Leitung für einige
Minuten frei laufen kann [5].
Alle anderen intraoral angewendeten Instrumente, die mit der Behandlungseinheit
und den Luft- und Wasserleitungen verbunden und abnehmbar sind, sollen ebenso wie die Handstücke aufbereitet werden.
Dasselbe gilt für das Durchlüften bzw.
-spülen der Luft- und Wasserleitungen, die
die anderen Instrumente, z.B. auch die
Speichelabsauger, versorgen.
Maßnahmen im zahntechnischen Labor
■ Alle Gegenstände und Materialien, die
im Mund des Patienten angewendet
wurden (z.B. Abdruckmaterial, Prothesen), vor der Behandlung im Labor sowie im Anschluss daran, bevor sie in
den Mund des Patienten eingesetzt
werden, reinigen und desinfizieren
■ Die Entscheidung, welche Mittel eingesetzt werden sollen, nach Rücksprache
mit dem Hersteller treffen, weil einzelne
Materialien gegenüber chemischen Einflüssen sehr empfindlich sein können
279
Flächenreinigung und -desinfektion
■ Nach jeder Behandlung sämtliche glatten Flächen der Behandlungseinheit
mit Reinigungslösung abwischen, bei
Kontamination, z.B. durch den bei der
Behandlung freigesetzten Sprühnebel,
mit z.B. Alkohol desinfizieren
■ Ggf. schwer zu reinigende Flächen bei
der Behandlung abdecken, um sie vor
Kontamination infolge Aerosolbildung
zu schützen
■ Alle übrigen Flächen im Behandlungsraum normalerweise mit Reinigungsmittel säubern, nach Kontamination
mit Patientenmaterial kleine Flächen
z.B. mit Alkohol desinfizieren
Literatur
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ejectors used in dentistry. J Hosp Infect 1998;
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3. Lewis DL, Boe RK. Cross-infection risks
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6. Pitten F-A, Herdemann G, Kramer A.The integrity of latex gloves in clinical dental practice. Infection 2000; 28: 388–392
7. Whitener CJ, Hamory BH. Nosocomial infections in dental, oral, and maxillofacial surgery. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage,
Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia,
1999, 719–728
280
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
6. Hinweise für verschiedene
Krankenhausbereiche
– Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung
Zentrale Abteilungen für die Dekontamination sowie Desinfektion bzw. Sterilisation
wiederverwendbarer Gegenstände (häufig
ZSVA = zentrale Sterilgutversorgungsabteilung genannt, obwohl dort nicht nur Sterilgüter behandelt werden) haben den Vorteil, dass speziell geschultes Personal und
leistungsfähige Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen sowie verschiedene Sterilisatoren zur Verfügung stehen, sodass bei guter
Organisation der Abläufe ein hohes Maß an
Sicherheit gewährleistet und gleichzeitig
ökonomisch gearbeitet werden kann [1–3].
Die Abteilung ist zuständig für die Bereitstellung von desinfiziertem und sterilisiertem Material, dessen Verteilung auf die
einzelnen Verbrauchsstellen sowie für
Wartung, Reparatur, Lagerhaltung und
Ersatzbeschaffung der Gegenstände. Eine
gute wechselseitige Kooperation zwischen
zentraler Aufbereitung und Verbrauchsstellen sowie klare Organisationsstrukturen sind wichtige Voraussetzungen für störungsfreie Abläufe.
Die Betreuung der Abteilung durch die
Krankenhaushygiene kann sich auf die Beratung bei besonderen Fragen beschränken, weil das leitende Personal der zentralen Aufbereitung speziell ausgebildet und
deshalb am besten in der Lage ist, die Verund Entsorgung in allen Einzelheiten zu
organisieren.
Deshalb soll dieses Kapitel auch nur die
Darstellung der wesentlichen Einzelheiten
behandeln, um insbesondere hygienebeauftragten Ärzte einen Einblick in die Organisation einer solchen Abteilung zu geben. Genauere Informationen zu Reini-
gung, Desinfektion und Sterilisation finden sich in Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“.
Allgemeine organisatorische und
baulich-technische Struktur
Personal
Umkleide
■ Betreten der Abteilung über die Umkleideräume und Anziehen der krankenhausüblichen Arbeitskleidung
■ Spezielle Bereichskleidung, die – wie in
der Operationsabteilung – vor Verlassen der Abteilung ausgezogen werden
soll, ist nicht erforderlich, aber relativ
häufige Praxis
■ Vor Verlassen der Abteilung nach Arbeiten im unreinen Bereich die Arbeitskleidung wechseln, wenn sie nicht
mehr sauber ist, z.B. weil nicht rechtzeitig eine flüssigkeitsdichte Schürze
übergezogen wurde (gilt ebenso für
Betreten des Aufenthaltsraumes)
Zuordnung der Arbeitsplätze
■ Trennung der Arbeitsbereiche durch
feste Zuordnung des Personals zu bestimmten Arbeitsplätzen, die nach Abschluss der einzelnen Tätigkeiten aber
auch gewechselt werden können
■ Dadurch personelle Trennung von unreinem und reinem Bereich der Abteilung (siehe unten)
Personalschutz
Der Umgang mit nach Einsatz am Patienten kontaminierten Gegenständen bedeu-
Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung
tet, dass für das Personal ein grundsätzliches Infektionsrisiko besteht, das durch
geeignete organisatorische Maßnahmen
auf das erreichbare Minimum reduziert
werden muss. Hinzu kommt, dass nicht nur
kontaminierte, sondern häufig auch scharfe oder spitze Gegenstände gehandhabt
werden müssen, sodass zusätzlich ein Verletzungsrisiko vorhanden ist, welches das
das Infektionsrisiko erhöht.
Zum Schutz des Personals müssen deshalb
entsprechende Vorkehrungen getroffen
werden:
■ Schutzkleidung, ggf. mit flüssigkeitsdichten Schürzen
■ Handschuhe
■ Ggf. Maske und Schutzbrillen bzw. Gesichtsschutz
■ Annahme des kontaminierten Materials so organisieren, dass möglichst kein
direkter Kontakt besteht (z.B. kein
Vorsortieren der Instrumente vor Beladung der Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen)
■ Bei Notwendigkeit der manuellen Reinigung und Desinfektion spezieller Gegenstände geeigneten Arbeitsplatz
richten, an dem ausreichend Platz vorhanden und dadurch ungestörtes Arbeiten möglich ist
■ Regelmäßige Schulung des Personals
im Umgang mit kontaminierten Gegenständen
■ Hepatitis B-Impfung
Hygienemaßnahmen
Händedesinfektion
■ Nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material
■ Nach Einräumen der Reinigungs- und
Desinfektionsmaschinen (RDM)
■ Vor dem Verpacken
■ Nach Ausziehen von Handschuhen
■ Bei Übergang in den reinen Bereich
281
Handschuhe
■ Zur Vermeidung einer groben Kontamination der Hände
■ Bei Umgang mit scharfen oder spitzen
Gegenständen
■ Bei Wunden an den Händen
Maske
■ Wenn Verspritzen von potenziell infektiösem Material möglich ist (ggf. auch
Schutzbrille oder Gesichtsschutz)
■ Im reinen Bereich beim Verpacken
oder im Sterillager nicht erforderlich
Kopfschutz
■ Bei Sortieren und Verpacken von dekontaminiertem Material für die Sterilisation
■ Sonst nur ggf. langes Haar zusammennehmen
Flächenreinigung und -desinfektion
■ Flächen (inkl. Fußboden) normalerweise mit Reinigungsmittel wischen
■ Flächendesinfektion nur als gezielte
Desinfektion nach Kontamination mit
potenziell infektiösem Material
Besucher
■ Normalerweise brauchen sich Besucher nicht umzuziehen, sondern können die gesamte Abteilung in Straßenkleidung besichtigen (gilt auch für den
Bereich des Sterillagers, weil die Besucher nur durchgehen und sich umschauen)
■ Besucher aus anderen ZSVAen ziehen
sich dann um, wenn sie die einzelnen
Arbeitsabläufe aus nächster Nähe betrachten wollen
RLT-Anlage
Eine mechanische Belüftung zur Regelung von Temperatur und Luftfeuchtig-
282
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
keit sowie zum Schutz des Personals bei
Vorhandensein von Gassterilisatoren ist
erforderlich, eine spezielle Filterung der
Luft wie in Operationssälen jedoch nicht
(siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische
Anlagen“).
Organisation der Materialaufbereitung
Die räumliche Aufteilung muss so organisiert sein, dass keine sich überschneidenden oder gegenläufigen Arbeitsabläufe
entstehen, weil nur dadurch eine Re-Kontamination bereits dekontaminierter Gegenstände vermieden werden kann. Man
findet deshalb immer eine Unterteilung in
folgende Arbeitsbereiche:
Unreiner Bereich
■ Anlieferungszone
■ RDM und Beladungsseite der Taktbandanlagen sowie Beladungsseite der
Waschanlage für die Transportwagen
■ Arbeitsplätze für die manuelle Aufbereitung z.B. empfindlicher Gegenstände, die nicht maschinell dekontaminiert
werden können
Reiner Bereich
■ Entladeseite der Taktbandanlagen
■ Funktionsprüfung, Sortieren, Verpacken
■ Sterilisation mit Durchladesterilisatoren als Trennwand zum Sterillager
■ Ggf. Sterillager mit Materialausgabe an
den Operationsbereich (z.B. über „reinen“ Aufzug, der auch vom Operationspersonal benutzt werden kann)
■ Versorgungszone
Dekontamination
Transport und Anlieferung
Die Organisation der zentralen Aufbereitung beginnt bereits in den Verbrauchsstel-
len, wo kontaminierte Gegenstände anfallen. Deshalb muss auch der Transport von
der ZSVA geregelt werden:
■ Die Organisation der Entsorgung auf
den Stationen muss den Schutz des dort
arbeitenden Personals ebenfalls berücksichtigen: Kontaminierte Instrumente, bei deren Handhabung Verletzungsgefahr besteht, müssen sofort
nach der Anwendung transportfähig
entsorgt werden, sodass keine Manipulationen, z.B. manuelle Vorreinigung,
mehr erforderlich sind.
■ Für den Transport geeignete verschließbare Behälter verwenden, um
eine Kontamination von Personal und
Umgebung sicher zu verhindern
■ Instrumente geöffnet und in der Regel
trocken entsorgen, ggf. in Reinigungslösung einlegen, um Antrocknen von
Blut etc. zu verhindern (Behälter mit
gut schließendem Deckel verwenden
und Lösung nur bis zu einem Drittel
des Volumens auffüllen)
■ Transportbehälter müssen thermisch
desinfizierbar sein, für die Transportwagen müssen spezielle Reinigungsanlagen vorhanden sein
Ultraschallbad
■ Eingesetzt zur Verbesserung des Reinigungserfolges bei stark verschmutzten
Gegenständen in Lösung mit speziellem Reinigungsmittel
■ Geeignet für Instrumente aus Edelstahl, empfindliche Instrumente aus
der Mikrochirurgie etc. (Herstellerangaben beachten)
Reinigungs- und
Desinfektionsmaschinen
■ Für thermostabile Gegenstände nur
thermische Verfahren einsetzen, bei denen das Material mit Hilfe von Wasser,
Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung
Temperatur und Reinigungsmitteln
vollautomatisch gereinigt und desinfiziert wird (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“)
■ Chemothermische Verfahren haben
bei thermostabilem Material keine
Vorteile, sondern sollen nur bei Gegenständen verwendet werden, die Temperaturen über 60 °C nicht aushalten, wie
z.B. Endoskope
■ Für die korrekte Bestückung der Maschinen stehen speziell konzipierte
Einsatzkörbe zur Verfügung, die eine
zuverlässige Reinigung und Desinfektion auch sonst nur schwer zu reinigender Gegenstände, wie z.B. lange Schläuche, möglich machen
Trocknen
■ Gegenstände, die in den RDM nicht
vollständig trocken geworden sind,
können anschließend in einen Trockenschrank gelegt werden, bevor sie verpackt oder gelagert bzw. an die Verbrauchsstellen zurückgegeben werden.
■ Gegenstände mit Lumen werden innen
mit Druckluft getrocknet.
Funktionsprüfung, Sortieren und
Verpacken
■ Nach Dekontamination und Trocknung
werden die Gegenstände auf Funktionstüchtigkeit überprüft und ggf. mit
speziellen Pflegemitteln behandelt; beschädigte Gegenstände werden aussortiert.
■ Anästhesiezubehör und anderes Material, das nicht sterilisiert werden muss,
z.B. in saubere Tücher einschlagen oder
in Staubschutzbeutel legen
■ Gegenstände, die sterilisiert werden
müssen, entweder in Sterilisierfolie einschweißen oder in speziellen Containern verpacken
283
Sterilisation
■ Thermostabile Gegenstände werden
autoklaviert oder ggf. mit Heißluft sterilisiert
■ Bei thermolabilen Gegenständen werden Niedertemperaturverfahren angewendet, wobei heute als Gassterilisation
fast nur das Verfahren mit Formaldehyd,
in letzter Zeit aber zunehmend auch die
Plasmasterilisation verwendet werden.
Überprüfung der RDM und Sterilisatoren
Zu den Aufgaben des Personals der Abteilung gehört die Überprüfung der Maschinen, für die sie verantwortlich sind, also
der Automaten für Reinigung und Desinfektion sowie der Apparate für die Sterilisation.
Das Personal der Krankenhaushygiene
soll hier selbstverständlich beratend zur
Seite stehen, wenn dies gewünscht wird.
Die Überprüfung der Apparate soll aber
nicht zu den wesentlichen Aufgaben der
Hygienefachkräfte gehören, weil ihre Kapazitäten für die Bereiche der Infektionsprävention im Krankenhaus benötigt werden, für die es sonst kein speziell ausgebildetes Personal gibt.
Literatur
1. Krüger S, Frey R. Qualitätsmanagement in
der zentralen Sterilgutversorgung in einem
deutschen Klinikum. Zentral Steril 1996; 4:
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2. Martin MA. Nosocomial Infections related
to patient care support services: dietetic services, central services department, laundry,
respiratory care, dialysis, and endoscopy. In:
Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control
of nosocomial infections. 3.Auflage,Williams
& Wilkins, Baltimore, 1997, 647–688
3. Pugliese G, Hubbard CA. Central services, linen and laundry. In: Bennett JV, Brachman PS
(Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 325–332
284
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
7.
Umgebung des Patienten
In der sog. unbelebten Umgebung eines
Krankenhauses sind normalerweise mikrobielle Kontaminationen vorhanden. So
lassen sich patientennah und -fern auf Gegenständen aller Art Bakterien nachweisen. Meist kommen sie als Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen nicht in
Betracht. Sie können aber potenziell zu einem Risiko werden, wenn sie mit Körperstellen des Patienten in Kontakt kommen,
die vor einer Kontamination geschützt
werden müssen.Auf die verschiedenen Bereiche in der Umgebung des Patienten, die
mit Infektionsrisiken verbunden sein können, soll im Folgenden hingewiesen werden.
Wasser
Wasserkeime, vor allem Gram-negative
Stäbchen, wie Pseudomonas spp., Acinetobacter spp., aber auch atypische Mykobakterien und Legionellen, kommen in wechselnder Häufigkeit und Keimzahl im Leitungswasser vor (innerhalb wie außerhalb
von Krankenhäusern) [5, 20, 24, 27, 29]. Sofern aber der Richtwert der Trinkwasserverordnung von 100 KBE/ml nicht (wesentlich) überschritten wird (und weder E.
coli noch koliforme Bakterien als Hinweis
auf fäkale Verunreinigung nachweisbar
sind), kann Trinkwasser als unbedenklich
angesehen werden.
Bei der Verwendung von Leitungswasser
in der Krankenversorgung können aber
mit diesen normalen Kontaminationen
u.U. Probleme verbunden sein, weshalb
bei bestimmten Patienten Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll sind (die besonderen
Maßnahmen bei der Behandlung von Wasser für die Dialyse, bei der Endoskopie und
für Schwimmbäder sind in Kapitel B.6
„Dialyse“, „Endoskopie“ und „Physiotherapie“ behandelt).
Waschwasser
Bei schwerkranken Patienten mit offenen
Hautstellen (z.B. Wunden, Verbrennungen) kann es nach Kontakt mit kontaminiertem Leitungswasser zu lokalen oder
systemischen Infektionen durch die an sich
wenig virulenten Gram-negativen Wasserkeime kommen. Bei solchen Patienten
sollte der direkte Hautkontakt mit Leitungswasser nach Möglichkeit vermieden
werden. So kann man dem Waschwasser
von Traumapatienten mit großflächigen
Hautabschürfungen PVP-Jod-Lösung in
einer Verdünnung von 1:100 zusammen
mit einem pflegenden Badezusatz als
Schutz vor zu starker Austrocknung der
Haut zusetzen. Für immunsupprimierte
Patienten besteht erhöhtes LegionellenRisiko bei Verwendung von Leitungswasser besonders für die Mund- und Gesichtspflege (siehe Kapitel B.5 „Legionellose“
und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte
Patienten“) [5].
Auch Flüssigseife kann kontaminiert werden [26]. Dies muss schon beim Einkauf berücksichtigt werden, indem nur Produkte
mit wirksamen Konservierungsstoffen ausgewählt werden sollen. Der Hersteller
muss außerdem zusichern, dass die Zusammensetzung des Produkts für die Laufzeit
des Vertrages nicht geändert wird. Da ferner auch moderne, berührungsfreie Was-
Umgebung des Patienten
serarmaturen nicht vor einer Kontamination am Wasserauslass geschützt sind, sind
im Umgang mit dem daraus entnommenen
Wasser die gleichen Vorsichtsmaßnahmen
erforderlich [12].
Wird bei der präoperativen Händedesinfektion antimikrobielle Flüssigseife verwendet, kann zum Abspülen der Seife aber
dennoch Leitungswasser verwendet werden, weil die Keimzahlen gering sind und
die Hände außerdem abgetrocknet werden, wodurch die Keimzahl reduziert wird.
Es gibt außerdem keine Hinweise darauf,
dass in Ländern, wie z.B. Großbritannien,
in denen traditionell antimikrobielle Flüssigseifen anstelle von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln verwendet werden, postoperative Infektionen im Operationsgebiet häufiger durch sog. Wasserkeime verursacht würden als z.B. in Deutschland, wo Alkohol der Standard ist (siehe
Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“).
Strahlregler
Am Auslass des Wasserhahns angebracht
bewirken Strahlregler einen gerichteten
Wasserstrahl und haben zusätzlich durch
Zumischung von Luft einen wassersparenden Effekt. Bei Siebstrahlreglern sammeln
sich jedoch auf den Sieben Konkremente
aus der Wasserleitung (z.B. Kalk, Schmutzpartikel) an. Durch diese Verunreinigungen wird das Wachstum von Wasserkeimen
gefördert [13, 15, 30]. Deshalb sollen Siebstrahlregler regelmäßig (z.B. 1×/Woche)
abgenommen und gereinigt werden (z.B.
Geschirrspülmaschine), damit sie in Risikobereichen, wie z.B. Intensivstationen,
nicht zu einem Erregerreservoir werden
können.
Als besser geeignete Alternative stehen
Lamellenstrahlregler zur Verfügung, die
anstelle eines horizontalen Siebes radiär
angeordnete, senkrecht stehende Lamel-
285
len haben. Auch sie müssen jedoch regelmäßig gereinigt werden, weil die Bildung
mikrobieller Biofilme unvermeidlich ist.
Fließt der Wasserstrahl auch ohne Strahlregler gleichmäßig und ohne Verspritzen,
kann man auch darauf verzichten.
In Hochrisiko-Bereichen muss sich das
Personal dem potenziellen Risiko der
Kontamination der Hände durch das Leitungswasser bewusst sein. Nach Kontakt
mit Leitungswasser müssen die Hände gut
getrocknet werden; vor allem aber muss
vor Tätigkeiten, bei denen kontaminationsfrei gearbeitet werden muss (z.B.
Richten von Infusionsflaschen), eine Händedesinfektion durchgeführt werden.
Eismaschinen
Da Eismaschinen an das Leitungswassernetz angeschlossen sind, muss das Eis immer als potenziell kontaminiert angesehen
werden [4, 5, 24, 31]. Es soll deshalb nicht
zur Kühlung von Getränken bei stark abwehrgeschwächten Patienten verwendet
werden (dies gilt im Übrigen ebenfalls für
Eis, das im Eisfach des Kühlschrankes aus
nicht abgekochtem Leitungswasser hergestellt wird).
Auch ein direkter Kontakt mit Wunden
(z.B. sekundär heilende Operationswunden, Dekubituspflege, Physiotherapie) darf
nicht zustande kommen. Für die Physiotherapie kann z.B. Eis in wasserdichten Plastikbeuteln angewendet werden. Zur Flächenkühlung, z.B. bei Intensivpatienten, sollte
man dem Eiswasser PVP-Jod-Lösung zugeben (siehe oben „Waschwasser“).
Eismaschinen müssen regelmäßig gereinigt werden. Dazu muss der Eisbehälter
z.B. einmal pro Woche entleert, mit Reinigungslösung ausgewischt und anschließend gründlich ausgespült werden [4]. Das
Eis kann aber auch exogen bei der Entnah-
286
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
me kontaminiert werden, weil sowohl Bakterien als auch Protozoen tiefe Temperaturen überleben (Übertragungen von z.B.
Lamblien durch Eis, das zur Kühlung von
Getränken verwendet wurde, sind beschrieben [21]). Zur Vermeidung exogener
Kontaminationen muss Folgendes beachtet werden [4, 5]:
■ Vor Entnahme Händedesinfektion
■ Eis nur mit dafür vorgesehener Schaufel entnehmen (dabei nur am Griff anfassen)
■ Schaufel nicht in der Eismaschine liegen lassen oder mit dem Griff ins Eis
stecken, sondern außerhalb trocken
und sauber lagern
Wasserbad
Wegen der normalen Kontamination des
Leitungswassers müssen bei der Verwendung von Wasserbädern besondere Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, da
durch die erhöhte Temperatur das Wachstum von Wasserkeimen noch gefördert
wird [5, 24]:
■ Beim Auftauen oder Anwärmen von
Blut oder Blutprodukten muss ein
Kontakt des Wassers mit den Beuteln
verhindert werden. Deshalb müssen
die Blutbeutel etc. zuvor in einen
Schutzbeutel eingeschweißt werden.
■ Außerdem müssen die Wannen der
Wasserbäder in kurzen Abständen
(mindestens einmal pro Woche) gründlich gereinigt werden, weil es unvermeidlich zur Bildung von Biofilmen
durch Wasserbakterien kommt (Ausbrüche nosokomialer Infektionen z.B.
mit Pseudomonas spp. oder Acinetobacter spp. im Zusammenhang mit Wasserbädern sind beschrieben).
Wegen dieser Problematik sollten generell
nur noch wasserfrei arbeitende Geräte
zum Anwärmen von Blutkonserven etc.
verwendet werden.
Wasser für Vernebler
Beim Vernebeln von Flüssigkeiten entstehen Aerosole, die vom Patienten inhaliert
werden und bis in die tiefen Atemwege gelangen können (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [5]. Leitungswasser darf deshalb nicht zum Befüllen der
Wasserreservoire verwendet werden, sondern es ist immer steriles Wasser erforderlich. Vernebler müssen außerdem komplett auseinander zu nehmen und thermisch desinfizierbar sein (siehe Kapitel
B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“), weil natürlich auch bei Verwendung
von sterilem Wasser exogene Kontaminationen möglich sind.
Blumenwasser
Das Wasser von Blumenvasen enthält
schon nach kurzer Zeit sehr hohe Keimzahlen von vor allem Gram-negativen
Bakterien [5, 24]. Nach Versorgung von
Schnittblumen müssen deshalb die Hände
gewaschen werden. Patienten sollen ihre
Blumen möglichst nicht selbst versorgen,
und schwer abwehrgeschwächte Patienten
sollen gar keine Blumen (aber auch keine
Topfpflanzen) im Zimmer haben (siehe
dazu auch Kapitel B.5 „Aspergillose“ und
Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“).
Oberflächen
Über die Bedeutung und Behandlung von
Oberflächen im Krankenhaus als potenzielles Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen gibt es unter Krankenhaushygienikern teilweise sehr konträre Ansichten;
die Auseinandersetzungen haben bisher
aber nur wenig dazu beigetragen, Klarheit
darüber zu erhalten, welche Kontamina-
Umgebung des Patienten
tionen ein Risiko für den Patienten darstellen können und welche Dekontaminationsmaßnahmen demzufolge sinnvoll
bzw. erforderlich sind. Unbestritten ist,
dass es in einem Krankenhaus sauber sein
muss [6, 7]. Differenzen gibt es darüber, ob
für die routinemäßigen Reinigungsmaßnahmen von Oberflächen lediglich Reiniger
verwendet werden können oder ob Desinfektionsmittel (mit Reinigungskomponente) erforderlich sind [5, 8, 25, 28].
Decken, Wände, Oberflächen von Möbeln
und Fußböden sind immer mikrobiell kontaminiert. Bei üblichen Kontakten und bei
Einhaltung der Regeln der Asepsis während invasiver Maßnahmen ist damit jedoch kein Infektionsrisiko verbunden [5].
Insbesondere wichtig ist zweifellos die
Händehygiene, denn die meisten Erregerübertragungen kommen durch die Hände
des Personals zustande. Kontaminierte
Flächen können unbestritten zu einer
Kontamination der Hände des Personals
führen. Sie können aber eindeutig bei weitem nicht so häufig und so leicht dekontaminiert werden wie die Hände.
Deshalb kann die Dekontamination von
Flächen als eine Maßnahme, die in den
meisten Krankenhausbereichen nur einmal täglich und auch in Hochrisiko-Bereichen routinemäßig nur zwei- bis höchstens
dreimal am Tag durchgeführt wird, über
deren Sauberkeit hinaus für den Schutz
des Patienten gar nicht eine so hohe
Bedeutung haben wie die der Hände.
Für die Dekontamination wären deshalb
normalerweise Reinigung und Trocknung
ausreichend (siehe Kapitel B.2 „Reinigung
– Desinfektion – Sterilisation“), denn
schon kurze Zeit nach einer Flächendesinfektion sind die Ausgangskeimzahlen wieder erreicht [1].
Da die mikrobielle Kontamination von
Oberflächen in der Nähe der Patienten
287
bzw. deren Re-Kontamination nicht zu
verhindern ist, muss man durch ein geeignetes Reinigungsregime sicherstellen, dass
die Bedingungen für die Mikroorganismen
so ungünstig sind, dass sie sich nicht vermehren können. Dies ist schon allein durch
Reinigungsmaßnahmen zu erreichen: saubere und glatte Oberflächen ohne Rückstände, wie Sekrete oder Exkrete, durch
die das Bakterienwachstum gefördert werden kann, können aus mikrobiologischer
Sicht für die normalen Kontakte bei der
Patientenversorgung als sicher betrachtet
werden, solange die Regeln der Asepsis im
Umgang mit kritischen Gegenständen beachtet werden.
Solange es keine Flächendesinfektionsmittel mit persistierender Wirkung gibt, kann
man deshalb auch mit einer routinemäßigen Desinfektion keine höhere Sicherheit
erreichen. Vielmehr müssen saubere Flächen – ob gereinigt oder desinfiziert –
schon bald im Anschluss an die Maßnahme
wieder als kontaminiert betrachtet werden, und das bedeutet, dass kritische Gegenstände und die Hände des Personals
bei Kontakt ebenfalls kontaminiert werden können.
Gelegentlich wird als Argument für die
routinemäßige Verwendung von Desinfektionsmitteln bei der täglichen Reinigung
von Oberflächen im Krankenhaus angeführt, dass mit der chemischen Desinfektion eine insuffizient durchgeführte Reinigung ausgeglichen werden könnte. Aber
auch Desinfektionsmittel können nur auf
Flächen wirken, auf denen sie angewendet
werden, und wenn nicht überall gewischt
wird, kann auch das Desinfektionsmittel
nicht überall wirken. Die heute in Krankenhäusern in vielen Fällen zu beobachtenden Einsparungsversuche im Reinigungsmanagement können nicht durch eine routinemäßige Anwendung von Flä-
288
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
chendesinfektionsmitteln
kompensiert
werden. Andererseits ist das Einsparungspotenzial durch Verzicht auf die routinemäßige Anwendung von Desinfektionsmitteln bei der Flächenreinigung gemessen am Gesamthaushalt eines Krankenhauses ein unbedeutender Faktor. Ob Reinigung von Flächen im Krankenhaus oder
Desinfektion: es gibt Argumente dafür und
dagegen, aber keinen Anlass, diese Frage
zu einer Ideologie aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es unangebracht, über Teppichböden oder textile Wandbeläge in Krankenhäusern nachzudenken. Die Frage taucht jedoch gelegentlich auf, wenn auch mehr aus dem Bereich von Rehabilitationseinrichtungen.
Gegen eine textile Oberflächenausstattung sprechen sowohl praktische als auch
ästhetische Gründe, weil unvermeidlich
Flecken entstehen, die meist nicht zufrieden stellend entfernt werden können [5].
Deshalb sind sie nicht empfehlenswert.
Bauliche Struktur
Die bauliche Konzeption eines Krankenhauses oder einzelner Bereiche, wie Operationsabteilungen und Intensivstationen,
erfordert eine sorgfältige Planung, an der
von Anfang an auch der zuständige Krankenhaushygieniker beteiligt sein muss (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen
im Operationsgebiet“). Insgesamt aber
stehen dabei Anforderungen aus hygienischer Sicht nicht im Mittelpunkt, sondern
stellen einen wesentlichen Aspekt unter
vielen anderen dar [5, 17, 18, 23].
Das bedeutet, dass die baulichen Gegebenheiten eines Krankenhauses keinen direkten Einfluss auf das Infektionsrisiko der
dort versorgten Patienten haben. Die bauliche Struktur kann lediglich einen Beitrag
dabei leisten, die Anforderungen der Hygiene bei der Patientenversorgung leichter
zu realisieren. Vorrangig ist, dass ausreichend Platz vorhanden ist. So wird in geräte- und personalintensiven Bereichen, wie
Intensivmedizin und Dialyse, wesentlich
mehr Fläche für die Versorgung eines einzelnen Patienten benötigt als auf Normalstationen.
Ferner muss die Anordnung der einzelnen
Räume den praktischen Erfordernissen
gerecht werden, und die Beschaffenheit
der Oberflächen muss den notwendigen
Reinigungs- und Desinfektionmaßnahmen entsprechen. Zusammen mit Planern
und Nutzern muss bei Neu- oder Umbauten der Krankenhaushygieniker die aus
der Sicht der Infektionsprävention erforderlichen Aspekte realisieren. Da die ökonomischen Auswirkungen baulicher und
technischer Anforderungen groß sind,
müssen für kostenträchtige Maßnahmen
Belege vorhanden sein, die ihren Nutzen
bei der Infektionsprävention zeigen können (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“).
Ob neues oder altes Krankenhaus, entscheidend ist, dass das Personal bei der
Versorgung der Patienten die Regeln der
Standard-Hygiene und ggf. der Asepsis beachtet. Bauliche Gegebenheiten können
kein optimales Personalverhalten erzwingen, haben also lediglich unterstützende
Funktion beim Schutz der Patienten vor
Infektionen.
Technische Einrichtungen
Dass technischer Fortschritt für den Menschen auch negative Seiten hat, ist nur zu
gut bekannt. Dies gilt auch für die Entwicklungen der Medizin. Technische Einrichtungen haben neben vielen tatsächlichen Fortschritten für den Menschen aber
auch gesundheitliche Risiken gebracht,
von denen in diesem Abschnitt einige Infektionsrisiken behandelt werden sollen,
Umgebung des Patienten
die erst durch die Entwicklungen der Technik überhaupt möglich wurden.
Legionellenrisiko
Wahrscheinlich gibt es seit Urzeiten im
Wasser Legionellen; als Infektionserreger
relevant und entdeckt wurden sie aber erst
vor ca. 25 Jahren (siehe Kapitel B.5 „Legionellose“). Seither wurde über eine Vielzahl
von Legionellen-Infektionen im Zusammenhang mit Klimaanlagen und Kühltürmen berichtet, wenngleich trotz der zahlreichen Berichte Legionellen-Infektionen
immer noch sehr seltene Erkrankungen
sind. Diese Erkrankungen wurden aber
erst möglich durch technische Einrichtungen, mit denen die im Wasser natürlicherweise in sehr geringer Keimzahl vorkommenden Legionellen zum einen vermehrt,
zum anderen in effektiver Weise verteilt
werden können, sodass diese Bakterien
überhaupt erst mit den entscheidenden
empfänglichen Körperregionen des Menschen in Kontakt kommen konnten, an denen sie zu Infektionen führen können [3].
Bevor also der Mensch sich Klimaanlagen
baute, die wiederum Rückkühlwerke oder
Kühltürme benötigen, gab es für die Legionellen wenig Gelegenheit, sich im Wasser
unter optimalen Temperaturbedingungen
zu vermehren und außerdem aus diesen
Wasserreservoiren in einer Form freigesetzt
zu werden, in der sie bis in die tiefen Atemwege inhalierbar und somit für den Menschen infektiös sind. Natürlich bieten auch
Trinkwasserleitungen, insbesondere die
Warmwasserleitungen, Legionellen bereits
begünstigende Bedingungen; aber von dort
werden sie bei üblicher Nutzung des Trinkwassers kaum mit einer relevanten Aerosolproduktion freigesetzt. Deshalb eignet
sich der normale Umgang mit Wasser aus
dem Trinkwassernetz nicht für die Auslösung von Ausbrüchen; vielmehr wurden
289
diese erst durch eine Freisetzung großer
Aerosolmengen ausgelöst, die man z.B. bei
Kühltürmen beobachten kann. Angesichts
der Vielzahl von Kühltürmen aber – und
das muss unbedingt berücksichtigt werden –
sind Legionellen-Ausbrüche eine Rarität [3].
Auch vergleichsweise einfache technische
Einrichtungen, die zur Entspannung und
Erholung genutzt werden, wie Whirlpools,
können zu einer Freisetzung inhalierbarer
Wassertröpfchen führen [2]. Da man sich
als Nutzer eines solchen Pools mit seinen
Atemwegen nur wenig über der Wasseroberfläche befindet und da häufig bei diesen Anlagen rezirkuliertes Wasser, d.h.
Wasser mit einer vermutlich eher hohen
Keimzahl (auch anderer Wasserbakterien), verwendet wird, hat man während des
Bades im Whirlpool genügend Gelegenheit, winzige lungengängige Wassertröpfchen zu inhalieren, die, wenn sie Legionellen enthalten, ein potenzielles Infektionsrisiko darstellen, das ohne das angenehme
Sprudeln des Wassers in einem normalen
Wannenbad nicht vorhanden wäre.
Aerogene Übertragung von
Virusinfektionen
Es gibt einige Berichte über die aerogene
Übertragung von häufigen Virusinfektionen, vor allem von sog. Kinderkrankheiten, bei denen die Übertragung der Erreger auf die – z.T. fehlerhafte – Funktion der
vorhandenen Klimaanlagen zurückgeführt
wurde (siehe Kapitel A.2 „Übertragung
von Erregern“) [z.B. 10, 11, 14, 16]. Diese
Berichte werden in vielen Publikationen
angeführt, um zu belegen, dass z.B. das Varizella-Zoster-Virus aerogen übertragen
wird. Dabei kann man aus den Berichten
an sich nur schlussfolgern, dass unter den
Bedingungen der in diesen Fällen existenten ungünstigen Strömungsbedingungen
verursacht durch die vorhandenen Klima-
290
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
anlagen die Erreger dieser Erkrankungen
aerogen übertragen werden können [z.B.
11, 16]. Der weitergehende Schluss aber,
Varizellen seien auch unter natürlichen
Bedingungen aerogen übertragbar, ist
nicht belegt.
In Kinderkliniken oder Kinderarztpraxen
wurden lange Zeit „Infektionskontrollmaßnahmen“ praktiziert, die das reale
Übertragungsrisiko via Luft bei weitem
überschätzen (z.B. Abkleben der Zimmertüren, Auslüften des Personals an der frischen Luft auf speziell zu diesem Zweck
gebauten Balkonen vor den Patientenzimmern). Unter normalen Bedingungen
kommt bei den viralen Kinderkrankheiten
die Übertragung via Kontakt wesentlich
mehr in Betracht als der prinzipiell mögliche aerogene Infektionsweg. Ist aber einmal die Möglichkeit der aerogenen Übertragung genannt, steht sie absolut im Mittelpunkt – und die Gefahr ist gegeben, dass
die beteiligten Personen sich zwar Masken
aufsetzen, aber nicht genügend Wert auf
die Händehygiene legen. Denn immer,
wenn von der Möglichkeit einer aerogenen Erregerübertragung die Rede ist, wird
diese Form der Übertragung für die gefährlichste gehalten. Dies ist wahrscheinlich nicht zutreffend; es würde vermutlich
eine umfangreiche Literaturübersicht erfordern, dies zu belegen.
Bei der Patientenversorgung im Krankenhaus muss man aber immer dann mit einem
erhöhten Risiko für eine aerogene Übertragung solcher Infektionen rechnen, wenn
man Patienten zu versorgen hat, die aufgrund einer Schwäche der körpereigenen
Abwehr schwere Infektionen, insbesondere
mit Lungenbeteiligung entwickelt haben.
Unter diesen Bedingungen werden mit Sicherheit wesentlich mehr Erreger in die
Umgebung freigesetzt als bei einer normal
verlaufenden Infektion im Kindesalter.
Bei einem der Berichte lag aber noch nicht
einmal eine so schwere lebensbedrohliche
Infektion vor, sondern es handelte sich um
ein größeres Kind, das einen sehr ausgedehnten Varizellenbefall des Körpers hatte [11]. Die abgefallenen Krusten waren
offenbar so zahlreich auf den Boden gefallen, dass die Mutter den Einsatz eines
Staubsaugers durchsetzte, obwohl es auch
in diesem Krankenhaus, wie in den meisten,
eine Regelung gab, die den Gebrauch von
Staubsaugern in Patientenbereichen nicht
zuließ. So wurde eine vergleichsweise kleine (und im Haushalt segensreiche) technische Einrichtung, wie ein Staubsauger, zusammen mit einer nicht optimal funktionierenden Klimaanlage (die Patientenzimmer standen im Überdruck zu den angrenzenden Räumen) zu einem Infektionsrisiko, insbesondere für all diejenigen, die an
jenem Nachmittag in der fraglichen Zeit
des Staubsaugereinsatzes auf dem Stationsflur waren. Aus einem solchen Geschehen den Schluss zu ziehen, Windpocken
seien aerogen übertragbar, ist eine unzulässige Simplifizierung eines komplexen
Sachverhalts.
Nicht nur bei der Übertragung von Legionellen also können Klimaanlagen dazu
führen, eine Erregerübertragung möglich
zu machen, die es sonst wohl nicht gäbe.
Wichtig ist deshalb, insbesondere wenn
Klimaanlagen vorhanden sind, sicherzustellen, dass die Strömungsverhältnisse
korrekt sind [19, 22]. Das bedeutet bei
Zimmern für Patienten mit einer potenziell aerogen übertragbaren Infektion (z.B.
offene Tuberkulose der Atemwege), dass
diese im Unterdruck zu den angrenzenden
Räumen stehen, und bei Zimmern für Patienten, die vor aerogen vorkommenden
potenziell pathogenen Erregern geschützt
werden sollen (wie immunsupprimierte
Patienten vor Aspergillen), dass diese einen Überdruck zu den angrenzenden Räu-
Umgebung des Patienten
men aufweisen. Die Druckverhältnisse
müssen regelmäßig und offenbar relativ
häufig kontrolliert werden [19]. Diese immanenten Risiken müssen also schon der
der Planung der Anlagen berücksichtigt
werden, damit ihre prinzipiellen Vorteile
nicht zum Nachteil werden.
Umgebungsuntersuchungen
Routinemäßige Untersuchungen in der
Umgebung der Patienten haben nur dort
eine Berechtigung, wo ihre Ergebnisse auf
ein konkretes Infektionsrisiko hinweisen
könnten [5]. Unter diesem Aspekt erscheinen die im Folgenden genannten Untersuchungen sinnvoll, die meist viertel- bis
halbjährlich durchgeführt werden können:
■ Überprüfung von Endoskopen
■ Sterilisatoren
■ Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (nur Geräte für Materialien, die
anschließend nicht mehr sterilisiert
werden)
■ Dialysat
■ Schwimmbadwasser
Alle anderen Untersuchungen sollten nur
gezielt bei konkreten Fragestellungen
durchgeführt werden, z.B. Ausbruch mit
A-Streptokokken. Ungezielte routinemäßige Umgebungs- und Personaluntersuchungen sind nicht sinnvoll, weil sie meist nicht
interpretierbar sind und deshalb eher Verwirrung stiften, außerdem unnötige Arbeitszeit für das Personal, das sie durchführen muss (Hygienefachkräfte, Laborpersonal), bedeuten und demzufolge mit einem
nicht zu vertretenden finanziellen Aufwand verbunden sind.
291
nen ein zumindest teilweise selbstständiges Leben zu ermöglichen. Infektionsrisiken sind damit in aller Regeln nicht verbunden [5, 9].
Blindenhunde
Blindenhunde müssen beispielsweise bei
Ambulanzbesuchen mit in das Gebäude
genommen werden, weil die blinden Patienten auf ihre Führung angewiesen sind.
Voraussetzungen dafür sind, dass die Hunde
■ gegen Tollwut geimpft sind,
■ keine Flöhe und Würmer haben und
■ bei länger erforderlichen Aufenthalten
regelmäßig ausgeführt werden können.
Hundebesuch
Besonders in Kinderabteilungen wird gelegentlich darum gebeten, dass der Hund
der Familie zu Besuch kommen kann. Im
Gegensatz zum Blindenhund ist dies eher
problematisch, weil ein Hund, der als
Haustier gehalten wird, nicht wie ein Blindenhund speziell erzogen und trainiert ist.
Wenn die oben für Blindenhunde genannten Voraussetzungen erfüllt wären, könnte
man aber zu Recht bei einem z.B. von den
Eltern überwachten Hundebesuch ein Infektionsrisiko verneinen.
Da sich die Frage nach einem Hundebesuch aber insbesondere bei lange hospitalisierten Kindern stellt, die meist auch abwehrgeschwächt sind, fällt die Entscheidung dafür oder dagegen besonders
schwer. Letztlich sollte man sich nach der
im individuellen Fall gegebenen Situation
richten und nicht schematisch entscheiden.
Tiere
Kleintiere im Käfig
Bei verschiedenen Behinderungen des
Menschen können Tiere wichtige Hilfsfunktionen übernehmen, um den Betroffe-
In kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen, in denen die Patienten teilweise
sehr lange versorgt werden müssen, taucht
292
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
manchmal die Frage auf, ob ein Kleintier,
das der Patient zu Hause in einem Käfig
hat (z.B.Vogel oder Hamster), in die Klinik
geholt werden kann. Meist geht es dabei
nicht nur darum, dass das Kind sehr an diesem Tier hängt, sondern auch darum, dass
mit der eigenverantwortlichen Versorgung
des Tieres ein therapeutisches Ziel verfolgt
wird. Ist die Überwachung einer solchen
Tierhaltung im Krankenhaus durch das
Personal der Station gesichert, gibt es dagegen aus hygienischer Sicht keine Einwände.
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294
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
8.
Raumlufttechnische Anlagen
Neben der Aufgabe der Klimatisierung
(Belüftung, Befeuchtung, Erwärmung)
von Räumen in großen Gebäuden haben
raumlufttechnische (RLT-)Anlagen, sog.
Klimaanlagen, auch Bedeutung bei der Infektionsprävention. Einerseits kann man
durch spezielle Filterung einzelnen Räumen oder Gebäudebereichen nahezu
keimfreie Luft zuführen (z.B. Operationssälen), andererseits kann man in Räumen
für Patienten mit potenziell aerogen übertragbaren Infektionen (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege) durch eine mechanische Belüftung eine Verdünnung der
Luftkeimkonzentration bewirken und
durch Unterdruckhaltung die potenziell
kontaminierte Luft dieser Räume daran
hindern, in die angrenzenden Räume überzuströmen.
Die Rolle der Luft als Erregerreservoir ist
besonders bei postoperativen Infektionen
im Operationsgebiet seit langer Zeit Gegenstand von Diskussionen. In der infektiologischen und krankenhaushygienischen Fachliteratur wird die Luft zwar
konstant als Übertragungsweg für postoperative Infektionen genannt, letztlich
bleibt aber unklar, bei welchen Operationen sie, wenn überhaupt, tatsächlich relevant ist. Trotz allem scheint für medizinisches Personal meist kein Zweifel daran zu
bestehen, dass Luftkeime für die Entstehung von postoperativen Infektionen große Bedeutung haben.
Im allgemeinen Bewusstsein von Ärzten
und Pflegepersonal – und deshalb auch
von Krankenhausarchitekten und Ingenieuren – kommt der Luft im Operations-
saal und sogar in der gesamten Operationsabteilung aus hygienischer Sicht ein
hoher Stellenwert zu, und damit scheinen
RLT-Anlagen unverzichtbarer Bestandteil
einer adäquaten Patientenversorgung in
der Operationsabteilung zu sein. Aber
nicht nur dort, sondern auch in anderen
Krankenhausbereichen wird die Luft als
Übertragungsmedium für Erreger nosokomialer Infektionen in Betracht gezogen.
Dies ist aber nur teilweise zutreffend (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“).
Im Folgenden sollen die hygienischen Aspekte von RLT-Anlagen in verschiedenen
Krankenhausbereichen behandelt werden, ohne aber näher auf technische Aspekte einzugehen. Das RLT-AnlagenKonzept in Krankenhäusern ist in
Deutschland geprägt von der DIN 1946/4,
in der aus hygienischen Gründen für diverse Krankenhausbereiche eine aufwändige
Klimatisierung gefordert wurde, ohne dass
es Belege für deren Notwendigkeit gibt [5].
Diese DIN-Norm wurde – unzutreffenderweise – häufig wie eine gesetzliche Vorschrift betrachtet mit der Folge, dass Abweichungen von der Norm aus Angst vor
juristischen Konsequenzen vermieden
wurden.
Das Konzept der DIN 1946/4 stand jedoch
nie auf einer rationalen Basis; vielmehr
hat sich darin offenbar der damalige Zeitgeist unreflektiert niedergeschlagen. Heute ist man jedoch in hohem Maße dem
Prinzip der „Evidence-based Medicine“
verpflichtet. Deshalb müssen auch die
RLT-Anlagen-Konzepte an diese Entwick-
Raumlufttechnische Anlagen
lung angepasst werden. Dies wurde von einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)
zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und
Präventivmedizin (ÖGHMP) und der
Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene (SGSH) umgesetzt. Ziel war, dass
das von diesen drei Fachgesellschaften erarbeitete RLT-Anlagen-Papier in Zukunft
bei Planung und Bau von RLT-Anlagen als
Alternative zur bzw. als Ersatz der DIN
1946/4 zugrunde gelegt werden soll
(www.dgkh.de). In diesem Kapitel sollen
die Inhalte dieses Papiers, die den Aspekt
der Infektionsprävention betreffen, kurz
zusammengefasst werden.
Prinzip von RLT-Anlagen
Luftfilterung
295
die Luft schließlich einen weiteren Filter
passieren, dessen Material so dicht ist, dass
auch kleinste Partikel in der Größe von
Bakterien oder Pilzsporen zurückgehalten
werden. Da diese Partikel wegen der geringen Größe und des kaum vorhandenen
Gewichts frei in der Luft schweben, nennt
man die Filter Schwebstofffilter (HEPA =
High Efficiency Particulate Air). Damit
die Luft nach Passage eines solchen Filters
nicht auf der weiteren Strecke bis zum Erreichen des Raumes rekontaminiert werden kann, werden Schwebstofffilter, unmittelbar bevor die Luft in den Raum einströmt, also am Ende des luftführenden
Kanalsystems, angebracht, und man
spricht deshalb von endständigen Schwebstofffiltern. Weil insgesamt drei Filter vorhanden sind, nennt man diese Art der Filterung auch dreistufig.
Mit RLT-Anlagen können Gebäude vollständig oder teilweise künstlich belüftet
werden. Diese von Fachingenieuren geplanten Anlagen lassen sich grob folgendermaßen beschreiben: Möglichst saubere
Außenluft (d.h. nicht direkt über dem Boden oder über begrünten Dächern) wird
angesaugt und zunächst durch einen Grobfilter geführt, um z.B. Blätter und Insekten
abzuscheiden. Danach passiert die Luft einen Feinfilter mit großer Oberfläche (sog.
Taschenfilter), um auf diese Weise auch
sehr kleine Partikel zu entfernen. Nach
Passage dieses Filters ist die Luft bereits
sehr sauber und kann in dieser Form über
spezielle Kanalsysteme allen Räumen zugeführt werden, für die aus Gründen der
Infektionsprävention keine besonderen
Anforderungen bestehen (Typ „Büroklimaanlage“). Man bezeichnet dies auch als
zweistufige Filterung.
Unabhängig vom Grad der Luftreinheit
kann die Luft auf unterschiedliche Weise in
den Raum strömen, und zwar insbesondere
entweder als turbulente Mischströmung
oder als laminare Verdrängungsströmung,
um nur die beiden in Krankenhäusern üblichsten Strömungsformen zu nennen. Im
einen Fall vermischt sich die durch die
RLT-Anlage zugeführte Luft nach Eintritt
in den Raum nahezu ungehindert mit der
dort vorhandenen Luft, wodurch neben der
Frischluftzufuhr auch eine ständige Verdünnung der Luftkeimkonzentration erreicht wird, weil die einströmende Luft, ob
zwei- oder dreistufig gefiltert, immer sauberer ist als die Luft in Räumen, die durch
die Anwesenheit von Menschen natürlicherweise kontaminiert wird (siehe Kapitel
A.2 „Übertragung von Erregern“).
Für Räume, die nicht nur mit sauberer
Luft, sondern auch mit einer nahezu keimfreien Luft versorgt werden sollen, muss
Im anderen Fall erreicht man durch eine
spezielle Konstruktion am Lufteinlass in
den Raum, dass die Luft zwangsläufig z.B.
Luftströmung
296
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
senkrecht nach unten strömt. Dazu benutzt man meist ein großes Areal im Zentrum der Decken, das seitlich durch herunterhängende sog. Schürzen von der Peripherie des Raumes abgegrenzt wird. Dadurch kann man eine mehr oder weniger
stabile sog. laminare Strömung erzielen,
die in diesem Bereich die dort vorhandene
Luft verdrängt und durch eine neue Luftschicht ersetzt: deshalb nennt man dieses
Prinzip laminare Verdrängungsströmung.
Auf diese Weise kann man bei hoher Strömungsgeschwindigkeit der Luft sogar ohne dreistufige Filterung in diesem geschützten Bereich eine Zone mit sehr sauberer Luft schaffen (Prinzip des LaminarAir-Flow = LAF).
schen der DIN 1946/4 und dem neuen
Konzept von DGKH, ÖGHMP und SGSH
darin, dass in Operationsabteilungen nur im
Zentrum der Operationssäle im Bereich
von Operations- und Instrumententisch eine Zone höchster Luftreinheit geschaffen
wird, der Rest der Abteilung wird mit einer
modernen sog. Büroklimaanlage versorgt.
Auch im übrigen Krankenhaus werden
darüber hinaus nicht mehr pauschal Bereiche mit hohen und niedrigen Anforderungen an die Luftreinheit unterschieden.
Vielmehr kann jedes Krankenhaus entsprechend seiner Bedürfnisse festlegen, ob
bei der Konzeption von Klimaanlagen ggf.
auch der Aspekt des Infektionsschutzes zu
berücksichtigen ist (siehe unten).
Voraussetzungen für einwandfreie
Funktion von RLT-Anlagen
RLT-Anlagen in der Operationsabteilung
Eine RLT-Anlage kann – unabhängig vom
Konzept (d.h. zwei- oder dreistufig, turbulente Misch- oder laminare Verdrängungsströmung) – optimal geplant, ausgestattet
und erstellt worden sein; werden die Räume nicht adäquat von den dort arbeitenden Personen genutzt, können RLT-Anlagen ihre Funktion nicht erfüllen. Dies ist
nur möglich, wenn die Fenster geschlossen
bleiben und die Türen nicht unnötig offen
stehen bzw. zu oft geöffnet werden. In Bereichen, die aus Gründen des Infektionsschutzes mit möglichst keimarmer Luft
versorgt werden sollen, wie insbesondere
in Operationssälen, sollen darüber hinaus
aber auch nur so wenige Personen wie
möglich anwesend sein. Denn die Luftkeimzahl wird maßgeblich durch Anzahl
und körperliche Aktivität der Menschen,
die sich in einem Raum aufhalten, bestimmt (siehe Kapitel B.4 „Postoperative
Infektionen im Operationsgebiet“).
Unter dem Aspekt der Infektionsprävention liegt der wesentliche Unterschied zwi-
Wegen der besonderen Bedeutung, die
RLT-Anlagen für den Bereich von Operationsabteilungen zugemessen werden, wird
dieser Bereich im Folgenden vorrangig dargestellt (siehe Kapitel A.2 „Übertragung
von Erregern“, Kapitel B.4 „Postoperative
Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“).
Damit eine Erregerübertragung bei einer
Operation auf aerogenem Wege zustande
kommen kann, muss sich der Erreger in
Form schwebender Partikel (= Aerosol)
mit dem Luftstrom vom Erregerreservoir
entfernen können und Gelegenheit haben,
im Bereich des Operationssitus bzw. auf
die Instrumente zu sedimentieren. Im
Operationssaal können bei einwandfrei
arbeitender RLT-Anlage potenziell pathogene Keime nur auf zwei Wegen in die Luft
gelangen: als Tröpfchenkerne aus dem
Nasen-Rachen-Raum und als bakterientragende Hautschuppen von der Körperhaut des Personals [7, 13, 17].
Prinzipiell kommt auch der Patient selbst
als Streuquelle in Betracht; jedoch ist dies
Raumlufttechnische Anlagen
weniger wahrscheinlich, weil er intraoperativ unbeweglich auf dem Operationstisch liegt und mit Tüchern nahezu vollständig abgedeckt ist. Eine Freisetzung
von Hautschuppen in die Luft ist dadurch
herabgesetzt. Erhält er eine Regionalanästhesie, wird er zwar einige Worte mit dem
Anästhesieteam wechseln können, aber –
im Gegensatz zum Operationsteam – entsteht dabei aus seinem respiratorischen
Sekret mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
nur eine minimale Zahl von Tröpfchenkernen, die wegen der geringen Anzahl den
Operationssitus vermutlich nicht erreichen können. Zu dieser Frage aber gibt es
keine Untersuchungen, weshalb die Aussage notgedrungen vage ist.
Dagegen ist das Personal körperlich aktiv,
spricht nicht selten viel, ist meist recht
zahlreich vorhanden, und das Operationsteam steht noch dazu direkt neben bzw.
beugt sich über den offen liegenden Operationssitus; deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass von einer dieser Personen
Bakterien in die Luft abgegeben werden,
unvergleichlich höher. Jeder Mensch setzt
täglich eine Vielzahl von Hautschuppen
frei [14]. Neben der normalen Hautflora
mit in aller Regel wenig virulenten Keimen kommen bei manchen Personen auch
auf intakter Haut potenziell pathogene
Keime, wie S. aureus und A-Streptokokken, vor; bei chronischen Hautveränderungen, z.B. Ekzemen, ist eine pathologische Besiedlung häufiger [3].
Es gibt zahlreiche Berichte über Ausbrüche postoperativer Infektionen im Operationsgebiet, die in epidemiologischem und
mikrobiologischem Zusammenhang mit
Trägern und Dispersern potenziell pathogener Keime stehen und in deren Mehrzahl die Entstehung der Infektionen allein
durch aerogene Übertragung während der
Operation plausibel erklärt werden konn-
297
te; die meisten dieser Berichte behandeln
A-Streptokokken-Infektionen [z.B. 1, 4, 6,
8, 11, 12, 15, 16]. Überwiegend handelte es
sich um anal und/oder vaginal besiedelte
Träger; sehr viel seltener wurden nasal
bzw. pharyngeal oder an der Haut besiedelte Personen als Quelle für die postoperativen Infektionen eruiert. Häufiger als
Mitglieder des unmittelbaren Operationsteams waren andere Mitarbeiter (Anästhesist, Springer) die Träger der Ausbruchsstämme, einmal auch eine Person,
die nie während der Operation im Operationssaal anwesend war, sondern nur während der Vorbereitungen für die Operation
[2, 10, 11].
In den meisten Fällen waren die Träger lediglich asymptomatisch besiedelt. Erst der
epidemiologische Zusammenhang zwischen den infizierten Patienten und bestimmten Mitgliedern des medizinischen
Personals und/oder bakteriologische Untersuchungen durch Abstriche der typischen Körperzonen sowie durch Umgebungsuntersuchungen, z.B. mit Hilfe von
Sedimentationsplatten, brachten die entscheidenden Hinweise auf die Personen,
die schließlich als Streuquelle identifiziert
werden konnten.
Da Kontaktübertragungen als Ursache für
die Ausbrüche in allen Berichten für unwahrscheinlich gehalten wurden bzw. sogar durch die involvierten Träger ohne
Kontakt zum Operationssitus ausgeschlossen werden konnten, kommt für diese Fälle der aerogenen Erregerübertragung vor
allem via abgeschilferte und bakterientragende Hautschuppen große Bedeutung zu.
Bei konventioneller Belüftung der Operationssäle können infolge der turbulenten
Mischströmung sogar die von Personen in
der Peripherie des Operationssaales abgegebenen Bakterien in die Wunde gelangen,
und dies um so eher, je länger die Operati-
298
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
on dauert, d.h. je länger die Wunde exponiert ist. Diese zwar insgesamt sehr seltenen Ereignisse konnten also offenbar weder durch die etablierten aseptischen Maßnahmen noch durch die in den meisten
Operationssälen installierten sog. konventionellen RLT-Anlagen (d.h. Anlagen mit
turbulenter Mischströmung) verhindert
werden.
Nach Auswertung der Fachliteratur der
letzten 40 Jahre konnte die Arbeitsgruppe
der drei deutschsprachigen Fachgesellschaften die folgenden Schlussfolgerungen
ziehen:
■ Es gibt keine Daten aus klinischen oder
mikrobiologischen Studien, mit denen
die Luft als relevantes Erregerreservoir
für endemische postoperative Infektionen im Operationsgebiet ohne Implantation großer Fremdkörper (wie also
z.B. Gelenke) belegt werden könnte.
■ Es gibt hinreichende, wenn auch nicht
beweisende Daten dafür, dass die Luft
bei Operationen mit Implantation großer Fremdkörper als Erregerreservoir
für endemische postoperative Infektionen im Operationsgebiet von Bedeutung ist. Wie groß die Bedeutung der
Luft bei diesen Eingriffen im Vergleich
zu endogenen Erregerreservoiren ist,
kann aus den vorhandenen Studienergebnissen nicht abgeleitet werden.
■ Es gibt überzeugende Daten dafür,
dass eine Kontamination der Luft im
unmittelbaren Bereich von Operations- und Instrumententisch eine direkte oder indirekte Kontamination des
Operationsfeldes zur Folge hat.
■ Es gibt eine Vielzahl dringender Hinweise dafür, dass die Luft bei der Erregerübertragung während der Operation im Zusammenhang mit epidemischen postoperativen Infektionen im
Operationsgebiet von großer Bedeu-
tung sein kann; es handelt sich dabei allerdings um seltene Ereignisse.
■ Es gibt weder aus klinischen noch aus
mikrobiologischen Studien einen einzigen Hinweis darauf, dass die Luft in
den an den Operationssaal angrenzenden oder sogar in den entfernter liegenden Räumen der Operationsabteilung
einen Einfluss auf das postoperative
Wundinfektionsrisiko hat, mit anderen
Worten: wenn die Luft für die Entstehung von postoperativen Infektionen
im Operationsgebiet – unabhängig davon, ob endemisch oder epidemisch –
eine Rolle spielt, dann handelt es sich
lediglich um die Luft im Operationssaal selbst während der Operation.
Aus diesen Schlussfolgerungen können die
medizinisch-hygienischen Anforderungen
an RLT-Anlagen in Operationsabteilungen abgeleitet werden:
1. RLT-Anlagen müssen den Bereich von
Operations- und Instrumententisch mit
keimarmer Luft versorgen.
2. Das Prinzip der Luftströmung muss eine stabile turbulenzarme Verdrängungsströmung sein über eine Fläche,
die groß genug ist, um den Schutzbereich von Operations- und Instrumententisch vor einer Vermischung mit der
angrenzenden Raumluft zu schützen.
3. Dieser zentrale Schutzbereich muss bei
den üblichen unvermeidbaren Personalbewegungen in der Peripherie des
Operationssaales, inkl. gelegentliches
Öffnen und Schließen der Türen, stabil
bleiben.
4. Alle anderen Räume der Operationsabteilung außer den Operationssälen
können mit den heute in Bürogebäuden üblichen RLT-Anlagen ausgestattet werden, wenn sie mechanisch klimatisiert werden sollen, das bedeutet, dass
insbesondere Schwebstofffilter außer-
Raumlufttechnische Anlagen
halb der Operationssäle nicht erforderlich sind.
Die Realisierung dieser Vorgaben bei der
Konzeption von RLT-Anlagen in Operationsabteilungen bedeutet einerseits die
Schaffung eines optimalen Schutzbereichs
für den Patienten bestehend aus einem
großen quasi LAF-Bereich, der nicht nur
das Operationsfeld, sondern den gesamten
Operations- sowie den Instrumententisch
einbezieht, wodurch direkte oder indirekte aerogene Wundkontaminationen ausgeschlossen werden können; dies gilt auch für
den Fall, dass sich unter dem Operationspersonal ein Disperser eines potenziell pathogenen virulenten Stammes befindet.
Andererseits führt eine solche RLT-Anlagen-Konzeption zu beträchtlichen finanziellen Einsparungen beim Bau und Betrieb
der Anlagen, weil die Dimension der gesamten RLT-Anlage, der für die Beförderung der Luft erforderlichen Ventilatoren
sowie der luftführenden Kanäle, wesentlich reduziert werden kann. Diese Einsparungen gelten explizit auch angesichts der
per se relativ kostenintensiven Installation
eines LAF in den Operationssälen. Ein
Kostenvergleich zwischen einer konventionellen RLT-Anlage nach DIN 1946/4
und dem neuen RLT-Anlagen-Konzept
hat bereits gezeigt, dass die großen LAFSchutzbereiche ohne Mehrkosten zu realisieren sind, selbst wenn man dabei nur die
Investitionen für den Bereich der Operationssäle betrachtet [9]. Das bedeutet natürlich, dass der Verzicht auf das Konzept der
DIN 1946/4 bezogen auf die vollständige
Operationsabteilung zu beträchtlichen
Einsparungen führen wird.
Ein wesentlicher Vorteil der neuen Konzeption für die klinische Praxis ist die
Gleichstellung der verschiedenen operativen Fächer hinsichtlich der hygienischen
Anforderungen beim Operieren: Jede
299
Operation kann in jedem Operationssaal
durchgeführt werden, weil alle Säle raumlufttechnisch identisch ausgestattet sind,
und kein Fachgebiet braucht höhere hygienische Anforderungen zu beanspruchen,
weil in jedem Saal die höchsten Anforderungen realisiert sind. Dies ist auch in Hinsicht auf eine fachübergreifende Nutzung
der Operationssäle von großer praktischer
Bedeutung.
Das neue RLT-Anlagen-Konzept erleichtert darüber hinaus die Mitarbeiterschulung, weil man sich nur noch auf den Operationssaal konzentrieren muss. Dabei behält allerdings weiterhin der Aspekt eines
angemessenen Personalverhaltens während der Operation eine hohe Bedeutung,
weil natürlich auch eine stabile turbulenzarme vertikale Verdrängungsströmung
durch ungünstiges Personalverhalten gestört und damit in ihrer prinzipiellen Effektivität reduziert werden kann.
RLT-Anlagen in anderen
Krankenhausbereichen
Hämatologisch-onkologische Patienten
Wegen der Gefährdung schwer abwehrgeschwächter Patienten durch die natürlicherweise in der Luft vorhandenen Aspergillen sollen diese Patienten in der Phase
der ausgeprägten Granulozytopenie in
Räumen mit keimarmer Luft versorgt werden (siehe Kapitel A.5 „Aspergillose“). Erforderlich ist deshalb eine RLT-Anlage mit
schwebstoffgefilterter Luft. Zusätzlich muss
ein statischer Schutzdruck gegenüber den
angrenzenden Räumen aufrecht erhalten
werden, damit nicht beim Öffnen der Türen
„normale“ Luft in das Zimmer strömen
kann. Ein nicht von der RLT-Anlage belüfteter (kleiner) Vorraum wirkt als Überströmschleuse (sog. passive Schleuse, d.h.
Vorraum, der nicht raumlufttechnisch versorgt wird) und unterstützt dieses Konzept.
300
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Intensivmedizin
Patienten auf Intensivpflegestationen (internistische, anästhesiologisch-chirurgische Stationen) sind nicht durch die normalerweise in der Luft vorhandenen Keime gefährdet. Wenn für diese Stationen eine mechanische Belüftung benötigt wird,
müssen keine Schwebstofffilter installiert
werden, sondern es kann eine normale Filterung der zugeführten Luft wie für Büroräume verwendet werden. Bei der Planung
solcher Bereiche muss allerdings entschieden werden, ob zusätzlich Räume für Patienten mit potenziell aerogen übertragbaren Infektionen (z.B. offene Tuberkulose
der Atemwege) vorhanden sein sollen und
demzufolge eine RLT-Anlage zur Verdünnung der Luftkeimkonzentration und/oder
zur statischen Unterdruckhaltung mit sog.
aktiver Schleuse (d.h. Vorraum, der wie
das Patientenzimmer raumlufttechnisch
versorgt wird) notwendig werden sollte
(siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“).
Infektionsstationen
Für die Versorgung von Patienten mit Infektionen gibt es aus der Sicht der Infektionsprävention in den meisten Fällen keine
Notwendigkeit für eine RLT-Anlage. Dies
gilt für Patienten mit z.B. Salmonellosen
oder Hepatitis. Sollen auch Patienten mit
potenziell aerogen übertragbaren Infektionen dort versorgt werden (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege, Varizellen-Pneumonie), muss bei der Planung entschieden
werden, ob eine RLT-Anlage zur Verdünnung der Luftkeimkonzentration und zur
statischen Unterdruckhaltung (ggf. mit aktiver Schleuse) installiert werden soll.
Zwingend erforderlich ist dies jedoch nicht.
Andere Bereiche des Krankenhauses
Alle anderen Krankenhausbereiche (Normalstationen, Ambulanzen, Endoskopie,
ZSVA, Laboratorien) können, falls RLTAnlagen erforderlich sein sollten, mit Anlagen versorgt werden, die klimaphysiologischen Ansprüchen genügen müssen, aber
keine Aufgaben bei der Infektionsprävention zu erfüllen haben.
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302
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
9. Isolierung bei Infektion und Kolonisation
– Maßnahmen in Abhängigkeit vom
Übertragungsweg
Prinzip der Isolierung
Isolierung und Distanzierung
Isolierungsmaßnahmen haben zum Ziel,
eine Erregerübertragung von infizierten
bzw. kolonisierten Patienten auf andere
Patienten oder auf Personal zu verhüten
[3–7, 10–12, 14, 16]. Somit ist unter Isolierung jede Maßnahme zu verstehen, mit der
Übertragungswege unterbrochen werden
können [10]. Beispielsweise „isoliert“ ein
Verband, der eine infizierte Operationswunde vollständig abdeckt und das Wundsekret ausreichend aufnehmen kann, den
Infektionsherd, der somit durch den Verband von der Umgebung abgegrenzt wird.
Auch das Tragen von Einmal-Handschuhen zum Schutz vor Kontakt mit Blut oder
Körperflüssigkeiten ist in diesem Sinne eine Isolierungsmaßnahme; dasselbe gilt für
Masken bei nahem Kontakt mit einem Patienten, der z.B. eine noch nicht 24 Stunden
behandelte Meningokokken-Meningitis
hat, als Schutz vor Kontakt mit respiratorischen Tröpfchen. Neben diesen lokalen
Barrieremaßnahmen kommen auch Maßnahmen zur Anwendung, bei denen eine
regelrechte räumliche Distanz zwischen
Patienten mit Infektion und den umgebenden Personen geschaffen wird.
Isolierung vs Einzelzimmer
Isolierung im weiteren Sinne ist also jede
Maßnahme, die eine Erregerübertragung
verhindert; im engeren Sinne bedeutet Isolierung die Unterbringung eines Patienten
in einem Einzelzimmer [10]. Gerade die
Einzelzimmerunterbringung aber wird in
der klinischen Praxis mit Isolierung gleich
gesetzt, obwohl diese einschneidende
Maßnahme nur vergleichsweise selten notwendig ist.
Dabei gerät manchmal in den Hintergrund, dass auch die Versorgung eines Patienten in einem Einzelzimmer nur dann
eine Erregerübertragung verhindern kann,
wenn die Standard-Hygienemaßnahmen
ausreichend beachtet werden. Dafür ist
u.a. erforderlich, dass genügend Personal
zur Verfügung steht, damit ein solcher Patient de facto isoliert von den anderen versorgt werden kann. Denn die räumliche
Trennung ist nur die eine Seite; eine indirekte Verbindung zu den anderen Patienten bleibt über das Personal in aller Regel
bestehen.
Gerade auf Intensivstationen wird der
Einzelunterbringung von Patienten mit
Nachweis resistenter Erreger meist eine
große Bedeutung zugeschrieben. Dass aber
noch nicht einmal in diesen Bereichen die
Standard-Maßnahmen – allen voran die
Händehygiene – ausreichend beachtet
werden, wenn sogar optimal ausgestattete
Einzelboxen vorhanden sind, zeigen schon
lange bekannte Untersuchungen [15]. Deshalb muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass für eine gute hygienische
Patientenversorgung bauliche Konzepte
höchstens unterstützend wirken können,
dass aber die Bedeutung der patientennahen Maßnahmen der Standard-Hygiene
auch bei guten baulichen Verhältnissen
dem Personal gegenüber immer wieder
betont werden müssen und nicht etwa
durch die baulichen Gegebenheiten gera-
Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg
dezu induziert werden (siehe auch Kapitel
B.7 „Umgebung des Patienten“).
Kohorten-Isolierung
Stehen nicht genügend Einzelzimmer zur
Verfügung – wie häufig in Krankenhäusern aller Größenklassen – gilt die Zusammenfassung von Patienten, die mit gleichen Erregern infiziert oder kolonisiert
sind, zu sog. Kohorten als eine Möglichkeit, eine räumliche Abgrenzung von den
anderen zu erreichen [6]. Dies wird z.B. bei
hoher endemischer Rate von MRSA praktiziert.
Dabei muss jedoch berücksichtigt werden,
dass innerhalb dieses Patientenzimmers
die Regeln der Standard-Hygiene ebenso
beachtet werden müssen wie auch sonst
bei der Patientenversorgung. Manchmal
wird bei der Kohorten-Isolierung nämlich
übersehen, dass bei allen Patienten zwar
ein bestimmter Erreger nachgewiesen ist
(z.B. MRSA), dass aber die einzelnen Isolate genetisch unterschiedlich sein können,
sodass Übertragungen innerhalb der Kohorte natürlich ebenfalls möglich sind.
303
nicht über das Maß des Notwendigen hinausgehen, um eine – bei realistischer Betrachtung mögliche – Erregerübertragung
zu verhindern.
An diesem Augenmaß fehlt es aber häufig,
wenn es um multiresistente Erreger geht
(siehe Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird insbesondere im Umgang mit
MRSA nicht ausreichend beachtet. Das
bedeutet nicht etwa, dass man bei Nachweis von MRSA untätig bleiben soll. Die
Maßnahmen sollen aber auf ihre Effektivität geprüft und belegt oder, wenn entsprechende Daten fehlen, rational begründet
sein, damit sie allen Beteiligten vermittelt
werden können, um bei ihnen die erforderliche Motivation zu erzeugen, die Empfehlungen anzunehmen und auch tatsächlich
umzusetzen.
Es ist vor diesem Hintergrund gelegentlich
verblüffend zu beobachten, wie dieselben
Personen, die für einzelne Patienten mit
MRSA-Nachweis ein Einzelzimmer für
absolut unverzichtbar halten, für ebensolche Patienten in größerer Zahl ohne Zögern eine Kohorten-Isolierung empfehlen.
Mit sog. „strengen“ Isolierungsmaßnahmen überzeugt man niemanden, wenn sie
nicht eine nachvollziehbare Wirkung haben; man büßt aber unter Umständen an
Glaubwürdigkeit ein. Somit können unsubstantiierte Isolierungsmaßnahmen ausgesprochen kontraproduktiv sein und auf lange Sicht zu einer vermeidbaren Trübung
der Beziehung zwischen „der Hygiene“ einerseits sowie Ärzten und Pflegepersonal
andererseits führen, nicht zuletzt aber fördern sie die Entwicklung depressiver Reaktionen und irrationaler Ängste bei Personal, Patienten und Angehörigen [10].
Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel
Erkannte vs. unerkannte Erreger
Grundsatz muss sein, den Erreger zu isolieren und nicht den Patienten. Demzufolge
soll das Ausmaß der eingesetzten Maßnahmen in einem ausgewogenen Verhältnis zu
dem Risiko für die Umgebung (Mit-Patienten, Personal, Besucher) stehen, das mit
dem Nachweis des Erregers deutlich geworden ist: Die Schutzmaßnahmen dürfen
Die Diagnose einer Infektion oder der
mikrobiologische Nachweis eines Erregers
stellen darüber hinaus häufig nur die Spitze eines Eisberges dar, denn eine unbekannte Anzahl von Patienten ist unerkannt infiziert (z.B. Hepatitis B/C) oder
beherbergt in der körpereigenen Flora
unerkannt multiresistente Keime (z.B.
304
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
MRSA in der Nase oder resistente Enterobakterien in der Darmflora). Schon aus
diesem Grund hat die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen im Umgang mit
jedem Patienten zentrale Bedeutung [2]
(siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“).
Isolierung = Distanzierung
Das klassische Prinzip der Isolierung mit
absoluter räumlicher Trennung des Patienten – häufig kombiniert mit einer (fraglich
effektiven) umfassenden Schutzkleidung
des Personals bei Betreten des Isolierzimmers [1] – steht der früher praktizierten
Quarantäne nahe, die nicht sehr erfolgreich
war. Da es nur wenige Infektionen gibt, die
aerogen übertragbar sind, ist ein Einzelzimmer an sich nur selten erforderlich.
Im Einzelfall eines infizierten oder kolonisierten Patienten geht es jedenfalls darum,
die tatsächlich erforderlichen Maßnahmen
rechtzeitig einzuleiten. Überisolierung
muss vermieden werden, nicht nur aus
Rücksicht auf die Patienten [8]; Isolierungsmaßnahmen sind auch für das medizinische Personal nicht selten psychisch
belastend, weil dadurch der Erreger für gefährlich gehalten wird. Dies trifft jedoch in
aller Regel bei den im Krankenhaus vorkommenden Erregern nicht zu, auch wenn
sie multiresistent sind. Hier ist es dringend
erforderlich, das Koordinatensystem zurechtzurücken und eine rationale Betrachtungsweise zu fördern, damit die Patientenversorgung nicht darunter leidet: aus
Angst traut sich nämlich das Personal zu
isolierten Patienten manchmal kaum in
das Zimmer.
Es sollen nur die Maßnahmen eingeleitet
werden, die geeignet sind, die in Frage
kommenden Übertragungswege wirksam
zu unterbrechen; dann können sie dem Personal – und ggf. dem Patienten – gegenüber
auch mit Nachdruck gefordert werden. In-
sofern sollte Isolierung die im individuellen
Fall erforderliche Distanz zwischen dem
betroffenen Patienten und seiner Umgebung schaffen. Manchmal ist dazu die Unterbringung in einem Einzelzimmer notwendig; häufig ist aber die physische Distanzierung des Patienten nicht erforderlich. Die nötige Distanz kann vielmehr indirekt mit den Mitteln der Standard-Hygiene erreicht werden; dies ist wegen des
Mangels an Einzelzimmern schon unter
praktischen Gesichtspunkten unumgänglich und muss deshalb auch in Richtlinien,
Leitlinien und/oder Empfehlungen entsprechend berücksichtigt werden [10].
Protektive Isolierung
Sollen in den meisten Fällen beim Einsatz
von Isolierungsmaßnahmen Erregerübertragungen ausgehend von einem Infektionsherd oder einer Kolonisation verhindert werden (= Isolierung der Erregerquelle), kommt es bei sehr abwehrgeschwächten Patienten darauf an, sie vor
Kontakt mit potenziell pathogenen Erregern zu schützen (= Schutzisolierung, früher „Umkehrisolierung“). Wie verschiedentlich gezeigt werden konnte, kommt es
bei der protektiven Isolierung ebenfalls in
erster Linie darauf an, dass das Personal im
Umgang mit den gefährdeten Patienten
die Standard-Hygieneregeln beachtet [5, 9,
13]. Für neutropenische Patienten oder Patienten unter immunsuppressiver Therapie
z.B. nach Organtransplantation werden
darüber hinaus weitere Maßnahmen empfohlen (siehe dazu Kapitel B.5 „Aspergillose“ und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“).
Maßnahmen zur Unterbrechung der
Übertragungswege
Im Folgenden sind die Maßnahmen zusammengestellt, die bei den verschiedenen
Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg
möglichen Übertragungswegen von Erregern – direkter und indirekter Kontakt, respiratorische Tröpfchen, und aerogen – berücksichtigt werden müssen [6]. Was man
heute unter Isolierung versteht, ist die
sinnvolle Kombination einzelner Hygienemaßnahmen orientiert am Übertragungsweg des Erregers (siehe Kapitel A.2
„Übertragung von Erregern“).
Standard-Hygiene
Die Maßnahmen der Standard-Hygiene –
Händewaschen/Händedesinfektion, Gebrauch von Einmal-Handschuhen und
Schutzkleidung sowie Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Gegenständen und Flächen – stellen die Basis dar für
die Prävention von Erregerübertragungen
bei der Patientenversorgung und für den
Personalschutz – unabhängig davon, ob bei
den Patienten eine Infektion bzw. Kolonisation bekannt ist.
Diese Maßnahmen sollen den Schutz vor
einem potenziellen Erregerkontakt im
Umgang mit Blut, Körperflüssigkeiten
(außer Schweiß), nicht intakter Haut und
Schleimhäuten gewährleisten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Ihre konsequente Einhaltung bei jedem Patienten ist
auch deshalb sehr wichtig, weil man immer
mit unerkannten „Trägern“ potenziell pathogener oder multiresistenter Erreger
rechnen muss. Sie zielen also darauf ab, das
Übertragungsrisiko sowohl Blut-assoziierter als auch typischer nosokomialer Erreger – ob bekannt oder unbekannt – zu reduzieren.
305
sorgung von Patienten, bei denen Erreger
nachgewiesen sind, die durch direkten
oder indirekten Kontakt übertragen werden (z.B. Infektionen bzw. Kolonisationen
mit typischen nosokomialen Erregern, wie
Staphylococcus aureus, ferner so unterschiedliche Erkrankungen wie die Clostridium difficile-assoziierte Diarrhoe, Impetigo, Wund-Diphtherie, Scabies, Zoster und
andere; siehe Kapitel A.2 „Übertragung
von Erregern“ und Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“).
Einzelzimmer
In besonderen Fällen werden die Standard-Maßnahmen durch Unterbringung
des Patienten in einem Einzelzimmer erweitert, um den Kontakt zwischen einem
infizierten oder auch nur kolonisierten Patienten und seiner Umgebung so sicher wie
möglich zu verhindern (siehe oben und
Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“).
Die Notwendigkeit dazu muss im Einzelfall entschieden werden.
Maßnahmen gegen Übertragung durch
(direkten oder indirekten) Kontakt
Die räumliche Trennung infizierter bzw.
kolonisierter Patienten von den anderen
Patienten soll in erster Linie das Personal
immer wieder an die Besonderheit der
speziellen Situation und damit an die Notwendigkeit erinnern, die Standard-Maßnahmen unter allen Umständen einzuhalten [12]. Das Einzelzimmer hat in dieser Situation nicht an sich eine präventive Funktion wie bei aerogen übertragbaren Erregern (siehe unten), sondern dient dazu, auf
das Verhalten des Personals Einfluss zu
nehmen (und soll natürlich bei mobilen
Patienten auch bewirken, dass sie nicht unkontrollierbaren Kontakt mit anderen Patienten haben).
Standard-Hygienemaßnahmen
Umgebungskontamination
Die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen ist entscheidend bei der Ver-
Ob die Kontamination des Patientenumfeldes, die ebenfalls als Argument für die
306
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Unterbringung infizierter bzw. kolonisierter Patienten in einem Einzelzimmer angeführt wird, nicht nur von theoretischer,
sondern tatsächlich auch von praktischer
Bedeutung ist, ist ungeklärt und wird auch
in Frage gestellt (siehe Kapitel B.6 „Umgebung des Patienten“): Händehygiene vor
Patientenkontakten, bei denen eine Erregerübertragung zu einer Kolonisation oder
Infektion führen kann (z.B. Manipulationen an Venenkatheter, Tracheostoma oder
Blasenkatheter), gilt unbestritten als absolut notwendige Maßnahme.
Es stellt sich nämlich die Frage, welche Rolle – bei sauberen und trockenen Oberflächen – einer nur mikroskopisch nachweisbaren – also makroskopisch nicht sichtbaren – Umgebungskontamination zukommen kann, wenn das Personal die Regeln
der Händehygiene vor Patientenkontakt
einhält. Darüber hinaus ist das Ausmaß der
Umgebungskontamination – und das bedeutet auch: die Keimzahl – begrenzt.
Bei üblicher Sauberkeit im Krankenhaus
ist also nicht damit zu rechnen, dass die
Hände des Personals bei den unvermeidlichen Kontakten mit Flächen und Gegenständen in der Umgebung des Patienten so
stark kontaminiert werden, dass Händedesinfektion allein nicht ausreichen würde,
die Keime sicher zu eliminieren.
Für eine aerogene Übertragung – auch von
S. aureus – gibt es im Gegensatz zu einer
weit verbreiteten Ansicht so wenig sichere
Hinweise, dass auch dieses Argument für
die Einzelzimmerunterbringung nicht überzeugend ist (siehe Kapitel B.10 „MRSA“).
Control and Prevention (CDC) empfohlen, bereits bei Betreten des Patientenzimmers Einmal-Handschuhe anzuziehen, um
eine Kontamination der Hände von vorneherein auszuschließen, die Handschuhe
dann vor Verlassen des Zimmers wieder
abzulegen und anschließend die Hände zu
desinfizieren [6].
Während letzteres natürlich sinnvoll ist,
erscheint es weniger angebracht, die
Handschuhe schon vor dem eigentlichen
Patientenkontakt anzuziehen. Dadurch
kann ein unkritischer Umgang mit Einmal-Handschuhen gefördert werden, und
zwar insofern, als sämtliche Tätigkeiten im
Zimmer dann mit einiger Wahrscheinlichkeit mit demselben Paar Handschuhe
durchgeführt werden, sofern nicht eine
grobe Kontamination zum Wechsel veranlasst. Auf diese Weise würde die Umgebungskontamination tatsächlich erhöht
werden. Allerdings führt die CDC-Richtlinie explizit aus, dass die Handschuhe zwischen verschiedenen Tätigkeiten gewechselt werden müssen.
Die Empfehlung erscheint aber insbesondere von ihrer psychologischen Wirkung
her ungünstig. Wenn man Handschuhe sofort bei Betreten des Zimmers anziehen
und nach Ausziehen der Handschuhe vor
Verlassen des Zimmers keine Flächen
oder Gegenstände mehr berühren soll [6],
wird damit der Eindruck vermittelt, die
Flächen im Patientenzimmer seien – auch
entfernt vom Patienten – in relevanter
Weise kontaminiert. Dafür gibt es aber
kaum, wenn überhaupt, sichere Belege
(siehe auch Kapitel B.10 „Multiresistente
Erreger“).
CDC-Richtlinie
Wegen Kontaminationen in der Umgebung von z.B. Patienten mit Nachweis von
MRSA wird in der derzeit gültigen Isolierungs-Richtlinie der Centers for Disease
Maßnahmen gegen Übertragungen
durch Tröpfchen
Zusätzlich zu den Standard-Hygienemaßnahmen sind bei Infektionen, die durch
Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg
307
große (>5 µm) respiratorische Tröpfchen
übertragen werden (z.B. A-Streptokokken-Pharyngitis, Influenza, Mumps), folgende Maßnahmen sinnvoll:
erster Linie offene Tuberkulose der Atemwege, bei pulmonaler Beteiligung auch Varizellen und Masern sowie evtl. bei disseminiertem Zoster), folgendes zu beachten:
Maske
Einzelzimmer
Bei nahem Patientenkontakt (<2 m) soll das
Personal für die Dauer der Ansteckungsmöglichkeit (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“) eine chirurgische Maske tragen. Patienten mit viralen Kinderkrankheiten sollen nur von immunen Personen versorgt werden, für die
deshalb eine Maske nicht notwendig ist.
Der Patient soll in einem Einzelzimmer gepflegt werden, wobei die Tür nicht unnötig
offen stehen und der Patient das Zimmer
nicht verlassen soll; idealerweise ist solch
ein Zimmer mechanisch belüftet und steht
im Unterdruck zu den angrenzenden Räumen auf (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“).
Masken
Einzelzimmer
Bei einigen dieser Infektionen, die ein
schweres klinisches Bild verursachen können oder, wie z.B. Röteln, eine relativ hohe
Kontagiosität haben, ist die Unterbringung
in einem Einzelzimmer sinnvoll (z.B. Pertussis, pharyngeale Diphtherie). Steht ein
Einzelzimmer nicht zur Verfügung, sollen
die infizierten Patienten in einem genügenden Abstand (mindestens 2 m) zu den
Mit-Patienten bleiben.
Patiententransport
Solange Infektiosität besteht (abhängig
von der Dauer der Erkrankung bzw. der
Dauer der Therapie; siehe Kapitel B.9
„Maßnahmen bei speziellen Infektionen“), sollen die Patienten ihr Zimmer nur
zu wichtigen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen verlassen. In diesen Fällen soll der Patient eine chirurgische Maske tragen.
Maßnahmen gegen aerogene
Übertragungen
Neben den Standard-Hygienemaßnahmen
ist bei Infektionen, die durch Tröpfchenkerne (<5 µm) via Luft übertragbar sind (in
Da chirurgische Masken Tröpfchenkerne
nicht filtern können, müssen spezielle
Atemschutzmasken verwendet werden,
wenn ein Schutz vor aeroger Übertragung
erreicht werden soll (siehe Kapitel A.2
„Übertragung von Erregern“). In Kapitel
B.5 „Tuberkulose“ ist ausführlich erörtert,
in welchen Situationen Masken erforderlich zu sein scheinen. Weil Patienten mit
Masern oder Varizellen nur von immunem
Personal (Anamnese, Impfung) versorgt
werden sollen, erübrigt sich für sie die
Maske.
Patiententransport
Um die Entstehung und Verbreitung von
Tröpfchenkernen so weit wie möglich zu
reduzieren, sollen die Patienten, wenn sie
das Zimmer z.B. für eine wichtige diagnostische Maßnahme verlassen müssen, eine
Maske aufsetzen, wobei es bei ihnen unerheblich ist, ob es eine chirurgische oder eine Atemschutzmaske ist (siehe Kapitel B.5
„Tuberkulose“).
Isolierungsprotokoll
Wenn Empfehlungen zur Isolierung infizierter oder kolonisierter Patienten gege-
308
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
ben werden, ist es für das medizinische
Personal hilfreich, eine schriftliche Zusammenfassung der im Einzelnen notwendigen Maßnahmen zu erhalten. In der Praxis
bewährt hat sich dabei die Verwendung eines Vordrucks, in dem die für den individuellen Fall empfohlenen Maßnahmen durch
Ankreuzen gekennzeichnet werden und
außerdem Platz für individuelle Bemerkungen ist (siehe Tabelle B.9.1). Eine Ausführung dieses Protokolls bleibt im Krankenblatt, eine zweite nimmt das Hygienepersonal zu seinen Unterlagen.
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uniforms in an isolation ward. J Hosp Infect
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and cons of isolation and containment. J
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Thornes (Publisher), Cheltenham, 1997
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of simple protective isolation in patients with
granulocytopenia. N Engl J Med 1981; 304:
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2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins,
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Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg
309
Tabelle B.9.1. Isolierungsprotokoll.
Isolierungsprotokoll
Klinik: Station:
Name des Patienten:
Infektions-Diagnose:
Mit-Patienten:
Aufnahmedatum:
Geburtsdatum:
Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe
Unabhängig von der Art der Infektion müssen die Standard-Regeln der Händehygiene beachtet werden.
Weitere Maßnahmen
■ Einzelzimmer
■ Eigenes WC/Nachtstuhl
■ Schürze/Schutzkittel
■ Bei Kontakt mit (potenziell) infektiösem Material
■ Bei Pflegetätigkeiten am Patienten
■ Bei intensivem Körperkontakt (z.B. Physiotherapie)
■ 3 × täglich wechseln
■ 1 × täglich wechseln
■ Patienten mit C. difficile-Nachweis
■ Vor Verlassen des Zimmers Hände mit Wasser und Seife waschen (Sporenreduktion durch Spüleffekt)
■ Information an alle Kontaktpersonen (z.B. Physiotherapie, Besucher)
■ Information an Reinigungspersonal bzw. Hauswirtschaftsleitung
■ Laufende Desinfektion
■ Schlussdesinfektion
■ Patientennahe Flächen
■ Alle (erreichbaren horizontalen) Flächen
Wäscheentsorgung
■ Normale Wäsche
■ Infektiöse Wäsche (gemäß UVV) bei Kontamination mit infektiösem Material
Abfallentsorgung
■ Abfall der Gruppe B (= Hausmüll)
■ Abfall der Gruppe C (= infektiöser Abfall): Kontamination mit infektiösem Material
Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen
■ Nach Beendigung der Symptomatik
■ Nach negativen bakteriologischen Kontrollen (z.B. MRSA)
■ Nach drei negativen Stuhlproben im Abstand von 48 Stunden (z.B. Enteritis-Salmonellen)
■ Nach fünf negativen Stuhlproben im Abstand von 48 Stunden (z.B. S. typhi)
■ Nach drei mikroskopisch negativen Sputum-/Magensaftproben bei Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege
Stuhlproben
■ Frühestens 72 Stunden nach Absetzen von Antibiotika
■ Frühestens eine Woche nach Beendigung der Symptomatik mit Kontrollen beginnen
■ Bei Kontaktpersonen mit Symptomatik (Information an den Betriebsarzt)
■ Bei allen Kontaktpersonen (Information an den Betriebsarzt)
Bemerkungen
Datum:
Unterschriften:
Krankenhaushygiene
Station
310
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
9. Isolierung bei Infektion und Kolonisation
– Maßnahmen bei speziellen Infektionen –
Tabellarische Übersicht der Infektionen
von A–Z
Spezielle Maßnahmen zur
Infektionsprävention
(„Isolierungsmaßnahmen“)
In diesem Kapitel sind in tabellarischer
Übersicht die Eckpunkte der Isolierung bei
häufigeren und selteneren Infektionen aufgeführt, es werden mit anderen Worten also
die im Einzelnen – orientiert am Übertragungsweg – sinnvollen Maßnahmen genannt, um Erregerübertragungen – und damit letztlich Infektionen – bei direkten und
indirekten Kontaktpersonen zu verhindern
[2, 3]. Diese Darstellung wurde gewählt, weil
sie aufgrund der Fragen aus der klinischen
Praxis am ehesten die Bedürfnisse des Personals erfüllt, die schnell erfahren wollen, ob
sie über die Standard-Hygiene hinaus weitere Maßnahmen beachten müssen, um Erregerübertragungen zu verhindern.
Weil bei einer Infektion nicht der gesamte
Patient „infektiös“ ist, wird jeweils angegeben, welches Patientenmaterial im individuellen Fall den Erreger enthält, also als
„infektiös“ einzustufen ist, und auf welchem Wege – wenn überhaupt möglich –
eine Übertragung von Mensch zu Mensch
oder über Gegenstände stattfinden kann.
In der Rubrik „Kommentar“ werden entweder konkretere Hinweise für Sonderfälle der
im Einzelnen behandelten Infektionen oder
weiterführende Informationen zu den Infektionen gegeben, die von Interesse sein
können, aber nicht zwingend für die Präventionsmaßnahmen zur Kenntnis genommen
werden müssen. Außerdem gibt es Verweise
auf ausführlichere Informationen in einzel-
nen Kapiteln. Unter „Meldepflicht“ werden
die seit Inkraftreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gültigen neuen Regelungen in
Kurzform wiedergegeben [1].
Mehrere wiederkehrende Begriffe sind
mit den auf Fußnoten verweisenden Ziffern 1–6 gekennzeichnet, die im Folgenden
zusammengefasst sind:
1
2
3
4
5
6
Einzelzimmer: siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“
Standard-Hygiene: siehe Kapitel B.1
„Standard-Hygiene“ und Kapitel B.9
„Maßnahmen in Abhängigkeit vom
Übertragungsweg“
Desinfektion: siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“
Potenziell infektiös sind Blut und Körperflüssigkeiten von jedem Patienten
unabhängig davon, ob eine Infektion,
wie z.B. Hepatitis B, bekannt ist (siehe
Standard-Hygiene)
Übertragung: siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“
Meldepflicht:Alle Angaben für Einzelfälle bzw. endemisches Auftreten gemäß §§
6, 7 IfSG; wenn nicht anders angegeben,
immer namentliche Meldung; gemäß § 6
(3) Meldepflicht generell bei Ausbrüchen
nosokomialer Infektionen; alle Meldungen an das örtliche Gesundheitsamt des
Krankenhauses oder des Labors, nicht an
das des Patienten; bei HIV-Nachweis
nicht-namentliche Meldung mit fallbezogener Verschlüsselung des Namens; Meldebögen für die einzelnen Bundesländer
siehe unter www.rki.de
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Abszess
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
AIDS
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Amoebiasis
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
311
Ja, bei starker Sekretion
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Starke Sekretion: Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Schwache oder mäßige Sekretion: Routinemäßig
Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Eiter
Kontakt
Starke Sekretion: Kein Verband möglich oder der
Verband nimmt das Wundsekret nicht vollständig
auf. Schwache oder mäßige Sekretion:Verband deckt
die Wunde ab und nimmt das Wundsekret auf
Nein
Nein, ggf. bei unzureichender Patientenhygiene
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material
Dauer des Krankenhausaufenthaltes
Blut und Körperflüssigkeiten
Parenteraler Kontakt
Vorsicht beim Umgang mit Blut und blutigen Gegenständen, Nadelstichverletzungen vermeiden;
Potenziell infektiöse Körperflüssigkeiten sind: Samenflüssigkeit,Vaginalsekret, Liquor, Gelenk-, Pleura-, Peritoneal-, Perikard-Flüssigkeit und Fruchtwasser; ebenfalls infektiös sind Gewebeproben;
Maßnahmen der Standard-Hygiene ausreichend,
da deren Einhaltung Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten ausschließt
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nicht-namentlich, mit fallbezogener Verschlüsselung)
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
312
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Aspergillose
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Botulismus
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Bronchiolitis
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Krankheitsdauer
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Übertragung durch Zysten, bei Leberabszess kein
Übertragungsrisiko
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch
Inhalation von Aspergillen als Bioaerosol (siehe
Kapitel B.5 „Aspergillose“)
Häufig endogene Infektion (bei Schleimhautbesiedlung der oberen Atemwege und Abwehrschwäche)
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch
Aufnahme von Clostridium botulinum oder des Toxins mit der Nahrung
Ursache sind Toxine, die von C. botulinum in Lebensmitteln oder im Darm gebildet werden
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erreger- oder Toxin-Nachweis
Ja, bei Kindern
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Candidiasis
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
313
Krankheitsdauer
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Verschiedene Viren (Respiratory Syncytial-, Parainfluenza-,Adeno-, Influenza-Viren) kommen ursächlich in Betracht
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch
Nosokomiale Übertragung von Candida spp. über
die Hände analog zu anderen Erregern möglich,
aber endogene Risikofaktoren entscheidend dafür,
ob der Kontakt zu einer Infektion führen kann
Auftreten meist bei schwerkranken Patienten (insbesondere nach längerer Antibiotikatherapie)
Nein
Chlamydien-Konjunktivitis (auch bei Neugeborenen)
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Augensekret
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Siehe unten „Gonokokken-Konjunktivitis des Neugeborenen“
Meldepflicht
Nein
Chlamydien-Infektion: Respiratorische Infektion
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
314
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Krankheitsdauer
Respiratorische Sekrete
Kontakt
--Nein (nur Nachweis von C. psittaci, siehe unten
„Psittakose“)
Chlamydien-Infektion: Genitalinfektion
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Genitalsekret
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
--Meldepflicht
Nein
Clostridium difficile-assoziierte Diarrhoe
Einzelzimmer1
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Desinfektion oder Reinigung (siehe
Kommentar), ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der klinischen Symptomatik
Infektiöses Patientenmaterial
Stuhl
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Häufigste Ursache nosokomialer Diarrhoen, fast
immer Antibiotika-assoziiert (siehe Kapitel B.5
„Clostridium difficile und andere gastrointestinale
Infektionen“);
Sporen von C. difficile werden bei üblicher Anwendung von Flächendesinfektionsmitteln nicht inaktiviert, deshalb können alternativ zur Desinfektion
auch gründliche Reinigungsmaßnahmen – dadurch
mechanische Entfernung der Sporen – als ausreichend betrachtet werden
Meldepflicht
Nein
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Nein
Standard-Hygiene2
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung
Kommentar
Meldepflicht
Cytomegalie: Neugeborene
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
315
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material
(siehe Kapitel B.5 „Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“)
Dauer des Krankenhausaufenthaltes
Insbesondere ZNS- und Augen-Gewebe sowie Liquor
Nicht endgültig geklärt
Siehe Kapitel B.5 „Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Urin oder respiratorische Sekrete (möglicherweise)
Kontakt
Schwangere sollen keinen Kontakt mit infizierten
Patienten haben
Nein
Cytomegalie: Immunsupprimierte Patienten
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Infektiöses Patientenmaterial
Urin oder respiratorische Sekrete (möglicherweise)
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Schwangere sollen keinen Kontakt mit infizierten
Patienten haben
Meldepflicht
Nein
Diphtherie: Pharyngeal
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Ja
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
316
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Diphtherie: Kutan
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Endometritis: A-Streptokokken
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Endometritis: Andere Erreger
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Bis zwei Abstriche negativ sind
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Abstriche nach Absetzen der Therapie mindestens
im Abstand von 24 Stunden abnehmen
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Nachweis von Corynebacterium
diphtheriae, Toxin-bildend
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Bis zwei Abstriche negativ sind
Wundsekret
Kontakt
Abstriche nach Absetzen der Therapie mindestens
im Abstand von 24 Stunden abnehmen
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Nachweis von Corynebacterium
diphtheriae, Toxin-bildend
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Vaginalsekret
Kontakt
Wenn zwei Fälle innerhalb kurzer Zeit (z.B. 2 Wochen) auftreten, sofort epidemiologische Untersuchung erforderlich; Erreger des Kindbettfiebers
(siehe Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“)
Nein
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Enzephalitis
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
317
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Vaginalsekret
Kontakt
Bei gehäuftem Auftreten mit einem bestimmten Erreger epidemiologische Untersuchung erforderlich
Nein
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der Erkrankung oder bis 7 Tage nach Beginn
(je nachdem, was kürzer ist)
Stuhl
Kontakt
Erreger meist Enteroviren, deshalb bis zu deren
Ausschluss entsprechende Hygienemaßnahmen
einhalten, aber auch andere Viren möglich, die nicht
im Stuhl ausgeschieden werden
Nein
Epiglottitis durch Haemophilus influenzae
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Respiratorische Sekrete
Übertragung5
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Kommentar
--Meldepflicht
Nein
Erythema infectiosum (Ringelröteln)
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
318
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Furunkulose: S. aureus
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Furunkulose: Neugeborene
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 7 Tage nach Beginn der Erkrankung, bei chronischer Infektion bei abwehrgeschwächten Patienten
für die Dauer des Krankenhausaufenthalts
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Erreger: Parvovirus B19; auch bekannt als „fünfte
Krankheit“ (s. Anmerkung S. 350); Schwangere sollen keinen Kontakt mit infizierten Patienten haben.
Nein
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Eiter
Kontakt
Personen mit Diabetes mellitus sind besonders häufig betroffen
Nein
Meldepflicht
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Krankheitsdauer
Eiter
Kontakt
Bei Ausbrüchen Kohorten-Isolierung auch von kolonisierten Neugeborenen (siehe Kapitel B.9
„Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“)
Nein
Gasbrand
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Nein
Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
319
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Kontakt mit Clostridium perfringens und anderen
Clostridien, Risiko insbesondere bei tiefen Verletzungen mit devitalisiertem Gewebe
Krankheitsgeschehen, das durch in der Wunde gebildete Toxine und Enzyme verursacht wird;
Außerdem möglich: Endogener Gasbrand aus dem
Erregerreservoir des Darmes bei Abwehrschwäche
im Rahmen einer Bakteriämie mit Absiedlung des
Erregers im Bereich der Weichteile als spontanes
atraumatisches Gasödem oder Sepsis mit z.B. Clostridium septicum ohne Zeichen des Gasödems;
Bei postoperativem Gasbrand ebenfalls endogenes
Erregerreservoir
Nein
Gastroenteritis: Campylobacter jejuni
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1
nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung
Infektiöses Patientenmaterial
Stuhl
Übertragung5
Kontakt (fäkal-oral)
Kommentar
Siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere
gastrointestinale Infektionen“
Meldepflicht6
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Gastroenteritis: Cryptosporidium parvum
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1
nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
320
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Routinemäßig Desinfektion oder Reinigung (siehe
Kommentar), ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der Ausscheidung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere
gastrointestinale Infektionen“; Inaktivierung von
Protozoen durch Desinfektionsmittel unsicher
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Gastroenteritis: Enteritis-Salmonellen
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1
nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung
Infektiöses Patientenmaterial
Stuhl
Übertragung5
Kontakt (fäkal-oral)
Kommentar
Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber
nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“)
Meldepflicht6
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Gastroenteritis: Escherichia coli (enteropathogen)
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1
nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
321
Dauer der Ausscheidung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) mit hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) assoziiert, niedrige Keimzahlen für eine Übertragung ausreichend,
deshalb Einzelzimmerunterbringung sinnvoll und
sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“)
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt; Verdacht, Erkrankung, Tod bei HUS
Gastroenteritis: Norwalk-(ähnliche) Viren
Einzelzimmer1
Ja, bei Erbrechen und unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Stuhl, Erbrochenes
Übertragung5
Kontakt (fäkal-oral), möglicherweise aerogen
Kommentar
Sog. „small round structured viruses“; wiederholt
große Ausbrüche in Krankenhäusern und auf
Kreuzfahrtschiffen berichtet (siehe Kapitel A.2
„Übertragung von Erregern“)
Meldepflicht6
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Gastroenteritis: Rotavirus
Einzelzimmer1
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
322
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Gastroenteritis: Shigellen
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Krankheitsdauer oder bis 7 Tage nach Auftreten der
klinischen Symptome (je nachdem, was kürzer ist)
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Meist Infektion bei Säuglingen (siehe Kapitel B.6
„Kinderheilkunde“), aber auch bei alten Menschen
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der Ausscheidung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig, da niedrige Keimzahlen für eine
Übertragung ausreichend (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“)
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Gastroenteritis: Unbekannte Ätiologie
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1
nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Gastroenteritis: Vibrio cholerae
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
323
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber
nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten
Nein
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der Ausscheidung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig, da geringe Keimzahlen für eine
Übertragung ausreichend (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“)
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis (V. cholerae O1 und
O139)
Gastroenteritis: Vibrio parahaemolyticus
Einzelzimmer1
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung
Infektiöses Patientenmaterial
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Übertragung5
Kommentar
Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber
nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten
Meldepflicht
Nein
Gastroenteritis: Yersinia enterocolitica
Einzelzimmer1
Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
324
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der Ausscheidung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber
nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“)
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt):
Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich
gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es
sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem
epidemiologischen Zusammenhang handelt
Gonokokken-Konjunktivitis bei Neugeborenen
Ja
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen, z.B.Wickelunterlage, und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Augensekret
Übertragung5
Perinataler Kontakt mit den Geburtswegen
Kommentar
Silbernitrat-(Credé-)Prophylaxe nicht mehr generell empfohlen wegen der Seltenheit genitaler Gonokokken-Infektionen in den entwickelten Ländern, andererseits aber relativ häufiger chemischer
Konjunktivitis; Chlamydien, die ebenfalls Augeninfektionen bei Neugeborenen verursachen können,
dagegen relativ häufig, jedoch nicht von der Silbernitrat-Prophylaxe erfasst (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“)
Meldepflicht
Nein
Gonorrhoe
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
325
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Genitalsekret
Kontakt
Bei der Patientenversorgung prinzipiell Übertragungsrisiko gegeben, aber Standard-Hygienemaßnahmen schützen vor Kontakt, z.B. an kleinen
Hautwunden, und damit vor der Erregerübertragung
Nein
Hämorrhagische Fieber (z.B. Ebola, Lassa)
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Masken und ggf. Augenschutz, Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, d.h. bei typischem Krankheitsverlauf
mit ausgeprägten Blutungen bei jedem Patientenkontakt
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Umgebung und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Blut und Körperflüssigkeiten
Übertragung5
Parenteraler Kontakt (nicht: bloßer Kontakt mit intakter Haut)
Kommentar
Dieselben Maßnahmen, die vor der Übertragung
von z.B. HBV oder HIV schützen, sind geeignet, die
Übertragung der Erreger zu verhindern. Weil diese
Infektionen jedoch akut lebensbedrohlich und bei
entsprechendem Kontakt leicht übertragbar sind,
werden bei Infektionsverdacht wesentlich aufwändigere Schutzmaßnahmen durchgeführt. Ob allerdings über die o.g. Hygienemaßnahmen, die vor
Kontakt mit infektiösem Material schützen, weitergehende Maßnahmen, wie spezielle Schutzanzüge
und Helme, überhaupt erforderlich sind, kann zu
Recht in Frage gestellt werden, da epidemiologische Daten zeigen, dass eine aerogene Übertragung
nicht stattfindet. Übertragungen kommen in armen
Ländern mit räumlicher Enge und schlechten hygienischen Bedingungen in den Krankenhäusern
häufig vor, weil dort ein naher, ungeschützter Kontakt unter den Patienten und zwischen Personal und
Patienten nicht vermieden werden kann.
Meldepflicht6
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
326
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Hepatitis A, E
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Hepatitis B, D
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Hepatitis C
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Bis 7 Tage nach Beginn des Ikterus
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Kontagiosität ist am stärksten, bevor Symptome
und Ikterus auftreten
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
Nein, ggf. bei starken Blutungen
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material
Bis Patient HBsAg-negativ ist
Blut und Körperflüssigkeiten
Parenteraler Kontakt
Vorsicht beim Umgang mit Blut und blutigen Gegenständen, Nadelstichverletzungen vermeiden;
Potenziell4 infektiöse Körperflüssigkeiten sind: Samenflüssigkeit, Vaginalsekret, Liquor, Gelenk-,
Pleura-, Peritoneal-, Perikard-Flüssigkeit und
Fruchtwasser; ebenfalls infektiös sind Gewebeproben;
Maßnahmen der Standard-Hygiene ausreichend,
da deren Einhaltung Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten ausschließt
Besonders infektiös sind HBeAg-positive Patienten (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch
Blutkontakt“ und Kapitel B.6 „Dialyse“)
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
Nein, ggf. bei starken Blutungen
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material
Dauer des Krankenhausaufenthaltes
Blut und Körperflüssigkeiten
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
327
Parenteraler Kontakt
Gegenwärtig ist ein Zeitraum der Ansteckungsgefahr noch unbekannt, möglicherweise lebenslang;
Vorsicht beim Umgang mit Blut und blutigen Gegenständen, Nadelstichverletzungen vermeiden;
Potenziell4 infektiöse Körperflüssigkeiten sind: Samenflüssigkeit, Vaginalsekret, Liquor, Gelenk-,
Pleura-, Peritoneal-, Perikard-Flüssigkeit und
Fruchtwasser; ebenfalls infektiös sind Gewebeproben;
Maßnahmen der Standard-Hygiene ausreichend,
da deren Einhaltung Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten ausschließt
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
Herpes simplex-Virus (HSV): Enzephalitis
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Infektiöses Patientenmaterial
Kein spezielles infektiöses Material
Übertragung5
Beim Neugeborenen intrapartal während des Kontakts mit den Geburtswegen oder postpartal bei
Kontakt mit Sekret von Herpes labialis-Läsion eines Erwachsenen (siehe auch Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“)
Kommentar
Endogene Infektion durch Invasion bei Schleimhautläsionen
Meldepflicht
Nein
Herpes simplex-Virus (HSV): Schwere oder generalisierte primäre Haut- und Schleimhautinfektionen
Einzelzimmer
Nein, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis alle Läsionen verkrustet sind
Infektiöses Patientenmaterial
Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen
Übertragung5
Kontakt
328
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Kommentar
Meldepflicht
Die meisten Erwachsenen hatten bereits in der
Kindheit Kontakt mit HSV und besitzen deshalb
protektive Antikörper
Nein
Herpes simplex-Virus (HSV): Rezidivierende Haut- und Schleimhautinfektionen
Einzelzimmer
Nein, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis alle Läsionen verkrustet sind
Infektiöses Patientenmaterial
Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Die meisten Erwachsenen hatten bereits in der
Kindheit Kontakt mit HSV und besitzen deshalb
protektive Antikörper
Meldepflicht
Nein
Herpes simplex-Virus (HSV): Neonatal
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis alle Läsionen verkrustet sind
Infektiöses Patientenmaterial
Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Dieselben Maßnahmen sind angezeigt für Kinder,
die entweder vaginal oder durch Kaiserschnitt
(wenn die Fruchtblase mehr als 4–6 Stunden zuvor
geplatzt war) von Müttern mit aktiver (primärer
oder sekundärer) HSV-Infektion entbunden wurden.
Bei Kindern, die von Müttern mit aktiver genitaler
HSV-Infektion durch Kaiserschnitt geboren wurden, bevor die Fruchtblase geplatzt ist oder wahrscheinlich auch 4–6 Stunden danach, ist das Risiko
einer Infektion minimal, dennoch sollten dieselben
Maßnahmen beachtet werden (siehe dazu auch Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“)
Meldepflicht
Nein
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Impetigo
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Influenza
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Keratoconjunctivitis epidemica
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
329
Ja, bei Kindern bzw. bei ausgedehntem Befall
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Bei begrenztem Befall routinemäßig Reinigung, bei
ausgedehntem Befall laufende Desinfektion3 der
patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Bis 24 Stunden (A-Streptokokken) bzw. 48 Stunden
(S. aureus) nach Beginn einer effektiven Therapie
Sekret von Hautläsionen
Kontakt
Erreger meist A-Streptokokken (mit oder ohne Beteiligung von S. aureus)
Nein
Ja, auch bei Verdacht
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen), evtl. auch aerogen
Jährliche Impfung des Personals im Herbst, auch
Risiko-Patienten (z.B. ≥65 Jahre, chronische Lungen- oder Herzkrankheit, Diabetes mellitus) möglichst impfen
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Augensekret
Kontakt
Siehe Kapitel B.6 „Augenheilkunde“
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
330
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Läuse-Befall
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
„Infektiöses“ Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Legionellose
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Listeriose
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Ja, bei ausgedehntem Befall
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit befallenen Körperstellen möglich ist, ansonsten StandardHygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Befallene Körperareale
Kontakt
Bettwäsche, Handtücher und Kleidung nach jeder
Behandlung wechseln; Klinikwäsche in Wäschesack
legen, sofort verschließen und in die Wäscherei
transportieren; Privatwäsche in einen Plastiksack
packen und verschließen, bei mindestens 60 °C mit
haushaltsüblichem Waschmittel zu Hause waschen
lassen; Kleidung, die nicht gewaschen werden kann,
chemisch reinigen lassen; Wäsche in verschlossenem Plastiksack ist nach 4 Tagen nicht mehr „infektiös“; Bettdecke und Kopfkissen nach der Behandlung in die Wäsche geben; Kamm oder Haarbürste
nach der Behandlung thermisch desinfizieren
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch
Aufnahme des Erregers aus kontaminiertem Wasserreservoir via Aspiration oder Inhalation
Siehe Kapitel B.5 „Legionellose“
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
Nein (außer in der Geburtshilfe, siehe Kapitel B.6
„Geburtshilfe/Gynäkologie“)
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Maden-Befall (Myiasis)
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Malaria
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
331
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Kontaminierte Nahrung (z.B. unspasteurisierte
Milch und Milchprodukte, Gemüse)
Erhöhtes Risiko in der Schwangerschaft, bei abwehrgeschwächten Patienten und in höherem Lebensalter; Neugeborenen-Listeriose: 1) Early-onset
= in utero erworben, 2) Late-onset = intrapartal bei
Kontakt mit den Geburtswegen bei z.B. asymptomatischer Besiedlung der Mutter oder postpartal
durch Übertragung (siehe Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“)
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur aus Blut,
Liquor oder anderen normalerweise sterilen Körperflüssigkeiten und aus Abstrichen von Neugeborenen)
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Eiablage durch Fliegen
Risikofaktoren sind Abwehrschäche, stark riechende Sekrete, die Fliegen anlocken, und warme Jahreszeit mit hoher Fliegendichte. Insbesondere chronische Ulzera können befallen werden, aber bei extremer Abwehrschwäche auch andere Körperareale
(z.B. Nasennebenhöhlen). Therapie ist die Entfernung der Maden bzw. Larven und ggf. die chirurgische Sanierung. Chronische Wunden müssen durch
Verbände geschützt werden, insbesondere wenn
Fliegenkontakt möglich ist (z.B. im häuslichen Bereich der Patienten).
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
332
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Masern
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Meningitis: Abakteriell oder viral
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Blut
Im Krankenhaus: parenteraler Kontakt (z.B. Nadelstich)
Maßnahmen der Standard-Hygiene schützen vor
Kontakt mit Blut, Nadelstichverletzungen vermeiden
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nicht-namentlich)
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 4 Tage nach Exanthembeginn, bei immunsupprimierten Patienten während der gesamten
Krankheitsdauer
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen), unter bestimmten
Bedingungen auch aerogen
Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese
Patienten nicht versorgen, Impfschutz wichtig
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion2 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 7 Tage nach Beginn der Erkrankung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Erreger meist Enteroviren
Nein
Meningitis: Bakterielle, Gram-negative bei Neugeborenen
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
333
Krankheitsdauer
Stuhl (möglicherweise)
Intrapartaler Kontakt mit den Geburtswegen
Häufigste Erreger: Enterobakterien, insbesondere
E. coli
Nein
Meningitis: Haemophilus influenzae
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Respiratorische Sekrete
Übertragung5
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Kommentar
Risiko für Säuglinge und Kleinkinder am größten,
deshalb Säuglinge impfen
Meldepflicht6
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (aus Liquor und
Blut)
Meningitis: Listeria monocytogenes
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung
Kommentar
Meldepflicht6
Meningitis: Meningokokken
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Nein (außer in der Geburtshilfe, siehe Kapitel B.6
„Geburtshilfe/Gynäkologie“)
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Kontaminierte Nahrung (z.B. unspasteurisierte
Milch und Milchprodukte, Gemüse)
Erhöhtes Risiko in der Schwangerschaft, bei abwehrgeschwächten Patienten und in höherem Lebensalter
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (aus Liquor und
Blut)
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
334
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Antibiotikaprophylaxe nur bei engen Kontaktpersonen (z.B. Personal nach Reanimationsmaßnahmen, Intubation, endotrachealem Absaugen): 1 ×
500 mg Ciprofloxacin als Einzeldosis oder 1 × 600
mg Rifampicin für 2 Tage per os
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis (aus Liquor, Blut,
hämorrhagischen Hautinfiltraten und anderen normalerweise sterilen Körperflüssigkeiten)
Meningitis: Mycobacterium tuberculosis
Nein, außer bei gleichzeitig bestehender offener TuEinzelzimmer1
berkulose der Atemwege
Hygienemaßnahmen
Standard-Hygiene2, wenn nicht gleichzeitig eine offene Tuberkulose der Atemwege besteht
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Keine speziellen Maßnahmen erforderlich, wenn
nicht gleichzeitig eine offene Tuberkulose der
Atemwege besteht
Infektiöses Patientenmaterial
Kein spezielles infektiöses Material, wenn nicht
gleichzeitig eine offene Tuberkulose der Atemwege
besteht
Übertragung5
Nur bei offener Tuberkulose der Atemwege aerogen (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“)
Kommentar
Klärung, ob gleichzeitig eine offene Tuberkulose
der Atemwege besteht
Meldepflicht6
§ 6 IfSG (Arzt): Erkrankung, Tod bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose (auch ohne bakteriologischen Nachweis); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (sowohl mikroskopischer als auch kultureller
Nachweis und Ergebnis der Resistenztestung)
Meningitis: Pilze
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung
Kommentar
Meldepflicht
Meningitis: Pneumokokken
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung
Kommentar
Meldepflicht
Mumps
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Mykosen
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
335
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
--Meist endogene Infektion bei schwerkranken Patienten (nach längerer Antibiotikatherapie)
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
--Endogene Infektion bei Kolonisierung im NasenRachen-Raum, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten (z.B. nach Milzexstirpation) und
aufsteigend bei Liquorfistel
Nein
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 9 Tage nach Auftreten der Parotisschwellung
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese
Patienten nicht versorgen, Impfschutz wichtig
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
336
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Übertragung
Kommentar
Meldepflicht
Nekrotisierende Fasziitis
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Pertussis (Keuchhusten)
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Siehe oben „Candidiasis“, bei Aspergillose keine
Übertragung ausgehend von infizierten Personen
(z.B. mit Lungenaspergillose)
Nosokomiale Mykosen nahezu immer Infektionen
bei schwerkranken Patienten (siehe dazu auch Kapitel B.5 „Aspergillose“)
Nein
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Krankheitsdauer
Wundsekret
Kontakt
Bei monomikrobiellen Formen meist A-Streptokokken, aber auch S. aureus und anaerobe Streptokokken (Peptostreptokokken), bei polymikrobiellen Formen aerob-anaerobe Mischinfektionen
Nein
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 5 Tage nach Beginn einer effektiven Therapie
Respiratorisches Sekret
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Expositionsprophylaxe für nicht-immunes Personal
nach ungeschütztem engen Kontakt (4 × 500 mg
Erythromycin oder 2 × 320/160 mg Cotrimoxazol
per os für 14 Tage)
Nein
Pfeiffer’sches Drüsenfieber (Infektiöse Mononukleose)
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Pneumonie: Chlamydien
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Pneumonie: Legionellen
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Pneumonie: Meningokokken
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
337
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Respiratorisches Sekret (möglicherweise)
Sehr enger Schleimhaut-Kontakt erforderlich
Übertragung bei der Patientenversorgung unwahrscheinlich; Infektion häufig schon im Kindesalter
Nein
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Respiratorisches Sekret
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
--Nein (nur Nachweis von C. psittaci, siehe unten
„Psittakose“)
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Aufnahme des Erregers aus kontaminiertem Wasserreservoir via Aspiration oder Inhalation (siehe
Kapitel B.5 „Legionellose“)
Keine Übertragung von Mensch zu Mensch; betroffen meist abwehrgeschwächte und alte Personen
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
338
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
--§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur aus Blut)
Pneumonie: Mycoplasma pneumoniae
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Respiratorisches Sekret möglicherweise
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
--Meldepflicht
Nein
Pneumonie: Pneumocystis carinii
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Pneumonie: Pneumokokken
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Nein, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Respiratorische Sekrete möglicherweise
Kontakt (wahrscheinlich inkl. via Tröpfchen)
Typischer opportunistischer Erreger, insbesondere
bei Patienten mit zellulärem Immundefekt, daher
besonders häufig bei HIV-infizierten Patienten;
Übertragung zwischen HIV-infizierten Patienten
beschrieben
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Respiratorische Sekrete möglicherweise (bis 24
Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie)
Kontakt
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Kommentar
Meldepflicht
Pneumonie: Staphylococcus aureus
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Pneumonie: A-Streptokokken
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
339
Übertragung, z.B. über die Hände des Personals,
ebenso wie bei typischen nosokomialen Erregern
(z.B. S. aureus) möglich
Nein
Nein, außer bei abszedierender Pneumonie
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Respiratorische Sekrete möglicherweise (bis 48
Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie)
Kontakt
Übertragung, z.B. über die Hände des Personals,
ebenso wie bei anderen Erregern möglich
Nein
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Respiratorische Sekrete möglicherweise (bis 24
Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie)
Kontakt
Übertragung, z.B. über die Hände des Personals,
ebenso wie bei anderen Erregern (z.B. S. aureus)
möglich
Nein
Pneumonie: Viren (Neugeborene und Kleinkinder)
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Übertragung5
Kommentar
Verschiedene Viren, insbesondere RSV (= Respiratory Syncytial Virus), kommen in Betracht (siehe
Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“)
Meldepflicht
Nein
340
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Pneumonie: Viren (Erwachsene)
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Poliomyelitis
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Psittakose (Ornithose)
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Q-Fieber
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Respiratorische Sekrete möglicherweise
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
--Nein
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Bis 7 Tage nach Beginn der Erkrankung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Impfschutz wichtig
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod (Verdacht = jede schlaffe Lähmung, wenn nicht traumatisch bedingt); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Krankheitsdauer
Respiratorische Sekrete möglicherweise
Vogelkontakt (inkl. via Tröpfchen und möglicherweise auch aerogen)
Übertragung von Mensch zu Mensch sehr selten
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Röteln
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Scabies (Krätze)
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
341
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Krankheitsdauer
Gewebe, Blut und möglicherweise respiratorische
Sekrete
Aerogen via Inhalation bei Kontakt mit infizierten
Tieren oder orale Aufnahme z.B. über nicht pasteurisierte Milch infizierter Tiere
Besonders hohe Konzentrationen des Erregers
(Coxiella burnetii) in der Plazenta infizierter Tiere;
Normalerweise keine Übertragung von Mensch zu
Mensch, aber unter bestimmten Umständen möglich (z.B. Kontakt mit infizierter Frau während der
Geburt und bei Autopsie infizierter Verstorbener,
d.h. analog zum Kontakt mit infizierten Tieren)
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 7 Tage nach Auftreten des Exanthems
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese
Patienten nicht versorgen (Schwangere überhaupt
nicht); Impfschutz wichtig
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur bei kongenitalen Röteln; nicht-namentlich)
Ja, bei unzureichender Patientenhygiene
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit befallenen Hautstellen möglich ist, ansonsten StandardHygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
342
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
„Infektiöses“ Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Scharlach
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
Befallene Hautareale
Kontakt
Sog. Norwegische Scabies sehr „infektiös“, weil die
Patienten von extrem vielen Milben befallen sind
(Vorkommen z.B. bei HIV-Patienten wegen des
speziellen Immundefekts); jeder geringfügige Hautkontakt kann zur Übertragung von Milben führen;
deshalb den Patienten nie ohne Schutzkleidung berühren;
Bettwäsche, Handtücher und Kleidung nach jeder
Behandlung wechseln; Klinikwäsche in Wäschesack legen, sofort verschließen und in die Wäscherei transportieren; Privatwäsche in einen Plastiksack packen und verschließen, bei mindestens 60 °C
mit haushaltsüblichem Waschmittel zu Hause waschen lassen; Kleidung, die nicht gewaschen werden kann, chemisch reinigen lassen; Wäsche in verschlossenem Plastiksack ist nach 4 Tagen nicht
mehr infektiös; Bettdecke und Kopfkissen nach der
Behandlung in die Wäsche geben; Kamm oder
Haarbürste nach der Behandlung thermisch desinfizieren
Nein
Ja
Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe
und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Respiratorische Sekrete
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Der alleinige Nachweis von A-Streptokokken im
Rachen rechtfertigt nicht die Diagnose „Scharlach“.
Nein
Staphylococcus aureus-Infektionen: Haut, Wunden, Verbrennungen (ausgedehnt)
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
343
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Krankheitsdauer
Wundsekret
Kontakt
Bei großflächigen Verbrennungen oder chronischen Hautkrankheiten erhebliche Kontamination
des Patientenumfeldes möglich, deshalb ist sehr
sorgfältige Händehygiene essenziell, auch immer
nochmals vor Verlassen des Patientenzimmers (siehe Kapitel B.10 „MRSA“)
Nein
Staphylococcus aureus-Infektionen: Haut, Wunden, Verbrennungen (klein oder begrenzt)
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Wundsekret
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Ein Verband, der die Wunde bedeckt und das Sekret zuverlässig aufnimmt, „isoliert“ den Infektionsherd ausreichend (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen
in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“ und Kapitel B.10 „MRSA“)
Meldepflicht
Nein
Staphylococcus aureus-Infektionen: Lungenabszess
Ja
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 48 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Respiratorisches Sekret
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
Übertragungen, z.B. über die Hände des Personals,
ebenso wie bei anderen S. aureus-Infektionen möglich (siehe Kapitel B.10 „MRSA“)
Meldepflicht
Nein
344
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Staphylococcus aureus-Infektionen: Syndrom der verbrühten Haut (M. Ritter von Rittershain)
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Wundsekret
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
--Meldepflicht
Nein
Staphylococcus aureus-Infektionen: Toxisches Schocksyndrom
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Vaginalsekret, ggf. Wundsekret
Übertragung5
Kontakt
Kommentar
--Meldepflicht
Nein
A-Streptokokken-Infektionen: Haut
Ja, bei ausgedehnter Infektion
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Wundsekret
Übertragung
Kontakt
Kommentar
Ein Verband, der die Wunde bedeckt und das Sekret zuverlässig aufnimmt, „isoliert“ den Infektionsherd ausreichend (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen
in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“)
Meldepflicht
Nein
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
345
A-Streptokokken-Infektionen: Pharyngitis (eitrige Angina)
Einzelzimmer
Nein (außer Säuglinge und Kleinkinder)
Hygienemaßnahmen
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Respiratorische Sekrete
Übertragung
Kontakt (inkl. via Tröpfchen)
Kommentar
--Meldepflicht
Nein
B-Streptokokken-Infektion bei Neugeborenen
Ja
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
Infektiöses Patientenmaterial
Stuhl (möglicherweise)
Kontakt
Übertragung5
Kommentar
Early-onset- und Late-onset-Infektionen; Late-onset-Infektionen auch durch Übertragung, deshalb
sorgfältige Händehygiene für die Prävention sekundärer Infektionen bei anderen Neugeborenen entscheidend (siehe auch Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“)
Meldepflicht
Nein
Syphilis
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie
346
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Tetanus
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung
Kommentar
Meldepflicht
Tollwut (Rabies)
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Toxoplasmose
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Blut und ggf. Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen
Kontakt
Läsionen bei primären und sekundären Formen
können sehr infektiös sein.
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nicht-namentlich)
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Keine Übertragung von Mensch zu Mensch
Einzelzimmer zur Reizabschirmung erforderlich
Nein
Nein
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Krankheitsdauer
Respiratorische Sekrete
Parenteraler Kontakt
Übertragung durch Kontakt mit Speichel infizierter
Tiere bei Bissverletzungen oder an Hautwunden,
aus den USA auch durch Fledermausbiss berichtet
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
Nein
Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Keine speziellen Maßnahmen erforderlich
Kein spezielles infektiöses Material
Kontakt mit Katzenkot; nicht durchgegartes oder
rohes Fleisch;
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Kommentar
Meldepflicht6
347
Intrauterin von Mutter auf Kind bei Primärinfektion der Mutter, sonst nicht von Mensch zu Mensch
Primärinfektion bei immunkompetenten Personen
meist ohne wesentliche Symptome (z.B. wie „grippaler Infekt“), auch in der Schwangerschaft; bei Patienten mit zellulärem Immundefekt (besonders
HIV) schwere Formen durch endogene Reaktivierung;
§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur kongenitale
Form)
Tuberkulose: Extrapulmonal (sezernierende Läsionen)
Einzelzimmer
Nein
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Sekretion
Infektiöses Patientenmaterial
Wundsekret
Übertragung5
Kontaktinfektion bei Inokulation des infektiösen
Materials (z.B. akzidentell bei Verletzung mit kontaminiertem spitzen Instrument) möglich, aber bei
Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen unwahrscheinlich
Kommentar
Kein Risiko, bei der Versorgung dieser Patienten eine Tuberkulose der Atemwege zu erwerben, da ohne spezielle Maßnahmen, wie offene Spülungen,
keine Aerosolbildung stattfindet und deshalb keine
Inhalation der Erreger möglich ist (siehe Kapitel
B.5 „Tuberkulose“)
Meldepflicht6
§ 6 IfSG (Arzt): Erkrankung, Tod bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose (auch ohne bakteriologischen Nachweis); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (sowohl mikroskopischer als auch kultureller
Nachweis und Ergebnis der Resistenztestung)
Tuberkulose: Pulmonal (gesichert oder Verdacht)
Einzelzimmer1
Ja
Hygienemaßnahmen
Atemschutzmaske, wenn Aerosolkontakt möglich
(siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“), ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material
348
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Typhus/Paratyphus
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht6
Windpocken (Varizellen)
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der speziellen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Solange Nachweis säurefester Stäbchen im respiratorischen Sekret (oder bis ein begründeter Infektionsverdacht ausgeschlossen ist)
Aerosol von respiratorischem Sekret (siehe Kapitel
A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.5
„Tuberkulose“)
Inhalation infektiöser Aerosole
Siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“
§ 6 IfSG (Arzt): Erkrankung, Tod bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose (auch ohne bakteriologischen Nachweis); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (sowohl mikroskopischer als auch kultureller
Nachweis und Ergebnis der Resistenztestung)
Ja
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der Ausscheidung
Stuhl
Kontakt (fäkal-oral)
Sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig, da niedrige Keimzahlen für eine
Übertragung ausreichend (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“)
§ 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7
IfSG (Labor): Erregernachweis
Ja
Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und
Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material
möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Bis alle Läsionen verkrustet sind
Sekret von Hautläsionen und respiratorisches Sekret
Kontakt (inkl. via Tröpfchen), unter bestimmten
Bedingungen auch aerogen
Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht
Kommentar
Meldepflicht
Zoster (Herpes zoster): Lokalisiert
Einzelzimmer
Hygienemaßnahmen
Flächendekontamination
Dauer der spezielen Maßnahmen
Infektiöses Patientenmaterial
Übertragung5
Kommentar
Meldepflicht
349
Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese
Patienten nicht versorgen (Schwangere überhaupt
nicht); aerogene Übertragung bei pulmonaler Beteiligung möglich
Nein
Nein
Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2
Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material
Bis alle Läsionen verkrustet sind
Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen
Kontakt
Endogene Reaktivierung nach primärer VarizellenInfektion (Varizella-Zoster-Virus)
Patienten auf Stationen mit immunsupprimierten
Patienten sollen isoliert werden.
Exponierte, nicht immune Personen können bei
Kontakt an Windpocken erkranken. Deshalb sollen
Personen, die noch keine Windpocken hatten, keinen Kontakt mit Zoster-Patienten haben.
Nein
Zoster (Herpes zoster): Generalisiert oder bei immunsupprimierten Patienten
Ja
Einzelzimmer1
Hygienemaßnahmen
Handschuhe und Kittel bei Patientenkontakt, ansonsten Standard-Hygiene2
Flächendekontamination
Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion
Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer
Infektiöses Patientenmaterial
Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen
Übertragung5
Kontakt, evtl. auch aerogen
Kommentar
Endogene Reaktivierung nach primärer VarizellenInfektion (Varizella-Zoster-Virus)
Exponierte, nicht immune Personen können bei
Kontakt an Windpocken erkranken. Deshalb sollen
Personen, die noch keine Windpocken hatten, keinen Kontakt mit Zoster-Patienten haben.
Meldepflicht6
Nein
350
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Literatur
1. Bales S, Baumann HG, Schnitzler N. Infektionsschutzgesetz – Kommentar und Vorschriftensammlung. Stuttgart, Kohlhammer,
2001
2. Bolyard EA,Tablan OC,Williams WW, Pearson ML, Shapiro CN, Deitchman SD and the
Hospital Infection Control Practices Adviso-
ry Committee (HICPAC). Guideline for infection control in healthcare personnel, 1998.
Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19:
407–463
3. Garner JS, The Hospital Infection Control
Practices Advisory Committee Guideline for
isolation precautions in hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 53–80
Anmerkung zu S. 318:
Vermutlich ca. um 1900 wurden die Exanthem-Krankheiten nummeriert: 1. Masern, 2. Scharlach, 3. Röteln, 4. (Dukes’ Disease: heute unklar, welche Krankheit bzw. welcher Erreger), 5. Erythema infectiosum, 6. Exanthema subitum (bzw. Roseola infantum) [Shapiro L. The numbered diseases: first through
sixth. JAMA 1965; 194: 210]
Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern
B
351
10. Multiresistente Erreger
– Auffällige Resistenzmuster bei
nosokomialen Erregern
Multiresistene Erreger müssen möglichst
rasch als solche wahrgenommen werden. Ihr
Auftreten kann als Mittel genutzt werden,
die Aufmerksamkeit des medizinischen Personals auf die Bedeutung der Hygiene zu
lenken. Darüber hinaus sind multiresistente
Erreger, wenn ein Stamm nicht nur bei einem Patienten auftaucht, ein guter Marker
für Kreuz-Übertragungen und können dann
ein Hinweis darauf sein, dass die tägliche
Routine verbesserungsbedürftig ist.
Wann ist ein Erreger multiresistent?
Um beurteilen zu können, welche Antibiotikaresistenzen einzeln oder in Kombination einen Erreger zu einem multiresistenten
oder sog. „Problemkeim“ machen, braucht
man Kenntnisse über natürliche und erworbene Resistenzmechanismen, d.h. darüber,
welche Resistenzen für potenziell pathogene Keime normal sind und welche andererseits auch heute nicht vorkommen sollten
(siehe Kapitel E.7 „Mikrobielle Resistenz“) [1–3]. Bei Vorliegen bestimmter Resistenzen ist die Beurteilung bei den Grampositiven Erregern einfach, bei den Gramnegativen Erregern dagegen gelingt dies
nicht „auf einen Blick“.
Die folgende Auflistung kann deshalb, was
die Gram-negativen Erreger betrifft, auch
nur Hinweise geben, worauf man achten
muss. Letztlich entscheidend ist nicht allein
die Summe der Antibiotikaresistenzen, sondern vor allem das Resistenzmuster, das aus
den betroffenen Einzelsubstanzen bzw. Antibiotikagruppen resultiert. Um insbesondere ein Gram-negatives Isolat nach seiner
krankenhaushygienischen Bedeutung ein-
ordnen zu können, ist deshalb die eingehende Beschäftigung mit den Antibiogrammen
eine unumgängliche Voraussetzung zur
Sammlung der notwendigen Erfahrung.
Gram-positive Erreger
Bei den Gram-positiven Erregern sind bereits spezielle einzelne Antibiotikaresistenzen entscheidend dafür, dass man einen
Stamm de facto als multiresistent einstufen muss. Folgendes sind sog. „Schlüsselsubstanzen“ bei den im Krankenhaus relevanten Erregern:
Staphylococcus aureus
■ Oxacillin ist bei allen Staphylokokken
das entscheidende Antibiotikum, aber
nur bei S. aureus hat die Oxacillin-Resistenz über die therapeutische Konsequenz hinaus auch epidemiologische
Bedeutung insofern, als sich daraus
spezielle Hygienemaßnahmen ergeben
(siehe Kapitel B.10 „MRSA“); die gleiche Resistenz bei Koagulase-negativen
Staphylokokken erfordert dagegen
keine besonderen Hygienemaßnahmen (siehe Kapitel B.10 „Stellenwert
Oxacillin-resistenter Koagulase-negativer Staphylokokken“).
■ Resistenz gegen Vancomycin – bzw. reduzierte Empfindlichkeit – ist auch
weltweit noch eine Seltenheit und deshalb ein Alarmzeichen.
Enterokokken
■ Enterococcus faecalis ist fast immer
empfindlich gegen Ampicillin; Resistenzen dagegen sind in Deutschland
352
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
sehr selten. E. faecium allerdings ist
normalerweise Ampicillin-resistent.
■ Ganz anders verhält es sich mit Vancomycin: sowohl bei E. faecalis als auch
bei E. faecium ist es ein alarmierendes
Zeichen, wenn ein Stamm gegen Vancomycin resistent ist. Daraus ergeben
sich – wie bei der Oxacillin-Resistenz
von S. aureus – unmittelbare hygienische Konsequenzen.
zelsubstanzen bzw.Antibiotikagruppen resistent sein muss, um als multiresistent bezeichnet werden zu können. Ausnahmen
sind Pseudomonas aeruginosa und Stenotrophomonas maltophilia, die schon natürlicherweise nur gegen sehr wenige Antibiotika empfindlich sind, sodass bei ihnen
bereits zwei Resistenzen ausreichen, um
sie der Kategorie der multiresistenten Erreger zuzuordnen.
Pneumokokken
Acinetobacter baumannii
■ Die meisten Stämme sind in Deutschland gegen Penicillin empfindlich, ein
kleiner Teil eingeschränkt empfindlich;
Penicillin-Resistenz ist demnach ungewöhnlich.
■ Bei Stämmen, die gegen Penicillin resistent sind, können in aller Regel Cephalosporine eingesetzt werden, wobei
jedoch die Empfindlichkeit überprüft
werden muss. Manche Penicillin-resistente Stämme sind nämlich auch gegen
Cephalosporine der Gruppe 3 (z.B. Cefotaxim, Ceftriaxon) resistent.
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
■ Ampicillin/Sulbactam
Gram-negative Erreger
Die Beurteilung der Resistenz von Gramnegativen Erregern ist viel komplizierter
(siehe Kapitel E.2 „Wirkungsspektrum
und Indikationen von Antibiotika“). Zum
einen ist die Zahl an Antibiotikaresistenzen, die ein Stamm aufweist, entscheidend;
zum anderen ist es aber auch die Kombination bestimmter Resistenzen, die entsprechende Aufmerksamkeit hervorrufen
muss. Sog. „alert pathogens“ sind also unter den Gram-negativen Erregern nicht so
leicht zu erkennen wie unter den Grampositiven.
Zur leichteren Orientierung kann eine
Faustregel angewendet werden, nach der
ein Gram-negatives Isolat gegen mindestens drei der im Folgenden genannten Ein-
Citrobacter freundii
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
Enterobacter cloacae
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern
353
Escherichia coli
Pseudomonas aeruginosa
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
■ Piperacillin
■ Ceftazidim
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
Klebsiella pneumoniae
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
Serratia marcescens
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
Stenotrophomonas maltophilia
Morganella morganii
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
Proteus vulgaris
■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin)
■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim,
Ceftriaxon, Ceftazidim)
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Monobactame (Imipenem, Meropenem)
■ Cotrimoxazol
■ Cotrimoxazol
■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
■ Ticarcillin/Clavulansäure
Literatur
1. French GL, Phillips I. Antimicrobial resitance in hospital flora and nosocomial infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage,
Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia,
1999, 1243–1264
2. Fridkin SK. Vancomycin-intermediate and
-resistant Staphylococcus aureus: what the infectious disease specialist needs to know.
Clin Infect Dis 2001; 32: 108–115
3. Weinstein RA, Hayden MK. Multiply drugresistant pathogens: epidemiology and control. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.).
Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 215–236
354
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
10. Multiresistente Erreger
– Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen
Das Auftreten multiresistenter Erreger
schränkt die Möglichkeiten der Therapie
erheblich ein und kann heute schon dazu
führen, dass überhaupt kein in vitro wirksames Antibiotikum mehr zur Verfügung
steht. Man muss also einerseits durch den
rationalen Einsatz von Antibiotika der Selektion resistenter Erreger und möglichen
Resistenzentwicklungen entgegenwirken
und andererseits die Übertragung multiresistenter Erreger, wenn sie entdeckt worden sind, durch geeignete krankenhaushygienische Maßnahmen verhüten [2–8, 10].
„Strenge“ Isolierungsmaßnahmen beim
Nachweis eines multiresistenten Erregers
zu praktizieren, ist keine Lösung; wichtiger
ist ein hygienisch sorgfältiger Umgang mit
allen Patienten im normalen Klinikalltag
(siehe dazu auch Kapitel B.9 „Isolierung
bei Infektion und Kolonisation“). Wenn es
gelingen würde, die Standard-Hygienemaßnahmen (siehe Kapitel B.1 „StandardHygiene“) wirklich zum Standard der Versorgung aller Patienten zu machen, würden Übertragungen weitaus seltener vorkommen:
■ Spezielle Hygienemaßnahmen werden
nicht durch multiresistente Erreger per
se erforderlich, sondern die mangelnde
Implementierung der Standard-Maßnahmen in die tägliche Praxis führt dazu, dass durch Erregerübertragung
aus einem Fall mehrere werden, eine
Situation, die dann häufig nur noch
durch besondere Maßnahmen bewältigt werden kann.
■ Die Standard-Maßnahmen sind in vielen Fällen ausreichend, um Übertra-
gungen zu verhüten: Die Prävention
von Erregerübertragungen kann nicht
erst mit dem Nachweis eines multiresistenten Erregers beginnen, sondern muss
von Anfang an bei der Behandlung jedes Patienten im Zentrum stehen.
Maßnahmen zur Kontrolle multiresistenter
Erreger
Bei Infektionen bzw. Kolonisationen mit
z.B. MRSA, multiresistenten Gram-negativen Stäbchen oder Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) soll durch Einhaltung der folgenden Hygienemaßnahmen, wobei auch sämtliche Standard-Maßnahmen nochmals aufgeführt sind, eine
Übertragung der Erreger auf andere Patienten verhindert werden:
Maßnahmen beim Personal
Händedesinfektion
■ Die üblichen Regeln der Händehygiene müssen sorgfältig beachtet werden.
Dabei muss die gesamte Haut der Hände miteinbezogen werden (insbesondere Fingerspitzen und Daumen).
■ Vor Tätigkeiten an Körperstellen, die
bei Kontamination zu einer Kolonisation oder Infektion führen können (z.B.
Wunden, Venenkathetereinstichstellen)
■ Es muss darauf geachtet werden, dass
eine Verbreitung des Stammes von der
kolonisierten bzw. infizierten Körperstelle in andere Regionen des Körpers
(z.B. von einer Wunde in den Nasen-Rachen-Raum bei beatmeten Patienten)
Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen
verhindert wird, d.h., nach jeder Manipulation an der kolonisierten bzw. infizierten Körperstelle ist eine Händedesinfektion erforderlich, bevor weitere
Tätigkeiten am Patienten oder in seiner Umgebung vorgenommen werden.
■ Nach Ausziehen von Einmal-Handschuhen
■ Auch bei MRSA-Patienten ist nichts
dagegen einzuwenden, ihnen bei der
Begrüßung die Hand zu geben; es besteht dabei kein größeres Kontaminationsrisiko, als wenn der Arzt z.B. nochmals einen körperlichen Befund überprüfen muss.
■ Vor Verlassen des Patientenzimmers
unabhängig davon, ob Patientenkontakt stattgefunden hat, da es evtl. zu einer Kontamination der Hände durch
Kontakt mit kontaminierten Flächen
gekommen ist
Einmal-Handschuhe
■ Bei Kontakt mit kolonisierten bzw. infizierten Körperstellen und deren Sekreten, z.B. beim Verbandswechsel, beim
endotrachealen Absaugen, bei der
Mundpflege, bei Manipulationen am
Blasenkatheter
■ Ausziehen der Handschuhe, wenn die
Tätigkeit beendet ist und ggf. neue
Handschuhe anziehen, wenn eine weitere Tätigkeit an einer anderen Körperstelle nötig ist
■ Nicht mit Handschuhen andere Tätigkeiten (z.B. Eintragungen in die Kurve,
Aufräumarbeiten) im Patientenzimmer durchführen, damit eine Ausbreitung des Erregers so weit wie möglich
verhindert wird
■ Händedesinfektion nach Ausziehen
der Handschuhe
Es erscheint aus psychologischen Gründen
nicht sinnvoll, die Handschuhe bereits bei
355
Betreten des Zimmers anzuziehen (siehe
entsprechende Empfehlung in [6]). Werden Handschuhe nämlich nicht differenziert eingesetzt, können sie eher dazu beitragen, das Risiko von Übertragungen zu
erhöhen, als diese zu verhüten.
Schürzen und Schutzkittel
■ Für übliche pflegerische Tätigkeiten
Schürzen verwenden
■ Nur bei engerem Körperkontakt (z.B.
Umlagern des Patienten, Physiotherapie) langärmeligen Schutzkittel tragen
■ Ohne sichtbare Kontamination kann
die Schutzkleidung mehrfach verwendet werden (dann nach Gebrauch im
Zimmer aufhängen, nicht: vor dem
Zimmer auf dem Gang)
■ Geringe Kontaminationen (z.B. kleiner
Blutfleck) können bei Einmal-Schürzen mit z.B. 80%igem Alkohol abgewischt werden (nach stärkerer Kontamination bzw. nach körperlich anstrengenden Tätigkeiten, wie z.B. Physiotherapie, Schutzkleidung sofort in die Wäsche bzw. den Abfall geben)
■ In der Regel Wechsel auf Allgemeinstationen einmal täglich, auf Intensivstationen in jeder Schicht (zusätzlich bei
Bedarf)
Schutzkleidung soll erst bei Patientenkontakt, nicht aber schon bei Betreten des
Zimmers angezogen werden (meist bei
sog. „Kittelpflege“ üblich). Auch bei
MRSA-Patienten erfordert nicht jede Berührung mit dem Bett des Patienten das
Überziehen von Schutzkleidung, sondern
es muss sich um einen engen und länger
dauernden Kontakt mit dem Patienten
handeln.
Die Kleidung des medizinischen Personals
wird in ihrer Rolle bei der Übertragung
von Erregern weit überschätzt. Sie muss
selbstverständlich sauber sein (und sollte
356
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
deshalb auch eine Farbe haben, die Verunreinigungen leicht erkennen lässt, z.B.
nicht dunkelblau, wie als Bereichskleidung
auf manchen Intensivstationen üblich). Ob
aber optisch saubere Kleidung überhaupt
für die Übertragung von Erregern in Betracht kommt, ist ungeklärt. Selbst wenn
man bei Abklatschuntersuchungen potenziell pathogene Keime auf der (sauberen)
Arbeitskleidung finden kann, fehlt jeder
Beweis dafür, dass sie von dort notwendigerweise auf andere Patienten übertragen
werden [1, 8, 9]. Wesentlich ist dagegen die
Händehygiene; deren Bedeutung scheint
jedoch bei manchen Diskussionen über die
Kleidung in den Hintergrund zu treten.
Masken und Kopfschutz
Bei Versorgung von MRSA-Patienten
können Masken in Situationen, in denen
mit einer starken Aufwirbelung von Staphylokokken in die Luft gerechnet werden
muss (z.B. beim Verbandswechsel einer
ausgedehnten Wundinfektion oder beim
endotrachealen Absaugen eines beatmeten Patienten mit konventionellem Absaugkatheter mit Nachweis von MRSA in
der Wunde bzw. im Trachealsekret), möglicherweise einen Schutz vor nasaler Besiedlung darstellen. Ob diese Maßnahme
allerdings tatsächlich dazu beiträgt, das
Kolonisierungsrisiko zu reduzieren, ist ungeklärt. In allen anderen Situationen aber
sind Masken keine vernünftige Hygienemaßnahme.
Die nasale Besiedlung des Personals mit
MRSA ist zum einen selten, und zum anderen nimmt man an, dass sie eher über die
kontaminierten Hände zustande kommt
(via Selbstinokulation bei den üblichen
und häufigen Hand-Gesichts-Kontakten)
als aerogen, ebenso wie bei nasaler Besiedlung eines Individuums mit S. aureus andere Körperstellen über die Hände und nicht
über die Luft kolonisiert werden (siehe
Kapitel B.10 „MRSA“). Insofern schützt
systematische und sorgfältige Händedesinfektion vor nasaler Besiedlung.
Als Maßnahme für die Infektionsprävention hat also auch die Maske eine untergeordnete Bedeutung. Dasselbe gilt für den
Kopfschutz. Auch im Zusammenhang mit
der Kontrolle anderer multiresistenter Erreger haben Masken und Kopfschutz keine
Bedeutung.
Gerade aber diese beiden – vermeintlichen – Schutzmaßnahmen kann man häufig bei der Isolierung kolonisierter bzw. infizierter Patienten beobachten. Sie werden
offensichtlich vom medizinischen Personal
sehr stark mit „Hygiene“ assoziiert.
Maßnahmen beim Patienten
Einzelzimmer
■ Kolonisierte bzw. infizierte Patienten,
wenn möglich, in einem Einzelzimmer
(mit eigener Nasszelle) unterbringen.
■ Der Patient soll das Zimmer möglichst
nicht verlassen.
■ Wenn möglich, Untersuchungen und
Behandlungen (z.B. Physiotherapie) im
Zimmer durchführen
■ Aufklärung des Patienten und seiner
Angehörigen über die Bedeutung der
Maßnahme, dabei auch auf die Notwendigkeit der Händehygiene hinweisen und erklären, wie man sie korrekt
durchführt (ein Schutzkittel für Besucher ist nicht notwendig)
Damit die Unterbringung im Einzelzimmer erfolgreich sein kann, soll bei Patienten, deren Versorgung aufwändig ist, insbesondere also bei Intensiv- oder Dialysepatienten, nach Möglichkeit eine 1:1-Pflege
realisiert werden, damit das Personal sich
nicht gleichzeitig noch um andere Patienten kümmern muss. Zumindest sollte es
Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen
sich dann aber nicht um ebenfalls pflegeintensive Patienten handeln, die unter Umständen rasche Hilfe benötigen, da unter
Notfall-Bedingungen die Regeln der Standard-Hygiene nicht berücksichtigt werden
können.
Transport im Krankenhaus
■ Da der Patient sein Einzelzimmer nur
in begründeten Fällen verlassen soll,
soll auch jeder Transport entsprechend
medizinisch begründet sein.
■ Besteht eine Wundinfektion, muss evtl.
vor dem Transport ein Verbandswechsel durchgeführt werden, damit der
Verband sauber und trocken ist, wenn
der Patient das Zimmer verlässt.
■ Auch der Patient soll sich, z.B. bei Kolonisierung bzw. Infektion mit MRSA,
vor Verlassen des Zimmers die Hände
desinfizieren. Dies gilt insbesondere
für mobile Patienten.
■ Bettlägerige Patienten sollen nach
Möglichkeit (abhängig von Art und
Ausmaß der Kolonisation bzw. Infektion) auf eine Transportliege umgelagert
oder im Rollstuhl gefahren werden.
Falls aber ein Transport im Bett erforderlich ist, kann man das Bett ggf.
(wenn es nicht mehr frisch und sauber
ist) zuvor neu beziehen, um die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination der
Umgebung außerhalb des Patientenzimmers so gering wie möglich zu halten (ob allerdings tatsächlich das Risiko der Verbreitung des Erregers bei
Transport des Patienten in seinem Bett
so beträchtlich ist, um diese recht umständlichen Maßnahmen zu rechtfertigen, ist ungeklärt).
■ Das Personal, das den Patienten auf
seinem Transport begleitet, soll mit den
Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit
Patienten, die isoliert werden müssen,
vertraut sein.
357
■ Die (Ziel-)Abteilung, in die der Patient
gebracht werden soll, muss zuvor darüber informiert werden, dass ein Patient mit Nachweis eines multiresistenten Erregers zu erwarten ist. Wenn es
medizinisch vertretbar ist, sollte der
Patient bei diagnostischen Maßnahmen ans Ende des Untersuchungsprogramms gelegt werden, um direkten
und indirekten Kontakt mit anderen
wartenden Patienten zu umgehen.
■ Nach der Rückkehr die Transportliege
bzw. den Rollstuhl mit Desinfektionsmittel abwischen und frisch beziehen
Gegenstände für die Patientenversorgung
■ Stethoskope,Thermometer, Blutdruckmanschetten, Stauschläuche etc. nur
patientenbezogen einsetzen
■ Alle anderen Gegenstände erst nach
adäquaten Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen bei anderen Patienten anwenden (siehe unten „Instrumentendesinfektion“)
Wäsche
Die Bettwäsche soll z.B. zweimal pro Woche – häufiger natürlich bei Bedarf – gewechselt werden. Sie muss selbstverständlich sauber aussehen. Ob es aber gerechtfertigt ist, sie bei MRSA-Patienten routinemäßig täglich zu wechseln, wie es
manchmal empfohlen wird, ist ebenso ungeklärt wie der Nutzen anderer „Hygienemaßnahmen“ im Umgang mit MRSA-Patienten.
Beim Abziehen der Bettwäsche soll man
möglichst vorsichtig vorgehen, d.h. das
Bettzeug nicht unnötig aufschütteln und
die Bettwäsche sofort in den am Bett bereitstehenden Wäschesack für normale
Krankenhauswäsche abwerfen. Die Wäsche von Patienten mit multiresistenten
Erregern gehört nicht zur sog. infektiösen
358
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Wäsche nach Unfallverhütungsvorschrift,
da multiresistente Erreger, wenn sie nur
vereinzelt auftreten, nicht meldepflichtig
sind (siehe Kapitel B.6 „Wäscherei“).
Nach Entlassung bzw. Verlegung des Patienten oder nach Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen (falls der multiresistente Stamm nicht mehr nachweisbar ist) werden Bettdecke und Kopfkissen ebenfalls in
die Wäsche gegeben.
Abfall
■ Sämtlicher Abfall wird mit dem sog.
Hausmüll (= Abfall der Gruppe B) entsorgt.
■ Das gilt auch für Verbandsmaterial bei
der Versorgung kolonisierter bzw. infizierter Wunden.
■ Es fällt also bei Patienten mit multiresistenten Erregern in der Regel kein
sog. infektiöser Abfall (= Abfälle der
Gruppe C) an, es sei denn, es würde
sich um einen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtigen Erreger
handeln, der außerdem multiresistent
ist (z.B. resistenter Stamm von M. tuberculosis).
Instrumentendesinfektion
■ Sämtliches Instrumentarium kann ohne vorherige (chemische oder thermische) Desinfektion auf der Station etc.
in die ZSVA transportiert und dort
nach den üblichen Verfahren aufbereitet werden.
■ Muss bei längerer Lagerung auf der
Station (z.B. am Wochenende) das Antrocknen von Blut- bzw. Sekretresten
verhindert werden, werden die Instrumente wie üblich in einen Transportcontainer gelegt, der dann aber soviel
Instrumentenreinigungslösung enthält,
dass die Gegenstände darin eintauchen
können. Die Verwendung eines Desin-
fektionsmittels ist auch bei Kontamination mit multiresistenten Erregern
nicht erforderlich, weil die Instrumente
in der ZSVA ohne direkte Manipulation in die Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen gegeben werden sollen
(siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).
Flächendesinfektion
■ Alle Flächen werden, so weit eine Desinfektion erforderlich erscheint, mit
den hausüblichen Desinfektionsmitteln in normaler Konzentration wischdesinfiziert (sog. laufende Desinfektion, siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“)
■ Nach Entlassung bzw. Verlegung des
Patienten oder nach Aufhebung der
Isolierungsmaßnahmen (falls der multiresistente Stamm nicht mehr nachweisbar ist und der Patient weiter stationär behandelt werden muss) werden
in die Schlussdesinfektion alle erreichbaren horizontalen Flächen des Zimmers einbezogen (je ausgedehnter die
Infektion war, d.h., je wahrscheinlicher
eine Streuung des Erregers in die weitere Patientenumgebung gewesen ist,
um so gründlicher).
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360
B
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
10. Multiresistente Erreger
– MRSA
Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) spielen im Bewusstsein des
medizinischen Personals inzwischen eine
außergewöhnlich große Rolle. Ihre Bedeutung liegt zweifellos in der Häufigkeit ihres
Auftretens weltweit. Das zunehmende
Auftreten von MRSA in den vergangenen
drei Jahrzehnten wird in erster Linie als
Ausdruck mangelhafter hygienischer Versorgung interpretiert [12, 55, 89]. Daneben
ist aber der Selektionsdruck durch häufigen Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika, die resistente Keime wie MRSA sozusagen „übrig lassen“, ein wesentlicher Faktor [55, 110].
onsdruck von Breitspektrum-Antibiotika
oder durch Übertragung.
Obwohl im Bewusstsein des medizinischen
Personals bei der Kontrolle von MRSA radikale Isolierungsmaßnahmen einen wichtigen Platz einnehmen, zeigen viele Veröffentlichungen, dass eine gute Standard-Hygiene wichtiger ist; dies gilt auch für Ausbruchssituationen [6, 14, 16, 85, 90]. Aus
Großbritannien wurde z.B. berichtet, dass
aus dem Übergang von den relativ strikten,
aufwändigen Maßnahmen, die dort seit
Mitte der 1980er Jahre empfohlen wurden,
hin zu einer guten Standard-Hygiene keine
negativen Erfahrungen resultierten [6].
Mit diesem Kapitel soll gezeigt werden,
dass die MRSA-Problematik nur verständlich ist, wenn man über S. aureus Bescheid
weiß, und dass Hygienemaßnahmen selbstverständlich wichtig sind, aber ihre Reduzierung auf Einzelzimmer, Kittel, Masken
und Nasenabstriche zum einen der Gesamtproblematik multiresistenter Erreger
nicht gerecht wird und zum anderen das
Problem multiresistenter Erreger allein
nicht lösen können wird. MRSA – und andere multiresistente Erreger – sind ein
multikausales Phänomen und müssen deshalb auch entsprechend differenziert angegangen werden. Die Reduzierung auf einfache Formeln bringt möglicherweise
kurzfristige Verbesserungen, kann aber
langfristig keinen Erfolg haben.
Dies muss schon deshalb betont werden,
weil spezielle Isolierungsmaßnahmen nur
bei dem als MRSA-besiedelt identifizierten Teil der Patienten angewendet werden
können, ein wesentlicher Teil der Patienten mit MRSA aber unerkannt mit dieser
Besiedlung bereits stationär aufgenommen wird oder einen solchen Stamm unbemerkt während des Aufenthaltes im Krankenhaus erwirbt, sei es durch den Selekti-
Über MRSA wird viel geredet, und fast
keine Tagung einer klinischen medizinischen Fachgesellschaft kommt mehr ohne
dieses Thema aus. Es scheint demnach viel
Wissen über MRSA vorhanden zu sein.
Bei näherer Betrachtung jedoch reduziert
sich dieses Wissen auf Stereotypien: die
Isolierung der Patienten im Einzelzimmer
und das Tragen von Kitteln und Masken
durch das Personal; daneben spielen
Screening-Untersuchungen ein herausragende Rolle.
Epidemiologie von Staphylococcus aureus
MRSA sind S. aureus-Stämme, die gegen
Oxacillin resistent sind; insofern handelt es
sich auch bei MRSA also um Vertreter der
MRSA
Spezies S. aureus. Um zu verstehen, welche
Kontrollmaßnahmen beim Auftreten von
MRSA erforderlich sind, muss man sich
deshalb zunächst mit der Epidemiologie
von S. aureus beschäftigen. Dazu gibt es
umfangreiche klassische Literatur, vieles
davon aus der Zeit, zu der S. aureus zum einen durch Produktion von Betalaktamase
schon Penicillin-resistent geworden war
und zum anderen durch epidemische
Stämme Aufsehen erregte, die insbesondere in der Neonatologie zu großen Problemen führten [67, 98, 110]. Diese Situation
führte zur Entwicklung der halbsynthetischen, sog. Penicillinase-festen Penicilline
(z.B. Methicillin, Oxacillin), gegen die die
Betalaktamase- bzw. Penicillinase-positiven Stämme zunächst sensibel waren
(MSSA) (siehe Kapitel E.7 „Mikrobielle
Resistenz“).
Natürliches Reservoir von S. aureus
Nasale Besiedlung
Menschen (und Säugetiere, z.B. Rinder,
Schafe) sind ein natürliches Reservoir für
S. aureus [1, 20, 33, 67, 69, 78, 99, 110]. Eine
Schlüsselrolle kommt beim Menschen der
nasalen Besiedlung in der vorderen Nasenhöhle (Vestibulum nasi) zu [20, 69]. Es
gibt Individuen, die nie kolonisiert sind
(ca. 20%), ferner intermittierend besiedelte Personen (ca. 60%) und schließlich persistierende Träger von S. aureus in der Nase (ca. 20%) [20, 69]. Diese letzte Gruppe
scheint durch das dauerhafte Trägertum
vor der Besiedlung mit exogenen Stämmen geschützt zu sein, zumindest solange
sie nicht mit Antibiotika behandelt wird
[69]. Die Ursache für die unterschiedlichen
Besiedlungsraten sind vermutlich genetisch bedingt insofern, als die Adhäsion
von S. aureus durch spezielle Oberflächenstrukturen der Epithelzellen, die ihrerseits
an komplementäre bakterielle Oberflä-
361
chenstrukturen binden, gefördert wird [69,
110].
Je nachdem, welche Personengruppen untersucht werden, kann die nasale Besiedlung deutlich unterschiedlich sein, aber
auch innerhalb der einzelnen Gruppen
gibt es eine relativ große Streubreite [20,
69]:
■ Normalbevölkerung
19–55 %
■ Krankenhauspersonal
17–56 %
■ Patienten bei stationärer
Aufnahme
10–85 %
■ Hospitalisierte Patienten
14–55 %
■ Patienten mit Diabetes mellitus
– Insulin-pflichtig
24–76 %
– nicht-Insulin-pflichtig
11–35 %
■ Dialyse-Patienten
– Hämodialyse
30–84 %
– CAPD
17–51 %
■ Chronische Niereninsuffizienz
(ohne Dialyse)
14–33 %
■ Drogenabhängige
– intravenös
34–61 %
– nicht-intravenös
9–49 %
■ S. aureus-Hautläsionen
42–100 %
■ HIV-positive Patienten
(nicht-intravenös
Drogenabhängige)
27–55 %
■ Neugeborene
– bei Geburt
ca. 2 %
– 2 Wochen alt
60–70 %
– nach 2 Wochen im
Krankenhaus
80–100 %
Gemeinsames Kennzeichen bei den Subgruppen mit erhöhten Trägerraten – außer
HIV-positiven Personen und Neugeborenen – ist die wiederholte oder dauerhafte
Punktion der Haut mit Kanülen oder intravasalen Kathetern; das pathogenetische
Prinzip ist jedoch unbekannt. Auch für die
häufigere Besiedlung von HIV-positiven
Personen, die nicht intravenös drogenabhängig sind und deshalb nicht zu den Subgruppen mit rezidivierender Punktion der
362
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Haut gehören, gibt es nur den vagen Hinweis auf den speziellen Immundefekt
durch die HIV-Infektion [69].
Besiedlung der Körperhaut mit S. aureus
In der Praxis begegnet man beim Personal
häufig der Vorstellung, dass jeder Kontakt
mit S. aureus – heute macht man sich diese
Gedanken allerdings nur im Zusammenhang mit MRSA – zwangsläufig in einer
Besiedlung resultieren würde. In experimentellen Untersuchungen konnte jedoch
gezeigt werden, dass die Realität weniger
auswegslos ist als angenommen.
Ein Ergebnis war z.B., dass die Überlebensrate von S. aureus auf der Haut der
Versuchspersonen fünf Stunden nach Auftragen und Antrocknung der Keimsuspension ebenso hoch – bzw. niedrig, nämlich
ca. 1% des Inokulums – war wie auf Glas;
das andere Ergebnis war, dass die relative
Luftfeuchtigkeit einen entscheidenden
Einfluss hatte, und zwar überlebten umso
mehr Bakterienzellen, je höher die umgebende Feuchtigkeit war [72].
Diese Ergebnisse passen zu der bekannten
Tatsache, dass S. aureus insbesondere an
feuchten Körperstellen gefunden werden
kann: Nasenhöhle, Perineum, Axillen, intertriginöse Areale, Leistengegend. Trockenheit führt demnach auch bei S. aureus
zum Absterben der Zellen, wenngleich bekanntermaßen Staphylokokken – ebenso
wie Streptokokken – in trockenem Milieu
sogar in der unbelebten Umgebung eine
Zeit lang überleben können – allerdings in
abnehmender Keimzahl (siehe unten).
Besiedlung mit S. aureus als Risikofaktor
für S. aureus-Infektion
Die nasale Besiedlung mit S. aureus erhöht
das Risiko, eine S. aureus-Infektion zu erwerben [20, 33, 67, 69, 78, 99, 110, 123]. Die-
ser Zusammenhang gilt jedoch nicht für
gesunde Normalpersonen jeder Altersgruppe, sondern erfordert besondere Voraussetzungen, wie insbesondere eine Störung der Integrität der Haut. Insofern trifft
dies auf chirurgische Patienten sowie auf
Hämodialyse-Patienten und Patienten unter kontinuierlicher ambulanter Peritonealdialyse (CAPD) zu [20, 69, 123]. Diese
Patienten entwickeln daher S. aureusInfektionen aus ihrem endogenen Erregerreservoir (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“ und
Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im
Operationsgebiet“). Zahlreiche Untersuchungen zur Dekolonisierung mit Mupirocin oder PVP-Jod-Verbindungen wurden
aus diesem Grunde durchgeführt (siehe
unten).
Lebensfähigkeit von S. aureus
in trockenem Milieu
Mit Hinweis auf die Überlebensfähigkeit
von Staphylokokken in trockenem Milieu
werden heute zum Schutz vor der Übertragung von MRSA z.T. erstaunliche Maßnahmen ergriffen, um „Staphylokokken
im Staub“ zu eliminieren:
■ Beispielsweise werden sämtliche unbenutzte, noch verpackte Materialien, wie
z.B. Spritzen und Kanülen, die bei einem Patienten mit Nachweis von
MRSA im Zimmer vorrätig gehalten
wurden, nach dessen Entlassung verworfen, weil die Verpackung – nicht
sichtbar – mit MRSA-haltigem Staub
kontaminiert sein könnte.
■ Oder: Das Reinigungspersonal, das ein
Zimmer nach der Entlassung eines
MRSA-Patienten herrichten soll, muss
eingekleidet mit Schutzkittel, Kopfschutz, Maske und Handschuhen das
Zimmer betreten und soll sich im Zimmer bei geschlossener Tür von der Sei-
MRSA
te, die der Tür am entferntesten ist, systematisch zur Zimmertür hin- bzw. zurückarbeiten, um auf diese Weise eine
nachträgliche Kontamination des Eingangsbereichs zu verhindern.
Die Liste solcher Rituale ließe sich erweitern; ihnen liegt die Unkenntnis über die
klassischen Untersuchungen mit Staphylokokken zugrunde, in denen schon vor mehreren Jahrzehnten gezeigt werden konnte,
dass Staphylokokken zwar im trockenen
Milieu eine Zeit lang überleben können,
dass dabei aber verschiedene Faktoren,
wie relative Luftfeuchtigkeit, Licht, Temperatur, spezielle Eigenschaften der individuellen Stämme usw., die Absterberate beeinflussen.
Diese Untersuchungen wurden durch die
Referierung ihrer Resultate in immer verkürzterer Version auf die Formel reduziert:
„Staphylokokken überleben im Staub“. Es
ist nicht verwunderlich, dass diese einfache
Formel schließlich vor allem von denjenigen aufgegriffen wird, die – zumindest in
unserem Ausbildungssystem – nicht gelernt
haben, diese Aussagen auf ihre Richtigkeit
zu untersuchen. Und so ist insbesondere in
manchen Kreisen von Hygienefachkräften
die Auffassung verbreitet, dass „Staphylokokken im Staub“ ein wesentliches Hygienerisiko im Krankenhaus darstellen würden. Die Frage, wo es in Patientenbereichen von Krankenhäusern in den reichen
Ländern wie Deutschland überhaupt sichtbaren Staub geben soll, bleibt dabei ebenso unberücksichtigt wie die Frage, ob dieses
Phänomen, wenn man es einmal unkritisch
als gegeben annimmt, eine epidemiologische Bedeutung bei der Entstehung von
Staphylokokken-Infektionen hat.
Hier ist es Aufgabe von Krankenhaushygienikern, Klarheit zu schaffen. Weil das
Thema „Staphylokokken und Staub“ – sowie davon abgeleitet „Staphylokokken
363
und aerogene Übertragung“ – so dominant ist, sollen im Folgenden einige vorwiegend ältere Untersuchungen, auf die
immer wieder pauschal Bezug genommen
wird, kurz vorgestellt werden [8, 61, 62, 76,
81, 97, 112]:
■ In frühen experimentellen Untersuchungen wurde gezeigt, dass für S. aureus (und A-Streptokokken) die Absterberate bei hoher Luftfeuchtigkeit
(>80%) größer ist, d.h., ein eher trockenes Klima fördert das Überleben der
Bakterienzellen [76]. Bei diesen Experimenten wurden kontaminierte Staubflocken in offenen Petrischalen bei
kontrollierter Luftfeuchtigkeit in kleinen Versuchskammern exponiert. Bei
der Beurteilung der Ergebnisse muss
zum einen berücksichtigt werden, dass
es in jedem Fall zum Absterben der
Bakterienzellen kommt (also auch bei
niedrigerer, ca. 44%, und damit eher
günstiger Luftfeuchtigkeit), und ferner,
dass Temperatur und Licht ebenfalls einen – allerdings in dieser Studie nicht
bestimmten – Einfluss auf die Lebensfähigkeit der Bakterienzellen haben.
■ In anderen experimentellen Situationen konnte gezeigt werden, dass bei S.
aureus-Suspensionen nach Antrocknung auf Glas bei Zimmertemperatur
die Keimzahl nach sechs Tagen um
90% abnahm; außerdem hatten die trockenen Bakterienzellen eine umso längere Lag-Phase (= Zeit bis zum Beginn
der logarithmischen Wachstumsphase),
je länger sie trocken gelagert worden
waren [81]. Ferner war die Plasmakoagulase-Reaktion verlängert, ihre Überlebenszeit in menschlichem Plasma
aber verkürzt, ihre potenzielle Virulenz
also eher vermindert.
■ In einer tierexperimentellen Untersuchung mit Mäusen, in der S. aureus-Zellen nach Trocknung intramuskulär, in-
364
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
travenös oder intrazerebral verabreicht
wurden, zeigte sich darüber hinaus,
dass die trockenen Bakterienzellen einen Großteil ihrer In-vivo-Virulenz
verloren hatten [61].
■ In einer anderen Untersuchung sollte
im Kontrast zu diesen Untersuchungen
die natürliche Situation imitiert werden, in der bakterientragende Hautschuppen in Textilien abgelagert werden [97]. Verwendet wurden zusätzlich
zu dem damals üblichen Laborstamm
(Wood 46) S. aureus-Stämme aus klinischem Untersuchungsmaterial, darunter vorwiegend Stämme, die im Rahmen von Ausbrüchen isoliert worden
waren, also sog. epidemische Stämme.
Diese Stämme blieben nach Kontamination der Textilien (1×107 KBE/cm2)
während 14 Tagen zahlenmäßig nahezu
unverändert und überlebten auf Wollstoffen besser als auf Baumwolle. Wie
die Stämme sich auf glatten Oberflächen, wie z.B. Glas, verhalten, wurde
nicht untersucht.
■ Wegen der auch schon vor 40–50 Jahren häufig gestellten Frage nach der aerogenen Übertragbarkeit von Staphylokokken wurde die Überlebensrate
von künstlich aerosolisierten S. aureus
(6×105 KBE/m3) untersucht [112]. Die
Autoren führten zum einen die Schwierigkeiten, die es mit der Standardisierung der experimentellen Bedingungen
gab, sowie das Problem der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse aus und
stellten zum anderen – unter Vorbehalt
– fest, dass sog. epidemische Stämme
nicht besser in Luft überlebten als andere Stämme.
■ Untersuchungen aus neuerer Zeit zeigten Stamm-abhängige unterschiedliche
Überlebensraten auf Baumwollstoff
(Kontamination mit 5×107 KBE/4cm2),
wobei Unterschiede zwischen MRSA
und MSSA auf der einen Seite und Koagulase-negativen Staphylokokken auf
der anderen Seite nicht beobachtet
wurden [8]. Goldgelb-pigmentierte S.
aureus-Stämme überlebten länger als
Stämme ohne Pigment.
■ Weitere Untersuchungen, wie z.B. [62],
bestätigten die Ergebnisse der frühen
Studien, wonach die Absterberate auch
bei Staphylokokken zunächst hoch, im
trockenen Zustand dann aber reduziert
war.
Die Schlussfolgerung mancher Autoren allerdings, dass Erreger, die auf festen Oberflächen oder Stoff trotz Trockenheit, wenn
auch zahlenmäßig reduziert werden, so
doch lebensfähig bleiben, kann nicht als
Begründung dafür verwendet werden, dass
sie auch auf aerogenem Weg übertragen
werden. Dazu müsste es nach dem Antrocknen zu einer relevanten Resuspension kommen; wie dies aber auch angesichts
der täglichen Reinigungsarbeiten in Krankenhäusern geschehen soll, wird nicht angesprochen.
Im normalen Klinikalltag werden Oberflächen und Fußböden in Patientenzimmern
täglich, in manchen Bereichen sogar mehrmals täglich, gereinigt; ferner werden die
Bettwäsche der Patienten und die Arbeitskleidung des Personals regelmäßig gewechselt, sodass sie immer sauber sind.
Das bedeutet, dass die Keimzahlen z.B. auf
Oberflächen, die bei der Patientenversorgung – nicht sichtbar – kontaminiert wurden, ohnehin durch die routinemäßigen
Reinigungsmaßnahmen wesentlich reduziert werden. Welche praktische Bedeutung angesichts dieser Realität die Tatsache haben soll, dass Staphylokokken nach
Kontamination von z.B. glatten Oberflächen mit hohem Keimzahlen noch nach
14 Tagen nachweisbar sein können, bleibt
offen.
MRSA
Wollene Strickjacken über der Arbeitskleidung getragen, wie gelegentlich bei
Krankenschwestern sogar auf chirurgischen Stationen zu beobachten, sind, auch
ohne die Ergebnisse der oben genannten
Untersuchung [97] zu kennen, nicht mit
den Sauberkeitsanforderungen bei der Patientenversorgung zu vereinbaren, weil sie
noch nicht einmal alle paar Tage gewaschen werden. Die Arbeitskleidung aus
Baumwolle (heute eher aus Mischgewebe)
kommt jedoch – unter der Voraussetzung,
dass sie optisch sauber ist – ebenfalls nicht
als relevantes Übertragungsmedium in
Frage: ihre Kontamination mit potenziell
pathogenen Keimen konnte zwar wiederholt gezeigt werden, ein epidemiologischer
Zusammenhang mit der Übertragung von
Erregern wurde jedoch nie hergestellt [2,
14, 82, 90].
Übertragung von S. aureus
Die schweren Ausbrüche von S. aureus-Infektionen durch Betalaktamase-produzierende Stämme in den 1950er Jahren waren
Anlass für zahlreiche Untersuchungen
über den Übertragungsmodus von Staphylokokken. Nur in wenigen Fällen handelte
es sich um klinische Studien [31, 32, 52, 53,
88, 128, 129]. Folgende Aspekte wurden herausgestellt:
■ Bei nasaler Besiedlung könne S. aureus
beim Ausatmen in Form von Tröpfchen
oder Tröpfchen-Kernen freigesetzt werden, durch den Fluss des Nasensekrets
bzw. durch Hand-Gesichts-Kontakte in
die Umgebung der Nase und an andere
Körperstellen bzw. an die Kleidung
oder schließlich durch Verschlucken in
den Darm und damit über die Ausscheidung im Stuhl an die Außenwelt
gelangen [52]. Die Autoren sahen die
Konsequenz aus ihren – experimentell
nicht belegten – Schlussfolgerungen
365
darin, dass S. aureus, einmal an die Körperoberfläche gelangt, dann in die Luft
freigesetzt und von anderen Personen
inhaliert wird. Ein Hinweis auf eine
Kontamination der Hände und damit
auf die Übertragung via Hände des
Personals findet sich in dieser Publikation nicht.
■ In umfangreichen Untersuchungen bei
Versuchspersonen an verschiedenen
Körperstellen wurde gezeigt, dass neben der Nase in erheblichem Unfang
auch die Perinealregion kolonisiert ist,
dass aber perineale Träger nicht notwendigerweise auch nasal besiedelt
sind bzw. dort andere Stämme aufweisen können [53]. Es wurde keine Korrelation zwischen der Keimzahl in der
Nase und dem Ausmaß der Kontamination von Haut und Kleidung beobachtet, auch kam es nicht zu einer Zunahme der Keimzahl auf der Haut oder der
Kleidung. Schließlich fand sich ebenfalls keine Korrelation zwischen der
Keimzahl in der Nase und dem Ausmaß
der Streuung in die Umgebung.
■ Das „cloud baby“- bzw. das „cloud
adult“-Phänomen – also die Interaktion zwischen nasaler Besiedlung mit S.
aureus und einer Virusinfektion der
oberen Atemwege, die in einer beträchtlichen Streuung von S. aureus
(quasi in Form einer Wolke um die Person herum) resultiert – wurde bereits in
Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ besprochen (siehe auch PeanutsComic auf S. V und VI) [32, 107]. Inwieweit diese Theorie für die Übertragung
von S. aureus tatsächlich von Bedeutung
ist, ist nach wie vor ungeklärt. Möglicherweise ist – zumindest bei Personen
in der Krankenversorgung – nicht so
sehr eine Wolke aus S. aureus, von der eine nasal besiedelte Person mit Schnupfen möglicherweise umgeben ist, son-
366
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
dern eher einmal mehr die Hände bedingt durch den bei Erkältungen noch
häufigeren Kontakt der Hände mit
dem Gesicht (Schnäuzen, Husten mit
Hand vor dem Mund) als schon normalerweise für Übertragungen ausschlaggebend [13].
■ Eine andere Untersuchung mit Neugeborenen zeigte, dass die Kinder die S.
aureus-Stämme besiedelter Schwestern
erwarben, nicht aber die Stämme von
Index-Kindern mit S. aureus [129]. Die
Ergebnisse zeigten ferner, dass die
Übertragung nicht aerogen oder durch
große Tröpfchen zustande kam, sondern via Hände bei der Versorgung der
Kinder, und dies, obwohl die Schwestern Masken trugen.
■ Es konnte ferner gezeigt werden, dass
das Ausmaß der Kontamination der
Haut mit S. aureus abhängig ist von der
Keimzahl in der Nase: bei geringeren
Keimzahlen (<105 KBE) war die Haut
nur selten (5%) kolonisiert, bei Keimzahlen >105 KBE dagegen in etwa der
Hälfte der Fälle; jedoch stimmten die
Phagentypen nur in knapp 60% mit denen in der Nase überein [128]. Bei Luftkeimzahluntersuchungen in der Nähe
der (ruhenden) Patienten war ein
Nachweis von S. aureus bei Personen
mit hohen Keimzahlen in der Nase
(>105 KBE) nur in maximal 25% möglich, wurden die Bettdecken der Patienten dagegen geschüttelt fanden sich in
ca. 50% positive Luftproben. Nur
knapp 30% der Phagentypen aus Nase
oder Luft stimmten jedoch überein.
■ Dass die Abgabe von S. aureus bei nasaler Besiedlung auch innerhalb von Familien abhängig ist von der Keimzahl,
wurde in einer weiteren Studie gezeigt,
wobei Übertragungen von Kindern auf
Familienangehörige bei Keimzahlen
>103 KBE beobachtet wurden [31]. An-
gesichts der engeren Kontakte innerhalb einer Familie im Vergleich zum
Kontakt zwischen Personal und Patienten im Krankenhaus sind Übertragungen auch bei geringeren Keimzahlen
nachvollziehbar.
■ Eine häufig als Beleg für eine aerogene
Übertragung von S. aureus zitierte Studie wurde wiederum bei Neugeborenen
durchgeführt, konnte aber eine – auch
nur vermutliche – Übertragung durch
die Luft nur in maximal 10% der Fälle
nachweisen [88]. Viel bedeutsamer dagegen war die Übertragung via Hände
des Personals. Die Autoren, die – entsprechend der damals dominanten Hypothese – das Ausmaß der aerogenen
Übertragung von S. aureus untersuchen
wollten, stellten fest, dass die aerogene
Übertragung nur für einen kleinen Teil
der Übertragungen bei Neugeborenen
in Frage kommt, dass aber eine effektive Händehygiene die Verbreitung von
S. aureus beträchtlich reduziert.
Die Untersuchungen zur Übertragbarkeit
von S. aureus aus den 1950er und 1960er
Jahren sind geprägt von der Vorstellung,
dass der aerogene Übertragungsweg eine
wichtige Rolle spielen würde; dies vermutlich deshalb, weil für die damaligen Epidemien nur einige wenige Phagentypen verantwortlich waren. Heute dagegen liegt die
aerogene Übertragungstheorie schon deshalb ferner, weil ein polyklonales Auftreten von S. aureus sowohl in endemischem
wie in epidemischem Rahmen zu beobachten ist. Dadurch wird die endogene Flora
sowie die exogene Übertragung durch die
Hände des Personals wesentlich wahrscheinlicher [99].
Mit Verweis auf die klassischen Untersuchungen wird auch heute wiederholt auf
eine als sicher anzunehmende aerogene
Übertragbarkeit von S. aureus verwiesen.
MRSA
Allerdings haben schon die klassischen
Untersuchungen gezeigt (und dies ist in
den Publikationen auch explizit ausgeführt), dass Übertragungen durch große
Tröpfchen oder Tröpfchenkerne nur selten, wenn überhaupt, vorkommen, dass
aber entscheidend für die Verbreitung von
S. aureus die Übertragung über die Hände
des Personals ist. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass immer dann, wenn
die Möglichkeit einer aerogenen Übertragung besteht, regelmäßig ebenfalls die
Möglichkeit einer Übertragung auf anderem Wege gegeben ist [126].
Bemerkenswert ist jedoch, dass heute die
vermeintliche aerogene Übertragung von
Staphylokokken nur bei MRSA für bedeutsam gehalten, bei normal empfindlichem S. aureus aber nicht mehr erwähnt
wird. Dies ist erstaunlich, weil nach wie vor
Infektionen mit Oxacillin-empfindlichen
Stämmen dominieren [1, 7, 106]; im Bewusstsein des Personals sind es jedoch offenbar MRSA.
Epidemiologie von MRSA
Ursprung und internationale Verbreitung
von MRSA
Zum Ursprung von MRSA gibt es die vorherrschende Theorie, dass das mecA-Gen,
das die Methicillin- bzw. Oxacillin-Resistenz kodiert, vor Jahrzehnten von relativ
wenigen S. aureus-Stämmen horizontal –
möglicherweise via Transposon – erworben wurde [23, 70, 79]. In der Folgezeit sei
es zur Ausbreitung dieser Stämme gekommen, wofür zum einen der Selektionsdruck
von Breitspektrum-Antibiotika, zum anderen konstante hygienische Defizite bei
der Patientenversorgung verantwortlich
seien [23, 79].
Über die internationale Verbreitung verschiedener MRSA-Klone gibt es zahlrei-
367
che Berichte [z.B. 25, 115, 127]. Inzwischen
gibt es darüber hinaus aber auch Belege
dafür, dass S. aureus-Stämme wiederholt
das mecA-Gen durch lateralen Gen-Transfer erworben haben, sodass sich MRSAStämme unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt haben
und nicht von einigen wenigen zur selben
Zeit entstandenen Vorläufer-Stämmen abstammen [35]. Kürzlich wurde außerdem
über ein MRSA-Isolat berichtet, das in vivo das mecA-Gen und damit die Methicillin-Resistenz verloren hat [121]. Welche
Bedingungen Erwerb bzw. Verlust des
mecA-Gens fördern, ist jedoch noch unklar.
MRSA außerhalb von Krankenhäusern
Seit den 1990er Jahren gibt es zunehmend
Berichte über das Auftreten von MRSA
außerhalb von Krankenhäusern. Als Risikofaktoren wurden niedriger sozialer Status, beengte Lebensbedingungen und dadurch bedingt häufiges Auftreten von
Hautinfektionen genannt [43, 45, 46]. Aus
den USA und Europa wird über das Auftreten von MRSA bei intravenös Drogensüchtigen berichtet [21, 37]. MRSA wurde
aber auch bei Personen – einschließlich
Kindern – ohne jegliche Risikofaktoren,
wie z.B. Hospitalisierung in den 12 Monaten zuvor oder chronische Krankheit, gefunden [38, 39, 43, 45, 46, 65, 66, 113].
Häufig fallen diese Stämme dadurch auf,
dass sie nur gegen Oxacillin resistent sind,
im Gegensatz zu den in Krankenhäusern
hauptsächlich anzutreffenden MRSAStämmen aber gegen relativ viele andere
Antibiotika (außer Betalaktam-Antibiotika), die prinzipiell bei S. aureus-Infektionen einsetzbar sind, empfindlich sind [38,
45, 46, 65, 66]. Bei Kindern wurde über Todesfälle berichtet, wobei vermutet wird,
dass der schwere Verlauf bei diesen Patienten durch die Tatsache gefördert wurde,
368
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
dass sie empirisch primär mit einem Cephalosporin behandelt worden waren [21].
Da S. aureus ein häufiger Erreger von Infektionen im Kindesalter ist, impliziert diese Entwicklung möglicherweise, dass die
empirischen Therapieregime bei schweren
Infektionen entsprechend geändert werden müssen [21].
Man muss also damit rechnen, dass die
Prävalenz von MRSA außerhalb von
Krankenhäusern zunehmen wird. Angesichts der Entwicklung der vergangenen
50 Jahre mit Ausbreitung der Penicillinasebildenden S. aureus (MSSA), die zunächst
auch auf Krankenhäuser beschränkt waren, in der Allgemeinbevölkerung wäre
eine vergleichbare Ausbreitung von
MRSA nicht an sich überraschend, wenn
auch im Hinblick auf die Häufigkeit von
S. aureus als Infektionserreger einerseits
und der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten bei MRSA-Infektion andererseits beunruhigend.
Diese Entwicklung ist möglicherweise wegen der Häufigkeit, mit der S. aureus bei
Mensch und Tier in erster Linie als normaler Kolonisationskeim vorkommt, unvermeidlich – wie vor Jahrzehnten die Ausbreitung der Betalaktamase-positiven Varianten von S. aureus trotz massiver Anstrengungen, die heute als „Krieg“ gegen
diese Erreger bezeichnet werden [99],
nicht verhindert werden konnte, sodass
diese Stämme inzwischen auch außerhalb
des Krankenhauses die Regel sind, die Betalaktamase-negativen Stämme dagegen
die seltene Ausnahme.
Für Krankenhäuser bedeutet dies, dass ein
zunehmender Teil von Patienten mit einer
– zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme (noch) unbekannten – MRSA-Besiedlung aufgenommen wird. Obwohl systematische Untersuchungen dazu noch fehlen,
kann schon jetzt auf der Basis vorläufiger
Daten vermutet werden, dass in manchen
Regionen der BRD ein beträchtlicher Teil
– mindestens ein Drittel – der Patienten,
bei denen im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes MRSA nachgewiesen wird,
schon vorher mit dem Stamm kolonisiert
war. Dabei ist klar, dass wiederum ein großer Teil dieser Patientengruppe aufgrund
früherer Krankenhausaufenthalte mit
MRSA besiedelt ist. Betroffen sind vor allem Patienten mit Krankenhausaufenthalt
innerhalb der vergangenen 12 Monate,
chronischen Ulzera, enteralen Ernährungssonden und anderen chronischen invasiven Maßnahmen [21, 37, 45, 46].
In Großbritannien wurden 1995 Hinweise
für den Umgang mit MRSA außerhalb von
Krankenhäusern mit spezieller Berücksichtigung von Pflege- und Altenheimen
publiziert, die im Folgenden zusammengefasst werden sollen (spezielle Hygienemaßnahmen siehe im nächsten Abschnitt
„Maßnahmen zum Schutz vor MRSA“)
[27]:
■ Eine Besiedlung mit MRSA ist normalerweise kein Hindernis für die Entlassung von Patienten nach Hause oder
die Verlegung in Pflege- bzw. Altenheime.
■ Bei Beachtung einfacher Hygieneregeln ist der Träger kein Risiko für seine
Angehörigen, für Personal in Pflegeund Altenheimen und für andere Personen in seiner Umgebung.
■ Grundlegendes Prinzip der Infektionskontrolle ist auch außerhalb des Krankenhauses die sog. Standard-Hygiene,
an vorderster Stelle die Händehygiene.
■ In jedem Pflege- und Altenheim soll es
einen schriftlichen Hygienestandard
und eine für die Hygiene speziell verantwortliche Person geben (z.B. vergleichbar dem Hygienebeauftragen in
Krankenhäusern).
MRSA
Besiedlung mit MRSA
Hinsichtlich der Körperstellen gibt es bei
der Besiedlung von MRSA und MSSA
keine Unterschiede. Im Folgenden sollen
die Besonderheiten bei Patienten und Personal getrennt behandelt werden:
Patienten
Zu den Risikofaktoren für eine Besiedlung mit MRSA gehört die systemische
Gabe von Antibiotika, wodurch u.a. die
Zusammensetzung der Nasenflora verändert wird [20, 31, 69]. MRSA sind bekannterweise meist gegen eine Reihe von normalerweise gegen Staphylokokken wirksamen Antibiotika resistent [23, 79]. Aus den
klassischen S. aureus-Untersuchungen ist
wiederum bekannt, dass die Gabe von Tetracyclin bei Besiedlung mit Tetracyclinresistenten S. aureus-Stämmen zu einer
vermehrten Freisetzung in die Umgebung
führte [31].
Dies kann analog für MRSA bedeuten,
dass die Gabe von Antibiotika, die gegen
MRSA nicht wirksam sind, ebenso deren
Verbreitung gefördert hat und weiterhin
fördert und zwar um so mehr, je breiter das
Wirkungsspektrum der eingesetzten Antibiotika ist: die vorwiegend hochempfindliche Normalflora des Körpers wird – als an
sich unbeabsichtigter Nebeneffekt – durch
Breitspektrum-Antibiotika beträchtlich
reduziert und kann deshalb mit multiresistenten Stämmen wie MRSA nicht mehr
ausreichend in Konkurrenz treten, sodass
die multiresistenten Stämme, die von
Breitspektrum-Antibiotika nicht erreicht
werden, einen Überlebensvorteil bekommen und sich vermehren können. Vielleicht kann auf diese Weise manches unerwartete Auftreten von MRSA bei länger
hospitalisierten Patienten, die keinen direkten oder indirekten Kontakt mit anderen MRSA-Patienten hatten, erklärt wer-
369
den. Auf der Basis dieser Theorie wurde
versucht, eine Eliminierung von MRSA
durch Interferenz mit Keimen der Normalflora zu erreichen [117].
Möglicherweise ist also der Faktor der Selektion von MRSA durch Antibiotika für
die weltweite Verbreitung von MRSA bedeutsamer als mangelnde hygienische
Sorgfalt bei der Patientenversorgung, und
zwar insofern als der breite Einsatz von
Antibiotika der eigentlich kausale Faktor
ist und Hygienedefizite erst sekundär auf
dem Boden der durch Selektion veränderten Körperflora – quasi supportiv – wirksam werden können. Vielleicht ist darin
auch wenigstens teilweise die Erklärung
für das auffällige Süd-Nord-Gefälle der
MRSA-Prävalenz in Europa zu suchen,
weil in den nordeuropäischen Ländern
Antibiotika nach strikteren Regeln eingesetzt werden [110].
Nicht selten sind einmal besiedelte Patienten längere Zeit oder rezidivierend mit
MRSA besiedelt [50, 80, 101, 102]. Besonders betroffen sind Patienten, die an mehreren Körperstellen eine MRSA-Besiedlung
aufweisen: Patienten, die mit Chinolonen
therapiert worden waren, Patienten mit
MRSA-Besiedlung an chronischen Hautläsionen, Patienten mit Diabetes mellitus,
Dialyse-Patienten und rezidivierend hospitalisierte Patienten [29, 50, 80, 95, 116].
Ein selektives Screening von MRSA-Risiko-Patienten zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme ist wiederholt empfohlen
worden [41, 42, 95, 98, 101, 102, 116, 118]. In
jedem Fall würde eine systematische Beobachtung der Patienten mit Nachweis
von MRSA wesentlich zur Klarheit darüber beitragen, welcher Anteil der Patienten mit MRSA bereits besiedelt stationär
aufgenommen wurde und welcher Anteil
einen solchen Stamm erst während des
Krankenhausaufenthaltes erwirbt [55].
370
Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen
Personal
Ebenso wie medizinisches Personal in der
Nase mit Oxacillin-empfindlichen S. aureus-Stämmen besiedelt sein kann, kann
auch eine Besiedlung mit MRSA stattfinden. Jedoch schützt die Normalflora – und
dazu kann auch ein MSSA gehören – vor
einer Besiedlung mit neuen Stämmen [20,
69, 117]. In verschiedenen Untersuchungen konnte aber gezeigt werden, dass Mitarbeiter in Krankenhäusern mit hoher endemischer MRSA-Rate mit den dort vorkommenden Stämmen besiedelt werden
können [4, 93]. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Entwicklung einer Besiedlung vermutlich auch eine Frage der
Quantität der in der Umgebung vorhandenen MRSA ist. Diese Entwicklung ist
auch aus den vergangenen Jahrzehnten
bekannt: in den 1950er Jahren war das Personal in Krankenhäusern mit den damals
noch vorherrschenden Penicillin-empfindlichen S. aureus-Stämmen besiedelt,
sukzessive aber wurden diese Stämme
durch die Betalaktamase-bildenden Stämme ersetzt, die nun schon seit langem die
Regel sind.
Ein anderer Faktor, der die Besiedlung des
Personals beeinflusst, ist das Ausmaß an
epidemischen Eigenschaften, die die in einem Krankenhaus vorkommenden Stämme auszeichnen, und das bedeutet auch,
dass im Rahmen von Ausbrüchen mit einer
höheren Kolonisierungsrate beim Personal zu rechnen ist als in Zeiten endemischen Auftretens von MRSA [20, 24, 69].
Besiedeltes Personal stellt jedoch nicht an
sich seinerseits ein Risiko für die betreuten
Patienten dar, zumal die Besiedlung meist
nur vorübergehend ist [20, 24, 69]. Insofern
ist der Umgang, der mancherorts mit besiedeltem Personal gepflegt wird (z.B. Diskriminierung innerhalb des Krankenhauses, Distanzierung des Bekanntenkreises
bis hin zu gesellschaftlicher Isolierung
[125]), durch epidemiologische Daten
nicht gestützt, sondern nur als Ausdruck einer hoch emotionalisierten, auf diffusen
Ängsten basierenden Haltung der NichtBetroffenen zu sehen.
Dieses Verhalten wurde jedoch nicht zuletzt durch einen gleichermaßen irrationalen wie populistischen Umgang mit MRSA
durch Krankenhaushygieniker ausgelöst,
die sicher damit einen sog. guten Zweck
verfolgten, indem sie die Krankenhäuser
auf die Risiken multiresistenter Erreger
hinweisen und mit drastischen Schilderungen ein allgemein verbreitetes Desinteresse an Fragen der Hygiene durchbrechen
wollten. Es blieb jedoch unberücksichtigt,
welche Reaktionen bei Personal und Patienten dadurch hervorgerufen werden können und auch tatsächlich wurden. Ein engerer Bezug zur Praxis, also ein kontinuierlicher, direkter Kontakt mit medizinischem Personal, hätte beizeiten helfen
können, solche extremen Reaktionen zu
verhüten.
Screening-Untersuchungen
Verbreitet ist die Auffassung, dass Screening-Untersuchungen des Personals zu
den essenziellen Sofortmaßnahmen bei
Auftreten von MRSA – auch ohne Verdacht auf ein Ausbruchsgeschehen – gehören. Die Einbestellung des Hygienikers
und der Hygienefachkräfte durch einen
chirurgischen Oberarzt – ohne vorherige
Kontaktaufnahme und Rücksprache – zu
einer definierten Uhrzeit, zu der das gesamte Personal der Station für Nasen-Abstriche bereitstehen würde, ist dafür nur
ein Beispiel aus der Praxis. Hier handelt es
sich jedoch um das Ergebnis einer Summe
von Fehlinformationen durch fachlich
nicht ausreichend qualifizierte Veröffentlichungen.
MRSA
Mikrobiologische Untersuchungen von
Personen aus der Umgebung von MRSAPatienten sollen nur durchgeführt werden,
wenn die in Kapitel B.10 „Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen“ dargestellten Präventionsmaßnahmen nicht ausreichen, um Übertragungen zu verhindern,
und wenn der epidemiologische Zusammenhang dringend auf einen Träger in
der Umgebung der kolonisierten bzw. infizierten Patienten hinweist, wie dies
z.B. bei gehäuften postoperativen Infektionen im Operationsgebiet der Fall sein kann
[7, 28, 55, 106, 124]. Muss aber bei eingehender Prüfung und kritischer Bewertung
der epidemiologischen Zusammenhänge
ein Träger als Ursache für fortgesetzt nachgewiesene Kolonisierungen oder Infektionen in Betracht gezogen werden, sind
Screening-Untersuchungen bei Mit-Patienten und/oder Personal sinnvoll (siehe
Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“).
Werden Screening-Untersuchungen unter
diesen Voraussetzungen durchgeführt und
finden sich dabei besiedelte Personen, ist
es nahe liegend, sie wie die betroffenen
Patienten ebenfalls mit Mupirocin – zweibis dreimal täglich für fünf Tage – zu behandeln.Wichtig ist dabei, dass die im Rahmen von Screening-Untersuchungen isolierten Stämme aufgehoben werden, um
sie mittels Typisierung mit den Patientenisolaten vergleichen zu können.
Gründe gegen ein generelles Screening
Screening von Personal und Patienten als
eine generelle Maßnahmen beim Auftreten von MRSA wird in der Fachliteratur
nicht empfohlen [14, 28, 7
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