Die Autorin 3. Auflage 2004 Nosokomiale Infektionen 1951 in Potsdam geboren, 1961 – 1970 humanistisches Gymnasium in Offenburg, 1970 Abitur, 1970 – 1976 Medizinstudium in Freiburg, 1976 Staatsexamen, 1977 – 1978 Medizinalassistentenzeit, 1978 Approbation, 1978 – 1979 Institut für Allgemeine Hygiene und Bakteriologie der Universität Freiburg, 1979 – 1984 Familienpause, 1984 – 1998 Chirurgische Klinik und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Freiburg, 1986 Promotion, 1989 Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, 1993 Habilitation, 1997 Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin, seit 1998 Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Technischen Universität München ISBN 3-88603-838-6 03041.0/E24.50 Das Buch richtet sich an Ärzte, Pflegepersonal und Studenten sowie an interessierte Personen aller Berufe mit Bezug zu medizinischen Fragestellungen (z. B. in Langzeitpflege- und Behinderteneinrichtungen). Es stellt eine umfassende Einführung in die prinzipiellen Übertragungswege von Erregern sowie die Entstehung und Prävention von Krankenhausinfektionen dar und informiert detailliert über die praktische Umsetzung des § 23 Infektionsschutzgesetz. Darüberhinaus werden die grundlegende Labor-Diagnostik (Entzündungsparameter, Abnahme und Transport von mikrobiologischem Untersuchungsmaterial) behandelt sowie ausführliche Informationen zum Einsatz von Antibiotika und Antimykotika bei empirischer und gezielter Therapie gegeben. Ines Kappstein Über das Buch Nosokomiale Infektionen Prävention, Labor-Diagnostik, Antimikrobielle Therapie Ines Kappstein 3. Auflage 2004 Die Autorin 3. Auflage 2004 Nosokomiale Infektionen 1951 in Potsdam geboren, 1961 – 1970 humanistisches Gymnasium in Offenburg, 1970 Abitur, 1970 – 1976 Medizinstudium in Freiburg, 1976 Staatsexamen, 1977 – 1978 Medizinalassistentenzeit, 1978 Approbation, 1978 – 1979 Institut für Allgemeine Hygiene und Bakteriologie der Universität Freiburg, 1979 – 1984 Familienpause, 1984 – 1998 Chirurgische Klinik und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Freiburg, 1986 Promotion, 1989 Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, 1993 Habilitation, 1997 Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin, seit 1998 Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Technischen Universität München ISBN 3-88603-838-6 03041.0/E24.50 Das Buch richtet sich an Ärzte, Pflegepersonal und Studenten sowie an interessierte Personen aller Berufe mit Bezug zu medizinischen Fragestellungen (z. B. in Langzeitpflege- und Behinderteneinrichtungen). Es stellt eine umfassende Einführung in die prinzipiellen Übertragungswege von Erregern sowie die Entstehung und Prävention von Krankenhausinfektionen dar und informiert detailliert über die praktische Umsetzung des § 23 Infektionsschutzgesetz. Darüberhinaus werden die grundlegende Labor-Diagnostik (Entzündungsparameter, Abnahme und Transport von mikrobiologischem Untersuchungsmaterial) behandelt sowie ausführliche Informationen zum Einsatz von Antibiotika und Antimykotika bei empirischer und gezielter Therapie gegeben. Ines Kappstein Über das Buch Nosokomiale Infektionen Prävention, Labor-Diagnostik, Antimikrobielle Therapie Ines Kappstein 3. Auflage 2004 IV Die Autorin: Prof. Dr. med. Ines Kappstein Abteilung für Infektionshygiene Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene Technische Universität München Trogerstraße 32, 81675 München E-Mail: [email protected] Auslieferungen W. Zuckschwerdt Verlag GmbH Brockhaus Commission Verlagsauslieferung Kreidlerstraße 9 D-70806 Kornwestheim Österreich: Maudrich Verlag Spitalgasse 21a A-1097 Wien USA: Scholium International Inc. 151 Cow Neck Road Port Washington 11050 New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht immer kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden. © 2004 W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Industriestr. 1, D-82110 Germering/München. Printed in Germany by grafik + druck, München ISBN 3-88603-838-6 V Kurzer Hinweis für interessierte LeserInnen: Es geht in diesem Buch nicht um … 2. April 1960 … Charlie Brown, Lucy und Linus, das berühmteste, wenn auch als solches weniger bekannte ‘cloud baby’1, hoffentlich auch nicht … 1 Editorial: The preposterous cloud baby. American Journal of Diseases in Children 100 (1960) 160, siehe S. 18 VI … um Snoopy und sein Autorenschicksal2, … … wohl aber um Neugeborene, Staphylokokken u.v.a.m. Alles keine Peanuts. IKa 2 Vielleicht hat er ja nur den ‘Kategorischen Inhibitiv’ nicht ausreichend beachtet: ‘Publiziere nichts, von dem du nicht vollkommen überzeugt bist, daß du es unbedingt lesen müßtest, wenn es ein anderer geschrieben hätte’ Küper: Goldtammers Archiv für Strafrecht 1991, S. 199 VII Inhalt A Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Entstehung von Infektionen 1 Epidemiologie übertragbarer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2 Übertragung von Erregern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3 Virale Infektionen durch Blutkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B Prävention nosokomialer Infektionen 1 Standard-Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2 Reinigung – Desinfektion – Sterilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3 Invasive Maßnahmen – Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Blasenkatheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Injektionen und Punktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Intravasale Katheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 61 65 71 4 5 6 Die vier häufigsten Infektionen – Bakteriämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Harnwegsinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 87 91 99 Spezielle Infektionen – Aspergillose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen . . . . . . . . . . – Creutzfeldt-Jakob-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Legionellose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 119 132 140 148 Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Anästhesiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Augenheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Dialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Geburtshilfe und Gynäkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Immunsupprimierte Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 168 174 186 196 212 216 VIII Inhalt – Intensivmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Kinderheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Krankentransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Küche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Operationsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Radiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Wäscherei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 230 243 248 258 266 270 273 277 280 7 Umgebung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 8 Raumlufttechnische Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 9 Isolierung bei Infektion und Kolonisation – Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . – Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht der Infektionen von A–Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Multiresistente Erreger – Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern . . . . . . . . . . . . . . . – Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – MRSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Stellenwert Oxacillin-resistenter Koagulase-negativer Staphylokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Vancomycin-Resistenz bei Enterokokken (VRE) und Staphylococcus aureus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 310 351 354 360 404 406 11 Maßnahmen bei Ausbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 12 Maßnahmen bei Infektionen durch biologische Waffen . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 C Überwachung nosokomialer Infektionen und resistenter Erreger gemäß IfSG 1 § 23 Infektionsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 2 Surveillance-Methoden und Berechnung der (Infektions-)Raten . . . . . . . . . 434 3 CDC-Definitionen der häufigsten nosokomialen Infektionen . . . . . . . . . . . . 444 4 Surveillance der häufigsten nosokomialen Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 5 Surveillance (multi-)resistenter Erreger (§ 23 IfSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 D Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion 1 Bestimmung unspezifischer Entzündungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 2 Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 3 Serologischer Nachweis nosokomialer Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 Inhalt E IX Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe 1 Allgemeine Hinweise für die Anwendung von Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . 491 2 Wirkungsspektrum und Indikationen von Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 3 Gezielte Therapie: Antibiotika bei bekanntem Erreger und Interpretation von Antibiogrammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 4 Empirische Antibiotikatherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 5 Perioperative Antibiotikaprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 6 Antimykotika bei nosokomialen Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 7 Mikrobielle Resistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 F X Vorwort XI Vorwort zur 1. Auflage Nahezu 15 Jahre ausgeprägt klinisch orientierter krankenhaushygienischer Tätigkeit in Universitätskliniken haben es mir ermöglicht, mich ständig mit den Fragen und Erwartungen des klinischen Personals – auch von auswärtigen nicht-universitären Krankenhäusern und aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte – auseinanderzusetzen. Diese Fragen und Erwartungen der klinischen Praxis haben mich angeregt, einmal all das schriftlich zusammenzufassen, womit ich als Krankenhaushygienikerin bei meiner täglichen Arbeit zu tun habe, und dabei ein Herangehen an die Thematik zu wählen, das mehr auf Fragen antwortet und sich um die Begründung der Antworten bemüht, was einen soliden theoretischen Hintergrund voraussetzt, als dass es Vorschriften macht, wie es im Bereich der Krankenhaushygiene gerade in Deutschland noch sehr verbreitet ist. Deshalb geht es in diesem Buch nicht nur darum, was man tun soll, um Patienten und Personal vor Infektion zu schützen, sondern auch, warum dies erforderlich ist oder zumindest, wenn man es (noch) nicht sicher weiß, erforderlich zu sein scheint. Das Warum hat in der Krankenhaushygiene in Deutschland – ganz im Gegensatz zu den angelsächsischen oder skandinavischen Ländern – lange Zeit keine allzu große Rolle gespielt. Im Gegenteil hat sich die Krankenhaushygiene hierzulande mehr aus einer Überwachungsinstanz im Sinne einer „Hygienepolizei“ entwickelt. Dafür spricht jedenfalls erkennbar die Sprache, die bei Veröffentlichungen bevorzugt gewählt wird: man erklärt nicht, warum die eine oder andere Maßnahme empfohlen wird, sondern man versucht, eine Hierarchie der Empfehlungen von dringenden bis weniger wichtigen Maßnahmen durch den bewussten Einsatz modaler Hilfsverben auszudrücken (und hat sich dabei in der „Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes und jetzigen Robert-Koch-Instituts ausdrücklich auf die DIN 820/23 „Modale Hilfsverben in Normen“ bezogen). So erwecken etwa die deutschen Richtlinien und Empfehlungen – ob von offizieller Seite wie von der Hygiene-Kommission des RKI oder von Seiten einzelner Fachleute in Fachzeitschriften – eher den Eindruck gesetzlicher Verordnungen als den von wissenschaftlichen Erörterungen, die man erwarten würde, weil es auch auf dem medizinischen Fachgebiet der Hygiene notwendig ist, das Bewiesene vom Unbewiesenen deutlich zu trennen und entsprechende Empfehlungen zu formulieren. Statt dessen werden die Empfehlungen mit Begriffen wie „muss - darf nicht“, „ist zu ..., hat zu ...“, „ist zulässig – nicht zulässig“ bis hin zu „ist verboten“, also vor allem in einer normativen Diktion abgegeben; alles in allem eine Sprache, deren Ziel Gehorsam zu sein scheint, nicht aber Verständnis. Dazu passt häufig auch das Auftreten in der Praxis: Es gibt sog. „Hygienevorschriften“, und man macht „Hygienekontrollen“, die – laut RKI-Richtlinie – auch „unangemeldet“ (siehe Händehygiene) stattfinden sollen. XII Vorwort Das alles trägt kaum dazu bei, dass die Krankenhaushygiene als ein Fach erscheinen kann, das dem klinisch tätigen Personal konsiliarisch wissenschaftlich fundierte Hygienestandards vermittelt, die der im klinischen Alltag zu erbringenden lex artis entsprechen und helfen, dass die Patienten vor vermeidbaren Infektionsschäden geschützt werden. Es geht also um einen deutlich mehr wissenschaftlichen Ansatz, der sich umso mehr wird verwirklichen lassen, je mehr sich das Prinzip der „Evidence-based Medicine“ – auch in der Krankenhaushygiene – durchsetzt. In diesem Sinne müssen und werden es Hygieniker schaffen, das klinische Personal von dem, was erwiesenermaßen erforderlich ist, zu überzeugen. Die Hygiene eignet sich deshalb auch nicht für bestimmte Medien, die zu gerne vermeintlich oder tatsächlich drohende und durchaus nicht immer gut substanziierte Szenarien an die Wand malen (z.B. über die Zahl der nosokomialen Infektionen pro Jahr in deutschen Krankenhäusern und die damit verbundenen Todesfälle oder über den Prozentsatz der durch bessere Hygiene vermeidbaren Infektionsfälle; Angaben, die, wie das viel zitierte Drittel vermeidbarer Infektionen, auf mittlerweile „alten“, nämlich ca. 25 Jahre alten, Studien beruhen, die nicht ohne weiteres auf unsere heutigen Verhältnisse übertragbar sind). In vielen Fällen nosokomialer Infektionen ist auch nicht allein die Tatsache, dass es zu einer Infektion gekommen ist, das eigentliche Problem für den Patienten, sondern die mangelnde Beschäftigung mit dem Faktum, dass Infektionen nun einmal möglich sind, führt dazu, dass sie nicht rechtzeitig wahrgenommen und nicht adäquat behandelt werden, demzufolge fortschreiten und dadurch schließlich zu Langzeitschäden bei den Patienten führen können. Das sind in der Regel die Fälle, die auch Schlagzeilen machen. Das ist aber nicht der natürliche Verlauf jeder nosokomialen Infektion, und u.a. diese Differenzierung geht verloren, wenn pauschal von jährlich mehreren Hunderttausend nosokomialen Infektionen in deutschen Krankenhäusern gesprochen wird, wodurch die Öffentlichkeit verunsichert wird, aber ein positiver Effekt für den Patienten nicht zu erreichen ist. Es reicht auch sicher nicht, Empfehlungen abzugeben, sondern diese müssen immer wieder systematisch erarbeitet, überprüft, offen in der Fachwelt diskutiert und weiterentwickelt werden. Das muss auch von der gemäß § 23 IfSG1 neu zu berufenden HygieneKommission am RKI erwartet werden und bedeutet z.B., dass die dort erarbeiteten Leitlinien in einem ersten Schritt der Fachöffentlichkeit durch Vor-Publikation, z.B. im Bundesanzeiger, zur kritischen Stellungnahme zugänglich gemacht werden müssen, wie es z.B. in den USA und in Großbritannien üblich ist. Dazu muss es ferner nicht nur möglich, sondern sogar erwünscht sein, dass jeder – ungeachtet seiner Auffassung von Krankenhaushygiene – seinen Beitrag leistet, um den Dialog auch zwischen Fachleuten wachzuhalten und so eine kontinuierliche Entwicklung zu erreichen. In diesem Sinne möchte ich mein Buch verstanden wissen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen und nicht nur eine Wahrheit. Eine Forderung, die wir aufstellen, zählt nur dann, wenn wir sie belegen können. Wenn wir dies aber nicht können (und das ist in der Krankenhaushygiene nicht selten), müssen wir so ehrlich sein und unmissverständlich erklären, dass dies unsere persönliche Auffassung ist, die Meinung also eines einzelnen Experten. Dagegen ist nichts einzuwenden; man muss es nur offenlegen und, ohne mit dem Vorwort XIII Gesetzbuch zu drohen, erklären, wie man zu dieser Auffassung gelangt ist. Krankenhaushygiene ist nicht die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit, wie es beispielsweise Aufgabe der Gesundheitsämter ist, und der Krankenhaushygieniker hat auch nicht mit akuter Gefahrenabwehr zu tun, wie es wiederum Aufgabe der Gesundheitsämter im sog. Seuchenfall wäre. Wer aber gerne auf Gesetze verweisen möchte, um die Durchsetzung der Krankenhaushygiene zu fördern, kann dazu das Sozialgesetzbuch V bemühen, wo es im § 70 unter der Überschrift „Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit“ heißt: (1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss wirtschaftlich erbracht werden. (2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken. Hier legt der Gesetzgeber also nicht nur Wert auf das, was wir heute als „evidence-based“ bezeichnen, sondern auch auf die mit den verschiedenen Maßnahmen verbundenen Kosten, für die, z.B. bei Klimaanlagen, wir Hygieniker die Belege vorlegen können müssen, sowie auf die psychischen Auswirkungen der Medizin auf den Patienten, die z.B. bei der Isolierung im Einzelzimmer oder der Forderung nach bestimmter Schutzkleidung, z.B. in Form von Masken für Personal und Patienten, von der Krankenhaushygiene verantwortet werden und deshalb auch hinsichtlich ihrer Effektivität überprüfbar sein müssen. Dieses Buch soll ein Leitfaden für die krankenhaushygienische Praxis des medizinischen Personals innerhalb und außerhalb von Krankenhäusern sein: es soll Zusammenhänge erklären und Fragen beantworten. Durch die Aufnahme der Kapitel über den Umgang mit Antibiotika und die erforderliche Labor-Diagnostik bei Anzeichen für Infektionen sollen über die klassischen krankenhaushygienischen Aspekte hinaus einige Hinweise für den Umgang mit Infektionen überhaupt gegeben werden. Damit stehen wesentliche Informationen an einer Stelle zur Verfügung, sodass der Ratsuchende – primär wenigstens – nur in einem Buch nachlesen muss. Es kann ferner als wissenschaftlich fundierte Information die in vielen Kliniken üblichen Hygienepläne ergänzen, und es soll außerdem der Weiterbildung von insbesondere hygienebeauftragten Ärzten und Hygienefachkräften sowie zur Einführung interessierter Ärzte und Studenten in die Thematik der Krankenhaushygiene und Infektionsprävention dienen und bietet auch für diesen Zweck zahlreiche Literaturhinweise. Selbstverständlich können die Literaturhinweise in einem derartigen Buch nicht so umfassend wie in einer systematischen Übersichtsarbeit sein. Beabsichtigt ist aber, mit den Literaturhinweisen im Anschluss an jedes Kapitel den derzeitigen Stand des Wissens zu umreißen: So setzen sie sich zusammen aus aktuell erschienenen Publikationen, aber auch aus sog. klassischen Arbeiten, deren Bedeutung sich über die Jahre – und manchmal sogar Jahrzehnte – gehalten hat. Darüber hinaus sind darin aber auch Veröffentlichungen zu finden, die über die (wegen der erforderlichen Kürze des Buches) Hinweise im Text hinaus für den interessierten Leser zusätzliche bzw. weiterführende und vertiefende Informationen bieten, und deshalb möchte ich sehr empfehlen, die Literaturlisten ebenfalls zu „le- XIV Vorwort sen“. Bewusst habe ich auf die Zitierung von Buchkapiteln verzichtet, weil der Leser meist Schwierigkeiten hat, an die Bücher zu gelangen. Die Zeitschriftenartikel können dagegen vergleichsweise einfach über die „Deutsche Zentralbibliothek für Medizin“ in 50924 Köln (Tel.: 0221/478-5608, FAX: 0221/478-5697) bestellt werden. Am Schluss des Buches habe ich zusätzlich Hinweise für weiterführende Literatur in Form von Textbüchern aufgeführt. Ziel dieses kleinen Buches im Kitteltaschen-Format ist es, den Anwendern in Klinik und Praxis, die keinen schnellen Zugang zu Textbüchern und Fachzeitschriften über Krankenhausinfektionen haben, die Orientierung auf dem Gebiet der Epidemiologie und Prävention nosokomialer Infektionen zu erleichtern und ihnen, so umfassend, aber auch kompakt wie möglich, ausreichende Informationen über die Übertragung von Erregern sowie die Entstehung, Erkennung und Behandlung von Infektionen zu geben. Ich hoffe, es kommt auch tatsächlich den Bedürfnissen in der klinischen Praxis nah. Insofern bin ich nicht nur dankbar für Anregungen, sondern auch angewiesen auf die kritische Resonanz der Leser, damit das Buch zu einer wirklichen Unterstützung des medizinischen Personals bei der Krankenversorgung werden kann. Weitere Kapitel sind geplant (z.B. über Surveillance von Krankenhausinfektionen, Klimaanlagen, Infektionsprävention in der Pathologie) und entsprechende Themenvorschläge werde ich ggf. gerne aufgreifen. Was die Fachkollegen betrifft, ist mir klar, dass einige meiner Äußerungen – auch über meine ganz persönliche Auffassung von einzelnen Aspekten der Infektionsprävention – zumindest nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen werden. Ich würde mich freuen, wenn sich daraus ein Dialog entwickeln könnte, bei dem jede Seite bereit ist, ihren Standpunkt zu überdenken, gemäß dem Grundsatz „Skeptisch gegenüber dem für sicher gehaltenen Wissen“ (Hartmut von Hentig, Pädagoge). München, März 2000 Ines Kappstein 1 IfSG = Infektionsschutzgesetz (wird voraussichtlich ab 01.01.2001 das Bundesseuchengesetz ersetzen) Vorwort XV Vorwort zur 2. Auflage Mit dieser Neuauflage knapp zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage habe ich die Struktur des Buches verbessert, eine fast vollständige Neubearbeitung sämtlicher Kapitel der ersten Auflage sowie die Aufnahme zusätzlicher Kapitel (Kapitel III: § 23 IfSG) und die Erweiterung bereits vorhandener Kapitel (Kapitel II: z.B. MRSA; Kapitel IV: Diagnostik von Pilzinfektionen; Kapitel V: Antibiotikagruppen, empirische Antibiotikatherapie, Antimykotikatherapie) vorgenommen. Die Literaturhinweise wurden auf den aktuellen Stand (Ende 2001) gebracht und sind nun auch im Text fortlaufend nummeriert eingefügt. Ferner haben sich Verlag, Format, Gestaltung und Umfang des Buches verändert. Geblieben ist das Ziel, praxisnah in die Theorie von Infektionen generell und krankenhauserworbenen Infektionen im Besonderen einzuführen und dem Leser das Thema „Infektionen“ mit deren Entstehung, Prävention, Diagnose und Therapie möglichst übersichtlich und in verständlicher Form darzubieten. Die zahlreichen Literaturhinweise sollen einen Einblick in den Umfang der interessanten Literatur zum Thema geben, deren Kenntnis erst das Verständnis dafür vermittelt, worum es bei Krankenhausinfektionen geht. München, Januar 2002 Ines Kappstein Vorwort zur 3. Auflage Die vorliegende Neuauflage wurde erforderlich, weil mittlerweile die 2. Auflage vergriffen ist. Da es noch nicht Zeit ist für eine inhaltliche Überarbeitung, mussten nur einige kleine Fehler korrigiert werden. In der Sache ist das Buch also weiter aktuell und kann deshalb wie bisher als Richtschnur für die Erarbeitung individueller Hygienekonzepte dienen. München, Februar 2004 Ines Kappstein A Kapitel Entstehung von Infektionen Epidemiologie übertragbarer Krankheiten A 3 1. Epidemiologie übertragbarer Krankheiten Für das Verständnis außerhalb und innerhalb des Krankenhauses erworbener Infektionen ist die Kenntnis ihrer entscheidenden ursächlichen Faktoren, ihres zeitlichen und örtlichen Auftretens und ihrer Verteilung in einer Population (z.B. Gesamtbevölkerung oder Teile der Bevölkerung mit erhöhtem Risiko, bei nosokomialen Infektionen Patienten im Krankenhaus) von wesentlicher Bedeutung. fektion verursachen kann. Hochvirulente Stämme können bei vielen bzw. fast allen Personen – unabhängig von deren Immunitätslage – bei entsprechendem Kontakt eine Infektion verursachen (z.B. bestimmte Stämme von A-Streptokokken, die während einer Operation in das Operationsgebiet gelangen). Infektionen entstehen durch Wechselwirkungen zwischen Erregern und exponierten Personen. Ob es bei einem Kontakt zwischen potenziell pathogenen Mikroorganismen und prinzipiell empfänglichen Personen zu einer Infektion kommt, hängt von erreger- und wirtsspezifischen Faktoren ab [1, 13, 15, 17]. Ob die aktuelle Virulenz eines Erregers ausreicht, eine Infektion zu verursachen, wird aber auch sehr stark von Wirtsfaktoren bestimmt, also von der individuellen Abwehrlage eines Patienten und dem Ausmaß der für seine Versorgung erforderlichen invasiven Maßnahmen, d.h. den endogenen und exogenen Risikofaktoren. Zusammengenommen ist die Interaktion zwischen dem Inokulum des Erregers, seiner Virulenz und der Abwehrlage des Wirts die entscheidende Determinante für die Entwicklung einer Infektion. Virulenz und Pathogenität Erregerspezifische Faktoren Die Virulenz ist die natürliche bzw. durch Umgebungsfaktoren bedingte (d.h. auch wechselnde) Fähigkeit eines Erregers, eine Infektion zu verursachen (z.B. sind Pneumokokken mit Kapsel virulenter als unbekapselte Stämme oder bekapselte Haemophilus influenzae Typ b-Stämme sind virulenter als Haemophilus-Stämme anderer Kapseltypen). Virulenz ist nicht per se gleichzusetzen mit Pathogenität, weil ein potenziell pathogener Erreger nicht oder nicht dauerhaft virulent sein muss. Vielmehr ist die Virulenz ein Maß für die Pathogenität, d.h. für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erreger eine In- Die Fähigkeit eines Erregers, bestimmte Pathogenitätsfaktoren (z.B. Toxine oder Enzyme) auszubilden, ist entscheidend für die klinische Manifestation einer Infektion (z.B. Scharlach-Toxin-bildende A-Streptokokken oder Toxic-ShockSyndrom-Toxin-bildende Stämme von Staphylococcus aureus). Wechselwirkungen zwischen Erreger und Wirt Durch die Entwicklung der modernen Medizin ist offensichtlich geworden, dass auch Spezies, die lange Zeit als apathogen betrachtet wurden, spezielle Eigenschaften besitzen, die sie im Zusammenhang mit begünstigenden Faktoren schützen und es 4 Kapitel A: Entstehung von Infektionen ihnen dadurch ermöglichen, Infektionen auszulösen (vor allem die Schleimbildung Koagulase-negativer Staphylokokken in Gegenwart von Fremdkörpern). Auch antigene Besonderheiten der Erreger haben Einfluss auf die Entstehung von Infektionen. Beipielsweise sind 14 von 83 bekannten Serotypen von Streptococcus pneumoniae für mehr als 80% der Infektionen beim Menschen verantwortlich. Einen wesentlichen Einfluss auf die Persistenz einer Infektion hat die natürliche oder erworbene Resistenz des Erregers gegen Antibiotika und Antimykotika. Infektionsdosis Ein prinzipiell empfänglicher Wirt muss mit einer bestimmten minimalen Erregermenge Kontakt haben, damit eine Infektion zustande kommen kann. Bei Personen ohne Beeinträchtigung der körpereigenen Abwehr ist die erforderliche Keimzahl häufig hoch, während bei Abwehrschwäche eine wesentlich geringere Infektionsdosis ausreichend sein kann, um eine Infektion auszulösen (z.B. Enteritis-Salmonellen). Von anderen Erregern ist bekannt, dass auch bei Personen mit normaler Abwehrlage sehr niedrige Keimzahlen Infektionen verursachen können (z.B. Shigellen). Auch lokale Beeinträchtigungen der Abwehr können dazu führen, dass Infektionen schon bei Kontakt mit geringen Keimzahlen entstehen. Z.B. verursachten 3×102 KBE S. aureus in einer Wunde mit Naht-, also Fremdmaterial einen Abszess; die intradermale Injektion von 5×106 KBE S. aureus hingegen führte lediglich zu einer Pustelbildung, und geringere Keimzahlen hatten keine Infektion zur Folge [4]. Reservoir und Ausgangsort des Erregers Erregerreservoir: Ort, an dem der Erreger lebt, d.h. sich (dauerhaft) aufhält und ver- mehrt, z.B. Leitungswasser bei Wasserkeimen (= Gram-negative Stäbchen, wie Pseudomonas spp. und Acinetobacter spp.) oder der Darm von Mensch und Tier bei Erregern gastrointestinaler Infektionen, wie Enteritis-Salmonellen Ausgangsort des Erregers: Ort, von dem aus der Erreger, meist nach dessen Vermehrung, direkt oder indirekt mit einer empfänglichen Person in Kontakt kommt, z.B. Wasserbad zum Anwärmen von Blutkonserven, das mit Leitungswasser (= Erregerreservoir) gefüllt wurde, oder Essen, das von einer infizierten Person (= Erregerreservoir) kontaminiert wurde Erregerreservoir und Ausgangsort des Erregers können auch identisch sein (z.B. Kontakt mit legionellenhaltigem Leitungswasser beim Zähneputzen). Dauer der Infektiosität Die Zeitspanne, in der eine infizierte Person für empfängliche Personen in ihrer Umgebung infektiös sein kann, variiert je nach Erreger. Bei manchen Erregern ist eine infizierte Person vorwiegend während der Inkubationszeit infektiös (z.B. Hepatitis A, Windpocken, Masern), bei anderen Erregern besteht die Infektiosität prinzipiell während der gesamten Dauer der klinisch manifesten Erkrankung (z.B. Tuberkulose) oder während der Dauer der Ausscheidung des Erregers auch nach Abklingen der klinischen Symptomatik (z.B. Salmonella typhi, Enteritis-Salmonellen). Die Art des Kontaktes zwischen Infiziertem bzw. Ausscheider und empfänglicher Person entscheidet darüber, ob eine Erregerübertragung möglich ist. Was die asymptomatische Ausscheidung von Salmonellen betrifft, stellt beipielsweise Küchenpersonal ein höheres Infektionsrisiko dar als Krankenpflegepersonal, das auf einer Normalstation mit der Pflege von Epidemiologie übertragbarer Krankheiten Patienten betraut ist, sofern nicht auch die Zubereitung von Mahlzeiten zu seinen Aufgaben gehört. Wirtsfaktoren Ob aus einem Kontakt mit einem potenziell pathogenen Erreger eine Infektion resultiert, wird maßgeblich von der Summe der endogenen und exogenen Risikofaktoren des Wirts bestimmt (siehe unten). Charakteristika nosokomialer Infektionen Definition nosokomialer Infektionen Nosokomiale Infektionen stehen in Zusammenhang mit einer (meist stationären) Krankenhausbehandlung. Das bedeutet, dass nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Behandlung und dem Auftreten der Infektion vorhanden ist. Vielmehr steht (im Gegensatz z.B. zu einer nosokomial erworbenen Erkältungskrankheit) für typische nosokomiale Infektionen, also z.B. einer beatmungsassoziierten Pneumonie, außer Frage, dass neben dem zeitlichen auch ein kausaler Zusammenhang gegeben ist. „Kausal“ bedeutet jedoch nicht, wie es manchmal interpretiert wird, „verschuldet“. Neutral formuliert kann man eine nosokomiale oder krankenhauserworbene Infektion beispielsweise als eine Infektion, die als Folge einer medizinischen Intervention auftritt, beschreiben [17]. Hierbei ist unter „medizinischer Intervention“ jede Maßnahme diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Art zu verstehen, in die irgendein Mitarbeiter des medizinischen Personals involviert sein kann. Vermeidbare vs unvermeidbare nosokomiale Infektionen Aus der Feststellung einer nosokomialen Infektion kann nicht abgeleitet werden, 5 dass sie notwendigerweise durch ein hygienisches Defizit bei der Patientenversorgung verursacht wurde, also vermeidbar war.Tatsächlich ist es in vielen Fällen nicht möglich zu klären, ob eine Infektion im individuellen Fall vermeidbar gewesen wäre oder nicht, es sei denn, es liegen besondere Tatsachen vor, wie z.B. die fehlende Hautdesinfektion vor intraartikulärer Injektion, die in offensichtlichem Gegensatz zur lex artis der Patientenversorgung stehen. In aller Regel ist die Entstehung einer Infektion ein multifaktorielles Geschehen, an dem exogene und endogene Faktoren beteiligt sind und deren individuelles Zusammenspiel zur Folge hat, dass ein Patient eine Infektion entwickelt, andere jedoch unter vergleichbaren Umständen nicht (siehe unten „Risikofaktoren“). Was den Anteil generell vermeidbarer an allen nosokomialen Infektionen angeht, wird seit drei Jahrzehnten die Zahl von ca. 30% genannt [7, 8]. Inwieweit das Ergebnis dieser inzwischen „alten“ Studie heute noch im selben Maße Bestand hat, wird in Kapitel C.1 diskutiert. Der Begriff der nosokomialen Infektion wird auch auf Infektionen angewendet, die bei Personal oder Besuchern auftreten können, wenn sie mit entsprechend infizierten Patienten im Krankenhaus Kontakt hatten und es zu einer Erregerübertragung gekommen ist (z.B. Tuberkulose) [1, 17]. Dies trägt jedoch nicht gerade zur Klärung bzw. Verständlichkeit des Begriffs bei. Häufigkeitsverteilung Die häufigsten und deshalb auch typischen nosokomialen Infektionen lassen jedoch weder Zweifel an einem zeitlichen noch an einem kausalen Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung aufkommen. Ihre relative Häufigkeit an allen nosokomialen Infektionen variiert je nach Kranken- 6 Kapitel A: Entstehung von Infektionen hausbereich und Patientenpopulation. Den folgenden Angaben liegen die Ergebnisse verschiedener internationaler Inzidenzstudien zugrunde [5, 17]: deren Ursache zu beheben, ist häufig nicht leicht (siehe Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“). ■ Harnwegsinfektionen: 38%–42% ■ Postoperative Infektion im Operationsgebiet: 23%–26% ■ Pneumonie: 11%–15% ■ Septikämie: 4%–5% Risikofaktoren Als weitere Infektionen können z.B. Knochen- und Gelenkinfektionen, Infektionen im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems, Haut- und Weichteilinfektionen, gastrointestinale Infektionen und obere Atemwegsinfektionen nosokomial erworben werden. Endemisches vs epidemisches Auftreten Bei den meisten nosokomialen Infektionen handelt es sich um ein individuelles Geschehen, das in keinem epidemiologischen Zusammenhang mit anderen infizierten oder kolonisierten Patienen steht. Sie sind mehr oder weniger kontinuierlich immer vorhanden, ohne aber dabei in der Regel größere Beachtung zu erhalten. Diesen Anteil bezeichnet man als endemische Infektionen. Im Gegenssatz dazu spricht man von epidemischen Infektionen dann, wenn eine plötzliche und bei weitem über dem normalerweise erwarteten (also: endemischen) Maß liegende Zahl von Infektionen vorliegt, die epidemiologisch assoziiert sind. Man spricht auch von einem Ausbruch. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen endemischen und epidemischen Infektionen wird meist mit ca. 95% : 5% angegeben [1, 13, 15, 17]; exakte Zahlen gibt es aber nicht. Im Gegensatz zu endemischen Infektionen gelten epidemische in aller Regel als vermeidbar. Ausbrüche von nosokomialen Infektionen zu erkennen und Für die Beantwortung der Frage, ob eine nosokomiale Infektion vermeidbar war oder nicht, muss man das individuelle Risiko des Patienten beurteilen können. Dieses setzt sich zusammen aus endogenen und exogenen Faktoren, deren Zusammentreffen jedoch nicht immer in einem klaren kausalen Zusammenhang mit der gegebenen nosokomialen Infektion steht. Deshalb spricht man von Risikofaktoren, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie mit der Infektion assoziiert sind, sie aber nicht notwendigerweise verursacht haben [1]. So kann es sich lediglich um ein zufälliges Zusammentreffen eines Faktors mit einer Infektion (= Koinzidenz) handeln; es können bei einem Patienten aber auch mehrere Faktoren vorhanden sein, die einen additiven oder sogar einen synergistischen Effekt hinsichtlich der Entwicklung einer nosokomialen Infektion haben und insofern das Risiko des Patienten, eine Infektion zu erwerben, mehr oder weniger erhöhen. Man unterscheidet deshalb zwischen zufällig mit der Infektion zusammentreffenden nicht kausalen Faktoren sowie zwischen einerseits voneinander unabhängigen und andererseits synergistisch agierenden kausalen Risikofaktoren. Weil es nicht leicht ist, außer über das Alter der Patienten zuverlässige Aussagen über deren häufig komplexes endogenes Risiko (wie insbesondere Grundkrankheiten, immunsuppressive Therapie) zu machen, muss man sich meist auf eine möglichst aussagefähige Beschreibung des exogenen Risikos beschränken, das quantifizierbar und damit am ehesten vergleichbar ist [3]: Epidemiologie übertragbarer Krankheiten Invasive Maßnahmen Das exogene Risiko wird am besten beschrieben durch Art und Dauer der invasiven Maßnahmen, die bei einem Patienten aus diagnostischen und/oder therapeutischen Gründen angewendet werden mussten. Zusätzlich gibt die Häufigkeit der Anwendung invasiver Maßnahmen bezogen auf alle Patienten, z.B. einer Krankenhausabteilung, zum einen Hinweise auf das prinzipielle Expositionsrisiko der dort behandelten Patienten. Zum anderen werden die mit invasiven Maßnahmen zusammenhängenden nosokomialen Infektionsraten erst aussagefähig, wenn bei ihrer Berechnung die Dauer der Anwendung der invasiven Maßnahme berücksichtigt wird (siehe Kapitel C „Überwachung nosokomialer Infektionen und resistenter Erreger gemäß § 23 IfSG“) [3]. Die häufigsten invasiven Maßnahmen sind: ■ ■ ■ ■ ■ Injektionen und Punktionen die Katheterisierung der Harnblase die Anlage intravasaler Katheter die mechanische Beatmung operative Eingriffe Die Besonderheiten dieser diagnostisch oder therapeutisch notwendigen Maßnahmen und der damit in Zusammenhang stehenden nosokomialen Infektionen werden in Kapitel B in jeweils eigenen Abschnitten behandelt (siehe Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“, Kapitel B.4 „Die vier häufigsten Infektionen“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). Erregerspektrum und Erregerreservoire Die typischen Erreger bakterieller nosokomialer Infektionen sind vorwiegend Vertreter der normalen menschlichen Körperflora, die entweder aus dem endogenen Reservoir der betroffenen Patienten selbst oder dem anderer Patienten bzw. dem des 7 Personals stammen. Ihre Häufigkeit ist abhängig von der Art der Infektion und damit auch von ihrer Lokalisation. So haben z.B. Harnwegsinfektionen ein anderes Erregerspektrum als Haut- und Weichteilinfektionen (siehe Kapitel B.4 „Die vier häufigsten Infektionen“). Im Folgenden sind häufigere und seltenere Erreger und Erregerarten genannt, die bei nosokomialen Infektionen eine Rolle spielen können [1, 5, 13, 15, 17, 18]: Häufigste Erreger: S. aureus und Gram-negative Stäbchen Insgesamt am häufigsten kommen S. aureus und Gram-negative Stäbchen, wie z.B. Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa oder Enterobacter spp., vor. Die resistenten Stämme werden dabei meist als typische „Krankenhauskeime“ betrachtet. In Anbetracht des Auftretens verschiedener Antibiotikaresistenzen auch in der normalen Bevölkerung (z.B. MRSA,VRE) ist diese Sichtweise heute aber nur noch eingeschränkt zutreffend [6, 10, 12, 16, 19]. Dennoch kann folgendes festgehalten werden: Ein (multi-)resistenter Erreger ist vermutlich im Krankenhaus erworben worden. Dies muss aber nicht unbedingt die Folge einer durch mangelnde Hygiene verursachten Übertragung sein (siehe unten „Endogene vs exogene Erregerreservoire“). A-Streptokokken Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts spielten A-Streptokokken eine sehr wichtige Rolle bei Krankenhausinfektionen, und viele unserer heute noch praktizierten „Hygienemaßnahmen“ sind damals etabliert und von späteren Generationen übernommen worden. Heute sind A-Streptokokken aber vergleichsweise selten für nosokomiale Infektionen verantwortlich. 8 Kapitel A: Entstehung von Infektionen Wegen ihrer potenziell hohen Virulenz sind sie – trotz weltweit unveränderter Penicillin-Empfindlichkeit (siehe Kapitel E „Antibiotika und Antimykotika bei Therapie und Prophylaxe“) – dennoch von herausragender Bedeutung, und ihr Auftreten, insbesondere als Erreger postoperativer Wundinfektionen, erfordert bereits bei Einzelfällen die ganze Aufmerksamkeit des medizinischen Personals [14] (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“). den häufigen Einsatz von Antibiotika, die wegen mangelnder (z.B. Chinolone, Imipenem) oder fehlender (Cephalosporine) Wirksamkeit gegen Enterokokken diese potenziell pathogenen Keime aus der Körperflora der Patienten selektieren, indem sie die empfindlichen Keime eliminieren oder zumindest so weit reduzieren, dass die Enterokokken durch Wegfall der natürlichen Konkurrenz mit den anderen Bakterienarten einen Wachstumsvorteil bekommen und sich dadurch stärker als ohne Antibiotikaeinfluss vermehren können. Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) Sprosspilze Unter den Gram-positiven Kokken sind neben S. aureus innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte KNS zunehmend als definitive Erreger aufgetreten und gehören heute mit zu den häufigsten Isolaten. Sie haben aber nicht in allen Fällen Bedeutung als Erreger, sondern sind nicht selten als Kontamination bzw. als physiologische Kolonisation zu werten. KNS sind typische Vertreter der normalen Haut- und Schleimhautflora, die im Rahmen der modernen Medizin wegen ihrer starken Affinität zu Kunststoffmaterialien eine neue Rolle bekommen haben. Sie besiedeln bevorzugt Fremdmaterialien, wie insbesondere intravasale Katheter und Implantate, und können sich durch Bildung extrazellulärer Polysaccharide in Form eines sog. Biofilms vor dem Angriff durch die körpereigene Abwehr, aber auch vor Antibiotika schützen [2]. Wiederum als Resultat des häufigen Antibiotikaeinsatzes haben neben bakteriellen Erregern heute auch Pilze eine zunehmende Bedeutung, wobei es sich vor allem um Candida-Arten, insbesondere C. albicans, handelt, die vorwiegend bei Patienten mit ausgeprägter Schwäche der körpereigenen Abwehrfunktionen als Erreger nosokomialer Infektionen auftreten. In den meisten Fällen allerdings sind sie Folge eines Selektionseffekts bedingt durch den Einsatz von Antibiotika und lediglich Ausdruck einer Besiedlung. Der häufige Einsatz von Fluconazol bei Nachweis von Sprosspilzen in klinischem Untersuchungsmaterial weist aber darauf hin, dass sie von den behandelnden Ärzten oft anders interpretiert werden (siehe Kapitel E.1 „Allgemeine Hinweise für die Anwendung von Antibiotika und Antimykotika“ und E.6 „Antimykotika bei typischen nosokomialen Pilzinfektionen“). Enterokokken Die Häufigkeit von Enterokokken als ursächliche Erreger von Krankenhausinfektionen hat ebenfalls deutlich zugenommen. Dies ist nicht zuletzt bedingt durch Clostridium difficile In Hinsicht auf die Anwendung von Antibiotika kommt heute Clostridium difficile eine besondere Bedeutung zu, weil nahezu Epidemiologie übertragbarer Krankheiten alle Fälle pseudomembranöser Enterokolitis und ca. 20% der Antibiotika-assoziierten Diarrhoen durch diesen Erreger bzw. sein Toxin verursacht werden (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“). Opportunistische Erreger Gerade bei stark immunsupprimierten Patienten werden neben den typischen Erregern auch Mikroorganismen beobachtet, die bei immunkompetenten Personen nur in Ausnahmefällen Infektionen verursachen (z.B. Aspergillen, Nokardien, Pneumocystis carinii, sehr selten auch Algen). Man spricht von opportunistischen Erregern; diese Infektionen können nosokomial und außerhalb des Krankenhauses erworben werden. Viren Schließlich kommen auch Viren als Erreger nosokomialer Infektionen vor. Hauptsächlich bekannt sind nosokomiale Virusinfektionen in der Pädiatrie, wo Rotaviren und respiratorische Viren (z.B. Respiratory-Syncytial-Virus, Rhinoviren) zu großen Problemen auf Säuglingsstationen führen können (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“) [9]. Als Blut-assoziierte Infektionen kommen insbesondere Hepatitis B- und Hepatitis C-Infektionen vor. Da aber die Zeit zwischen der Infektion und dem Auftreten der ersten klinischen Symptome, wenn diese überhaupt vorhanden sind, wesentlich länger ist als der durchschnittliche Aufenthalt der Patienten im Krankenhaus, werden solche Infektionen, wenn überhaupt, immer erst retrospektiv als nosokomiale Infektionen erkannt (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“). 9 Endogene vs exogene Erregerreservoire Die Erreger nosokomialer Infektionen können aus dem endogenen mikrobiellen Reservoir der Patienten (wie Darm-, Haut-, Nasopharyngealflora) stammen oder exogen aus der belebten und unbelebten Umwelt des Patienten (wie z.B. kontaminierte Hände des Personals oder kontaminierte Instrumente) erworben werden (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [1, 5, 13, 15, 17]. Endogen Die meisten Erreger nosokomialer Infektionen stammen aus der körpereigenen Flora, die der Patient entweder bereits bei der stationären Aufnahme mitbringt oder die er während des Aufenthaltes durch Kontakt mit der Umwelt im Krankenhaus erwirbt. Dazu gehört auch der Anteil der patienteneigenen Flora, der während des stationären Aufenthaltes, insbesondere unter dem Einfluss von Antibiotika, Resistenzen entwickelt. Exogen Für ein exogenes Reservoir kann die Art des Erregers sprechen (z.B. ein typischer „Wasserkeim“, wie Pseudomonas fluorescens oder Acinetobacter junii) (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“) oder aber die Tatsache, dass ein bestimmter Erreger (z.B. Serratia marcescens oder S. aureus) auf derselben Station im selben Zeitraum bei mehr als einem Patienten nachgewiesen wird. Diese exogenen Übertragungen wahrzunehmen, wird erleichtert, wenn die Erregerart eher selten vorkommt (z.B. S. marcescens) oder wenn der Stamm durch eine besondere Antibiotikaresistenz ins Auge springt (z.B. MRSA) (siehe Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“ und Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“). 10 Kapitel A: Entstehung von Infektionen Literatur 1. Brachman PS. Epidemiology of nosocomial infections. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital Infections. 4. Auflage, Lippincott – Raven, Philadelphia – New York, 1998, 3–16 2. Boyce JM. Coagulase-negative staphylococci. In: Mayhall CG (Hrsg.). Hospital Epidemiology and infection control. 2.Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 365–383 3. Centers for Disease Control and Prevention. Nosocomial infection rates for interhospital comparison: limitations and possible solutions. Infect Control Hosp Epidemiol 1991; 12: 609–621 4. Elek SD, Conen PE.The virulence of Staphylococcus pyogenes for man – a study of the problems of wound infection. Br J Exper Pathol 1957; 38: 573–586 5. Emori TG, Gaynes RP. An overview of nosocomial infections, including the role of the microbiology laboratory. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 428–442 6. Goetz A, Posey K, Fleming J, Jacobs S, Boody L, Wagener MM, Muder RR. Methicillinresistant Staphylococcus aureus in the community: a hospital-based study. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 689–691 7. Haley RW, Culver DH, White JW, Morgan WM, Emori TG, Munn VP, Hooton TM. The efficacy of infection surveillance and control programs in preventing nosocomial infections in US hospitals. Am J Epidemiol 1985; 121: 182–205 8. Haley RW, Culver DH, White JW, Morgan WM, Emori TG. The nationwide nosocomial infection rate a new need for vital statistics. Am J Epidemiol 1985; 121: 159–167 9. Hall CB, Douglas RG Jr, Geiman JM. Possible transmission by fomites of respiratory syncytial virus. J Infect Dis 1980; 141; 98–102 10. Hartstein AJ, Mulligan ME. Methicillin-resistant Staphylococcus aureus. In: Mayhall CG (Hrsg.). Hospital Epidemiology and in- 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. fection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 325–345 John JF, Barg NL. Staphylococcus aureus. In: Mayhall CG (Hrsg.). Hospital Epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 347–364 Kak V, Levine DP. Editorial response: community-acquired methicillin-resistant Staphylococcus aureus infections – where do we go from here? Clin Infect Dis 1999; 29: 801–802 Hierholzer WJ Jr, Archibald LK. Principles of infectious disease epidemiology. In: Mayhall CG (Hrsg.). Hospital Epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 3–13 Kolmos HJ, Svendsen RN, Nielsen SV. The surgical team as a source of postoperative wound infections caused by Streptococcus pyogenes. J Hosp Infect 1997; 35: 207–214 Martone WJ, Jarvis WR, Edwards JR, Culver DH, Haley RW. Incidence and nature of endemic and epidemic nosocomial infections. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital Infections. 4.Auflage, Lippincott – Raven, Philadelphia – New York, 1998, 461–476 McDonald LC, Kuehnert MJ, Tenover FC, Jarvis WR.Vancomycin-resistant enterococci outside the health-care setting: prevalence, sources, and public health implications. Em Infect Dis 1997; 3: 311–317 Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher) Ltd., Cheltenham, 1997 Pfaller MA, Cormican MG. Microbiology: The role of the clinical laboratory. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins Baltimore, 1997, 95–118 Wendt C, Krause C, Xander LU, Löffler D, Floss H. Prevalence of colonization with vancomycin-resistant enterococci in various population groups in Berlin, Germany. J Hosp Infect 1999; 42: 193–200 Übertragung von Erregern A 11 2. Übertragung von Erregern Infektionserreger können bei der Patientenversorgung prinzipiell auf folgenden Wegen übertragen werden [3]: ■ Kontakt: Bei der medizinischen Versorgung ist die Übertragung durch Kontakt am bedeutsamsten. ■ Luft: Übertragungen durch die Luft, sog. aerogene Übertragungen, kommen nur sehr selten für die Entstehung von Infektionen in Betracht. Deshalb spielen Hygienemaßnahmen zur Unterbrechung aerogener Übertragungswege im klinischen Alltag nur in bestimmten Situationen eine Rolle (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“ und „Tuberkulose“). ■ Gemeinsame Quellen für mehrere Personen: Die Übertragung von Erregern durch ein gemeinsames „Vehikel“ für mehrere Personen (z.B. kontaminierte Nahrung [21], Wasser [7] oder Blutprodukte [2, 23, 30]) ist im Vergleich zur Kontaktübertragung ein seltenes Ereignis. Die Besonderheiten der Übertragung viraler Infektionen durch Kontakt mit Blut und/oder Körperflüssigkeiten wird in Kapitel A.3 behandelt. Kontaktübertragung Es gibt drei Formen der Übertragung durch Kontakt [3, 22]: ■ Direkter Kontakt: Übertragung durch Körperkontakt von einer infizierten oder kolonisierten Person auf einen „Empfänger“ (das bedeutet fast immer Kontakt über die kontaminierten Hände des Personals). ■ Indirekter Kontakt: Kontakt eines „Empfängers“ mit einem kontaminierten Gegenstand, der z.B. nach der Anwendung bei einem Patienten nicht oder unzureichend aufbereitet wurde. Dieser kann bei anderen Patienten mit Körperstellen in Berührung kommen, an denen ein Erregerkontakt zu einer Besiedlung bzw. Infektion führen kann (z.B. offene Wunden, Venenkathetereinstichstelle, Schleimhäute der oberen Atemwege bei intubierten und beatmeten Patienten); möglich ist aber auch parenteraler Kontakt, z.B. bei einer Nadelstichverletzung. ■ Große Tröpfchen („droplets“): Dabei handelt es sich um eine spezielle Form der Kontaktübertragung durch große Tröpfchen respiratorischen Sekrets, die nur kurze Strecken in der Luft zurücklegen können, weshalb eine solche Übertragung nur bei einem Abstand von maximal zwei Metern zwischen zwei Personen zustande kommen kann (siehe unten). Manchmal ist auch heute noch von „Schmierinfektion“ die Rede. Dieser Begriff wurde vor allem für die Beschreibung des fäkal-oralen Übertragungsweges verwendet. „Schmieren“ ist jedoch ein Bild für ein grobes hygienisches Defizit und impliziert eine mit bloßem Auge sichtbare Kontamination. Der Begriff wird damit der viel komplexeren Problematik der Übertragung von Erregern durch lediglich mikroskopisch nachweisbare Kontaminationen nicht gerecht. Zudem ist er in der internationalen Fachliteratur nicht üblich 12 Kapitel A: Entstehung von Infektionen und sollte auch deshalb durch den neutralen und umfassenderen Begriff der Kontaktübertragung ersetzt werden. ■ „Tröpfcheninfektion“ Die Übertragung durch erregerhaltige Tröpfchen respiratorischen Sekrets, die sog. Tröpfcheninfektion, kann via Kontakt oder via Luft (= aerogen) erfolgen. Zur Verdeutlichung des im individuellen Fall gegebenen Übertragungsweges muss zwischen sog. (großen) Tröpfchen (engl. droplets) und sog. Tröpfchenkernen (engl. droplet nuclei) differenziert werden [3, 7, 8, 31]; denn die Tröpfcheninfektion gibt es nicht: Tröpfchen ■ Durchmesser zwischen 100 µm und 2 mm. ■ Weil sie aufgrund ihrer Größe relativ schwer sind, findet eine rasche Sedimentation auf die nächste horizontale Oberfläche in geringem Abstand vom Ort der Freisetzung statt. ■ Weil sie so schnell fallen, kommt es während der Sedimentation kaum zur Verdunstung der Wasserhülle. ■ Sie werden beim Husten und Niesen freigesetzt und fliegen dann abhängig von der dabei wirkenden Kraft, z.B. des Hustenstoßes, mehr oder weniger weit durch die Luft, maximal jedoch über eine Strecke von zwei Metern. ■ Befindet sich eine andere Person in entsprechend geringem Abstand, kann sie mit diesen Tröpfchen in Kontakt kommen, z.B. an den Schleimhäuten von Mund, Nase und Augen. ■ ■ ■ sind und deshalb nur sehr langsam sedimentieren. Weil sie lange in der Luft sind, kommt es während der (langsamen) Sedimentation zur weitgehenden Verdunstung der Wasserhülle. Durch den Verlust der Wasserhülle beim Verdunsten schrumpfen sie bis auf ihren (festen) Kern (wenn ein solcher vorhanden ist, z.B. Salzkristalle oder Mikroorganismen). „Tröpfchenkerne“ sind schwebende Partikel, die über lange Zeit mit dem Luftstrom auch in größere Entfernungen vom Ort ihrer Freisetzung getragen und währenddessen von anderen Personen inhaliert werden können. Tröpfchenkerne sind also eine Form von Aerosol (siehe unten). Aerosole sind so klein, dass sie bis in die tiefen Abschnitte des Respirationstraktes, d.h. bis in die Alveolen, gelangen können, weil sie nicht wie größere Tröpfchen durch Zentrifugalkräfte bereits von der Schleimhaut des oberen Respirationstraktes aufgefangen werden. Eine sog. „Tröpfcheninfektion“ kann somit auf zwei Wegen entstehen: 1. Erregerübertragung via Kontakt mit großen (>100 µm) Tröpfchen bei einem Abstand von maximal zwei Metern zwischen Erregerreservoir und „Empfänger“ 2. Erregerübertragung via Luft durch Inhalation von Tröpfchenkernen (< 10µm), die sich als schwebende Partikel über weite Strecken vom Erregerreservoir entfernen können (siehe unten). Nasopharyngeale Besiedlung Tröpfchenkerne ■ Durchmesser <10 µm. ■ Entstehung aus Tröpfchen < 100µm, die wegen ihrer geringen Größe sehr leicht Die vordere Nasenhöhle ist ein wichtiges Reservoir für Staphylococcus aureus und auch für A-Streptokokken. Dies ist seit langer Zeit bekannt und Gegenstand vie- Übertragung von Erregern ler Untersuchungen gewesen [6, 16, 17, 19, 26]. Viele Personen außerhalb und innerhalb des Krankenhauses sind insbesondere mit S. aureus besiedelt, teils nur zeitweise, teils dauerhaft. Bei manchen Personen kann man dagegen nie eine Besiedlung nachweisen (siehe Kapitel B.10 „MRSA“). Besiedelte Personen können kontaminierte Tröpfchen freisetzen. Die Tatsache der nasalen Besiedlung sagt aber noch nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang dieser potenziell pathogene Keim in die Umgebung abgegeben wird (siehe unten). Ein solcher Träger darf also im Falle eines Ausbruchs nicht unkritisch als dessen Quelle betrachtet werden (siehe dazu unten „Aerosole“ und Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“). Aerogene Übertragung Zwei Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine Erregerübertragung auf aerogenem Wege zustande kommen kann [3, 7, 8, 11, 31]: Der Erreger muss a) sich in Form schwebender Partikel (= Aerosol) mit dem Luftstrom auf größere Distanz vom Erregerreservoir oder dem Ausgangsort des Erregers entfernen können und b) über längere Zeit in der Luft lebensfähig sein, um überhaupt in infektiöser Form mit einem „Empfänger“ in Kontakt zu kommen, also z.B. inhaliert werden zu können. Die alleinige Tatsache, dass potenziell pathogene Mikroorganismen in Luftproben nachweisbar sind, kann demnach kein Beweis für deren aerogene Übertragbarkeit sein; dies wird dennoch, wenn auch gelegentlich eingeschränkt, in dieser Weise interpretiert [1, 7]. 13 Aerosol Aerosole sind (z.B. wässrige, feste, ölige) Schwebstoffe, also winzige Partikel, die so leicht sind, dass sie lange Zeit in der Luft schweben, bevor sie sedimentieren [3, 7, 8, 11, 31]. Infektiöse Aerosole bestehen entweder aus den Erregern selbst (= Tröpfchenkerne, evtl. noch umgeben von einer minimalen Wasserhülle) oder aus mit Infektionserregern beladenen größeren, aber immer noch schwebenden Partikeln, wie z.B. Hautschuppen (siehe unten). Sie werden aus einem Erregerreservoir freigesetzt (z.B. Patient mit offener Tuberkulose der Atemwege, kontaminierte Wasserquelle, Patient mit S. aureus-Hautinfektion oder asymptomatisch an Haut und/oder Schleimhäuten mit A-Streptokokken besiedelte Person). Im Gegensatz dazu bezeichnet man als „Bio-Aerosol“ natürlicherweise in der Luft vorhandene Mikroorganismen, wie insbesondere Aspergillen (siehe unten). Beispiele für Aerosole, die mit der Übertragung von Erregern im Zusammenhang stehen können: Tröpfchenkerne ■ Eine erkrankte Person mit einer Infektion im Bereich der Atemwege (= Erregerreservoir und Ausgangsort der Erreger) setzt (größere und kleinere) erregerhaltige respiratorische Tröpfchen frei. Dabei entstehen aus den sehr kleinen Tröpfchen (<100 µm) durch Verdunstung Tröpfchenkerne, die den Erreger enthalten und von exponierten Personen inhaliert werden können (z.B. bei offener Tuberkulose der Atemwege oder Varizellen bzw. Masern mit bronchopulmonaler Beteiligung) [3, 7]. 14 Kapitel A: Entstehung von Infektionen ■ Eine Person ist nasopharyngeal mit S. aureus besiedelt (= Erregerreservoir und Ausgangsort des Erregers). Dieser Zustand geht ohne klinische Symptomatik einher (= asymptomatische Kolonisierung; siehe unten „cloud baby/adult“). Manche dieser Personen streuen die Keime von dort in starkem Maße in die Umgebung (sog. „Disperser“ oder „Shedder“) [6, 19, 26]. ■ Im Leitungswasser (= Erregerreservoir) vorkommende Mikroorganismen werden durch technische Einrichtungen [4] (= Ausgangsort der Erreger, z.B. Klimaanlagen, Whirlpools, Vernebler, Rückkühlwerke) in Form von Tröpfchenkernen oder kleinen Tröpfchen in die Luft abgegeben und anschließend entweder in unmittelbarer Nähe (z.B. Vernebler, Whirlpool) oder nach Transport über längere Strecken durch die Luft auch außerhalb von Gebäuden bei weiterer Verdunstung (z.B. Klimaanlagen, Rückkühlwerke) von exponierten Personen inhaliert (z.B. ein möglicher Übertragungsweg der Legionellose; siehe Kapitel B.5 „Legionellose“ und Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Bio-Aerosol In der Natur (= Erregerreservoir) ubiquitär vorhandene Mikroorganismen kommen natürlicherweise auch in der Luft vor (= Ausgangsort der Erreger), und zeitlebens besteht Kontakt mit den Atemwegen (z.B. Inhalation von Aspergillussporen oder Nokardien) [7]. Infektionen entstehen aber nur bei erheblicher Beeinträchtigung der körpereigenen Abwehr (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“). Hautschuppen Jeder Mensch setzt täglich eine Vielzahl von Hautschuppen frei, von denen ein Teil Bakterien trägt; die meisten sind so klein und leicht, dass sie nicht sedimentieren, sondern in der Luft schweben [25]. Die Abgabe von bakterientragenden Hautschuppen kann bei Mitgliedern des Operationsteams von Bedeutung sein, wenn eine Person darunter ist, die virulente Erreger streut. Zum Verständnis von Ausbrüchen postoperativer Infektionen im Operationsgebiet (z.B. verursacht durch A-Streptokokken) sind Kenntnisse über die mikrobielle Besiedlung der Haut und die Abgabe bakterientragender Hautpartikel erforderlich (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“, Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“ und Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“). Normalerweise findet sich folgende anatomische Lokalisation der Hautflora [24]: ■ Hautoberfläche und Stratum corneum: einzelne Bakterienzellen und Mikrokolonien (bis zu 10 Bakterienzellen). ■ Haarfollikel: zahlreiche Bakterienzellen in den Öffnungen zwischen Haarschaft und oberflächlicher Hornschicht der Follikelwand. ■ Komedonen: viele Bakterien, eingebettet in Talg und Keratin (Keimzahlen am höchsten). ■ Ausführungsgänge ekkriner Schweißdrüsen: keine Bakterien in den intradermalen Abschnitten, nur an den Öffnungen Bakterien nachweisbar, aber in geringer Keimzahl (wie an der Hautoberfläche). ■ Haut nach Okklusion mit PolyethylenFolie: Zunahme der Keimzahl zwischen Haarschaft und Follikelwand, mehr Sprosspilze als auf normaler Haut, besonders an den Follikelöffnungen. ■ Intertriginöse Hautareale: zahlreiche Bakterienzellen, Keimzahl ähnlich wie nach Okklusion. Übertragung von Erregern Dass die Haut auch als Erregerreservoir in Frage kommt, zeigen folgende Zahlen [6, 18, 25, 32]: ■ Hautoberfläche des Menschen: ca. 1,75 m2 (18% je Bein, 37% Rumpf, 9% je Arm, 9% Kopf, <2% Axillen und Perineum) ■ An der Oberfläche abgeschilferte Hautschuppen (30×30×3–5 µm): >108 am gesamten Körper ■ Mikrobielle Besiedlung der Haut nicht gleichmäßig verteilt (siehe oben): nur ca. 10% der Hautschuppen sind besiedelt ■ Durchschnittlich alle vier Tage werden sämtliche Hautschuppen einmal abgegeben, d.h. ca. >107 Hautschuppen pro Tag, besonders zahlreich beim Baden und Duschen. ■ Bei normalem Gehen Abgabe von ca. 104 Hautschuppen pro Minute, Abgabe auch im Stehen, wenn unbekleidet durch den Luftstrom ■ Ca. 10 mg Haut werden auf diese Weise alle zwei Stunden in der Kleidung abgelagert. ■ Durchmesser der Hautschuppen durchschnittlich ca. 14 µm ■ Duschen erhöht vorübergehend die Abgabe von Hautschuppen (Austrocknung der Haut durch Reduzierung des Talgs), ca. zwei Stunden später ist die Haut wieder normal (präoperatives Duschen des Operationsteams als „Hygienemaßnahme“ also nicht sinnvoll; siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“). ■ Männer geben 1,45-mal mehr Hautschuppen ab als Frauen (Männer sind durchschnittlich größer, haben also mehr, außerdem aber auch kleinere Hautschuppen als Frauen). ■ Männer sind stärker mikrobiell kolonisiert und geben insgesamt 3,5-mal mehr ■ ■ ■ ■ ■ 15 Bakterien ab als Frauen (in einer Untersuchung streuten von 389 Männern 11,6% S. aureus, aber von 613 Frauen nur 1,3%). Manche Personen „streuen“, d.h., sie geben mehr bakterientragende Hautschuppen ab als der Durchschnitt (sog. „Disperser“ oder „Shedder“; vergl. oben „Nasopharyngeale Besiedlung“). Dies ist nicht notwendigerweise mit einer Hautkrankheit, wie Ekzem oder Psoriasis, verbunden (viele im Rahmen von Ausbrüchen als Disperser identifizierte Personen hatten keine sichtbaren Hautveränderungen). Auch bei Dispersern variiert das Ausmaß der Streuung, d.h., sie streuen nicht ständig. Bei männlichen Dispersern (siehe unten) war die Abgabe von S. aureus unbekleidet geringer als mit Kleidern (nahezu kein Unterschied bei Tragen persönlicher Kleidung und von Operationskitteln): Kleidung fördert die Abgabe von Hautpartikeln durch Reibung an der Haut. Die Art der Operationskleidung beeinflusst die Freisetzung von Hautpartikeln in die Luft des Operationssaales: Baumwolle hat eine regelmäßige Webstruktur mit „Poren“ >80 µm, d.h., Hautschuppen können ungehindert passieren; Kunstfaser mit unregelmäßigem Faserverlauf („kreuz und quer“) lässt dagegen den Luftaustausch zu, aber Hautpartikel bleiben im Fasernetz hängen. Die Abgabe von bakterientragenden Hautschuppen durch medizinisches Personal ist mit großer Wahrscheinlichkeit nur unter den Bedingungen einer Operation von Bedeutung, weil dabei längere Zeit eine große Wundfläche freiliegt, in die in der Luft schwebende Partikel sedimentieren können. 16 Kapitel A: Entstehung von Infektionen Staub Die Übertragung von Erregern durch kontaminierten Staub (z.B. Sedimentation auf Wunden oder Inhalation mit nachfolgender Besiedlung der vorderen Nasenhöhle) wird zwar häufig genannt, ist aber nicht belegt [3, 7, 22]. Im Rahmen der üblichen Sauberkeit im Krankenhaus – wo liegt in unseren Krankenhäusern überhaupt sichtbarer Staub? – spielt dieser Übertragungsweg bei der Patientenversorgung mit großer Sicherheit keine Rolle. Was die Übertragbarkeit von A-Streptokokken via Staub angeht, konnte gezeigt werden, dass sogar die Exposition von Versuchspersonen in einer mit A-Streptokokken stark kontaminierten staubreichen Umgebung und auch die direkte Inokulation von A-Streptokokken-haltigem Staub in den Nasen-Rachen-Raum weder Racheninfektionen noch eine Besiedlung der oberen Atemwege hervorriefen [26]. Die AStreptokokken waren zwar in trockenem Zustand anzüchtbar, hatten aber ihre Virulenz verloren, erkennbar daran, dass die Adhäsion an Wirtszellen und ihre Resistenz gegen Granulozyten vermindert war; in feuchtem Milieu waren diese Virulenzfaktoren wieder aktiv. Ähnliche Ergebnisse wurden für S. aureus im Tierversuch ermittelt (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [22, 26]. Bereits in den 1960er Jahren wurde experimentell nachgewiesen, dass eine Aufwirbelung von Keimen vom Fußboden auch bei heftigen Aktivitäten (z.B. Blasen mit Föhn) nicht stattfindet, dass also ein kontaminierter Fußboden als Erregerreservoir für Krankenhausinfektionen nicht in Frage kommt [15]. Dennoch werden in Deutschland seit Jahrzehnten vielerorts umfangreiche routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen, z.B. auf Intensivstationen, für erforderlich gehalten. Wichtig ist fraglos die Sauberkeit auch der Fuß- böden. Ob darüber hinaus aber die in der Regel einmal täglich durchgeführte Fußbodendesinfektion einen Einfluss auf den Schutz des Patienten vor Infektionen hat, ist weder belegt noch bei rationaler Betrachtung anzunehmen. Dies gilt im Übrigen auch für die patientennahen Oberflächen (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). DNA Über den Nachweis erregerspezifischer DNA aus der Luft in der Umgebung infizierter Personen (z.B. Varizella-Zoster-Virus-DNA in der Raumluft bei Zoster-Patienten oder Humanes Papilloma-VirusDNA im Rauch bei der Laser-Behandlung von genitalen Warzen) ist berichtet worden [27, 29]. Nicht belegt ist jedoch, ob diese Befunde tatsächlich ein Indiz für eine aerogene Übertragung dieser Erreger sind. Zusammenfassend sind demnach aerogene Erregerübertragungen möglich durch a) Tröpfchenkerne von Mensch zu Mensch (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege, Varizellen bzw. Masern mit bronchopulmonaler Beteiligung oder Freisetzung von S. aureus oder A-Streptokokken bei nasopharyngealer Besiedlung), b) Tröpfchenkerne aus einem Wasserreservoir (z.B. Legionellose ausgehend von Whirlpools, Verneblern oder Kühltürmen), c) Bio-Aerosol ( z.B.Aspergillose, Nokardiose), d) bakterientragende Hautschuppen (z.B. postoperative Infektionen im Operationsgebiet mit S. aureus oder A-Streptokokken ausgehend von einem asymptomatisch besiedelten Träger im Operationsteam) und e) kontaminierten Staub (nicht belegt, bei üblicher Sauberkeit unwahrscheinlich). Übertragung von Erregern Im klinischen Alltag gibt es jedoch so viele Möglichkeiten des direkten und/oder indirekten Kontakts mit Erregern, dass der aerogene Übertragungsweg von untergeordneter Bedeutung ist, und man kann zur Frage der aerogenen Übertragung der typischen und häufigen nosokomialen Infektionen festhalten, dass immer dann, wenn im Einzelfall die Möglichkeit einer aerogenen Übertragung erwogen wird, fast immer auch die Übertragung via direkten oder indirekten Kontakt ebenfalls in Betracht kommt [3, 22]. Beispiele für Kontaktübertragung vs aerogene Übertragung „Kinderkrankheiten“ Der aerogene Übertragungsweg wird in der Kinderheilkunde gern als „fliegende Infektion“ bezeichnet. Unklarheit herrscht allerdings (nicht nur in der Pädiatrie) darüber, welche Infektionen aerogen übertragbar sind bzw. ob solche Infektionen tatsächlich nur aerogen bzw. (neben der Kontaktübertragung) auch aerogen übertragen werden können. ■ Bei Kinderkrankheiten handelt es sich vorwiegend um Virusinfektionen, wie z.B. Masern und Varizellen, die wegen hoher Kontagiosität in den meisten Fällen beim ersten Kontakt, also in der Regel bereits im Kindesalter (daher der Name), erworben werden. ■ Übertragung meist via Kontakt: Hohe Viruskonzentrationen im Nasopharyngealsekret gegen Ende der Inkubationszeit, Übertragung via große Tröpfchen bei engem Kontakt (<2 m Abstand) oder via Kontakt über die Hände mit Selbst-Inokulation durch HandGesichts-Kontakte (bei Varizellen auch via Kontakt mit Bläschensekret) [13, 14]. 17 ■ Aerogene Übertragungen von Masern und Varizellen, die zu Infektionen bei mehreren Personen ohne Kontakt zu den primär Erkrankten geführt haben, sind jeweils im Zusammenhang mit einer ungünstigen Luftführung durch Klimaanlagen beschrieben worden [9, 12, 20]. Hinzu kamen bei den beiden nosokomialen Varizellenausbrüchen vermutlich hohe Viruskonzentrationen in der Luft der Patientenzimmer (einmal schwerkrankes Kind mit Varizellen-Pneumonie, einmal Einsatz eines Staubsaugers zur Entfernung der am Boden liegenden Reste abgestoßener Krusten bei einem Kind mit großflächiger Hautmanifestation ohne Lungenbeteiligung) [12, 20]. Ob eine Übertragung auch unter natürlichen Bedingungen, d.h. ohne die Förderung der Erregerausbreitung durch die inadäquat arbeitende Klimaanlage zustande gekommen wäre, ist jedoch nicht klar (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). ■ Sog. „Auslüften“ des Personals nach Verlassen eines Varizellen-Patientenzimmers, z.B. zehn Minuten auf einem Balkon im Freien stehen, ist eine anachronistische „Hygienemaßnahme“ ohne rationale Basis. Dasselbe gilt für das Abkleben der Zimmertüren inkl. der Schlüssellöcher. Sicherlich vernünftig dagegen ist es, die Patientenzimmer häufig zu lüften (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“) und bei Vorhandensein einer Klimaanlage deren Luftführung regelmäßig zu überprüfen. ■ Um die Übertragung der sog. Kinderkrankheiten bei der Patientenversorgung zu verhüten, ist die Vermeidung von Kontaktübertragungen, also in erster Linie die Beachtung der Händehygiene, von entscheidender Bedeutung [5]. 18 Kapitel A: Entstehung von Infektionen „Erkältungen“ Weit verbreitet ist die Auffassung, dass die typischen sog. Erkältungskrankheiten des oberen Respirationstraktes durch „Anhusten“ übertragen werden. Deshalb lernt man schon als Kind, sich beim Husten die Hand vor den Mund zu halten. Aus experimentellen Untersuchungen geht jedoch hervor, dass diese Infektionen meist nicht durch Tröpfchen, sondern durch Kontakt der (eigenen) Hände mit kontaminierten Oberflächen oder mit den kontaminierten Händen eines Erkrankten, z.B. beim Händeschütteln, übertragen werden; anschließend kommt es durch Kontakt der eigenen kontaminierten Hände mit der Nase oder den Augen zur Selbst-Inokulation der Erreger [5, 13, 14]. Aus experimentellen Untersuchungen ist ferner bekannt, dass respiratorische Viren (z.B. Respiratory-Syncytial-Virus, Rhinoviren) auch außerhalb des Organismus für einige Zeit infektionstüchtig bleiben; beispielsweise „überleben“ RS-Viren auf Arbeitsflächen aus Kunststoff bis zu 6 Stunden, auf Latex-Handschuhen bis zu 1,5 Stunden und auf Händen bis zu 20 Minuten [14]. Eintrittspforten der viralen Erreger typischer Erkältungen sind die Schleimhäute des oberen Respirationstraktes, insbesondere die Nasenschleimhaut, und die Bindehaut der Augen [13, 14]. Da häufige HandGesichts-Kontakte für den Menschen typisch sind und Personen mit florider Erkältung ihr Umfeld zwangsläufig durch Kontakt ihrer Hände mit dem infektiösen Sekret beim Husten und Naseputzen kontaminieren, ist die Selbst-Inokulation an sich nicht zu verhindern, sondern kann höchstens durch eine strenge Selbstdisziplin reduziert werden. Aufgrunddessen ist es nahezu unmöglich, sich vollständig vor dem Kontakt mit respi- ratorischen Viren zu schützen. Neben der Vielzahl von Viren, die derartige Infektionen verursachen können, ist eben diese praktische Unmöglichkeit, einen Erregerkontakt zu vermeiden, der Hauptgrund für die häufigen Erkältungen im Laufe des Lebens. S. aureus-Infektionen Einer der häufigsten Erreger krankenhauserworbener Infektionen ist S. aureus. Wie bei den anderen nosokomialen Infektionserregern findet die Übertragung meist durch Kontakt statt. Für eine aerogene Übertragung gibt es, abgesehen von der speziellen Situation bei Kontamination von Operationswunden via bakterientragende Hautschuppen (siehe oben), nur wenige Hinweise (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [3, 7, 19, 22, 26]. „Cloud babies“ Bei Neugeborenen/Säuglingen wurde eine Interaktion zwischen nasaler Besiedlung mit S. aureus und Virusinfektion der oberen Luftwege beschrieben, die dazu führte, dass die Babys quasi von einer Wolke aus S. aureus umgeben waren (diese Beobachtung wurde damals in der nicht-medizinischen Öffentlichkeit aufgegriffen und von Charles M. Schulz sogar in einem „Peanuts“Comic verarbeitet, siehe S. V und VI) [10]. Die Hypothese der Autoren war, dass durch das Anschwellen der Nasenschleimhaut und durch die damit veränderten Strömungsverhältnisse vermehrt feinste respiratorische Tröpfchen, also Tröpfchenkerne, freigesetzt werden, von denen die Kinder umgeben sind, die sich aber als schwebende Partikel in der Raumluft verteilen können.Andere Babys in der Nähe wurden mit S. aureus besiedelt, weil ihre Atemwege wie ein Luftkeimsammler wirkten und S. aureus aus der Luft aufsaugten. Übertragung von Erregern „Cloud adult“ Bei Erwachsenen ist das Phänomen der Interaktion zwischen S. aureus-Besiedlung und Virusinfektion der oberen Luftwege erst vor wenigen Jahren in einem Einzelfall beschrieben worden [28]. Es handelte sich um einen Anästhesisten, der epidemiologisch mit einer Häufung postoperativer MRSA-Pneumonien in Zusammenhang stand. Ob diese Interaktion zwischen der nasalen Besiedlung mit S. aureus und Erkältungskrankheiten generell eine Rolle spielt, ist nicht bekannt. Entsprechende Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen fehlen noch. Allgemeine Präventionsmaßnahmen Bei der Patientenversorgung spielt die Erregerübertragung durch direkten oder indirekten Kontakt ohne Zweifel die größte Rolle. Zusammengefasst sind die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention von Kontaktübertragungen: ■ Händedesinfektion nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material oder nach Kontakt mit einer infizierten/kolonisierten Person. ■ Vernünftiger Umgang mit EinmalHandschuhen, d.h. nach Beendigung der Tätigkeit, für die man sie angezogen hat, umgehend ausziehen und nicht noch andere Tätigkeiten, wie z.B. Eintragungen in die Kurve, damit durchführen. ■ Vermeidung von Hand-Gesichts-Kontakten, um die Möglichkeit der SelbstInokulation respiratorischer Infektionserreger zu reduzieren: einer derartigen Selbstdisziplinierung sind im „normalen Leben“, d.h. außerhalb der Patientenversorgung, natürlicherweise Grenzen gesetzt. ■ Wenn möglich, Abstand von >2 m zu Personen mit Infektionen der oberen 19 Atemwege halten, um den Kontakt mit „großen“ Tröpfchen zu vermeiden. ■ Ansonsten bei nahem Kontakt während der Versorgung erkrankter Patienten (bzw. wenn das medizinische Personal selbst erkältet ist) eine Maske tragen (Versorgung von Masern- oder Varizellen-Erkrankten nur durch immunes Personal). ■ Nach Schnäuzen und Husten (mit Hand vor dem Mund) möglichst immer sofort Hände waschen, um Gegenstände und Oberflächen nicht zu kontaminieren, mit denen später auch andere Personen Kontakt haben (z.B. Telefon, Arbeitsflächen). ■ Sämtliche Gegenstände für die Patientenversorgung nach dem Gebrauch und vor dem Einsatz bei anderen Patienten mit effektiven Methoden dekontaminieren, d.h. je nach Verwendungszweck entweder nur reinigen und trocknen oder reinigen, desinfizieren und trocknen oder reinigen, trocknen und sterilisieren (siehe dazu auch Kapitel B.2 „Reinigung, Desinfektion, Sterilisation“). Maßnahmen zur Prävention aerogener Übertragungen sind schwieriger zu etablieren. Die prinzipiellen Empfehlungen dazu sind in Kapitel B.5 „Aspergillose“ und „Tuberkulose“ zusammengefasst. Literatur 1. Allen KD, Green HT. Hospital outbreak of multi-resistant Acinetobacter anitratus: an airborne mode of spread? J Hosp Infect 1987; 9: 110–119 2. Benson K. Bacterial contamination of blood components. Infect Med 2000; 17: 248–250 3. Brachman PS. Epidemiology of nosocomial infections. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital Infections. 4. Auflage, Lippincott – Raven, Philadelphia – New York, 1998, 3–16 20 Kapitel A: Entstehung von Infektionen 4. Breiman RF. Impact of technology on the emergence of infectious diseases. Epidemiol Rev 1996; 18: 4–9 5. Breuer J, Jeffries DJ. Control of viral infections in hospitals. J Hosp Infect 1990; 16: 191– 221 6. Casewell MW, Hill RLR. The carrier state: methicillin-resistant Staphylococcus aureus. J Antimicrob Chemother 1986; 18, Suppl. A: 1–12 7. Centers for Disease Control and Prevention (HICPAC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 8. Duguid JP. The size and the duration of aircarriage of respiratory droplets and droplet nuclei. J Hyg (Camb)1946; 44: 471–479 9. Ehresmann KR, Hedberg CW, Grimm MB, Norton CA, MacDonald KL, Osterholm MT. An outbreak of measles at an international sporting event with airborne transmission in a domed stadium. J Infect Dis 1995; 171: 679– 683 10. Eichenwald HF, Kotsevalov O, Fasso LA.The “cloud baby”: an example of bacterial-viral interaction. Am J Dis Child 1960; 100: 161– 173 11. Eickhoff TC. Airborne nosocomial infection: a contemporary perspective. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 663–672 12. Gustafson TL, Lavely GB, Brawner ER Jr, Hutcheson RH Jr, Wright PF, Schaffner W. An outbreak of airborne nosocomial varicella. Pediatrics 1982; 70: 550–556 13. Gwaltney M, Moskalsky PB, Hendley JO. Hand-to-hand transmission of rhinovirus colds. Ann Int Med 1978; 88: 463–467 14. Hall CB, Douglas RG Jr, Geiman JM. Possible transmission by fomites of respiratory syncytial virus. J Infect Dis 1980; 141: 98–102 15. Hambraeus A, Bengtsson S, Laurell G. Bacterial contamination in a modern operating suite. 3. Importance of floor contamination as a source of airborne bacteria. J Hyg (Camb) 1978; 80: 169–174 16. Hamburger M Jr, Green MJ, Hamburger VG. The problem of the “dangerous carrier” of hemolytic streptococci. Part I. Number of hemolytic streptococci expelled by carriers with positive and negative nose cultures. J Infect Dis 1945; 77: 68–81 17. Hamburger M Jr, Green MJ, Hamburger VG. The problem of the “dangerous carrier” of he- 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. molytic streptococci. Part II. Spread of infection by individuals with strongly positive nose cultures who expelled large numbers of hemolytic streptococci. J Infect Dis 1945; 77: 96–108 Hill J, Howell A, Blowers R. Effect of clothing on dispersal of Staphylococcus aureus by males and females. Lancet 1974; 2: 1131–1133 John JF, Barg NL. Staphylococcus aureus. In: Mayhall CG (Hrsg.). Hospital Epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 347– 364 Leclair JM, Zaia JA, Levin MJ, Congdon RG, Goldman DA. Airborne transmission of chickenpox in a hospital. N Engl J Med 1980; 302: 450–453 McCall B, McCormack JG, Stafford R, Towner C, Dip G. An outbreak of Salmonella typhimurium at a teaching hospital. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 20: 55–56 Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher) Ltd., 1997 Montag T, Lange H, Schmidt U, Strobel J, Exner M. Bakterielle Kontamination von Blutkomponenten. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1999; 42: 132–142 Montes LF, Wilborn WH. Anatomical location of normal skin flora. Arch Dermatol 1970; 101: 145–159 Noble WC. Dispersal of skin microorganisms. Br J Dermatol 1975; 93: 477–485 Sands KEF, Goldman DA. Epidemiology of Staphylococcus and group A streptococci. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital Infections. 4. Auflage, Lippincott – Raven, Philadelphia – New York, 1998, 621–636 Sawyer MH, Chamberlin CJ, Wu YN, Aintablian N, Wallace MR. Detection of VaricellaZoster virus DNA in air samples from hospital rooms. J Infect Dis 1994; 169: 91–94 Sherertz RJ, Reagan DR, Hampton KD, Robertson KL, Streed SA, Hoen HM, Thomas R, Gwaltney JM Jr. A cloud adult: The Staphylococcus aureus-virus interaction. Ann Int Med 1996; 124: 539–547 Sood AK, Bahrani-Mostafavi Z, Stoerker J, Stone IK. Human papillomavirus DNA in LEEP plume. Infect Dis Obstet Gynecol 1994; 2: 167–170 Wand SA, Tokars JI, Bianchine PJ, Carson LA, Arduino MJ, Smith AL, Hansen NC, Übertragung von Erregern Fitzgerald EA, Epstein JS, Jarvis WR. Enterobacter cloacae bloodstream infections traced to contaminated human albumin. Clin Infect Dis 2000; 30: 35–40 31. Wells WF. On air-borne infection – Study II. Droplets and droplet nuclei. Am J Hyg 1934; 20: 611–618 21 32. Whyte W. The role of clothing and drapes in the operating room. J Hosp Infect 1988; 11, Suppl. C: 2–17 22 A Kapitel A: Entstehung von Infektionen 3. Virale Infektionen durch Blutkontakt Bei parenteralem Kontakt mit Blut können verschiedene Erreger übertragen werden. Vor allem sind dabei die Erreger von Hepatitis B und Hepatitis C (HBV und HCV) sowie von AIDS (HIV) von Bedeutung [4, 7, 8, 17, 19, 26, 28]. Virale hämorrhagische Fieber (VHF) werden auf demselben Weg übertragen [4, 6, 9]. Weil aber aufgrund von Ergebnissen aus Tierversuchen nicht völlig auszuschließen ist, dass nicht doch teilweise auch eine aerogene Übertragung vorkommen kann, werden im Umgang mit Patienten mit Verdacht auf ein VHF wesentlich aufwändigere Schutzmaßnahmen empfohlen [9, 10]. Auch bei bakteriellen Infektionen können Erreger im Blut vorkommen, wobei dann ein parenteraler Kontakt mit dem Blut eines solchen Patienten ebenfalls zu einer Infektion führen kann. Eine extreme Rarität stellt diesbezüglich der Fall eines Arztes dar, der sich nach einer Nadelstichverletzung eine Knochen-Tuberkulose im betreffenden Finger zugezogen hat [14]. Nicht ganz so selten sind dagegen bakterielle Kontaminationen von Blutprodukten (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Parenteraler Kontakt bedeutet, dass das Blut eines „Spenders“ in den Blutkreislauf einer anderen Person gelangt. Dies kann im Extremfall durch die Gabe von Blut einer infizierten Person geschehen. Beispielsweise ist heute bekannt, dass HCV die Hauptursache der früher als HepatitisNon-A-Non-B bezeichneten Form, der sog. Posttransfusions-Hepatitis, gewesen ist [24]. Infektiöses Material Bei HBV, HCV und HIV (und inzwischen auch HGV) ist insbesondere das Blut infektiös; die Viren sind aber auch in einigen Körperflüssigkeiten enthalten [4, 7, 8, 17, 19, 20, 23, 26, 28]. Deshalb muss ein Kontakt auch an der Haut immer vermieden werden, da es über kleine, oft nicht sichtbare Hautverletzungen auch zu einem parenteralen Kontakt kommen und da man eine Infektion der Patienten nie sicher ausschließen kann (sog. „universal precautions“) [7]. Folgende Körperflüssigkeiten müssen deshalb immer als potenziell infektiös angesehen werden (unabhängig davon, ob ein Patient als infiziert bekannt ist oder nicht) [7, 28]: ■ Blut und andere Körperflüssigkeiten mit sichtbarer Blutbeimengung ■ Liquor ■ Gelenkflüssigkeit ■ Pleuraflüssigkeit ■ Peritonealflüssigkeit ■ Perikardflüssigkeit ■ Amnionflüssigkeit ■ Samenflüssigkeit ■ Vaginalsekret Ferner ist jedes Gewebe potenziell infektiös. Beim Umgang oder bei möglichem Kontakt mit diesen Patientenmaterialien sollen immer, d.h. ausnahmslos bei jedem Patienten, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, um einen Kontakt zu vermeiden. Virale Infektionen durch Blutkontakt Nicht infektiöses Material Folgende Patientenmaterialien sind, wenn sie kein sichtbares Blut enthalten, sehr wahrscheinlich nur in einem extrem geringen Maße mit einem Infektionsrisiko verbunden: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Nasensekret Sputum Speichel Schweiß Tränenflüssigkeit Urin Erbrochenes Faeces Risikogruppen im Krankenhaus ■ Übertragungen von Blut-assoziierten Erregern bei der Patientenversorgung sind in erster Linie vom Patienten auf das Personal zu erwarten, weil für das Personal das Expositionsrisiko größer ist. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die Übertragung vom Personal auf Patienten. Außerdem sind Übertragungen von Patient zu Patient berichtet worden, deren Relevanz diskutiert werden muss. Übertragung von Patienten auf Personal Immer noch die häufigste Ursache sind Nadelstichverletzungen. Das Übertragungsrisiko ist dabei grundsätzlich abhängig von der Viruskonzentration im Blut des „Spenders“, die zum einen je nach Infektion (HBV, HCV oder HIV) variiert, zum anderen aber auch vom klinischen Zustand des Infizierten abhängt (beispielsweise sind die Virus-Titer im Blut von AIDS-Patienten im Endstadium der Erkrankung wesentlich höher als von HIVInfizierten, die noch keine klinische Symptomatik zeigen) [2–4, 7, 8, 17, 19, 26, 28]: ■ Das HBV-Risiko ist bei HBsAg-Trägern, die zusätzlich auch HBeAg-posi- ■ ■ 23 tiv sind, sehr hoch (bis zu 40%, sonst <10%). Das HCV-Risiko liegt zwischen 0% und 7% (–10%). Das HIV-Risiko ist mit 0,2–0,4% wesentlich geringer. Ein weiterer entscheidender Faktor für das Übertragungsrisiko ist die Menge an Blut, die inokuliert wird. Dabei haben die Tiefe des Eindringens sowie die Art und Größe der Nadel einen wesentlichen Einfluss, weil mit einer großen Kanüle mehr Blut inokuliert werden kann als mit einer kleinen chirurgischen Nadel, die kein Lumen hat. In einer experimentellen Untersuchung wurde gezeigt, dass die inokulierte Blutmenge um 46–86% reduziert werden kann, wenn die Kanüle vor Einstich in die Haut noch durch Latexoder PVC-Handschuhmaterial dringen musste [18]. Dabei wird das an der Außenseite der Kanüle haftende Blut zumindest teilweise am Handschuhmaterial abgestreift und somit nicht mit inokuliert. Handschuhe reduzieren also auch bei einer Nadelstichverletzung das Übertragungsrisiko. Blutkontakt während operativer Eingriffe ist ein relativ häufiges Ereignis, variiert aber abhängig vom chirurgischen Fachgebiet. So kommt es bei größeren Gefäßoperationen, bei intraabdominalen, gynäkologischen und orthopädischen bzw. traumatologischen Operationen besonders häufig zu perkutanen Kontakten [12, 21, 26, 28]. Das manuelle Tasten der Nadelspitze ist eine vermeidbare Ursache für perkutane Blutkontakte beim Operieren; dementsprechend muss die Operationstechnik angepasst werden. Durch entsprechende Schutzkleidung des Operationsteams (flüssigkeitsdichte Kleidung, ggf. Schutzbrille mit Seitenschutz 24 Kapitel A: Entstehung von Infektionen oder Schutzschild) sowie durch umsichtiges Vorgehen während der Operation (z.B. spitze oder scharfe Instrumente nicht von Hand zu Hand reichen, sondern „Selbstbedienung“ durch die Operateure; nicht zu zweit eine Wunde nähen, sondern dem Prinzip folgen: „Eine Wunde, ein Chirurg“) ein Kontakt mit Blut bzw. eine Verletzung mit spitzen oder scharfen Gegenständen vermieden werden. Doppelte Handschuhe bieten zusätzlichen Schutz, obwohl der Qualitätsstandard moderner Operationshandschuhe sehr hoch ist, sie somit zuverlässig dicht sind. ■ Auch der Blutkontakt an Haut und Schleimhaut ist prinzipiell mit einem Infektionsrisiko verbunden, für das keine Größenordnung angegeben werden kann, das aber wahrscheinlich sehr viel niedriger ist als bei einer Verletzung mit einem spitzen oder scharfen Gegenstand [7, 19, 27]. Entscheidend sind wieder die Blutmenge, aber auch die Dauer der Exposition und der Zustand der Haut während der Exposition (z.B. kleinere Verletzungen, Hautveränderungen bei Ekzem etc.). Vorsichtiger Umgang mit Kanülen und allen anderen spitzen und scharfen Gegenständen sowie Schutz von Haut und Schleimhäuten durch Einmal-Handschuhe bzw. Maske und Schutzbrille sind die essenziellen Maßnahmen zur Prävention Blut-assoziierter Infektionen. Die sicherste Prävention vor einer Infektion mit HBV ist die Schutzimpfung gegen Hepatitis B, die deshalb alle in der Patientenversorgung tätigen Personen erhalten sollen. Übertragung von Personal auf Patienten Es gibt verschiedene Berichte über intraoperative Verletzungen infizierter Operateure, wobei deren Blut in direkten Kon- takt mit dem Blut des Patienten gekommen ist [15, 27]. Insgesamt ist das Risiko wahrscheinlich gering, dennoch aber wurden Empfehlungen gegeben, wie man dieses Risiko für die Patienten so weit wie möglich reduzieren kann [8]. Als „exposure prone invasive procedures“ (Expositions-geneigte invasive Eingriffe; vergl. im Deutschen z.B. den Begriff „Gefahr-geneigte Arbeit“) wurden danach Eingriffe bezeichnet, bei denen der Platz im eigentlichen Operationsgebiet so begrenzt ist, dass die chirurgische Nadel und die Finger des Operateurs so wenig Spielraum haben, dass Nadelstichverletzungen wahrscheinlich sind. Operateure müssen sich deshalb eine Technik aneignen, bei der Nadelstiche vermieden werden (z.B. kein manuelles Tasten der Nadel in tiefem, schlecht einsehbaren Operationssitus). Es wurde aber auch über Übertragungen von HBV- bzw. HCV-infizierten Operateuren berichtet, die alle Standard-Kontrollmaßnahmen eingehalten haben [11, 13]. In beiden veröffentlichten Fällen scheinen unbemerkte nicht blutende Verletzungen bzw. Hautschädigungen, die bei den Operateuren während der Operation entstanden, ursächlich gewesen zu sein. Hinzu kamen nicht sichtbare Handschuhbeschädigungen beim (festen) Fädenknüpfen bzw. beim Verdrahten des Sternums nach Sternotomie. Als entscheidend wurde in diesen Fällen aber gesehen, dass bei beiden Operateuren sehr hohe Virustiter im Blut nachweisbar waren, wodurch die Infektiosität ihres Blutes wahrscheinlich sehr hoch war. In einem Fall gibt es überzeugende Hinweise dafür, dass sich ein Anästhesiepfleger, der eine Wunde an einer Hand hatte, aber grundsätzlich keine Handschuhe trug, im Rahmen der perioperativen Versorgung einer HCV-positiven Patientin in- Virale Infektionen durch Blutkontakt fiziert hat [25]. Danach wurden ausgehend von ihm fünf Patienten infiziert, bei deren Versorgung er prä- und postoperativ in allen Fällen assistierte. Der genaue Übertragungsweg konnte nicht eruiert werden. Bei der Versorgung der Patienten bestanden für ihn aber zumindest theoretisch vielfältige Übertragungsmöglichkeiten. Handschuhe wären sowohl im Fall seiner eigenen Infektion als auch der Infektionen der anderen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit protektiv gewesen. Übertragung von Patient zu Patient In einem Bericht über HBV-Übertragungen bei pädiatrischen Patienten wurden Schleimhautkontakte mit Gegenständen, die mit Speichel infizierter Kinder kontaminiert waren, verantwortlich gemacht [22]: ■ HBV-Infektionen unter zytostatischer Chemotherapie führen in einem sehr hohen Prozentsatz zu einer persistierenden Virämie mit extrem hohen Virustitern. ■ Hinzu kommt, dass die Infektion lange Zeit weder histologisch noch klinisch oder serologisch nachweisbar ist, da erst die Immunantwort, zu der diese Patienten aber nicht in der Lage sind, zur Leberzellschädigung führt. ■ Unter Chemotherapie treten ferner häufig Schleimhautschädigungen mit Blutungen auf. ■ Da (kleine) Kinder ihr Spielzeug oft in den Mund nehmen, besteht für nicht infizierte Kontakt-Kinder, die ebenfalls mit diesem Spielzeug spielen und darüber hinaus auch aufgrund der Chemotherapie eine geschädigte Mundschleimhaut haben, ein reales Infektionsrisiko. ■ Die Frage, ob man Kinder auf pädiatrischen onkologischen Stationen, die z.B. 25 HBV-infiziert sind, aufgrund dieser Übertragungsmöglichkeit im Einzelzimmer isolieren und nicht mit anderen nicht-infizierten Kindern spielen lassen soll, wird in der Fachliteratur nicht behandelt. Auch bei erwachsenen onkologischen Patienten gibt es Berichte über (HCV-)Übertragungen, für die zwar Bluttransfusionen ausgeschlossen, aber kein anderer schlüssiger Übertragungsweg postuliert werden konnte [1]. Möglicherweise sind jedoch Übertragungen bei schwer abwehrgeschwächten Patienten möglich, wenn es aufgrund nicht absolut konsequenter Asepsis, z.B. beim Richten von Injektionen und Infusionen, zu Kontaminationen durch die Hände des Personals kommt, wie es ähnlich auch die Erfahrungen mit der Übertragung von HBV bei Dialysepatienten gezeigt haben (siehe Kapitel B.3 „Injektionen und Punktionen“ und Kapitel B.6 „Dialyse“) [16]. Übertragungen durch kontaminierte Gegenstände HVC-Übertragungen wurden auch im Zusammenhang mit nicht völlig korrekter Aufbereitung von Endoskopie-Zubehör im Rahmen von Koloskopien berichtet [5]. Bei Einhaltung der empfohlenen Aufbereitungsschritte sind jedoch Übertragungen mit Blut-assoziierten oder anderen Erregern sicher zu verhindern (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“). HBV-Übertragungen wurden auch durch kontaminierte Mehrdosisbehältnisse verursacht [16]. Dieser Übertragungsmodus wird in Kapitel B.3 ausführlicher behandelt. Angaben zu erforderlichen Infektionskontroll-Maßnahmen finden sich in Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“. 26 Kapitel A: Entstehung von Infektionen Literatur 1. Allander T, Gruber A, Naghavi M, Beyene A, Söderström T, Björkholm M, Grillner L, Persson MAA. Frequent patient-to-patient transmission of hepatitis C virus in a haematology ward. Lancet 1995; 345: 603–607 2. Association for Professionals in Infection Control and Epidemiology (APIC). APIC position paper: prevention of device-mediated bloodborne infections to health care workers. Am J Infect Control 1998; 26; 578–580 3. Association for Professionals in Infection Control and Epidemiology (APIC). APIC position paper: hepatitis C exposure in the health care setting.Am J Infect Control 1999; 27; 54–55 4. Breuer J, Jeffries DJ. Control of viral infections in hospitals. J Hosp Infect 1990; 16: 191– 221 5. Bronowicki J-P, Venard V, Botté C, Monhoven N, Gastin I, Choné L, Hudziak H, Rhin B, Delanoë C, LeFaou A, Bigard M-A, Gaucher P. Patient-to-patient transmission of hepatitis C virus during colonoscopy. N Engl J Med 1997; 337: 237–240 6. Centers for Disease Control. Management of patients with suspected viral hemorrhagic fever. MMWR 1988; 37: 1–16 7. Centers for Disease Control. Update: universal precautions for prevention of transmission of human immunodeficiency virus, hepatitis B virus and other bloodborne pathogens in health care settings. MMWR 1988; 37: 377–388 8. Centers for Disease Control. Recommendations for preventing transmission of human immunodeficiency virus and hepatitis B virus to patients during exposure prone invasive procedures. MMWR 1991; 40: 1–9 9. Centers for Disease Control and Prevention. Notice to readers update: Management of patients with suspected viral hemorrhagic fever – United States. MMWR 1995; 44: 475– 479 10. Centers for Disease Control and Prevention (HICPAC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 11. Esteban JI, Gomez J, Martell M. Cabot B, Quer J, Camps J, Gonzalez A, Otero T, Moya A, Esteban R, Guardia J. Transmission of hepatitis C virus by a cardiac surgeon. N Engl J Med 1996; 334: 555–560 12. Folin AC, Nordström GM. Accidental blood contact during orthopedic surgical procedures. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 244–246 13. Harpaz R, Seidlein L von, Averhoff FM, Tormey MP, Sinha SD, Kotsopoulou K, Lambert SB, Robertson BH, Cherry JD, Shapiro CN. Transmission of hepatitis B virus to multiple patients from a surgeon without evidence of inadequate infection control. N Engl J Med 1996; 334: 549–554 14. Hofmann F, Schrenk C, Kleimeier B. Zum Tuberkuloserisiko von Beschäftigten im Gesundheitsdienst. Öffentl Gesundheitsw 1990; 52: 177–180 15. Hofmann F, Jilg W (Hrsg.). Nosokomiale Übertragung von HBV, HCV und HIV – Gefährdung durch infiziertes Personal. ecomed, Landsberg, 1998 16. Kidd-Ljunggren K, Broman E, Ekvall H, Gustavsson O. Nosocomial transmission of hepatitis B virus infection through multi-dose vials. J Hosp Infect 1999; 43: 57–62 17. Mahoney FJ. Update on diagnosis, management, and prevention of hepatitis B virus infection. Clin Microbiol Rev 1999; 12: 351–366 18. Mast ST, Woolwine JD, Gerberding JL. Efficacy of gloves in reducing blood volumes transferred during simulated needle-stick injury. J Infect Dis 1993; 168: 1589–1592 19. Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher) Ltd., Cheltenham, 1997 20. Minton J. Transfusion-associated hepatitis G virus infection. Rev Med Microbiol 1998; 9: 207–215 21. Panlilio AL, Foy DR. Edwards JR, Bell DM, Welch BA, Parrish CM, Culver DH, Lowry PW, Jarvis WR, Perlino CA. Blood contacts during surgical procedures. JAMA 1991; 265: 1533–1537 22. Repp R, Stoll S, Borkhardt A, Fischer H-P, Gerlich WH, Lampert F. Der besondere Verlauf der Hepatitis B-Virusinfektion unter zytostatischer Chemotherapie und Empfehlungen zu ihrer Prävention. Pädiatr Grenzgeb 1994; 32: 347–355 23. Robert-Koch-Institut. GB-Virus Typ C (GBV-C) – Andere Bezeichnung: Hepatitis G-Virus (HGV). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1998; 41: 88–90 24. Roß RS, Viazov S, Roggendorf M. Zur Diskussion um nosokomiale Hepatitis C-Über- Virale Infektionen durch Blutkontakt tragungen durch infiziertes medizinisches Personal. DMW 2000; 125: 1055–1057 25. Roß RS,Viazov S, Gross T, Hofmann F, Seipp H-M, Roggendorf M.Transmission of hepatitis C virus from a patient to an anesthesiology assistant to five patient. N Engl J Med 2000; 343: 1851–1854 26. Schreier E, Höhne M. Hepatitis C – Epidemiologie und Prävention. Bundesgesund- 27 heitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2001; 44: 554–561 27. Thomas DL. Hepatitis viruses. In: Mayhall CG (Hrsg.). Hospital Epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 565–584 28. Yap PL. Viral transmission by blood, organs and tissues. J Hosp Infect 1999; 43, Suppl.: 137–144 B Kapitel Prävention nosokomialer Infektionen Standard-Hygiene B 31 1. Standard-Hygiene Die Maßnahmen, die einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend sind für eine gute hygienische Grundversorgung aller Patienten in jeder Situation bei Diagnostik, Therapie und Pflege und die gleichzeitig auch das Personal vor Kontakten mit potenziell pathogenen Keimen schützen, bezeichnet man zusammenfassend als Standard-Hygiene. Das Hauptanliegen dieses Kapitels – wenn nicht des ganzen Buches – ist es, die generelle Notwendigkeit einer guten hygienischen Praxis im Umgang mit allen Patienten herauszustellen. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind zum einen einfach und zum anderen bekannt, und dies nicht nur bei Krankenhaushygienikern, sondern bei allen Vertretern des medizinischen Personals und in etwas eingeschränktem Umfang auch in der Normalbevölkerung, also beim Patienten. Auswirkungen des Prinzips der Standard-Hygiene Unter dem Begriff Standard-Hygiene lassen sich alle Maßnahmen subsumieren, die bei der Versorgung jedes Patienten berücksichtigt werden müssen, um einerseits den Patienten vor exogener Kontamination zu schützen und andererseits andere Patienten und sich selbst vor Kontakt mit potenziell pathogenen Keimen des Patienten zu schützen [4, 7, 13–15, 18]. Denn man kann nie sicher wissen, ob ein Patient potenziell pathogene oder sogar multiresistente Keime mitbringt, wenn er in die Behandlung kommt [4]. Auch ein ausgeklügeltes Screening kann hier keine Sicherheit bieten und ist im Übrigen so aufwändig, dass man es ohnehin nur bei ausgewählten Patienten anwenden kann (z.B. MRSA-Screening in den Niederlanden; siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [22]. Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels Eine sorgfältige Beachtung der StandardHygienemaßnahmen würde Übertragungen relevanter potenziell pathogener Keime bei der Patientenversorgung erheblich einschränken, und spezielle Isolierungsmaßnahmen würden sich damit häufig erübrigen [4]. Heute ist aber eher die Vorstellung verbreitet, dass für die Kontrolle multiresistenter Keime „Isolierung“ die Lösung sei, d.h. im allgemeinen Verständnis: die Unterbringung des Patienten im Einzelzimmer und der ausgiebige Gebrauch von Schutzkleidung bei seiner Versorgung (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“). Dies kann jedoch nicht richtig sein, weil Erreger sich nicht selbst übertragen, sondern übertragen werden. Und das bedeutet, dass sich durch eine (in der Routine) bessere hygienische Praxis die Isolierung im Einzelzimmer auf vergleichsweise wenige Patienten beschränken ließe, die, wie z.B. Verbrennungspatienten, großflächig besiedelt oder infiziert sind und demzufolge eher eine Streuquelle darstellen. Angesichts der Unmöglichkeit, bei einem Patienten die Besiedlung mit multiresistenten Erregern auszuschließen, muss sich langfristig die Auffassung durchsetzen, dass jeder Patient potenziell an irgendeiner Körperstelle mit irgendei- 32 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen nem sog. „Problemkeim“ besiedelt sein kann (so wie jeder Patient potenziell eine mit Blut übertragbare Infektion haben kann; siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“). Ebenso also, wie man beim Umgang mit jedem Patienten den Kontakt mit Blut und/oder Körperflüssigkeiten vermeiden muss (zum eigenen Schutz), muss man lernen, bei der Versorgung jedes Patienten den Kontakt mit potenziell pathogenen, insbesondere multiresistenten Keimen zu vermeiden (zum Schutz anderer Patienten und – eingeschränkt – auch zum eigenen Schutz). Dies erfordert aber nicht etwa Maßnahmen, die in der Praxis nicht realisierbar wären; vielmehr schützen dieselben Maßnahmen, die den Kontakt mit Blut/Körperflüssigkeiten vermeiden helfen, auch vor dem Kontakt mit (multiresistenten) potenziell pathogenen Keimen, vorausgesetzt man achtet dabei nicht nur auf den eigenen Schutz (siehe unten „Handschuhe“). Anstatt also immer wieder von neuem zu überlegen, welche Isolierungsmaßnahmen am besten geeignet seien, um mit dem Problem von z.B. MRSA fertig zu werden, sollte man mehr Gewicht darauf legen, bei der allgemeinen Patientenversorgung einen besseren hygienischen Standard zu erreichen (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [4]: dies muss zur neuen Leitschnur werden. Denn wenn man z.B. bei einem Ausbruch Patienten isolieren muss, reagiert man meist lediglich auf das Resultat einer unzureichenden hygienischen Versorgung der Patienten, d.h. man läuft der „guten“ hygienischen Praxis hinterher. Solange man sich nur wirklich anstrengt, wenn bereits „etwas passiert“ ist, wird man das Problem potenziell pathogener und damit ggf. auch (multi-)resistenter Erreger nie auch nur annähernd in den Griff bekommen. Was ist Standard-Hygiene? Im Folgenden werden die Maßnahmen behandelt, die in den verschiedenen klinischen Situationen zur Standard-Hygiene gehören können. Das bedeutet auch, dass – mit Ausnahme der Händehygiene – nicht alle genannten Maßnahmen zu jeder Zeit unverzichtbarer Bestandteil der Patientenversorgung sind, sondern situationsgerecht angewendet werden müssen. Händedesinfektion/Händewaschen Für die Prävention nosokomialer Infektionen hat die Händehygiene eine entscheidende Bedeutung [1, 2, 4, 7, 8, 13–15, 18]. Die Desinfektion der Hände mit alkoholischen Händedesinfektionsmitteln ist schnell durchführbar, unabhängig von der Nähe eines Waschbeckens und auf lange Sicht für die Haut besser verträglich als häufiges Händewaschen. Für den Erfolg der Händehygiene und deren Akzeptanz durch das medizinische Personal ist die Betonung einer sorgfältigen Technik (siehe unten) bedeutsamer, als nur eine bestimmte Mindestzeit, wie meist 30 Sekunden, zu fordern [2]. Wichtig ist, dass effektive Maßnahmen zur Dekontamination der Hände durchgeführt werden. Ob dabei aber die Hände gewaschen oder desinfiziert werden, ist an sich von untergeordneter Bedeutung, da unklar ist, ob der Unterschied in der Keimzahlreduktion praktisch überhaupt relevant ist. Weil aber die Händedesinfektion einfacher ist, soll sie auch bevorzugt werden. Ziel der Händehygiene mit Händedesinfektion (oder Händewaschen) ist die Elimination der transienten Flora, vor allem der potenziell pathogenen Keime [20]: Transiente Flora: Vorübergehend auf der Haut vorhanden Standard-Hygiene Residente Flora: Normale Hautflora Wichtig ist, dass die gesamte Haut der Hände berücksichtigt wird, also auch Fingerkuppen, Daumen, Fingerzwischenräume und Falten der Handinnenflächen [2]. Händewaschen ■ Mit Flüssigseife aus Spender gründlich waschen, mit Papiertuch abtrocknen ■ Dauer: 15–30 Sekunden ■ Bei Beginn bzw. Ende der Arbeit ■ Nach Benutzung der Toilette ■ Vor dem Essen bzw. vor dem Verteilen von Essen ■ Nach Kontakt mit einem nicht-infizierten Patienten (z.B. Bettenmachen, körperliche Untersuchung) ■ Nach Naseputzen (und nach Husten und Niesen mit Hand vor Mund und Nase) ■ Bei sichtbarer Verschmutzung Händedesinfektion ■ Ausreichend Händedesinfektionsmittel in die trockenen Hände geben, damit die Hände vollständig benetzt werden können, gründlich verreiben, bis die Hände trocken sind ■ Dauer: 10–20 Sekunden ■ Vor Tätigkeiten, die aseptisches Arbeiten erfordern, z.B. Bereitstellung von Infusionen, Herstellung von Mischinfusionen, Aufziehen von Medikamenten ■ Vor Tätigkeiten an Körperstellen, die vor Kontamination geschützt werden müssen, z.B. endotracheales Absaugen, Verbandswechsel, Manipulationen an Venen-/Blasenkatheter, Tracheostoma, Infusionsbesteck ■ Vor invasiven Maßnahmen, auch wenn dabei Handschuhe, ob steril oder unsteril, getragen werden, z.B.Anlage von Venen- und Blasenkatheter, Punktionen, Endoskopie, Angiographie 33 ■ Nach Kontakt mit Blut, Exkreten, Sekreten (zunächst Händewaschen, siehe unten) ■ Zwischen der Versorgung verschiedener Patienten, um Erregerübertragungen auf andere Patienten oder eine Kontamination der Umgebung zu verhüten ■ Auch zwischen verschiedenen Tätigeiten beim selben Patienten, um Kreuzkontaminationen von verschiedenen Körperstellen zu verhindern ■ Vor Kontakt mit abwehrgeschwächten Patienten ■ Nach Kontakt mit infizierten oder kolonisierten Patienten ■ Nach Kontakt mit (potenziell) kontaminierten Gegenständen, z.B. Entleeren von Wasserfalle, Absauggefäß, Urinbeutel ■ Nach Ausziehen von Einmal-Handschuhen Grobe Kontamination mit potenziell infektiösem Patientenmaterial In der klinischen Praxis geschieht es unvermeidbar trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer wieder, dass es zu einer sichtbaren Kontamination der Hände mit z.B. Blut, Stuhl oder Eiter kommt. Um das Für und Wider der dann erforderlichen Hygienemaßnahmen gab es viele Auseinandersetzungen, die jedoch wenig Klarheit für das medizinische Personal gebracht haben. Dabei geht es doch nur darum, dass die von der Kontamination betroffenen Personen die (meist oder vermutet) hohen Keimzahlen möglichst vollständig eliminieren und ihr Umfeld damit nicht bzw. so wenig wie möglich kontaminieren. Man kann sich dabei beispielsweise folgendermaßen verhalten: ■ Hände unter nicht zu starkem Wasserstrahl, damit ein Verspritzen der Konta- 34 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen mination verhindert wird, mit Wasser und Seife waschen oder die Kontamination mit einem desinfektionsmittelgetränktem Papiertuch abwischen und dann erst die Hände waschen, mit Papiertuch abtrocknen und anschließend Händedesinfektion (siehe oben) ■ Aus Hautschutzgründen nur in solchen Fällen Händewaschen und Händedesinfektion unmittelbar nacheinander durchführen Diese Empfehlung wird vom medizinischen Personal angenommen, weil hier das primär ästhetische Anliegen, sich möglichst schnell von der Kontamination befreien zu können, ausreichend berücksichtigt wird. Die anschließende Desinfektion der optisch sauberen Hände bringt dann noch die zusätzliche Gewissheit der mikrobiologischen „Reinheit“. Dagegen fand die Forderung, auf den sichtbar (z.B. mit Stuhl) kontaminierten Händen zunächst (zweimal hintereinander) ein Händedesinfektionsmittel zu verreiben und danach erst die immer noch sichtbare Kontamination mit Wasser und Seife abzuwaschen, wenig Akzeptanz in der Praxis. Dieses Vorgehen wurde empfohlen, um eine Kontamination des Waschbeckens und dessen Umgebung zu verhindern (denn durch die Desinfektion seien die in der sichtbaren Kontamination vorhandenen Erreger abgetötet worden und danach sei ein Verspritzen beim Waschen nicht mehr relevant). Solche Empfehlungen sind jedoch in der Praxis nicht vermittelbar, selbst wenn dieses Vorgehen theoretisch hygienische Vorteile haben sollte. Hautpflege Damit die Haut nicht durch häufiges Waschen und/oder Desinfizieren geschädigt wird, muss auf regelmäßige Hautpflege geachtet werden (Hautpflegemittel entspre- chend dem individuellen Hauttyp auswählen) [9, 16, 17]. Handschuhe Einmal-Handschuhe haben heute bei der Patientenversorgung eine große Bedeutung. Der häufige Einsatz zum Personalschutz birgt jedoch die Gefahr, dass sie nicht nach jedem Patienten gewechselt werden und so zu einem Übertragungsrisiko für die Patienten werden können [2, 7, 10, 11, 13, 18, 19]. Deshalb muss das Personal nachhaltig darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein solcher „Missbrauch“ von Einmal-Handschuhen mit einem erhöhten Übertragungsrisiko für die Patienten assoziiert ist. Man muss also lernen, die verschiedenen Funktionen von Handschuhen bei der Patientenversorgung zu unterscheiden, d.h. Patientenschutz und Personalschutz zu differenzieren. Sog. Einmal-Untersuchungshandschuhe können sowohl Patienten als auch Personal vor Erregerkontakten schützen: ■ Reduktion des Übertragungsrisikos durch Schutz vor Kontamination der Hände mit hohen Keimzahlen (potenziell infektiöses Material, z.B. eitrige Sekrete), die allein durch Händedesinfektion nicht sicher vollständig eliminiert werden kann, da Händedesinfektion definitionsgemäß nur eine Keimzahlreduktion um maximal 5 log10 bewirken kann (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). ■ Schutz des Personals vor Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten, d.h. insbesondere Schutz vor HBV/HCV- und HIV-Infektion Anwendung Entscheidend ist ein vernünftiger Umgang mit Handschuhen, damit die Handschuhe Standard-Hygiene nicht zu einem Übertragungsrisiko werden: ■ Nach Kontamination sofort ausziehen, also z.B.: – Zwischen der Versorgung verschiedener Patienten – Ggf. auch nach bestimmten Tätigkeiten beim selben Patienten (siehe Händedesinfektion) – Vor anderen Tätigkeiten, z.B. Eintragungen ins Krankenblatt, Telefonieren, zur Prävention einer Kontamination der Umgebung ■ Händedesinfektion nach Ausziehen, da Kontamination der Hände trotzdem relativ häufig (kommt am ehesten beim Ausziehen zustande) ■ Handschuhe selbst nicht desinfizieren Material ■ Latex bevorzugen (aus Gründen des Umweltschutzes) ■ PVC (Polyvinylchlorid) bei Latexallergie ■ Für viele Tätigkeiten (ohne starke mechanische Beanspruchung) auch Handschuhe aus PE (Polyethylen) geeignet ■ Bei Umgang mit Desinfektionsmittellösungen und für alle Reinigungsarbeiten Haushaltshandschuhe verwenden Kleidung und Patientenversorgung Jegliche Kleidung von Krankenhauspersonal muss sauber sein (in bestimmten Situationen ist sterile Kleidung erforderlich). Darüber hinaus ist die Arbeitskleidung aber für die Prävention nosokomialer Infektionen von untergeordneter Bedeutung [2, 3, 5, 13, 18, 21]. Umgang mit der Kleidung ■ Kleidung muss optisch sauber sein. ■ Ausreichende Anzahl zum Wechseln erforderlich, z.B. 35 – 1 × täglich auf Intensivstationen – 2–3 × pro Woche auf Allgemeinstationen – Grundsätzlich nach Bedarf wechseln, z.B. nach Kontamination sofort ■ Arztkittel müssen nicht notwendigerweise immer geschlossen getragen werden: – Maßgeblich sind Umfang und Art des Patientenkontakts. – Saubere Privatkleidung ist mikrobiell nicht mehr belastet als ein Kittel, der einige Stunden getragen worden ist. Man kann prinzipiell drei verschiedene Arten von Kleidung unterscheiden, die a) den Schutz des Personals vor Kontamination mit Patientenmaterial und b) den Schutz des Patienten vor Kontamination durch das Personal gewährleisten: Arbeitskleidung ■ Anstelle der Privatkleidung – Z.B. Kasak und Hose bei Pflegepersonal – Bunte (private) T-Shirts anstelle weißer Kasaks in Kinderabteilungen üblich, normale Waschtemperaturen in Haushaltswaschmaschinen (z.B. 60 °C, aber auch niedriger) ausreichend ■ Über der Privatkleidung – Z.B. Arztkittel Schutzkleidung ■ In der Regel über der Arbeitskleidung getragen, wenn es zu einer Kontamination kommen kann: – Schürze (z.B. Polyethylen) – Kittel mit langen Ärmeln ■ Aufbewahrung nach Gebrauch – Im Patientenzimmer (bei Mehrbettzimmern in der Nähe des Patientenbettes) 36 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen – Ob Aufhängen mit Innenseite nach außen oder umgekehrt, ist unerheblich, da verschmutzte Schutzkleidung nicht mehr aufgehängt, sondern sofort entsorgt werden soll – Nicht auf dem Gang vor dem Zimmer aufhängen Bereichskleidung ■ Arbeitskleidung, die nur in speziellen Krankenhausbereichen getragen werden soll ■ Meist farbige Kleidung ■ Soll bei Betreten des Bereichs angezogen, vor Verlassen abgelegt werden ■ Typischerweise Bereichskleidung für die Operationsabteilung: – Sinnvoll zur sichtbaren Abgrenzung der Operationsabteilung vom übrigen Krankenhaus – Reduziert Personalbewegungen zwischen beiden Bereichen – Darüber hinaus aber kein konkreter Beitrag zur Infektionsprävention ■ In anderen Krankenhausbereichen nicht erforderlich (z.B. Intensivstationen, Endoskopie, Bronchoskopie, Zentralsterilisation), da Umziehen bei Betreten und vor Verlassen der Bereiche in der Regel nicht realisierbar und kein Beitrag zur Infektionsprävention erkennbar ■ Bereichsschuhe: – Nur für Bereiche sinnvoll, in denen eine Kontamination der Schuhe mit Patientenmaterial möglich ist, wie z.B. in der Operationsabteilung – Aufbereitung im Schuhwaschprogramm von Reinigungs- und Desinfektionsautomaten ■ Überschuhe: – Die mikrobielle Kontamination des Fußbodens ist aus krankenhaushygienischer Sicht irrelevant. – Überschuhe gehören deshalb zu den irrationalen Maßnahmen und leisten keinen Beitrag zur Infektionsprävention. – Darüber hinaus verursachen sie unnötige Kosten und erhöhen die Belastung der Umwelt durch unnötigen Abfall. – Schließlich kontaminiert man sich beim Anziehen praktisch immer die Hände. Personalumkleiden ■ Dezentrale Umkleiden am oder in der Nähe des Arbeitsplatzes bevorzugen ■ Zentrale Umkleiden mit z.T. erheblichen Wegezeiten verbunden, dadurch z.B. auch Umkleiden während der Arbeit nach Kontamination organisatorisch schwierig ■ Getrennte Unterbringung von Arbeitsund Privatkleidung, wie in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Gesundheitsdienst“ gefordert, lediglich ästhetisches Problem, denn sichtbar verschmutzte Arbeitskleidung soll in die Wäsche, und optisch saubere Arbeitskleidung stellt kein Risiko dar Besucherkittel Privat- oder Straßenkleidung stellen kein Risiko für den Patienten dar. Deshalb sind weder auf Intensivstationen noch bei abwehrgeschwächten Patienten noch in der Neonatologie Kittel für Besucher erforderlich. Mund-Nasen-Schutz (Maske) Außerhalb von OP-Abteilungen sind Masken nur relativ selten wirklich erforderlich, sie werden aber vom medizinischen Personal – und natürlich in der Öffentlichkeit (siehe Fernsehserien) – sehr stark mit „Hy- Standard-Hygiene giene“ assoziiert und deshalb viel häufiger als notwendig getragen. Tatsächlich aber sind andere Hygienemaßnahmen viel wichtiger. Man kann verschiedene Maskenarten unterscheiden, abhängig davon, welchen Zweck sie erfüllen sollen (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [6, 12, 13]. Sie können sowohl für das Personal als auch für die Patienten erforderlich sein, sind aber in vielen Fällen verzichtbar: Chirurgische Maske ■ Verhindert Freisetzung „großer“ respiratorischer Tröpfchen („droplets“) ■ Filtert keine Aerosole, also Partikel < 5 µm („droplet nuclei“) ■ Typischerweise bei Operationen verwendet, um den Operationssitus vor sedimentierenden und Mikroorganismen enthaltenden respiratorischen Tröpfchen („droplets“) zu schützen ■ Verwendung durch das Personal: – Bei Operationen (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“) – Bei invasiven Maßnahmen (z.B. Anlage zentraler Venenkatheter, Lumbalpunktion, Herzkatheterisierung) Beitrag zur Infektionsprävention unklar, aber meist empfohlen (siehe Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“ und Kapitel B.4 „Bakteriämie“). – Bei Verbandswechsel postoperativer (großflächiger) Wunden oder Versorgung von Patienten mit Verbrennungen Notwendigkeit zum Schutz des Patienten ungeklärt – Bei Kontakt mit MRSA-Patienten häufig empfohlen, um die nasale Besiedlung zu verhindern, wahrscheinlich aber, wenn überhaupt, nur bei bestimmten Maßnahmen sinnvoll, 37 die mit Aerosolbildung einhergehen, wie z.B. endotracheales Absaugen (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“ und Kapitel B.10 „MRSA“) – Bei Erkältungskrankheiten für nahen Kontakt mit abwehrgeschwächten Patienten, alten Patienten und Säuglingen sinnvoll, Händewaschen/Händedesinfektion aber mindestens ebenso wichtig (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) – Für nahen Kontakt (<2 m) mit Patienten, die eine mit großen respiratorischen Tröpfchen übertragbare Krankheit haben (z.B. A-Streptokokken-Pharyngitis, Meningokokken-Meningitis, Diphtherie; siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“) – Schutz vor Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten (dann auch Augenschutz erforderlich) ■ Verwendung durch die Patienten: – Bei offener Tuberkulose der Atemwege, wenn das Zimmer verlassen werden muss: respiratorische Tröpfchen werden zurückgehalten und dadurch die Aerosolbildung verhindert (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.5 „Tuberkulose“) – Bei Operationen (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“) Atemschutzmaske ■ Schutz vor Inhalation von Aerosolen ■ Für industriellen Arbeitsschutz (Staubexposition) entwickelt ■ Filterung kleinster Partikel (< 0,6 µm) ■ Rückhaltegrad 95% bis >99% (HEPA = High Efficiency Particulate Air; 38 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen FFP1- bis FFP3-Masken; N95-Maske; siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose) Bei folgenden Gelegenheiten sollen Atemschutzmasken anstelle der chirurgischen Maske verwendet werden: ■ Personal: Kontakt mit Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege, wenn Aerosolbildung zu erwarten ist (z.B. Bronchoskopie, hustenprovozierende Maßnahmen, Pentamidin-Inhalation bei HIV-Patienten; siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“) ■ Patienten: Schutz vor Inhalation von Schimmelpilzsporen (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“) Zusammenfassend kann man zur Verwendung von Masken folgendes feststellen: ■ Wenn (chirurgische) Masken für erforderlich gehalten werden und prinzipiell effektiv sein sollen, müssen sie gut sitzen, d.h. dicht am Gesicht anliegen. Gespräche müssen auch dann auf das erforderliche Minimum reduziert werden, da die Masken nur einen relativen Schutz vor Freisetzung von Keimen aus dem Nasen-Rachen-Raum bieten können. ■ Bei Kontakt der Hände insbesondere mit der Innenseite der Maske kommt es zu einer Kontamination der Hände mit potenziell pathogenen Keimen aus dem Nasen-Rachen-Raum. Deshalb soll man die Maske nicht herunterhängen lassen, sondern anbehalten oder ganz ablegen, und nach Kontakt die Hände desinfizieren. ■ Für den Gebrauch von Atemschutzmasken ist spezielles Training erforderlich. Wenn sie nicht überall an der Haut dicht anliegen, fungiert jedes Leck wie ein Trichter, durch den die Atemluft viel leichter angesogen werden kann als durch das feinporige Fil- termaterial. Dadurch wird die Maske ineffektiv. Literatur 1. Ayliffe GAJ, Babb JR, Davies JG, Lilly HA. Hand disinfection: a comparison of various agents in laboratory and ward studies. J Hosp Infect 1988; 11: 226–243 2. Ayliffe GAJ, Collins BJ, Taylor LJ. Hospital acquired infection – principles and prevention. 2. Auflage, Butterworth-Heinemann, Oxford, 1993 3. Babb JR, Davies JG, Ayliffe GAJ. Contamination of protective clothing and nurses’ uniforms in an isolation ward. J Hosp Infect 1983; 4: 149–157 4. Barrett SP, Mummery RV, Chattopadhyay B Trying to control MRSA causes more problems than it solves. J Hosp Infect 1998; 39: 85– 93 5. Belkin NL. Use of scrubs and related apparel in health care facilities. Am J Infect Control 1997; 25: 401–404 6. Belkin NL. The evolution of surgical masks: filtering efficiency versus effectiveness. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 49–57 7. Bolyard EA,Tablan OC,Williams WW, Pearson ML, Shapiro CN, Deitchman SD and the Hospital Infection Control Practices Advisory Committee (HICPAC). Guideline for infection control in healthcare personnel, 1998. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 407–463 8. Boyce JM. Using alcohol for hand antisepsis: dispelling old myths. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 438–441 9. Boyce JM, Kelliher S, Vallande N. Skin irritation and dryness associated with two handhygiene regimens: soap-and-water hand washing versus hand antisepsis with an alcoholic hand gel. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 442–448 10. Deutschsprachiger Arbeitskreis für Krankenhaushygiene. Anforderungen an Handschuhe zur Infektionsprophylaxe im Gesundheitswesen. Hyg Med 1999; 24: 310– 316 11. Doebbeling BN, Pfaller MA, Houston AK, Wenzel RP. Removal of nosocomial pathogens from the contaminated glove – implications for glove reuse and handwashing. Ann Int Med 1988; 109: 394–398 Standard-Hygiene 12. Fennelly KP. Personal respiratory protection against Mycobacterium tuberculosis. Clin Chest Med 1997; 18: 1–17 13. Garner JS, The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee Guideline for isolation precautions in hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 53–80 14. Goldman D, Larson E. Hand-washing and nosocomial infections. N Engl J Med 1992; 327: 120–122 15. Hugonnet S, Pittet D. Hand hygiene – beliefs or science? Clin Microbiol Infect 2000; 6: 350–356 16. Larson E. Hygiene of the skin: when is clean too clean? Em Infect Dis 2001; 7: 225–230 17. McCormick RD, Buchman TL, Maki DG. Double-blind, randomized trial of scheduled use of a novel barrier cream and an oil-containing lotion for protecting the hands of health care workers. Am J Infect Control 2000; 28: 302–310 39 18. Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher) Ltd., Cheltenham, 1997 19. Olsen RJ, Lynch P, Coyle MB, Cummings J, Bokete T, Stamm WE. Examination gloves as barriers to hand contamination in clinical practice. JAMA 1993; 270: 350–353 20. Price PB. The bacteriology of normal skin: a new quantitative test applied to a study of the bacterial flora and the disinfectant action of mechanical cleansing. J Infect Dis 1938; 63: 301–318 21. Rutala WA,Weber DJ.A review of single-use and reusable gowns and drapes in health care. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 248–257 22. Vandenbroucke-Grauls CMJE. Methicillinresistant Staphylococcus aureus control in hospitals: the dutch experience. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 512–513 40 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 2. Reinigung – Desinfektion – Sterilisation Reinigung, Desinfektion und Sterilisation sind verschiedene Methoden der Dekontamination, die abhängig davon, welchen Grad der mikrobiellen „Sauberkeit“ man erreichen muss, angewendet werden. Definitionen Reinigung Unter Reinigung versteht man die Beseitigung sichtbarer Verunreinigungen (z.B. Schmutz, Staub, organisches Material). Dabei wird gleichzeitig ein großer Anteil an Mikroorganismen beseitigt [5–9, 12, 33]. ■ Der Reinigungseffekt kommt in der Regel durch Zusammenwirken von mechanischer Reinigungskomponente und schmutzlösender, also chemischer Wirkung von Reinigungsmitteln zustande. ■ Die Anzahl der Mikroorganismen wird zusätzlich durch Trocknung reduziert, weil sie sich auf sauberen und trockenen Flächen nicht vermehren können und mehr oder weniger schnell absterben. ■ In vielen Fällen sind Reinigungsmaßnahmen allein schon ausreichend, um einen Gegenstand oder eine Fläche adäquat zu dekontaminieren. Eine gründliche Reinigung ist der erste und wichtigste Schritt bei der Dekontamination von Gegenständen und Flächen, weil eine evtl. anschließend erforderliche Desinfektion oder Sterilisation nur erfolgreich sein kann, wenn zuvor alle Rückstände entfernt worden sind. Desinfektion Als Desinfektion bezeichnet man die weitgehende oder vollständige Eliminierung potenziell pathogener Mikroorganismen; ausgenommen sind bakterielle Sporen [4, 5, 20, 29, 35]. ■ Für die Praxis kann man von einer Desinfektion sprechen, wenn man eine Keimzahlreduktion um 3–5 log10-Stufen erreicht. ■ Das Ziel von Desinfektionsmaßnahmen im klinischen Alltag ist, die Zahl an Infektionserregern auf einer Fläche oder einem Gegenstand so weit zu reduzieren, dass davon keine Infektion mehr ausgehen kann bzw. eine Erregerübertragung nicht mehr möglich ist. Für die Desinfektion stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung [3–5, 18, 20, 21, 29, 33, 35]: ■ Für hitzestabile Materialien werden am häufigsten physikalisch-thermische Verfahren in vollautomatischen Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (RDM) eingesetzt. Seltener wird eine Dampfdesinfektion gereinigter und verpackter Gegenstände in Autoklaven durchgeführt. ■ Für hitzelabile Gegenstände stehen maschinelle chemo-thermische Verfahren zur Verfügung. ■ Bei den manuellen Verfahren der Instrumenten- und Flächendesinfektion werden Desinfektionsmittellösungen angewendet. Reinigung – Desinfektion – Sterilisation Wegen der höheren Sicherheit (auch aus Gründen des Personalschutzes) sollen vollautomatische Verfahren immer bevorzugt werden, weil die ausgeprägte mechanische Komponente mit intensiver Spülung der Gegenstände zusätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der Erreger leistet. Sterilisation Die vollständige Elimination aller mikrobiellen Zustandsformen (inkl. bakterieller Sporen), also sowohl der potenziell pathogenen Mikroorgansimen als auch apathogener Keime, wird für die Sterilisation gefordert. Abhängig von der Hitzeverträglichkeit des Materials kann eine Sterilisation mit verschiedenen Verfahren erreicht werden [1, 3, 11, 14–16, 28, 30–33, 35]: 41 ten von einem Gegenstand ausgeht; unabhängig von der Methode muss für eine vollständige Trocknung gesorgt sein. Man kann drei Risikokategorien unterscheiden [4, 5, 29, 30, 33]: Kritische Gegenstände ■ Kontakt mit dem Blutgefäßsystem und/ oder sterilem Gewebe (z.B. Kanülen, chirurgische Instrumente, intravasale Katheter, Blasenkatheter, Implantate) ■ Hohes Infektionsrisiko bei Kontamination mit (irgendwelchen) Mikroorganismen (inkl. bakteriellen Sporen) ■ Methode der Dekontamination: Reinigung und Sterilisation Semikritische Gegenstände ■ Thermostabil: Feuchte Hitze (Dampfsterilisation = Autoklavieren) und trockene Hitze (Heißluftsterilisation) ■ Thermolabil: Plasma-, Formaldehydund Ethylenoxid-Sterilisation ■ Kalt-Sterilisation: Bei Einsatz bestimmter chemischer Desinfektionsmittel unter strikt kontrollierten Bedingungen ist ebenfalls eine Sterilisation, also Eliminierung aller vorhandenen Mikroorganismen bis hin zu bakteriellen Sporen, erreichbar. Eine Rekontamination ist jedoch schon deshalb leicht möglich, weil die Gegenstände nicht verpackt sind. Wegen erhöhter Störanfälligkeit und damit unsicheren Ergebnissen soll auf diese Form der chemischen Sterilisation nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden, wenn die sicheren vollautomatischen Sterilisationsverfahren nicht anwendbar sind. ■ Kontakt mit Schleimhäuten oder nicht intakter Haut (z.B. Beatmungs-, Narkosezubehör, Endoskope) ■ Infektionsrisiko bei Kontamination mit potenziell pathogenen Mikroorganismen, ausgenommen bakterieller Sporen ■ Methode der Dekontamination: Reinigung und Desinfektion Auswahl der Dekontaminationsmethode Wirkungsbereich von Desinfektion und Sterilisation Welche Methode der Dekontamination eingesetzt werden muss, hängt davon ab, welches potenzielle Risiko für den Patien- Nicht-kritische Gegenstände ■ Kontakt mit intakter Haut, aber nicht mit Schleimhäuten (z.B. Blutdruckmanschette, Stethoskop, Bettgestell, Möbel, Waschbecken, Wände, Fußboden) ■ Infektionsrisiko nicht vorhanden oder vernachlässigbar gering ■ Methode der Dekontamination: Reinigung Die einzelnen Verfahren der Desinfektion und Sterilisation haben verschiedene Wir- 42 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen kungsbereiche, die in die Gruppen A – D eingeteilt werden. Für einen Desinfektionseffekt ist der Wirkungsbereich A + B ausreichend. Der Wirkungsbereich D wird nur von Sterilisationsverfahren erreicht [35]: Gruppe A: Abtötung von vegetativen Bakterien und Pilzen Gruppe B: Inaktivierung von Viren Gruppe C: Abtötung von Sporen von Bacillus anthracis Gruppe D: Abtötung von Sporen von Clostridium perfringens Besonders widerstandsfähig gegen die geläufigen Desinfektions- und Sterilisationsverfahren sind Prionen, die sich nicht in das bekannte Schema von Infektionserregern einreihen lassen und nach heutiger Auffassung als Erreger der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gelten (siehe Kapitel B.5 „Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“). Thermische Desinfektion Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (RDM) ■ Heute am häufigsten eingesetztes thermisches Desinfektionsverfahren (= Spülen mit heißem Wasser mit Reinigungs-, aber ohne Desinfektionsmittelzusatz) ■ Temperaturbereich 75–95 °C mit einer Haltezeit von meist 10 Minuten ■ Sog. „BGA-Programm“: Dieses in der Liste der vom RKI (ehemals BGA) geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (siehe unten) aufgeführte Programm sieht eine Temperatur von 93 °C bei 10 Minuten Haltezeit vor, um auch Hepatitis B-Viren sicher zu eliminieren, wobei jedoch sowohl die Temperatur als auch die Haltezeit auf Extrapolation von Daten beruht, die unter nicht vergleichbaren experimentellen Bedingungen erhoben wurden [19]. ■ In Zukunft wird im Rahmen der Harmonisierung der europäischen Normen eine Temperatur vom 90 °C mit einer Haltezeit von 5 Minuten empfohlen werden [17]. Auskochen ■ 3 Minuten: Gruppe A + B ■ 15 Minuten: Gruppe A – C Dampf-Desinfektion ■ Dampf-Strömungsverfahren (gesättigter Wasserdampf, 100 °C) – 3 Minuten: Gruppe A + B – 15 Minuten: Gruppe A – C ■ Druckloses Dampfkreislaufverfahren (feuchte Heißluft als Dampf-Luft-Gemisch, 95–105 °C) – 15 Minuten: Gruppe A – C ■ Fraktioniertes Dampf-Vakuumverfahren (nach Entfernung der Luft Wirkung des gesättigten Wasserdampfes): a) Unterdruckverfahren – 75 °C, 20 Minuten (Gruppe A + B) – 95 °C, 10 Minuten (Gruppe A + B) b) Überdruck bei 105 °C – 1 Minute (Gruppe A + B) – 5 Minuten (Gruppe A – C) Chemische Desinfektion Desinfektionsmittelklassen Je nach Umfang der antimikrobiellen Wirksamkeit chemischer Desinfektionsmittel wurden verschiedene Desinfektionsmittelklassen unterschieden [4, 5, 20, 29, 33]: „High level“: „Intermediate level“: Aldehyde, Peressigsäure (Gruppe A + B) Alkohole, Jod, NatriumHypochlorit (Gruppe A + B, aber nicht alle unbehüllten Viren) Reinigung – Desinfektion – Sterilisation „Low level“: Quaternäre Ammoniumverbindungen (Gruppe A, aber Gram-negative Stäbchen häufig resistent, keine Mykobakterien, und Pilze häufig resistent; Gruppe B eingeschränkt, da nicht wirksam gegen unbehüllte Viren) Gemäß der erforderlichen Dekontaminationsmethode für kritische, semi-kritische und nicht-kritische Gegenstände (siehe oben) kann man zwischen Mitteln mit „High-level“- und „Intermediate-level“Wirksamkeit wählen, während „Low-level“-Präparate nur in Ausnahmefällen (z.B. im Küchenbereich wegen der potenziellen Toxizität der anderen Mittel; siehe unten und Kapitel B.6 „Küche“) zum Einsatz kommen sollen. Desinfektionsmittel von A–Z Die wichtigsten Eigenschaften der verschiedenen chemischen Desinfektionsmittel werden in alphabetischer Folge kurz zusammengefasst aufgeführt [2, 10, 13, 15, 18, 20–29, 33–36]: Aldehyde ■ Breites Wirkungsspektrum (inkl. unbehüllte Viren) ■ Abhängig von Konzentration, Einwirkzeit und Substanz auch sporizide Wirkung ■ Geringer sog. Eiweißfehler (kaum Koagulation von Eiweiß) ■ Gute Umweltverträglichkeit ■ Einsatz bei Flächen- und Instrumentendesinfektion ■ Formaldehyd: – Einsatz in den letzten Jahren wegen kanzerogener Wirkung im Tierversuch stark eingeschränkt 43 – Früher auch durch Verdampfen („Vernebeln“) zur Raumdesinfektion eingesetzt (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“) – Stark schleimhautreizend und allergisierend – Geruchsschwelle bei 0,05 ppm, MAK-Wert 0,5 ppm ■ Glutaraldehyd: – Optimales Wirkungsspektrum als 2%ige Lösung bei pH 7,5–8,5 (= „aktivierte“ Lösung, Standzeit 2–4 Wochen) – Saure Lösungen sind stabil, haben aber einen langsameren Wirkungseintritt – Häufiger Einsatz bei EndoskopDesinfektion (manuell und maschinell bei 60 °C als chemo-thermische Desinfektion in RDM) – In den meisten Zubereitungen keine korrosive Wirkung auf Metalle und andere Materialien – Stark schleimhautreizend und allergisierend – MAK-Wert 0,2 ppm ■ Glyoxal: – Nur teilweise mit Formaldehyd und Glutaraldehyd vergleichbares Wirkungsspektrum (z.B. nicht umfassend viruzid) – Deshalb nur in Kombination mit Formaldehyd oder Glutaraldehyd angewendet Alkohole ■ Ethanol, n-Propanol, iso-Propanol ■ Sehr gute (häufig unterschätzte) mikrobizide Eigenschaften – Bakterizid, tuberkulozid, fungizid, viruzid – Gegen einige unbehüllte Viren (z.B. Polio) nicht ausreichend wirksam, Rotaviren und Hepatitis B-Virus werden aber inaktiviert 44 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen – Nicht sporizid, deshalb Sterilfiltration erforderlich, wenn Sporenfreiheit erreicht werden soll Sehr schneller Wirkungseintritt Gebrauchsverdünnung je nach Alkohol 50–90% (reiner Alkohol eher nur konservierende Wirkung, daher nicht zur Desinfektion geeignet) Hoher Eiweißfehler durch Koagulation von Eiweiß (darin evtl. eingeschlossene Mikroorganismen vor der Alkoholwirkung geschützt; deshalb nur zur Desinfektion bereits gereinigter Gegenstände verwenden) Schleimhautreizend Gute Umweltverträglichkeit Vor allem zur Hautdesinfektion verwendet (auch in Kombination mit anderen Desinfektionsmitteln, wie z.B. PVP-Jod und Chlorhexidin; siehe dort) Auch zur Desinfektion kleinerer Flächen geeignet (wegen Brandgefahr aber nicht für großflächige Anwendung) Bei Kunststoffen zuvor Materialverträglichkeit prüfen („blinde“ Stellen) Rasche Verdunstung, deshalb keine längeren Kontaktzeiten möglich, außer bei Einlegen Biguanide ■ Erhebliche Wirkungslücken (unwirksam gegen Mykobakterien, unbehüllte Viren und Sporen), deshalb nur in Kombination mit anderen Desinfektionsmitteln, vor allem Alkoholen, angewendet ■ Hoher Eiweißfehler durch Koagulation von Eiweiß (darin evtl. eingeschlossene Mikroorganismen vor der Biguanidwirkung geschützt; deshalb nur zur Desinfektion bereits gereinigter Gegenstände verwenden) ■ Schlechte Umweltverträglichkeit ■ Wichtiger Vertreter der Gruppe ist Chlorhexidin (siehe unten) Chlorabspaltende Verbindungen ■ In flüssiger Form z.B. als Natrium-Hypochlorit, in fester Form z.B. als Calcium-Hypochlorit ■ Breites Wirkungsspektrum (Gruppe A + B) ■ Schneller Wirkungseintritt ■ Gebrauchsfertige Lösungen instabil ■ Unverträglichkeit mit kationischen Reinigungsmitteln ■ Entstehung von Chlorgas bei Mischung mit Säuren ■ Bleichwirkung bei verschiedenen Materialien (deshalb vor allem früher breit eingesetzt zur Wäschedesinfektion) ■ Korrosiv für Metalle, Kunststoffe, Gummi und andere Materialien bei längerem Kontakt oder zu hoher Konzentration ■ Hoher Eiweißfehler durch Koagulation von Eiweiß (darin evtl. eingeschlossene Mikroorganismen vor der Chlorwirkung geschützt; deshalb nur zur Desinfektion bereits gereinigter Gegenstände verwenden) ■ Schleimhautreizend ■ Sehr schlechte Umweltverträglichkeit ■ Anwendung bei der Trink- und Badewasserdesinfektion (früher auch zur Desinfektion von Babyflaschen und -saugern) ■ Bei Einsatz im zahnärztlichen Bereich muss mit Remobilisation von Quecksilber aus Amalgamabscheidern gerechnet werden (vergl. Peroxidverbindungen) Chlorhexidin ■ Gehört zur Gruppe der Biguanide (siehe dort) ■ Begrenztes Wirkungsspektrum (nur vegetative, vor allem Gram-positive Bakterien und behüllte Viren, aber nicht Mykobakterien, unbehüllte Viren und Sporen) Reinigung – Desinfektion – Sterilisation ■ Inaktivierung durch Seife, Eiweiß und anionische Reinigungsmittel ■ Relativ untoxisch ■ Ausschließlich als Haut- und Schleimhautdesinfektionsmittel eingesetzt ■ In Kombination mit Alkohol für Haut-, Hände- und Nabeldesinfektion (0,5% Chlorhexidin in 70%igem iso-Propanol) ■ In Kombination mit Reinigungsmittel in antimikrobieller Flüssigseife Farbstoffe ■ Gentianaviolett, Eosin, Methylorange, Brillantgrün u.a. ■ Uneinheitliches Wirkungsspektrum (deshalb bakterielle Verunreinigungen der Lösungen möglich) ■ Häufig eingesetzt bei Hautläsionen wegen guter austrocknender Wirkung ■ Teilweise ausgeprägt wundheilungshemmende Wirkung (Gentianaviolett, Brillantgrün) Glucoprotamin ■ Neuer und bisher einziger verfügbarer Wirkstoff aus der Gruppe der Aminderivate ■ Breites Wirkungsspektrum (Gruppe A + B) vergleichbar mit dem von Formaldehyd und Glutaraldehyd ■ Keine Geruchsbelästigung ■ Gute Umweltverträglichkeit ■ Einsatz für Flächen- und Instrumentendesinfektion Iodophore ■ PVP-Jodpräparate ■ Breites Wirkungsspektrum (Gruppe A + B) ■ Inaktivierung durch Eiweiß ■ Vor allem zur Haut- und Schleimhautdesinfektion verwendet ■ Alkoholische Zubereitungen bei präoperativer Hautdesinfektion eingesetzt 45 ■ PVP-jodhaltige Flüssigseifen zur präoperativen Händedesinfektion geeignet (im Ausland häufig benutzt, in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr in der Liste der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie – DGHM – aufgeführt; siehe unten) ■ Wegen wundheilungshemmender Wirkung zurückhaltender Einsatz bei der Wundversorgung empfehlenswert (z.B. keine längeren Bäder infizierter Finger) ■ Besser verträglich als Jodtinktur und wässrige Jodlösungen ■ Schlechte Umweltverträglichkeit Octenidin ■ Neuer Wirkstoff ■ Kationenaktive Verbindung ■ Gutes Wirkungsspektrum (Gruppe A + B, aber nicht unbehüllte Viren), auch gegen Trichomonaden wirksam (Vaginalantisepsis) ■ Keine Toxizität, keine allergisierende Wirkung bekannt ■ Keine wundheilungshemmende Wirkung ■ Gute Umweltverträglichkeit ■ Einsatz bei Haut- und Schleimhautdesinfektion Peroxidverbindungen ■ Peressigsäure, Wasserstoffperoxid u.a. ■ Breites Wirkungsspektrum (bei Peressigsäure inkl. Sporen) ■ Korrosiv für Metalle ■ Lösungen instabil ■ Einsatz als Haut-, Instrumenten-, (Dialyse)-Geräte- und Flächendesinfektionsmittel ■ Einsatz bei der Wäschedesinfektion (auch Bleichwirkung) ■ Sehr gute Umweltverträglichkeit ■ Bei Einsatz im zahnärztlichen Bereich muss mit Remobilisation von Quecksil- Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 46 ber aus Amalgamabscheidern gerechnet werden (vergl. „Chlorabspaltende Verbindungen“). Phenole ■ Medizinhistorisch von Bedeutung, da von Lister als Karbolsäure verwendet ■ Heute Phenol-Derivate im Einsatz (hauptsächlich ortho-Phenylphenol und ortho-Benzyl-para-Chlorophenol) ■ Wirkungsbereich A + B, aber nicht gegen unbehüllte Viren, z.T. auch Hepatitis B-Wirksamkeit unzuverlässig ■ Geringer Eiweißfehler ■ Unverträglichkeit mit kationischen Reinigungsmitteln ■ Absorption durch poröse Stoffe ■ Einsatz in der Neonatologie wegen Auftreten von Hyperbilirubinämie kontraindiziert ■ Kontakt mit Haut und Schleimhäuten muss wegen toxischer Wirkungen durch Absorption vermieden werden. ■ Schlechte Umweltverträglichkeit (gilt vor allem für die Chlor-substituierten Derivate) ■ In anglo-amerikanischen Ländern relativ häufig verwendet Quaternäre Ammoniumverbindungen ■ Sog. „Quats“, z.B. Benzalkoniumchlorid, Cetrimid, Cetylpyridiniumchlorid ■ Eingeschränktes Wirkungsspektrum (unwirksam gegen Mycobacterium tuberculosis, verschiedene Gram-negative Bakterien, vor allem Pseudomonas spp., und unbehüllte Viren), deshalb meist nur in Kombination mit anderen Substanzen, z.B. Alkoholen ■ Zahlreiche Ausbrüche nosokomialer Infektionen wegen Kontamination von Gebrauchslösungen beschrieben, deshalb sollen zumindest reine Quats heute nach Möglichkeit nicht mehr verwendet werden ■ Desinfektionsmittel mit guten Reinigungseigenschaften (oberflächenaktive Verbindungen) ■ Absorption durch poröse Stoffe (Baumwolle, Mull), dadurch antimikrobielle Wirksamkeit reduziert ■ Nahezu vollständige Inaktivierung durch Seifen, anionische Reinigungsmittel und Eiweiß ■ Geringe Toxizität (deshalb in Küchenbereichen eingesetzt) ■ Schlechte Umweltverträglichkeit Schwermetalle ■ ■ ■ ■ Quecksilber, Silbernitrat, Zinn Unsichere Wirksamkeit Sichere Toxizität Quecksilberverbindungen, wie vor allem Merbromin, häufig wegen der guten austrocknenden Wirkung verwendet, die aber auch mit Farbstoffen erreicht werden kann (siehe dort) ■ Sehr schlechte Umweltverträglichkeit Desinfektionsmittellisten DGHM-Liste ■ Mittel und Konzentrationen für die Anwendung im klinischen Alltag ■ Aufnahme der Mittel in die Liste nach Vorlage entsprechender Gutachten mit Testung nach den Kriterien der DGHM (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie) ■ Andere Mittel nur dann verwenden, wenn entsprechende Gutachten vom Hersteller vorgelegt werden können ■ Für die Händedesinfektion kann aber ohne Bedenken z.B. 60–70%iger Alkohol (mit Zusatz von 2% Glyzerin) verwendet werden, da 60%iger n-Propanol die Referenzsubstanz bei der Prüfung von Händedesinfektionsmitteln ist. ■ Seit einigen Jahren sind antimikrobielle Flüssigseifen nicht mehr unter den Reinigung – Desinfektion – Sterilisation Händedesinfektionsmitteln gelistet, da nur noch Substanzen aufgeführt sind, die bei Anwendung nicht mit Wasser verdünnt werden müssen, was bei Seifen unvermeidlich ist. Im Ausland werden antimikrobielle Flüssigseifen aber häufig auch für die chirurgische Händedesinfektion eingesetzt. RKI-Liste ■ Liste der vom Robert-Koch-Institut (RKI) geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren ■ Mittel und Verfahren dieser Liste müssen gemäß § 18 IfSG nur auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamtes eingesetzt werden, also nicht schon allein bei Auftreten einer gemäß §§ 6, 7 IfSG meldepflichtigen übertragbaren Krankheit. ■ In der RKI-Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention wurden die Mittel der RKI-Liste bisher auch dann empfohlen, wenn es zu einer groben Kontamination mit potenziell infektiösem Material gekommen ist. ■ Für die Praxis kann diese Empfehlung dahingehend ausgelegt werden, dass man Mittel aus der DGHM-Liste auswählen soll, die auch in der RKI-Liste aufgeführt sind (z.B. Aldehyde). Diese Mittel können dann aber in den in der DGHM-Liste angegebenen Konzentrationen angewendet werden und müssen nicht etwa in den hohen Konzentrationen der RKI-Liste eingesetzt werden, wofür aus Gründen des Arbeitsschutzes eine spezielle Schutzausrüstung (z.B. Masken) erforderlich wäre. Prüfverfahren für Desinfektionsmittel Die Prüfung von Desinfektionsmitteln für die Aufnahme in eine der relevanten Listen erfolgt unter Bedingungen, die nur teil- 47 weise für den klinischen Alltag repräsentativ sind. Bei der Prüfung von Flächendesinfektionsmitteln wird der Effekt der mechanischen Reinigung (= Wischen), die in der Praxis immer erfolgt, nicht berücksichtigt. Stattdessen werden die Desinfektionsmittel in statischen Versuchsanordnungen untersucht. Bei derartigen Versuchsbedingungen kann man zwar eine Aussage über die antimikrobielle Wirksamkeit des Desinfektionsmittels machen, die Ergebnisse geben aber nur eingeschränkt die Bedingungen im klinischen Einsatz wieder. In der Praxis erfolgt immer auch gleichzeitig eine mechanische Reinigung, womit ein Großteil der mikrobiellen Kontamination beseitigt wird (siehe oben „Reinigung“). Die Testbedingungen sind der Grund dafür, dass in der DGHM-Liste für Flächendesinfektionsmittel nicht nur eine Konzentration, sondern auch eine Einwirkzeit angegeben ist, die jedoch in der Praxis nicht berücksichtigt zu werden braucht: Sobald eine desinfizierte Fläche abgetrocknet ist, kann sie nach allgemeiner Auffassung wieder benutzt werden (z.B. ein Operationssaal, wenn die Aufräum- sowie Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten im Anschluss an eine Operation abgeschlossen sind). Außerdem sind die in den Versuchen angewendeten Keimzahlen so hoch, wie sie wahrscheinlich in der Praxis nur selten vorkommen. Wahrscheinlich können die meisten Flächendesinfektionsmaßnahmen sowieso durch Reinigungsmaßnahmen ersetzt werden, weil die aus hygienischer Sicht entscheidenden Kriterien die (optische) Sauberkeit und die Trockenheit der Flächen sind. An dieser Frage haben sich in der Vergangenheit wiederholt heftige Dispute unter 48 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen den Hygienikern Deutschlands entzündet. Die von den Kontrahenten auf beiden Seiten vorgebrachten Argumente haben jedoch wenig zur Klärung der prinzipiellen Frage beigetragen und können deshalb nicht als konstruktiver Dialog verschiedener Meinungen begrüßt werden. Vielmehr waren die Auseinandersetzungen im Effekt kontraproduktiv und haben dem Ansehen der Krankenhaushygiene als akademischem Fach eher geschadet. Hinweise für den Umgang mit Desinfektionsmitteln ■ Hautkontakt immer vermeiden und deshalb immer Handschuhe tragen, sonst Allergisierungsrisiko hoch ■ Zur Vermeidung schleimhautreizender Dämpfe Lösungen mit kaltem Wasser ansetzen ■ Genaue Dosierung einhalten, dafür bei manueller Dosierung Messbecher (keine „Schuss“-Methode), sonst automatische Dosiergeräte verwenden, die aber regelmäßig benutzt werden müssen, um Fehldosierungen zu vermeiden ■ Angesetzte Flächendesinfektionsmittellösung nicht in offenen Eimerchen mit schwimmenden Läppchen aufbewahren, sondern stattdessen in verschließbaren Flaschen, z.B. mit Spritz(nicht Sprüh-)Öffnung, aus denen im Bedarfsfall die Lösung auf einen Lappen gegeben wird ■ Haltbarkeit der angesetzten, also gebrauchsfertigen Lösungen beachten (meist 2–4 Wochen, Hersteller fragen) ■ Gefäße mit angesetzter Desinfektionsmittellösung mit Deckel verschließen (gilt auch für geruchsfreie Desinfektionsmittel) ■ Bei der manuellen Instrumentendesinfektion die empfohlenen Einwirkzeiten einhalten ■ Nach Flächendesinfektionsmaßnahmen Raum gut lüften ■ Instrumentendesinfektionsmittel mit Zusatz von Reinigern täglich erneuern (auf Kompatibilität von Desinfektionsund Reinigungsmittel achten) ■ Möglichst nur DGHM-gelistete Desinfektionsmittel verwenden (siehe oben) ■ Mittel und Verfahren der RKI-Liste nur nach dezidierter Anordnung durch das zuständige Gesundheitsamt im Einzelfall anwenden, nicht allein bei Auftreten einer meldepflichtigen Infektion Anwendungsbereiche der verschiedenen Desinfektionsverfahren Flächendesinfektion ■ Immer Wischdesinfektion (nicht „Scheuer“-Wischdesinfektion, weil nicht Scheuern mit Bürsten etc. gemeint ist, sondern der mechanische Wisch-Effekt, z.B. mit einem Lappen) ■ Keine Desinfektionsmittel versprühen (deshalb keine Desinfektionsmittel mit Sprühkopf einkaufen), da ein großer Teil des Sprühnebels unvermeidbar inhaliert wird und da der Wischeffekt wichtiger ist als die bloße Desinfektionsmittelwirkung ■ Keine Raumsprühdesinfektionen oder Raumdesinfektionen durch Verdampfen von Formaldehyd mehr durchführen, da der Wischeffekt entscheidend ist (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“); aufgrund der „Erläuterungen zur Desinfektion“ in der (ursprünglichen) „Richtlinie“ (des ehemaligen BGA) ist mit Raumdesinfektion ohnehin nicht die Desinfektion der in dem Raum vorhandenen Luft, sondern aller Flächen gemeint. ■ Außer in Operationssälen und Räumen, in denen es häufig zu einer Konta- Reinigung – Desinfektion – Sterilisation ■ ■ ■ ■ ■ mination des Bodens mit Blut und Körperflüssigkeiten kommt (z.B. Kreißsaal), keine routinemäßige Fußbodendesinfektion durchführen, auch nicht auf Intensivstationen Auch sonstige Flächen nicht routinemäßig desinfizieren, sondern reinigen Für kleinere Flächen und Geräteoberflächen sowie deren Bedienungsknöpfe kann Alkohol verwendet werden (dafür Alkohol, der in der Krankenhausapotheke hergestellt wird, verwenden und nicht industriell hergestellte alkoholische Lösungen einkaufen), ggf. zuvor Materialverträglichkeit prüfen Gezielte Desinfektion: Nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material (z.B. Blut, Eiter, Stuhl) wird sofort eine Reinigung und Desinfektion der kontaminierten Fläche durchgeführt. Laufende Desinfektion: Routinemäßige einmal oder mehrmals tägliche Desinfektion der patientennahen Flächen (d.h. Bettgestell, Nachttisch, Geräte, meist ohne Fußboden), z.B. bei Patienten, die mit einem multiresistenten Erreger kolonisiert oder infiziert sind Schlussdesinfektion: Maßnahmen und Ausdehnung wie bei der laufenden Desinfektion oder gründliche Wischdesinfektion aller erreichbaren Gegenstände und Flächen (inkl. Fußboden) im Patientenzimmer, durchgeführt nach Entlassung bzw. Verlegung des Patienten oder nach Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen (je nachdem, was früher ist) (siehe auch Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“) Bettendesinfektion Normalerweise ist es ausreichend, Patientenbetten zu reinigen. Eine Desinfektion ist nur als gezielte Desinfektion (siehe oben) sinnvoll. Für die Aufbereitung von 49 Patientenbetten sind deshalb keine automatischen Anlagen erforderlich, in denen die Betten mit hohem Kosten-, Wasserund Energieaufwand desinfiziert werden. Stattdessen ist die manuelle Bettenaufbereitung auf oder in der Nähe der Station auch aus Personalgründen empfehlenswert, damit nicht unnötige Wegezeiten für den Transport benutzter und sauberer Betten anfallen. Instrumentendesinfektion und Desinfektion anderer Gegenstände ■ Wenn möglich, maschinell-thermische Verfahren einsetzen (z.B. Beatmungsschläuche, Absauggefäße, Waschschüsseln) ■ Bei thermolabilen Gegenständen, z.B. Endoskopen, maschinelle chemo-thermische Verfahren, z.B. bei 60 °C, anwenden (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“) ■ Rein chemische Desinfektion ist immer nur Verfahren zweiter Wahl Wäschedesinfektion ■ Thermische Verfahren bei 75–95 °C ■ Chemo-thermische Verfahren bei 60– 70 °C, vorzugsweise mit Oxidanzien für die Desinfektions- und Bleichwirkung (möglichst nicht mehr Chlor abspaltende Mittel verwenden; siehe dazu auch Kapitel B.6 „Wäscherei“) Haut- und Schleimhautdesinfektion ■ Hygienische bzw. chirurgische Händedesinfektion (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“) ■ Hautdesinfektion vor Punktionen, Injektionen und Operationen (siehe Kapitel B.3 „Injektionen/Punktionen“) 50 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Schleimhautdesinfektion, besser: Antisepsis, weil auf Schleimhäuten keine eigentliche Desinfektion zu erreichen ist, sondern immer nur eine mehr oder minder ausgeprägte Reduktion der Keimzahl (siehe Kapitel B.4 „Harnwegsinfektionen“) Betriebszeit Zusammengesetzt aus: Anheizzeit: Erreichen der erforderlichen Betriebstemperatur im Druckbehälter Ausgleichszeit: Erforderliche Zeit, um Betriebstemperatur an allen Stellen der Beladung zu erreichen Sterilisation Dampfsterilisation ■ Gesättigter, gespannter Wasserdampf von 121 °C oder 134 °C (Strömungs-, Vakuumverfahren) wirkt durch Freisetzung von Energie bei der Kondensation zu Wasser ■ Wichtigstes Sterilisationsverfahren ■ Voraussetzungen: gleichmäßige Verteilung des Dampfes, möglichst vollständige Entfernung der Luft (Restluftgehalt maximal 10%), keine Luftinseln, d.h. keine Überladung, damit der Dampf alle Stellen erreichen kann Mikrobielle Resistenz gegen feuchte Hitze Stufe I: Stufe II: Stufe III: Stufe IV: Vegetative Bakterien, Pilze und Viren – 100 °C: Sekunden bis Minuten Bakterielle Sporen niederer Resistenz (z.B. B. anthracis) – 105 °C: 5 Minuten Bakterielle Sporen höherer Resistenz (z.B. C. perfringens, C. tetani) – 100 °C: 5–10 Stunden – 121 °C: 15 Minuten – 134 °C: 3 Minuten Bakterielle Sporen hoher Resistenz (apathogen) – 134 °C: bis zu 6 Stunden Einfluss von Temperatur und Druck auf die Abtötungszeit: ■ 121 °C, 2,05 bar: 15–20 Minuten ■ 134 °C, 3,05 bar: 5 Minuten Abtötungszeit + Sicherheitszuschlag: Abkühlungszeit: Einwirkzeit Erforderliche Zeit, um die Temperatur der Beladung auf ein für das Personal bei der Entnahme sicheres Maß zu reduzieren Die Sterilisierzeit setzt sich demnach zusammen aus den ersten drei Schritten, d.h. Anheizzeit + Ausgleichszeit + Abtötungszeit + Sicherheitszuschlag. Häufigste Fehler ■ Ungenügende Vorreinigung ■ Verwendung von zu porösem Material (Bildung von Wasser, Sterilisiertemperatur wird nicht erreicht), z.B. Wäsche, die sehr häufig sterilisiert worden ist ■ Bildung von Kondenswasser (zu dichtes Beladen z.B. der Instrumentensiebe) ■ Ungeeignetes Verpackungsmaterial (Luft muss entweichen, Dampf muss eindringen können) ■ Zu dichte Beschickung der Container (Dampf erreicht nicht alle Stellen, z.B. in zu fest gepackten Wäschecontainern) ■ Verwendung von Behältern, die Dampf nicht oder nur schwer eindringen lassen (Deckel oder Boden müssen perfo- Reinigung – Desinfektion – Sterilisation riert sein, Filter müssen regelmäßig gewechselt werden, weil sie verfilzen) ■ Innenwände der Kammer werden von der Verpackung des Sterilisiergutes berührt (Verpackung klebt fest und wird beim Herausnehmen beschädigt) Heißluftsterilisation ■ Verwendung trockener Heißluft (trockene Luft hat wesentlich geringere Wärmekapazität als gesättigter Wasserdampf) ■ Weniger sicher und materialschonend als Dampfsterilisation ■ Erforderliche Temperatur und Einwirkzeiten im „Heißlüfter“: – 160 °C: 200 Minuten – 180 °C: 30 Minuten – 200 °C: 10 Minuten ■ Nur bei hitzestabilen Materialien, wie z.B. Glas, Porzellan und Metallen, sowie wasserfreien Substanzen, wie z.B. Ölen, Fetten und Pulver, anwendbar (aber wegen Brandgefahr nicht bei Tüchern und Papier) ■ Voraussetzungen: Luftumwälzung bei größeren Apparaten, durch geeignete Beschickung Luftzirkulation gewährleisten, Ausgleichszeit durch Verwendung geeigneter Materialien kurz halten (Aluminium gut, Edelstahl und Glas schlechter wärmeleitend) Häufigste Fehler ■ Beladung eines noch heißen Gerätes (Vernachlässigung der Ausgleichszeit) ■ Öffnen und nachträgliches Beladen bei laufender Sterilisation (Vernachlässigung der Ausgleichszeit) ■ Verwendung geöffneter Behälter (nur korrekt, wenn Schlitze vorhanden, die nach Sterilisation verschlossen werden können, sonst anschließend Kontaminationsgefahr) 51 ■ Zu dichte Beladung der Kammer und dadurch verbleibende Luftinseln, sodass die Sterilisiertemperatur nicht überall errreicht wird Gassterilisation mit Ethylenoxid (EO) ■ Maßgebend für den Sterilisationserfolg ist Kombination aus ausreichender EO-Konzentration (1000–1200 mg/l), Temperatur 50–60 °C (meist 55 °C), relativer Feuchte von 55–85%, Druck bzw. Vakuum und Einwirkzeit. Aus Gründen des Arbeitsschutzes sollen Unterdruckverfahren bevorzugt werden. Sterilisierzeit beträgt zwischen 20 Minuten und 6 Stunden. ■ Insgesamt wesentlich aufwändiger und anfälliger als Dampfsterilisation (deshalb, wenn überhaupt noch, nur bei thermolabilen Gegenständen einsetzen) Nachteile ■ Sehr reaktionsfähiges, brennbares Gas, bildet mit Luft explosives Gemisch und wird deshalb mit inerten Gasen, vor allem CO2, in Gasflaschen geliefert ■ Atemwegsreizend ■ Starkes Protoplasmagift ■ Im Tierversuch kanzerogen (kein MAK-Wert, sondern Technische Richtkonzentration – TRK-Wert – von 3 ml/m3 bzw. 5 mg/m3) ■ Mehr oder weniger stark an den Oberflächen des Sterilisiergutes gebunden ■ Lange Desorptionszeiten unbedingt erforderlich (siehe unten), da sehr gutes Penetrationsvermögen in die Materialien (Vorteil bei langen Lumina) ■ Desorptionszeiten bei verschiedenen Materialien sehr unterschiedlich (z.B. länger bei PVC als bei Latex) ■ Restgehalt in medizinischen Produkten (inkl. Verpackung) maximal 1 ppm (1 mg/kg) 52 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Entlüftungsschränke problematisch, wenn immer wieder neues Material mit noch hohen EO-Konzentrationen dazugelegt wird (EO diffundiert in die teilweise schon entlüfteten Sterilgüter) ■ Keine konkreten Angaben vorhanden, wie lange welche Materialien „auslüften“ müssen (mit und ohne Entlüftungsschrank) ■ Abhängigkeit der Entlüftungszeit vom Material: – Metall: 12 Stunden – Kunststoff: 4 Wochen Häufigste Fehler ■ Keine ausreichende Reinigung vor Sterilisation (Gas kann Reste von Blut, Schleim etc. nicht durchdringen) ■ Verwendung von Leitungswasser bei der Vorreinigung (Mineralien können auskristallisieren, Gas kann Salzkristalle nicht durchdringen) ■ Restfeuchte am Sterilisiergut (Gas kann Wasser nicht durchdringen) Gassterilisation mit Formaldehyd (FO) ■ FO wird zusammen mit Wasserdampf als stabilisierte FO-Lösung verdampft (enthält 2% oder 3% FO) ■ Die Sterilisation erfolgt bei einer Temperatur von 60–75 °C im Unterdruck bei 0,2 bar. ■ Sterilisierzeit unter diesen Bedingungen 90 Minuten ■ Die Desorption findet noch im Gerät mittels mehrmaliger Vakuum- bzw. Dampfspülung statt (zusätzliches Entlüften wie nach EO-Sterilisation nicht erforderlich). ■ Unterhalb der Geruchsschwelle (0,05 ppm) nicht toxisch ■ Stark schleimhautreizend ■ Aufgrund tierexperimenteller Untersuchungen begründeter Verdacht auf kanzerogenes Potenzial ■ MAK-Wert von 0,5 ppm (0,6 µg/cm2) sollte deutlich unterschritten werden (Richtwert für die Innenraum-Luft 0,1 ppm) ■ Stark allergisierend ■ Schlechtes Penetrationsvermögen, deshalb Sterilisation englumiger, langer Gegenstände problematisch (im Gegensatz zu EO, aber deshalb auch keine verlängerten Desorptionszeiten erforderlich) Häufigste Fehler (siehe EO-Sterilisation) Plasmasterilisation ■ Neues Niedertemperatur-Sterilisationsverfahren (45 °C, trockene Wärme) ■ Mikrobizide Eigenschaften durch Bildung hoch reaktiver freier Radikale in einem Wasserstoffperoxid-(H2O2-) Plasma (Plasmazustand = vierter Aggregatzustand, z.B. aus Leuchtstoffröhren bekannt) ■ Als Reaktionsprodukte entstehen Sauerstoff und Wasserdampf ■ Sterilisation von absorbierenden Materialien (z.B. Papier, Baumwolle) nicht möglich, deshalb papierfreie Verpackung erforderlich) Sterilisationsdauer ■ Standardzyklus: ca. 55 Minuten ■ Flexible Endoskope: ca. 72 Minuten Vorteile Nachteile ■ Stechend riechendes Gas (nicht explosiv, nicht brennbar) ■ Kein toxisches Risiko (kein Entlüften, daher auch kein Zeitverlust) ■ Schnelles Verfahren Reinigung – Desinfektion – Sterilisation ■ Nicht korrosiv wegen geringer Restfeuchte (ggf. können thermolabile und thermostabile Gegenstände gemeinsam sterilisiert werden, z.B. bestimmte chirurgische Sets) ■ Sehr gute bis gute Materialverträglichkeit Sterilfiltration ■ Abtrennung von Mikroorganismen aus Flüssigkeiten oder Gasen ■ Druck- oder Vakuumfiltration ■ Rückhaltevermögen der Filter abhängig von der Porengröße (z.B. 0,1 µm-, 0,2 µm- oder 0,45 µm-Filter) ■ Anwendung z.B. in Apotheken (Herstellung von sporenfreiem Alkohol oder Sterilisation von Lösungen, die nicht autoklaviert werden können) Hinweise für die klinische Praxis Reinigung = wichtigste Voraussetzung Alle Verfahren der chemischen Desinfektion und ebenso sämtliche Sterilisationsverfahren erfordern eine gründliche Vorreinigung der Gegenstände an allen äußeren und ggf. inneren Oberflächen. „Sterilen Dreck“, ein von Klinikern gelegentlich benutzter Ausdruck, gibt es nicht. Zumindest kann man sich bei sichtbaren Verunreinigungen am Sterilgut nicht darauf verlassen, da auch die Dampfsterilisation als wirksamstes und deshalb sicherstes Sterilisationsverfahren Rückstände nicht notwendigerweise durchdringt. Deshalb ist jedes Sterilisationsverfahren unsicher, wenn die Gegenstände nicht sorgfältig gereinigt worden sind bzw. sich nicht entsprechend reinigen lassen, z.B. weil sie nicht vollständig zerlegbar sind. Adäquate Reduktion der chemischen Desinfektion Die chemische Instrumenten- und Flächendesinfektion soll auf das absolute Mi- 53 nimum reduziert werden. Sofern thermische Verfahren in RDM anwendbar sind, sollen sie immer den chemischen vorgezogen werden. Erstens ist der Reinigungsund Desinfektionserfolg durch das standardisierte vollautomatische Verfahren sicherer, und zweitens sprechen Personalschutzgründe für das automatische Reinigen, Desinfizieren und Trocknen in RDM. Reichen die Kapazitäten der vorhandenen RDM nicht aus, können Gegenstände, wie z.B. Waschschüsseln, auch nur mit einem umweltfreundlichen Reinigungsmittel ausgewischt werden. Sollte man eine Desinfektion für erforderlich halten (z.B. nach Benutzung durch einen Patienten mit Hautinfektion), ist das Auswischen mit einem Desinfektionsreiniger adäquat (anschließend aber mit Wasser ausspülen, um Desinfektionsmittelreste zu entfernen). Es können erhebliche Mengen an Desinfektionsmitteln eingespart und die damit verbundene beträchtliche Personalexposition gegenüber Desinfektionsmitteln reduziert werden, wenn ■ Instrumente vor thermischer Aufbereitung nicht mehr in Desinfektionslösung gelegt werden (auch nicht nach septischen Eingriffen), ■ auf das Einlegen („Tauchdesinfektion“) bestimmter Gegenstände (z.B. Urinsammelgefäße) in Desinfektionsmittellösung verzichtet wird, ■ Waschschüsseln und andere größere Gefäße nicht mehr mit Desinfektionsmittellösung gefüllt werden und ■ routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen außerhalb von Operationssälen zumindest in unkritischen Patientenbereichen aufgegeben werden. Es ist ungeklärt, ob die Desinfektion von Flächen im Vergleich zu deren gründlicher Reinigung überhaupt einen Einfluss auf 54 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen die Entstehung nosokomialer Infektionen hat. Solange (patientennahe) Flächen sauber und trocken sind, kann von ihnen kein Risiko für den Patienten ausgehen (wenn man nicht Gegenstände, die steril bleiben müssen, darauf ablegt). Viel wichtiger als routinemäßige Flächendesinfektion, die ein potenziell gefährliches falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln kann, sind ausreichend häufige und gründliche Händehygienemaßnahmen (Händewaschen, Händedesinfektion, Hautpflege, Handschuhwechsel). Literatur 1. Alfa MJ, DeGagne P, Olson N, Hizon R. Comparison of liquid chemical sterilization with peracetic acid and ethylene oxide sterilization for long narrow lumens. Am J Infect Control 1998; 26: 469–477 2. Ayliffe GAJ, Babb JR, Davies JG, Lilly HA. Hand disinfection: a comparison of various agents in laboratory and ward studies. J Hosp Infect 1988; 11: 226–243 3. Ayliffe GAJ, Babb JR, Bradley CR. “Sterilization” of arthroscopes and laparoscopes. J Hosp Infect 1992; 22: 265–269 4. Babb JR. Reinigungs- und Desinfektionsverfahren. Zentr Steril 1993; 4: 227–237 5. Centers for Disease Control and Prevention (HICPAC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 6. Coates D, Hutchinson DN. How to produce a hospital disinfection policy? J Hosp Infect 1994; 26: 57–68 7. Collins BJ. The hospital environment: how clean should a hospital be? J Hosp Infect 1988; 11, Suppl. B: 53–56 8. Dancer SJ. Mopping up hospital infection. J Hosp Infect 1999; 43: 85–100 9. Dharan S, Mourouga P, Copin P, Bessmer G, Tschanz B, Pittet D. Routine disinfection of patients’ environmental surfaces. Myth or reality? J Hosp Infect 1999; 42: 113–117 10. Disch K. Glucoprotamin – ein neuer antimikrobieller Wirkstoff. Hyg Med 1992; 17: 529– 534 11. Geertsma RE, van Asten JAAM. Sterilisation von Prionen. Zentr Steril 1995; 3: 385–393 12. Griffith CJ, Cooper RA, Gilmore J, Davies C, Lewis M. An evaluation of hospital cleaning regimens and standards. J Hosp Infect 2000; 45: 19–28 13. Harke H-P, Goroncy-Bermes P. Schleimhautantiseptik – Octenidinhydrochlorid als neuer Wirkstoff. Hyg Med 1991; 16: 46–50 14. Heeg P, Brill H. Kaltsterilisation – was versteht man darunter und wird sie benötigt? Zentr Steril 1998; 6: 294–301 15. Hobson DW, Seal LA. Evaluation of a novel, rapid-acting, sterilizing solution at room temperature. Am J Infect Control 2000; 28: 370– 375 16. Jacobs PT, Smith D. Das neue Sterilisationssystem Sterrad 100: Funktionsweise und Vorzüge. Zentr Steril 1998; 6: 86–94 17. Jatzwauk L. Thermische Desinfektionswirkung von Reinigungs- und Desinfektionsgeräten im Krankenhaus im Vergleich mit den Anforderungen der prEN ISO 15883–1. Zentr Steril 2001; 9: 14–19 18. Jülich WD, Rheinbaben F von, Steinmann J, Kramer A. Zur viruziden Wirksamkeit chemischer und physikalischer Desinfektionsmittel und -verfahren. Hyg Med 1993; 18: 303–326 19. Kobayashi H, Tsuzuki M Koshimizu K, Toyama H, Yoshihara N, Shikata T, Abe K, Mizuno K, Otomo N, Oda T. Susceptibility of hepatitis B virus to disinfectants or heat. J Clin Microbiol 1984; 20: 214–216 20. McDonnell G, Russell AD. Antiseptics and disinfectants: activity, action, and resistance. Clin Microbiol Rev 1999; 12: 147–179 21. Mecke P. Zur Wirksamkeit aldehydhaltiger Mittel für die chemothermische Instrumentendesinfektion gegen bakterielle Sporen. Hyg Med 1999; 24: 367–371 22. Meyer B, Kluin C. Efficacy of glucoprotamin containing disinfectants against different species of atypical mycobacteria. J Hosp Infect 1999; 42: 151–154 23. Niedner R, Pfister-Wartha A. Farbstoffe in der Dermatologie. Akt Dermatol 1990; 16: 255–261 24. Paulson DS, Fendler EJ, Dolan MJ, Williams RA. A close look at alcohol gel as an antimicrobial sanitizing agent. Am J Infect Control 1999; 27: 332–338 25. Rotter ML, Simpson RA, Koller W. Surgical hand disinfection with alcohols at various concentrations: parallel experiments using Reinigung – Desinfektion – Sterilisation 26. 27. 28. 29. 30. 31. the new proposed European standards method. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 778–781 Russel AD, Hammond SA, Morgan JR. Bacterial resistance to antiseptics and disinfectants. J Hosp Infect 1986; 7: 213–225 Russel AD. Glutaraldehyde: Current status and uses. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 724–733 Rutala WA, Gergen ME, Weber DJ. Sporicidal activity of chemical sterilants used in hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1993; 14: 713–718 Rutala WA.APIC guideline for selection and use of disinfectants. Am J Infect Control 1996; 24: 313–342 Rutala WA. Disinfection and sterilization of patient-care items. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 377–384 Rutala WA, Gergen MF, Weber DJ. Comparative evaluation of the sporicidal activity of new low-temperature sterilization technologies: ethylene oxide, 2 plasma sterilization systems, and liquid peracetic acid. Am J Infect Control 1998; 26: 393–398 55 32. Rutala WA, Gergen MF, Weber DJ. Sporicidal activity of a new low-temperature sterilization technology: the Sterrad 50 sterilizer. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 514–516 33. Rutala WA, Weber DJ. Infection control: the role of disinfection and sterilization. J Hosp Infect 1999; 43, Suppl.: 543–555 34. Sattar SA, Abebe M, Bueti AJ, Jampani H, Newman J, Hua S. Activity of an alcohol-based hand gel against human adeno-, rhino-, and rotaviruses using the fingerpad method. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 516–519 35. Wallhäußer KH. Praxis der Sterilisation – Desinfektion – Konservierung – Keimidentifikation – Betriebshygiene. 5. Auflage, Thieme, Stuttgart, 1995 36. Wutzler P, Sauerbrei A. Virucidal efficacy of a combination of 0.2% peracetic acid and 80% (v/v) ethanol (PAA-ethanol) as a potential hand disinfectant. J Hosp Infect 2000; 46: 304–308 56 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 3. Invasive Maßnahmen – Beatmung Weil beatmete Patienten ein hohes Risiko haben, eine Pneumonie zu entwickeln, kommt dem Umgang mit dem gesamten Beatmungssystem große Bedeutung zu, um exogene Erregerkontakte zu verhindern [9, 20, 26, 28, 29]. Umgang mit Beatmungszubehör Wechsel des Beatmungsschlauchsystems Ein Wechsel des Schlauchsystems wird nach neuesten Daten einmal pro Woche empfohlen (inkl. Kaskadentopf) [20, 27– 29]. Dabei sind weder patientennahe Filter noch beheizbare Schläuche noch geschlossene Sterilwassersysteme erforderlich [6, 20, 28, 29]. Kontaminationsfreie Handhabung ■ Sorgfältige Händedesinfektion vor und nach Kontakt mit dem Beatmungssystem ■ Sorgfältiger Umgang mit EinmalHandschuhen: immer anziehen, wenn Kontamination wahrscheinlich, d.h. bei Kontakt mit respiratorischem Sekret, Tracheostomapflege, Entfernen von Kondenswasser, und gleich nach Beendigung der Tätigkeit wieder ausziehen und danach Händedesinfektion (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Sichere Aufbereitungsmaßnahmen ■ Thermische Reinigungs- und Desinfektionsautomaten ■ Spezielle Einsatzkörbe für Faltenschläuche, um Spülung des Innenlumens sicherzustellen ■ Restfeuchte muss beseitigt werden, z.B. im Trockenschrank ■ Anschließend staubfrei und trocken aufbewahren, z.B. Staubschutzbeutel ■ Beatmungsbeutel ebenso aufbereiten Befeuchtung der Atemgase Aktive Befeuchtung Bei aktiver Befeuchtung der Atemgase sind die folgenden Hinweise von Bedeutung [28, 29]: ■ Kaskadentöpfe mit sterilem Wasser befüllen (angebrochene Aqua dest.-Flaschen nach 24 Stunden verwerfen) ■ Wassertemperatur ist hoch genug (ca. 50 °C), um Wachstum evtl. Kontaminationskeime zu verhindern ■ Keine Aerosolbildung bei Kaskadenbefeuchtung im Gegensatz zu Verneblern ■ Kondenswasserbildung unvermeidlich wegen Temperaturunterschied von befeuchtetem angewärmten Atemgas und Umgebungsluft (außer bei Verwendung beheizbarer Beatmungsschläuche) ■ Kondenswasser immer als kontaminierte Flüssigkeit betrachten (>105 KBE/ml nach 24–48 Stunden aus dem Nasen-Rachen-Raum des Patienten) ■ Wasserfalle regelmäßig entleeren, dabei Kontamination der Hände vermeiden (z.B. Einmal-Handschuhe aus Polyethylen verwenden), anschließend Händedesinfektion ■ Rückfluss von Kondenswasser zum Patienten muss vermieden werden Beatmung Passive Befeuchtung Die folgenden Hinweise gelten für die passive Befeuchtung der Atemgase [7, 12, 20, 25, 28, 29]: ■ Sog. künstliche Nasen oder Klimatisierungsfilter ■ Keine (bzw. geringe) Kondenswasserbildung ■ Wechsel alle 48 Stunden möglich ■ Zusätzliche Ausstattung von HMEs mit bakteriendichten Filtern nicht erforderlich, da Filter keine Auswirkung auf die Häufigkeit von Pneumonien haben ■ ■ Endotracheales Absaugen Um das aseptische Arbeiten zu erleichtern, möglichst immer zu zweit arbeiten [3, 5, 20, 28, 29]: ■ Vorsichtiges Vorgehen, um Kontaminationen und Schleimhautverletzungen zu vermeiden ■ Nicht routinemäßig in festen Intervallen absaugen, sondern nur bei einer die Atmung behindernden Sekretansammlung ■ Da Verspritzen von respiratorischem Sekret in vielen Fällen möglich ist, soll (als generell erforderliche Personalschutzmaßnahme bei möglichem Kontakt mit Patientenmaterial) eine Maske (sinnvollerweise aber auch eine Schutzbrille) getragen werden. ■ Bei zähem Sekret nur sterile Lösungen zum Anspülen verwenden ■ Normalerweise können entweder offene Absaugkatheter oder geschlossene Systeme verwendet werden. Hat der Patient aber multiresistente Erreger im Trachealsekret, ist zum Schutz der Umgebung vor einer Kontamination der Einsatz eines geschlossenen Systems zu empfehlen. Ob bei Verwendung dieser Systeme ein längeres Wechselintervall ■ ■ ■ 57 als 24 Stunden, wie von den Herstellern empfohlen, möglich ist, kann derzeit nicht gesagt werden; vorläufige Untersuchungsergebnisse sprechen allerdings dagegen. Sterile Handschuhe nicht erforderlich (bei Verwendung von einzeln verpackten nicht sterilen, aber keimarmen Handschuhen, z.B. aus Polyethylen, kann das Papier der Verpackung ebenfalls als Unterlage zum Ablegen des Schlauchsystems verwendet werden) Absaugkatheter kann während eines Absaugvorganges wiederholt eingeführt und anschließend zum Absaugen des Nasen-Rachen-Raumes verwendet werden Absaugkatheter nicht über die obere Gesichtshälfte führen, um eine Kontamination des Auges und daraus resultierende Augeninfektionen zu verhüten Verbindungsschlauch zum Sekretauffangbehälter mit Leitungswasser durchspülen und bis zum nächsten Absaugen sicher befestigen Sekretauffangbehälter einmal täglich aufbereiten (Reinigungs- und Desinfektionsapparat oder auch Steckbeckenspülautomat), Einmal-Systeme ohne Vorteil Intubation Im Zusammenhang mit der Intubation sollen die folgenden Hinweise zur Prävention von Pneumonien beitragen [10, 20, 22, 26, 28, 29]: ■ Bei nasotrachealer Intubation Verlegung der Ausführungsgänge der Nasennebenhöhlen möglich ■ Abflussbehinderung des Nebenhöhlensekrets ■ Bei Infektionszeichen Sinusitis ausschließen 58 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Ob naso- oder orotracheal intubiert wird, scheint keine Rolle zu spielen, wenn bei Langzeitbeatmung nach maximal 10 Tagen eine Tracheotomie (bzw. eine der zunehmend häufiger praktizierten minimal invasiven Methoden der Tracheostomaanlage) durchgeführt wird. ■ Sekretansammlungen oberhalb des Cuffs regelmäßig entfernen ■ Evtl. Tubus mit dorsaler Öffnung zum subglottischen Absaugen verwenden Anlage eines Tracheostomas Die konventionelle Tracheotomie ist eine chirurgische Maßnahme, die mit einem mehrere Zentimeter langen Schnitt verbunden ist. Diese Wunden zeigen häufig deutliche Entzündungszeichen und erfordern eine z.T. relativ aufwändige Pflege. ■ Der Eingriff selbst muss unter aseptischen Bedingungen durchgeführt werden (bei entsprechender Vorbereitung auf der Station möglich) [20, 28] ■ Verbandswechsel ebenfalls unter aseptischen Bedingungen ■ Wundränder sauber und trocken halten ■ Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe bei Manipulationen am Tracheostoma, da Wunde schnell mit potenziell pathogenen Keimen kolonisiert ist Neuerdings werden, insbesondere in der Anästhesie, häufiger minimal invasive Verfahren für die Anlage eines Tracheostomas angewendet, sodass die konventionelle Tracheotomie mancherorts in den Hintergrund tritt [4, 13, 14, 17, 21]. Die Befürworter der neuen Methoden heben hervor, dass die Tracheostomapflege wesentlich leichter ist, weil die vergleichsweise kleinen Öffnungen für die Trachealkanüle nur geringe Entzündungszeichen aufweisen. Umgang mit Verneblern Für den Umgang mit Verneblern ist für die Prävention nosokomialer Pneumonien die Berücksichtigung verschiedener Faktoren von Bedeutung [20, 28, 29]: ■ Beim Vernebeln von Flüssigkeiten entstehen Aerosole (<5 µm), die bis in die tiefen Atemwege gelangen können (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) ■ Deshalb muss immer sterile Flüssigkeit verwendet werden, und die Vernebler müssen vollständig zerlegbar und thermisch desinfizierbar sein (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Ultraschallvernebler ■ Großes Flüssigkeitsvolumen (>500 ml) ■ Produzierte Aerosolmenge groß ■ Pneumonierisiko hoch, wenn Flüssigkeit kontaminiert ist In-line-Medikamentenvernebler ■ Patientenah im Inspirationsschenkel des Beatmungsschlauchsystems angebracht ■ Kleines Flüssigkeitsvolumen (ca. 30 ml) ■ Produzierte Aerosolmenge gering ■ Kontamination des Reservoirs muss verhindert werden ■ Nach jeder Anwendung Behälter am besten thermisch aufbereiten (Anschaffung einer genügenden Anzahl erforderlich) oder wenigstens mit Leitungswasser ausspülen, gut trocknen und bis zur nächsten Verwendung beim Patienten liegen lassen (z.B. in ein Tuch eingeschlagen) Lagerung des Patienten Wenn möglich soll der Patient mit um 30– 45° angehobenem Oberkörper gelagert Beatmung werden, um einer Aspiration von Oropharyngealsekret sowie einem Reflux von Magensaft vorzubeugen [8, 20, 28, 29]. Nicht-invasive Verfahren der Beatmung Bei der nicht-invasiven Beatmung handelt es sich um ein alternatives Verfahren, bei dem die Beatmung über Masken ohne endotrachealen Tubus durchgeführt wird. Inzwischen beschäftigt sich eine Vielzahl von Publikationen mit dieser Thematik, und in verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass das Pneumonierisiko im Vergleich zur konventionellen mechanischen Beatmung wesentlich reduziert war [1, 2, 11, 15, 16, 18, 19, 23, 24]. Literatur 1. Antonelli M, Conti G, Rocco M, Bufi M, De Blasi RA, Vivino G, Gasparetto A, Meduri GU. A comparison of noninvasive positive pressure ventilation and the conventional mechanical ventilation in patients with acute respiratory failure. N Engl J Med 1998; 339: 429–435 2. Antonelli M, Conti G, Bufi M, Costa MG, Lappa A, Rocco M, Gasparetto A, Meduri GU. Noninvasive ventilation for treatment of acute respiratory failure in patients undergoing solid organ transplantation. JAMA 2000; 283: 235–241 3. Blackwood B, Webb CH. Closed tracheal suctioning systems and infection control in the intensive care unit. J Hosp Infect 1998; 39: 315–321 4. Byhahn C, Wilke HJ, Lischke V, Rinne T, Westphal K. Bedside percutaneous tracheostomy: clinical comparison of Griggs and Fantoni techniques. World J Surg 2001; 25: 296–301 5. Combes P, Fauvage B, Oleyer C. Nosocomial pneumonia in mechanically ventilated patients, a prospective randomised evaluation of the Stericath closed suctioning system. Intensive Care Med 2000; 26: 878–882 6. Das I, Fraise AP. How useful are microbial filters in respiratory apparatus? J Hosp Infect 1997; 37: 263–272 59 7. Daumal F, Colpert E, Manoury B, Mariani M, Daumal M. Changing heat and moisture exchangers every 48 hours does not increase the incidence of nosocomial pneumonia. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 347– 349 8. Draculovic MB, Torres A, Bauer TT, Nicolas JM, Nogué S, Ferrer M. Supine body position as a risk factor for nosocomial pneumonia in mechanically ventilated patients: a randomised trial. Lancet 1999; 354: 1851–1858 9. Gastmeier P, Lode H, Rüden H. Was ist bei der beatmungsassoziierten Pneumonie gesichert? Evaluation einiger kontroverser Präventionsmaßnahmen im Umgang mit Beatmungs- und Absaugsystemen. DMW 1999; 124: 1241–1244 10. Geiss HK. Nosocomial sinusitis. Intensive Care Med 1999; 25: 1037–1039 11. Girou E, Schortgen F, Delclaux C, Brun-Buisson C, Blot F, Lefort Y, Lemaire F, Brochard L. Association of noninvasive ventilation with nosocomial infections and survival in critically ill patients. JAMA 2000; 284: 2361– 2367 12. Hassel S van, Laveaux M, Leenders M, Kaan JA, Mintjes J. Bacterial filters in anesthesia: results of 9 years of surveillance. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 58–60 13. Heurn LW van. When and how should we do a tracheostomy? Curr Opin Crit Care 2000; 6: 267–270 14. Heurn LW van, Mastboom WB, Scheeren CI, Brink PR, Ramsay G. Comparative clinical trial of progressive dilatational and forceps dilatational tracheostomy. Intensive Care Med 2001; 27: 292–295 15. Hilbert G, Gruson D, Vargas F, Valentino R, Gbikpi-Benissan G, Dupon M, Reiffers J, Cardinaud JP. Noninvasive ventilation in immunosuppressed patients with pulmonary infiltrates, fever, and acute respiratory failure. N Engl J Med 2001; 344: 481–487 16. Hill NS. Noninvasive ventilation for immunocompromised patients. N Engl J Med 2001; 344: 522–524 17. Hinerman R,Alvarez F, Keller CA. Outcome of bedside percutaneous tracheostomy with bronchoscopic guidance. Intensive Care Med 2000; 26: 1850–1856 18. Keenan SP. Noninvasive positive pressure ventilation in acute respiratory failure. JAMA 2000; 284: 2376–2378 60 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 19. Kollef MH. Avoidance of tracheal intubation as a strategy to prevent ventilator-associated pneumonia. Intensive Care Med 1999; 25: 553–555 20. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut. Prävention der nosokomialen Pneumonie. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 302–309 21. Massick DD, Yao S, Powell DM, Griesen D, Hobgood T, Allen JN, Schuller DE. Bedside tracheostomy in the intensive care unit: a prospective randomized trial of open surgical tracheostomy with endoscopically guided percutaneous dilatation. Laryngoscope 2001; 111: 494–500 22. LeMoal G, Lemerre D, Grollier G, Desmont C, Klossek J-M, Robert R. Nosocomial sinusitis with isolation of anaerobic bacteria in ICU patients. Intensive Care Med 1999; 25: 1066–1071 23. Nourdine K, Combes B, Carton M-J, Beuret P, Cannamela A, Ducreux J-C. Does noninvasive ventilation reduce the ICU nosocomial infection risk? A prospective clinical survey. Intensive Care Med 1999; 25: 567–573 24. Rabatin JT, Gay PC. Noninvasive ventilation. Mayo Clin Proc 1999; 74: 817–820 25. Rathgeber J, Zürcher K, Kietzmann D, Weyland W. Wärme- und Feuchtigkeitstauscher zur Klimatisierung der Inspirationsluft intubierter Patienten in der Intensivmedizin.Anaesthesist 1995; 44: 274–283 26. Ricart M. Management of airways in intubated patients. Infect Dis Clin Pract 1997; 6: 445–448 27. Stamm AM. Ventilator-associated pneumonia and frequency of circuit changes.Am J Infect Control 1998; 26: 71–73 28. Tablan OC, Anderson LJ, Arden NH, Breiman RF, Butler JC, McNeil MM and The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee (HICPAC). Guideline for prevention of nosocomial pneumonia. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 587–627 29. Weber DJ, Rutala WA. Nosocomial infections associated with respiratory therapy. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 959– 972 Blasenkatheter B 61 3. Invasive Maßnahmen – Blasenkatheter Harnwegsinfektionen im Zusammenhang mit der Katheterisierung der Harnblase gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen (siehe Kapitel B.4 „Die vier häufigsten nosokomialen Infektionen“). Blasenkatheter sollen deshalb nur bei klarer medizinischer Indikation angewendet und immer so bald wie möglich entfernt werden [1, 3, 5, 6, 9, 12]. Die Anlage von Blasenkathetern muss unter regelrechten aseptischen Kautelen vorgenommen werden. Bei suprapubischen Kathetern ist dies mit den Anforderungen bei der Anlage zentraler Venenkatheter vergleichbar (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“). Manipulationen am System erfordern die gleiche aseptische Handhabung wie an einem Venenkathetersystem und sollen, um das Kontaminationsrisiko so gering wie möglich zu halten, auf das notwendige Minimum reduziert werden.Aus hygienischer Sicht ist die Katheterisierung der Harnblase wie eine offene Wunde zu betrachten. Anlage transurethraler Blasenkatheter Bereits bei der Anlage von Blasenkathetern können potenziell pathogene Keime in die Blase gelangen; dieses Risiko kann jedoch durch konsequente aseptische Technik auf ein Minimum reduziert werden [3, 4, 6, 9, 12]. Das aseptische Arbeiten wird erleichtert, wenn man zu zweit arbeitet: ■ Sorgfältige Vorbereitung aller benötigten Materialien ■ Händedesinfektion ■ An der führenden Hand zwei sterile Handschuhe übereinander anziehen ■ Schleimhautdesinfektion mit sterilen Tupfern und z.B. PVP-Jodlösung ■ Steriles Schlitztuch auflegen ■ Anschließend oberen Handschuh ausziehen ■ Gleitmittel instillieren ■ Vorsichtiges Einführen des Blasenkatheters ■ Blocken des Ballons mit steriler 8%iger Glyzerinlösung, nicht NaCl verwenden (kann auskristallisieren und den Kanal verlegen, sodass Entblockung u.U. nicht möglich), auch nicht Leitungswasser verwenden, da nicht keimfrei (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“) ■ Anschluss des Drainagesystems und sichere Fixation Art des Katheters Das Risiko von Harnwegsinfektion im Zusammenhang mit der Katheterisierung der Harnblase wird auch durch Art und Größe der verwendeten Katheter bestimmt [3, 4, 6–9, 11, 12]: ■ Bei längerer Liegezeit (>3–5 Tage) bevorzugt Silikon anstelle von Latex verwenden, wenn dann nicht sowieso ein suprapubischer Katheter gelegt wird (lokale Verträglichkeit von Silikon besser, aber kein Einfluss auf das Ausmaß von Inkrustierungen oder Inzidenz von Bakteriurien) ■ Hydrogel-beschichtete Katheter mit sterilem Wasser „einweichen“, nicht mit Leitungswasser (nicht keimfrei, siehe oben) ■ Widersprüchliche Ergebnisse bei Verwendung von mit Silberionen beschich- 62 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen teten Kathetern, sodass ihr Einsatz zumindest derzeit nicht empfohlen werden kann Drainagesystem Für Drainagesysteme gelten nach wie vor die seit langem empfohlenen Vorgaben [3– 6, 9, 12]: ■ Nur geschlossene Systeme mit Rückflussventil verwenden ■ Schlauch und Beutel immer unterhalb des Blasenniveaus halten, um einen kontinuierlichen Urinfluss aufgrund der Schwerkraft zu gewährleisten ■ Kein intermittierendes Abklemmen des Katheters (sog. Blasentraining), um den Urinfluss nicht zu unterbrechen (die Blase gewöhnt sich nach Entfernung von Dauerkathetern bei anfänglich häufiger notwendigen Entleerungen von selbst wieder an den veränderten Füllungszustand) ■ Verbindungsstelle zum Katheter möglichst immer geschlossen halten (prinzipielle Vorteile von zusammenhängenden Katheter-Drainagesystemen) – Nach versehentlicher Diskonnektion jedoch kein Wechsel von Katheter oder Drainagesystem erforderlich – Stattdessen Ansatzstücke mit Alkohol desinfizieren und wieder zusammenschließen Entleeren des Auffangbeutels Beim Entleeren des Auffangbeutels besteht zum einen das Risiko der Kontamination der Hände des Personals, zum anderen kann aber bei unsachgemäßer Technik auch der Beutelinhalt kontaminiert werden [3, 4, 12]: ■ Nur entleeren, wenn ausreichend gefüllt, um unnötige Manipulationen zu vermeiden ■ Einmal-Handschuhe tragen ■ Auffanggefäß thermisch desinfizieren (z.B. im Steckbeckenspülautomaten) ■ Einmal-Handschuhe ausziehen und Händedesinfektion ■ Immer als kontaminierte Flüssigkeit betrachten, deshalb entsprechende Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, um Kreuz-Übertragungen zu vermeiden, da Katheterurin schon nach wenigen Tagen mikrobiell kolonisiert Entnahme von Urin für die Diagnostik Bei der Urinentnahme für diagnostische Zwecke muss folgendes berücksichtigt werden [4, 12]: ■ Kleine Mengen, z.B. für mikrobiologische Untersuchungen, an der Punktionsstelle am Drainageschlauch nach vorheriger Desinfektion mit Alkohol entnehmen (siehe Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“) ■ Größere Mengen aus dem Auffangbeutel ablassen (Beutelurin für mikrobiologische Untersuchungen ungeeignet: Keimzahlen höher und Keimspektrum nicht notwendigerweise mit dem aktuell in der Blase vorhandenen identisch) Blasenspülungen Für Blasenspülungen gibt es nur wenige Indikationen [3–6, 9, 12]: ■ Nur zur Prävention von Obstruktionen, z.B. nach Blasenoperation ■ Dabei geschlossene Systeme für kontinuierliche Spülungen verwenden ■ Keine Spülungen mit Antiseptika oder Antibiotika durchführen – Kontaminationsgefahr – Reizung der Schleimhaut bis hin zu entzündlichen Veränderungen Blasenkatheter – Dadurch erhöhtes Risiko für systemische Infektion – In den meisten Fällen ohnehin ineffektiv, d.h. keine Erregerelimination – Selektion resistenter Erreger möglich Katheterpflege Entgegen früherer Annahmen müssen bei der Katheterpflege keine antimikrobiellen Substanzen eingesetzt werden; es gibt stattdessen Hinweise, dass die Anwendung von Antiseptika sogar mit einem höheren Risiko assoziiert sein könnte [2–4, 9, 10, 12]: ■ Bei der täglichen Körperpflege Ablagerungen auf dem Katheter am Übergang in den Meatus urethrae mit Wasser und Seife entfernen, damit sich keine Verkrustungen bilden können ■ Antiseptische Lösungen ohne Einfluss auf die Entstehung von Bakteriurie oder Harnwegsinfektion (evtl. bei Frauen von Vorteil) Wechsel von Katheter und Drainagesystem Für einen Wechsel von Katheter und Drainagesystem gibt es folgende Empfehlungen [4–6, 12]: ■ Routinemäßiger Wechsel nicht erforderlich (abhängig von der individuellen Situation entscheiden) ■ Ebenfalls kein Wechsel bei Diagnose einer Harnwegsinfektion erforderlich, d.h., der Katheter bleibt liegen, und man beginnt mit einer Antibiotikatherapie ■ Katheter und/oder Drainagesystem nur wechseln, wenn verstopft bzw. starke Ablagerungen im Drainagesystem oder unangenehmer Geruch vorhanden (ästhetisch unbefriedigend) ■ Latex-Katheter sollen nicht länger als fünf Tage liegen, Silikon-Katheter maximal drei Wochen 63 Alternativen zum transurethralen Katheter Suprapubische Katheterisierung Suprapubische Katheter werden besonders in der Gynäkologie und Urologie kurzzeitig postoperativ angewendet. Generell kann ein suprapubischer Katheter empfohlen werden, wenn absehbar ist, dass die Katheterisierung der Harnblase länger als fünf Tage erforderlich sein wird [1, 3, 4–6, 9, 12]: Vorteile ■ Geringere Kolonisierung der Bauchhaut im Vergleich zum Meatus urethrae ■ Einfache Pflege der Eintrittsstelle ■ Vermeidung von Urethrastrikturen ■ Bessere Akzeptanz durch die Patienten ■ Spontanmiktion und Restharnbestimmung möglich ■ Bakteriurie-Inzidenz in den ersten Tagen signifikant niedriger als beim transurethralen Katheter, bei längerer Liegedauer kein Unterschied mehr, aber keine Aussage darüber möglich, ob Inzidenz von Harnwegsinfektionen geringer als bei Verwendung transurethraler Katheter, da randomisierte klinische Studien mit Harnwegsinfektion als Endpunkt nicht vorhanden sind [6, 9, 12] Pflege ■ Tägliche Palpation der Einstichstelle durch den liegenden Verband; bei Schmerzreaktion Verband entfernen, um die Einstichstelle zu kontrollieren ■ Verbandswechsel frühestens alle 72 Stunden durchführen, dabei Einstichstelle inspizieren und z.B. alkoholisches Hautdesinfektionsmittel auftragen ■ Insbesondere bei Verwendung von transparenten Folienverbänden Verbandswechsel nur einmal pro Woche erforderlich ■ Wechsel alle 4–8 Wochen 64 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Kondomkatheter Als Alternative können in bestimmten Situationen Kondomkatheter eingesetzt werden [5, 9, 12]: ■ Insbesondere bei Langzeit-Katheterisierung (>30 Tage) eingesetzt und sinnvoll, wenn die Blase wegen Inkontinenz katheterisiert werden soll, weil dies die am meisten umstrittene Indikation für einen Blasenkatheter ist ■ Relativ aufwändige tägliche Pflege erforderlich, um lokale Komplikationen (vor allem Hautmazeration) zu vermeiden Intermittierende Katheterisierung Insbesondere bei der Langzeitversorgung von Patienten mit neurologischen Störungen hat sich die intermittierende Katheterisierung bewährt, um infektiologische Komplikationen, die sonst zwangsläufig auftreten würden, zu reduzieren [5, 6, 9, 12]: ■ Beispielsweise bei postoperativen Patienten ein- oder mehrmalig als Alternative zum transurethralen Katheter angebracht ■ Üblich bei neurologischen Patienten anstelle einer Dauerkatheterisierung (auch bei nicht aseptischer Technik keine vermehrten Infektionen) 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Literatur 1. Burke JP, Zavasky DM. Nosocomial urinary tract infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 173–187 2. Classen DC, Larsen RA, Burke JP, Alling DW, Stevens LE. Daily meatal care for pre- 12. vention of catheter-associated bacteriuria: results using frequent applications of polyantibiotic cream. Infect Control Hosp Epidemiol 1991; 12: 157–162 Falkiner FR. The insertion and management of indwelling urethral catheters – minimizing the risk of infection. J Hosp Infect 1993; 25: 79–90 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut. Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle katheterassoziierter Harnwegsinfektionen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1999; 42: 806–809 Nicolle LE, SHEA Long-Term-Care-Committee. Urinary tract infections in long-termcare facilities. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 167–175 Piechota H, Brühl P, Hertle L, Sökeland J. Katheterdrainage der Harnblase heute. Dt Ärztebl 2000; 97: A 168–174 Riley DK, Classen DC, Stevens LE, Burke JP. A large randomized clinical trial of a silver-impregnated urinary catheter: lack of efficacy and staphylococcal superinfection.Am J Med 1995; 48: 349–356 Schierholz JM, König DP, Beuth J, Pulverer G. The myth of encrustation inhibiting materials. J Hosp Infect 1999; 42: 162–163 Stamm WE. Urinary tract infections. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 477–485 Stickler DJ, Chawla JC. The role of antiseptics in the management of patients with longterm indwelling bladder catheters. J Hosp Infect 1987; 10: 219–228 Thibon P, Le Coutour X, Leroyer R, Fabry J. Randomized multi-centre trial of the effects of a catheter coated with hydrogel and silver salts on the incidence of hospital-acquired urinary tract infections. J Hosp Infect 2000; 45: 117–124 Warren JW. Urinary tract infections. In:Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 821–840 Injektionen und Punktionen B 65 3. Invasive Maßnahmen – Injektionen und Punktionen Die häufigsten invasiven Maßnahmen bei der stationären und ambulanten Patientenversorgung sind Injektionen und Punktionen.An sich ist das damit verbundene Infektionsrisiko sehr gering. Es können aber dennoch Infektionen mit z.T. schweren Folgen auftreten. Um exogene Infektionen zu verhindern, sind lediglich einfache Hygienemaßnahmen erforderlich, die ohne Schwierigkeiten in jeder Praxis und in jedem Krankenhaus eingehalten werden können. Händedesinfektion Trotz optimaler Vorbereitung von Personal und Patient können aber Infektionen auftreten. Deshalb ist darüber hinaus wichtig, dass der behandelnde Arzt ggf. Infektionszeichen rechtzeitig erkennt, um durch geeignete diagnostische und therapeutische Maßnahmen darauf so schnell reagieren zu können, dass es nicht zu einer vermeidbaren Ausdehnung der Infektion kommt (siehe Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“). Die Vorbereitung von Injektionen muss unter aseptischen Bedingungen geschehen. Trotzdem kann eine Kontamination nie vollständig ausgeschlossen werden. Je länger eine vorgerichtete Spritze bei Zimmertemperatur aufbewahrt wird, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer relevanten Keimzahlvermehrung in der Lösung kommt, wenn z.B. Spritze oder Kanüle kontaminiert wurde. Deshalb sollen Injektionen möglichst immer erst unmittelbar vor Gebrauch gerichtet und nicht für einen Arbeitstag vorbereitet werden, wie dies bei niedergelassenen Ärzten nicht selten üblich ist. Hygienemaßnahmen Im Folgenden werden die notwendigen Maßnahmen zur Prävention von Infektionen bei Injektionen und Punktionen an verschiedenen Körperstellen zusammengefasst, wobei es zum einen darum geht, exogene Kontaminationen durch die Hände des Personals oder durch kontaminierte Gegenstände, wie Spritzen, Kanülen oder Medikamentenlösungen, zu verhindern; zum anderen müssen von der Hautflora des Patienten ausgehende endogene Infektionen durch entsprechende Vorbereitung der Punktionsstelle so sicher wie möglich ausgeschlossen werden. Händedesinfektion ist vor jeder Injektion oder Punktion und vor dem Umgang mit Spritzen und Kanülen sowie mit Medikamentenlösungen erforderlich, unabhängig davon, ob Einmal-Handschuhe oder sterile Handschuhe getragen werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Vorrichten von Injektionslösungen Notfallmedikamente müssen bei vitaler Indikation sofort verfügbar sein. Sie sollen aber – vor akzidenteller Kontamination sicher – im Kühlschrank bei einer Temperatur von mindestens ≤7 °C aufbewahrt und spätestens nach 24 Stunden verworfen werden. Eine andere Möglichkeit wäre, die für Notfallmaßnahmen erforderlichen Substanzen als Fertigspritzen einzukaufen, sofern von der Industrie angeboten. 66 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Umgang mit Mehrdosis-Behältnissen Medikamenten-Lösungen in MehrdosisAmpullen sind insbesondere dann kontaminationsgefährdet, wenn sie nicht mit einem wirksamen Konservierungsstoff versetzt sind.Aber auch konservierte Medikamenten-Lösungen können bei unsachgemäßem Gebrauch verunreinigt werden. Konservierungsmittel stellen immer nur einen relativen Schutz dar, weil sie ebenso wie Desinfektionsmittel und Antibiotika nur ein begrenztes Wirkungsspektrum haben. Man muss also bei der Entnahme von Medikamenten-Lösung aus einer Mehrdosis-Ampulle unbedingt auf aseptische Handhabung achten. Dazu gehören (nach der immer erforderlichen Händedesinfektion) folgende Maßnahmen: ■ Den Gummistopfen, der herstellungsbedingt nicht steril ist, mit Alkohol-getränktem Zellstofftupfer abwischen ■ Für jede Entnahme eine frische Kanüle verwenden, d.h. nach jeder Entnahme die Kanüle entfernen, weil es sonst über das Lumen der (steckenden) Kanüle zu einer Kontamination des Flascheninhalts kommen kann. Alternativ stehen Mehrfachentnahmekanülen mit Luftfilter und Schutzhülle zur Verfügung. ■ Wenn unmittelbar hintereinander eine Reihe von Spritzen gerichtet werden soll, z.B. Heparin-Injektionen für mehrere Patienten, kann man die Kanüle jedoch stecken lassen und für die weiteren Entnahmen jeweils nur die neue Spritze ansetzen. ■ Hat man für einen Patienten eine zu geringe Menge entnommen und benötigt deshalb weitere Lösung, muss für die zweite Entnahme nicht nur eine neue Kanüle, sondern auch eine neue Spritze verwendet werden. Es besteht nämlich die Gefahr, dass die erste Spritze bei der Applikation der Lösung mit Blut des Patienten in Kontakt gekommen ist, das aber nicht sichtbar sein muss.Wenn man diese Spritze ein zweites Mal für die Entnahme von Lösung verwendet, kann es dadurch zu einer Kontamination des Flascheninhalts mit Blutspuren des Patienten kommen. Mit diesem Übertragungsweg wurden Ausbrüche von HBV-Infektionen, insbesondere auf Dialyse-Stationen, und auch Malaria-Übertragungen erklärt (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“ und Kapitel B.6 „Dialyse“) [1, 6]. Hautdesinfektion Die Haut des Menschen ist natürlicherweise mikrobiell besiedelt und somit auch ein wichtiges potenzielles endogenes Erregerreservoir.Vor Injektionen und Punktionen jeder Art (Ausnahme ist die subkutane Insulin-Injektion durch den Patienten selbst; siehe unten) ist deshalb eine Reduktion der Hautflora in Form einer Hautdesinfektion notwendig. Desinfektionsmittel: Meist werden Alkohol oder Lösungen mit Zusatz von Alkohol (z.B. PVP-Jod-Alkohollösung) verwendet. Dauer: Abhängig davon, um welche Art von Injektion bzw. Punktion es sich handelt, wird für die Hautdesinfektion eine Dauer von 15 sec bis mindestens 1 min für erforderlich gehalten (siehe unten bei den jeweiligen Indikationen). Ergebnisse aus vergleichenden Studien über die Dauer der Desinfektion gibt es nicht (noch nicht einmal für die präoperative Hautdesinfektion). Die für die einzelnen Indikationen (siehe unten) empfohlenen Zeiten erscheinen jedoch vernünftig und werden in der Regel so angegeben, wenn überhaupt eine konkrete Zeitdauer genannt wird und nicht nur auf die Angaben des Herstellers verwiesen wird. Injektionen und Punktionen Technik: Da beim Reinigen der mechanische Effekt immer einen wesentlich Einfluss auf das Ergebnis hat, kann eindeutig empfohlen werden, auch bei der Hautdesinfektion das Mittel durch Wischen zu verteilen bzw. einzureiben und nicht nur auf die Haut zu sprühen. Eine sorgfältige Hautdesinfektion soll deshalb immer aus abwechselndem Sprühen und Wischen für die Dauer der empfohlenen Einwirkzeit bestehen. Es gibt allerdings Ergebnisse aus vergleichenden Untersuchungen, die zeigen, dass – entgegen der überwiegend vertretenen Meinung – das Abreiben der Haut nicht mit einer höheren Keimzahlreduktion verbunden ist [4]. Tupfer: Normalerweise werden für die Hautdesinfektion vor Injektionen und Punktionen Zellstofftupfer (von einer Rolle ) verwendet, und in den meisten Fällen werden dafür solche Tupfer eingekauft, die im Rahmen des Herstellungsprozesses bereits sterilisiert worden sind. Wird eine solche Rolle geöffnet und in die dafür vorgesehene Spenderbox eingesetzt, sind die Tupfer jedoch nicht mehr steril. Es sind vielmehr „sterilisierte“ Tupfer (da sie einmal sterilisiert worden sind), aber nicht (mehr) „sterile“ Tupfer (die bis zum Gebrauch steril verpackt sind). Diese sprachliche Spitzfindigkeit aus der ursprünglichen „Richtlinie zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen“ des ehemaligen BGA, die sich dem Anwender in Klinik und Praxis nicht von selbst erschließt, hat in der Vergangenheit zu beträchtlichen Verwirrungen geführt. Für die üblichen Punktionen und Injektionen werden Zellstofftupfer von einer Rolle verwendet. Sterile Tupfer dagegen werden immer dann eingesetzt, wenn sterile Körperhöhlen, wie Gelenke, punktiert werden. Ob sie dafür absolut notwendig 67 sind, kann durchaus in Frage gestellt werden. Denn auch Zellstofftupfer sind keimarm, und das eigentliche mikrobiologische Problem bei diesen invasiven Maßnahmen ist die Hautflora des Patienten. Man sollte also die Bedeutung von sterilen Tupfern nicht überbewerten, sie aber natürlich bei den genannten Indikationen verwenden. Intrakutane und subkutane Injektion Intrakutan: z.B. Tuberkulin-Test, „Quaddeln“ mit Lokalanästhetika Subkutan: z.B. Insulin, Heparin Maßnahmen: Händedesinfektion, Hautdesinfektion (15 sec, Zellstofftupfer) Hinweise: Bei Insulininjektionen gibt es u.U. Diskrepanzen zwischen dem im Krankenhaus üblichen Vorgehen mit Hautdesinfektion vor jeder, also auch der InsulinInjektion und der Anleitung der Patienten für die selbständige Injektion ohne Hautdesinfektion. Wenn auch nicht ganz logisch, erscheint es aber eher angebracht zu sein, bei Patienten im Krankenhaus, die sich in dieser Zeit nicht selbst Insulin spritzen können, vor der Injektion eine Hautdesinfektion durchzuführen, auch wenn die Patienten es für ihre eigene Versorgung anders lernen. Dieses Vorgehen gibt weniger Anlass zu Verwirrungen beim Personal, und den Patienten kann man erklären, dass man im Krankenhaus generell die Haut vor einer Injektion desinfiziert. Da sich aber regelmäßig eine komplizierte und meist fruchtlose Diskussion über die juristischen Implikationen im (allerdings unwahrscheinlichen) Fall einer Infektion bei Injektion durch das Personal und nicht durchgeführter Hautdesinfektion entwickelt, erscheint es sinnvoll, die Frage eher pragmatisch als rational zu lösen. 68 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Intramuskuläre Injektion Regionalanästhesien Maßnahmen: Händedesinfektion, Hautdesinfektion (15 sec, Zellstofftupfer) Plexusblockade: z.B. Armplexus-Blockade für Reposition einer Schulterluxation Hinweis: Intraglutäale Injektionen sind in vielen Fällen eigentlich subkutane Injektionen, da die üblicherweise verwendeten Kanülen zu kurz sind bzw. die Subkutanschicht für die (normalerweise eingesetzten) Kanülen meist zu dick ist. Wegen der schlechteren Durchblutungsverhältnisse können Abszesse an der Injektionsstelle leichter entstehen, weshalb wiederum die sorgfältige Hautdesinfektion vor der Injektion große Bedeutung hat. Leitungsanästhesie: Hände, Füße Gefäßpunktion oder Gefäßinjektion Intravenös, intraarteriell: Arm, Bein, Leiste Maßnahmen: Händedesinfektion, Hautdesinfektion (15 sec, Zellstofftupfer) Hinweis: In der Leiste ist zum einen die Keimzahl auf der Haut höher, zum anderen ist die Hautflora dort anders zusammengesetzt als z.B. am Unterarm, weil Keime aus der Darmflora vorhanden sein können. Bei Punktionen der Leistengefäße erscheint deshalb eine längere Desinfektionszeit als die üblichen 15 sec sinnvoll (Anlage von peripheren und zentralen Venenkathetern siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“; Vorgehen bei Punktion von Dialyse-Shunts siehe Kapitel B.6 „Dialyse“). Injektion und Punktion bei Port-Systemen Maßnahmen: Händedesinfektion, 1 min Hautdesinfektion, sterile Tupfer, sterile Handschuhe erscheinen sinnvoll, obwohl die Punktionsstelle selbst nicht palpiert werden muss. Hinweis: Dauer der Hautdesinfektion vom Umgang mit ZVK abgeleitet (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“) Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile Handschuhe, sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung nicht zwingend, Masken nicht notwendig, aber während Punktion bzw. Injektion möglichst wenig sprechen (bei Erkältung mit Schnupfen und Husten Maske jedoch sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich Hinweise: Sterile Tuchabdeckung immer dann erforderlich, wenn es bei den notwendigen Manipulationen zu einer Kontamination der für die Injektion benötigten Gegenstände oder im Bereich der Injektionsstelle kommen könnte; rückenmarksnahe Regionalanästhesien siehe unten „Punktionen und Injektionen im Bereich der Wirbelsäule“. Gelenkinjektion und -punktion Periartikulär: z.B. „Infiltration“ mit Lokalanästhetika Intraartikulär: Injektion von Medikamenten, Punktion bei Erguss für Diagnostik und/oder zur Entlastung, z.B. bei Gelenkerguss Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile Handschuhe, sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung nicht zwingend, steriler Kittel nicht erforderlich, Masken nicht notwendig, aber während Punktion bzw. Injektion möglichst wenig sprechen (bei Erkältung mit Schnupfen und Husten Maske jedoch sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich Injektionen und Punktionen Hinweise: ■ Bei infizierten Wunden in der Nähe des Gelenks eine Injektion oder Punktion nur durchführen, wenn dies zur Entlastung des Gelenks oder aus diagnostischen Gründen (z.B. bei Verdacht auf Gelenkinfektion) erforderlich ist. ■ D.h., intraartikuläre Injektionen entzündungshemmender Medikamente, wie insbesondere Kortison-haltiger Lösungen, oder von schmerzlindernden Mitteln sind unter diesen Bedingungen mit einem erhöhten Infektionsrisiko assoziiert und deshalb nicht zu vertreten (das gleiche gilt für elektive operative, auch arthroskopische, Eingriffe). ■ Medikamente für Gelenkinjektionen erst unmittelbar vor Gebrauch richten (siehe oben „Vorrichten von Injektionslösungen“): Es gibt keinen medizinisch vertretbaren Grund, Kortisonlösungen und/oder Lokalanästhetika im Voraus für mehrere Patienten zu richten, da es sich dabei nie um eine Notfall-Intervention handelt. Nicht selten wird dies jedoch von Orthopäden im niedergelassenen Bereich so gehandhabt. ■ Bei Injektion Kortison-haltiger Medikamente muss immer berücksichtigt werden, dass das Infektionsrisiko schon allein durch das Medikament erhöht ist und dass deshalb (u.U. sonst möglicherweise sogar folgenlose) Kontaminationen mit sehr geringen Keimzahlen zu einer Infektion führen können [2]. Wenn also die Gabe von Kortison tatsächlich indiziert ist, dann muss ganz besonders sorgfältig auf die erforderlichen Hygienemaßnahmen geachtet werden. 69 Punktionen und Injektionen im Bereich der Wirbelsäule Lumbalpunktion: Liquordiagnostik Myelographie: bildgebende Diagnostik Peridural-, Spinalanästhesie: intra- und postoperativ, Schmerztherapie bei chronischen Krankheiten Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile Handschuhe, sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung bei Liquorpunktion nicht zwingend, aber insbesondere bei rückenmarksnahen Regionalanästhesien mit der Anlage von Kathetern erforderlich, um durch das sterile Feld Kontaminationen infolge der erforderlichen Manipulationen auszuschließen; Masken nicht generell notwendig, aber während Punktion bzw. Injektion möglichst wenig sprechen (bei Erkältung mit Schnupfen und Husten Maske jedoch sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich Hinweise: Ob zusätzlich sterile Kittel getragen werden, muss (analog zum Vorgehen bei der Anlage von ZVK) davon abhängig gemacht werden, ob es z.B. bei der Anlage eines Peridural-Katheters zu einer Kontamination kommen kann. Das Sprechen soll auf das notwendige Minimum reduziert werden, da wiederholt über aufsteigende Infektionen mit vergrünenden Streptokokken berichtet worden ist (siehe Kapitel B.6 „Anästhesie“ und „Radiologie“) [3, 5, 7]. Darüber darf aber nicht in den Hintergrund treten, dass eine konsequente aseptische Technik im Umgang mit allen für die jeweilige Maßnahme benötigten Gegenständen und Medikamenten das entscheidende Kriterium beim Schutz vor Infektionen ist. 70 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Punktionen und Injektionen von Körperhöhlen und Organen Sterile Höhlen: z.B. Pleura-, Aszitespunktion Organe: z.B. Leberpunktion Maßnahmen: Händedesinfektion, sterile Handschuhe, sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion, mindestens 1 min, sterile Tupfer, keine Rasur, sterile Tuchabdeckung, Masken nicht generell notwendig, aber während Punktion bzw. Injektion möglichst wenig sprechen (bei Erkältung mit Schnupfen und Husten Maske jedoch sinnvoll), Kopfschutz nicht erforderlich Hinweise: Ob zusätzlich sterile Kittel getragen werden, muss davon abhängig gemacht werden, ob es während der Maßnahme zu einer Kontamination kommen kann. Ozon-Therapie Eine wegen fehlender Wirksamkeitsbelege von der Schulmedizin nicht anerkannte therapeutische Maßnahme ist die OzonTherapie. Sie wird dennoch durchgeführt und bei den verschiedensten Beschwerdebildern angewendet. Im Rahmen dieser Maßnahme ist es in einzelnen Arztpraxen zu Ausbrüchen von z.B. HCV-Infektionen gekommen, aber auch zumindest eine HIV-Infektion (bei während desselben Behandlungszyklus erworbener HCV-Infektion) war mit hoher Wahrscheinlichkiet die Folge einer Ozon-Therapie. Bei der Ozon-Therapie wird dem Patienten eine gewisse Menge Blut entnommen und nach Mischung mit einem Ozon-LuftGemisch entweder intramuskulär oder int- ravenös wieder zurückgegeben. Z.T. wird von den Ozon-Therapeuten für die Entnahme des Ozon-Luft-Gemisches aus einem speziellen Apparat für mehrere Patienten dieselbe Spritze verwendet. Diese Spritze kann aber bei der Überführung des Ozon-Luft-Gemisches in die Infusionsflasche durch Hochschäumen des Blutes kontaminiert werden und kann deshalb bei weiteren Ozonisierungsvorgängen das Blut der nachfolgenden Patienten kontaminieren. Es handelt sich hier um ein eklatantes Beispiel einer vitalen Gefährdung von Patienten durch einen absolut vermeidbaren Hygienefehler im Rahmen einer unbewiesenen Therapie. Literatur 1. Al-Saigul AM, Fontaine RE, Haddad Q. Nosocomial malaria from contamination of a multidose heparin container with blood. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 329– 330 2. Armstrong RW, Bolding F. Septic arthritis after arthroscopy: the contributing roles of intraarticular steroids and environmental factors. Am J Infect Control 1994; 22: 16–18 3. Baer ET. Iatrogenic meningitis: the case for face masks. Clin Infect Dis 2000; 31: 519–521 4. Bernau A. Heeg P, Rompe G, Rudolph H. Intraartikuläre Punktionen und Injektionen. Dt Ärztebl 1999; 96: A–1905–1907 5. Black SR, Weinstein RA. The case for face masks – Zorro or zero? Clin Infect Dis 2000; 31: 522–523 6. Kidd-Ljunggren K, Broman E, Ekvall H, Gustavsson O. Nosocomial transmission of hepatitis B virus infection through multi-dose vials. J Hosp Infect 1999; 43: 57–62 7. Yaniv LG, Potasman I. Iatrogenic meningitis: an increasing role for resistant viridans streptococci? Case report and review of the last 20 years. Scand J Infect Dis 2000; 32: 693–696 Intravasale Katheter B 71 3. Invasive Maßnahmen – Intravasale Katheter Sehr viele stationäre Patienten erhalten einen Venenkatheter, der – z.B. ausgehend von einer zunächst umschriebenen lokalen Infektion an der Einstichstelle – zu schweren septischen Komplikationen führen kann (siehe Kapitel B.4 „Bakteriämie“). Verantwortlich für die Infektionen sind meist Staphylokokken, aber auch Gramnegative Stäbchen können selten einmal die Ursache sein [1, 15, 18, 20, 23, 33]. Deshalb müssen bei Anlage und Versorgung von intravasalen Kathetern aseptische Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.3 „Injektionen/Punktionen“). Anlage von Kathetern Zentrale Katheter Bei der Anlage intravasaler Katheter ist konsequent aseptisches Arbeiten entscheidend [1, 7, 20, 22, 24–26, 33]. Mikroorganismen haften an Kathetern aus PVC und PE stärker als an Teflon- oder PolyurethanKathetern, weshalb PVC- und PE-Katheter vermieden werden sollen. Bei der Anlage von Kathetern soll möglichst immer zu zweit gearbeitet werden, um das aseptische Arbeiten zu erleichtern: ■ Händedesinfektion ■ Sorgfältige Hautdesinfektion mit sterilen Tupfern und (alkoholischem) Hautdesinfektionsmittel ■ 1 Minute Einwirkzeit ■ Dabei mehrmals Tupfer wechseln („sprühen – wischen – sprühen – wischen“) ■ Haarentfernung nicht erforderlich ■ Konsequent aseptische Technik mit sterilem Kittel, sterilen Handschuhen, großem sterilen Abdecktuch sowie Kopfschutz und Maske für die Neuanlage von Kathetern sowie deren Wechsel über Führungsdraht ■ Aseptische Punktion und Anlage des Katheters (wenn die erste Punktion nicht erfolgreich, für den nächsten Versuch neuen Katheter verwenden) ■ Sichere Fixation des Katheters, trockener Verband mit Mullkompresse und Spezialpflaster oder mit wasserdampfdurchlässiger transparenter Folie ■ Datum für Verbandswechsel notieren Ob das Lochtuch zum Abdecken des Patienten tatsächlich dessen gesamten Körper bedecken und der Arzt auch noch Kopfschutz und Maske tragen muss, ist nicht geklärt. Denn es gibt nur Untersuchungen, die den lange Zeit üblichen (Minimal-)Standard (kleines Lochtuch, sterile Handschuhe) mit dem seit einiger Zeit empfohlenen Maximal-Standard (großes Lochtuch, steriler Kittel, sterile Handschuhe, Kopfschutz, Maske) vergleichen. Insertionsstelle für zentrale Katheter Bei der Wahl der Insertionsstelle für zentrale Katheter können folgende Faktoren eine Rolle spielen [1, 7, 20, 22, 25, 33]: ■ Jugularis-Katheter höheres Infektionsrisiko als Subclavia-Katheter (insbesondere bei intubierten Patienten Zugang über V. subclavia vorteilhaft, weil Einstichstelle leichter zu pflegen) ■ Bei Zugang über die V. femoralis höheres Kolonisierungsrisiko 72 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Keine aussagefähigen Ergebnisse aus randomisierten Studien vorhanden, deshalb Abwägung des Risikos infektiöser und mechanischer Komplikationen erforderlich Mehrlumige Katheter Mehrlumige Katheter sollen nur eingesetzt werden, wenn tatsächlich mehrere venöse Zugänge benötigt werden [1, 22]. Wegen häufigerer Manipulationen ist die Wahrscheinlichkeit der Kontamination höher. Ob aber Infektionen häufiger sind als bei Verwendung einlumiger Katheter, ist nicht geklärt. Peripher-zentrale Katheter Als Alternative zu implantierten Kathetern (siehe unten) werden vermehrt peripher-zentrale Katheter eingesetzt [11, 20]. Ihre Komplikationsrate ist ebenso gering, die Kosten jedoch sind beträchtlich niedriger. Sie müssen aber von den nicht-zentralen sog. Midline-Kathetern abgegrenzt werden, die kürzere Liegezeiten haben und über die nur isoosmotische und nichtvenenreizende Lösungen infundiert werden können. Periphere Katheter Auch bei der Anlage peripherer Katheter ist die Beachtung aseptischer Vorsichtsmaßnahmen wichtig [20, 22]: ■ Händedesinfektion ■ Handschuhe ■ Bei der Wahl der Punktionsstelle (bei Erwachsenen: Handrücken oder Unterarm, bei Säuglingen und Kleinkindern: Kopfhaut, Hand oder Fuß) darauf achten, dass keine Entzündungszeichen vorhanden sind, und, wenn möglich, Stellen mit chronischen Hautkrankheiten, z.B. Psoriasis, meiden ■ Sorgfältige Hautdesinfektion (Zellstofftupfer) – 30 Sekunden Einwirkzeit – Dabei mehrmals Tupfer wechseln („sprühen – wischen – sprühen – wischen“) ■ Aseptische Punktion und Anlage des Katheters (wenn die erste Punktion nicht erfolgreich, für den nächsten Versuch neuen Katheter verwenden) ■ Sichere Fixation des Katheters, trockener Verband mit Mullkompresse und Spezialpflaster oder mit transparenter wasserdampfdurchlässiger Folie ■ Datum für Verbandswechsel notieren ■ Deutlich geringere Phlebitisrate im Zusammenhang mit Kanülen aus Teflon oder Polyurethan verglichen mit PVCoder PE-Kanülen Überwachung der Katheter Kontrolle der Einstichstelle Von großer Bedeutung ist eine kontinuierliche Beobachtung der Einstichstelle von Kathetern, um beginnende lokale Infektionen nicht zu übersehen [1, 7, 20, 22, 25, 32]: ■ Visuell beim Verbandswechsel, z.B. alle 72 Stunden, bei Folienverbänden jederzeit ■ Zwischendurch täglich Palpation durch den liegenden Verband Verbandswechsel Wie alle Manipulationen am Kathetersystem sollen auch die Verbandswechsel auf das erforderliche Minimum reduziert werden [12, 20, 22, 33]. Ein routinemäßiger Wechsel wird seit einigen Jahren frühestens alle 72 Stunden empfohlen, bei Folienverbänden kann das Intervall sogar bis zu einmal wöchentlich verlängert werden. Gelockerte oder verschmutzte Verbände sollen dagegen sofort gewechselt werden. Intravasale Katheter Bei komatösen Patienten sind bei Verwendung von konventionellen Verbänden mit Mullkompressen wegen fehlender Reaktion auf Schmerzreiz bei Palpation häufigere Wechsel erforderlich (mindestens alle 48 Stunden), um die Einstichstelle kontrollieren zu können, wenn nicht Folienverbände verwendet werden. Durchführung ■ Händedesinfektion ■ Verband entfernen ■ Einstichstelle z.B. mit 0,9%iger NaClLösung und sterilem Tupfer reinigen, Desinfektion nicht unbedingt erforderlich (wenn doch, keine antimikrobiellen Cremes oder Salben verwenden) ■ Neuen Verband anlegen und Datum notieren ■ Immer mit sog. No-touch-Technik arbeiten Entfernung des Katheters Eine sofortige Entfernung des Katheters ist in folgenden Situationen erforderlich [1, 20, 22, 26, 33]: ■ Entzündliche Reaktion an der Einstichstelle (z.B. Rötung) ■ Thrombophlebitis ■ Sekretaustritt aus der Einstichstelle (Abstrich zur mikrobiologischen Untersuchung schicken) ■ Fieber und Verdacht auf Katheterinfektion (siehe Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“ für genauere Hinweise zur mikrobiologischen Diagnostik), in diesem Fall zusätzlich – Blutkulturen abnehmen – Evtl. Katheterspitze mikrobiologisch untersuchen lassen 73 „Ruhen“ von peripheren Kathetern Bei diskontinuierlicher Applikation von intravenösen Medikamenten können die Verweilkanülen zwischenzeitlich mit einem sterilen Stopfen (zuvor mit 0,9%iger NaCl-Lösung durchspülen, Heparinlösung ohne Vorteile) oder Mandrin verschlossen werden [22]. Bei längerer Nichtbenutzung des Katheters dennoch täglich die Einstichstelle kontrollieren (siehe oben „Kontrolle der Einstichstelle“). Manipulationen am Infusionssystem Jede Manipulation am Infusionssystem erfordert aseptische Handhabung [20, 22]: ■ Z.B. Wechsel der Infusionsflasche, Verbandswechsel: zuvor immer Händedesinfektion ■ Gummistopfen vor Anschluss des Infusionssystems oder Injektion von Medikamenten immer mit Alkohol abwischen (herstellungsbedingt nicht steril) ■ Insgesamt Manipulationen am System so weit wie möglich reduzieren Wechsel des Infusionssystems Das Infusionssystem setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die insbesondere bei Intensivpatienten zahlreich vorhanden sind. Es gehören dazu: Dreiwegehähne, Hahnenbänke, arterielle Druckmess-Systeme sowie geschlossene Systeme für die Messung des zentralen Venendruckes (ZVD). Für den Wechsel der derzeit die folgenden Empfehlungen gegeben [7, 19, 20, 22, 27, 33]: ■ Systeme routinemäßig frühestens alle 96 Stunden erneuern ■ Systeme von leergelaufenen Infusionsflaschen oder Perfusorspritzen sofort weiterverwenden 74 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Systeme von Blutkonserven, Blutprodukten oder Lipidemulsionen 24 Stunden nach Beginn der Infusion auswechseln ■ Bei Kurzinfusionen (z.B. 3 × täglich Antibiotika) oder häufiger Diskonnektion (z.B. wegen Transport des Patienten zu Untersuchungen) das Infusionssystem mit steriler Kappe verschließen und bis zur nächsten Gabe bzw. Wiederanschließen am Infusionsständer hängen lassen. In diesen Fällen kann empfohlen werden, das Infusionssystem alle 24 Stunden zu wechseln, da das Kontaminationsrisiko höher ist. Alternativ können die Systeme nach Applikation der Kurzinfusion für die Verabreichung kontinuierlich laufender Lösungen verwendet werden. ■ Über den Wechsel der Systeme, die für die konservative ZVD-Messung verwendet werden, existieren keine Untersuchungen. Da die Systeme am offenen Ende Luftfilter haben, erscheint ebenfalls ein Wechsel wie bei den Infusionssystemen vertretbar. Umgang mit Zuspritzstellen im Infusionssystem Beim Zuspritzen von Medikamenten oder bei Blutabnahme an Dreiwegehähnen, konventionellen Zuspritzstellen für Kanüle und Spritze sowie im Umgang mit Zuspritzstellen für Spritzen ohne Kanülen und Konnektionshilfen (Konnektoren mit Ventilmembran), die am Katheterkonus oder Dreiwegehahn fest angeschraubt werden, gelten folgende Vorsichtsmaßnahmen [16, 17, 20, 22]: ■ Händedesinfektion ■ Zuspritzstelle mit Alkohol desinfizieren und einwirken lassen (Überschuss mit Tupfer abwischen) ■ Nach Medikamentengabe etc. Zuspritzstelle von evtl. vorhandenen Blut- bzw. Medikamentenresten freispülen ■ Zum Schluss Dreiwegehähne mit neuer steriler Kappe verschließen In-line-Filter Bisher gibt es keine überzeugenden Hinweise, dass In-line-Filter das Infektionsrisiko bei Infusionstherapie senken können. Der regelmäßig erforderliche Wechsel erhöht die Zahl der Manipulationen am Infusionssystem und damit das Kontaminationsrisiko [1, 7, 20, 22]. Liegedauer von Kathetern Periphere Katheter Bei Erwachsenen wird ein Wechsel alle 96 Stunden empfohlen, um insbesondere das Phlebitionsrisiko zu senken; bei Kindern dagegen können die Katheter liegen bleiben, bis die Infusionstherapie beendet ist bzw. bis zum Auftreten einer Komplikation [20]. Unter Notfallbedingungen gelegte Katheter sollen so schnell wie möglich innerhalb von 48 Stunden erneuert werden, da in diesen Situationen hygienische Vorsichtsmaßnahmen meist nur eingeschränkt berücksichtigt werden können; periphere arterielle Katheter können solange liegen bleiben, wie sie benötigt werden. Zentrale Katheter Die folgenden Angaben gelten für konventionelle, d.h. nicht-implantierte, zentrale und für peripher-zentrale Katheter [1, 3, 4, 20, 22, 25, 33]: ■ Ein routinemäßiger Wechsel ist bei (peripher-)zentralen Kathetern nicht erforderlich, auch nicht bei Intensivpatienten. ■ Bei klinischem Verdacht auf eine Katheter-bedingte Bakteriämie den Kathe- Intravasale Katheter ter nicht über Führungsdraht wechseln, sondern an anderer Stelle neu legen; Katheter aber nicht nur aufgrund von Fieber entfernen, auch nicht bei Patienten mit Bakteriämie oder Fungämie, wenn der Katheter vermutlich als Ursache nicht in Frage kommt. ■ Sog. Antibiotika-Lock-Technik (= Füllen des Katheterlumens mit hochkonzentrierter Antibiotikalösung) soll nicht routinemäßig als eine Maßnahme für die Prävention von Bakteriämien angewendet, sondern evtl. bei Patienten mit Langzeit-Katheter und rezidivierenden Bakteriämien trotz optimaler aseptischer Technik durchgeführt werden. ■ Unter Notfallbedingungen, d.h. unter vermutlich nur suboptimalen aseptischen Bedingungen, gelegte Katheter sollen möglichst bald erneuert werden. ■ Pulmonalarterienkatheter aus Gründen der Infektionsprävention nicht häufiger als alle 7 Tage wechseln. Implantierte Katheter Teilweise implantiert: Hickman-/Broviac-/GroshongTyp Vollständig implantiert: Port-Systeme Die Inzidenz von Infektionen im Zusammenhang mit implantierten Kathetern ist im Vergleich zu konventionellen intravasalen Kathetern gering [1, 21]. Je nach Ausdehnung der Infektion werden die folgenden Manifestationen unterschieden: Infektion an der Austrittsstelle ■ Erythem, Druckschmerzhaftigkeit, Induration oder Eiterproduktion bis maximal 2 cm von der Austrittsstelle entfernt ■ Antibiotikatherapie ohne Entfernung des Katheters möglich 75 Tunnelinfektion ■ Infektionszeichen wie oben, aber Ausdehung weiter als 2 cm von der Austrittsstelle entfernt ■ Meist Entfernung des Katheters nötig Entfernung des Katheters ■ Dokumentierte Fungämie ■ Eitrige Tunnelinfektion ■ Erneute Bakteriämie, nachdem bereits drei Tage eine adäquate Antibiotikatherapie wegen einer Bakteriämie durchgeführt wurde Die Hygienemaßnahmen im Umgang mit implantierten Kathetern werden in Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“ behandelt. Antimikrobiell beschichtete Katheter Seit längerer Zeit wird der Einfluss antimikrobiell beschichteter Katheter auf die Inzidenz von Katheterinfektionen untersucht [1, 8, 10, 28, 29, 31, 32]. Einer kürzlich publizierten Meta-Analyse zufolge scheinen Katheter, die mit Chlorhexidin-Sulfadiazin imprägniert sind, das Risiko der Kolonisation der Katheter sowie das Bakteriämie-Risiko signifikant reduzieren zu können. Dieser positive Effekt kann aber nur dann Bestand haben, wenn die erforderlichen Hygienemaßnahmen im Umgang mit intravasalen Kathetern konsequent beachtet werden. Die Anwendung beschichteter Katheter darf also nicht zu einem falschen Gefühl von Sicherheit verführen, d.h. die im Umgang mit intravasalen Kathetern etablierten Hygienemaßnahmen müssen bei Verwendung beschichteter Katheter mit gleicher Sorgfalt beachtet werden. 76 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Totale parenterale Ernährung Patienten, die eine totale parenterale Ernährung (TPE) benötigen, haben einerseits durch ihre meist schweren Grundkrankheiten, andererseits aber auch durch die Art der Ernährung ein höheres Infektionsrisiko [22]. Besonderheiten ■ Meist relativ lange Liegezeit der Katheter ■ Infusionslösungen günstig für das Wachstum von Mikroorganismen, insbesondere für Gram-negative Stäbchen und Candida spp. ■ Hohes nosokomiales Infektionsrisiko bei den Patienten schon allein durch die Grundkrankheiten gegeben ■ Insgesamt wichtige Gründe, auf die besonders sorgfältige Beachtung aseptischer Maßnahmen bei allen Manipulationen zu achten Häufige Erreger ■ Koagulase-negative Staphylokokken, S. aureus, Candida spp., Serratia spp., Enterobacter spp. ■ Malassezia furfur bei sehr kleinen Kindern Hängezeit von Infusionslösungen Für die maximale Hängezeit von Infusionslösungen gibt es wenig aussagefähige Daten [20, 22]. Die früher empfohlene 12Stunden-Grenze für reine Lipidlösungen beispielsweise beruht auf In-vitro-Studien, die nach künstlicher Kontamination einen Beginn des Keimwachstums nach 6–12 Stunden zeigten [22]. Bei korrektem Umgang mit Infusionen und Infusionssystemen ist eine Kontamination der Lösungen während der Gabe unwahrscheinlich. ■ Reine Lipidlösungen nicht länger als 24 Stunden ■ Gabe von Bluttransfusionen innerhalb von 4 Stunden beenden ■ Für andere parenterale Lösungen können derzeit keine maximalen Zeiten für deren Gabe genannt werden. Intravasale Druckmessung Im Zusammenhang mit intravasaler Druckmessung ist wiederholt über zeitweise auch epidemische Infektionen berichtet worden. Die folgenden Empfehlungen müssen deshalb beachtet werden [20, 22]: Geschlossene Systeme ■ Möglichst Einmal-Systeme verwenden ■ Katheter aus Gründen der Infektionsprävention nicht häufiger als alle 5 Tage wechseln ■ Transducer (auch Einmalartikel) alle 4 Tage wechseln, zusammen mit dem gesamten Druckmesssystem ■ Wiederverwendbare Transducer sorgfältig aufbereiten (Sterilisation) Halbgeschlossene Systeme ■ Für Messung des zentralen Venendruckes ■ Bestehen aus Infusionsflasche und Druckinfusionsgerät mit Manometer und flüssigkeitsgefülltem, oben offenem Mess-Schlauch ■ Bei den modernen Systemen am distalen Ende des Mess-Schlauches Belüftungsöffnung mit bakteriendichtem Filter, d.h. Kontamination an dieser Stelle unwahrscheinlich ■ Wechselintervall des Systems alle 96 Stunden Intravasale Katheter Richten von Infusionen Die Vorbereitung von Infusionen (und anderen intravenös verabreichten Medikamenten) muss unter konsequent aseptischen Bedingungen erfolgen, denn schon äußerst geringe Kontaminationen können bei entsprechend empfänglichen Patienten zu schweren infektiösen Komplikationen führen, zumal eine Kontamination mit sehr geringen Keimzahlen bei der Zubereitung während der Dauer der oft vielstündigen, manchmal sogar mehrtägigen Applikation bei Zimmertemperatur sukzessive zu einer Kontamination mit sehr viel höheren Keimzahlen führen kann [20, 22, 23, 30]: ■ Unmittelbar zuvor Arbeitsfläche desinfizieren (z.B. mit Alkohol) ■ Händedesinfektion ■ Beim Richten von Infusionen Gummistopfen vor Zuspritzen von Medikamenten bzw. Einstechen des Infusionssystems desinfizieren ■ Infusionen möglichst immer erst unmittelbar vor Gebrauch richten, sonst bis zur Gabe Lagerung im Kühlschrank bei <7 °C ■ Perfusorspritzen nur einmal verwenden, da eine Kontamination des Spritzenkolbens beim Aufziehen unvermeidlich ist ■ Herstellung von Mischinfusionen (z.B. TPE, Zytostatika) möglichst immer zentral in der Apotheke an steriler Werkbank durch spezialisiertes Personal ■ Medikamente oder andere parenterale Zusätze zu Infusionslösungen immer aus Einzeldosis-Behältnissen entnehmen; wenn aber Mehrdosis-Behältnisse verwendet werden, entsprechend den Herstellerangaben anschließend ggf. im Kühlschrank lagern; Gummistopfen zuvor immer mit Alkohol reinigen; für je- 77 de Entnahme frische sterile Kanüle und Spritze verwenden; Mehrdosis-Behältnis sofort verwerfen, wenn es zu einer Kontamination gekommen sein könnte. ■ Nach Vorrichten von Notfallmedikamenten die Spritzen mit sterilem Stöpsel verschließen, Datum/Uhrzeit aufschreiben und Lagerung im Kühlschrank (<7 °C), nach 24 Stunden verwerfen Hämofiltration Bei der kontinuierlichen (veno-venösen oder arterio-venösen) Hämofiltration werden für die Katheterisierung der Gefäße und den Umgang mit dem Kathetersystem die gleichen Hygienemaßnahmen empfohlen wie bei zentralen Venenkathetern (siehe oben und Kapitel B.6 „Dialyse“) [31]. Subkutane anstelle von intravenöser Flüssigkeitszufuhr Insbesondere bei älteren Patienten und in der palliativen Patientenversorgung ist die subkutane Flüssigkeitszufuhr eine nützliche und einfach durchzuführende Alternative zur intravenösen Therapie [13]. Sie ist weniger belastend für den Patienten, und das Infektionsrisiko ist darüber hinaus sehr gering. Diagnostik Katheter-assoziierter Infektionen Zur Diagnostik von Katheter-assoziierten Infektionen wird meist die semiquantitative Kultur der Katheterspitze verwendet; verschiedene aufwändigere Methoden, die z.T. ohne Entfernung des Katheters angewendet werden können, sind beschrieben, haben sich jedoch in der Praxis nicht durchgesetzt (siehe Kapitel B.4 „Bakteriämie“ und Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“) [1, 5, 6, 14, 21, 22]. 78 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Antibiotikaprophylaxe Ob der prophylaktische Einsatz von Vancomycin bei der Anlage von Kathetern gerechtfertigt ist, kann derzeit nicht beantwortet werden; evtl. ist der Einsatz bei Hochrisiko-Patienten gerechtfertigt, wenn hohe Infektionsraten durch die etablierten Hygienemaßnahmen nicht zu reduzieren sind [9]. Literatur 1. Bach IA, Borneff M. Infektionen durch intravasale Katheter. Anästhesist 1996; 45: 1111–1126 2. Bregenzer T, Conen D, Sakmann P, Widmer A. Is routine replacement of peripheral intravenous catheters necessary ? Arch Int Med 1998; 158: 151–156 3. Calop J, Bosson JL, Croizé J, Laurent PE. Maintenance of peripheral and central intravenous infusion devices by 0.9% sodium chloride with or without heparin as a potential source of catheter microbial contamination. J Hosp Infect 2000; 46: 161–162 4. Cobb DK, High KP, Sawyer RG, Sable CA, Adams RB, Lindley DA, Pruett TL, Schwenzer KJ, Farr BM.A controlled trial of scheduled replacement of central venous and pulmonary-artery catheters. N Engl J Med 1992; 327: 1062–1068 5. Dobbins BM, Kite P, Wilcox MH. Diagnosis of central venous catheter related sepsis – a critical look inside. J Clin Pathol 1999; 52: 165–172 6. Douard MC, Arlet G, Longuet P, Troje C, Rouveau M, Ponscarme D, Eurin B. Diagnosis of venous access port-related infections. Clin Infect Dis 1999; 29: 1197–1202 7. Elliott TSJ, Tebbs SE. Prevention of central venous catheter-related infections. J Hosp Infect 1998; 40: 193–201 8. Elliott TSJ. Role of antimicrobial central venous catheters for the prevention of associated infections. J Antimicrob Chemother 1999; 43: 441–446 9. Grohskopf LA, Maki DG, Sohn AH, Sinkowitz-Cochran RL, Jarvis WR, Goldman DA. Reality check: should we use vancomycin for the prophylaxis of intravascular catheter-associated infections? Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 176–179 10. Hanna H, Darouiche R, Raad I. New approaches for prevention of intravascular catheterrelated infections. Infect Med 2001; 18: 38–48 11. Horattas MC, Trupiano J, Hopkins S, Pasini D, Martino C, Murty A. Changing concepts in long-term central venous access: catheter selection and cost savings. Am J Infect Control 2001; 29: 32–40 12. Humar A, Ostromecki A, Direnfeld J, Marshall JC, Lazar N, Houston PC, Baiteau P, Conly JM. Prospective randomized trial of 10% povidone-iodine versus 0.5% tincture of chlorhexidine as cutaneous antisepsis für prevention of central venous catheter infection. Clin Infect Dis 2000; 31: 1001–1007 13. Jain S, Mansfield B, Wilcox MH. Subcutaneous fluid administration – better than the intravenous approach ? J Hosp Infect 1999; 41: 269–272 14. Kite P, Dobbins BM, Wilcox MH, McMahon MJ. Rapid diagnosis of central-venous-catheter-related bloodstream infection without catheter removal. Lancet 1999; 354: 1504–1507 15. Lermi A, Cunha BA. Pseudomonas aeruginosa arterial line infection. Am J Infect Control 1998; 26: 538–540 16. Luebke MA, Arduino MJ, Duda DL, Dudar TE, McAllister SK, Balnd LA, Wesley JR. Comparison of the microbial barrier properties of a needleless and a conventional needle-based intravenous access system. Am J Infect Control 1998; 26: 437–441 17. McDonald LC, Banerjee SN, Jarvis WR. Line-associated bloodstream infections in pediatric intensive-care-unit patients associated with a needleless device and intermittent intravenous therapy. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 772–777 18. Minnaganti VR, Cunha BA. Acinetobacter baumannii-associated arterial line infection. Am J Infect Control 2000; 28: 376–377 19. Muder RR. Frequency of intravenous administration set changes and bacteremia: defining the risk. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 134–135 20. O’Grady NP, Alexander M, Dellinger EP, Gerberding JL, Heard SO, Maki DG, Masur H, McCormick RD, Mermel LA, Pearson ML, Raad II, Randolph A,Weinstein RA and the Hospital Infection Control Advisory Committee (HICPAC). Draft guideline for the prevention of intravascular catheter-related infections. www.cdc.gov/ Intravasale Katheter 21. Peacock SJ, Eddleston M, Emptage A, King A, Crook DWM. Positive intravenous line tip cultures as predictors of bacteraemia. J Hosp Infect 1998; 40: 35–38 22. Pearson ML, Hospital Infection Control Advisory Committee. Guideline for prevention of intravascular device-related infections. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 438– 473 23. Playford EG, Looke DFM, Whitby M, Stackelroth J, Harrison K, Watts A. Endemic nosocomial Gram-negative bacteraemias resulting from contamination of intravenous heparin infusions. J Hosp Infect 1999; 42: 21– 26 24. Raad II, Hohn DC, Gilbreath J, Suleiman N, Hill LA, Bruso PA, Marts K, Mansfield PF, Bodey GP. Prevention of central venous catheter-related infections by using maximal sterile barrier precautions during insertion. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 231–238 25. Raad I. Intravascular-catheter-related infections. Lancet 1998; 351: 893–898 26. Raad I. Management of intravascular catheter-related infections. J Antimicrob Chemother 2000; 45: 267–270 27. Raad I, Hanna HA, Awad A, Alrahwan A, Bivins C, Khan A, Richardson D, Umphrey JL, Whimbey E, Mansour G. Optimal frequency of changing intravenous administration sets: is 28. 29. 30. 31. 32. 33. 79 it safe to prolong use beyond 72 hours? Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 136–139 Schierholz JM, Fleck C, Beuth J, Pulverer G. The antimicrobial efficacy of a new central venous catheter with long-term broad-spectrum activity. J Antimicrob Chemother 2000; 46: 45–50 Schierholz JM, Bach A, Fleck C, Beuth J, König D, Pulverer G. Measurement of ultrasonic-induced chlorhexidine liberation: correlation of the activity of chlorhexidine-silversulfadiazine-impregnated catheters to agar roll technique and broth culture. J Hosp Infect 2000; 44: 141–145 Seeberger MD, Staender S, Oertli D, Kindler CH, Marti W. Efficacy of specific aseptic precautions for preventing propofol-related infections: analysis by a quality-assurance programme using the explicit outcome method. J Hosp Infect 1998; 39: 67–70 Turner PC, Humphreys H. Hemofiltration: treating and preventing infection. Clin Microbiol Infect 1998; 2: 80–85 Veenstra DL, Saint S, Saha S, Lumley T, Sullivan SD. Efficacy of antiseptic-impregnated central venous catheters in preventing catheter-related bloodstream infections. JAMA 1999; 281: 261–267 Widmer A. Intravascular catheter-associated infections. Schweizer Med Wochenschr 1997; 127: 444–456 80 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 4. Die vier häufigsten Infektionen – Bakteriämie Bakteriämien stehen insgesamt in der Reihenfolge der Häufigkeit nosokomialer Infektionen an vierter Stelle (große Unterschiede abhängig von der Fachabteilung) [7]. Bei ca. zwei Dritteln handelt es sich um primäre Formen, die wiederum in einem Drittel der Fälle im Zusammenhang mit (meist zentralen) intravasalen Kathetern stehen [3, 8, 14–22, 28, 29]. Für die sekundären Bakteriämien, die ca. ein Drittel der nosokomialen Bakteriämien ausmachen, sind vor allem Infektionen im Bereich der Harnwege und der Lunge sowie intraabdominale Infektionen verantwortlich [1, 3, 4, 20]. Eine Streuung von Erregern ins Blut kann ein lebensbedrohliches Krankheitsbild hervorrufen. Eine wichtige Komplikation ist die Absiedlung der Erreger an verschiedenen Körperstellen. Beispielsweise sind die Prädilektionsorte bei einer hämatogenen Aussaat von S. aureus vor allem die Wirbelsäule, aber auch Herzklappen mit der Folge langwieriger Morbidität und erhöhter Letalität [17–19]. Bakteriämie vs Sepsis Bakteriämie und Sepsis können folgendermaßen definiert werden [9, 17–20]: Bakteriämie ■ Beschreibung eines mikrobiologischen Befundes (bei Pilznachweis Fungämie oder Candidämie bei Nachweis von Candida spp.) ■ Asymptomatisch oder assoziiert mit den klinischen Symptomen einer Sepsis Sepsis ■ Beschreibung eines klinischen Bildes (z.B. Fieber, Blutdruckabfall, Oligurie) ■ Nicht notwendigerweise Blutkultur mit positivem mikrobiologischen Befund Primäre vs sekundäre Bakteriämie/Sepsis Aus epidemiologischer Sicht ist die Unterscheidung von primärer und sekundärer Bakteriämie bzw. Sepsis von Bedeutung [9, 18–20]: Primäre Form: Erregernachweis in der Blutkultur ohne Assoziation zu einer Infektion mit demselben Erreger an irgendeiner Körperstelle Sekundäre Form: Erregernachweis in der Blutkultur bei gleichzeitig vorhandener Infektion mit demselben Erreger an irgendeiner Körperstelle (z.B. Urosepsis) Mit intravasalen Kathetern assoziierte Bakteriämien fallen unter die primären Formen. Dies gilt nach Definition der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) auch dann, wenn zugleich eine eitrige Infektion an der Einstichstelle (oder sogar eine eitrige Thrombophlebitis) besteht und derselbe Erreger aus dem Eiter und der Blutkultur isoliert wird [9]. Pseudobakteriämie Kontaminationen von Blutkuturen, also der Nachweis von Keimen, die zum Zeit- Bakteriämie punkt der Blutkulturabnahme nicht im Blut des Patienten vorhanden waren – sei es von der Haut des Patienten, sei es aus einem exogenen Erregererservoir –, werden unter dem Begriff der „Pseudobakteriämie“ zusammengefasst [13]. Die exogene Kontamination kann bei der Abnahme der Blutkultur stattfinden, aber auch bei jedem weiteren Schritt der Bearbeitung im mikrobiologischen Labor. Meist ist eine Kontamination von Blutkulturen das Ergebnis einer unzureichenden Technik, insbesondere der Hautdesinfektion, und deshalb prinzipiell vermeidbar. Die Möglichkeit einer Kontamination muss deshalb bei der Beurteilung mikrobiologischer Untersuchungsergebnisse immer präsent sein. Bei Nachweis typischer Keime der Hautflora, insbesondere wenn diese nur in einer von mehreren Blutkulturflaschen nachweisbar sind, ist dies auch in aller Regel der Fall. Bei weniger typischen „Kontaminationskeimen“ aber ist einige Wachsamkeit erforderlich, um die Patienten nicht unnötig mit Antibiotika zu behandeln [12]. Andererseits aber kann die Entscheidung, ob es sich um eine Pseudobakteriämie oder um einen echten Erregernachweis aus der Blutkultur handelt, den verantwortlichen Arzt vor große Probleme stellen, da er die Folgen einer möglicherweise überflüssigen Therapie gegen das Risiko abwägen muss, dem Patienten eine u.U. doch erforderliche Therapie vorzuenthalten. Risikofaktoren Man kann endogene und exogene Risikofaktoren unterscheiden, wobei man aber berücksichtigen muss, dass Art und Umfang der exogenen Risikofaktoren zu einem wesentlichen Teil durch das Ausmaß der endogenen Risikofaktoren bedingt sind, die invasive Maßnahmen erst erforderlich machen [3, 8, 10, 15–22, 28, 29]: 81 Endogen ■ Niedriges (<1 Jahr) bzw. hohes (>60 Jahre) Lebensalter ■ Schwere Grundkrankheiten ■ Immunsuppression ■ Nicht-intakte Haut (chronische Hautkrankheiten, Verbrennungen) Exogen ■ Intravasale Katheter und andere invasive Maßnahmen ■ Nicht ausreichende Beachtung der erforderlichen Hygienemaßnahmen bei invasiven Maßnahmen ■ Sekundäre Bakteriämien durch unzureichende Behandlung oder zu späte Erkennung primärer Infektionsherde (z.B. von Abszessen) Erregerspektrum Eine Vielzahl von Erregern kommt als Erreger in Betracht, meist handelt sich um bakterielle Erreger [6–8, 10, 11, 14–24, 28–31]: Gram-positive Bakterien ■ S. aureus nach wie vor einer der häufigsten Erreger ■ Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) sind in den letzten zwei Jahrzehnten wesentlich häufiger geworden, besonders bei primären Bakteriämien. Dafür gibt es zwei Gründe: – Zunahme komplizierter invasiver Maßnahmen und damit verbunden häufigerer Einsatz von Kunststoffmaterialien, die Adhäsion und Kolonisation von KNS erleichtern – Selektion der resistenteren KNS bei breitem Antibiotikaeinsatz (ca. zwei Drittel sind Oxacillin-resistent und damit – wie MRSA – auch resistent gegen die sonst typischerweise 82 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen wirksamen Staphylokokken-Antibiotika) Die Zunahme von KNS ist aber sicher auch z.T. ein Artefakt wegen stärkerer Beachtung als potenziell pathogene Erreger und häufigerer Blutkulturdiagnostik, wobei bei der Interpretation solcher Blutkultur-Befunde sicher auch zu wenig zwischen Kontamination und Infektion differenziert wird (nicht zuletzt deshalb zu häufiger Einsatz von Glykopeptiden). Aus Untersuchungen mit molekularbiologischer Typisierung ergeben sich Hinweise darauf, dass ein Teil der KNS-Isolate, die im Zusammenhang mit Bakteriämien von verschiedenen Patienten isoliert werden, klonalen Urspungs oder zunmindest nahe verwandt sind. Das bedeutet, dass es sich bei KNS-Isolaten möglicherweise nicht nur um Vertreter der patienteneigenen, schon bei der stationären Aufnahme vorhandenen Hautflora handelt. Vielmehr weisen diese Ergebnisse zumindest darauf hin, dass Patienten im Krankenhaus mit anderen KNSStämmen besiedelt werden können, ebenso wie sie dort auch mit typischen nosokomialen Erregern besiedelt werden können. Aus dieser krankenhauserworbenen endogenen Flora können im weiteren Verlauf Infektionen entstehen. Übertragungen von KNS müssen demzufolge auch in Betracht gezogen werden. Denkbar ist außerdem eine epidemische Ausbreitung bestimmter KNS-Stämme, z.B. bedingt durch unterschiedliche Adhäsionseigenschaften (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“). ■ Enterokokken sind ebenfalls im gleichen Zeitraum häufiger geworden.Vermutlich handelt es sich dabei auch um ein Selektionsphänomen bedingt durch den häufigen Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika ohne (insbesondere alle Cephalosporine) oder ohne ausreichende (Chinolone, Carbapeneme) Wirkung gegen Enterokokken bei Prophylaxe und Therapie. Gram-negative Bakterien ■ Insgesamt seltener als vor 20 Jahren, aber wegen zunehmender Resistenz gegen Antibiotika z.T. sehr problematisch ■ Enterobakteriazeen (Escherichia coli, Enterobacter spp., Proteus spp., Klebsiella pneumoniae und andere Klebsiellen, Serratia spp. etc.) ■ Pseudomonas aeruginosa (und andere Pseudomonas spp.) ■ Acinetobacter baumannii (und andere sog. Nonfermenter) Pilze ■ Insbesondere verschiedene CandidaSpezies, vor allem C. albicans ■ Deutliche Zunahme in den letzten Jahren, besonders bei Patienten mit schweren Grundkrankheiten und unter langdauernder (Breitspektrum-)Antibiotikatherapie ■ Zusätzliche Problematik durch häufigeres Auftreten resistenter(er) Candida-Arten (C. krusei, C. glabrata) Polymikrobielle Bakteriämien ■ Meist bei schwerkranken Patienten (Neonatologie, Onkologie), aber auch, wenn der Gastrointestinaltrakt die Quelle der Bakteriämie ist (Beteiligung von Anaerobiern möglich) ■ Höhere Letalität (>50%) als bei monomikrobiellen Formen (gleichzeitig aber natürlich auch bedingt durch die schweren Grundkrankheiten) Rezidivierende Bakteriämie Bei manchen Patienten kommt es wiederholt zu einer Aussaat von Erregern ins Blut [20]: Bakteriämie ■ Nicht selten bei onkologischen Patienten ■ Zu einem bedeutenden Teil aber bei Patienten mit nicht ausreichend therapierter Primärinfektion (häufig im Bereich der Harnwege) ■ Wichtige Ursache sind außerdem konservativ nicht therapierbare Infektionsherde (z.B. Abszesse, infizierte Implantate und andere Infektionsherde mit schlechter Penetration von Antibiotika, z.B. aufgrund von Hämatom- oder Nekrosebildung) Katheter-assoziierte Infektionen Infektionen im Zusammenhang mit intravasalen Kathetern können sich klinisch sehr unterschiedlich manifestieren. Es kann sich um lokale infektiöse Komplikationen an der Einstichstelle bis hin zu schweren Septikämien mit Absiedlung der gestreuten Erreger an einzelnen bis mehreren Körperstellen handeln. Die rechtzeitige Erkennung einer septischen Streuung ist deshalb hinsichtlich der Prävention sekundärer infektiöser Komplikationen von größter Bedeutung (siehe Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“). Im Folgenden sollen die wichtigsten Charakteristika und diagnostischen Möglichkeiten genannt werden [2, 3, 8, 10, 14– 22, 25–29]. 83 ■ Ablösung der Keime und Streuung ins Blut mit der Folge einer Bakteriämie bzw. Sepsis Eine Kolonisierung intravasaler Katheter kann folgendermaßen entstehen: ■ Kolonisierung der Einstichstelle: Hautflora des Patienten, Hände des Personals, kontaminierte Hautdesinfektionsmittel (extraluminale Kolonisierung) ■ Kontamination des Katheteransatzstückes (engl. Hub): Hautflora des Patienten, Hände des Personals (intraluminale Kolonisierung) ■ Kontamination der Infusionslösung: z.B. bei der Zubereitung von Mischinfusionen (intraluminale Kolonisierung) ■ Hämatogene Erregerstreuung: Ausgehend von einem Infektionsherd an einer anderen Körperstelle (extraluminale Kolonisierung) Die im Folgenden aufgeführten Definitionen sollen eine Differenzierung der unterschiedlichen Manifestationen von Katheter-assoziierten Infektionen ermöglichen [16, 25]: (Thrombo-)Phlebitis ■ Entzündung, Induration, (Druck-) Schmerz im Bereich der Einstichstelle (mit oder ohne Thrombose) ■ Ursache meist physiko-chemischer, nicht infektiöser Natur Pathogenese ■ Kolonisierung des Katheters durch Adhäsion potenziell pathogener Keime am Kathetermaterial ■ Vermehrung der Keime am Katheter und insbesondere bei Biofilmproduktion – Schutz vor körpereigenen Abwehrmechanismen und – Schutz vor der Wirkung von Antibiotika Kolonisierung des Katheters ■ Katheterspitze positiv (semiquantitative Kultur nach Maki; siehe unten und Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“) und ■ keine Zeichen einer lokalen Katheterinfektion (siehe unten) und 84 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ keine Zeichen einer Katheter-bedingten Bakteriämie (siehe unten) Lokale Katheterinfektion ■ Eines der folgenden Zeichen: – eitrige Sekretion an der Einstichstelle oder – Entzündung im Haut- und Subkutanbereich über dem Katheter oder – positive Katheterspitze und entweder (Thrombo-)Phlebitis oder Fieber (≥ 38 °C) oder – positive Blutkultur (entnommen via Katheter) und entweder (Thrombo-) Phlebitis oder Fieber (≥ 38 °C) und – negative periphere Blutkultur (oder keine Blutkultur peripher entnommen) ■ Eitrige Phlebitis sehr selten, aber sehr gefährlich mit hoher Letalität, deshalb immer Notfallintervention erforderlich Durch periphere Katheter bedingte Bakteriämie ■ Eitrige Sekretion an der Einstichstelle und derselbe Erreger aus peripherer Blutkultur isoliert oder ■ Entzündung im Haut- und Subkutanbereich über dem Katheter und primäre Bakteriämie (siehe oben) oder ■ Positive Katheterspitze und periphere Blutkultur mit Wachstum des gleichen Erregers oder ■ Quantitative Blutkultur mit mindestens fünfmal höherer Keimzahl in der Katheterkultur im Vergleich zur peripher entnommenen Kultur ZVK-assoziierte Bakteriämie ■ Primäre Bakteriämie und ■ ZVK zum Zeitpunkt der Blutkulturentnahme vorhanden Bakteriämie bedingt durch kontaminierte Infusionslösung ■ Isolierung des gleichen Erregers aus peripherer Blutkultur und Infusionslösung und ■ Keine andere Quelle für die Bakteriämie erkennbar Mikrobiologische Diagnostik Die wichtigste Diagnostik bei Verdacht auf eine systemische Infektion im Zusammenhang mit intravasalen Kathetern besteht in der Anlage von Blutkulturen, und sehr häufig wird zusätzlich die Untersuchung der Katheterspitze mit der semiquantitativen Methode nach Maki angewendet (siehe Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“). Im Folgenden sind die verschiedenen prinzipiell möglichen Methoden teils mit, teils ohne Entfernung des Katheters aufgeführt: ■ Mit Entfernung des Katheters: – Direktfärbung der Katheteroberfläche – qualitative Bouillonkultur der Katheterspitze – semiquantitative Kultur der Katheterspitze – quantitative Kultur der inneren und äußeren Oberfläche der Katheterspitze (Durchspülen, Schütteln, Ultraschall) – Kultur des Katheteransatzstückes (Hub-Kultur) ■ Ohne Entfernung des Katheters: – Gram-Färbung und Kultur eines Hautabstrichs um die Einstichstelle – Gram-Färbung und Kultur eines Abstrichs der inneren Oberfläche des Katheteransatzstückes – Quantitative Blutkulturen Bakteriämie Für die Prävention Katheter-assoziierter Infektionen ist die konsequente Beachtung der etablierten aseptischen Maßnahmen im Umgang mit dem Katheter und dem gesamten Infusionssystem sowie den intravasal verabreichten Medikamenten von entscheidender Bedeutung (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“), wie kürzlich wieder in einer umfangreichen Studie bei Intensivpatienten gezeigt werden konnte [5]. Literatur 1. Bihari DJ. Septicaemia – the clinical diagnosis. J Antimicrob Chemother 1990; 25, Suppl. C: 1–7 2. Blot F, Nitenberg G, Chachaty E, Raynard B, Germann N, Antoun S, Laplanche A, BrunBuisson C, Tancrède C. Diagnosis of catheter-related bacteraemia: a prospective comparison of the time to positivity of hub-blood versus peripheral-blood cultures. Lancet 1999; 354: 1071–1077 3. Correa L, Pittet D. Problems and solutions in hospital-acquired bacteraemia. J Hosp Infect 2000; 46: 89–95 4. Easmon CSF. Pathogenesis of septicaemia. J Antimicrob Chemother 1990; 25, Suppl. C: 9– 16 5. Eggimann P, Harbarth S, Constantin MN, Touveneau S, Chevrolet JC, Pittet D. Impact of a prevention targeted at vascular-access care on incidence of infections acquired in intensive care. Lancet 2000; 355: 1864–1868 6. Eiff C von, Vaudaux P, Kahl BC, Lew D, Emler S, Schmidt A, Peters G, Proctor RA. Bloodstream infections caused by small-colony variants of coagulase-negative staphylococci following pacemaker implantation. Clin Infect Dis 1999; 29: 932–934 7. Emori TG, Gaynes RP. An overview of nosocomial infections, including the role of the microbiology laboratory. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 428–442 8. Farr BM. Nosocomial infections related to use of intravascular devices inserted für short-term vascular access. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 157–164 85 9. Garner JS, Jarvis WR, Emori TG, Horan TC, Hughes JM. CDC definitions for nosocomial infections, 1988. Am J Infect Control 1988; 16: 128–140 10. Goldman DA, Pier GB. Pathogenesis of infections related to intravascular catheterization. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 176–192 11. Harbarth S, Rohner P, Auckenthaler R, Safran E, Sudre P, Pittet D. Impact and pattern of Gram-negative bacteraemia during 6 y at a large university hospital. Scand J Infect Dis 1999; 31: 163–168 12. Jumaa PA, Chattopadhyay B. Pseudobacteraemia with multiply-resistant Klebsiella pneumoniae resulting from contamination from the blood gas machine on a neonatal unit. J Hosp Infect 1992; 22: 251–255 13. Jumaa PA, Chattopadhyay B. Pseudobacteraemia. J Hosp Infect 1994; 27: 167–177 14. Maki DG, Mermel LA. Infections due to infusion therapy. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 689– 724 15. Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher) Ltd., Cheltenham, 1997 16. Mermel LA, Farr BM, Sherertz RJ, Raad II, O’Grady N, Harris JS, Craven DE. Guidelines for the management of intravascular catheter-related infections. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 222–242 17. O’Grady NP, Alexander M, Dellinger EP, Gerberding JL, Heard SO, Maki DG, Masur H, McCormick RD, Mermel LA, Pearson ML, Raad II, Randolph A,Weinstein RA and the Hospital Infection Control Advisory Committee (HICPAC). Draft guideline for the intravascular catheter-related infections, 2001, www.cdc.gov/ 18. Pearson ML, Hospital Infection Control Advisory Committee (HICPAC). Guideline for prevention of intravascular device-related infections. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 438–473 19. Pittet D, Wenzel RP. Nosocomial blood stream infections – secular trends in rates, mortality, and contribution to total hospital deaths. Arch Int Med 1995; 155: 1177–1184 20. Pittet D. Nosocomial blood stream infections. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 711–769 86 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 21. Raad I. Intravascular-catheter-related infections. Lancet 1998; 351: 893–898 22. Raad I, Hanna H. Nosocomial infections related to use of intravascular devices inserted für long-term vascular access. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2.Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 165–172 23. Reuben AG, Musher DM, Hamill RJ, Broucke I. Polymicrobial bacteremia: clinical and microbiologic patterns. Rev Infect Dis 1989; 11: 161–183 24. Rupp ME, Archer GL. Coagulase-negative staphylococci: pathogens associated with medical progress. Clin Infect Dis 1994; 19: 231–245 25. Sherertz RJ. Surveillance for infections associated with vascular catheters. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 746– 752 26. Stein JM, Pruitt JA, Jr. Suppurative thrombophlebitis – a lethal iatrogenic disease. N Engl J Med 1970; 282: 1452–1455 27. Washington JA II, Ilstrup DM. Blood cultures: issues and controversies. Rev Infect Dis 1986; 8: 792–802 28. Widmer AF. Intravascular catheter-associated infections. Schweizer Med Wochenschr 1997; 127: 444–456 29. Widmer AF. Intravenous-related infections. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 771–805 30. Wisplinghoff H, Edmond MB, Pfaller MA, Jones RN, Wenzel RP, Seifert H. Nosocomial bloodstream infections caused by Acinetobacter species in United States hospitals: clinical features, molecular epidemiology, and antimicrobial susceptibility. Clin Infect Dis 2000; 31: 690–697 31. Worthington T, Lambert PA, Elliott TSJ. Is hospital-acquired intravascular catheter-related sepsis associated with outbreak strains of coagulase-negative staphylococci? J Hosp Infect 2000; 46: 130–134 Harnwegsinfektion B 87 4. Die vier häufigsten Infektionen – Harnwegsinfektion Harnwegsinfektionen haben einen Anteil von ca. einem Drittel an allen nosokomialen Infektionen und sind damit die häufigsten krankenhauserworbenen Infektionen. In der Regel handelt es sich um eher harmlose Erkrankungen, die den Krankenhausaufenthalt nicht wesentlich verlängern. Wichtige Komplikationen sind Pyelonephritis und Bakteriämie. Das BakteriämieRisiko bei Patienten mit Gram-negativer Bakteriurie ist relativ niedrig. Dennoch aber ist die Bakteriurie die häufigste Ursache Gram-negativer Bakteriämien, weil eine große Zahl stationärer Patienten katheterisiert wird. Bei Bakteriurie im Zusammenhang mit Blasenkathetern hilft diese Differenzierung jedoch in der Praxis häufig nicht weiter, weil nämlich ein hoher Prozentsatz der Patienten keine typischen klinischen Symptome hat. Es wurde deshalb empfohlen, das Auftreten einer Bakteriurie (oder Candidurie) in einer Keimzahl von >103 KBE/ml als Ausdruck einer nosokomialen Katheter-assoziierten Harnwegsinfektion zu interpretieren [10]. Die Entscheidung für oder gegen eine antimikrobielle Therapie ist für den Kliniker deshalb schwierig. Im Zweifelsfall kann man empfehlen, Patienten mit prinzipiell erhöhtem Risiko (siehe unten) eher zu behandeln. Bakteriurie vs Harnwegsinfektion Bakteriurie und Harnwegsinfektion können prinzipiell folgendermaßen unterschieden werden [1–3, 6, 9–12]: Bakteriurie ■ Asymptomatisch, d.h. Kolonisierung des Urins ohne Invasion der Erreger in das Gewebe ■ Keine klinischen Zeichen einer Infektion (Leukozyturie allerdings häufig) Harnwegsinfektion ■ Symptomatisch, d.h. Nachweis von potenziell pathogenen Erregern im Urin und Zeichen der Invasion in das Gewebe ■ Klinische Zeichen einer Infektion, wie z.B. Fieber, suprapubische Druckschmerzhaftigkeit und/oder Leukozyturie Risikofaktoren Endogene wie exogene Risikofaktoren können für die Entwicklung von Harnwegsinfektionen verantwortlich sein, und die endogenen Risiken stellen teilweise die Grundlage für Art und Umfang der invasiven Maßnahmen dar, die wiederum das Risiko für Infektionen im Bereich der ableitenden Harnwege erhöhen [1, 2, 5, 6, 9, 11, 12]. Harnwegsinfektionen bei Risikopatienten werden als „kompliziert“ eingestuft; dies spiegelt sich auch in den Therapieempfehlungen wider, die generell längere Behandlungszyklen (mindestens 7–10 Tage bzw. bis 3–5 Tage nach Entfieberung) als bei unkomplizierten Fällen vorsehen [4, 5]. Endogen ■ Höheres Lebensalter (> 60 Jahre) ■ Schwere Grundkrankheiten 88 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Weibliches Geschlecht ■ Periurethrale Kolonisierung mit potenziell pathogenen Erregern von Harnwegsinfektionen (insbesondere Gramnegative Stäbchen und Enterokokken) Exogen ■ Katheterisierung der Harnwege: je länger die Liegedauer, um so höher das Risiko (auch noch nach Entfernung des Katheters für mindestens 24 Stunden erhöhtes Risiko wahrscheinlich aufgrund einer vermehrten urethralen Kolonisierung durch potenziell pathogenen Keime, aber auch nach Einmal-Katheterisierung entwickeln altersabhängig bis zu 20% der Patienten eine Bakteriurie) ■ Instrumentierung der Harnwege Kurzzeit-Katheterisierung In den meisten Fällen ist bei der Notwendigkeit der Katheterisierung der Harnwege absehbar, dass diese invasive Maßnahme nur von kurzer Dauer sein wird. Definitionsgemäß spricht man bis zu einer Dauer von 30 Tagen von Kurzzeit-Katheterisierung; die meisten Katheter haben aber eine Liegezeit von nur wenigen Tagen [1, 6, 9, 12]. Das Ziel muss sein, die Entwicklung einer Bakteriurie zu verhüten oder wenigstens hinauszuzögern. Die wichtigste Präventionsmaßnahme ist demzufolge die zeitige Entfernung des Katheters, sobald er nicht mehr benötigt wird, denn ca. 50% der Patienten, die länger als 7–10 Tage katheterisiert sind, entwickeln eine Bakteriurie. Komplikationen Abhängig von der Liegedauer kommt es bei 10–50%, nach 30 Tagen bei 80–95% der Patienten zur Bakteriurie; aus einer primä- ren Besiedlung können sich bei bis zu 30% der Patienten Harnwegsinfektionen mit Fieber, akute Pyelonephritis sowie Bakteriämie bzw. klinische Sepsis (< 5% der Patienten) entwickeln [1, 6, 9, 12]. Meist treten die Bakteriämien bereits innerhalb von 24 Stunden nach Entstehung der Bakteriurien auf (Ausnahme ist Serratia marcescens mit Auftreten von Bakteriämien meist erst mehrere Tage nach Beginn der Bakteriurie). Trotz der an sich insgesamt geringen sekundären Bakteriämierate sind Harnwegsinfektionen aber in bis zu 15% die Ursache nosokomialer Bakteriämien, weil eine so große Zahl von Patienten katheterisiert wird. Für Gram-negative Bakteriämien können Katheter-assoziierte Bakteriurien bzw. Harnwegsinfektionen in 30–40% verantwortlich sein. Eine Antibiotikaprophylaxe bei Patienten mit Blasenkathetern kann evtl. für besondere Manipulationen bei bestimmten Hochrisiko-Patienten eingesetzt werden [7]; KonsensusEmpfehlungen gibt es jedoch nicht. Langzeit-Katheterisierung Bei länger als 30 Tage erforderlicher Urindrainage spricht man von Langzeit-Katheterisierung [12]. Das Auftreten einer Bakteriurie ist in diesen Fällen nicht zu verhindern (siehe oben). Ziel kann deshalb nur die Prävention der möglichen Komplikationen sein (siehe unten); aber auch die Prävention von Erregerübertragungen aus dem Reservoir des kolonisierten Urins muss beachtet werden. Bei der Verlegung von Patienten mit Dauerkathetern, z.B. aus Pflegeheimen, muss man immer berücksichtigen, dass der Urin dieser Patienten vermutlich mit einer Vielzahl möglicherweise auch (poly-)resistenter Erreger in jeweils hoher Keimzahl (>105 KBE/ml) besiedelt ist. Betroffen sind in erster Linie zwei Patientengruppen: Harnwegsinfektion ■ Neurologische Patienten (meist aber keine Dauerkatheterisierung, sondern intermittierende Katheterisierung) ■ Alte Patienten mit Harninkontinenz oder nicht operablen Blasenausgangsobstruktionen, wenn Inkontinenzunterlagen und Windeln nicht ausreichen, um Mazerationen der Haut mit der möglichen Folge der Entwicklung eines Dekubitus zu verhindern Komplikationen Relativ häufig kommen Katheterobstruktionen mit Notwendigkeit des Katheterwechsels vor, ferner Harnsteine, chronische interstitielle Nephritis, Urethrafistel, eitrige Epididymitis, Skrotumabszess, Prostatitis, Prostataabszess (zusätzlich zu den bei Katheterisierung der Harnwege typischen Komplikationen, siehe oben). Eintrittspforten für Bakterien Eintrittspforten für potenziell pathogene Keime bei transurethralen Blasenkathetern [1, 6, 9, 12]: 1. Meatus urethrae (extraluminal) 2. Verbindungsstelle zwischen Katheter und Auffangbeutel (intraluminal) 3. Ablasshahn am Auffangbeutel (intraluminal) Ein kleiner Teil der Bakteriurien entsteht bereits bei der Anlage der Katheter durch direkte Inokulation potenziell pathogener Keime in die Harnblase, die meisten jedoch entwickeln sich erst während der Liegezeit des Katheters [12]. Dabei spielt offenbar bei Frauen die periurethrale Besiedlung und damit der extraluminale Weg die größere Rolle als bei Männern. Untersuchungen über die Eintrittspforten von Erregern haben gezeigt, dass bei 15–20% der Patienten die Erreger zunächst im Drainagesystem nachweisbar waren und 89 erst sekundär in geringer Keimzahl intraluminal während der folgenden 24–48 Stunden in die Harnblase gewandert sind, wo sie sich in weniger als 24 Stunden auf Keimzahlen von >105 KBE/ml vermehren können. Erregerspektrum Es sind hauptsächlich Keime aus dem großen Erregerreservoir des Darmes, die für Harnwegsinfektionen verantwortlich sind [1, 6, 9, 11, 12]: ■ Escherichia coli, Enterokokkken, Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, S. marcescens (E. coli am häufigsten endemisch, P. aeruginosa und S. marcescens am häufigsten epidemisch auftretend) ■ Bei Langzeit-Katheterisierung auch seltenere und Antibiotika-resistente Gram-negative Bakterien, wie z.B. Morganella morganii, Providencia stuartii und andere Proteus spp. (häufig auch gleichzeitig mehrere Erreger nachweisbar, jeweils in hoher Keimzahl, d.h. >105 KBE/ml) ■ Bei katheterisierten Patienten sind polymikrobielle Infektionen relativ häufig. Der Nachweis mehrerer Erreger in einer Urinprobe kann deshalb nicht, wie bei Mittelstrahlurin, im Sinne einer Kontamination interpretiert werden. ■ Staphylokokken kommen relativ selten vor, und der Nachweis von S. aureus im Urin muss immer auch als Hinweis auf eine Bakteriämie betrachtet werden. Zeigen Blutkulturen aber kein Wachstum von S. aureus, kann die Suche nach einem primären Focus von der klinischen Symptomatik abhängig gemacht werden, denn die meisten Patienten mit einer S. aureus-Bakteriurie ohne begleitende Bakteriämie haben keinen okkulten S. aureus-Focus [8]. 90 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Der Nachweis von Candida spp. Ist in vielen Fällen Ausdruck einer Kolonisierung und nicht einer Infektion und bedarf deshalb in aller Regel keiner Therapie; eine Candidurie kann aber auch – wie eine Bakteriurie mit S. aureus – Folge einer hämatogenen Streuung von Candida spp. sein. Die Erreger von Harnwegsinfektionen bei katheterisierten Patienten unterscheiden sich nicht nur in der Häufigkeit des Auftretens, sondern auch in ihren Wachstumseigenschaften im Urin und im Zusammenhang mit dem Blasenkatheter. Es gibt Erreger, die sich im Urin selbst vermehren (frei schwimmend wie Plankton), und solche, die auf der Oberfläche des Katheters in einem Biofilm wachsen [1, 9, 12]. Diese Biofilmproduzierenden Erreger (insbesondere Pseudomonas spp. und Proteus spp.) adhärieren zunächst an der Katheteroberfläche und sezernieren extrazelluläre Substanzen, worin im weiteren Verlauf Urinproteine (Tamm-Horsfall) und auskristallisierte Urinsalze (besonders ausgeprägt bei P. mirabilis infolge der alkalisierenden Wirkung seiner starken Urease) eingelagert werden, und in dieser Matrix betten sich die Bakterien quasi ein. Es bilden sich Beläge im Katheterlumen, die letztlich zur Obstruktion des Katheters führen können. Neben bakteriellen Faktoren gibt es aber offenbar auch – bisher allerdings noch relativ ungeklärte – Patientenfaktoren, die mit einer Katheterobstruktion assoziiert sind. Für die Entscheidung einer antimikrobiellen Therapie gibt es je nach klinischer Situation entsprechende Empfehlungen, an denen man sich orientieren kann [4, 5]. Die Maßnahmen zur Prävention von Harnwegsinfektionen im Zusammenhang mit der Katheterisierung der Harnwege sind in Kapitel B.3 „Blasenkatheter“ zusammengefasst, und Hinweise für die mikrobiologi- sche Diagnostik finden sich in Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“. Literatur 1. Burke JP, Zavasky DM. Nosocomial urinary tract infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 173–187 2. Falagas ME, Gorbach SL. Practice guidelines: urinary tract infections. Infect Dis Clin Pract 1995; 4: 241–257 3. Garner JS, Jarvis WR, Emori TG, Horan TC, Hughes JM. CDC definitions for nosocomial infections, 1988. Am J Infect Control 1988; 16: 128–140 4. Naber KG, Fünfstück R, Hofstetter A, Brühl P., Hoyme U. Empfehlungen zur antimikrobiellen Therapie von Infektionen der Niere und des Urogenitaltraktes bei Erwachsenen. Chemotherapie Journal 2000; 9: 193–199 5. McCue JD. UTIs in at-risk patients: are they “complicated”? Infect Med 1999; 16: 533–540 6. Nicolle LE, SHEA Long-Term-Care-Committee. Urinary tract infections in long-termcare facilities. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 167–175 7. Olson ES, Cookson BD. Do antimicrobials have a role in preventing septicaemia following instrumentation of the urinary tract? J Hosp Infect 2000; 45: 85–97 8. Sheth S, DiNubile MJ. Clinical significance of Staphylococcus aureus bacteriuria without concurrent bacteremia. Clin Infect Dis 1997; 24: 1268–1269 9. Stamm WE. Urinary tract infections. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 477–485 10. Tambyah PA, Maki DG. Catheter-associated urinary tract infection is rarely symptomatic – a prospective study of 1497 catheterized patient. Arch Int Med 2000; 160: 678–682 11. Wagenlehner FME, Naber KG. Hospital acquired urinary tract infections. J Hosp Infect 2000; 46: 171–181 12. Warren JW. Urinary tract infections. In:Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 821–840 Pneumonie B 91 4. Die vier häufigsten Infektionen – Pneumonie Unter den vier häufigsten Krankenhausinfektionen steht die Pneunomie an zweiter Stelle [9]. Bei beatmeten Patienten stellt sie eine schwere, oft sogar lebensbedrohliche Infektion dar und kann zu einer wesentlichen Verlängerung des stationären Aufenthaltes führen [4, 7, 16, 19, 22].Andere ebenfalls meist lebensbedrohliche Pneumonien treten hauptsächlich bei schwer abwehrgeschwächten Patienten auf und werden an anderer Stelle behandelt (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“ und „Legionellose“). durch verschiedene Einflussfaktoren verändert, sodass im Nasen-Rachen-Raum bald Gram-negative Stäbchen und S. aureus nachweisbar sind und die physiologische Flora der oberen Atemwege sukzessive verdrängen [4, 7, 16, 19, 22]. Als exogene Erregerreservoire kommen prinzipiell kontaminiertes Beatmungszubehör, kontaminierte Medikamentenlösungen bei Anwendung von Verneblern und von Leitungswasser bei der Befeuchtung der Atemwege, immer aber auch die Hände des Personals in Frage (siehe Kapitel B.3 „Beatmung“). Pathogenese Pneumonieerreger können die Lunge prinzipiell folgendermaßen erreichen [4, 7, 16, 19, 22]: Um eine Pneumonie zu verursachen, müssen potenziell pathogene Keime Voraussetzungen vorfinden, die es ihnen erleichtern, an den Schleimhäuten der Atemwege zu adhärieren. Daraus kann sich eine Kolonisation entwickeln und im weiteren Verlauf eine Infektion entstehen, wenn die Erreger aus dem besiedelten Oropharynx in die tieferen Atemwege gelangen können und die natürlichen Abwehrfunktionen überwunden werden. Bei schwerkranken beatmeten Patienten können Erreger aus den tieferen Atemwegen nicht nur nicht mehr effektiv eliminiert werden, sondern sie können sich darüber hinaus auch an Stellen lokaler Gewebsschädigung unbeeinflusst von den normalerweise aktiven lokalen Abwehrfunktionen der Lunge schützen [4, 7, 19, 22]. Meist kommen die Erreger von Pneumonien bei beatmeten Patienten aus dem endogenen Reservoir des Patienten, das sich jedoch während des stationären Aufenthaltes ■ Aspiration von Oropharyngealsekret und/oder Magensaft ■ Inhalation bakterienhaltiger Aerosole ■ Hämatogene Aussaat von Erregern aus einem entfernten Infektionsherd oder Translokation aus dem Darm Aspiration Für die Pathogenese der beatmungsassoziierten Pneumonie hat die (Mikro-)Aspiration von Oropharyngealsekret und Magensaft große Bedeutung. Der Oropharynx mit seiner veränderten Flora und der Magensaft, insbesondere bei hohem pHWert, können sehr hohe Keimzahlen Gram-negativer Stäbchen aufweisen. Eine wichtige Quelle für Pneumonien bei beatmeten Patienten sind ferner die Nasennebenhöhlen, die wahrscheinlich aus dem Nasen-Rachen-Raum besiedelt werden [5]. Auch die Tubusmanschette stellt keinen 92 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen vollständigen Schutz dar, sodass das bakterienreiche Sekret, das sich regelmäßig oberhalb der Manschette ansammelt, eine ständige Quelle für Aspirationen darstellt. Inhalation von Aerosolen Bakterienhaltige Aerosole stellen ein besonderes Risiko für die Entstehung von Pneumonien, nicht nur bei beatmeten Patienten, dar, weil sie aufgrund ihrer geringen Größe ungehindert bis in die tiefen Atemwege gelangen können und auch nicht durch die normalen Abwehrfunktionen des oberen Respirationstraktes aufgehalten werden können (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [4, 7, 16, 19, 21, 22]. Bei intubierten und beatmeten Patienten werden diese natürlichen Abwehrfunktionen zusätzlich noch durch den Tubus umgangen. Insofern muss im Rahmen der respiratorischen Therapie bei allen Maßnahmen, die mit einer Aerosolproduktion verbunden sein können, auf die Verwendung steriler Lösungen (inkl. steriles Aqua dest. zum Befüllen Wasser führender Geräte) und auf eine kontaminationsfreie Handhabung geachtet werden. Risikofaktoren Einerseits patienteneigene, andererseits exogene durch die Behandlung und Versorgung der Patienten bedingte Faktoren bestimmen das Risiko eines Patienten, eine Pneumonie, insbesondere unter Beatmung, zu erwerben. Auf die endogenen Faktoren kann man naturgemäß nur bedingt Einfluss nehmen, weshalb sich die Aktivitäten der Infektionsprävention maßgeblich auf Hygienemaßnahmen im Umgang mit der Beatmungstherapie konzentrieren. Endogene und exogene Risikofaktoren lassen sich folgendermaßen zusammenfassen [4, 7, 16, 19, 22]: Endogen ■ Hohes Lebensalter ■ Schwere Grundkrankheit ■ Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung ■ Rauchen ■ Trauma ■ Koma bzw. Bewusstseinstrübung ■ Neuromuskuläre Erkrankungen ■ Begleitkrankheiten, wie z.B. Diabetes mellitus, Alkoholabusus Hämatogene Entstehung Exogen Bei Vorliegen einer Primärinfektion an irgendeiner Körperstelle kann es nach hämatogener Aussaat der Erreger zu einer Absiedlung in der Lunge und damit zu einer sekundären Pneumonie kommen. Dieser Übertragungsweg spielt – ebenso wie die Translokation von Erregern aus dem großen Erregerreservoir des Darmes – bei der Entstehung nosokomialer Pneumonien zwar nur eine untergeordnete Rolle, dennoch aber gilt eine frühe enterale Ernährung, die u.a. das Risiko der Translokation reduziert, auch hinsichtlich der Pneumonieprävention als wichtige Maßnahme [1, 4, 7, 19, 22]. ■ Am wichtigsten: Intensivmedizinische Behandlung mit Intubation und Beatmung ■ Kopf-, Hals-,Thorax-,Abdominal-Operationen ■ Enterale Ernährung durch Kolonisierung des Magens und erhöhtes Aspirationsrisiko, insbesondere bei zu großem Residualvolumen ■ Kontamination von Beatmungszubehör, Wasser (bei Verwendung von Leitungswasser, z.B. zum Durchspülen der Magensonde) und Händen des Personals ■ Bronchoskopie mit Loslösung von Bakterien in Biofilm aus dem Tubus, Pneumonie bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit größerem Restvolumen von Spülflüssigkeit und dadurch bedingter Beeinträchtigung der natürlichen lokalen Abwehrvorgänge ■ Medikamente, wie z.B. Sedativa, Kortikoide, Immunsuppressiva und Antibiotika Erregerspektrum Die häufigsten bakteriellen Erreger nosokomialer Pneumonien sind S. aureus und Gram-negative Stäbchen, wie Enterobakterien und P. aeruginosa [4, 7, 16, 19, 22]. Häufig werden mehrere Erreger aus dem Untersuchungsmaterial isoliert, und es ist schwierig zu entscheiden, welches der Isolate für das klinische Infektionsgeschehen verantwortlich ist. In der Regel müssen dann alle prinzipiell klinisch relevanten Erreger ursächlich in Betracht gezogen und bei der Therapie berücksichtigt werden. Beim Nachweis bestimmter Keime kann man aber immer eine Kolonisierung der Atemwege bzw. eine Kontamination von tiefem respiratorischem Sekret durch Keime aus dem oberen Respirationstrakt annehmen. Folgende Keime sollen nicht in die therapeutischen Überlegungen einbezogen werden: ■ Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) ■ Enterokokken (außer bei Nachweis in Reinkultur und hoher Keimzahl, d.h. reichlich bis massenhaft) ■ Candida-Spezies, meist C. albicans Sie sind insbesondere bei beatmeten Patienten und bei Patienten unter Breitspektrum-Antibiotikatherapie sehr häufig in Mischkultur nachweisbar, haben aber nur extrem selten klinische Bedeutung. Beispielsweise finden sich in der Weltliteratur 93 nur wenige Einzelfälle dokumentierter Enterokokken-Pneumonien [3]. CandidaPneumonien kommen zwar vor, sind aber sehr selten (<1%) [7]. Bei der Pneumonie unter Beatmung wird häufig eine Früh- und eine Spätform unterschieden, die sich durch ein unterschiedliches Erregerspektrum auszeichnen [4, 7, 16, 19, 22]: Früh-Pneumonie ■ Auftreten innerhalb der ersten vier Tage nach stationärer Aufnahme ■ Das Erregerspektrum umfasst Keime, die bei gesunden Normalpersonen im Nasen-Rachen-Raum vorkommen können, wie z.B. Pneumokokken und Haemophilus influenzae. Spät-Pneumonie ■ Auftreten >4 Tage nach Beginn der Beatmung ■ Das Erregerspektrum setzt sich vorwiegend aus typischen nosokomialen Erregern zusammen, wie vor allem S. aureus (20–40%), P. aeruginosa, Acinetobacter spp., Enterobacter spp. und andere Gram-negative Stäbchen (ca. 60%) Neben den erwähnten typischen bakteriellen Erregern nosokomialer Pneumonien kommen Viren (z.B. Influenza, RSV) und vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten auch Aspergillen und Legionellen vor (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“ und Legionellose“). Diagnostik Einen sog. Gold-Standard für die Diagnose einer Pneumonie gibt es nicht. In der Regel sind es klinische Symptome (z.B. Fieber, Krankheitsgefühl, Dyspnoe, pro- 94 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen duktiver Husten, Tachypnoe, Tachykardie, Unruhe, Koma, Hypotonie, Schock), radiologische Zeichen (lokalisierte oder diffuse Verschattung, Pleuritis, Pleuraexsudat, Abszessformation), Laborparameter (Leukozytenzahl im Blut, Differenzialblutbild, Blutgase) sowie mikrobiologische Kriterien, auf denen in der Praxis die Diagnose einer Pneumonie basiert [4, 7, 16, 19, 22]: Eine adäquate Sputum- bzw. Trachealsekretprobe kann nützliche diagnostische Informationen liefern (siehe Kapitel D „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“). Die mikrobiologische Diagnostik wird beeinträchtigt durch vorherige Antibiotikagaben. Findet sich lediglich Wachstum von normaler Flora der oberen Atemwege bei Mischflora im Gram-Präparat, müssen auch Anaerobier in Betracht gezogen und bei der Antibiotikaauswahl berücksichtigt werden (siehe Kapitel E.4 „Empirische Therapie“). Quantitative Ergebnisse mit bronchoskopisch oder durch BAL gewonnenem Untersuchungsmaterial haben eine höhere Spezifität als Sputum bzw. Trachealsekret; aussagefähig sind sie aber nur bei optimaler Technik, und sowohl falsch-negative wie falsch-positive Befunde sind möglich. Neben den invasiven bronchoskopischen Verfahren werden alternativ auch nicht-invasive („blinde“) Techniken angewendet. Bei ebenfalls quantitativer Auswertung sind sie einfacher und kostengünstiger durchzuführen und liefern ähnlich gute Ergebnisse wie die invasiven Verfahren. Von den CDC wurden Definitionen für nosokomiale Infektionen erarbeitet, die weltweit bei Surveillance-Projekten verwendet werden (siehe Kapitel C.3 „CDCDefinitionen der häufigsten nosokomialen Infektionen“) [11]. Bei klinisch-wissenschaftlichen Untersuchungen wird meist eine modifizierte CDC-Definition für die beatmungsassoziierte Pneumonie verwendet, die folgende Kriterien berücksichtigt [5]: ein neues oder progressives Infiltrat im Röntgenbild, das seit mindestens 48 Stunden vorhanden ist, plus mindestens zwei der folgenden Zeichen: Fieber >38,5 °C oder <35,0 °C, Leukozytenzahl im Blut >10 000/µl oder <5000/µl, eitriges Sputum oder Isolierung potenziell pathogener Bakterien aus dem Trachealsekret. Alternativ wird auch ein Score verwendet, in den ebenfalls klinische und mikrobiologische Kriterien eingehen (CPIS = clinical pulmonary infection score) [5].Wichtig für den Verlauf bei Pneumonie unter Beatmung ist eine frühzeitige adäquate Antibiotikatherapie, die häufig auf empirischer Basis gewählt werden muss, wenn noch keine mikrobiologischen Befunde vorliegen [10, 14]. Das bedeutet, dass mit einer Breitspektrum-Antibiotikatherapie begonnen werden muss, die nach Erhalt der mikrobiologischen Ergebnisse an das ermittelte Erregerspektrum angepasst werden soll. Prävention Bei der Prävention von Pneumonien unter Beatmung müssen Maßnahmen im Vordergrund stehen, die sich an den relevanten Erregerreservoiren orientieren und darauf abzielen, die Zugangswege für Erreger zur Lunge zu unterbrechen [4, 7, 12, 15, 16, 19, 22]: Nicht-invasive Beatmung Nicht-invasive Methoden der Beatmung haben offensichtliche Vorteile gegenüber der Beatmung über eine endotracheale Intubation. Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass sich damit das Pneumonierisiko deutlich reduzieren lässt [2, 13]. Pneumonie Einfluss auf die Kolonisierung von Oropharynx und Magen Um die Kolonisierung von Oropharynx und Magen mit potenziell pathogenen Erregern zu verhindern, wurde längere Zeit die Anwendung der selektiven Dekontamination mit topischen Antibiotika (SDD) bei beatmeten Intensivpatienten in den Vordergrund gestellt. Systematische Auswertungen der großen Plazebo-kontrollierten Studien zeigten zwar Vorteile von SDD für bestimmte Patientengruppen (z.B. Traumapatienten), bei denen die Pneumonieraten reduziert werden konnten; die Mortalität blieb jedoch unbeeinflusst [6, 20]. Ihr wesentlicher Nachteil ist das Risiko der Resistenzentwicklung und/oder der Selektion primär resistenter oder nur mäßig empfindlicher Erreger. Ebenso wie SDD stand auch die Stressulkusprophylaxe eine Zeit lang im Zentrum der Diskussion [7]. Es gibt aber keine sicheren Hinweise darauf, dass Sucralfat im Gegensatz zu H2-Blockern das Pneumonierisiko senkt. Verhinderung der Aspiration Die Patienten sollen möglichst mit leicht angehobenem Oberkörper (30–40°) gelagert werden [8, 19]. Bei enteraler Ernährung ist unklar, ob eine kontinuierliche oder eine intermittierende Nahrungsgabe bevorzugt werden soll [1]. Geräte für Diagnostik und Therapie im Bereich der Atemwege Lungenfunktionsgerät Es gibt nur wenige Untersuchungen, die die Kontamination von Spirometern untersucht haben und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine Kontamination im Inneren des Gerätes findet nicht (oder nur äußerst selten) statt [21]. Unsi- 95 cherheit entsteht immer dann, wenn ein Patient mit einer Tuberkulose der Atemwege untersucht worden ist. Gewöhnlich ist zwar bei der Untersuchung nur Ausatmen erforderlich. Um ein versehentliches Einatmen am Gerät zu verhindern, kann ein Ventil zwischengeschaltet werden, welches das Einatmen unmöglich macht. Folgende Maßnahmen sind erforderlich, um das Lungenfunktionsgerät korrekt aufzubereiten: Sieb: Täglich reinigen, trocknen und autoklavieren Plastikbeutel: Einmal wöchentlich erneuern Schwamm: Täglich reinigen und autoklavieren, angebrochene Aqua dest.-Flaschen nach 24 h verwerfen Plastikplatte: Täglich mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen Gummimuffe: Täglich mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen Krümmer: Nach jedem Patienten wechseln, reinigen, trocknen und thermisch desinfizieren oder autoklavieren Mundstück: Nach jedem Patienten wechseln, reinigen, trocknen und thermisch desinfizieren oder autoklavieren Nasenklemme: Nach jedem Patienten wechseln, thermisch desinfizieren oder mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen Therapievernebler ■ Gerät nach jedem Gebrauch aufbereiten ■ Mundstück vom Vernebleroberteil abziehen 96 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Maske und Oberteil abschrauben ■ Mundstück, Maske und Oberteil unter fließendem Wasser abspülen ■ Düsen durch Vernebeln von Wasser (mehrmals Intervallhebel betätigen) reinigen ■ Verbindungsschlauch mit Wasser durchspülen ■ Bei Verwendung öliger Medikamente Reinigung mit Zusatz von Spülmittel oder Instrumentenreiniger, anschließend alle Teile gründlich mit Wasser abspülen ■ Alle Teile thermisch desinfizieren, anschließend trocknen, zusammensetzen und staubfrei aufbewahren ■ Einmal jährlich Filterwechsel erforderlich Ultraschallvernebler ■ Verneblerkammer, Nebelschlauch und Gebläseschlauch: täglich thermodesinfizieren oder autoklavieren ■ Wasserflasche mit Schläuchen: bei Bedarf wechseln, mindestens einmal täglich ■ Vernebler, Trägerarme, Standrohr und Fünffuß, Schalter: einmal täglich mit umweltfreundlichem Reiniger abwischen Sauerstoff-Befeuchter ■ Steriles Aqua dest. In den Behälter füllen ■ Wasserbehälter und Gasverteiler bei Anwendung mit Wasser alle 48 Stunden, ohne Wasser einmal wöchentlich wechseln: thermisch desinfizieren oder autoklavieren, Einzelteile anschließend staubfrei und trocken lagern ■ Flowmeter mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen (kann nicht thermisch desinfiziert oder autoklaviert werden) ■ Schläuche im Aufwachraum nach jedem Patienten, sonst alle 48 Stunden wechseln und thermisch desinfizieren (Heim-)Inhalationsgeräte ■ Nicht immunsupprimierte Patienten: Mundstücke und Vernebleroberteil mit Medikamentenbecher einmal täglich wechseln, wenn nur bei einem Patienten in Gebrauch, thermisch desinfizieren, so weit thermostabil ■ Mukoviszidose- und immunsupprimierte Patienten: Mundstücke nach jeder Anwendung wechseln, Vernebleroberteil und Medikamentenbecher einmal täglich wechseln, thermisch desinfizieren Weitere Maßnahmen Förderung der Lungenfunktion: Präoperatives Atemtraining und postoperative Physiotherapie etc., wirkungsvolle postoperative Schmerzbekämpfung, um einer schmerzbedingten Behinderung der Atmung vorzubeugen Lagewechsel: Betten, die einen regelmäßigen langsamen Lagewechsel des Patienten um seine Längsachse erzeugen (sog. kinetische Betten) sind in ihrer Effektivität nicht belegt. Frühe enterale Ernährung: Prävention der Translokation von Mikroorganismen und Endotoxin aus dem Darm durch Erhaltung der Schutzfunktion der Darmschleimhaut und dadurch Prävention von entzündlichen und infektiösen Komplikationen Pneumokokken-Impfung: Gefährdete Patientengruppen gegen Pneumokokken zu impfen, hat nur indirekt mit der Prävention nosokomialer Infektionen zu tun. In folgenden Situationen kann ein Krankenhausaufenthalt für eine PneumokokkenImpfung genutzt werden [17, 18]: Pneumonie ■ Alter ≥ 65 Jahre ■ Chronische kardiovaskuläre oder pulmonale Erkrankungen ■ Diabetes mellitus ■ Alkoholismus ■ Leberzirrhose ■ Liquorfistel ■ Immunsuppression ■ Funktionelle oder anatomische Asplenie ■ HIV-Infektion Für diese Patienten kann eine Pneumokokken-Infektion lebensbedrohlich sein, und sie führt in aller Regel zu einer stationären Aufnahme, häufig auf einer Intensivstation mit dem damit verbundenen erhöhten Risiko, zusätzlich nosokomiale Infektionen zu erwerben. Die speziellen Hygienemaßnahmen bei Beatmung sind in Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“ zusammengefasst. Hinweise für die mikrobiologische Diagnostik bei Verdacht auf Pneumonie finden sich in Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“. Literatur 1. Alexander JW. Is early feeding of benefit? Intensive Care Med 1999; 25: 129–130 2. Antonelli M, Conti G, Bufi M, Costa MG, Lappa A, Rocco M, Gasparetto A, Meduri GU. Noninvasive ventilation for treatment of acute respiratory failure in patients undergoing solid organ transplantation. JAMA 2000; 283: 235–241 3. Berk SL, Verghese A, Holtsclaw SA, Smith JK. Enterococcal pneumonia – occurrence in patients receiving broad-spectrum antibiotic regimens and enteral feeding. Am J Med 1983; 74: 153–154 4. Bonton MJM, Bergmans DCJJ. Nosocomial pneumonia. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 211–238 97 5. Bonton MJM. Nosocomial sinusitis. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 239–246 6. Bonton MJM, Kullberg BJ, van Dalen R, Girbes ARJ, Hoepelman IM, Hustinx W, van der Meer JWM, Speelman P, Stobberingh EE, Verbrugh HA, Verhoef J, Zwaveling JH and consultants of the Dutch Working Group on Antibiotic Policy. Selective digestive decontamination in patients in intensive care. J Antimicrob Chemother 2000; 46: 351–362 7. Craven DE, Steger KA, LaForce FM. Pneumonia. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 487–513 8. Drakulovic MB, Torres A, Bauer TT, Nicolas JM, Nogué S, Ferrer M. Supine body position as a risk factor for nosocomial pneumonia in mechanically ventilated patients: a randomised trial. Lancet 1999; 354: 1851–1858 9. Emori TG, Gaynes RP. An overview of nosocomial infections, including the role of the microbiology laboratory. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 428–442 10. Ewig S, Gillissen A. Diagnostik und allgemeine Therapiekriterien der nosokomialen Pneumonie. Med Klinik 2000; 95: 533–534 11. Garner JS, Jarvis WR, Emori TG, Horan TC, Hughes JM. CDC definitions for nosocomial infections, 1988. Am J Infect Control 1988; 16: 128–140 12. Kollef MH. The prevention of ventilator-associated pneumonia. N Engl J Med 1999; 340: 627–634 13. Kollef MH. Avoidance of tracheal intubation as a strategy to prevent ventilator-associated pneumonia. Intensive Care Med 1999; 25: 553–555 14. Kollef MH, Ventilator-associated pneumonia: the importance of initial empiric antibiotic selection. Infect Med 2000; 17: 265–268; 278–283 15. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Prävention der nosokomialen Pneumonie. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 302–309 16. Lynch JP III. Hospital acquired pneumonia – risk factors, microbiology, and treatment. Chest 2001; 119: 373S–384S 17. Randerath O, König D, Saalmann M, Jansen B, Pulverer G. Prophylaxe gegen Infektionen 98 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen durch Streptococcus pneumoniae. Med Klinik 2000; 95: 678–682 18. Robinson, KA, Baughman W, Rothrock G, Barrett NL, Pass M, Lexau C, Damaske B, Stefonek K, Barnes B, Patterson J, Zell ER, Schuchat A, Whitney CG. Epidemiology of invasive Streptococcus pneumoniae infections in the United States, 1995–1998 – opportunities for prevention in the conjugate vaccine era. JAMA 2001; 285: 1729–1735 19. Tablan OC, Anderson LJ, Arden NH, Breiman RF, Butler JC, McNeil MM and The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee. Guideline for prevention of nosocomial pneumonia. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 587–627 20. Webb CH. Selective decontamination of the digestive tract, SDD: a commentary. J Hosp Infect 2000; 46: 106–109 21. Weber DJ, Rutala WA. Nosocomial infections associated with respiratory therapy. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 959–972 22. Wiblin RT. Nosocomial pneumonia. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 807–819 Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) B 99 4. Die vier häufigsten Infektionen – Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) Postoperative Infektionen im Operationsgebiet (früher „Wundinfektionen“) gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen (an zweiter Stelle nach Harnwegsinfektionen) und sind nicht selten mit einer relevanten Morbidität und dadurch einem erheblich verlängerten Krankenhausaufenthalt verbunden [6, 8, 21, 27, 28, 37]. Die Infektionsraten sind aber in den verschiedenen operativen Fachgebieten sehr unterschiedlich, z.B. sehr niedrig in der Ophthalmologie und Zahnmedizin und wesentlich höher in der Abdominal- und Herzchirurgie. Entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation werden sie eingeteilt in [15] 1) oberflächliche Infektionen im Bereich der Inzision, 2) tiefe Infektionen im Bereich der Inzision und 3) Infektionen im eigentlichen Operationsgebiet (z.B. Organ/Körperhöhle). Zu dieser Einteilung passt der Begriff der „Wundinfektion“ nicht mehr; denn die Wunde ist für den Chirurgen an sich nur die Inzision, nicht aber das darunter liegende Operationsgebiet. Deshalb wurde von den CDC im Anschluss an die 1988 publizierten Definitionen für „chirurgische Wundinfektionen“ [11] einige Jahre später eine Modifikation vorgestellt, in der die umfassendere, wenn auch etwas umständliche Bezeichnung „postoperative Infektion im Operationsgebiet“ eingeführt wurde [15]. Für Surveillancezwecke werden meist diese Definitionen der CDC verwendet, die in Kapitel C.3 wiedergegeben sind. Für ausführliche Hinweis zur Surveillance wird auf Kapitel C.4 „Surveillance der häufigsten nosokomialen Infektionen“ verwiesen. Pathogenese Notwendige Voraussetzung für die Entstehung postoperativer Infektionen im Operationsgebiet ist eine bakterielle Kontamination des Operationsgebietes. Darüber hinaus aber ist entscheidend, inwieweit es zu einem Missverhältnis zwischen den natürlichen lokalen und systemischen Abwehrfunktionen auf der einen Seite und dem Erreger und seiner sei es durch Keimzahl oder Virulenz gegebenen Pathogenität zu Ungunsten des Patienten kommt. Dieses normalerweise gültige Prinzip der Pathogenese wird bei Vorhandensein von Fremdkörpern in der Weise modifiziert, dass zum einen wesentlich geringere Keimzahlen üblicher Infektionserreger ausreichen, um eine Infektion zu erzeugen [7], zum anderen aber insbesondere im Zusammenhang mit großen Fremdkörpern, wie Gelenkimplantaten, auch Keime zu Infektionen führen können, deren natürliche Virulenz eher gering ist und die deshalb früher als apathogen eingestuft wurden (siehe Kapitel A.1 Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“) [26, 29]. Die meisten postoperativen Infektionen im Operationsgebiet bei primärem Wundverschluss werden während des Eingriffs erworben, weil in dieser Phase das Kontaminationsrisiko der Wunde – ob aus endogenem oder exogenem Reservoir – am 100 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen größten ist, denn eine primär verschlossene Wunde ohne Drainage gilt nach 24 Stunden als verschlossen und nicht mehr kontaminationsgefährdet [6, 21, 27, 28, 37]. Die endogene Patientenflora spielt bei weitem die größte Rolle, z.B. ist es bei Darm-Operationen die typische Mischflora aus Gram-negativen Enterobakteriazeen, Enterokokken und Gram-negativen Anaerobiern [6, 21, 27, 28, 37]. Wie häufig eine hämatogene oder lymphogene Streuung eines potenziell pathogenen Erregers und dessen Absiedlung im Operationsgebiet als einem locus minoris resistentiae (intra- oder postoperativ) von Bedeutung ist, ist weitgehend unbekannt, wird aber als relativ gering eingeschätzt [6, 21, 27, 28, 37]. Da aber zum Zeitpunkt der Operation an einer anderen Körperstelle vorhandene Infektionen das postoperative Infektionsrisiko erhöhen, muss dieser Weg der Infektionsentstehung bei den Überlegungen über die möglichen Ursachen auch in Betracht gezogen werden. Die nasale Besiedlung mit S. aureus erhöht ebenfalls das postoperative Risiko, eine S. aureus-Infektion zu erwerben [2, 3, 19, 22, 35]. Dabei kann ebenfalls eine hämatogene Streuung in Betracht gezogen werden, und die Hypothese ist, dass es im Rahmen von Intubationsnarkosen bei Patienten, die auch pharyngeal besiedelt sind, durch die erforderlichen Manipulationen an der Schleimhaut bei In- und Extubation zu einer Einschwemmung von S. aureus in die Blutbahn kommen und anschließend intraoder postoperativ eine Absiedlung im Operationsgebiet stattfinden kann [22]. Ferner gilt die Nase als das hauptsächliche Reservoir des Menschen für S. aureus, und von dort, so ist die Auffassung, wird der restliche Körper besiedelt (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) [2, 3, 19, 22]. Somit kommt bei nasal besiedelten Personen als Erregerre- servoir für postoperative S. aureus-Infektionen auch die Haut in Frage, die man zwar präoperativ gründlich desinfiziert, womit man aber nicht notwendigerweise alle dort, insbesondere in tieferen Schichten, vorhandenen Hautkeime erreichen kann (siehe unten „Erregerreservoire“). Als exogenes Erregerreservoir kommt das Operationspersonal und insbesondere das unmittelbar am Operationssitus stehende Operationsteam in Betracht. Von diesen Personen freigesetzte Keime können das Operationsgebiet erreichen, sei es in Form von Hautschuppen aus dem Kopf-HalsBereich, sei es durch Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum, die trotz Masken in die Umgebung gelangen können. Letzterem misst man aber heute bei der Entstehung endemischer Infektionen keine große Bedeutung mehr zu. Bei Ausbrüchen, also epidemisch auftretenden postoperativen Infektionen, muss man dagegen dieses Reservoir in Betracht ziehen, wenngleich andere Körperstellen des Operationspersonals wahrscheinlich von größerer Bedeutung sind als der Nasen-Rachen-Raum (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [23]. Exogene postoperative Erregerübertragungen sind selten; eine Voraussetzung dafür ist ein Zugangsweg für die Erreger. Dieser kann z.B. durch kleine Dehiszenzen einer sonst primär heilenden Wunde oder durch Drainagen gegeben sein. Operationswunden, die bis zu einem sekundären Wundverschluss offen bleiben, sowie Drainagen für postoperative Spülungen des Operationsgebietes stellen dagegen eine wahrscheinliche Eintrittspforte für Erreger dar, weshalb besondere Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit diesen Wunden erforderlich sind, um eine Kontamination, z.B. mit Leitungswasser, zu verhindern [6, 21, 27, 28, 37]. Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) Die Luft spielt bei den meisten operativen Eingriffen als Erregerreservoir keine wesentliche Rolle, und selbst bei orthopädischen Implantationsoperationen kann sie nicht als Haupterregerreservoir betrachtet werden. Die Bedeutung von raumlufttechnischen (RLT-)Anlagen in der Operationsabteilung wird in Kapitel B.8 behandelt. Kontaminationsklassen operativer Eingriffe In der anglo-amerikanischen Literatur werden seit Anfang der 1960er Jahre je nach Art des Eingriffs verschiedene Kontaminationsklassen operativer Eingriffe unterschieden, die lange Zeit hauptsächlich zur Stratifizierung der Patienten in Gruppen mit unterschiedlichem postoperativen Infektionsrisiko verwendet wurden [6, 21, 27, 28, 37]. Heute wird meist eine differenziertere Stratifizierung unter Einbeziehung weiterer Faktoren mit Hilfe eines Risiko-Scores angewendet [5], in den neben den klassischen Kontaminationsklassen auch noch andere Parameter einfließen (siehe unten „Risikofaktoren“ und Kapitel C.4 „Surveillance der häufigsten nosokomialen Infektionen“). Die klassischen vier Kontaminationsklassen sind folgendermaßen definiert: Sauberer (= aseptischer) Eingriff ■ Keine physiologische mikrobielle Besiedlung und keine Entzündung oder Infektion im Operationsgebiet, weder Respirations- noch Gastrointestinaloder Urogenitaltrakt eröffnet ■ Primärer Wundverschluss und, falls erforderlich, geschlossene Drainagen ■ Keine Kontamination des Operationsgebietes durch ortsständige Flora oder Infektion (z.B. Schilddrüsen-, Herz-, Gelenk-Operation), auch Eingriffe nach stumpfem Trauma 101 Sauber-kontaminierter (= bedingt aseptischer) Eingriff ■ Operationsgebiet mit physiologischer mikrobieller Besiedlung, Eröffnung des Respirations-, Gastrointestinaloder Urogenitaltraktes unter kontrollierten Bedingungen ohne ungewöhnliche Kontamination ■ Kontamination des Operationsgebietes mit wenig virulenter Flora in mäßiger Keimzahl (z.B. Oropharynx-, Gallenwegs-, Vaginal-Operation) Kontaminierter Eingriff ■ Größerer Bruch in der aseptischen Technik, deutlicher Austritt von Darminhalt, Vorliegen einer akuten, aber nicht eitrigen Entzündung im Operationsgebiet oder offene, frische Verletzungswunde ■ Erhebliche Kontamination des Operationsgebietes durch endogene Standortflora oder exogene Erreger (z.B. Dickdarm-Operation, Operation bei frischer Unfallwunde), Eingriffe mit Eröffnung des Urogenitaltraktes bei kolonisiertem Urin oder mit Eröffnung der Gallenwege bei kolonisierter Gallenflüssigkeiten Schmutziger oder infizierter (= septischer) Eingriff ■ Eitrige Infektion im Operationsgebiet, Perforation im Gastrointestinaltrakt oder ältere Verletzungswunde mit devitalisiertem Gewebe ■ Massive Kontamination des Operationsgebietes durch endogene Standortflora oder exogene Erreger (z.B. Operation nach Darmperforation, bei eitriger Cholecystitis, Operation bei älterer Verletzungswunde) 102 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Minimal-invasive Chirurgie Für die moderenen Verfahren der endoskopischen Operationen haben die gleichen pathogenetischen Prinzipien Bedeutung wie für konventionelle Operationen. Das Kontaminationsrisiko des Operationsgebietes ist bei den endoskopischen Verfahren theoretisch geringer; dennoch sind die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wichtig, damit potenziell pathogene Keime keinen Zugang zum Operationsgebiet finden (siehe Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). In dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung sind die wiederverwendbaren endoskopischen Instrumente, die vollständig zerlegbar sein müssen, damit nicht nur alle äußeren, sondern auch alle inneren Oberflächen vollkommen rückstandsfrei gereinigt werden können. Dies ist die unabdingbare Vorausetzung für jede Form anschließender Sterilisation (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Zum Beispiel sind diese Überlegungen im Zusammenhang mit den neuen minimalinvasiven Roboter-Techniken wichtig, um nicht mit hervorragenden technischen Entwicklungen prinzipiell immer sicherere operative Eingriffe durchführen zu können, sondern gleichzeitig die jedem wiederverwendbaren Gegenstand immanente Gefahr der Kontamination nicht nur mit Bakterien, sondern auch mit Viren, und hier insbesondere den mit Blut übertragbaren Viren (HBV, HCV, HIV), zu berücksichtigen. Meist handelt es sich bei diesem Spezialzubehör um sehr teure Instrumente, und die Hersteller derartiger Instrumente zum mehrfachen Gebrauch müssen suffiziente Aufbereitungsempfehlungen formulieren. Eine Aufbereitung endoskopischer Instrumente mit Lumen – insbesondere mit langen, engen Lumina – ist jedoch nur möglich, wenn diese sicher gerei- nigt werden können, und dies ist nur zu erreichen, wenn man das Instrument auseinander nehmen kann. Darauf müssen Chirurgen achten, wenn sie sich zum Kauf von Instrumenten für minimal-invasive Eingriffe entschließen. Am besten wäre, wenn sie sich schon zuvor mit einem Krankenhaushygieniker in Verbindung setzen würden, um zu erfahren, ob eine sichere Aufbereitung überhaupt möglich ist. Risikofaktoren Die Anwendung der Kontaminationsklassen für die Einordnung operativer Eingriffe in Risikogruppen ist zu ungenau, weil auch andere Faktoren als das Ausmaß der Kontamination, insbesondere das endogene Risiko des Patienten, wesentlichen Einfluss auf das postoperative Infektionsrisiko haben. Der Risiko-Index der CDC berücksichtigt sowohl endogene als auch exogene Risikofaktoren und ist einfach anzuwenden [5]. Der Score kann 0 bis maximal 3 Punkte haben und gibt die Anzahl an Risikofaktoren wieder. Er wird ermittelt aus ■ dem ASA-Score [20] (3, 4 oder 5 = 1 Punkt), ■ den klassischen Kontaminationsklassen (kontaminiert bzw. septisch = 1 Punkt) und ■ der Operationsdauer (länger als „T“ Stunden, wobei „T“ von der Art des Eingriffs abhängt und die Zeit ist, nach der 75% dieser Eingriffe beendet sind; z.B. Hysterektomie 2 Stunden, KolonOperation 3 Stunden, koronare Bypass-Operation 5 Stunden, = 1 Punkt) Dieser Risiko-Index lässt eine Aussage über das zu erwartende postoperative Infektionsrisiko zu und ermöglicht durch die Stratifikation in vier verschiedene Risikogruppen den Vergleich der Daten zwischen Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) den Operateuren einer Klinik sowie mit anderen Abteilungen und Krankenhäusern (siehe dazu Kapitel C.4 „Surveillance der häufigsten nosokomialen Infektionen“). Weitere Faktoren, deren Einfluss auf das postoperative Infektionsrisiko belegt ist und die entsprechend berücksichtigt werden können, sind die Körpertemperatur des Patienten während der Operation (erhöhtes Risiko bei Hypothermie) [25], die Sauerstoffzufuhr (reduziertes Risiko bei zusätzlicher Gabe von Sauerstoff) [12] sowie die Gabe von allogenen Bluttransfusionen (erhöhtes Risiko, wenn Leukozyten nicht weitgehend durch Filtration entfernt sind) [17, 18, 32]. Das postoperative Infektionsrisiko ist ebenfalls erhöht bei Vorliegen einer Infektion an einer anderen Körperstelle, weshalb bei elektiven Eingriffen ggf. vorhandene Infektionen erst therapiert werden sollen [34]. Generell kann man die Risikofaktoren unterteilen in endogene und exogene Faktoren, wobei definitive, wahrscheinliche, mögliche und unwahrscheinliche Faktoren unterschieden wurden [21]: Endogene Riskofaktoren Definitiv ■ Höheres Lebensalter: Reduzierte Abwehrfunktionen ■ Krankhaftes Übergewicht: Infektionen im Bereich der Inzision durch reduzierte Durchblutung, größeres Wundgebiet, größere operationstechnische Schwierigkeiten im Umgang mit dem adipösen Gewebe ■ Begleitkrankheiten: Mehrere schwere Krankheiten ■ ASA-Score: Einschätzung des präoperativen Zustands des Patienten (siehe oben) 103 ■ Nasale Besiedlung mit S. aureus (siehe oben „Pathogenese“ und unten „Erregerreservoire: Patient“) ■ Infektionen an einer anderen Körperstelle (siehe unten „Erregerreservoire: Patient“) ■ Dauer des präoperativen Aufenthaltes: Je länger, um so schwerer die Erkrankungen und um so größer die Möglichkeit der Besiedlung mit potenziell pathogenen, auch multiresistenten Erregern Wahrscheinlich ■ Unterernährung und niedriges SerumAlbumin: Ursache möglicherweise die Beeinträchtigung von Abwehrfunktionen ■ Diabetes mellitus: Hinweise insbesondere bei Insulin-abhängigem Diabetes mellitus, Beeinträchtigung der Abwehrfunktionen und erhöhtes generelles Infektionsrisiko bei Diabetikern bekannt, insbesondere erhöhtes Risiko für S. aureus-Infektionen Möglich ■ Maligne Erkrankung: Nicht gut belegt, aber plausibel, weil nicht selten dadurch Beeinträchtigung immunologischer Funktionen ■ Immunsuppressive Therapie: Wenig Daten, widersprüchliche Ergebnisse, theoretisch ebenfalls plausibel Unwahrscheinlich ■ Geschlecht: In den meisten Untersuchungen keine Korrelation mit dem Geschlecht des Patienten Exogene Risikofaktoren Definitiv ■ Präoperative Haarentfernung: Insbesondere bei Haarentfernung durch 104 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen konventionelles Rasieren und am Abend vor der Operation, geringstes Risiko bei Verwendung von Haarentfernungscreme oder vollkommenem Verzicht auf Haarentfernung ■ Art des Eingriffs: Kontaminationsklassen (siehe oben), spezielle Operationstechniken bei einzelnen Eingriffen (z.B. erhöhtes Sternuminfektionsrisiko bei koronarer Bypass-Operation unter Verwendung der A. mammaria interna, möglicherweise wegen daraus resultierender schlechterer Sternumdurchblutung) ■ Antibiotikaprophylaxe:Verzicht auf perioperative Antibiotikagabe bei Hochrisiko-Eingriffen (nicht nur kontaminierte und septische Eingriffe, sondern auch aseptische mit hohen Infektionsraten) ■ Dauer der Operation: Einer der drei Faktoren des CDC-Risiko-Index (siehe oben); Expositionsrisiko höher, Möglichkeit der Gewebetraumatisierung größer wegen der länger notwendigen Manipulationen am Gewebe Wahrscheinlich ■ Gleichzeitig mehrere Eingriffe: z.B. Cholecystektomie und Appendektomie; Einfluss auf das Infektionsrisiko unklar, möglicherweise erhöht wegen längerer Operationsdauer und/oder mehrerer Erkrankungen ■ Traumatisierung des Gewebes: Mangelnde Durchblutung, Toträume, nekrotisches Gewebe, Blutungen schaffen Bedingungen, die Erregern günstige Voraussetzungen für Adhäsion und Vermehrung bieten. Eine schonende Operationstechnik gehört deshalb zu den unverzichtbaren Konzepten guter chirurgischer Praxis. ■ Fremdkörper: In Anwesenheit von Fremdmaterial können sehr geringe Keimzahlen zu einer Infektion führen (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“). ■ Bluttransfusion: Insbesondere bei mehreren Konserven; reduzierte zelluläre Abwehrfunktionen Möglich ■ Präoperatives Duschen: Ganzkörperwaschungen mit antiseptischer Seife bewirken zwar eine Reduktion der Hautkeimzahl, aber in keiner Studie konnte dadurch eine Reduktion der postoperativen Infektionen im Operationsgebiet beobachtet werden. Insofern ist es lediglich möglich, aber aufgrund der gegebenen Datenlage nicht anzunehmen, dass präoperatives Waschen des Patienten mit normaler Seife ein erhöhtes Infektionsrisiko zur Folge hat. ■ Notfall-Operationen: Plausibel wegen notwendigerweise geringerer Beachtung der Regeln der Asepsis unter Notfallbedingungen, auch wegen möglicherweise schwererer Erkrankungen der Patienten, aber keine sicheren Hinweise auf höheres Infektionsrisiko aus den spärlich vorhandenen Daten ■ Drainagen: potenziell erhöhtes Kontaminationsrisiko des Operationsgebietes, wenn auch zweifellos positiver Effekt bei der Reduktion von Toträumen und der Drainage von Blut und Gewebsflüssigkeit; in klinischen Studien widersprüchliche Ergebnisse, aber nie geringeres Infektionsrisiko bei Verwendung von Drainagen, deshalb restriktiver Einsatz gerechtfertigt ■ Tageszeit bei der Operation: Keine ausreichenden Daten vorhanden Unwahrscheinlich ■ Gebrauch von nur einem Messer: Der Gebrauch von einem Messer für die Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) Hautinzision und einem weiteren Messer für das tiefer liegende Gewebe ist nicht mit einer geringeren Infektionsrate assoziiert [10, 14]. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass der Gebrauch von nur einem Messer einen Risikofaktor darstellen würde. Erregerspektrum In den meisten Fällen werden postoperative Infektionen im Operationsgebiet von bakteriellen Erregern verursacht, aber auch Pilze, vor allem C. albicans kommen vor [6, 8, 21, 27, 28, 37]. Insgesamt am häufigsten sind in allen operativen Fachgebieten Staphylokokken, in erster Linie handelt es sich um S. aureus, aber auch Koagulase-negative Staphylokokken können postoperative Infektionen verursachen (z.B. Sternuminfektionen nach Herz-Operation). Abhängig vom Operationsgebiet spielen auch Enterobakterien, wie E. coli, ferner Enterokokken und Gram-negative Anaerobier, vor allem Bacteroides spp., eine Rolle. Erregerreservoire Die körpereigene Flora des Patienten stellt das Haupterregerreservoir dar [6, 21, 27, 28, 37]. Exogene Reservoire, wie die Körperflora des Operationspersonals oder Keime aus der unbelebten Umgebung im Operationssaal, sind sehr viel seltener die Ursache endemischer postoperativer Infektionen (siehe oben „Pathogenese“). Bei Ausbrüchen jedoch haben diese exogenen Reservoire eine große Bedeutung (siehe dazu auch Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). Im Folgenden sind die in Frage kommenden Erregerreservoire auf Seiten des Patienten, des Personals und der Umgebung in der Operationsabteilung zusammengestellt [6, 21, 27, 28, 37]: 105 Patient Auch postoperative Infektionen, die nach aseptischen Eingriffen entstehen, können durch Keime aus der Körperflora des Patienten verursacht werden. Beispielsweise lässt sich die Hautflora auch bei sorgfältiger präoperativer Desinfektion des Operationsfeldes nicht vollständig eliminieren. Dies gilt besonders für die tieferen Hautschichten. Wird aber die Hautdesinfektion nicht gründlich genug durchgeführt, oder hat der Patient z.B. eine chronische Hautkrankheit, wobei die Effektivität der Hautdesinfektion eingeschränkt sein kann, besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen verursacht durch Hautkeime. Die Erreger können aber auch von einer zum Zeitpunkt der Operation bestehenden Infektion an einer vom Ort des operativen Eingriffs entfernt liegenden Körperstelle stammen [34] und von dort wahrscheinlich auf hämatogenem Weg in die Wunde gelangen, wo sie intra- oder postoperativ als locus minoris resistentiae günstige Bedingungen für Absiedlung und Wachstums finden. Außerdem gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen nasopharyngealer Besiedlung mit S. aureus und erhöhtem Risiko für postoperative S. aureus-Infektionen [2, 3, 19, 22, 35]. Personal Haut: Durch die ständige Abgabe von abgeschilferten Epithelien, insbesondere bei körperlicher Bewegung oder durch Reibung der Kleidung an der Haut, stellt die Haut des Personals in der Operationsabteilung ein potenzielles Erregerreservoir dar [30]: ■ Hautschuppen sind sehr klein (Durchmesser ca. <20 µm) und deshalb so leicht, dass sie zu den schwebenden Partikeln gehören. Da die Haut mikro- 106 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen biell besiedelt ist, werden häufig mit den Epithelien auch Mikroorganismen in die Luft freigesetzt. ■ Insofern stammen die meisten Keime in der Luft eines Operationssaales von den anwesenden Personen, und die Luftkeimzahl ist maßgeblich von der Anzahl und der körperlichen Aktivität dieser Personen abhängig. Der Patient kommt diesbezüglich weniger in Betracht, weil er von Tüchern (fast vollständig) bedeckt ruhig auf dem Operationstisch liegt. ■ Das Ausmaß der natürlichen Streuung von Epithelien hängt u.a. vom Geschlecht ab (Männer > Frauen). Außerdem wird beim Duschen die Lipidschicht der Haut vorübergehend beeinträchtigt, was zwischenzeitlich zu vermehrter Abgabe von Hautschuppen führt. Daher ist präoperatives Duschen des Operationsteams, durchgeführt als „Hygienemaßnahme“ z.B. vor Implantation großer Fremdkörper, nicht zu empfehlen. Schleimhaut des Nasopharynx: Die Abgabe potenziell kontaminierter Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum wird durch die chirurgische Maske zwar reduziert, aber nicht vollständig aufgehoben. So ist aus verschiedenen Untersuchungen bekannt, dass die Freisetzung von Nasopharyngealflora des Operationsteams davon abhängig ist, wie viel gesprochen wird. Dabei kommt es aber vorwiegend zur Freisetzung großer respiratorischer Tröpfchen, nicht aber zu einer Aerosolbildung (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“), und das bedeutet, dass die Erregerübertragung aus dem Nasen-Rachen-Raum, wenn sie überhaupt stattfindet, nicht aerogen erfolgt, sondern durch Sedimentation der Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum des Operationsteams in den Operationssitus (siehe oben „Pathogenese“). Hände: Transiente und residente Flora der Hände sind wegen der unmittelbaren Nähe der Hände zum Operationssitus als Erregerreservoir zweifellos von großer Bedeutung (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). ■ Die präoperative Händedesinfektion hat deshalb das Ziel, die transiente Flora zu eliminieren und die residente Flora weitgehend zu reduzieren. ■ Durch die sterilen Handschuhe wird das Kontaminationsrisiko des Operationssitus weiter reduziert. Haare: Haare haben nicht wie die Haut eine residente Flora, sondern sind, wenn überhaupt, nur transient kolonisiert [16, 31, 36]. ■ Das Haar spielt bei der Streuung von Mikroorgansimen in die Luft wahrscheinlich keine Rolle. ■ Kopf- (und evtl. Bart-)schutz haben den Zweck, das Operationsfeld vor herabfallenden Haaren zu schützen, die Luftkeimzahl wird dadurch jedoch nicht beeinflusst. Umgebung Flächen und Gegenstände: Die sog. unbelebte Umgebung im Operationssaal kommt als Erregerreservoir für postoperative Infektionen nur in Betracht, wenn Gegenstände, die nicht regelrecht sterilisiert oder die anschließend rekontaminiert wurden, in direkten oder indirekten Kontakt mit dem Operationssitus kommen. Flächen in größerer Distanz (z.B.Wände, Fußboden, Geräte) spielen bei der Entstehung postoperativer Infektionen keine Rolle, weil eine Aufwirbelung bereits sedimentierter Mikroorganismen unter normalen Bedingungen einer Operation nicht zustande kommt [1]. Früher wurden nicht selten postoperative Clostridium perfringens- Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) Infektionen in Zusammenhang mit einer Kontamination aus der unbelebten Umgebung des Operationssaales interpretiert; inzwischen ist aber aus epidemiologischen Untersuchungen hinreichend bekannt, dass derartige Infektionen nahezu immer aus dem endogenen Erregerreservoir der Patienten stammen, wenngleich sie bei früher berichteten Ausbrüchen im Zusammenhang mit extrem kontaminierten RLTAnlagen möglicherweise doch eine exogene Quelle hatten [33]. Luft: Als Erregerreservoir ist die Luft im Operationssaal außer bei streng aseptischen Eingriffen mit Implantation großer Fremdkörper wahrscheinlich ohne wesentliche Bedeutung [1, 6, 21, 27, 28, 37]. Bei gut gewarteter RLT-Anlage stammen die Keime in der Luft eines Operationssaales überwiegend von den dort anwesenden Personen, die mikrobiell beladene Hautschuppen (meist mit normaler Hautflora, selten mit virulenten Keimen, siehe unten) an die Umgebung abgeben (siehe oben „Personal“). Diese Luftkontamination gilt außerhalb der Implantationschirurgie in Anbetracht der normalen endogenen Erregerreservoire des Patienten als bedeutungslos für die Entstehung postoperativer Infektionen. In sehr seltenen Fällen können Ausbrüche postoperativer Infektionen auf eine aerogene Übertragung der ursächlichen Erreger zurückgeführt werden; dabei finden sich unter dem Operationspersonal Personen, die unbemerkt und trotz Beachtung der Regeln der Asepsis potenziell pathogene Keime streuen [23]. Einige dieser Personen hatten den Berichten zufolge keinen Patientenkontakt während der Operation, und man konnte z.B. durch Aufstellen von Sedimentationsplatten zeigen, dass diese Personen die Erreger in die Luft abgaben. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, solche in 107 den meisten Fällen asymptomatischen Streuer, die oft keine chronische Hautkrankheit haben, rechtzeitig, d.h. präventiv, zu ermitteln (z.B. durch routinemäßige Personaluntersuchungen). Solche Ereignisse sind sehr selten. Die wichtigste Schutzmaßnahme ist, das Erregerspektrum postoperativer Infektionen wachsam zu beobachten und bei Auftreten gehäufter Infektionen, insbesondere aber auch schon bei Auftreten von Einzelfällen von A-Streptokokken-Infektionen, sofort aktiv eine Ursachenklärung anzustreben, um die Entwicklung eines Ausbruchs möglichst früh zu erkennen. Verbandswechsel Bei primär heilenden Operationswunden sind Verbandswechsel nicht mehr erforderlich, wenn der am Ende der Operation gelegte Verband 48 Stunden danach entfernt wird [4]. Manche Patienten möchten jedoch keine offene Wundbehandlung; ihnen kann man einen Streifen Pflaster über die Naht kleben. Jede Wunde jedoch, die, obwohl primär verschlossen, nicht an jeder Stelle primär verheilt, und alle Wunden, die bis zu einem sekundären Verschluss offen gelassen werden, benötigen einen Verband, um das Wundsekret aufzufangen. Weil bei solchen Wunden eine exogene Kontamination möglich ist, müssen die Verbandswechsel unter den üblichen aseptischen Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden. Auch jede Spülflüssigkeit muss steril sein, weil Leitungswasser nicht keimfrei ist, und sog.Wasserbakterien, z.B. Pseudomonas spp., enthalten kann (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Das in der Chirurgie vielerorts praktizierte Duschen infizierter Wunden mit Leitungswasser ist mit dem Risiko der sekundären Kontamination der Wunde verbunden, 108 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen wenngleich der damit erzielte mechanische Spüleffekt prinzipiell positiv ist, weil Sekretreste und nekrotisches Gewebe auf schonende Art entfernt werden. Vorgehen Nach Möglichkeit soll beim Verbandswechsel zu zweit gearbeitet werden, weil dadurch das aseptische Arbeiten erleichtert wird. Unabhängig davon, ob die Wunden infiziert sind oder nicht, soll der Verbandswagen zum Patienten mitgenommen werden. Denn man hat im Zimmer des Patienten praktisch nie eine geeignete Ablagefläche zur Verfügung, auf der man z.B. ein Tablett mit den notwendigen Materialien abstellen kann (wenn das Verbandsmaterial in diesen Fällen nicht ohnehin in die Kitteltaschen gesteckt und dann letztlich auf dem Patientenbett abgelegt wird). Erfahrungsgemäß fehlen meist doch irgendwelche Utensilien, die man dann von draußen hereinholen muss, wofür man die Handschuhe ausziehen müsste. Diese Improvisation wird alles in allem auf die Patienten eher unprofessionell wirken, und ein Vorgehen dieser oder ähnlicher Art ist weder praktisch noch mit den Erfordernissen eines aseptisch durchzuführenden Verbandswechsels zu vereinbaren. Es macht außerdem keinen Sinn, zwei verschiedene Verbandswagen für aseptische und septische Wunden vorzuhalten. Wenn nämlich die Verbände infizierter Wunden und die bei der Versorgung dieser Wunden verwendeten Instrumente, Handschuhe etc. sofort in entsprechende Behälter entsorgt werden, besteht kein Risiko, dass der Verbandswagen und das darauf gelagerte Material kontaminiert wird. Die im Folgenden aufgeführten Maßnahmen bei Vorbereitung und Durchführung des Verbandswechsels sind wichtig, um exogene Kontaminationen zu vermeiden. ■ Wenn die Wundflächen groß sind und damit das Risiko der Kontamination der Arbeitskleidung besteht, soll der Arzt, der den Verbandswechsel durchführt, seinen Kittel vorher ablegen und sich z.B. eine Einmalschürze umbinden. ■ Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe anziehen ■ Verband bis auf die wundabdeckenden Kompressen entfernen und vorsichtig in einen gut erreichbaren Abfalleimer entsorgen ■ Danach die wundabdeckende Kompresse mit steriler Pinzette abnehmen und ebenfalls ohne Kontamination der Umgebung sofort entsorgen ■ Handschuhe ausziehen und Händedesinfektion, anschließend mit No-TouchTechnik weiterarbeiten ■ Reinigung der Wunde wie im individuellen Fall erforderlich (z.B. Kompressen mit Kochsalzlösung tränken und die Umgebung der Wunde sauber wischen) ■ Desinfektion der Wundfläche: Mittel großzügig auftragen und trocknen lassen ■ Frische Wundauflagen mit sterilen Instrumenten auflegen und geeignet fixieren ■ Abschließend nochmals Händedesinfektion und Dokumentation des Zustands der Wunde im Krankenblatt Antiseptische Wundbehandlung Bei der Frage der Notwendigkeit einer antiseptischen Behandlung von Operationswunden gibt es manche Unklarheit. Man kann folgendes festhalten: ■ Primär heilende Wunden müssen nicht in regelmäßigen Abständen mit einem Desinfektionsmittel behandelt werden, d.h. man entfernt den noch im Operationssaal gelegten Verband, säubert die Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) Wunde ggf. und kann anschließend noch einmal ein Desinfektionsmittel auf die Wunde geben. Weitere Verbände sind bei solchen Wunden nicht erforderlich [4] (allenfalls ein Pflasterstreifen, siehe oben); sie müssen aber weiterhin beobachtet und darauf kontrolliert werden, dass die Wundheilung ungestört abläuft und nicht z.B. sekundäre Dehiszenzen entstehen. ■ Sind Drainagen irgendeiner Art vorhanden, ist dagegen an deren Austrittsstelle eine regelmäßige antiseptische Behandlung sinnvoll, bis nach ihrer Entfernung die Hautdefekte wieder verschlossen sind. ■ Nahtmaterial und Hautklammern sollen immer erst nach gründlicher Desinfektion der Naht mit sterilen Instrumenten entfernt werden. Danach soll die Wunde nochmals desinfiziert und mit einem Pflaster bedeckt werden. Wundauflagen bzw. Verbandmaterial Es hängt vom Zustand der Wunde ab, welche Art Wundauflage oder Wundverband gewählt werden soll: ■ Geschlossene und trockene Wunden sollen möglichst offen bleiben und ggf. nur an Stellen größerer mechanischer Beanspruchung (Reibung durch die Kleidung) mit einem sterilen Pflaster zugedeckt werden. ■ Offene Wunden, die mit Granulationsgewebe bedeckt sind, werden mit einer nicht verklebenden Wundauflage abgedeckt (trockene Kompressen würden mit der Wundfläche verkleben und die frischen Epithelschichten beim nächsten Verbandswechsel abreißen) ■ Infizierte und sezernierende Wunden werden in der exsudativen Heilungsphase mit saugfähigen Wundauflagen bedeckt und gegen Austrocknen und 109 Auskühlen geschützt. Dafür geeignet sind gaspermeable Verbände, die semipermeablen hydrokolloidalen Verbände sowie Hydrogel-Verbände Da nicht jede Wunde primär heilt oder nicht primär verschlossen werden kann, müssen Ärzte in der chirurgischen Ausbildung frühzeitig darin unterrichtet werden, wann ein Wundverband sinnvoll ist und wie Wundverbände bei offenen und infizierten Wunden sowie in den unterschiedlichen Heilungsphasen sinnvollerweise durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß wird darauf nicht immer ausreichender Wert gelegt, und man kann in der klinischen Praxis wiederholt beobachten, dass die jüngsten ärztlichen Mitarbeiter die Verbandsvisite allein durchführen müssen, ohne dass ihnen offensichtlich zuvor die notwendige praktische Ausbildung gegeben wurde. Eine Wunde ist aber nur dann eine einfache Sache, für die man keine Ausbildung benötigt, wenn sie primär heilt.Alle anderen Wunden müssen von einem erfahrenen Arzt begleitet werden. Außerdem eignet sich der Vorgang des Verbandswechsels sehr gut, um auch postoperativ mit dem Patienten in Kontakt zu bleiben, indem über den Zustand der Wunde und den Fortgang der Heilung gesprochen wird. Diese Kommunikation hilft den Patienten sehr, über eine unerwartet lange Phase der postoperativen Wundheilung hinwegzukommen. Da der Zustand einer Operationswunde ein nicht unwesentliches Ergebnis einer Operation ist, gibt die Beschäftigung mit der Operationswunde dem Operateur darüber hinaus Gelegenheit, sich mit der eigenen Operationstechnik zu beschäftigen und ggf. über Verbesserungen nachzudenken. Im Sinne einer ganzheitlichen chirurgischen Behandlung gehört die Operationswunde zweifellos mit zu den therapeutischen Aspekten, die 110 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ein Chirurg in der Regel nicht an Mitarbeiter delegieren sollte. Baulich-technische Maßnahmen zur Prävention postoperativer Infektionen Bauliche Konzeption von Operationsabteilungen Operationsabteilung werden vom übrigen Krankenhausbereich durch sog. Schleusen abgetrennt, um Personal-, Material- und Gerätewechsel unter Kontrolle zu haben und auf das Notwendige zu reduzieren und um eine Abschottung der Operationsabteilung zu bewirken. Eine direkte hygienische Bedeutung haben Schleusen jedoch nicht. Eine Funktion als Luftschleusen – also zum Schutz vor einem Austausch der Luft der Operationsabteilung mit der der angrenzenden Krankenhausbereiche – ist nicht von Bedeutung, weil postoperative Infektionen zum einen nur selten durch eine aerogene Erregerübertragung entstehen und zum anderen dann nur die Luft im Operationssaal selbst eine Rolle spielen würde, aber nicht die Luft in der Peripherie der Operationsabteilung. Denn von dort kann die Luft schon aufgrund der üblichen Schutzdruckhaltung durch die RLTAnlage nicht bis in den Operationssaal strömen. Außerdem konnte in experimentellen Untersuchungen gezeigt werden, dass selbst zwischen zwei aneinandergrenzenden Operationssälen kein relevanter Luftaustausch stattfindet [13]. Operationsabteilungen müssen baulich so konzipiert sein, dass die verschiedenen Organisationsabläufe störungsfrei möglich sind [1, 9, 24]. Man kann jedoch mit einer bestimmten baulichen Konzeption nicht ein entsprechendes Personalverhalten erzwingen. Bekanntermaßen findet das Personal immer Möglichkeiten, die Wegeführung so zu ändern, wie sie in der täglichen Routine praktischer ist. RLT-Anlagen Moderne RLT-Anlagen in Operationsabteilungen sind so konzipiert, dass keimarme bis nahezu keimfreie Luft in die Räume geführt wird. In Deutschland wurden sie meist nach den Vorgaben der DIN 1946/4 geplant. Nach der DIN-Norm gehören alle Räume einer Operationsabteilung zur Raumklasse I (= „Hohe bzw. besonders hohe Anforderungen an die Keimarmut“). Das bedeutet, dass alle Räume dreistufig gefiltert werden müssen, d.h. Grobfilter, Feinfilter und endständiger Schwebstofffilter, der 99,97% aller schwebenden Partikel (<5 µm) zurückhält. Dieser hohe lufttechnische Aufwand ist, wenn überhaupt, nur in den Operationssälen gerechtfertigt, sodass alle anderen Räume der Operationsabteilung mit zweistufig gefilterter Luft versorgt werden können. Es gibt aber auch neue RLT-Konzepte, deren Ziel ist, den höchsten Grad der Luftreinheit im Bereich des Operationstisches zu schaffen und die Bereiche der Operationsabteilung außerhalb des Operationssaales mit einer Klimatisierung auszustatten, wie sie in anderen Bereichen des Krankenhauses oder außerhalb von Krankenhäusern in großen Gebäuden üblich ist (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“). Angaben zu den einzelnen in Operationsabteilungen üblichen Hygienemaßnahmen finden sich in Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“ und Hinweise zur Diagnostik von postoperativen Infektionen im Operationsgebiet in Kapitel D „Labor-Diagnostik bei Hinweis auf Infektion“. Literatur 1. Ayliffe GAJ. Role of the environment of the operating suite in surgical wound infection. Rev Infect Dis 1991; 13, Suppl. 10: S800–804 2. Casewell MW, Hill RLR. The carrier state: methicillin-resistant Staphylococcus aureus. J Antimicrob Chemother 1986; 18, Suppl. A: 1–12 Postoperative Infektionen im Operationsgebiet („Wundinfektionen“) 3. Casewell MW. The nose: an underestimated source of Staphylococcus aureus causing wound infection. J Hosp Infect 1998; 40: 3–11 4. Chrintz H, Vibits H, Cordtz TO, Harreby JS, Waadegaard P, Larsen SO. Need for surgical wound dressing. Br J Surg 1989; 76: 204–205 5. Culver DH, Horan TC, Gaynes RP, Martone WJ, Jarvis WR, Emori TG, Banerjee SN, Edwards JR, Tolson JS, Henderson TS, Hughes JM and the National Nosocomial Infections Surveillance System. Surgical wound infection rates by wound class, operative procedure, and patient risk index. Am J Med 1991; 91, Suppl. 3B: 152S–157S 6. Dellinger EP, Ehrenkranz NJ. Surgical infections. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 571–585 7. Elek SD, Conen PE.The virulence of Staphylococcus pyogenes for man – A study of the problems of wound infection. Br J Exper Pathol 1957; 38: 573–586 8. Emori TG, Gaynes RP. An overview of nosocomial infections, including the role of the microbiology laboratory. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 428–442 9. Essex-Lopresti M. Operating theatre design. Lancet 1999; 353: 1007–1010 10. Fairclough JA, Mackie IG, Mintowt-Czyz W, Phillips GE. The contaminated skin-knife: a surgical myth. J Bone Joint Surg 1983; 65-B: 210 11. Garner JS, Jarvis WR, Emori TG, Horan TC, Hughes JM. CDC definitions for nosocomial infections, 1988. Am J Infect Control 1988; 16: 128–140 12. Greif R, Akça O, Horn E-P, Kurz A, Sessler DI. Supplemental perioperative oxygen to reduce the incidence of surgical-wound infection. N Engl J Med 2000; 342: 161–167 13. Hambraeus A, Bengtsson S, Laurell G. Bacterial contamination in a modern operating suite. 1. Effect of ventilation on airborne bacteria and transfer of airborne particles. J Hyg, Camb 1977; 79: 121–132 14. Hasselgren P-O, Hagberg E, Malmer H, Säljö A, Seeman T. One instead of two knives for surgical incision – does it increase the risk of postoperative wound infection? Arch Surg 1984; 119: 917–920 15. Horan TC,Gaynes RP, Martone WR, Jarvis WR, Emori TG. CDC definitions of nosocomial surgical site infections, 1992: a modifica- 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 111 tion of CDC definitions of surgical wound infections. Infect Control Hosp Epidemiol 1992; 13: 606–608 Hosein IK, Hill DW, Hatfield RH. Controversies in the prevention of neurosurgical infection. J Hosp Infect 1999; 43: 5–11 Jensen LS, Andersen AJ, Christiansen PM, Hokland P, Juhl CO, Madsen G, Mortensen J, Møller-Nielsen C, Hanberg-Sørensen F, Hokland M. Postoperative infection and natural killer cell function following blood transfusion in patients undergoing elective colorectal surgery. Br J Surg 1992; 79: 513–516 Jensen LS, Kissmeyer-Nielsen P, Wolff B, Qvist N. Randomised comparison of leucocyte-depleted versus buffy-coat-poor blood transfusion and complications after colorectal surgery. Lancet 1996; 348: 841–845 Kalmeijer MD, van Nieuwland-Bollen E, Bogaers-Hofman D, de Baere GAJ, Kluytmans JAJW. Nasal carriage of Staphylococcus aureus is a major risk factor for surgical-site infections in orthopedic surgery. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 319–323 Keats AS. The ASA classification of physical status – a recapitulation. Anesthesiology 1978; 49: 233–236 Kluytmans JAJW. Surgical infections including burns. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 841–865 Kluytmans J. Reduction of surgical site infections in major surgery by elimination of nasal carriage of Staphylococcus aureus. J Hosp Infect 1998; 40: 25–2 Kolmos HJ, Svendsen RN, Nielsen SV. The surgical team as a source of postoperative wound infections caused by Streptococcus pyogenes. J Hosp Infect 1997; 35: 207–214 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 644–648 Kurz A, Sessler DI, Lenhardt R. Perioperative normothermia to reduce the incidence of surgical wound infection and shorten hospitalization. N Engl J Med 1996; 334: 1209–1215 Lew DP, Waldvogel, FA. Infections that complicate the insertion of prosthetic devices. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology 112 27. 28. 29. 30. 31. Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 937– 957 Mangram AJ, Horan TC, Pearson ML, Silver LC, Jarvis WR, and The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee. Guideline for prevention of surgical site infection, 1999. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 247–280 Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher) Ltd., Cheltenham, 1997 Nafziger DA, Saravolatz LD. Infection in implantable prosthetic devices. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 889–923 Noble WC. Dispersal of skin microorganisms. Br J Dermatol 1975; 93: 477–485 Siddique MS, Matai V, Sutcliffe JC. The preoperative skin shave in neurosurgery: is it justified? Br J Neurosurg 1998; 12: 131–135 32. Tartter PI. Blood transfusion and postoperative infections. Transfusion 1989; 29: 456– 459 33. Thomsen K, Krebs D. Fehlerhafte Klimaanlage infizierte Operationstrakt. Dt Ärztebl 1972; 69: 544–548 34. Valentine RJ, Weigelt JA, Dryer D, Rodgers C. Effect of remote infections on clean wound infection rates. Am J Infect Control 1986; 14: 64–67 35. Wenzel RP, Perl TM. The significance of nasal carriage of Staphylococcus aureus and the incidence of postoperative wound infection. J Hosp Infect 1995; 31: 13–24 36. Winston KR. Hair and neurosurgery. Neurosurg 1992; 31: 320–329 37. Wong ES. Surgical site infections. In: Mayhall Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 189– 210 Aspergillose B 113 5. Spezielle Infektionen – Aspergillose Vorkommen von Aspergillen Aspergillen kommen weltweit überall in der Umwelt vor, haben geringe Anforderungen an die Umgebungsbedingungen und tolerieren einen breiten Temperaturbereich [5]. Es gibt ca. 200 verschiedene Spezies dieser Fadenpilze, und sie sind in der Natur ubiquitär vorhanden, vor allem in Erde,Wasser, Pflanzenresten, also insbesondere überall dort, wo organisches Material reichlich vorhanden ist, d.h. auch in Schmutz und Staub [5]. Unter günstigen Bedingungen können sich Aspergillen stark vermehren, sodass tausende von Sporen (= Konidien) freigesetzt werden können und die Konzentration in der Luft sehr hohe Werte annehmen kann. Aspergillus-Sporen haben einen Durchmesser von 2,5–3,5 µm und sind damit so klein und leicht, dass sie als Bio-Aerosol immer in der Luft vorhanden sind (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Zeitlebens inhaliert der Mensch Pilzsporen (auch andere als Aspergillus spp., z.B. Mucor, Fusarium, Penicillium spp.), pro Tag durchschnittlich 40 Aspergillus-Sporen, von denen ca. sieben bis in die Alveolen gelangen [17]. Eine Besiedlung der Nasennebenhöhlen ist möglich [4]. Humanpathogen ist nur ein kleiner Teil der Aspergillus spp., und zwar nur die Spezies, die in der Lage sind, im Temperaturbereich des menschlichen Organismus vermehrungsfähig zu bleiben. A. fumigatus und A. flavus werden meist bei Infektionen isoliert, während A. niger, A. terreus und andere Spezies häufiger bei Luftuntersuchungen innerhalb und außerhalb von Ge- bäuden und sehr viel seltener als Infektionserreger gefunden werden. Nachweis von Aspergillosen Die Diagnostik invasiver Aspergillosen ist schwierig. Der Antigen-Nachweis (Galaktomannan = Zellwandbaustein) im Serum und verschiedenen Körperflüssigkeiten (z.B. Urin, BAL) ist trotz positiver Berichte häufig nicht erfolgreich (siehe Kapitel D.3 „Serologischer Nachweis von Pilzinfektionen“) [16, 18]. Der mikrobiologische und/oder histologische Nachweis in Gewebeproben ist mit zusätzlichen Risiken bei der Probengewinnung verbunden und wird selten versucht. Deshalb muss die Diagnose in der Regel klinisch auf Verdacht hin gestellt werden, unterstützt von den Ergebnissen bildgebender Verfahren. Für die Behandlung von Patienten mit Aspergillose-Verdacht gibt es umfangreiche, detaillierte Empfehlungen, die dem Kliniker die Entscheidungsfindung für das weitere Vorgehen im individuellen Fall erleichtern (siehe Kapitel E.6 „Antimykotika bei nosokomialen Pilzinfektionen“) [18]. Risikofaktoren für invasive Aspergillosen Aspergillen sind typische opportunistische Erreger (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“). Invasive Aspergillosen treten vorwiegend bei abwehrgeschwächten Patienten auf und sind immer lebensbedrohlich (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“). Aspergillus-Infektionen sind eine der häufigsten Ursachen für Pneumonien bei Patienten nach Knochenmarktransplantation [13, 114 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 20]. Die individuelle Abwehrlage hat den größten Einfluss auf das Aspergillose-Risiko, wobei Granulozytopenie der wichtigste Risikofaktor ist; gefährdet sind jedoch alle Patienten, die immunsuppressiv behandelt werden oder infolge ihrer Erkrankung immunsupprimiert sind, also auch Patienten nach Organtransplantation und unter Dauer-Steroidtherapie sowie AIDS-Patienten [2, 3, 10, 13, 20, 22]. Abhängig vom Ausmaß der Exposition kann es aber auch bei weniger ausgeprägter Immunsuppression zu einer Aspergillose kommen [6, 10, 13, 14]. Es können darüber hinaus auch bei anderen schwerkranken Patienten, die meist nicht bei den Risikogruppen genannt werden, z.B. bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose oder Diabetes mellitus, invasive Aspergillosen beobachtet werden. Nosokomiale Aspergillosen können ihre Ursache aber auch in einer endogenen Besiedlung haben, die schon bei Krankenhausaufnahme vorhanden war, z.B. im Bereich der Nasennebenhöhlen [15]. Eine Besiedlung kann ferner durch Kontakt mit natürlicherweise kontaminierten Nahrungsmitteln, wie z.B. Früchten und Gewürzen, entstehen. Übertragung Luftkeimzahl und Bautätigkeit Exogene und endogene Erregerreservoire Im Zusammenhang mit Bautätigkeit wurden häufig höhere Luftkeimzahlen und eine erhöhte Inzidenz von Aspergillosen beschrieben (siehe oben). Es gibt aber auch Untersuchungen, die zeigen, dass Baumaßnahmen mit Mauerabbruch nicht unbedingt zu einer erhöhten Zahl von AspergillusSporen in der Luft führen müssen [4, 12]. Es gibt keine sichere Assoziation zwischen dem Sporengehalt der Luft und der Inzidenz von Aspergillosen, denn auch bei niedriger Anzahl von Pilzsporen in der Luft kommen Infektionen vor [4, 10]. Bei Ausbrüchen nosokomialer Aspergillus-Infektionen ist eine exogene Quelle wahrscheinlich. Ausbrüche wurden meist im Zusammenhang mit Bautätigkeit (Abriss alter Bauteile, Erdaushubarbeiten, Arbeiten im Bereich abgehängter Decken und im Umgang mit Isolierungs- und Feuerschutzmaterial) in der Nähe der erkrankten Patienten beschrieben [1, 2, 7, 9, 10, 13, 14, 20–23]. Wie bei bakteriellen Erregern werden die modernen molekularbiologischen Typisierungsmethoden auch bei Aspergillus-Ausbrüchen eingesetzt, um die epidemiologischen Hinweise auf einen exogenen Zusammenhang zu überprüfen (siehe Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“) [1, 8, 11, 19]. Luftkeimzahl In Gebäuden mit natürlicher Belüftung ist die Zahl von Aspergillus-Sporen ebenso hoch wie in der Außenluft [10, 13]. Mit dreistufigen RLT-Anlagen (d.h. Anlagen mit endständigem Schwebstofffilter) kann der Sporengehalt wesentlich reduziert werden (siehe unten und Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“). Luftkeimzahl und Kolonisierung von Patienten ■ A. flavus und A. fumigatus werden wesentlich seltener in der Luft gefunden als A. niger, sie werden aber vorwiegend von Schleimhäuten isoliert, A. niger dagegen nur selten [17]. ■ Nicht die relative Häufigkeit einzelner Aspergillus spp. in der Luft oder deren absolute Luftkeimzahl scheint deshalb entscheidend zu sein, sondern vielmehr die spezielle Fähigkeit einzelner Spezies zur Adhäsion an Epithelien und damit zur Besiedlung von Schleimhäuten [17]. Aspergillose 115 Luftkeimzahlmessungen zur Bestimmung der Aspergillus-Sporenzahl sind nicht unproblematisch und müssen differenziert interpretiert werden, um daraus für die Praxis die geeigneten Konsequenzen zu ziehen [12]. Folgende Hinweise müssen beachtet werden: nosokomiale Aspergillosen ist die Untersuchung von z.B. Staub, Lüftungsgittern, Lüftungsschächten, Deckenhohlräumen, Küchenbereichen, Vogelkot in der Nähe von Fenstern sinnvoll, um die Quelle der Kontamination zu finden. ■ Die Sporenzahl in der Luft zeigt Tagesschwankungen bedingt durch Veränderungen von Temperatur, Feuchtigkeit, Luftbewegung und Lichteinfluss. Es müssen deshalb immer mehrere Messungen durchgeführt werden, da einzelne Messungen nicht aussagefähig sein können. ■ Empfehlungen für definitive Keimzahlgrenzen von Pilzsporen, die nicht überschritten werden sollen, gibt es nicht, aber die folgenden Zahlen können zugrunde gelegt werden: – 103–105 KBE/m2 in der Außenluft, davon 0,2–3,5 Aspergillus-Sporen/m2 (jahreszeitliche Schwankungen müssen berücksichtigt werden) – RLT-Anlagen mit Schwebstofffilter (95% Filtereffektivität und >10 Luftwechsel pro Stunde) AspergillusSporenzahl < 0,1 KBE/m2 ■ Untersuchungen über die Ursache von Aspergillus-Kontaminationen sind in folgenden Situationen erforderlich: – Keimzahlen innerhalb des Gebäudes höher als außerhalb – Innerhalb vorkommende Spezies außerhalb nicht gefunden – Häufigste Spezies innerhalb eine andere als außerhalb – In einem Bereich des Krankenhauses Monokultur einer Spezies, die in anderen Bereichen nicht nachweisbar ist – Innerhalb dauerhaft hohe Keimzahlen Prävention Bei dauerhaft hohen Keimzahlen innerhalb des Gebäudes oder bei Verdacht auf Luftfilterung KMT-Patienten: In der Phase der schweren Granulozytopenie stellt eine dreistufige Luftfilterung eine wichtige Maßnahme zum Schutz vor einer Aspergillose dar [2, 10, 13, 14, 20, 23]. Währenddessen sollen die Patienten möglichst in dieser geschützten Umgebung bleiben. Wenn sie aber z.B. zu wichtigen diagnostischen Maßnahmen das Zimmer verlassen müssen, ist es zum Schutz vor der Inhalation von AspergillusSporen erforderlich, dass sie eine Atemschutzmaske anlegen (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Aspergillosen lassen sich aber auch mit der technisch aufwändigen Maßnahme einer dreistufigen Luftfilterung nicht immer verhüten. Ihr Auftreten ist eher ein Anzeichen für die Schwere der Erkrankung als ein Hinweis auf mangelnde Infektionskontrollmaßnahmen. Auch bei gut gewarteten dreistufigen RLT-Anlagen ist die Luft im Patientenzimmer nicht immer sporenfrei, z.B. weil die Zimmertüren immer wieder geöffnet werden müssen (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen). Patienten mit Langzeit-Immunsuppression: Nach Organtransplantation ist eine lebenslange Immunsuppression erforderlich, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Auch diese Patienten sind prinzipiell gefährdet, eine Aspergillose zu entwickeln [3, 13, 20, 22]. Das Risiko ist aber im Vergleich zu KMT-Patienten eher gering, steigt jedoch, wenn aufgrund von Absto- 116 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ßungsreaktionen die Dosis der immunsuppressiven Therapie erhöht werden muss. Andere potenziell gefährdete Patienten: Unklar ist, welche anderen Patienten unter vorübergehender oder dauerhafter Immunsuppression, z.B. Intensivpatienten oder Patienten unter Langzeit-Steroidtherapie, ebenfalls durch Unterbringung in dreistufig gefilterten Räumen vor invasiven Aspergillosen geschützt werden können [6]. Da man aber sowieso nicht alle potenziell gefährdeten Patienten in solchen Räumen unterbringen kann, muss man sich auf die bekanntermaßen hoch gefährdeten Patientengruppen beschränken. Es gibt jedoch für keine dieser Patientengruppen Angaben darüber, wann sie die geschützte Umgebung wieder verlassen können. Insbesondere gilt dies für organtransplantierte Patienten, bei deren immunsuppressiver Behandlung es nicht zur Granulozytopenie kommt. In der Praxis kann deshalb beobachtet werden, dass Patienten nach Organtransplantation z.T. nur wenige Tage in einem solchen Zimmer gepflegt werden, weil sie verlegt werden, sobald ein frischtransplantierter Patient kommt. Allgemeine Präventionsmaßnahmen Folgende Maßnahmen dienen dem Schutz von Patienten in Hochrisiko-Bereichen (hämatologisch-onkologische Stationen, Transplantationsstationen) vor Kontakt mit Aspergillus-Sporen über das in der Luft normalerweise vorhandene BioAerosol hinaus [13, 20]: ■ Verzicht auf sämtliche Maßnahmen in der täglichen Routine, die mit Staubentwicklung einhergehen (z.B. Staubsaugen, Fegen) ■ Keine Topfpflanzen (einschließlich Hydrokulturen) auf den Stationen (al- so auch nicht in Flurbereichen als Verschönerung von Sitzecken oder in Aufenthaltsräumen für die Patienten) und Trockenblumensträuße, aber auch kein Weihnachtsschmuck mit Tannenzweigen ■ Keine frischen nicht schälbaren Früchte und keine unbehandelten Gewürze Baumaßnahmen Im Zusammenhang mit Baumaßnahmen kommt es immer zu erheblicher Verschmutzung der angrenzenden Bereiche, wenn nicht entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, die Baustelle von den Patientenbereichen effektiv abzugrenzen [13]. Folgende Hinweise sollen dabei beachtet werden: Kleine Baumaßnahmen ■ Staubschutzplanen ■ Ggf. sofortiges Absaugen von Baustaub beim Bohren ■ Häufige feuchte Reinigung ■ Ggf. Terminabsprache mit der Station lange genug vor Beginn der Baumaßnahme, um zu verhindern, dass gleichzeitig Patienten unter HochdosisChemotherapie stationär sind Große Baumaßnahmen ■ Fest installierte Staubschutzwände ■ Ggf. Abdichtung der Fenster bei Außenarbeiten (z.B. umfangreicher Erdaushub) ■ Zugang zur Baustelle von außen über Gerüst und Außenaufzug ■ Alternativ getrennte Wegeführung (Treppen, Aufzüge) für Personal bzw. Patienten und Bauarbeiter ■ Häufige feuchte Reinigung der angrenzenden Klinikbereiche ■ Nach Möglichkeit Auslagerung von Stationen mit Hochrisiko-Patienten Aspergillose in einen anderen Klinikbereich für die Dauer der Baumaßnahme Trotz Absprachen bei der Bauplanung und schriftlicher Hinweise für das Baupersonal kommt es immer wieder vor, dass lang- oder kurzfristig geplante Baumaßnahmen zu einem nicht näher angekündigten Zeitpunkt begonnen werden, ohne dass zuvor der betroffene Klinikbereich oder der zuständige Krankenhaushygieniker benachrichtigt und ohne dass die vereinbarten Schutzmaßnahmen im ganzen Umfang beachtet werden. Dies führt regelmäßig zu Verunsicherung und Verärgerung beim medizinischen Personal und letztlich dann auch zu Verzögerungen der Bautätigkeiten, bis die Staubschutzmaßnahmen schließlich absprachegemäß nachträglich realisiert sind. Hinzu kommt, dass auch kleinere Umbaumaßnahmen (z.B. Ersatz vorhandener Türen am Zugang der Station durch Feuerschutztüren) mit beträchtlicher Schmutzund Staubentwicklung verbunden sein können. Auch bei diesen Maßnahmen müssen deshalb wirkungsvolle Vorkehrungen getroffen werden, um die Verschmutzung in Grenzen zu halten, und dies um so mehr, wenn es sich um Bereiche mit abwehrgeschwächten Patienten handelt. Aber auch weit entfernt von Abteilungen mit Risikopatienten sind Staubschutzmaßnahmen nicht nur aus ästhetischen Gründen wichtig; wenn nämlich Baumaßnahmen z.B. in der Röntgenabteilung durchgeführt werden, dann sind davon alle Patienten betroffen, die während dieser Zeit dorthin zu einer Untersuchung müssen, also auch der immunsupprimierte Patient, bei dem z.B. die Lage des neu gelegten ZVK kontrolliert werden muss (eine nahezu alltägliche Situation). Insofern muss bei allen Baumaßnahmen in Krankenhäusern das prinzipielle Risiko gefährdeter Patienten berücksichtigt werden. 117 Es ist deshalb wichtig, dass sich die Mitarbeiter in den betroffenenen Krankenhausbereichen möglichst rasch an den zuständigen Krankenhaushygieniker und die Bauleitung wenden. Nicht selten nämlich fällt den Hygienefachkräften erst bei zufälligen Stationsbesuchen auf, dass Bautätigkeiten mit unzureichender Abschirmung der Patientenbereiche im Gange sind. Um die Bedeutung von Baustellen auch kleineren Umfangs (z.B. Renovierungen einzelner Räume einer Station) für die Gesundheit gefährdeter Patienten zu unterstreichen, sollte sich der zuständige Krankenhaushygieniker in solchen Situationen selbst einschalten und sich vor Ort über die Gegebenheiten informieren, nicht aber nur eine Hygienefachkraft schicken, die nämlich gewöhnlich von dem verantwortlichen Baupersonal mit den mit Staubschutzmaßnahmen verbundenen Kosten konfrontiert wird und somit allein leicht auf verlorenem Posten steht. Literatur 1. Burwen DR, Lasker BA, Rao N, Durry E, Padhye AA, Jarvis WR. Invasive aspergillosis outbreak on a hematology-oncology ward. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 45– 48 2. Centers for Disease Control and Prevention. Guidelines for preventing opportunistic infections among hematopoietic stem cell transplant recipients. MMWR 2000; 49: 1–125 3. Fishman JA, Rubin RH. Infection in organtransplant recipients. N Engl J Med 1998; 338: 1741–1751 4. Goodley JM, Clayton YM, Hay RJ. Environmental sampling for aspergilli during building construction on a hospital site. J Hosp Infect 1994; 26: 27–35 5. Hoog GS de, Guarro J, Gené J, Figueras MJ. Atlas of clinical fungi. 2.Auflage, Centraalbureau voor Schimmelcultures/Universitat Rovira i Virgili, Utrecht-Reus, 2000 6. Hovenden JL, Nicklason F, Barnes RA. Invasive aspergillosis in non-immunocompromised patients. Br Med J 1992; 302: 583–584 118 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 7. Larocco MT, Burgert SJ. Infection in the bone marrow transplant recipient and role of the microbiology laboratory in clinical transplantation. Clin Microbiol Rev 1997; 10: 277– 297 8. Lass-Flörl C, Rath P-M, Niederwieser D, Kofler G, Würzner R, Krezy A, Dierich MP. Aspergillus terreus infections in haematological malignancies: molecular epidemiology suggests association with in-hospital plants. J Hosp Infect 2000; 46: 31–35 9. Loo VG, Bertrand C, Dixon C,Vity‚ d, Eng B, DeSalis B, McLean APH, Brox A, Robson HG. Control of construction-associated nosocomial asgergillosis in an antiquated hematology unit. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 360–364 10. Manuel RJ, Kibbler CC. The epidemiology and prevention of invasive aspergillosis. J Hosp Infect 1998; 39: 95–109 11. Mellado E, Diaz-Guerra TM, Cuenca-Estrella M, Buendia V, Aspa J, Prieto E, Villagrasa JR, Rodriguez-Tudela J-L. Characterization of a possible nosocomial aspergillosis outbreak. Clin Microbiol Infect 2000; 6: 543–548 12. Morris G, Kokki MH, Anderson K, Richardson MD. Sampling of Aspergillus spores in air. J Hosp Infect 2000; 44: 81–92 13. Pannuti CS. Hospital environment for highrisk patients. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 463–489 14. Rhame FS. Nosocomial aspergillosis: how much protection for which patients? Infect Control Hosp Epidemiol 1989; 10: 296–298 15. Ruess M, Greene JN, Vincent AL, Sandin RL. Invasive Aspergillus involving the ethmoidal sinuses in cancer patients: report of four cases and review of the literature. Infect Dis Clin Pract 1999; 8: 323–327 16. Salonen J, Lehtonen O-P,Teräsjärvi M-R, Nikoskelainen J. Aspergillus antigen in serum, urine and bronchoalveolar lavage specimens of neutropenic patients in relation clinical outcome. Scand J Infect Dis 2000; 32: 485– 490 17. Schmitt HJ, Blevins A, Sobeck K, Armstrong D. Aspergillus species from hospital air and from patients. mycoses 1991; 33: 539–541 18. Stevens DA, Kann VL, Judson MA, Morrison VA, Dummer S, Denning DW, Bennett JE, Walsh TJ, Patterson TF, Pankey GA. Practice guidelines for diseases caused by Aspergillus. Clin Infect Dis 2000; 30: 696–709 19. Symoens F, Bouchara J-P, Heinemann S, Nolard N. Molecular typing of Aspergillus terreus isolates by random amplification of polymorphic DNA. J Hosp Infect 2000; 44: 273– 280 20. Tablan OC, Anderson LJ, Arden NH, Breiman RF, Butler JC, McNeil MM and The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee. Guideline for prevention of nosocomial pneumonia. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 587–627 21. Wald A, Leisenring W, Burik J-A van, Bowden RA. Epidemiology of Aspergillus infections in a large cohort of patients undergoing bone marrow transplantation. J Infect Dis 1997; 175: 1459–1466 22. Walsh TJ, Dixon DM. Nosocomial aspergillosis: environmental microbiology, hospital epidemiology, diagnosis and treatment. Eur J Epidemiol 1989; 5: 131–142 23. Withington S, Chambers ST, Beard ME, Inder A, Allen JR, Ikram RB, Schousboe MI, Heaton DC, Spearing RI, Hart DNJ. Invasive aspergillosis in severely neutropenic patients over 18 years: impact of intranasal amphotericin B and HEPA filtration. J Hosp Infect 1998; 38: 11–18 Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen B 119 5. Spezielle Infektionen – Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen Über die Inzidenz nosokomialer gastrointestinaler Infektionen ist relativ wenig bekannt. Eine Vielzahl von Erregern kommt ursächlich in Betracht (z.B. Enteritis-Salmonellen, Shigellen, Campylobacter jejuni, Rotaviren); für nosokomiale Infektionen ist in den meisten Fällen Clostridium difficile verantwortlich [11, 13, 14, 21]. Rotaviren spielen fast nur bei sehr kleinen Kindern eine Rolle (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“). Exakte Inkubationszeiten können für gastrointestinale Infektionen nicht angegeben werden. Deshalb ist es in Einzelfällen manchmal schwierig zu entscheiden, ob die Infektion nosokomial oder bereits vor der stationären Aufnahme erworben wurde. Da bei mehreren Tagen hospitalisierten Patienten typische darmpathogene Keime, wie Salmonellen, nur sehr selten die Ursache von gastrointestinalen Infektionen sind, wurde verschiedentlich empfohlen, diese Erreger bei der Stuhldiagnostik aus Kostengründen nicht zu berücksichtigen [5, 15, 26, 49]. Stattdessen soll nach der sog. Drei-Tage-Regel bei Patienten, die länger als 72 Stunden stationär sind, nur nach C. difficile-Toxin (und bei Kindern nach Rotaviren) gesucht werden; liegt jedoch eine blutige Diarrhoe vor oder besteht Verdacht auf einen Ausbruch, sollen auch die typischen darmpathogenen Erreger in die Diagnostik eingeschlossen werden [15]. Die übliche bakteriologische Stuhldiagnostik soll nach einer anderen Empfehlung nur dann vorgenommen werden, wenn eines der folgenden drei Kriterien gegeben ist [5]: 1. Auftreten einer Diarrhoe innerhalb von 72 Stunden nach stationärer Aufnahme 2. Auftreten einer Diarrhoe mehr als 72 Stunden nach stationärer Aufnahme und – Alter über 65 Jahre bei Grundkrankheit mit dauerhaft veränderter Organfunktion oder – HIV-Infektion oder – Neutropenie <500 Neutrophile/mm3 oder – Verdacht auf Ausbruch 3. Verdacht auf Manifestation einer enteralen Infektion ohne Diarrhoe (z.B. Polyarthritis) Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass manche Patienten, die längere Zeit hospitalisiert sind, entweder von ihren Angehörigen mit Essen versorgt werden oder, wenn sie mobil sind, gelegentlich auch außerhalb des Krankenhauses zum Essen gehen. Bei Auftreten von Durchfällen sollte man die Patienten auch nach derartigen Gewohnheiten fragen, um zum einen eine sinnvolle Diagnostik nicht zu unterlassen und zum anderen beispielsweise einen evtl. positiven Salmonellen-Befund richtig einordnen zu können, nämlich definitionsgemäß zwar als nosokomial, aber eben doch nicht im strengen Sinne im Krankenhaus erworben. Angaben zum Vorgehen bei der Stuhldiagnostik finden sich in Kapitel D.2 „Abnahme und Transport von Material für mikrobiologische Untersuchungen“. 120 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Ausbrüche nosokomialer gastrointestinaler Infektionen gehen fast immer von kontaminierter Nahrung aus. Diese kann primär kontaminiert sein (z.B. Eier mit S. enteritidis) oder sekundär bei der Zubereitung kontaminiert werden (z.B. Küchenpersonal, das Salmonellen ausscheidet und nicht ausreichend auf die Händehygiene achtet). Die Mehrzahl der endemischen Fälle nosokomialer gastrointestinaler Infektionen wird auf fäkal-oralem Weg durch direkten oder indirekten Kontakt übertragen. Clostridium difficile Infektionen durch C. difficile nehmen unter den nosokomialen gastrointestinalen Infektionen den bedeutendsten Platz ein. Seit ca. 20 Jahren ist C. difficile als Ursache der pseudomembranösen Kolitis (PMK) in fast allen Fällen sowie der Antibiotika-assoziierten Diarrhoe (AAD) in ca. 20% der Fälle bekannt. Wegen seiner besonderen Bedeutung als nosokomialer Infektionserreger und seiner späten „Entdeckung“ soll der Erreger im Folgenden genauer beschrieben werden [3, 4]. Läsion der Darmschleimhaut Erstmals beschrieben wurde das Krankheitsbild der PMK lange vor der antibiotischen Ära (1893) bei einer jungen schwer kranken Frau mit einem Magentumor. Einige Wochen postoperativ traten schwere Durchfälle auf, und bei der Autopsie wurden „diphtherische Membranen“ beschrieben. In den 1950er Jahren war die PMK eine relativ häufige Komplikation. Bei Stuhluntersuchungen wurde oft S. aureus nachgewiesen, der lange Zeit für den Erreger gehalten wurde. Als 1959 Vancomycin auf den Markt kam, wurden die Patienten deshalb mit Vancomycin per os behandelt, das auch wirksam war. 1974 wurde erstmals eine systematische endoskopische Untersuchung bei Patienten mit AAD und PMK durchgeführt. Man fand überraschenderweise eine PMK bei 10% der Patienten, die mit Clindamycin therapiert wurden. S. aureus war nicht nachweisbar. Bakteriologischer Nachweis und Toxinproduktion Der Erreger wurde 1935 das erste Mal beschrieben. Da er schwer anzüchtbar war, wurde er zunächst „Bacterium difficile“ genannt. Man fand das Bakterium auch im Stuhl von asymptomatischen Neugeborenen und interpretierte den Befund deshalb als Besiedlung. Erst 1974 wurde die weite Verbreitung von C. difficile in der Umwelt und im Darm von Tieren sowie die Toxinproduktion nachgewiesen. Eine Toxinproduktion wurde auch schon 1943 in Tierversuchen beobachtet, ohne dass man aber damals die Verbindung zwischen der Besiedlung im Darm und der verabreichten Antibiotikatherapie ziehen konnte. 1974 beobachtete man zytotoxische Veränderungen in Gewebekulturen, die mit Darminhalt von Meerschweinchen inokuliert worden waren, und hielt dies für einen Viruseffekt. 1977 wurde dann erstmals das zytopathische Toxin im Stuhl von Patienten mit PMK nachgewiesen. Erst Ende der 1970er Jahre erkannte man die Assoziation zwischen der Läsion der Darmschleimhaut (und damit der klinischen Symptomatik), dem Erreger und seinem Toxin: Toxin A Läsion der Darmschleim(= Enterotoxin): haut Toxin B (= Zytotoxin): Zytopathischer Effekt in der Gewebekultur Bei der C. difficile-Diagnostik werden heute Tests verwendet, mit denen Toxin A nachgewiesen wird. Ob damit ein kleiner Teil von Patienten mit C. difficile-Infektion Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen nicht erkannt wird, deren Stämme Toxin A-negativ, aber Toxin B-positiv sind, wird noch kontrovers beurteilt. Die Nachweishäufigkeit des Erregers in der Kultur (bzw. seiner Toxine) bei verschiedenen Personen bzw. Patienten im Krankenhaus wird folgendermaßen angegeben: 121 fige asymptomatische Besiedlung von Neugeborenen, bei denen im Gegensatz zu asymptomatisch besiedelten Erwachsenen etwa gleich häufig auch das Toxin nachweisbar ist. ■ Pseudomembranöse Kolitis: 95–100% (95–100%) Eine primäre symptomlose Kolonisation mit C. difficile (aber nicht die verbleibende Kolonisation nach Therapie einer C. difficile-Diarrhoe) scheint unabhängig davon, ob die Stämme Toxin bilden oder nicht, eher vor einer C. difficile-assoziierten Diarrhoe zu „schützen“, wobei der Mechanismus noch unklar ist [39]. Möglicherweise verhindern diese Stämme eine Besiedlung des Darmes mit virulenteren Stämmen. Kürzlich wurde darüber berichtet, dass die Produktion von Antikörpern gegen Toxin A als Immunantwort während einer primären Episode einer C. difficileInfektion vor einem Rezidiv schützt [24]. Pathophysiologie Risikofaktoren Die Voraussetzung für das Auftreten einer AAD oder PMK ist eine Antibiotika-Exposition und das Vorhandensein von C. difficile im Darm. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung und dem Nachweis von C. difficile. Bei unkomplizierter AAD ist meist weder C. difficile noch sein Toxin nachweisbar, und man spricht dann auch von „Dysbiose“ der Darmflora; die Antibiotika-Exposition führt zu einer Störung des ökologischen Gleichgewichts der Darmflora (auch Zytostatika können diese Wirkung haben). Hauptrisikofaktor ist die Antibiotika-Exposition; dabei ist neben der Anwendung von Clindamycin und Ampicillin die häufige Anwendung von Cephalosporinen der dritten Generation offenbar von großer Bedeutung [3, 4, 7, 11–14, 17, 20, 21, 36].Außerdem spielen folgende Faktoren eine Rolle: Malignom, Chemotherapie, Bestrahlung, Immunsuppression, HIV-Infektion, höheres Lebensalter, längerer oder wiederholter Krankenhausaufenthalt, abdominale Operationen, Darmmotilitätshemmer [3, 4, 7, 11, 13, 14, 21, 23]. ■ Gesunde Erwachsene: 2–3% (0%) ■ Gesunde Neugeborene: 5–70% (5–63%) ■ Diarrhoe ohne AntibiotikaExposition: 2–3% (0,5%) ■ Antibiotika-assoziierte Diarrhoe: 15–25% (10–25%) Wenn C. difficile im Darm vorhanden ist, kann der Erreger sich unter diesen veränderten Bedingungen vermehren und mit der Produktion von Toxin A beginnen. Die Toxinproduktion findet jedoch nicht immer statt. Dass die Empfindlichkeit der Schleimhaut gegenüber dem Toxin altersabhängig unterschiedlich ist, zeigt die häu- Symptome Man kann typische Symptome und schwere Komplikationen unterscheiden [3, 4, 11, 13, 14, 21]. Typische Symptome sind krampfartige Bauchschmerzen, subfebrile Temperaturen, Leukozytose im Blutbild, Leukozyten im Stuhl und wässrige Durchfälle, und zu den schweren Komplikatio- 122 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen nen gehören die pseudomembranöse Kolitis, hohes Fieber (>40 °C), Hypalbuminämie mit Ödembildung, toxisches Megakolon sowie chronische Diarrhoe (Wochen bis Monate) nach Absetzen der ursächlichen Antibiotikatherapie. comycin einsetzt, dann muss die Substanz immer per os verabreicht werden, da Vancomycin bei parenteraler Gabe nicht ins Darmlumen gelangt [4]. Therapie ■ Mittel der Wahl: – Metronidazol 4 × 250 oder 3 × 400 mg oral ■ Alternative: – Vancomycin in einer Dosis von 4 × 125 mg oral ■ Therapiedauer: – 10 Tage Heute wird nahezu jeder auffällige Stuhl bei hospitalisierten Patienten auch auf C. difficile-Toxin untersucht. Nicht selten ist ein positiver Befund automatisch auch Anlass für eine spezifische Antibiotikatherapie. In der Literatur wird jedoch die Auffassung vertreten, dass mindestens zwei Drittel dieser Patienten keine Antibiotikatherapie benötigen, weil die Symptomatik mit Absetzen der auslösenden Antibiotikatherapie schnell verschwindet [3, 4, 11, 13–15, 21]. Für die Entscheidung zur Gabe von Antibiotika bei positivem Toxin-Nachweis wurden deshalb die folgenden Empfehlungen gegeben [3, 4, 15]: ■ Fortbestehen der Diarrhoe trotz Absetzen der induzierenden Antibiotikatherapie ■ Schwere Symptomatik, z.B. ansonsten nicht erklärbares Fieber, Leukozytose, floride Diarrhoe, Ileus, toxisches Megakolon oder Zeichen der Kolitis bei Endoskopie oder im CT ■ Notwendigkeit der Fortführung der auslösenden Antibiotikatherapie (z.B. Endokarditis, Osteomyelitis) Metronidazol wird heute international als Mittel der Wahl empfohlen [3, 4, 15]. Vancomycin dagegen soll wegen der seit Ende der 1980er Jahre beobachteten Entwicklung Vancomycin-resistenter Enterokokken (VRE) grundsätzlich restriktiv eingesetzt werden (siehe Kapitel B.10 „Maßnahmen bei VRE“). Wenn man aber Van- Für Dosis und Dauer der Therapie gelten folgende Empfehlungen [3, 4, 15]: Rezidive Rezidive sind oft nur schwer zu beherrschen, manche Patienten haben über lange Zeit immer wieder Rezidive [3, 4]. Allerdings weiß man inzwischen aufgrund molekularbiologischer Typisierung, dass eine große Anzahl von „Rezidiven“ eigentlich Neuinfektionen mit anderen Stämmen von C. difficile sind [36, 47, 50]. Ziel der Therapie beim Rezidiv ist die Wiederherstellung eines normalen Gleichgewichts der Darmflora. Man beginnt zunächst wieder mit Metronidazol (Dosis und Dauer wie bei primärer Infektion, siehe oben). Anschließend wird empfohlen, für mindestens drei Wochen (einzeln oder kombiniert) Colestyramin oder eine Biotherapie mit Saccharomyces boulardii bzw. Laktobazillen zu verabreichen, um wieder eine physiologische Darmflora aufzubauen; dieser Therapieansatz wird jedoch nach wie vor kontrovers beurteilt [3, 4, 40]. Zu beachten ist, dass nur behandelte Patienten Rezidive entwickeln, nicht jedoch Patienten, bei denen man nur die auslösende Antibiotikatherapie abgesetzt hat [3, 4]. Deshalb soll nach Möglichkeit keine spezifische Therapie bei AAD und C. difficile- Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen Nachweis durchgeführt, sondern nur die induzierende Antibiotikatherapie abgesetzt werden, sofern dies mit der klinischen Situation vereinbar ist (siehe oben). Prävention von C. difficile-Infektionen durch rationalen Umgang mit Antibiotika Ein vernünftiger Umgang mit Antibiotika bei Therapie und perioperativer Prophylaxe ist neben der Beachtung einfacher Infektionskontrollmaßnahmen die wichtigste Voraussetzung, um das Auftreten von C. difficile-Infektionen zu verhüten (siehe Kapitel E. „Antibiotika und Antimykotika bei Therapie und Prophylaxe“). Grundsätzlich kann jedes Antibiotikum zur Selektion von C. difficile führen. Besonders häufig ist dies aber bei den folgenden drei Antibiotika(gruppen), den sog. „großen Drei“ [3, 4, 11, 13, 14, 21]: Clindamycin, Cephalosporine und Ampicillin. Viel seltener dagegen kommt es bei Einsatz von Chinolonen, Cotrimoxazol und Tetracyclinen zu AAD oder PMK. Selbstverständlich müssen Antibiotika bei gesicherten oder vermuteten bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Häufig wird aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Antibiotikatherapie im individuellen Fall so „schmal“ wie möglich sein und so kurz wie möglich verabreicht werden soll. Insbesondere bei Risikopatienten, z.B. Malignompatienten, müssen diese beiden Prinzipien der Antibiotikatherapie beachtet werden. Aber auch nicht durch schwere Erkrankungen beeinträchtigte Patienten können von einer C. difficile-Infektion betroffen sein, wenn sie lange mit Antibiotika behandelt werden. Eine Antibiotikatherapie muss hinsichtlich Substanzwahl und Dauer immer rational nachvollziehbar sein. Nicht selten kann man bei Patienten mit C. difficile-Infektionen sehen, dass eine unsyste- 123 matische und viel zu lange Antibiotikatherapie vorausging. C. difficile-Infektionen sind keineswegs immer zu verhüten, aber die auslösende Antibiotikatherapie (oder ggf. perioperative Prophylaxe) muss vertretbar sein. Dabei muss beachtet werden, dass Antibiotika, wie Imipenem oder Clindamycin, prinzipell eine sehr gute Wirksamkeit gegen Anaerobier haben, jedoch nicht gegen C. difficile wirksam sind, sodass die Gabe von z.B. Imipenem nicht vor einer C. difficile-Infektion schützen kann (und die Gabe von Clindamycin bekannterweise sogar zur Selektion von C. difficile führt). Auch eine perioperative Antibiotikaprophylaxe kann zur Selektion von C. difficile führen. Dies ist ein weiterer Grund dafür, eine Ein-Dosis-Prophylaxe mit einem Basis-Antibiotikum (= schmales Wirkungsspektrum unter Einschluss von Staphylokokken, z.B. ältere Cephalosporine) zu bevorzugen und keine Breitspektrum-Antibiotika zu verwenden, weil sie ohnehin wegen unzulänglicher Wirksamkeit gegen S. aureus nicht für diese Indikation geeignet sind (siehe Kapitel E.5 „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“). Enteritis-Salmonellen Salmonellen gehören außerhalb des Krankenhauses zu den häufigen Erregern einer – meist lebensmittelbedingten – Gastroenteritis [2, 43]. Nosokomiale Infektionen durch Salmonellen sind dagegen sehr selten [26]. Gegentlich wird aber über gehäufte Infektionen berichtet, wie kürzlich über einen Ausbruch mit einer Chinolon-resistenten Salmonella enterica, Serovar Schwarzengrund [31]. Es gibt eine Fülle verschiedener Enteritis-Salmonellen (= Serovare); am häufigsten ist in Deutschland mit 45% aller Salmonellen-Isolate S. enteritidis [43]. Im Gegensatz zu den Ente- 124 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ritis-Salmonellen ist S. typhi heute in Deutschland nicht mehr endemisch. Normalerweise sind relativ hohe Keimzahlen (bis 106 KBE) für eine Infektion erforderlich, bei Patienten mit eingeschränkter Immunfunktion (z.B. Früh-/Neugeborene, alte Patienten, immunsupprimierte Patienten) können aber auch wesentlich geringere Keimzahlen ausreichend sein (≥102 KBE) [43]. Das Übertragungsrisiko für gesunde Kontaktpersonen (medizinisches Personal, Besucher) und für immunkompetente Mitpatienten ist bei normaler persönlicher Hygiene sehr gering [41]. auch Rohmilch kann kontaminiert sein [42, 43]. Nur sehr selten ist Campylobacter spp. die Ursache nosokomialer Infektionen, obwohl die erforderliche Infektionsdosis mit ca. 500 KBE niedrig ist [43]. Escherichia coli Außerhalb des Krankenhauses ist E. coli als häufiger Erreger der Reisediarrhoe bekannt. Man unterscheidet verschiedene darmpathogene E. coli, z.B. [16, 23, 43]: ETEC Shigellen Shigellen kommen in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr endemisch vor, sondern werden vorwiegend von Auslandsaufenthalten mitgebracht [43]. Im Vergleich zu Salmonellen sind auch bei immunkompetenten Personen wesentlich geringere Keimzahlen für eine Infektion ausreichend (10 KBE) [11, 13, 14, 43]. Trotzdem sind nosokomiale Übertragungen selten. Für die Übertragung steht wegen der geringen erforderlichen Infektionsdosis der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch im Vordergrund, weshalb bei der Versorgung von hospitalisierten Patienten mit Shigellen-Infektion die Händehygiene absolut vorrangig ist. Milchprodukte, insbesondere Käse, spielen aber bei den Lebensmitteln eine wichtige Rolle [43]. Campylobacter jejuni/coli C. jejuni/coli ist weltweit verbreitet und eine der häufigsten Ursachen außerhalb des Krankenhauses erworbener Diarrhoen sowie von Reisediarrhoe [11, 13, 14, 43]. Bei Tieren ist Campylobacter spp. weit verbreitet, auch bei Haustieren, die asymptomatisch besiedelt sind. Besonders betroffen sind Schweinefleisch und Geflügel, aber EPEC EIEC EAEC Enterotoxische E. coli, die hitzelabile und hitzestabile Enterotoxine produzieren, Ursache der sog. Reisediarrhoe Enteropathogene E. coli, die früher besonders in der Neonatologie von Bedeutung waren, heute aber epidemiologisch unbedeutend sind Entroinvasive E. coli, die das klinische Bild der Dysenterie hervorrufen, ebenfalls Ursache der Reisediarrhoe Enteroaggregative E. coli, insbesondere bei HIV-Infektion Ursache chronischer Diarrhoen, außerdem ebenfalls Ursache von Reisediarrhoe Enterohämorrhagische E. coli (EHEC>) Eine besondere Rolle spielt EHEC (= enterohämorrhagische E. coli, auch VTEC = Vero-Toxin produzierender E. coli) [10, 11, 13, 14, 28, 29, 32, 43, 45], vor allem Serotyp O157:H7, aber auch andere Serotypen, wie O111, O103 und O26, kommen zunehmend häufiger vor. Klinisch manifestiert sich die Infektion als hämorrhagische Kolitis, wobei manchmal sogar nur rektale Blutungen vorhanden sein können, wodurch der klinische Verdacht nicht auf das Vorliegen einer Darm- Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen infektion gelenkt wird [18, 44]. Dies ist bei EHEC deshalb von besonderer epidemiologischer Bedeutung, weil ebenfalls sehr geringe Keimzahlen (10 KBE) ausreichend sind, um eine Infektion auszulösen [11, 13, 14, 43]. Sog. Vero-Toxine (benannt nach der Vero-Zellkultur) oder Shiga-Toxine sind die Ursache der Krankheitssymptome. Die besondere medizinische Bedeutung von EHEC liegt in der Assoziation mit dem postinfektiös auftretenden hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS), das möglicherweise die häufigste Ursache von akutem Nierenversagen im Kindesalter darstellt (und auch nach Shigellen-Infektion auftreten kann) [11, 13, 14, 18, 28, 29, 32, 43]. Eine Antibiotikatherapie bei EHECInfektion gilt heute als wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines HUS, weshalb Antibiotika, ganz gleich welche Substanz, nicht verabreicht werden sollen [48, 51]. Möglicherweise wird durch den Einfluss der Antibiotika die Produktion oder die Freisetzung von Shiga-Toxin aus den EHEC-Zellen gefördert [51]. Das HUS kann aber auch bei Patienten auftreten, die nicht antibiotisch behandelt wurden. Deshalb muss die Prävention von EHEC-Infektionen im Vordergrund stehen, und das bedeutet, dass insbesondere Kleinkinder keine potenziell kontaminierten Nahrungsmittel (siehe unten) zu sich nehmen dürfen. Außerhalb des Krankenhauses ist EHEC als Ursache von schweren Ausbrüchen durch kontaminierte Nahrungsmittel (vor allem Rindfleisch und Milchprodukte, aber auch unpasteurisierte Fruchtsäfte) mit HUS-bedingten Todesfällen bekannt [11, 13, 14, 18, 43]. Nosokomiale Infektionen sind im Rahmen von Ausbrüchen vorwiegend aus psychiatrischen Kliniken und Altenpflegeheimen berichtet worden; 125 auch Übertragungen auf medizinisches Personal wurden beschrieben [10, 45]. Weitere Erreger Andere Bakterien Selten einmal kann Pseudomonas aeruginosa die Ursache einer nosokomialen Diarrhoe sein; dies wird jedoch praktisch nur bei abwehrgeschwächten Patienten beobachtet [1]. Gelegentlich wird auch über enterotoxinproduzierende Stämme von Klebsiella pneumoniae berichtet [11, 13, 14]. Manchmal wird Clostridium perfringens als Erreger von Darminfektionen ohne Bezug zu Nahrungsmitteln genannt; die Bildung von Enterotoxin wird bei diesen Stämmen für die klinische Symptomatik verantwortlich gemacht, die stärker ausgeprägt ist als bei nahrungsmittelbedingten Infektionen mit C. perfringens [8, 11]. Über die Bedeutung aller dieser Erreger als Ursache für die klinischen Symptome der Gastroenteritis herrscht jedoch relative Unklarheit. Cryptosporidium parvum Cryptosporidium parvum gehört zu den Protozoen und ist bei HIV-infizierten Personen ein häufiger Erreger von Darminfektionen; der besondere Immundefekt prädestiniert diese Personen zu schweren chronischen Infektionen mit Cryptosporidien [23]. Nicht selten aber wird C. parvum auch bei alten Menschen und gelegentlich bei immunkompetenten jüngeren Personen nachgewiesen, bei denen sie jedoch meist unproblematische, selbstlimitierte Infektionen hervorrufen [11, 30]. Bis Mitte der 1970er Jahre waren Cryptosporidien nur als Erreger bei Tieren bekannt. Um Übertragungen bei der Patientenversorgung zu verhindern, ist die Beachtung der üblichen Standard-Hygienemaßnahmen wichtig. 126 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Viren Zu den Viren, die mit Gastroenteritis assoziiert sind, gehören vor allem Rota-, Astro-, Adeno- und Caliciviren sowie die Gruppe der „small round structured viruses“, Norwalk- und Norwalk-ähnliche Viren [11, 13, 14, 19]. Weltweit haben alle diese Viren als Erreger von Durchfallerkrankungen große Bedeutung. Im Krankenhaus sind vor allem Rotaviren bekannt, die bei Säuglingen und Kleinkindern wiederholt im Zusammenhang mit Ausbrüchen beschrieben wurden (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“). Norwalk-Viren wurden erst Anfang der 1980er Jahre beschrieben [19]. Infektionen mit diesen Viren sind häufig mit einer Kontamination von Wasser und Nahrungsmitteln assoziiert [38]. Die Infektionsdosis ist sehr gering; 10–100 Viruspartikel sind ausreichend, um eine Infektion zu verursachen [19]. Sie verursachen heftige gastrointestinale Infektionen mit unkontrollierbarem profusem Erbrechen und schweren Durchfällen. Wegen der nicht selten ohne Prodromi einsetzenden klinischen Symptomatik kann es zu einer erheblichen Umgebungskontamination kommen, die wiederum – neben der geringen Infektionsdosis – für die zahlreichen Übertragungen verantwortlich gemacht wird. Kürzlich wurde über Sekundärinfektionen im Rahmen eines Football-Spiels berichtet, die auf den direkten Kontakt zwischen infizierten (und kontaminierten) sowie nicht infizierten Spielern zurückgeführt werden konnten [6]. Ausbrüche außerhalb des Krankenhauses wurden wiederholt von Kreuzfahrtschiffen, aber auch von Restaurants berichtet [25]; nosokomiale Ausbrüche sind ebenfalls beschrieben [33, 37].Wegen der hohen Übertragungfrequenz wird schon seit längerem die Frage diskutiert, ob neben der Kontaktübertragung auch eine aerogene Übertragung von Bedeutung ist [25, 37]. Endgültig geklärt ist diese Frage aber trotz der häufigen Erwähnung dieses Übertragungsweges nicht (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Mycobacterium avium-Komplex Bei AIDS-Patienten ist Mycobacterium avium-Komplex ein häufiger Erreger von Infektionen und kann auch Ursache wässriger Diarrhoen mit ausgeprägter klinischer Symptomatik sein [23]. Hygienemaßnahmen Für die Prävention der Übertragung gastrointestinaler Infektionen ist die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen, in erster Linie der Händehygiene, entscheidend (siehe Kapitel B.1 „StandardHygiene“). Abhängig davon, ob ein Erreger bei immunkompetenten Patienten bereits in niedrigen Keimzahlen eine Infektion auslösen kann oder ob es dazu in der Regel hoher Keimzahlen bedarf, erscheint es erforderlich, den Patienten in einem Einzelzimmer mit eigener Nasszelle unterzubringen, bzw. möglich, dass er sich Zimmer und sanitäre Einrichtungen mit anderen Patienten teilt, Einsichtsfähigkeit und Kooperation von seiner Seite vorausgesetzt (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“). Insgesamt jedoch sind die patientennahen Hygienemaßnahmen unabhängig davon, ob die Infektionsdosis eher gering oder in der Regel höher ist, gleich. Vorwiegend hohe Infektionsdosis erforderlich ■ Enteritis-Salmonellen ■ Darmpathogene E. coli (außer EHEC) ■ Yersinia enterocolitica Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen Maßnahmen beim Personal ■ Händedesinfektion nach allen Tätigkeiten mit Kontaminationsrisiko ■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich (nach Ausziehen immer Händedesinfektion) ■ Schutzkittel, wenn Kontamination der Arbeitskleidung möglich Maßnahmen beim Patienten ■ Händehygiene ■ Eigene Toilette (nicht unbedingt erforderlich, sondern abhängig von der Stärke der Durchfallsymptomatik) ■ Wäsche nur bei Kontamination mit infektiösem Material zur sog. infektiösen Wäsche, sonst in normalen Wäschesack ■ Mit infektiösem Material kontaminierter Abfall sowie alle bei der Pflege des Analbereichs verwendeten Materialien zum sog. infektiösen Abfall ■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln) und Schlussdesinfektion als Wischdesinfektion Die Maßnahmen können aufgehoben werden, wenn z.B. drei Stuhlproben (Anzahl abhängig von Länderregelungen), entnommen im Abstand von 48 Stunden, negativ sind. Kontrolluntersuchungen sollen jedoch erst frühestens 72 Stunden nach Absetzen einer evtl. verabreichten Antibiotikatherapie durchgeführt werden. 127 prinzipiell wieder arbeiten, soll aber keine Nahrung (z.B. Sondenkost) zubereiten ■ Ausscheider sollen in folgenden Krankenhausbereichen nicht tätig sein (sondern stattdessen möglichst während der Dauer der Ausscheidung in anderen Bereichen eingesetzt werden): – Intensivstationen – Hämatologisch-onkologische Stationen – Transplantationsstationen – AIDS-Stationen – Früh- und Neugeborenenstationen Küchenpersonal darf während der Ausscheidung nicht mit der Zubereitung von Nahrungsmitteln beschäftigt werden. Geringe Infektionsdosis ausreichend ■ Shigellen, EHEC, Campylobacter spp., Vibrio cholerae und ■ Erreger systemischer Infektionen, die mit dem Stuhl ausgeschieden werden (S. typhi, S. paratyphi) Maßnahmen beim Personal ■ Händedesinfektion nach allen Tätigkeiten mit Kontaminationsrisiko ■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich (nach Ausziehen immer Händedesinfektion) ■ Schutzkittel, wenn Kontamination der Arbeitskleidung möglich Weitere Maßnahmen ■ Stuhluntersuchung bei allen Kontaktpersonen mit klinischer Symptomatik (Namensliste des Personals zum Betriebsarzt) ■ Personal, das nach einer Darminfektion noch den Erreger ausscheidet, aber keine Symptomatik mehr hat, kann Maßnahmen beim Patienten ■ Händehygiene ■ Einzelzimmer mit eigener Nasszelle ■ Geschirr wie üblich entsorgen (keine Desinfektion auf der Station) ■ Mit infektiösem Material kontaminierte Wäsche, Stecklaken sowie Handtü- 128 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen cher und Waschlappen nach Gebrauch im Analbereich zur sog. infektiösen Wäsche ■ Mit infektiösem Material kontaminierter Abfall sowie alle bei der Pflege des Analbereichs verwendeten Materialien zum sog. infektiösen Abfall ■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln) und Schlussdesinfektion z.B. mit aldehydischen Flächendesinfektionsmitteln als Wischdesinfektion Die Maßnahmen können aufgehoben werden, wenn z.B. fünf Stuhlproben (Anzahl abhängig von Länderregelungen), entnommen im Abstand von 48 Stunden, negativ sind. Kontrolluntersuchungen sollen jedoch erst frühestens 72 Stunden nach Absetzen einer evtl. verabreichten Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Weitere Maßnahmen ■ Stuhluntersuchung bei allen Kontaktpersonen unabhängig davon, ob klinische Symptomatik vorhanden oder nicht (Namensliste des Personals zum Betriebsarzt) ■ Personal, das nach einer Infektion noch den Erreger ausscheidet, aber keine Symptome mehr hat, soll keine Tätigkeiten mit Patientenkontakt ausüben bzw. darf nicht in der Küche arbeiten. Bei Personal mit z.B. reiner Bürotätigkeit wird die Entscheidung über eine Wiederzulassung zur Arbeit in jedem Einzelfall individuell nach Abstimmung zwischen Betriebsarzt und Krankenhaushygiene getroffen. ■ Untersuchungen nach Kontakt mit Typhus-Patienten: – Blutkulturen abnehmen, wenn 7–12 Tage nach Exposition (= Inkubationszeit) Fieber auftritt – Stuhluntersuchung von allen Kontaktpersonen (auch ohne Symptomatik) 4 1/2 Wochen nach Exposition (= Auftreten der Erreger im Stuhl) Maßnahmen zur Kontrolle von C. difficile-Infektionen Übertragungen von C. difficile im Rahmen von Ausbrüchen wurden vielfach beschrieben, und kürzlich wurde eine Untersuchung vorgelegt, in der gezeigt werden konnte, dass die räumliche Nähe zu einem Patienten mit AAD oder PMK einen unabhängigen Risikofaktor für eine Infektion mit C. difficile darstellt [9]. Inwieweit jedoch die Umgebungskontamination mit C. difficile-Sporen einen Einfluss hat auf das Risiko, eine C. difficile-Infektion zu erwerben, ist nicht endgültig geklärt. Bei Verwendung sporeninaktivierender Mittel zur Flächendesinfektion konnte bei einzelnen Patientengruppen ein protektiver Effekt beobachtet werden, bei anderen jedoch blieb die Rate von C. difficile-Infektionen unbeeinflusst [27]. Bei der Endoskop-Desinfektion sind die üblicherweise verwendeten Aldehyde auch geeignet, die Sporen von C. difficile abzutöten, da diese Sporen nicht in dem Maße desinfektionsmittelresistent sind wie die Sporen anderer Bakterien (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“) [34]. Maßnahmen beim Personal ■ Gründliches Händewaschen nach Patientenkontakt und vor Verlassen des Zimmers (Sporenreduktion durch Abschwemmeffekt) ■ Händedesinfektion bei allen infektionsgefährdenden Tätigkeiten nach den üblichen Regeln ■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen (nach Ausziehen immer Händedesinfektion) ■ Schutzkittel, wenn Kontamination der Arbeitskleidung möglich, auch bei üblichen Pflegetätigkeiten bei Patienten mit schwerer Symptomatik wegen der stärkeren Kontamination des direkten Patientenumfeldes 129 sind, der Umgang mit Antibiotika jedoch der entscheidendere Faktor ist [22, 35, 46]. Clindamycin und Cephalosporine der dritten Generation sind mit dem Anstieg von C. difficile-Infektionen assoziiert. Ein reduzierter Einsatz dieser Substanzen führte zu einer verminderten Inzidenz von C. difficile-Infektionen und -Kontaminationen in der Umgebung der Patienten. Maßnahmen beim Patienten ■ Händehygiene ■ Eigene Toilette (nicht unbedingt erforderlich, sondern abhängig von der Stärke der Durchfallsymptomatik) ■ Einzelzimmer für Patienten mit schwerer Symptomatik oder bei Inkontinenz ■ Patienten mit mäßiger Symptomatik können mit anderen Patienten ein Zimmer teilen, sollen während der Dauer der Symptomatik aber nicht mit folgenden Patienten zusammen liegen: – Stark abwehrgeschwächte Patienten – Patienten unter Antibiotikatherapie (inkl. Patienten nach perioperativer Antibiotikaprophylaxe) ■ Geschirr wie üblich entsorgen ■ Sämtliche Wäsche wie üblich entsorgen (Bettzeug vorsichtig abziehen und sofort in den Wäschesack abwerfen, um eine Ausbreitung der Sporen so gering wie möglich zu halten) ■ Sämtlichen Abfall zum „Hausmüll“ ■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln) und Schlussdesinfektion als Wischdesinfektion Die Maßnahmen können nach Beendigung der Symptomatik aufgehoben werden (keine Kontrolluntersuchungen durchführen, da asymptomatische Ausscheidung häufig und unterschiedlich lang). Aus den Berichten über die Kontrolle von C. difficile kann man den Schluss ziehen, dass Hygienemaßnahmen zwar wichtig Literatur 1. Adlard PA, Kiriv SM, Sanderson K, Cox GE. Pseudomonas aeruginosa as a cause of infectious diarrhoea. Epidemiol Infect 1998; 121: 237–241 2. Ammon A, Schmidt K, Bräunig J. Lebensmittelinfektionen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 751–757 3. Bartlett JG. The 10 most common questions about Clostridium difficile-associated diarrhea/infection. Infect Dis Clin Pract 1992; 1: 254–259 4. Bartlett JG. Antibiotic-associated diarrhea. Clin Infect Dis 1992; 15: 573–581 5. Bauer TM, Lalvani A, Fehrenbach J, Steffen I, Aponte JJ, Segovia R, Vila J, Philippczik G, Steinbruckner B, Frei R, Bowler I, Kist M. Derivation and validation of guidelines for stool cultures for enteropathogenic bacteria other than Clostridium difficile in hospitalized adults. JAMA 2001; 285: 313–319 6. Becker KM, Moe CL, Southwick KL, MacCormack JN. Transmission of Norwalk virus during a football game. N Engl J Med 2000; 343: 1223–1227 7. Bignardi GE. Risk factors for Clostridium difficile infection. J Hosp Infect 1998; 40: 1–15 8. Borriello SP. Clostridial disease of the gut. Clin Infect Dis 1995; 20, Suppl 2: S242–250 9. Chang VT, Nelson K. The role of physical proximity in nosocomial diarrhea. Clin Infect Dis 2000; 31: 717–722 10. Coia JE. Nosocomial and laboratory-acquired infection with Escherichia coli O157. J Hosp Infect 1998; 40: 107–113 11. Cookson ST, Hughes JM, Jarvis WR. Nosocomial gastrointestinal infections. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 925–975 130 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 12. Crabtree TD, Pelletier SJ, Gleason TG, Pruett TL, Sawyer RG. Clinical characteristics and antibiotic utilization in surgical patients with Clostridium difficile-associated diarrhea.Am J Surg 1999; 65: 507–511 13. DuPont HL, Ribner BS. Infectious gastroenteritis. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 537–550 14. Farr BM. Nosocomial gastrointestinal tract infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 247–274 15. Guerrant RL, Gilder TV, Steiner TS, Thielman NM, Slutsker L, Tauxe RV, Hennessy T, Griffin PM, DuPont H, Sack RB, Tarr P, Neill M, Nachamkin I, Reller LB, Osterholm MT, Bennish ML, Pickering LK. Practice guidelines for the management of infectious diarrhea. Clin Infect Dis 2001; 32: 331– 350 16. Glandt M, Adachi JA, Mathewson JJ, Jiang Z-D, DiCesare D, Ashley D, Ericsson CD, DuPont HL. Enteroaggregative Escherichia coli as a cause of traveler’s diarrhea: clinical response to ciprofloxacin. Clin Infect Dis 1999; 29: 335–338 17. Gorbach SL.Antibiotics and Clostridium difficile. N Engl J Med 1999; 341: 1690–1691 18. Hilborn ED, Mshar PA, Fiorentino TR, Dembek ZF, Barrett TJ, Howard RT, Cartter ML. An outbreak of Escherichia coli O157:H7 infections and haemolytic uraemic syndrome associated with consumption of unpasteurized apple cider. Epidemiol Infect 2000; 124: 31–36 19. Höhne M, Schreier E. Lebensmittelassoziierte Virusinfektionen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 770–776 20. Johnson S, Samore MH, Farrow KA, Killgore GE, Tenover FC, Lyras D, Rood JI, DeGirolami P, Baltch AL, RaffertyME, Pear SM, Gerding DN. Epidemics of diarrhea caused by a clindamycin-resistant strain of Clostridium difficile in four hospitals. N Engl J Med 1999; 341: 1645–1651 21. Johnson S, Gerding DN. Clostridium difficile. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2.Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 467–476 22. Jones EM, MacGowan AP. Back to basics in management of Clostridium difficile infections. Lancet 1998; 352: 505–506 23. Kartalija M, Sande MA. Diarrhea and AIDS in the era of highly active antiretroviral therapy. Clin Infect Dis 1999; 28: 701–707 24. Kyne L, Warny M, Qamar A, Kelly CP. Association between antibody response to toxin A and protection against recurrent Clostridium difficile diarrhoea. Lancet 2001; 357: 189–193 25. Marks PJ, Vipond IB, Carlisle D, Deakin D, Fey RE, Caul EO. Evidence for airborne transmission of Norwalk-like virus (NLV) in a hotel restaurant. Epidemiol Infect 2000; 124: 481–487 26. Matlow A, Streitenberger L. Nosocomial salmonellosis: implications for microbiologic processing of stools in hospitalized patients. Am J Infect Control 2001; 29: 65–66 27. Mayfield JL, Leet T, Miller J, Mundy LM. Environmental control to reduce transmission of Clostridium difficile. Clin Infect Dis 2000; 31: 995–1000 28. Mead PS, Griffin PM. Escherichia coli O157:H7. Lancet 1998; 352: 1207–1212 29. Nataro JP, Kaper JB. Diarrheagenic Escherichia coli. Clin Microbiol Rev 1998; 11: 142– 201 30. Neill MA, Rice SK, Ahmad NV, Flanigan TP. Cryptosporidiosis: an unrecognized cause of diarrhea in elderly hospitalized patients. Clin Infect Dis 1996; 22: 168–170 31. Olson SJ, DeBess EE, McGivern TE, Marano N, Eby T, Mauvais S, Balan VK, Zirnstein G, Cieslak PR, Angulo FJ. A nosocomial outbreak of fluoroquinolone-resistant Salmonella infection. N Engl J Med 2001; 344: 1572–1579 32. Paton JC, Paton AW. Pathogenesis and diagnosis of shiga toxin-producing Escherichia coli infections. Clin Microbiol Rev 1998; 11: 450–479 33. Russo PL, Spelman DW, Harrington GA, Jenny AWJ, Gunesekere IC,Wright PJ, Doultree JC, Marshall JA. Hospital outbreak of Norwalk-like virus. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 576–579 34. Rutala WA, Gergen MF, Weber DJ. Inactivation of Clostridium difficile spores by disinfectants. Infect Control Hosp Epidemiol 1993; 14: 36–39 35. Sanderson PJ, Richardson D. Do patients with Clostridium difficile need to be isolated? J Hosp Infect 1997; 36: 157–158 Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen 36. Sanderson PJ. What should we do about patients with Clostridium difficile? J Hosp Infect 1999; 43: 251–253 37. Sawyer, LA, Murphy JJ, Kaplan JE, Pinsky PF, Chacon D, Walmsley S, Schonberger LB, Phillips A, Forward K, Goldman C, Brunton J, Fralick RA, Carter AO, Gary WG Jr, Glass RI, Low DE. 25- to 30-nm virus particle associated with a hospital outbreak of acute gastroenteritis with evidence for airborne transmission. Am J Epidemiol 1988; 127: 1261– 1271 38. Schvoerer E, Bonnet F, Dubois V, Rogues AM, Gachie J-P, Lafon M-E, Fleury HJA. A hospital outbreak of gastroenteritis possibly related to the contamination of tap water by a small round structured virus. J Hosp Infect 1999; 43: 149–154 39. Shim JK, Johnson S, Samore MH, Bliss DZ, Gerding DN. Primary symptomless colonisation by Clostridium difficile and decreased risk of subsequent diarrhea. Lancet 1998; 351: 633–636 40. Surawicz CM, McFArland LV, Greenberg RN, Rublin M, Fekety R, Mulligan ME, Garcia RJ, Brandmarker S, Bowen K, Borjak D, Elmer GW. The search for a better treatment for recurrent Clostridium difficile disease: use of high-dose vancomycin combined with Saccharomyces boulardii. Clin Infect Dis 2000; 31: 1012–1017 41. Tauxe RV, Hassan LF, Findeisen KO, Sharrar RG, Blake PA. Salmonellosis in nurses: lack of transmission to patients. J Infect Dis 1988; 157: 370–373 42. Thurm V, Stark R, Mäde D, Fanghähnel S, Berger W, Knobloch H, Lange D. Rohmilch als Ursache lebensmittelbedingter Campylo- 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 131 bacter-Infectionen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 777–780 Tschäpe H. Lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten durch Bakterien. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 758–769 Weightman N, Barnham M. Escherichia coli O157 infection masquerading as “rectal bleeding”: a further problem for infection control. Clin Microbiol Infect 1998; 4: 667 Weightman NC, Kirby PJG. Nosocomial Escherichia coli O157 infection. J Hosp Infect 2000; 44: 107–111 Wilcox M, Settle C, Fawley W, Parnell P, Porter C, Keer V, Hawkey P. Isolation of patients with Clostridium difficile infection. J Hosp Infect 1997; 37: 331–333 Wilcox MH, Fawley WN, Settle CD, Davidson A. Recurrence of symptoms in Clostridium difficile infection – relapse or reinfection? J Hosp Infect 1998; 38: 93–100 Wong CS, Jelacic S, Habeeb RL, Watkins SL, Tarr PI. The risk of hemolytic-uremic syndrome after antibiotic treatment of Escherichia coli O157:H7 infections. N Engl J Med 2000; 342: 1930–1936 Wood M. When stool cultures from adult inpatients are appropriate? Lancet 2001; 357: 901–902 Wullt M, Laurell MH. Low prevalence of nosocomial Clostridium difficile transmission, as determined by comparison of arbitrarily primed PCR and epidemiological data. J Hosp Infect 1999; 43: 265–273 Zimmerhackl LB. E. coli, antibiotics, and the hemolytic-uremic syndrome. N Engl J Med 2000; 342: 1990–1991 132 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 5. Spezielle Infektionen – Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Epidemiologie Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) gehört zu den übertragbaren spongiformen Enzephalopathien (TSE) [4, 8, 10–14, 18, 24]. Als spongiform werden sie wegen des schwammartigen Erscheinungsbildes der histologischen Schnitte des Gehirns bezeichnet. Es handelt sich um neurodegenerative Erkrankungen, die auch bei einigen Tieren (z.B. BSE bei Rindern, Scrapie bei Schafen) bekannt sind. CJK tritt weltweit mit einer Inzidenz von 0,5– 1,5 Fällen pro eine Million Einwohner pro Jahr auf. Neben den sog. sporadischen (ca. 90%) gibt es familiäre Formen von CJK (ca. 10%). Für eine Übertragung von Mensch zu Mensch gibt es keine Hinweise. Die Erkrankung verläuft immer tödlich. Nach dem BSE-Ausbruch in Großbritannien, der Ende der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre seinen Höhepunkt hatte, wurde die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Epidemiologie der TSE allgemein und insbesondere der CJK gelenkt und dabei speziell auf die Frage, ob BSE vom Rind auf den Menschen übertragbar sei. Inzwischen wird aufgrund epidemiologischer, tierexperimenteller und molekularbiologischer Daten angenommen, dass die seit Mitte der 1990er Jahre beobachteten Fälle einer neuen Variante der CJK (vCJK) ihren Ursprung in der Rinderkrankheit BSE haben [4, 8, 10–13, 18, 24]. In Deutschland existiert seit 1994 ein nationales Surveillance-System für CJK. Die Inzidenz ist seither unverändert pro Jahr 1–1,5 Fälle pro eine Million Einwohner; Fälle von vCJK sind hierzulande noch nicht aufgetreten [18, 22]. Neben den sporadischen und familiären CJK-Formen sind iatrogene Fälle bekannt, die auf die Behandlung mit humanem Wachstumshormon oder Gonadotropin, auf die Transplantation von humaner Dura Mater oder Cornea sowie auf operative Eingriffe am ZNS mit nicht ausreichend aufbereiteten neurochirurgischen Instrumenten zurückgeführt werden konnten [4, 5, 8, 10, 11, 13, 14, 24]. Da Hormone seither gentechnologisch hergestellt werden und Dura Mater mit 1N Natriumhydroxid (NaOH) vorbehandelt wird, existiert dieses Risiko heute nicht mehr. Während bei den chirurgischen Instrumenten lange Zeit nur diejenigen, die bei Patienten mit dringendem CJK-Verdacht oder hohem CJK-Risiko für Eingriffe am ZNS verwendet wurden, mit speziellen Dekontaminationsmethoden (siehe unten) behandelt wurden, hatte das Auftreten von vCJK zur Folge, dass nun prinzipiell alle chirurgischen Instrumente (also auch solche, die nicht bei ZNS-Operationen verwendet werden) und andere Gegenstände, wie insbesondere Endoskope, die ebenfalls bei verschiedenen Patienten zum Einsatz kommen, als ein neues Risikopotenzial angesehen werden, auch wenn bei den Patienten kein vCJK-Verdacht besteht. Hintergrund dabei ist, dass bei der klassischen Form von CJK der Nachweis des Erregers nur in ZNS und Auge geführt werden konnte; bei vCJK jedoch wurde der Erreger vereinzelt (und zwar bei retro- Creutzfeldt-Jakob-Krankheit spektiver Untersuchung von anlässlich einer Operation zu einem Zeitpunkt vor der Diagnosestellung entnommenem und aus anderem Grunde asserviertem Gewebe) bereits vor Auftreten klinischer Symptome auch in lymphatischem Gewebe nachgewiesen, und damit könnte er auch im Blut vorkommen [18, 22]. Angesichts der derzeitigen epidemiologischen Ungewissheit führte dies zu der Befürchtung, dass eine unbekannte Zahl von Patienten bereits infiziert sein könnte, die somit als potenzieller Überträger für den Erreger in Frage kommen könnten. Aus diesem Grunde erfolgte z.B. in Großbritannien, Frankreich und der Schweiz eine neue Risikobewertung chirurgischer Instrumente mit daraus resultierenden veränderten Aufbereitungsempfehlungen [18]. In Deutschland wurde gemeinsam vom RKI und dem wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer eine Task Force vCJK gebildet, deren Abschlussbericht auf der Basis der bis November 2001 verfügbaren und ableitbaren epidemiologischen Daten Empfehlungen für den Umgang mit chirurgischen Instrumenten und Endoskopen gibt, die bei Patienten mit bzw. ohne erkennbares (v)CJK-Risiko eingesetzt werden sollen oder wurden [18]. Bei medizinischem Personal ist eine Übertragung von CJK noch nie gesichert worden; dies gilt auch für Personal in der Pathologie, das wegen seiner beruflichen Exposition das größte Risiko hat [1, 6, 8, 10, 14, 24]. Erreger Bisher gibt es nur begrenzte Informationen über den Erreger [4, 8, 10, 11, 14, 18, 24]: ■ Proteinhaltige infektiöse Partikel (selbstreplizierendes Protein), d.h. Protein als wesentlicher Bestandteil des infektiösen Agens (Prionen-Theorie); ein Nukleinsäure enthaltendes virusartiges 133 Agens (frühere Virus-Theorie) konnte nicht gefunden werden ■ Sehr hohe Resistenz gegen physikalische (z.B. Autoklavieren) und chemische Inaktivierungsverfahren ■ Keine Reaktion des Immunsystems auf den Erreger, deshalb keine Diagnose der Infektion vor Auftreten der klinischen Symptomatik möglich ■ Nachweis nur indirekt im Tierversuch (vorwiegend durch intrazerebrale Injektion von infektiösem Material) Übertragung TSE können prinzipiell mit infiziertem Gewebe oral und parenteral auch über Speziesgrenzen hinweg übertragen werden; im Tierexperiment gelingt die Übertragung am leichtesten mit intrazerebraler Injektion [8, 24]. Für manche Tiere ist dies der einzige Infektionsweg. Eine Übertragung mit Blut (z.B. Transfusion) oder eine vergleichbare Übertragung des Erregers wie bei Hepatitis B-Virus (HBV) gilt für CJK als unwahrscheinlich bzw. ausgeschlossen, für vCJK als möglich (siehe oben) [4, 8, 10–14, 18, 24]. Die Übertragbarkeit des CJK-Erregers bei medizinischen Maßnahmen durch kontaminierte Instrumente oder Gewebe (siehe oben) ist seit Anfang der 1970er Jahre bekannt. Unklar ist, ob ein und, wenn ja, welches Übertragungsrisiko mit Instrumenten verbunden ist, die bei unerkannt infizierten Patienten mit vCJK eingesetzt worden sind und dabei insbesondere mit lymphatischem Gewebe, aber auch mit Blut in Kontakt gekommen sind. Wegen des theoretischen Risikos einer TSE-Übertragung durch Verwendung von chirurgischem Nahtmaterial bovinen Ursprungs wurde der Einsatz Catgut-haltiger Nahtmaterialien seit Anfang 2001 untersagt. 134 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Risikopatienten Hinsichtlich des Übertragungsrisikos unterscheidet man aufgrund der klinischen Symptomatik zwei klassische CJK-Risikogruppen [8, 10, 13, 14, 18, 24]: Patienten mit hohem CJK-Risiko ■ Patienten mit nachgewiesener CJK ■ Patienten mit klinischem Verdacht auf CJK ■ Träger pathogener Mutationen im Prionprotein-Gen ■ Mitglieder einer Familie mit CJK oder ähnlichen Krankheiten Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko ■ Patienten mit ungeklärter, progressiver Erkrankung des ZNS (mit und ohne Demenz) ■ Mitglieder von Familien, in denen derartige Erkrankungen gehäuft aufgetreten sind ■ Empfänger von humanen Hypophysenhormonen (Wachstumshormon oder Gonadotropine) ■ Empfänger von Dura-Mater-Transplantaten in den Jahren 1972 bis 1987 Hinzu kommen heutzutage noch die Patienten mit klinisch wahrscheinlicher vCJK und Verdacht auf vCJK [26]. Bei allen übrigen Personen wird kein CJK-Risiko angenommen. Risikogewebe Der Einteilung verschiedener Körpergewebe in Risikogruppen liegen für die klassische CJK vorwiegend Daten aus tierexperimentellen Studien zugrunde [5, 8, 10, 13, 14, 18, 24]: Hohe Infektiosität: Gehirn, Rückenmark, Auge Mittlere Milz, Tonsillen, LymphknoInfektiosität: ten, Ileum, proximales Kolon, Liquor, Hypophyse, Nebenniere, Dura Mater, Zirbeldrüse, Plazenta, distales Kolon, peripheres Nervensystem Geringe Nasenschleimhaut, Thymus, Infektiosität: Knochenmark, Leber, Lunge, Pankreas Keine Skelettmuskulatur, Herz, Infektiosität: Brustdrüse, Muttermilch, Blut, Blutgerinnsel, Serum, Faeces, Niere, Schilddrüse, Speicheldrüse, Speichel, Ovarien, Uterus, Hoden, Samen, fetales Gewebe, Kolostrum, Galle, Knochen, Sehnen, Bindegewebe, Haare, Urin, Haut Unklar ist bis auf weiteres, in welchem Maße diese Risikoeinteilung für vCJK modifiziert werden muss und ob insbesondere Blut und Blutprodukte mit einem Übertragungsrisiko assoziiert sind [12, 18, 24]. Dies kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, es gibt andererseits aber auch keine Hinweise darauf aus der klinischen Praxis; so war beispielsweise unter den Fällen mit vCJK kein Hämophilie-Patient [12]. Prävention Bei der normalen Krankenversorgung besteht weder für medizinisches Personal noch für andere Kontaktpersonen ein erhöhtes Übertragungsrisiko [9, 13–15, 18]. Bei bestimmten operativen Eingriffen (insbesondere ZNS- und Augen-Operationen) ist das Operationsteam jedoch bei Verletzungen mit Inokulation von infektiösem Material gefährdet: Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ZNS- und Augen-Operationen Maßnahmen bei Patienten mit hohem bzw. erhöhtem Risiko für CJK und bekanntem bzw. erkennbarem Risiko für vCJK: ■ Das Operationsteam soll aus erfahrenen Personen zusammengesetzt sein. ■ Neben der üblichen Operationskleidung sollen doppelte Handschuhe und eine Schutzbrille getragen werden. ■ Wegen der schwierigen Dekontamination gebrauchter Instrumente kommen in erster Linie, so weit möglich, EinmalInstrumente in Betracht. ■ Kontaminierter Abfall (= Kontamination mit infektiösem Gewebe) wird als sog. infektiöser Abfall entsorgt. Alle übrigen Operationen Auch wenn nicht an ZNS oder Auge operiert wird, ist es sinnvoll, bei Operationen von Patienten mit hohem bzw. erhöhtem Risiko für CJK und bekanntem bzw. erkennbarem Risiko für vCJK die oben genannten Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Dekontamination wiederverwendbarer Gegenstände Für den Fall, dass keine Einmal-Instrumente verwendet werden können, ist für die Aufbereitung wiederverwendbarer Gegenstände, die bei Patienten mit CJKRisiko eingesetzt wurden, bisher folgendes Vorgehen empfohlen worden [3, 6, 9, 13– 21, 23]: ■ Eine Stunde in 1N NaOH, 2,5–5% Natriumhypochlorit (NaOCl) oder 4M Guanidiniumthiocyanat (GndSCN) (oder 15 Minuten in 6M GndSCN) bei Raumtemperatur einlegen; Gegenstände zuvor vorsichtig abwischen, um Rückstände von Gewebe und Körper- 135 flüssigkeiten zu entfernen (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“ für Hinweise zur Vorbereitung der chemischen Desinfektion) ■ Anschließend für mindestens 18 Minuten (bis zu 1 Stunde) bei 134 °C autoklavieren Hierbei handelt es sich um ein Vorgehen, das nur mit hitzestabilen Gegenständen durchführbar ist und bei dem eine evtl. vorhandene Restkontamination durch die anschließende für die Inaktivierung des Erregers erforderliche überlange Sterilisation beseitigt werden soll. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat das Einlegen in NaOH oder NaOCl für 24 Stunden empfohlen, weil sich eine Desinfektionszeit von einer Stunde nicht in allen experimentellen Studien als ausreichend erwiesen hat [15]. Hinweis für den Einsatz von Aldehyden und Alkohol Kontakt mit Aldehyden oder Alkohol erschwert die Inaktivierung des CJK-Erregers durch Protein-Fixierung erheblich. Deshalb soll eine Behandlung potenziell kontaminierter Gegenstände mit diesen Desinfektionsmitteln, wenn überhaupt, immer erst erfolgen, wenn die CJK-spezifischen Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt sind [13, 15, 18, 21]. Modifikation der Aufbereitungsmaßnahmen in Anbetracht von vCJK Für Patienten mit klinisch wahrscheinlicher vCJK (bekanntes bzw. erkennbares Risiko) wurde von der Task Force vCJK für den Umgang mit Instrumenten das folgende modifizierte Vorgehen empfohlen, das ggf. bei Änderung der epidemiologischen Situation erneut verändert werden muss [18]: 136 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Patienten mit klinisch wahrscheinlicher vCJK – Bei allen Eingriffen (auch in der Zahnmedizin) nur Einmal-Instrumente verwenden und anschließend verbrennen ■ Patienten mit klinisch möglicher vCJK – Möglichst immer Einmal-Instrumente verwenden (und anschließend verbrennen) – Wenn Verwendung von Einmal-Instrumenten unmöglich, die Instrumente postoperativ kennzeichnen und in verschlossenen Behältern bis zur Klärung der Diagnose aufheben – Bestätigt sich der Verdacht oder bleibt die Diagnose weiter ungeklärt, die Instrumente verbrennen – Bei Ausschluss einer vCJK die Instrumente wie bei allen anderen Instrumenten üblich aufheben ■ Patienten ohne ausdrücklichen Verdacht auf vCJK – Theoretisch ist ein Übertragungsrisiko auch nach sorgfältiger Aufbereitung von Instrumenten, die bei symptomlosen Trägern oder unerkannten vCJK-Patienten verwendet wurden, nicht völlig auszuschließen [22]. – Da – anders als bei CJK – ein Übertragungsrisiko im Zusammenhang mit lymphatischem Gewebe und Blut bei vCJK nicht ausgeschlossen werden kann (siehe oben), wurde in Großbritannien vom Department of Health festgelegt, für Tonsillektomien nur noch Einmal-Instrumente zu verwenden [18]. Ebenso dürfen dort Kontaktlinsen (nach Anpassung) und Einmal-Artikel nicht wieder aufbereitet werden. – In Frankreich wird für die Aufbereitung von Instrumenten nach ZNSoder Augen-Operationen schon generell eine abschließende Dampfste- rilisation bei 134 °C für mindestens 18 Minuten empfohlen [18]. – Für Deutschland hat das RKI empfohlen, besondere Sorgfalt auf die Reinigung aller wiederverwendbaren Instrumente (einschließlich Endoskope; siehe unten) zu legen und keine aldehydhaltigen kombinierten Reinigungs- und Desinfektionsmittel einzusetzen, d.h. – nach Möglichkeit maschinelle – Reinigung im alkalischen Bereich (> pH 10) und anschließende Dampfsterilisation bei 134 °C für 5 Minuten oder bei 121 °C für 20 Minuten [18]. – Gegenstände, die nicht maschinell behandelt werden können, müssen sorgfältig manuell gereinigt und sollen anschließend bei 134 °C für 18 Minuten autoklaviert werden [18]. Umgang mit Untersuchungsmaterial Bei Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko sind die folgenden Vorsichtsmaßnahmen notwendig [2, 7]: ■ Bei Punktionen, Probeexzisionen, Blutabnahmen etc. Vorgehen entsprechend den bekannten universellen Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz vor HBV etc. (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“ und Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion bzw. Kolonisation“) ■ Kontaminierte Einmal-Gegenstände und Reste von Untersuchungsmaterial in den sog. infektiösen Abfall geben Pathologie Hirngewebeproben sollen nach der Fixierung mit Formalin für eine Stunde mit 95– 100%iger Ameisensäure behandelt und anschließend mit frischem Formalin nachfixiert werden [2, 7]. Dadurch kann eine weitgehende Inaktivierung des Erregers Creutzfeldt-Jakob-Krankheit erreicht werden. Für den Schutz des Sektionspersonals gelten prinzipiell dieselben Vorsichtsmaßnahmen wie für Operationspersonal. Maßnahmen bei der üblichen Versorgung von Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko Folgende Kriterien gelten bei der Patientenversorgung auf der Station [6, 9, 13–15]: ■ Kein Übertragungsrisiko bei normalem Patientenkontakt ■ Ebenfalls kein Risiko bei Kontakt mit Blut etc. an intakter Haut ■ Eine Unterbringung der Patienten in einem Einzelzimmer ist nicht erforderlich. ■ Über die Anwendung der StandardHygienemaßnahmen hinaus sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). ■ Eine spezielle Flächendekontamination mit z.B. 2,5% NaOCl ist nur nach Kontamination mit Liquor erforderlich. ■ Geschirr, Besteck, Wäsche wie üblich aufbereiten ■ Abfall zum Hausmüll geben, auch wenn mit Blut oder Liquor kontaminiert Vorgehen nach Verletzungen und Kontamination mit potenziell infektiösem Material Zum Schutz vor einer Erregerübertragung werden folgende Maßnahmen empfohlen [9, 13, 15]: ■ Nach Stichverletzungen im Anschluss an Injektionen (iv, im, sc) übliche Maßnahmen (Betriebsarzt: HBV-Diagnostik etc.) ■ Nach Stich- oder Schnittverletzungen bei Eingriffen am ZNS oder Auge zu- 137 nächst ausgiebig mit Wasser spülen und anschließend für 5–10 Minuten mit 1N NaOH oder mit 0,5% NaOCl desinfizieren, zum Abschluss nochmals gründlich mit Wasser spülen (Hautverträglichkeit von NaOH besser als von NaOCl), evtl. chirurgische Exzision der Verletzungswunde ■ Schleimhäute nach Kontamination durch Verspritzen von potenziell infektiösem Material gründlich mit Wasser spülen Spezielle Hinweise für einzelne medizinische Fachgebiete Einzelne medizinische Fachgebiete sind potenziell häufiger als andere mit CJK-Patienten konfrontiert; folgende Besonderheiten können festgehalten werden [15]: Neurologie: Bei Risikopatienten Einsatz von Einmal-Material (z.B. Elektroden für EMG) Augenheilkunde: Einsatz von berührungsfreien Tonometern bei Risikopatienten (Tränenflüssigkeit jedoch nicht infektiös) Transplantationen: Folgende Patienten sollen von Organ- und Gewebespenden ausgeschlossen werden: – CJK-Risikogruppen (siehe oben) – Personen mit unklaren ZNS-Erkrankungen – Personen, die in psychiatrischen Kliniken verstorben sind – Personen, die mit humanen Hypophysenhormonen behandelt worden sind 138 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Maßnahmen bei Endoskopie von Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko Da flexible Endoskope nicht hitzestabil sind, ist ihre Aufbereitung relativ problematisch. Wegen der hohen Kosten eines Endoskops ist eine Entsorgung nach Gebrauch ausgeschlossen. Eine sorgfältige Vorreinigung ohne Einsatz aldehydhaltiger kombinierter Reinigungs- und Desinfektionsmittel stellt die wesentliche Voraussetzung für eine sichere Aufbereitung dar. Für die anschließende chemische Desinfektion wurde bisher folgendes Verfahren empfohlen [15, 18]: ■ Einlegen für 2 × 30 Minuten in 4M GndSCN mit manueller Zwischenreinigung (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“ für die übliche manuelle und maschinelle Aufbereitung von Endoskopen) ■ Anschließend möglichst in einer Endoskop-RDM (oder nochmals manuell) aufbereiten Wegen der mit dieser Aufbereitung verbundenen praktischen Schwierigkeiten wurde ein zentraler Gerätepool eingerichtet, aus dessen Sortiment Gastroskope und Koloskope für spezielle geplante Untersuchungen gemietet werden können (Institut für Neuropathologie der Universität Göttingen). Anschließend werden die gebrauchten Endoskope nach manueller Vorreinigung mit alkalischem Reiniger (ohne Aldehydzusatz; siehe Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zur Aufbereitung von Endoskopen und endoskopischen Zusatzinstrumentariums, die in Kürze publiziert wird) wieder dorthin zurückgeschickt und mit speziellen Verfahren aufbereitet. Ebenso können eigene notfallmäßig eingesetzte Endoskope zur Dekontamination an dieses Zentrum geschickt werden. Die häufigste Indikation für eine Gastroskopie bei Patienten mit CJK-Verdacht ist die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG). Eine Möglichkeit, die problematische Endoskop-Aufbereitung nach diesem Eingriff zu umgehen, ohne im Rahmen einer konventionellen Operation eine Witzel-Fistel anlegen zu müssen, ist die CT-gesteuerte Anlage einer Magenfistel. Literatur 1. Berger JR, David NJ. Creutzfeldt-Jakob disease in a physician: a review of the disorder in health care workers. Neurol 1993; 43: 205– 206 2. Budka H, Aguzzi A, Brown P, Brucher JM, Bugiani O, Collinge J, Diringer H, Gulotta F, HAltia M, Hauw JJ, Ironside JW, Kretzschmar HA, Lantos PL, Masullo C, Pocchiari M, Schlote W, Tateishi J, Will RG. Tissue handling in suspected Creutzfeldt-Jakob disease (CJD) and other human spongiform encephalopathies (prion diseases) Brain Pathol 1995; 5: 319–322 3. Bryce EA, Dorovoni-Zis K, Trudeau D, Sinclair M, Roberts FJ. Creutzfeld-Jakob disease: management of accidental contamination of neurosurgical instruments, pathology equipment, and solutions. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 247–248 4. Collinge J. Variant Creutzfeldt-Jakob-Disease. Lancet 1999; 354: 317–323 5. Diringer H, Braig HR. Infectivity of unconventional viruses in dura mater. Lancet 1989; 1: 439–440 6. Fishman M, Fort GG, Mikolich DJ. Prevention of Creutzfeldt-Jakob disease in healthcare workers: a case study. Am J Infect Control 1998; 26: 74–79 7. Giese A, Schulz-Schaeffer W, Kretzschmar HA. Vorsichtsmaßnahmen bei der Durchführung von Autopsien bei Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Verh Dt Gesellsch Pathol 1995; 79: 631 8. Johnson RT, Gibbs CJ. Creutzfeldt-Jakob disease and related transmissible spongiform encephalopathies. N Engl J Med 1998; 339: 1994–2004 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 9. McGreevy Steelman V. Creutzfeldt-Jakob disease: recommendations for infection control. Am J Infect Control 1994; 22: 312–318 10. Robert-Koch-Institut. Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJK) bzw. humane übertragbare (transmissible) spongiforme Enzephalopathie (TSE). Bundesgesundheitsbl 1998; 41: 78–83 11. Robert-Koch-Institut, Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) des Rindes und deren Übertragbarkeit auf den Menschen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2001; 44: 421-431 12. Roos RP. Controlling new prion diseases. N Engl J Med 2001; 344: 1548–1551 13. Rutala WA,Weber DJ. Creutzfeldt-Jakob disease: recommendations for disinfection and sterilization. Clin Infect Dis 2001; 32: 1348– 1356 14. Simmons BP, Gelfand MS. Uncommon causes of nosocomial infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 593–604 15. Simon D, Pauli G. Krankenversorgung und Instrumentensterilisation bei CJK-Patienten und CJK-Verdachtsfällen. Bundesgesundheitsbl 1998; 41: 279–285 16. Taguchi F, Tamai Y, Uchida K, Kitajima R, Kojima H, Kawaguchi T, Ohtani Y, Miura S. Proposal for a procedure for complete inactivation of Creutzfeldt-Jakob disease agent. Arch Virol 1991; 119: 297–301 139 17. Tamai Y, Taguchi F, Miura S. Inactivation of the Creutzfeldt-Jakob disease agent. Ann Neurol 1988; 24: 466–467 18. Task Force vCJK. Die Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJK) – Epidemiologie, Erkennung, Diagnose und Prävention unter besonderer Berücksichtigung der Risikominimierung einer iatrogenen Übertragung durch chirurgische Instrumente/Medizinprodukte. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2002; 45: im Druck (bis dahin: www.rki.de) 19. Tateishi J, Tashima T, Kitamoto T. Inactivation of the Creutzfeldt-Jakob disease agent. Ann Neurol 1988; 24: 466 20. Tateishi J, Tashima T, Kitamoto T. Practical methods for chemical inactivation of Creutzfeldt-Jakob disease pathogen. Microbiol Immunol 1991; 35: 163–166 21. Taylor DM. Inactivation of prions by physical and chemical means. J Hosp Infect 1999; 43, Suppl.: S69-S76 22. Taylor DM, Fraser JR. The potential risk of transmitting vCJD through surgery. J Hosp Infect 2000; 44: 318–321 23. Walker AS, Inderlied CB, Kingsbury DT. Conditions for the chemical and physical inactivation of the K. Fu. strain of the agent of Creutzfeldt-Jakob disease. Am J Publ Health 1983; 73: 661–665 24. Zerr I, Poser S. Spongiforme Enzephalopathien des Menschen – Epidemiologie und klinische Charakteristika. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2001; 44: 341–349 140 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 5. Spezielle Infektionen – Legionellose Legionellen sind typische opportunistische Erreger; sie wurden erst Mitte der 1970er Jahre entdeckt, und zwar einige Monate nach einem Ausbruch von Pneumonien bei Teilnehmern eines Treffens von Legionären (daher auch ihr Name) [3, 4, 6, 16, 18, 21–23, 27]. Bekannt sind inzwischen über 40 verschiedene Legionellen-Spezies, von denen vor allem die Serogruppe 1 von Legionella pneumophila humanpathogene Bedeutung hat; weitere Serogruppen, die aber sehr viel seltener aus klinischem Untersuchungsmaterial isoliert werden, sind die Gruppen 3, 4 und 6 [21]. Gelegentlich werden auch andere Legionellen-Spezies isoliert, z.B. L. micdadei oder L. longbeachae [5, 16, 21]. Häufig handelt es sich bei Legionellosen um außerhalb des Krankenhauses erworbene Infektionen, und insbesondere bei Karzinom-Patienten, bei Rauchern und bei Patienten mit chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen, die mit Pneumonie stationär aufgenommen werden, muss man an diese Ursache denken [16, 21, 23]. Der Anteil nosokomialer Fälle an allen Legionellosen in Europa wurde von der WHO für 1997 mit 16–22% angegeben [27]. Abhängig von der Empfänglichkeit der Patienten und der Exposition können die Angaben über die Inzidenz nosokomialer Legionellosen naturgemäß erheblich schwanken. Am stärksten gefährdet sind Organtransplantierte und Patienten unter Dauersteroidtherapie, während das Risiko neutropenischer Patienten mit Leukämien dem der Normalbevölkerung entspricht (ausgenommen Haarzell-Leukämie) [21]. Auch in der Pädiatrie wurden nosokomia- le Legionellosen bei der am stärksten gefährdeten Patientengruppe der Organtransplantierten berichtet [4]. Vorkommen von Legionellen in der Umwelt Legionellen sind typische Vertreter von Bakterien, die in der Umwelt weit verbreitet sind, gemessen daran aber nur sehr selten als Erreger von Infektionen in Erscheinung treten; dies hängt damit zusammen, dass Legionellen in natürlichen Gewässern nur in sehr geringer Keimzahl vorhanden sind und erst durch technische Einrichtungen einen ökologischen Vorteil gegenüber anderen Wasserkeimen erhalten. Folgende Eigenschaften zeichnen Legionellen aus [2, 6, 7, 16, 19, 21, 22, 28]: ■ Vorkommen in natürlichen Gewässern ■ Förderung des Wachstums durch künstliche Wasseranlagen, vor allem Leitungswassersysteme (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“) ■ Legionellen sind fakultativ intrazellulär und können deshalb in den normalerweise in Wasser vorhandenen apathogenen Amöben sowie in Makrophagen überleben und sich vermehren. ■ Ihr Temperaturoptimum liegt zwischen 32 °C und 35 °C, Wachstum ist aber bis 45 °C möglich. Über 55 °C findet keine Vermehrung mehr statt, und Temperaturen über 60 °C wirken bakterizid. Temperaturen zwischen 45 °C und 55 °C sind zwar nicht optimal, bieten aber den Legionellen einen selektiven Wachstumsvorteil gegenüber anderen Wasserbakterien, sodass relativ hohe Keimzahlen erreicht werden können. Legionellose ■ Eingebettet in Biofilm oder eingeschlossen in Amöben bleiben Legionellen vor störenden Umwelteinflüssen, z.B. der normalen Chlorierung des Trinkwassers, geschützt. Übertragungswege von Legionellen Wasser ist das (nahezu) einzige Reservoir für Legionellen [5–7, 16, 18, 21, 22, 28]. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt als ausgeschlossen [16, 21]. Direkter Kontakt mit Leitungswasser Wird die Mund- und Gesichtspflege vom Patienten selbständig am Waschbecken vorgenommen, findet dabei je nach persönlicher Gewohnheit u.U. ein beträchtlicher Wasserkontakt statt. Dasselbe gilt für das Duschen, insbesondere wenn das Wasser ausgiebig über den Kopf läuft oder das Gesicht direkt in den Duschstrahl gehalten wird. Ähnliches gilt für pflegebedürftige Patienten, wenn z.B. Leitungswasser zum Spülen von Magensonden oder zum Reinigen des Tracheostomas verwendet wird. Für eine Übertragung von Legionellen kommen dabei folgende Möglichkeiten in Betracht [12, 16, 18, 21, 22, 28]: ■ Einzelne Legionellen werden aus dem Biofilm in den Wasserleitungen freigespült und gelangen durch (Mikro-)Aspiration bzw. Inhalation direkt bis in die Alveolen. Dort erfolgt Aufnahme in ortsständige Makrophagen, intrazelluläre Vermehrung, Freisetzung der neu entstandenen Legionellen nach Platzen der Makrophagen, erneute Aufnahme in Makrophagen usw. ■ Teile des Biofilms werden aspiriert bzw. inhaliert, gelangen jedoch wegen ihrer Größe nicht direkt bis in die Alveolen. Die Biofilmreste schützen vor der körpereigenen Abwehr, und die Legionellen können sich darin vermeh- 141 ren. Einzelne Bakterienzellen werden aus dem Biofilm freigesetzt und gelangen sekundär bis in die Alveolen. ■ Es kommt zur Aspiration bzw. Inhalation von Wasseramöben mit intrazellulären Legionellen. Auch die Amöben gelangen primär nicht bis in die Alveolen. Freigesetzte Legionellen können aber sekundär die Alveolen erreichen. ■ Durch den Kontakt mit Leitungswasser kommt es zu einer Kontamination des respiratorischen Sekrets, das im weiteren Verlauf aspiriert werden kann. Keimzahl im Leitungswasser Eine klinisch relevante Keimzahl kann nicht angegeben werden, da Legionellen im Leitungswasser sowohl als einzelne Bakterienzellen als auch in Form von Bakterienzell-Aggregaten in Biofilm und Amöben vorkommen; Legionellen sind also, wie andere Wasserbakterien auch, nicht gleichmäßig im Wasser verteilt [6, 11, 12, 21, 28]. Wasserproben stellen demnach immer nur eine Momentaufnahme dar. Aerosolbildung Jede kontinuierliche oder über eine längere Zeit vorhandene Aerosolbildung ausgehend von nahen bis zu relativ fernen Wasserreservoiren kann zum Auftreten vereinzelter oder sogar zu ausbruchsartigen Legionellosen führen [16, 18, 21, 28]. So wurde z.B. über Legionellen-Infektionen im Zusammenhang mit Whirlpools und Springbrunnen berichtet. Duschen Bei Umgebungsuntersuchungen wurden Legionellen natürlich auch an Duschköpfen gefunden; beim Duschen findet sich jedoch nur eine geringe Aerosolbildung [16, 21, 28]. In prospektiven Untersuchungen wurde Duschen bisher nicht als Risi- 142 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen kofaktor für eine Legionellose ermittelt [16, 21, 28]. Duschen ist also – entgegen einer nach wie vor verbreiteten Auffassung – sehr wahrscheinlich nicht mit einem höheren Risiko verbunden als der Kontakt mit Leitungswasser aus einem Wasserhahn. Beatmungstherapie Bei Maßnahmen im Rahmen der respiratorischen Therapie können – abhängig von der Art des Befeuchtungssystems – Aerosole entstehen, die direkt bis in die tiefen Atemwege inhaliert werden können (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Leitungswasser kann deshalb für die respiratorische Therapie im weiteren Sinne nicht verwendet werden, weil es nicht keimfrei ist (siehe Kapitel B.4 „Pneumonie“ und Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Dies gilt also auch für patientennahe Befeuchter oder Raumluftbefeuchter, insbesondere wenn sie nach dem Verneblerprinzip arbeiten [16, 21]. Aerosolkontakt über größere Entfernungen Eine echte aerogene Übertragung von Legionellen, d.h. ein Transport freischwebender legionellenhaltiger Aerosole über weite Distanzen in der Luft (im Gegensatz zu den oben beschriebenen kurzen Strecken vom Wasserhahn oder Duschkopf bzw. von kontaminierten Verneblern zum Patienten) muss bei der Entstehung von Legionellosen als ein möglicher Infektionsweg betrachtet werden. Als Ursache für endemische Fälle von Legionellose hat die aerogene Übertragung aber (im Gegensatz zum direkten Wasserkontakt) keine Bedeutung. Es wurden jedoch Ausbrüche von Legionellosen außerhalb von Krankenhäusern beschrieben, bei denen eine Aerosolbildung, ausgehend von relativ weit ent- fernten Kühltürmen bzw. Rückkühlwerken, ursächlich war [16, 18, 21, 28]. Epidemiologie Die Legionellose kann in zwei klinischen Formen auftreten [7, 21]: 1) als PontiacFieber, eine akute, selbstlimitierte Erkrankung, typischerweise mit Fieber, Kopfschmerzen und Myalgien, aber ohne Pneumonie; 2) als Pneumonie (= Legionärskrankheit) mit der gesamten Breite möglicher klinischer Symptomatik mit leichten bis lebensbedrohlichen Erscheinungsbildern. Nosokomiale Legionellosen wurden nur als Pneumonien berichtet und treten fast nur bei abwehrgeschwächten Patienten auf [4, 16, 18, 21]. Über die Inzidenz ist relativ wenig bekannt, weil spezielle Methoden angewendet werden müssen, um Legionellosen diagnostizieren zu können. Nicht in allen Krankenhäusern wird jedoch bei Patienten mit Pneumonien eine systematische Legionellen-Diagnostik durchgeführt. Die Inkubationszeit beträgt 2–10 Tage [7, 21]. Deshalb gilt eine Legionellen-Infektion ■ als eindeutig nosokomial, wenn der Patient bei Diagnosestellung mindestens 10 Tage stationär war, ■ als möglicherweise nosokomial, wenn der Patient bei Diagnosestellung zwischen 2 und 10 Tagen stationär war. Legionellen-Ausbrüche in Krankenhäusern können nahezu immer auf eine Kontamination des Warmwassernetzes zurückgeführt werden [16, 18, 21, 28]. Mit molekularbiologischen Typisierungsmethoden ist es möglich, einen epidemiologischen Zusammenhang zwischen den bei infizierten Patienten und den aus kontaminierten Wasser führenden Gegenständen, wie z.B. Strahlreglern (siehe Kapitel B.7 „Umge- Legionellose bung des Patienten“), isolierten Stämmen herzustellen, dies aber auch nur dann, wenn eine kulturelle Diagnostik durchgeführt worden ist (siehe unten) [9, 17]. Diagnostik Für den Nachweis einer Legionellose stehen prinzipiell mehrere Methoden zur Verfügung [8, 21]: ■ Kultureller Nachweis aus respiratorischem Sekret: Sehr sensitiv, erfordert aber spezielle Nährböden, langwierig (erste Kolonien erst nach 5 Tagen) ■ Antigen-Nachweis im Urin:Von wesentlichem Vorteil ist, dass Urin leicht gewonnen werden kann, wobei mehrere Proben im Abstand von ein bis zwei Tagen untersucht werden sollen, weil das Antigen nicht sofort zu Beginn der Erkrankung nachweisbar sein muss. Der Test bleibt auch nach Beginn einer spezifischen Antibiotikatherapie für einige Tage positiv, sodass er auch bei bereits empirisch anbehandelten Patienten durchgeführt werden kann. Inzwischen gibt es auch einen polyvalenten Test, der nicht nur L. pneumophila der Serogruppe 1, sondern auch die Antigene anderer Serogruppen von L. pneumophila und darüber hinaus auch weitere Legionellen-Spezies nachweisen kann. ■ Direkter Immunfluoreszenz-Test (DFT) aus respiratorischem Sekret (vor allem BAL): hoch spezifisch, aber nicht zuverlässig sensitiv ■ Molekularbiologische Methoden, wie z.B. DNA-Sonden oder PCR: Nicht sensitiver als die Kultur und zumindest derzeit noch spezialisierten Institutionen vorbehalten. ■ Indirekter Immunfluoreszenz-Test (IFT): Der Antikörpernachweis im Serum kann bei Vorliegen von Infektionen mit anderen Bakterien zu falsch- 143 positiven Resultate führen. So kann es bei Patienten mit Tuberkulose, Pneumokokken-Pneumonie oder Campylobacter-Enteritis zu Kreuzreaktionen kommen. Ein wichtiger Aspekt bei der Wahrnehmung von Legionellosen überhaupt ist die Nutzung der diagnostischen Möglichkeiten. Bei ungezielter kultureller Diagnostik respiratorischer Sekrete wurden nämlich unabhängig von der klinischen Diagnose und der ärztlichen Diagnostikanforderung Legionellen-Infektionen entdeckt, davon mehrere nosokomiale Legionellosen [10]. Ähnliche Ergebnisse wurden u.a. in einer anderen Untersuchung bei Anwendung des Urin-Antigen-Nachweises (siehe unten) berichtet [11]. Prävention Die entscheidenden Maßnahmen zur Prävention von Legionellen-Pneumonien sind die Verwendung von sterilem Wasser für Wasser führende Geräte und für jede Maßnahme im Zusammenhang mit Beatmungstherapie sowie die Aufbereitung von Beatmungszubehör mit thermischen Desinfektionsverfahren [6, 16, 18, 21, 28]. In Hochrisiko-Bereichen (z.B. Patienten nach Knochenmark- oder Organtransplantation) erscheint es sinnvoll, den Patienten für die Mund- und Gesichtspflege abgekochtes oder steriles Wasser zur Verfügung zu stellen (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“) [6]. Zum Trinken sollte vorzugsweise Wasser aus Flaschen, abgekochtes oder steriles Wasser verwendet werden [6]. Kurzes Duschen ist möglich, jedoch sollte dabei das Gesicht nicht direkt in den Duschstrahl gehalten werden, um eine Wasseraspiration zu vermeiden. Siebstrahlregler sollen durch Lamellenstrahlregler ersetzt und regelmäßig, am besten einmal pro Woche, abge- 144 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen schraubt und gereinigt werden (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Extrapulmonale nosokomiale Legionellen-Infektionen sind eher untypisch und wurden als exogene Infektionen im Bereich postoperativer Wunden beschrieben [14, 16, 18, 21]. Die Prävention besteht in diesem Bereich der Patientenversorgung darin, den Kontakt von Operationswunden mit Leitungswasser, z.B. beim Waschen, Baden oder Duschen, zu vermeiden. Umgebungsuntersuchungen Es gab längere Zeit relativ konträre Ansichten zu der Frage, ob routinemäßige Wasseruntersuchungen für die Prävention geeignet sind [16, 18, 21, 28]. Die Gegner führten an, dass Legionellen in Wasser führenden Systemen häufig nachzuweisen seien, aber nicht notwendigerweise zu Infektionen führen. Die Befürworter argumentierten, dass Leitungswassersysteme nicht gleichmäßig kontaminiert seien, dass aber der Nachweis von Legionellen im Leitungswasser der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Legionellosen sei. Inzwischen scheinen sich die beiden Standpunkte einander angenähert zu haben, da in den neuesten CDC-Empfehlungen nun auch die Ansicht vertreten wird, dass in Hochrisiko-Bereichen, die routinemäßige Untersuchung von Leitungswasser mit dem Ziel, das Wasser durch geeignete Maßnahmen legionellenfrei zu halten, als Präventionsmaßnahme in Betracht gezogen werden solle [6]. In allen anderen Krankenhausbereichen (z.B. zahnoder HNO-ärztliche Behandlungseinheiten) sind jedoch routinemäßige Wasseruntersuchungen sicher nicht sinnvoll. Generell gilt aber, dass Wasserproben genommen werden müssen, wenn nosokomiale Legionellosen beobachtet werden. Nachweismethode Zum Nachweis von Legionellen im Leitungswassersystem ist es sinnvoll, zusätzlich zu Wasserproben entsprechend Trinkwasser-Verordnung auch das sog. Schwallwasser sowie Abstriche von den Innenwänden der Wasserhähne oder den Strahlreglern zu untersuchen [21, 28]. Mit den Abstrichen kann eine Mobilisierung des Biofilms erreicht werden, in dem sich Legionellen festsetzen und vermehren können. Dies ist bei der alleinigen Wasserentnahme nicht immer zu erwarten. Eine Methode des Legionellen-Nachweises in Trinkwasser und Badebeckenwasser ist kürzlich in einer Empfehlung des Umweltbundesamtes umfassend beschrieben worden [24]. In einer Untersuchung wurden verschiedene Nachweistechniken miteinander verglichen [25]. Legionellen-Elimination aus dem Leitungswassernetz Vielerorts besteht immer noch Unklarheit darüber, ob der Einsatz von Maßnahmen zur Reduktion der Legionellen-Keimzahl im Wasser davon abhängig gemacht werden soll, ob potenziell pathogene Legionellen nachgewiesen werden oder ob diese Maßnahmen nur dann eingeleitet werden sollen, wenn auch Legionellen-Infektionen beobachtet werden. Einfach zu beantworten ist die Frage dann, wenn die Inzidenz endemischer nosokomialer Legionellen-Infektionen hoch ist oder wenn es zu einem Ausbruch gekommen ist: Kontrollmaßnahmen sind in solchen Fällen immer erforderlich [6, 16, 18, 21, 28]. Werden Wasseruntersuchungen zur Überwachung der Legionellen-Prävalenz im Leitungswasser nur in Hochrisiko-Bereichen durchgeführt, wird im Falle positiver Befunde das weitere Vorgehen darauf ab- Legionellose zielen, eine Dekontamination zu erreichen, weil das Vorkommen von Legionellen im Wasser der entscheidende Risikofaktor für das Auftreten von LegionellenInfektionen darstellt [6, 21, 28]. Man sollte sich bei der Entscheidung,Wasseruntersuchungen zur Überwachung verschiedener Krankenhausbereiche durchzuführen, nur auf tatsächliche Risikobereiche für Legionellen-Infektionen beschränken und berücksichtigen, dass Intensivstationen zwar Risikobereiche für nosokomiale Infektionen sind, nicht aber für Legionellen-Infektionen, außer wenn bei der Beatmungstherapie Leitungswasser verwendet werden würde (siehe oben). Das bedeutet, dass als Risikobereich für Legionellen-Infektionen nur die Abteilungen gelten, in denen Patienten gepflegt werden, die zwar in ihrer körpereigenen Abwehr erheblich geschwächt sind, aber trotz der prinzipiellen Schwere ihrer Erkrankung in der Lage sind, ihre Körperpflege selbst durchzuführen, also mit Leitungswasser Kontakt haben, beides Voraussetzungen für eine Akquisition von Legionellen-Infektionen. Werden Wasseruntersuchungen außerhalb von Risikobereichen des Krankenhauses durchgeführt und dabei Legionellen nachgewiesen, dort aber keine Legionellen-Infektionen beobachtet, sind Dekontaminationsmaßnahmen des Leitungsnetzes nicht gerechtfertigt. In diesen Bereichen sollen, um unnötige Verwirrungen zu vermeiden, ohne konkrete klinische Fragestellung keine Wasseruntersuchungen eingeleitet werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Desinfektion des Leitungswassernetzes, wobei man prinzipiell lokale und systemische Maßnahmen unterscheiden kann [1, 15, 19–21, 26, 28]: 145 Lokale Maßnahmen ■ Sie werden nur an einem Abschnitt des Leitungswassernetzes durchgeführt, z.B. dezentrale Wasserboiler, mit denen eine sichere thermische Desinfektion erreicht werden kann. Um Verbrühungen zu verhindern, muss eine anschließende Abkühlung des Wassers (zur Vermeidung einer Rekontamination aber nicht durch Zumischung von kaltem Wasser) gewährleistet sein. ■ Je weiter entfernt von den Wasserzapfstellen eine solche Maßnahme durchgeführt wird, um so unsicherer ist ihr Erfolg, weil der nachfolgende Abschnitt der Wasserleitung nicht in die desinfizierende Maßnahme eingeschlossen ist. ■ Wasserfilter: – Installation bakteriendichter Filter an den Wasserhähnen – Effektivität der Filter nicht absolut – Daten aus klinischen Studien nicht vorhanden – Mit relativ hohen Investitionskosten verbunden, weil bei bereits bestehenden Wasseranschlüssen immer Umbaumaßnahmen erforderlich sind, um die relativ großen Filter anbringen zu können. – Eine regelmäßige qualifizierte Wartung muss gewährleistet sein, d.h. zwei mal wöchentliche Sterilisation der Filter und Überprüfung auf Dichtigkeit, womit dauerhafte Folgekosten verbunden sind. Systemische Maßnahmen ■ Gesamtes Wassernetz eingeschlossen ■ Am häufigsten werden die diskontinuierliche Aufheizung des Leitungswassers und Hyperchlorierung angewendet. ■ Eine weitere Methode ist die KupferSilber-Ionisation. Dabei werden aus ei- 146 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ner Kupfer-Silber-Elektrode nach Anlegen eines elektrischen Stromes Kupfer- und Silberionen abgegeben, die an die Bakterienzellwand binden und zur Zellwandzerstörung mit Zellyse führen. Als entscheidend für die Wirksamkeit der Methode wird die Aufrechterhaltung der vom Hersteller empfohlenen Silber- und Kupferkonzentration von 40 µg/l bzw. 400 µg/l bezeichnet [13]. ■ Wasseraufheizung in Kombination mit Chlordesinfektion: – Personal- und kostenintensive Maßnahme, die aber nur alle 2–3 Jahre durchgeführt werden muss und sehr erfolgreich sein soll – Prinzip ist die Desinfektion der zentralen Wassertanks mit Chlor, die nachfolgende Aufheizung der Tanks auf Temperaturen > 70 °C und schließlich die Spülung sämtlicher Leitungen mit dem erhitzten Wasser. ■ Kontinuierliche Hyperchlorierung: – Sehr teure Maßahme – Nicht immer ausreichend effektiv (relative Chlorresistenz der Legionellen durch Aufnahme in Amöben) – Korrosionsschäden an den Leitungen möglich, die aber durch Präzipitation von Natrium-Silikat als Schutzschicht an den inneren Oberflächen der Wasserleitungen reduziert werden können Nach aller Erfahrung dürfte keine Desinfektionsmethode in der Lage sein, die Entstehung nosokomialer Legionellosen vollständig zu verhüten. Das liegt hauptsächlich an folgenden Faktoren: 1) Es ist sehr schwierig, in einem ausgedehnten Wasserleitungsnetz jede Stelle des Systems zu erreichen. 2) Möglicherweise können auch sehr niedrige Keimzahlen bei Exposition von Hochrisikopatienten zu einer Legionellen-Infektion führen. Mit Einzelfällen von Legionellose muss also immer gerechnet werden. Literatur 1. Borau J, Czap RT, Strellrecht KA, Venezia RA. Long-term control of Legionella species in potable water after a nosocomial legionellosis outbreak in an intensive care unit. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 602–603 2. Breiman RF. Impact of technology on the emergence of infectious diseases. Epidemiol Rev 1996; 18: 4–9 3. Butler JC, Fields BS, Breiman RF. Prevention and control of legionellosis. Infect Dis Clin Pract 1997; 6: 458–464 4. Campins M, Ferrer A, Callís L, Pelaz C, Cortés P-J, Pinart N, Vaqué J. Nosocomial legionnaire’s disease in a children’s hospital. Ped Infect Dis J 2000; 19: 228–234 5. Centers for Disease Control and Prevention. Legionnaires’ disease associated with potting soil – California, Oregon, and Washington, May – June 2000. MMWR 2000; 49: 777–778 6. Centers for Disease Control and Prevention (HICPAC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 7. Edelstein PH. Legionnaires’ disease. Clin Infect Dis 1993; 16: 741–749 8. Ehret W. Diagnostik der Legionellen-Infektion. Internist 1995; 36: 106–113 9. Fry NK, Alexiou-Daniel S, Bangsborg JM, Barnader S, Castellani Pastoris M, Etienne J, Forsblom B, Gaia V, Helbig JH, Lindsay D, Lück PC, Pelaz C, Uldun SA, Harrison TG.A multicenter evaluation of genotypic methods for the epidemiologic typing of Legionella pneumophila serogroup 1: results of a panEuropean study. Clin Microbiol Infect 1999; 5: 462–477 10. Köhler JR, Maiwald M, Lück PC, Helbig JH, Hingst V, Sonntag H-G. Detecting legionellosis by unselected culture of respiratory tract secretions and developing links to hospital water strains. J Hosp Infect 1999; 41: 301–311 11. Kool JL, Bergmire-Sweat D, Butler JC, Brown EW, Peabody DJ, Massi DS, Carpenter JC, Pruckler JM, Benson RF, Fields BS. Hospital characteristics associated with colonization of water systems by Legionella and risk of nosocomial legionnaires’ disease: a cohort study of 15 hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 798–805 12. Kramer MHJ, Ford TE. Legionellosis: ecological factors of an environmentally “new” disease. Zentralbl Hyg 1994; 195: 470–482 Legionellose 13. Lin YE. Ionization failure not due to resistance. Clin Infect Dis 2000; 31: 1315–1316 14. Lowry PW, Blankenship RJ, Gridley W, Troup NJ, Tompkins LS. A cluster of Legionella sternal wound infections due to postoperative topical exposure to contaminated tap water. N Engl J Med 1991; 324: 109–113 15. Muraca PW, Yu VL, Goetz A. Disinfection of water distribution systems for Legionella: a review of application procedures and methodologies. Infect Control Hosp Epidemiol 1990; 11: 79–88 16. Pannuti CS. Hospital environment for highrisk patients. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 463–489 17. Rangel-Frausto MS, Rhomberg P, Hollis RJ, Pfaller MA, Wenzel RP, Helms CM, Herwaldt LA. Persistence of Legionella pneumophila in a hospital’s water system: a 13year survey. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 793–797 18. Rhame FS. The inanimate environment. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 299–324 19. Rohr U, Senger M, Selenka F, Turley R, Wilhelm M. Four years of experience with silvercopper ionization for control of Legionella in a German university hospital hot water plumbing system. Clin Infect Dis 1999; 29: 1507–1511 20. Stout JE, Lin YSE, Goetz AM, Muder RR. Controlling Legionella in hospital water systems: experience with the superheat-andflush method and copper-silver ionization. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 911–914 147 21. Stout JE, Yu VL. Nosocomial Legionella infection. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 453–465 22. Tablan OC, Anderson LJ, Arden NH, Breiman RF, Butler JC, McNeil MM and The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee. Guideline for prevention of nosocomial pneumonia. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 587–627 23. Tsambiras PE, Tsambiras BM, Greene JN, Sandin RL, Vincent AL, Gompf S. Legionella pneumophila pneumonia in cancer patients: case report and review. Infect Dis Clin Pract 2000; 9: 261–268 24. Umweltbundesamt. Nachweis von Legionellen in Trinkwasser und Badebeckenwasser. Bundesgesunheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 911–915 25. Wagenvoort JHT, Jensz RJ, Hoebe CJPA. Der Nachweis von Legionella pneumophila in Trinkwasserproben im Krankenhaus. Hyg Med 2000; 25: 135–137 26. Wendt C, Weist K, Dietz E, Schlattmann P, Rüden H. Feldversuch zur Gewinnung legionellenfreien Wassers aus Duschen und Waschbecken einer Transplantationsstation durch ein Wasserfiltersystem. Zentralbl Hyg 1995; 196: 515–531 27. World Health Organization. Legionnaires’ disease in Europe, 1997. Weekly Epidemiol Rec 1998; 73: 257–261 28. Yu VL. Resolving the controversy on environmental cultures for Legionella: a modest proposal. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 893–897 148 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 5. Spezielle Infektionen – Tuberkulose Die Tuberkulose ist weltweit immer noch eine bedeutende Infektionskrankheit (ca. 1/3 der Weltbevölkerung ist infiziert) [29, 40, 54]. Sie trägt insbesondere in den armen Ländern wesentlich zur Morbidität und Mortalität bei: 1997 kam es bei 8 Millionen Menschen zu einer aktiven Tuberkulose, und 1,9 Millionen Menschen starben daran. Damit gehört die Tuberkulose zu den häufigsten zum Tode führenden Infektionskrankheiten. In den USA kam es in den 1980er Jahren zu einer starken Zunahme der Tuberkulose-Fälle: Vor 1980 war die Tuberkulose in den USA eine Krankheit der gesamten Bevölkerung, seither ist sie wieder vorwiegend eine Krankheit der sozial benachteiligten Schichten, die meist in großen Städten leben. Besonders betroffen sind HIVInfizierte, Obdachlose und neue Immigranten [5, 29]. In Deutschland ist die Tuberkulose-Inzidenz mit 15 Fällen pro 100 000 Einwohner pro Jahr gering [39, 47]. Erregerreservoir ist heute in Mitteleuropa fast ausschließlich der Mensch. Besonderheiten der Tuberkulose-Infektion Im Gegensatz zu vielen anderen Infektionen gelten für die Infektion mit Mycobacterium tuberculosis besondere Regeln, denn zwischen Infektion und Auftreten der klinischen Erkrankung kann eine extrem unterschiedliche Zeitspanne von wenigen Wochen bis Jahrzehnten liegen, wenn die Erkrankung überhaupt ausbricht [5, 9, 14, 16, 23, 38, 41, 44, 51]: ■ Tuberkulose-Infektion (= Primärinfektion) bedeutet nicht notwendigerweise, ■ ■ ■ ■ dass es zu einer manifesten Tuberkulose (= postprimäre Erkrankung) kommt. Eine manifeste Erkrankung, d.h. eine sog. aktive Tuberkulose, tritt bei 5–10% aller infizierten Personen im Laufe ihres Lebens auf, d.h., ca. 90% der Infizierten bleiben lebenslang lediglich latent infiziert, entwickeln keine aktive Tuberkulose und sind nicht infektiös. Das Auftreten einer aktiven Tuberkulose ist in den ersten zwei Jahren nach der Primärinfektion am höchsten und kommt in dieser Phase bei bei 3–5% der immunkompetenten Personen vor. Eine aktive Tuberkulose ist typischerweise das Ergebnis einer endogenen Reaktivierung des seit der Primärinfektion ruhenden Erregers. Exogene Reinfektionen, d.h Neuinfektionen bei Personen mit normaler Abwehrlage nach Verschwinden einer ursprünglich positiven Tuberkulinreaktion, oder Superinfektionen, d.h. zusätzliche Infektionen mit einem weiteren Stamm von M. tuberculosis bei bestehender positiver Tuberkulin-Hautreaktion, sind selten. Eine Primärinfektion wurde lange Zeit als weitgehender Schutz vor einer Re- bzw. Superinfektion betrachtet; heute ist dagegen akzeptiert, dass dieser Schutz nicht zuverlässig ist [29]. Das Risiko hängt jedoch stark von der Expositionswahrscheinlichkeit ab. So besteht nur in einer Umgebung mit hoher Tuberkulose-Inzidenz für primär infizierte Personen überhaupt die reale Chance einer erneuten Exposition und damit prinzipiell auch die Möglichkeit einer Reinfektion bzw. Superinfektion [14, 44]. Tuberkulose Tuberkulose bei HIV-Infektion Bei HIV-infizierten Personen kommt es nach einer Infektion mit M. tuberculosis zu einem entscheidend anderen Verlauf [5, 9, 10, 16, 23, 29, 35, 38, 51]: ■ Wird die Primärinfektion nach erfolgter HIV-Infektion erworben, entwickeln 37% der Infizierten bereits innerhalb von sechs Monaten eine manifeste Tuberkulose. ■ Wurde die Primärinfektion vor der HIV-Infektion erworben, liegt das Risiko der endogenen Reaktivierung pro Jahr zwischen 7 und 10%. Übertragung Nahezu immer sind die Atemwege die Eintrittspforte für M. tuberculosis (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [5, 9, 16, 23, 38, 45, 50, 52]: ■ Der Erreger wird via Inhalation infektiöser Tröpfchenkerne (= Aerosol <5 µm), die ungehindert bis in die Alveolen gelangen können, übertragen. Nur dort im Bereich der Atemwege kann eine Tuberkulose-Infektion entstehen. Das bedeutet andererseits auch, dass ein Kontakt mit M. tuberculosis lediglich an den Schleimhäuten der oberen Atemwege (z.B. durch Anhusten) nicht zu einer Infektion führen kann. ■ Natürlicherweise kommt es zu einer Freisetzung des Erregers in die Luft nur bei Patienten mit sog. offener Tuberkulose der Atemwege (Lunge, Kehlkopf), vor allem beim Husten, und zwar in Form von kleinen (potenziell infektiösen) Tröpfchen respiratorischen Sekrets, die aufgrund ihres geringen Gewichts langsam sedimentieren, deshalb bis auf ihren Kern, nämlich die einzelne Zelle von M. tuberculosis, ein- 149 trocknen und dadurch zu schwebefähigen infektiösen Partikeln werden, die inhaliert werden können. Werden aber extrapulmonale Infektionsherde offen gespült, kann es ebenfalls – wenn auch nicht zu einer physiologischerweise vorhandenen – Aerosolisierung des Wundsekrets kommen [22]. ■ Nach Sedimentation auf Oberflächen gelten Aerosole als nicht mehr infektiös, weil es nicht zu einer Resuspension in die Luft kommt. Eine Übertragung durch Kontakt mit derartigen potenziell kontaminierten Oberflächen ist nicht möglich. Eine Infektion kann selten auch einmal durch Inokulation des Erregers auf parenteralem Wege erfolgen, wenn eine Verletzung mit einem kontaminierten Gegenstand stattgefunden hat (z.B. mit erregerhaltigem Blut von Patienten in der mykobakteriämischen Phase oder Wundsekret bei Lymphknoten-Tuberkulose) [16, 20]. Infektiosität Die aerogene Übertragung ist prinzipiell abhängig von der Zahl der freigesetzten Erreger, der Dauer der Exposition und der Enge des Kontakts mit der infizierten Person [5, 9, 16, 23, 29, 38]. Wahrscheinlich ist die Infektiosität relativ niedrig, wenn das mikroskopische Präparat negativ und nur die Kultur positiv ist. Ein mikroskopischer Nachweis ist ab ca. 104 KBE/ml Sputum möglich [48]. Übertragungen sind jedoch auch bei negativer Mikroskopie nach intensivem Aerosol-Kontakt, z.B. während Bronchoskopie, beschrieben worden [5, 52]. Ein Patient gilt auch dann als infektiös, wenn nur die PCR-Diagnostik, nicht aber die Mikroskopie positiv ist. Das Infektionsrisiko von Kontaktpersonen ist von verschiedenen Faktoren abhängig [2, 5, 9, 16, 20, 22, 25, 38, 52]: 150 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Patientenfaktoren ■ Ist das mikroskopische Präparat positiv, kommt es bei 30% der dauerhaften Kontaktpersonen zu einer Infektion ■ Ist die Mikroskopie negativ, kommt es bei <10% der dauerhaften Kontaktpersonen zu einer Infektion. ■ Je mehr ein Patient hustet und je weniger er dabei den Mund mit einem Taschentuch verdeckt, umso höher ist für die Kontaktpersonen das Infektionsrisiko, weil um so mehr potenziell erregerhaltige Tröpfchen freigesetzt werden, die anschließend zu Tröpfchenkernen eintrocknen und dann prinzipiell unbegrenzte Zeit als Aerosol in der Luft schweben können. ■ Dauer der antituberkulotischen Therapie: Bei empfindlichen Stämmen ist ein Patient ca. 2–3 Wochen nach Therapiebeginn wahrscheinlich nicht mehr infektiös. Über die Dauer der Infektiosität bei resistenten Stämmen können keine Angaben gemacht werden. Mikrobiologisch gilt ein Patient als „nicht mehr infektiös“, wenn sein Sputum an drei verschiedenen Tagen mikroskopisch negativ war (siehe unten „Dauer der Isolierungmaßnahmen“). Umgebungsfaktoren ■ Dauer und Intensität des Kontaktes ■ Größe und Belüftung des Raumes Empfänglichkeit der exponierten Person ■ Reduzierte Abwehrfunktionen (z.B. HIV-Infektion, Dauer-Steroidtherapie, Immunsuppression bei Z. n. Organtransplantation) ■ Kleinkind Nosokomiales Risiko für Patienten und Personal Zu der Zeit, als es in den USA zu einem Wiederanstieg der Tuberkulose-Inzidenz einerseits und zu Ausbrüchen auch in Krankenhäusern mit multiresistenten Stämmen kam, trat das nosokomiale Infektionsrisiko in den Vordergrund, und die CDC-Empfehlungen von 1994 sind die Antwort auf diese Situation [5, 28, 43]. Übertragungen von Patienten auf Personal und sogar von Besuchern auf andere Besucher wurden berichtet [6, 7, 34, 58, 59]. Ob aber die gelegentlich außerhalb von Ausbruchssituationen auftretenden Einzelfälle von Tuberkulose bei medizinischem Personal während der Arbeit im Krankenhaus oder im Privatleben erworben wurden, ist nicht bekannt. Bekannterweise haben bestimmte Berufsgruppen wegen ungewöhnlicher Exposition ein hohes TuberkuloseRisiko, im Krankenhaus insbesondere Mitarbeiter der Pathologie oder Rechtsmedizin, der Pulmologie, Thoraxchirurgie und Atemphysiotherapie und außerhalb des Krankenhauses z.B. Bestattungspersonal [2, 17, 20, 24, 25, 32, 38, 56, 57]. Multiresistente Stämme Gleichzeitig mit der Zunahme der Tuberkulose-Fälle in den 1980er Jahren sind in den US-amerikanischen Metropolen multiresistente Stämme aufgetreten [5, 10]. Mehrere Ausbrüche mit schneller Verbreitung resistenter Stämme (Resistenz gegen die übliche Therapie, entsprechend längere Ausscheidung der Erreger, dadurch höhere Übertragungsraten möglich) sind beschrieben [5, 9, 16, 23, 28, 38, 43]. Für eine höhere relative Infektiosität von Patienten mit Infektionen durch multiresistente Stämme im Vergleich zu empfindlichen Stämmen gibt es aber keine Hinweise. Als Hauptursache für die Resistenzent- Tuberkulose wicklung gilt die unzuverlässige Medikamenteneinnahme. In Deutschland lag der Anteil multiresistenter Stämme zwischen 1991 und 1996 konstant bei ca. 5%; in Osteuropa und insbesondere in den Ländern der ehemaligen UdSSR, ist dagegen die Prävalenz multiresistenter Stämme steigend [29, 47]. Dauer der Therapie Isoniazid (INH) und Rifampicin nehmen unter den Antituberkulotika eine Schlüsselstellung ein, weil von der Empfindlichkeit des individuellen Stammes gegen diese beiden Substanzen die (voraussichtliche) Dauer der Therapie und ihre grundsätzliche Effektivität abhängen [5, 9, 16, 23]. Je nach In-vitro-Empfindlichkeit des im individuellen Fall isolierten Stammes gelten deshalb die folgenden Regeln: ■ Empfindlichkeit gegen INH und Rifampicin: 6–9 Monate ■ Empfindlichkeit gegen Rifampicin, aber Resistenz gegen INH: 9–12 Monate ■ Empfindlichkeit gegen INH, aber Resistenz gegen Rifampicin: 12–18 Monate ■ Resistenz gegen INH und Rifampicin: Therapiedauer und klinische Wirksamkeit unklar Für die Therapie der Tuberkulose im Einzelnen gibt es aktuelle Empfehlungen in der Fachliteratur [21, 49]. Wegen der generellen Charakteristika einer Infektion mit M. tuberculosis (zunächst Primärinfektion, z.B. im jungen Erwachsenenalter, und bei ca. 5% der infizierten Personen endogene Reaktivierung in höherem Lebensalter; siehe oben) hat eine Infektion mit multiresistenten Stämmen bei immunkompetenten Personen zum jetzigen Zeitpunkt auch eine wesentliche Be- 151 deutung für die Zukunft in einigen Jahrzehnten. Da nämlich das Risiko der endogenen Reaktivierung der latenten Infektion mit zunehmendem Alter (physiologischer Aktivitätsrückgang der zellulären Immunfunktionen) steigt, werden in den nächsten 40–50 Jahren postprimäre Erkrankungen mit den resistenten Stämmen auftreten, die zur jetzigen Zeit zu Primärinfektionen geführt haben. Post-Chemotherapieära Die Bedeutung der multiresistenten Stämme ist deshalb so groß, weil die Therapie z.T. auch klinisch so ineffektiv ist, dass Heilungsraten wie bei unbehandelten Patienten beobachtet werden, und möglicherweise können solche Patienten, wie es früher erforderlich war, nur noch chirurgisch behandelt werden. In den USA wurde auch die Wiedereinführung von TuberkuloseKliniken diskutiert, in denen man entsprechende baulich-technische Voraussetzungen für Isolierungsmaßnahmen schaffen und spezialisiertes medizinisches Personal einsetzen kann, um möglichst effektive protektive Maßnahmen durchführen zu können. Prävention der Übertragung Von den CDC wurden 1994 überarbeitete Empfehlungen zur Prävention der Tuberkulose im Krankenhaus veröffentlicht [5, 38]. Es muss dabei berücksichtigt werden, dass diese Empfehlungen vor dem Hintergrund eines seit Anfang der 1980er Jahre beobachteten Anstiegs der TuberkuloseInzidenz (nach jahrzehntelangem Rückgang) sowie mehrerer Ausbrüche mit multiresistenten Stämmen entstanden sind. Diese damals überraschende und beunruhigende Situation liegt inzwischen in den USA schon lange nicht mehr vor und war in Deutschland nie gegeben. Bei der Be- 152 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen wertung der CDC-Empfehlungen muss außerdem beachtet werden, dass – entsprechend ihrer Bedeutung – eine Hierarchie der Empfehlungen (mit absteigender Dringlichkeit) aufgestellt wurde.Wie in anderen Fällen, gilt auch bei dieser Empfehlung der CDC, dass man die Aussage nur verstehen kann, wenn man den gesamten Text gelesen hat. Die Empfehlungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Organisatorische Maßnahmen Patienten: Personal: Diagnose, Isolierung, empirische Therapie abhängig von der lokalen Resistenzsituation Tuberkulintestung, Information über Präventionsmaßnahmen 2. Umgebung: Belüftung der Patientenzimmer, Einsatz von UV-Licht 3. Masken: Personalschutz Von den CDC werden verschiedene theoretisch effektive Maßnahmen der respiratorischen Isolierung empfohlen, deren Wirksamkeit aber durch klinische Studien nicht belegt ist [5, 31, 36, 46]: UV-Licht: RLT-Anlagen: Masken: Z.B. für Ambulanz-Warteräume, wo Patienten mit unerkannter Tuberkulose sein können Besonders in Räumen für Bronchoskopie, Sputuminduktion, Pentamidin-Aerosol-Anwendung (mit 6–12 Luftwechseln pro Stunde) Bisher keine Objektivierung ihrer Wirksamkeit (auch Ausbrüche mit multiresistenten Erregern konnten ohne ihren Einsatz beendet werden) Die Bedeutung der Maßnahmen zur respiratorischen Isolierung ist umstritten [36]. Absolut im Vordergrund der TuberkulosePrävention stehen die organisatorischen Maßnahmen mit zügiger Diagnosestellung, räumlicher Isolierung und raschem Beginn einer empirischen antituberkulotischen Therapie in allen Fällen dringenden klinischen Verdachts [5]. Aber auch die Möglichkeit eines falsch-positiven Befundes (z.B. bei einmaligem Nachweis säurefester Stäbchen) muss ggf. in Betracht gezogen werden [4]. Hauptprobleme bei der Bekämpfung der Tuberkulose ■ Kulturelle Diagnostik langwierig: 2–8 Wochen [48] ■ Erforderliche Therapie langwierig: 6– 12 Monate bei empfindlichen Stämmen [5, 21, 49] Empfehlungen für die klinische Praxis Die folgenden Maßnahmen können zusammenfassend für die Versorgung von Patienten mit Tuberkulose empfohlen werden. Da in Mitteleuropa wegen des gemäßigten Klimas nur selten Klimaanlagen in den Patientenbereichen von Krankenhäusern eingebaut werden, sind RLT-Anlagen hier nicht genannt: Einzelzimmer ■ Bei gesicherter Infektion und bei dringendem Verdacht so schnell wie möglich räumliche Isolierung in einem Einzelzimmer ■ Stehen nicht genügend Einzelzimmer zur Verfügung, können mehrere Patienten in einem Zimmer zusammengelegt werden, wenn die Erreger die gleiche Empfindlichkeit haben und bei allen Patienten die Therapie begonnen hat. Tuberkulose ■ Patienten, bei denen auch die Tuberkulose in die Differenzialdiagnose einbezogen werden muss, der TuberkuloseVerdacht jedoch nicht im Vordergrund steht, können bei Mangel an Einzelzimmern mit Tuberkulin-positiven Patienten in einem Zimmer untergebracht werden, wenn es sich nicht um abwehrgeschwächte Mitpatienten handelt. ■ Bei Verdacht auf Tuberkulose verursacht durch einen multiresistenten Stamm, z.B. bei Patienten aus Osteuropa, immer Unterbringung in einem Einzelzimmer ■ Die Patienten auffordern, beim Husten den Mund mit einem (Papier-)Taschentuch zu bedecken, um die Freisetzung respiratorischer Tröpfchen zu reduzieren ■ Die Patienten sollen möglichst in ihrem Zimmern bleiben, solange eine räumliche Isolierung erforderlich ist. Die Türen sollen nicht offen stehen. Die Patienten können aber zu Spaziergängen im Klinikgelände auch ins Freie gehen und müssen dort keine Maske tragen. ■ Die Patientenzimmer sollen häufig gelüftet werden (Zimmertür dabei geschlossen halten). ■ RLT-Anlage: In den USA wird eine künstliche Belüftung der Patientenzimmer für Tuberkulose-Patienten mit mindestens sechsfachem Luftwechsel für bestehende Anlagen (bei Neubauten 12 Luftwechsel/Stunde) und leicht negativem Druck im Patientenzimmer im Vergleich zu den angrenzenden Räumen (bei täglicher Kontrolle der Druckverhältnisse) empfohlen, aber auch kontrovers beurteilt [5, 13, 31, 38, 50, 52]. Im Übrigen ist nicht bekannt, welche Rolle RLT-Anlagen bei der Prävention der Tuberkulose tatsächlich spielen. Möglicherweise ist es sogar günstiger, keine 153 RLT-Anlage zu haben, den Raum aber vorwiegend geschlossen zu halten, als über eine RLT-Anlage zu verfügen, die unbemerkt jedoch einen höheren Druck im Patientenzimmer im Vergleich zu den angrenzenden Räumen aufbaut (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Masken Man kann chirurgische Masken und Partikel filtrierende Atemschutzmasken (auch Feinstaubmasken genannt) unterscheiden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Zum Schutz des Personals vor Inhalation von Aerosolen ist theoretisch nur die Atemschutzmaske geeignet [5, 12, 13, 61]. Zum Schutz der Umgebung vor der Freisetzung respiratorischer Tröpfchen durch den Patienten wäre an sich die chirurgische Maske sinnvoll (und wird dafür auch von den CDC empfohlen). Da aber meist Verwirrung entsteht, wenn bei der Tuberkulose-Prävention von unterschiedlichen Masken für Personal und Patienten gesprochen wird, wird in vielen Fällen die Atemschutzmaske generell sowohl vom Personal als auch von den Patienten verwendet. Aus pragmatischer Sicht ist dies sinnvoll. Eine höhere Effektivität von Atemschutzmasken im Vergleich zur (theoretisch für die Filtrierung von Aerosolen nicht geeigneten) chirurgischen Maske darin, bei üblichen Patientenkontakten (z.B. Betreten des Patientenzimmers) vor einer Infektion mit M. tuberculosis zu schützen, ist nicht belegt [5, 12, 13, 18, 31, 61, 62]. Dennoch werden Masken generell und Atemschutzmasken im Besonderen meist empfohlen und/oder wenigstens vom medizinischen Personal (oder Taxifahrern) gefordert. Nach den Empfehlungen der CDC sind sog. N95-Masken für diesen Zweck geeignet [5, 12]. 154 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Um die Bezeichnung der Masken zu verstehen, muss man wissen, wie sie getestet werden [12, 16]. Es wird ein sehr feines (nicht-biologisches) Test-Aerosol (in den USA Partikelgröße ca. 0,3 µm) verwendet. Je nach deklarierter Filterleistung muss das Material in der Lage sein, mehr als 99,97%, 99% bzw. 95% (= N95) der Partikel zurückzuhalten, sodass – umgekehrt ausgedrückt – weniger als 0,03%, 1% bzw. 5% (= N95) der Test-Partikel das Maskenmaterial penetrieren können. Der Buchstabe „N“ bei den in den USA empfohlenen Masken steht für „Nicht resistent gegen Öl“, weil es bei der Anwendung im Krankenhaus nicht um ölige Partikel geht, wie in manchen industriellen Bereichen. In Europa wird der Buchstabe „S“ verwendet (S = solid = feste und wasserlösliche Partikel). In Deutschland werden zur TuberkulosePrävention gemäß der europäischen Norm EN 149 (nicht-biologisches Prüfaerosol bestehend aus NaCl-Kristallen mit einer Größenverteilung von 0,02–2 µm mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 0,6 µm) Masken der Schutzstufe FFP2 S (Rückhaltegrad mindestens 94%) und bei multiresistenten Stämmen Masken der Schutzstufe FFP3 S (Rückhaltegrad mindestens 97%) empfohlen (FFP = filtering facepiece; Klasse P1 bis P3) [8]. Masken können aber, wenn überhaupt, nur dann effektiv sein, wenn sie dicht am Gesicht anliegend getragen werden, was häufig nicht der Fall ist. Jedes Leck, z.B. an der Wange, fungiert wie ein Trichter, über den die Luft wesentlich leichter als durch das dichte Maskenmaterial eingeatmet werden kann [5]. Deshalb muss das Personal auch darin trainiert werden, Masken richtig zu tragen [13, 15, 18, 27]. Personal: Atemschutzmasken sind für medizinisches Personal bei allen Husten pro- vozierenden Maßnahmen sinnvoll und deshalb empfehlenswert, insbesondere bei ■ Bronchoskopie, ■ Sputum-Induktion, ■ Pentamidin-Inhalation, und zwar deshalb, weil es in diesen Situationen auch zu einer Freisetzung sehr kleiner, lungengängiger Tröpfchen kommen kann und das Personal, z.B. bei der Bronchoskopie, während der Maßnahme mitten in diesem „Nebel“ steht und ihm beim Atmen nicht entkommen kann. Die präventive Bedeutung von Masken bei Betreten von Patientenzimmern mit Tuberkulose-Patienten ist dagegen wesentlich geringer. Deshalb kann Folgendes empfohlen werden: ■ Das Personal soll eine Atemschutzmaske aufsetzen vor Betreten von Zimmern mit Patienten, die a) stark husten, b) dabei nicht zuverlässig den Mund mit einem Taschentuch bedecken, c) sich klinisch nicht überzeugend bessern, d) kavernöse Veränderungen aufweisen und/oder e) mit einem multiresistenten Stamm infiziert sind. ■ In allen anderen Fällen erscheint der Gebrauch von Masken weniger erforderlich. Das Personal soll sie zur Verfügung haben, um selbst entscheiden zu können, ob sie verwendet werden. Die Masken können von einer Person mehrfach benutzt werden (natürlich auch bei der Versorgung verschiedener Tuberkulose-Patienten). Die Tatsache, dass sie von der Industrie als Einweg-Produkt deklariert werden, spielt bei der Verwendung durch das Personal weder in Hinsicht auf ihre Funktion noch aus hygienischen Gründen eine Rolle. Im Übrigen konnte experimentell gezeigt werden, dass Masken nicht als Reservoir fungieren, in dem sich M. tuberculosis vermehren und von dem Tuberkulose der Erreger wieder in die Luft freigesetzt werden kann [42]. Bei wirtschaftlichen Erwägungen, Kosten dadurch zu sparen, dass preiswertere Masken eingekauft werden, muss deshalb berücksichtigt werden, dass stabilere Masken zwar teurer sind, aber länger (z.B. über Wochen) von derselben Person immer wieder benutzt werden können, weil sie haltbarer sind [46]. Besucher: Für Besucher können die gleichen Regeln gelten wie für das Personal. Da es sich bei ihnen aber meist um Angehörige oder enge Bezugspersonen handelt, die mit dem Patienten schon vor der Tuberkulose-Diagnose und damit vor Beginn der Therapie Kontakt hatten, ist der protektive Effekt von Masken noch fraglicher. Patient: ■ Der Patient braucht, solange er sich in seinem Zimmer aufhält, keine Maske zu tragen. ■ Muss er sein Zimmer z.B. wegen einer diagnostischen Maßnahme verlassen, soll er, wenn er viel hustet oder mit einem multiresistenten Stamm infiziert ist, eine Maske aufsetzen. ■ Für den Patienten wäre eine chirurgische Maske adäquat, weil durch sie die Freisetzung respiratorischer Tröpfchen, die zu Tröpfchenkernen eintrocknen können, verhindert wird. ■ Weil die Differenzierung zwischen chirurgischer Maske bzw. Atemschutzmaske für Patienten bzw. Personal in der Praxis zu Unklarheiten führt, wird der Patient, weil es leichter vermittelbar ist, meist ebenfalls mit einer Atemschutzmaske versorgt (siehe oben). ■ Insgesamt ist die Maske für den Patienten bei der Tuberkulose-Prävention von untergeordneter Bedeutung. Bekannterweise wird den Patienten, die aus Krankenhäusern in Lungen-Fach- 155 kliniken verlegt werden, dort gewöhnlich als eine der ersten Handlungen die Maske abgenommen. Verschiedene Maßnahmen Generell müssen bei der Versorgung von Tuberkulose-Patienten die Regeln der Händehygiene beachtet werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“), auch wenn M. tuberculosis nicht über die Hände übertragen wird. Der Tuberkulose-Patient muss aber einerseits wie jeder andere Patient auch vor vermeidbaren Erreger-Kontakten geschützt werden, und das Personal muss sich andererseits auch vor Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten schützen, wenn es sich um einen Patienten mit Tuberkulose handelt. Für die verschiedenen Situationen der Versorgung von Tuberkulose-Patienten sind außerdem folgende Maßnahmen empfehlenswert [5, 38]: Vorgehen bei Husten provozierenden Maßnahmen ■ Bei Patienten mit Tuberkulose-Verdacht die Türen des Raumes während der Maßnahme geschlossen halten ■ Das Personal soll währenddessen eine Atemschutzmaske tragen (siehe oben). ■ Der Rücktransport des Patienten auf die Station soll erst erfolgen, wenn sich der Husten gelegt hat. Bis dahin sollen keine anderen Patienten im selben Raum sein. ■ Nach Abschluss der Maßnahme muss der Raum, wenn er nicht künstlich belüftet ist, gründlich gelüftet werden; dabei müssen die Türen geschlossen bleiben. ■ Nach einer Narkose sollen Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege getrennt von den anderen Patienten überwacht werden. 156 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Schutzkleidung Abfallentsorgung ■ Wenn eine Kontamination der Arbeitskleidung mit infektiösem Material, z.B. respiratorischem Sekret, wie bei Bronchoskopie oder beim offenen endotrachealen Absaugen, möglich ist, soll – als generelle und infektionsunabhängige Maßnahme des Personalschutzes – über der Arbeitskleidung immer Schutzkleidung getragen werden, auch wenn die Tuberkulose über derartige Kontaminationen nicht übertragen wird. ■ Es handelt sich hierbei also um eine übliche Regel der Standard-Hygiene, die bei allen Patienten unabhängig davon, ob bei ihnen eine Infektion oder welche Infektion bekannt ist, angewendet werden soll (siehe Kapitel A.1 „Standard-Hygiene“). Nur der mit infektiösem Material kontaminierte Anteil des Abfalls eines Tuberkulose-Patienten, also z.B. Papiertaschentücher zum Auffangen des respiratorischen Sekrets beim Husten und sonstige kontaminierte Materialien (z.B. Endotrachealtuben, Sputum-Einmal-Becher, Verbandsmaterial), wird getrennt gesammelt und als infektiöser Abfall entsorgt. Geschirr Das benutzte Geschirr wird ohne vorherige Desinfektion auf der Station und ohne eine Kennzeichnung wie das Geschirr aller anderen Patienten zur Aufbereitung transportiert und dort zusammen mit dem anderen Geschirr mit den üblichen Verfahren maschinell gereinigt und thermisch desinfiziert. Von dem Geschirr, das Patienten mit Tuberkulose benutzt haben, geht für niemanden ein Risiko aus, und deshalb gibt es auch bei Tuberkulose für die Verwendung von Einmal-Geschirr keinen rationalen Grund. Wäsche Die Wäsche wird nur, wenn sie mit infektiösem Material kontaminiert ist, als sog. „infektiöse“ Wäsche getrennt gesammelt und zur Wäscherei transportiert (entsprechend UVV „Gesundheitsdienst“ und „Wäscherei“; siehe Kapitel B.6 „Wäscherei“). Umgang mit Sekreten und Exkreten Stuhl und Urin werden, wie bei allen Patienten üblich, in thermischen SteckbeckenSpülautomaten entsorgt. Absauggefäße können ebenfalls in diesen Apparaten gereinigt und desinfiziert werden. Dadurch reduziert sich der Kontakt des Personals mit potenziell infektiösem Material auf den Transport der Gefäße zu diesen Geräten. Da die Gefäße in den Maschinen automatisch entleert werden, ist durch Wegfall des manuellen Ausschüttens das Kontaminationsrisiko für das Personal und damit auch der mögliche Aerosolkontakt auf ein Minimum reduziert. Transport im Rettungs-/Krankenwagen oder Taxi ■ Patienten, die noch in der Klinik behandelt werden, sollen (irgend-)eine Maske (siehe oben) aufsetzen (dies dient mehr der Beruhigung der Fahrer, als dass damit ein realer präventiver Nutzen verbunden wäre). ■ Patienten, die nicht mehr in der Klinik behandelt werden, brauchen keine Maske zu tragen. ■ Die Fahrer bzw. Sanitäter sollen bei Durchführung von Maßnahmen, die mit einer Freisetzung von Aerosolen verbunden sind (z.B. Intubation, endotracheales Absaugen), eine Maske aufsetzen; bei sonstigen Kontakten ist eine Tuberkulose ■ ■ ■ ■ ■ Maske für das Begleitpersonal nicht erforderlich. Eine über der normalen Arbeitskleidung getragene Schutzkleidung ist nur erforderlich, wenn eine Kontamination mit infektiösem Material zu erwarten ist, wie z.B. beim endotrachealen Absaugen. Bei komplikationslosem Transport eines Tuberkulose-Patienten unabhängig davon, wie lange er bereits behandelt ist, besteht keine Notwendigkeit für die Fahrer und Sanitäter, eine spezielle Schutzkleidung überzuziehen. Dies gilt auch für den Transport von beatmeten Patienten mit Tuberkulose.Wegen der dabei in der Regel offenen Beatmung sind Atemschutzmasken für die Begleiter ggf. sinnvoll. Wenn es während des Transports nicht zu einer Kontamination von Flächen mit (potenziell) infektiösem Material gekommen ist, müssen nach Beendigung der Fahrt keine über die üblicherweise nach Transport eines Patienten hinausgehenden Maßnahmen, wie z.B. eine besondere Flächendesinfektion, vorgenommen werden. Nach einem Taxi-Transport wird der Wagen lediglich gut durchgelüftet. Nach einem Transport im Rettungs/Krankenwagen wird zusätzlich zum Lüften des Wagens, wie nach Transport anderer Patienten auch, das Tuch auf der Transportliege gewechselt und eine Flächenreinigung bzw. -desinfektion durchgeführt. Für die Entsorgung von Wäsche und Abfall gelten dieselben Regeln wie bei der Versorgung von Patienten im Krankenhaus (siehe oben). Desinfektionsmaßnahmen 157 onsmitteln in normaler Konzentration durchgeführt (gemäß DGHM-Liste; siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Dabei macht man eine laufende Desinfektion der patientennahen Flächen und eine Schlussdesinfektion, die alle erreichbaren horizontalen Flächen im Patientenzimmer einbezieht. Von den CDC wird eine Desinfektion der Flächen nicht für erforderlich gehalten, weil die Tuberkulose nicht über kontaminierte Flächen übertragen wird [5, 38]. Deshalb seien Reinigungsmaßnahmen ausreichend, ein konsequent rationaler Ansatz, der an sich ohne Einschränkung zu empfehlen ist, aber in Deutschland nicht durchsetzbar sein wird. Desinfektion von Gegenständen und Instrumenten ■ Alle wiederverwendbaren thermostabilen Gegenstände werden zusammen mit den Gegenständen anderer Patienten in vollautomatischen Reinigungsund Desinfektionsmaschinen (RDM) thermisch aufbereitet. ■ Für thermolabile Gegenstände, wie Endoskope, müssen chemische Desinfektionsmittel eingesetzt werden.Vorzugsweise sollte eine maschinelle Aufbereitung erfolgen, die als chemothermische Desinfektion in speziellen RDM vorgenommen wird (siehe Kapitel B.6 „Endoskopie“). ■ Die manuelle Aufbereitung ist anfälliger für Fehler, und Tuberkulose-Übertragungen durch manuell aufbereitete Bronchoskope sind in der Literatur mehrfach berichtet [1, 34, 60]. Flächendesinfektion Raumdesinfektion In der Regel wird eine Wischdesinfektion von Oberflächen mit üblichen Desinfekti- Eine Raumdesinfektion, bei der Flächendesinfektionsmittel in die Raumluft ver- 158 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen sprüht oder eine regelrechte FormalinVerdampfung vorgenommen wird, sollte heutzutage überall als obsolet angesehen werden. Inzwischen ist es weitgehend akzeptiert, dass es sich dabei um eine ineffektive Desinfektionsmethode handelt. Meist wurde die Raumdesinfektion noch dazu als Desinfektion der Luft des Raumes missverstanden; noch zu Zeiten des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes wurde aber in der „Richtlinie“ klargestellt, dass mit dieser speziellen Desinfektionsmaßnahme eben nicht die Luft desinfiziert, sondern vielmehr die potenziell kontaminierten Flächen des Raumes quasi desinfizierend vorbehandelt werden sollten, um das Personal, das anschließend die Wischdesinfektion der Flächen des Patientenzimmers durchführt, zu schützen [55]. Mittlerweile hat sich das Prinzip durchgesetzt, dass eine Desinfektion von Oberflächen ohne die mechanische Komponente des Wischens nicht wirksam ist. Eine Raumdesinfektion ist an sich nichts anderes als eine Art Sprühdesinfektion: auf die (möglicherweise) vorhandenen Kontaminationen wird ein Nebel aus Desinfektionsmittel gelegt, gesäubert wird jedoch nicht. Das bedeutet im Fall der Tuberkulose, dass der Erreger, der ja nicht als einzelne Bakterienzelle offen auf den Oberflächen liegt, in organischem Material, also respiratorischem Sekret, geschützt mit dem Desinfektionsmittel nicht notwendigerweise in Kontakt kommt und somit nicht inaktiviert wird. In der internationalen Fachliteratur wird die Raumdesinfektion ohnehin nicht empfohlen. Es gibt auch keine gesetzliche Regelung, die in bestimmten Fällen, wie z.B. nach Entlassung eines Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege, eine Raumdesinfektion vorschreibt. Eine solche Maßnahme ist auch nicht etwa deshalb erfor- derlich, weil die Tuberkulose gemäß §§ 6, 7 IfSG eine meldepflichtige übertragbare Krankheit ist. Denn bei meldepflichtigen Infektionen müssen keine über das normale Maß hinausgehenden Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden, wenn nicht das zuständige Gesundheitsamt im jeweiligen individuellen Fall ein besonderes Desinfektionsverfahren anordnet. Ferner wird auch in der derzeit noch gültigen Empfehlung der RKI-Richtlinie nicht generell eine Raumdesinfektion bei Tuberkulose oder anderen meldepflichtigen Infektionskrankheiten gefordert, sondern es heißt dort wörtlich [3]: „In Abhängigkeit von der epidemiologischen Situation und den örtlichen Gegebenheiten muss im Einzelfall durch den zuständigen Krankenhaushygieniker festgelegt werden, ob ... eine Raumdesinfektion notwendig ist.“ Schließlich muss berücksichtigt werden, dass Raumdesinfektionen wegen unvermeidbarer Desinfektionsmittel-Exposition während der Maßnahme und unkontrollierbarer Desinfektionsmittel-Rückstände nach der Durchführung toxikologisch problematisch sind. Dies gilt sowohl für den Desinfektor, der das Mittel versprüht, als auch für die Personen, die sich später in dem Raum aufhalten müssen, also Patienten und Personal, selbst wenn der Raum gelüftet wurde. Dauer der Isolierungsmaßnahmen Die Dauer der Maßnahmen ist abhängig vom klinischen Ansprechen auf die antituberkulotische Therapie. In den USA wird gefordert, dass vor Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen drei an verschiedenen Tagen abgenommene Sputumproben mikroskopisch negativ sind [5, 11, 33, 38]. Bei Infektion mit normal empfindlichen Stämmen von M. tuberculosis können die Isolierungsmaßnahmen unter folgenden Bedin- Tuberkulose gungen spätestens drei Wochen nach Beginn der Therapie aufgehoben werden: ■ Adäquate Therapie über zwei Wochen mit klinischer Besserung ■ Kein Husten mehr oder zweimal mikroskopisch negatives Sputum ■ Kein Hinweis auf Infektion mit multiresistentem Stamm ■ Überwachte Weiterführung der Therapie gesichert ■ Bei Entlassung Rückkehr in ein Umfeld ohne gefährdete Personen, wie insbesondere Kleinkinder oder Personen mit zellulärem Immundefekt Eine Aufrechterhaltung der Isolierungsmaßnahmen über die Dauer von drei Wochen hinaus ist in folgenden Fällen erforderlich: ■ Mikroskopischer Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum oder Magensaft länger als drei Wochen nach TherapieBeginn ■ Keine durchgreifende klinische Besserung, z.B. wegen Erregerresistenz ■ Verdacht auf resistenten Stamm, z.B. bei Patient aus Osteuropa ■ Unzuverlässige Medikamenteneinnahme bei nicht kooperativen Patienten (deshalb nach Möglichkeit immer die Medikamente unter Beobachtung einnehmen lassen = directly observed therapy = DOT) Besondere Hinweise ■ Säuglinge und (Klein-)Kinder: Im Allgemeinen sind die angegebenen Isolierungsmaßnahmen bis ins Kleinkindalter nicht erforderlich, weil kleine Kinder mit Tuberkulose selten husten und im Vergleich zu Erwachsenen im Bronchialsekret nur geringe Keimzahlen aufweisen [5, 16, 38]. Finden sich aber Kavernen oder besteht eine Kehlkopf- 159 Tuberkulose müssen sie als ebenso infektiös wie erwachsene Patienten angesehen werden [6]. ■ Extrapulmonale Tuberkulose: Isolierungsmaßnahmen sind nur erforderlich, wenn sezernierende Läsionen, z.B. bei abszedierender Lymphknoten-Tuberkulose, vorhanden sind. In diesen Fällen sind Standard-Hygienemaßnahmen, wie Einmal-Handschuhe und Kittel bei möglicher Kontamination, ausreichend. In der Regel müssen diese Patienten nicht in einem Einzelzimmer untergebracht werden, weil normalerweise keine Freisetzung der Erreger in die Luft in Form von Aerosolen stattfindet. Solche Infektionsherde dürfen aber nicht offen gespült werden, weil es dabei zu einer künstlichen Aerosolbildung kommen kann [22]. Es wurde aber wiederholt über TuberkuloseÜbertragungen ausgehend von Patienten mit extrapulmonalen Manifestationen berichtet [7, 30]. BCG-Impfung Die Tuberkulose-Impfung hat im Gegensatz zu vielen anderen Impfungen neben unbestreitbaren Vorteilen allerdings auch gewisse Nachteile, weshalb ihr Einsatz unterschiedlich beurteilt wird [5]: ■ Weltweit ist sie die am häufigsten verabreichte Impfung. ■ Ihre Effektivität ist umstritten, da das Tuberkulose-Risiko nur um ca. 50% reduziert wird. ■ Sie bietet in mehr als 50% der Fälle jedoch Schutz vor den lebensbedrohlichen Komplikationen der TuberkuloseInfektion, der disseminierten Infektion und der Meningitis. ■ Hauptargument gegen die Impfung ist die Frage, ob eine Impfung, die nur bei ca. 50% der Impflinge protektiv ist, den 160 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Verlust der Aussagekraft der Tuberkulin-Reaktion auf eine frische Infektion rechtfertigt, weil jeder Geimpfte – zumindest viele Jahre lang – ein positives Testergebnis zeigt. Vorgehen nach Tuberkulose-Exposition Infektiosität Stellt sich bei einem Patienten heraus, dass er eine Tuberkulose hat, und war diese Diagnose zuvor nicht bekannt oder vermutet worden, muss zunächst geklärt werden, ob der Patient infektiös ist bzw. war, also eine offene Tuberkulose der Atemwege hat (siehe oben). Bei extrapulmonaler Tuberkulose kommt es unter normalen Umständen nicht zu einer Freisetzung des Erregers in die Luft, sodass bei der Versorgung dieser Patienten für das Personal nicht die Gefahr der Inhalation infektiöser Aerosole besteht.Allerdings dürfen derartige Infektionsherde nicht offen gespült werden (siehe oben). gangssituation sofort nach Bekanntwerden der Exposition ein Tuberkulin-Hauttest durchgeführt. Der Test wird 8 Wochen später wiederholt.Wird dann eine Konversion festgestellt, muss 8–12 Wochen nach der Exposition eine Röntgen-Aufnahme des Thorax durchgeführt werden, um zu klären, ob eine manifeste Erkrankung vorliegt; ggf. wird eine Therapie begonnen. Bei fehlenden Krankheitssymptomen muss eine sog. Postexpositionsprophylaxe mit Isoniazid für 6–12 Monate erwogen werden [5, 19]. Mit-Patienten Analog zu den Personaluntersuchungen wird bei den Mit-Patienten vorgegangen. Bei Patienten, die schon entlassen oder verlegt sind, wird der Hausarzt oder die nachsorgende Einrichtung benachrichtigt, die dann nach dem gleichen Schema vorgehen, um zu eruieren, ob die Exposition zu einer Infektion geführt hat. Personaluntersuchung Muss ein Patient retrospektiv als infektiös eingestuft werden, müssen Personaluntersuchungen eingeleitet werden, um zu eruieren, ob der Kontakt mit dem bis dahin noch unerkannten Tuberkulose-Patienten zu einer Erregerübertragung geführt hat. Tuberkulin-positive Kontaktpersonen Bei Personen, die bereits als Tuberkulin-positiv bekannt sind, muss ca. 8–12 Wochen nach Exposition neben der üblichen klinischen Untersuchung eine Röntgen-Aufnahme der Lunge durchgeführt werden. Bei manifester Tuberkulose-Erkrankung wird eine entsprechende Therapie eingeleitet. Tuberkulin-negative Kontaktpersonen Bei Personen, die bis dahin Tuberkulin-negativ waren, wird zur Feststellung der Aus- Abschließende Hinweise Zusammenfassend haben bei der Tuberkulose-Prävention im Krankenhaus organisatorische Maßnahmen den höchsten Stellenwert [5, 9, 16, 23, 38]. Das bedeutet insbesondere, dass Mediziner die Tuberkulose immer in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbeziehen, bei entsprechender klinischer Symptomatik die Verdachtsdiagnose stellen, die Patienten bis zur Sicherung der Diagnose isolieren und schnell mit einer antituberkulotischen Therapie beginnen müssen. Schutzmaßnahmen für das Personal sind bei hohem Expositionsrisiko wichtig. Aber das größte Risiko für Kontaktpersonen ist nicht der identifizierte Tuberkulose-Patient oder etwa die suboptimale Maske, sondern der unerkannte Patient mit offener Tuberkulose der Atemwege [37, 61]. Tuberkulose Es müssen aber auch regionale Unterschiede in der Tuberkulose-Prävalenz berücksichtigt werden, sodass nicht für jedes Krankenhaus die gleichen Empfehlungen gelten können [5, 9, 16, 23, 29]. So liegt in Deutschland eine andere epidemiologische Situation vor als in den USA, wo aber andererseits große Unterschiede in der Tuberkulose-Prävalenz zwischen den großen Metropolen einerseits und ländlichen Gebieten andererseits bestehen. Umfangreiche Informationen über die Bedeutung der Tuberkulose weltweit können ständig aktualisiert über das Internet abgerufen werden [26]. Schließlich muss immer wieder auch deutlich gemacht werden, dass das TuberkuloseRisiko für Beschäftigte im Gesundheitsdienst nicht vollständig beseitigt, sondern maximal auf das Risiko der Allgemeinbevölkerung reduziert werden kann. Literatur 1. Agerton T, Valway S, Gore B, Pozsik C, Plikaytis B,Woodley C, Onorato I.Transmission of a highly drug-resistant strain (strain W1) of Mycobacterium tuberculosis: community outbreak and nosocomial transmission via a contaminated bronchoscope. JAMA 1997; 278: 1073–1077 2. Bowden KM, McDiarmid MA. Occupationally acquired tuberculosis. What’s known. J Occup Med 1994; 36: 320–325 3. Bundesgesundheitsamt. Anforderungen der Hygiene an die Infektionsprävention bei übertragbaren Krankheiten. Anlage zu Ziffer 5.1 der „Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“. Bundesgesundheitsbl 1994; 37, Suppl.: 1–47 4. Burman WJ, Reves RR. Review of false-positive cultures for Mycobacterium tuberculosis and recommendations for avoiding unnecessary treatment. Clin Infect Dis 2000; 31: 1390–1395 5. Centers for Disease Control and Prevention. Guidelines for preventing the transmission of Mycobacterium tuberculosis in health care facilities, 1994. MMWR 1994; 43: 1–132 161 6. Curtis AB, Ridzon R, Vogel R, McDonough S, Hargreaves J, Ferry J, Valway S, Onorato IM. Extensive transmission of Mycobacterium tuberculosis from a child. N Engl J Med 1999; 341: 1491–1495 7. D”Agata EMC,Wise S, Stewart A, Lefkowitz LB. Nosocomial transmission of Mycobacterium tuberculosis from an extrapulmonary site. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 10–12 8. Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Infektionsverhütung bei Tuberkulose in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Hyg Med 1997; 22: 523–534 9. Dooley SW,Tapper ML. Epidemiology of nosocomial tuberculosis. In:Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 357–394 10. Dye C, Scheele S, Dolin P, Pathania V, Raviglione MC. Global burdon of tuberculosis – estimated incidence, prevalence, and mortality by country. JAMA 1999; 282: 677–686 11. Earnest MA, Sbarbaro JA. Defining the issues: returning patients with tuberculosis to institutional settings. Clin Infect Dis 1995; 20: 497–500 12. Fennelly KP. Personal respiratory protection against Mycobacterium tuberculosis. Clin Chest Med 1997; 18: 1–17 13. Fennelly KP, Nardell EA. The relative efficacy of respirators and room ventilation in preventing occupational tuberculosis. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 754– 759 14. Fine PEM, Small PM. Exogenous reinfection in tuberculosis. N Engl J Med 1999; 341: 1226–1227 15. Fraser V. Respirators and fit testing. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 633–635 16. Garrett DO, Dooley SW, Snider DE Jr, Jarvis WR. Mycobacterium Tuberculosis. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 477–503 17. Gershon RRM, Vlhov D, Escamilla-Cejudo JA, Badawi M, McDiarmid M, Karkashian C, Grimes M, Comstock GW. Tuberculosis risk in funeral home employees. J Occup Environ Med 1998; 40: 497–503 18. Hedrick E. Where’s the science? Surgical face masks vs particulate respirators. Am J Infect Control 2000; 28: 66–67 162 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 19. Hirsch CS, Johnson JL. Treatment of latent tuberculosis infection: new U.S. guidelines. Infect Dis Clin Pract 2001; 10: 93–99 20. Hofmann F, Schrenk C, Kleimeier B. Zum Tuberkuloserisiko von Beschäftigten im Gesundheitsdienst. Öff Gesundh-W 1990; 52: 177–180 21. Horsburgh CR Jr, Feldman S, Ridzon R. Practice guidelines for the treatment of tuberculosis. Clin Infect Dis 2000; 31: 633–639 22. Hutton MD, Stead WW, Cauthen GM, Bloch AB, Ewing WM. Nosocomial transmission of tuberculosis associated with a draining abscess. J Infect Dis 1990; 161: 286–295 23. Jarvis WR. Tuberculosis. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 515–535 24. Johnson KR, Braden CR, Cairns KL, Field KW, Colombel AC, Yang Z, Woodley CL, Morlock GP, Weber AM, Boudreau AY, Bell TA, Onorato IM, Valway SE, Stehr-Green PA. Transmission of Mycobacterium tuberculosis from medical waste. JAMA 2000; 284: 1683–1688 25. Kantor HS, Poblete R, Pusateri SL. Nosocomial transmission of tuberculosis from unsuspected disease. Am J Med 1988; 84: 833- 838 26. Kato-Maeda M, Small PM. User’s guide to tuberculosis resources on the internet. Clin Infect Dis 2001; 32: 1580–1588 27. Kellerman SE, Tokars JI, Jarvis WR. The costs of health care worker respiratory protection and fit-testing programs. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 629–634 28. Kenyon TA, Ridzon R, Luskin-Hawk R, Schultz C, Paul WS, Valway SE, Onorato IM, Castro K. A nosocomial outbreak of multidrug-resistant tuberculosis. Ann Int Med 1997; 127: 32–36 29. Loddenkemper R, Hauer B, Sagebiel D, Forßbohm M. Tuberkuloseepidemiologie in Deutschland und der Welt mit Schwerpunkt Osteuropa. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1999; 42: 683–693 30. Matlow AG, Harrison A, Monteath A, Roach P, Balfe JW. Nosocomial transmission of tuberculosis (TB) associated with care of an infant with peritoneal TB. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 222–223 31. McGowan JE Jr. Nosocomial tuberculosis: new progress in control and prevention. Clin Infect Dis 1995; 21: 489–505 32. McKenna MT, Hutton M, Cauthen G, Onorato IM. The association between occupation and tuberculosis: a population-based survey. Am J Respir Care Med 1996; 154: 587–593 33. Menzies D. Effect of treatment on contagiousness of patients with active pulmonary tuberculosis. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 582–586 34. Michele TM, Cronin WA, Graham NMH, Dwyer DM, Spies Pope D, Harrington S, Chaisson RE, Bishai WR. Transmission of Mycobacterium tuberculosis by a fiberoptic bronchoscope – identification by DNA fingerprinting. JAMA 1997; 278: 1093–1095 35. Nardell EA. Dodging droplet nuclei – reducing the probability of nosocomial tuberculosis transmission in the AIDS era. Am Rev Respir Dis 1990; 142: 501–503 36. Nardell EA. Fans, filters, or rays? Pros and cons of the current environmental tuberculosis control technologies. Infect Control Hosp Epidemiol 1993; 14: 681–685 37. Nardell EA. Is tuberculosis exposure a tuberculosis exposure if no one is infected? Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 582–586 38. Nardell EA. Tuberculosis. In: Abrutyn E, Goldmann DA, Scheckler WE (Hrsg.). Infection control reference service – the experts’ guide to the guidelines. 2. Auflage, WB Saunders Company, Philadelphia, 2001, 285–310 39. Niemann S, Richter E, Zyzik A, Rüsch-Gerdes S. Epidemiologie resistenter Tuberkulose in Deutschland. RKI InfFo 1998; III + IV: 55– 59 40. Nunn P. The global control of tuberculosis: What are the prospects? Scand J Infect Dis 2001; 33: 329–332 41. Rajagopalan S, Yoshikawa TT. Tuberculosis in long-term-care facilities. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 611–615 42. Reponen TA, Wang Z, Willeke K, Grinshpun SA. Survival of mycobacteria on N95 personal respirators. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 237–241 43. Ridzon R, Kenyon T, Luskin-Hawks R, Schultz C, Valway S, Onorato IM. Nosocomial transmission of human immunodeficiency virus and subsequent transmission of multidrug-resistant tuberculosis in a healthcare worker. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 422–423 44. Rie A van, Warren R, Richardson M, Victor TC, Gie RP, Enarson DA, Beyers N, Helden PD van. Exogenous reinfection as a cause of Tuberkulose 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. recurrent tuberculosis after curative treatment. N Engl J Med 1999; 341: 1174–1179 Riley RL.The hazard is relative.Am Rev Respir Dis 1967; 96: 623–625 Rivera P, Louther J, Mohr J, Campbell A, DeHovitz J, Sepkowitz KA. Does a cheaper mask save money? The cost of implementing a respiratory personal protective equipment program. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 24–27 Robert-Koch-Institut. Zur Strukur der Tuberkulose-Morbidität in Deutschland – Ergebnisse der Studie des DZK zur Epidemiologie der Tuberkulose. Epidemiol Bull 1998; 49: 349–351 Rüsch-Gerdes S. Moderne Aspekte der Mykobakteriendiagnostik. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1999; 42: 713–716 Schaberg T. Behandlung der tuberkulösen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1999; 42: 694–705 Segal-Maurer S, Kalkut GE. Environmental control of tuberculosis: continuing controversy. Clin Infect Dis 1994; 19: 299–308 Sepkowitz KA, Raffalli J, Riley L, Kiehn TE, Armstrong D. Tuberculosis in the AIDS era. Clin Microbiol Rev 1995; 8: 180–199 Sepkowitz KA. How contagious is tuberculosis? Clin Infect Dis 1996; 23: 954–962 Sepkowitz KA. Further adventures of the tubercle bacillus. JAMA 2000; 284: 1701–1702 Small PM, Fujiwara PI. Management of tuberculosis in the United States. N Engl J Med 2001; 345: 189–200 Spicher G, Peters J. Kommentar zu den Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes zur 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 163 Durchführung der Desinfektion. Bundesgesundheitsbl 1987; 30: 265–273 Sterling TR, Pope DS, Bishai WR, Harrington S, Gershon RR, Chaisson RE. Transmission of Mycobacterium tuberculosis to an embalmer. N Engl J Med 2000; 342: 246–248 Templeton GL, Illing LA, Young L, Cave D, Stead WW, Bates JH. The risk for transmission of Mycobacterium tuberculosis at the bedside and during autopsy. Ann Int Med 1995; 122: 922–925 Waecker NJ, Stefanova R, Cave MD, Davis CE, Dankner WM. Nosocomial transmission of Mycobacterium bovis bacille CalmetteGuerin to children revceiving cancer therapy and to their health care providers. Clin Infect Dis 2000; 30: 356–362 Weinstein JW, Barrett CR, Baltimore RS, Hierholzer WJ Jr. Nosocomial transmission of tuberculosis from a hospital visitor on a pediatric ward. Ped Infect Dis J 1995; 14: 232– 234 Wheeler PW, Lancaster D, Kaiser AB. Bronchopulmonary cross-colonization and infection related to mycobacterial contamination of suction valves of bronchoscopes. J Infect Dis 1989; 159: 954–958 Wilcox MH. Protection against hospital-acquired tuberculosis, American style: a report on the 4th annual meeting of the Society for Hospital Epidemiology of America (SHEA), New Orleans, 1994. J Hosp Infect 1995; 29: 165–168 Woeltje KF. Tuberculosis: what you don’t know can hurt you. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 626–628 164 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Anästhesiologie In der Anästhesie werden vielfältige invasive Techniken angewendet, die prinzipiell alle mit einem teilweise beträchtlichen Infektionsrisiko assoziiert sind. Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen und aseptisches Arbeiten bei Injektionen, Punktionen und ebenso beim Intubieren sind deshalb entscheidende Voraussetzungen für die Prävention von Infektionen (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“). Als Mitarbeiter der Operationsabteilung ist das Anästhesiepersonal darüber hinaus an die dort üblichen Hygieneregeln gebunden (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). Intubationsnarkosen Der Umgang mit Narkosezubehör für Inhalationsnarkosen ist heute durch die Qualität des Materials sowie durch einfache und sichere maschinelle Aufbereitungsmöglichkeiten aus hygienischer Sicht relativ unkompliziert (siehe unten). Für die Verwendung von Einmal-Material gibt es deshalb keine Veranlassung. Wechsel des Narkoseschlauchsystems ■ Schlauchwechsel nach jedem Patienten (keine Filter etc.) oder ■ Verwendung von HME (Heat-andmoisture exchanger, sog. künstliche Nasen) oder bakteriendichter Filter (mit oder ohne HME-Funktion) und Wechsel des HME nach jedem Patienten, während das Schlauchsystem für die folgenden Narkosen weiterverwendet wird (dann Aufbereitung nur einmal täglich, möglicherweise auch seltener) ■ HME bzw. Filter zu verwenden und diese zusammen mit dem Schlauchsystem nach der Narkose zu wechseln, ist auch bei Patienten mit Infektionen der Atemwege, wie insbesondere auch Tuberkulose, nicht erforderlich. Kreissystem ■ Wechsel bei den modernen Narkosegeräten alle 72 Stunden, wöchentlich bzw. nach einer bestimmten vom Hersteller angegebenen Zahl von Betriebsstunden ■ Kein Wechsel nach Einsatz bei Patienten mit Tuberkulose erforderlich Sowohl der Wechsel des Schlauchsystems nach jedem Patienten als auch der alternative Einsatz von HME sind aus hygienischer Sicht adäquate Maßnahmen, um eine Übertragung potenziell pathogener Erreger zu verhindern. Für den Einsatz bakteriendichter Filter gibt es jedoch keine Grundlage, da aufgrund der Daten in der Fachliteratur weder Narkosegase noch das Narkosegerät als Erregerreservoir für postoperative Pneumonien in Frage kommen [4–8, 12]. Narkoseausleitung Die Ausleitung der Narkose kann sowohl im Ein-/Ausleitungsraum als auch im Operationssaal stattfinden. Aus hygienischer Sicht gibt es keine Präferenz; entscheidend sind allein organisatorische Gesichtspunkte. Anästhesiologie Moderne bauliche Konzepte für Operationsabteilungen sehen z.T. ohnehin keine Ein-/Ausleitungsräume mehr vor, weil die dafür notwendigen Flächen besser genutzt und damit die Investitionen für die teuren technischen Vorrichtungen eingespart werden können [9]. Man hätte dann z.B. zwei nebeneinander liegende Operationssäle, wobei im einen Saal die Ausleitung stattfindet, während im Nachbarsaal der nächste Patient bereits eingeleitet wird. Damit wären Räume und Technik optimal genutzt. Regionalanästhesien Die Allgemeinnarkose durch Inhalation ist in zahlreichen Fällen durch die verschiedenen Möglichkeiten der heute durchführbaren Regionalanästhesien ersetzt worden, die auch postoperativ oder bei chronischen Schmerzen für die Schmerztherapie genutzt werden können. Gemeinsam haben alle diese Formen (von der rückenmarksnahen Regionalanästhesie über die Anästhesie der Extremitäten mittels Plexusblockade bis hin zu den Leitungsanästhesien im Bereich der Hände und Füße), dass sie bedingt durch die Notwendigkeit der Punktion und Injektion in sterile Körperareale mit lokalen und systemischen Infektionsrisiken verbunden sind. Intraspinale Abszessbildung und durch vergrünende Streptokokken (vermutlich aus dem Respirationstrakt des Personals) verursachte Meningitis nach Spinalanästhesien sind mehrfach berichtet worden [2, 3, 8, 10, 11, 14]. Aber auch Weichteilinfektionen, z.B. nach Fußblockade, können schwer wiegende Folgen für den Patienten haben. Deshalb müssen auch bei einfachen Regionalanästhesien die Standard-Hygienemaßnahmen sorgfältig beachtet werden. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen erforderlich: 165 ■ Sorgfältige Händedesinfektion ■ Gründliche und großflächige Hautdesinfektion im Bereich der Punktionsstelle ■ Aseptische Handhabung von Spritzen, Kanülen und Medikamenten ■ Sterile Handschuhe und Abdecktücher bei Spinalanästhesien und tiefen Infiltrationen im Bereich der ExtremitätenPlexus ■ Bei Spinalanästhesien soll während der Vorbereitung der Medikamente, während Punktion, ggf. Legen von SpinalKathetern und bei den Injektionen so wenig wie möglich gesprochen werden; dies ist wahrscheinlich wichtiger, als eine Maske zu tragen, obwohl diese zweifellos einen partiellen Schutz gewährleisten kann [13]. Intravenöse Anästhesien Die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen ist eine wichtige Voraussetzung für die Infektionsprävention bei Gabe intravenöser Medikamente [8]. Hinzu kommt die absolute Notwendigkeit, mit Mehrdosis-Behältnissen so sorgfältig umzugehen, dass eine exogene Kontamination des Inhalts nicht stattfinden kann [8]. Wenn es zu Infektionen im Zusammenhang mit intravenösen Anästhesieverfahren kommt, sind nahezu immer Fehler in der aseptischen Technik dafür verantwortlich. Deshalb: ■ Intravenöse Anästhetika nicht vorrichten ■ Für jeden Patienten neues Injektionszubehör verwenden ■ Reste von Narkoselösungen nicht bei anderen Patienten weiterverwenden Propofol Besondere Bedeutung unter den intravenös angewendeten Anästhetika hat Propo- 166 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen fol, mit dessen Applikation mehrfach Ausbrüche verbunden waren [1, 8, 15]. Die meisten Anästhetika liegen einerseits in schwach saurer Lösung vor, wodurch schon allein das mikrobielle Wachstum gehemmt wird, und enthalten andererseits Konservierungsstoffe. Bei Propofol dagegen ist die Lösung lipidhaltig und nicht mit Konservierungsstoffen versetzt. Dadurch ist Propofol für eine exogene Kontamination sehr anfällig [1, 8]. Wenn also bei der Entnahme von Propofol aus der Ampulle keine vollständig aseptische Technik angewendet wird, kann es zu einer Kontamination der Lösung kommen, die eine Infektion verursachen kann [8, 15]. Aus diesem Grund macht auch der Hersteller ausdrückliche Angaben zum Umgang mit der Substanz: ■ Nach dem Öffnen der Ampulle gleich in eine sterile Spritze aufziehen ■ Anschließend sofort mit der Verabreichung beginnen ■ Jede Ampulle nur bei einem einzigen Patienten einsetzen ■ Die verwendete Spritze sowie etwaige Reste in der Ampulle am Ende der Operation entsorgen Maßnahmen nach der Operation Aufwachraum In Hinsicht auf die Infektionsprävention ist es unerheblich, ob der Aufwachraum in die Operationsabteilung integriert ist (erkennbar daran, dass das Personal ebenfalls die in der Operationsabteilung übliche Bereichskleidung trägt) oder als angrenzender, aber außerhalb liegender Bereich geführt wird. Das Anästhesie-Personal kann in jedem Fall die Patienten in den Aufwachraum begleiten, ohne sich anschließend frische Bereichskleidung anziehen zu müssen. Das postoperative Infektionsrisi- ko bleibt davon unbeeinflusst, auch wenn Operateure gelegentlich etwas anderes behaupten. Reinigung und Desinfektion Für die Reinigung und Desinfektion werden – abhängig von der Verträglichkeit der Materialien – vorzugsweise thermische Verfahren eingesetzt (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Der überwiegende Teil des Anästhesiezubehörs kann in Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen aufbereitet und braucht anschließend, wie z.B. Narkoseschläuche, nicht zusätzlich sterilisiert zu werden. Narkosegeräte werden außen mit Reinigungs- oder (meist) Desinfektionsmittel abgewischt und für den nächsten Patienten neu bestückt. Maßnahmen zur Desinfektion des Inneren der Geräte, wie sie früher mit der Formaldehydkammer versucht wurden, sind ineffektiv und darüber hinaus überflüssig, da es zu keiner Kontamination im Inneren kommt, die desinfizierende Maßnahmen erforderlich machen würde. Literatur 1. Arduino MJ, Bland LA, McAllister SK, Aguero SM, Villarino ME, McNeil MM, Jarvis WR, Favero MS. Microbial growth and endotoxin production in the intravenous anesthetic propofol. Infect Control Hosp Epidemiol 1991; 12: 535–539 2. Byers K, Axelrod P, Michael S, Rosen S. Infections complicating tunneled intraspinal catheter systems used to treat chronic pain. Clin Infect Dis 1995; 21: 403–408 3. Dawson SJ. Epidural catheter infections. J Hosp Infect 2001; 47: 3–8 4. DuMoulin GC, Saubermann AJ. The anesthesia machine and circle system are not likely to be sources of bacterial contamination. Anesthesiol 1977; 47: 353–358 5. Feeley TW, Hamilton WR, Xavier B, Moyers J, Eger II EJ. Sterile anesthesia breathing cir- Anästhesiologie 6. 7. 8. 9. 10. cuits do not prevent postoperative pulmonary infection. Anesthesiol 1981; 54: 369–372 Garibaldi RA, Britt MR, Webster C, Pace NL. Failure of bacterial filters to reduce the incidence of pneumonia after inhalation anesthesia. Anesthesiol 1981; 54: 364–368 Hassel van S, Laveaux M, Leenders M, Kaan JA, Mintjes J. Bacterial filters in anesthesia: results of 9 years of surveillance. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 58–60 Herwaldt LA, Pottinger JM, Coffin SA. Nosocomial infections associated with anesthesia. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 847–874 Holst D, Wendt M. Ist unsere OP-Konzeption heute noch zeitgerecht? Neue Ablaufkonzepte in der Anästhesie. Anästhesiol Intensivmed 1996; 37: 315–319 Holt HM, Andersen SS, Andersen O, GahrnHansen B, Siboni K. Infections following epidural catheterization. J Hosp Infect 1995; 30: 253–260 167 11. Newton JA Jr, Lesnik IK, Kennedy CA. Streptococcus salivarius meningitis following spinal anesthesia. Clin Infect Dis 1994; 18: 840–841 12. Nielsen H, Vasegaard M, Stokke DB. Bacterial contamination of anaesthetic gases. Br J Anaesthes 1978; 50: 811–814 13. Philips BJ, Fergusson S, Armstrong P, Anderson FM, Wildsmith JAW. Surgical face masks are effective in reducing bacterial contamination caused by dispersal from the upper airway. Br J Anaesthes 1992; 69: 407–408 14. Sarubbi FA, Vasquez JE. Spinal epidural abscess associated with the use of temporary epidural catheters: report of two cases and review. Clin Infect Dis 1997; 25: 1155–1158 15. Seeberger MD, Staender S, Oertli D, Kindler CH, Marti W. Efficacy of specific aseptic precautions for preventing propofol-related infections: analysis by a quality-assurance programme using the explicit outcome method. J Hosp Infect 1998; 39: 67–70 168 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Augenheilkunde Nosokomiale Augeninfektionen sind sehr selten, können aber in Neugeborenen-Abteilungen einen relevanten Anteil an den nosokomialen Infektion haben; wenn es sich aber nicht um schwere Infektionen am Auge, wie z.B. Endophthalmitis, handelt, werden Augeninfektionen außer bei Neugeborenen aber auch häufig nicht wahrgenommen [13, 18]. Ursachen nosokomialer Augeninfektionen Postoperative Augeninfektionen Im Zusammenhang mit Operationen können exogene und endogene Erregerreservoire für Infektionen verantwortlich sein (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“) [4, 6, 11, 13, 15, 18]: Exogene Erregerreservoire Kontaminationen von intraoperativ angewendeten Lösungen, Instrumenten oder Geräten inkl. Zubehör können Ursache von postoperativen Augeninfektionen sein, z.B. ■ Spüllösungen ■ Haut- und Schleimhautdesinfektionsmittel ■ Implantate (Kunststofflinsen) ■ Transplantate (Hornhaut) ■ Chirurgische Instrumente ■ Operationsmikroskop ■ Silikonschläuche für Phakoemulsifikations- und Vitrektomiegerät Die häufigsten Erreger sind dabei: ■ Enterobakteriazeen ■ Pseudomonas spp. ■ Sprosspilze ■ Koagulase-negative Staphylokokken ■ Pneumokokken Endogenes Erregerreservoir Eine bei weitem größere Rolle als Keime aus der Umgebung spielt die körpereigene Flora des Patienten. Durch die physiologische Besiedlung des äußeren Auges und der Tränenflüssigkeit ist natürlicherweise ein potenzielles Erregerreservoir für postoperative Infektionen vorhanden [13, 18]. Operationsunabhängige Augeninfektionen Sowohl exogene als auch endogene Erregerreservoire können bei Infektionen am Auge, die unabhängig von Operationen auftreten, verantwortlich sein [2, 3, 8, 13, 18]: Exogene Erregerreservoire Kontaminationen des Auges über direkten oder indirekten Kontakt können für Augeninfektionen verantwortlich sein. Dabei spielen die Hände des Personals die bedeutendste Rolle, z.B. unzureichende Händehygiene bei Versorgung von Neugeborenen mit Konjunktivitis oder Patienten mit Keratoconjunctivitis epidemica (siehe unten). Bei Erregerübertragungen durch indirekten Kontakt kann es sich z.B. um kontaminierte Augentropfen oder Augensalbe handeln. Deshalb ist die vorsichtige Handhabung bei der Applikation von Medikamenten aus Mehrdosis-Behältnissen, die bei Augenheilkunde verschiedenen Patienten zum Einsatz kommen, von großer Bedeutung. Jegliche Berührung mit dem Patienten, z.B. der Augenpipette auch nur mit den Wimpern, muss vermieden werden. Ansonsten muss das Fläschchen etc. verworfen werden. Bei Verwendung einer Salbentube für mehrere Patienten soll deshalb die Applikation der Salbe mit einem Glasstäbchen erfolgen. Für Patienten mit Infektionen am Auge sollen immer eigene Medikamente verwendet werden, wobei auch dann Berührungen vermieden werden müssen, damit es nicht zu einer Rekontamination des Auges kommen kann. Bei beatmeten Intensivpatienten ist ein Infektionsrisiko dann gegeben, wenn beim endotrachealen Absaugen das Auge mit respiratorischem Sekret kontaminiert wird (unvollständiger Lidschluss bei komatösen Patienten). Deshalb soll der Katheter nach dem Absaugen nicht über die obere Gesichtshälfte des Patienten geführt werden [8]. Endogenes Erregerreservoir Unter begünstigenden Bedingungen, wie z.B. Austrocknung oder Verletzung, kann auch die ortsständige Flora des Auges zu Infektionen führen. Sehr selten kann es über eine hämatogene Aussaat von Erregern aus einer Infektion an einer anderen Körperstelle oder via Translokation von Erregern aus dem Darm (siehe Kapitel B.4 „Bakteriämie“) zu einer Absiedlung im Auge und einer Endophthalmitis kommen. Beim Nachweis bestimmter Erreger im Blut, wie insbesondere Candida spp. und Bacillus spp., für deren Absiedlung das Auge eine Prädilektionsstelle darstellt, muss man auch ohne klinische Symptomatik immer eine Beteiligung des Auges ausschließen und ein augenärztliches Konsil einholen [5, 15]. 169 Keratoconjunctivitis epidemica Die durch Adenoviren (vor allem Typ 8) verursachte Keratoconjunctivitis epidemica (sog. „Epidemica“) ist in der Regel sehr kontagiös und nimmt deshalb unter den Augeninfektionen einen besonderen Platz ein [1, 7, 10, 12, 17]. Die Infektion wird über direkten und indirekten Kontakt, aber nicht, wie gelegentlich angenommen wird, aerogen übertragen. Bis ca. zwei Wochen nach Auftreten der ersten klinischen Symptome müssen die Patienten als infektiös betrachtet werden. Nicht selten macht die Versorgung infizierter Patienten unter stationären Bedingungen Probleme, und zwar insbesondere, wenn es sich um die typischen Patienten ophthalmologischer Stationen handelt. Dies sind alte Menschen, die häufig schlecht sehen, weshalb sie ja auch ins Krankenhaus kommen. Diese Patienten in ihren Zimmern zu isolieren bzw. zu erreichen, dass sie sich möglichst nicht in die Augen fassen und insgesamt auf eine sorgfältige persönliche Händehygiene achten, ist kaum realisierbar. Man muss also unter solchen Bedingungen von einer beträchtlichen Kontamination des unbelebten Umfeldes ausgehen, wodurch andere Personen (Mitpatienten und Personal) prinzipiell gefährdet sind, wenn sie nicht ihrerseits auf eine konsequente Händehygiene achten, um indirekte Übertragungen zu vermeiden. In sporadischen Fällen wird man deshalb immer versuchen, den betroffenen Patienten nach Hause zu entlassen. Hat man mehrere infizierte Patienten, sei es im Rahmen eines Ausbruchs innerhalb des Krankenhauses oder aufgrund jahreszeitlicher Häufungen in der Bevölkerung, ergeben sich daraus erhebliche organisatorische Probleme, weil man meist nicht alle Patienten nach Hause entlassen bzw. ins 170 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Pflegeheim zurückverlegen kann (dann würde das Problem nur verschoben). Man muss unter diesen Umständen versuchen, die Umgebungskontamination so gering wie möglich zu halten. Jeder Patient muss entsprechend informiert und immer wieder daran erinnert werden, dass bei Kontakt mit dem Gesicht eine Kontamination der Hände und nachfolgend die Kontamination der Umgebung mit den Erregern möglich ist. An möglichst vielen Stellen der Station innerhalb und außerhalb der Patientenzimmer, also auch auf den Fluren, sollen gut sichtbar Flaschen mit Händedesinfektionsmittel stehen, weil damit das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Händehygiene wach gehalten werden kann. Eine erhöhte Reinigungsfrequenz der Stellen, die häufig mit den Händen berührt werden, ist in solchen Situationen zumindest hilfreich. Der Zusatz von Desinfektionsmitteln erscheint hier nicht erforderlich, weil einerseits Adenoviren als hüllenlose Viren ohnehin relativ resistent gegen Desinfektionsmittel sind, weil aber andererseits allein schon die mechanische Reinigung durch Wischen einen wesentlichen Teil der mikrobiellen Kontamination, also auch der viralen, beseitigt. Wichtig ist vor allem Sauberkeit. Händehygiene Die Übertragung von Mensch zu Mensch via direkten oder indirekten Kontakt kann nur durch sorgfältige Händehygiene verhütet werden. Dem Patienten muss die Notwendigkeit der Händereinigung erklärt und eine effektive Methode gezeigt werden (siehe dazu Kapitel B.1 „StandardHygiene“). Um den Stellenwert dieser Maßnahmen für den Patienten noch zu unterstreichen, kann man ihm ein Händedesinfektionsmittel geben und ihn bitten, dies zusätzlich anzuwenden. Von großer Be- deutung ist aber schon allein der mechanische Spüleffekt, den man am besten mit warmem Wasser und Seife erreicht. Auch für das Personal ist Händehygiene die wichtigste Maßnahme, um Übertragungen bzw. Selbstinokulation zu vermeiden. Bei jedem Kontakt mit dem Gesicht eines Patienten mit „rotem Auge“, also insbesondere bei jeder augenärztlichen Untersuchung, müssen darüber hinaus Handschuhe getragen werden, um die Kontamination der Hände so gering wie möglich zu halten. Anschließend ist es besonders wichtig, die Handschuhe sofort wieder auszuziehen, um nicht die Umgebung damit zu kontaminieren. Dekontamination von Gegenständen mit Patientenkontakt Die Übertragung durch indirekten Kontakt mit Instrumenten oder Geräten, die bei der Untersuchung der Patienten verwendet werden, kann nur durch gründliche Reinigung und ggf. Desinfektion verhindert werden (siehe unten). Diese Maßnahmen müssen im Übrigen immer, also ungeachtet der epidemiologischen Situation, eingehalten werden, weil auch ohne klinische Symptomatik, d.h. „rotes Auge“, ein Patient bereits infiziert sein und deshalb ein Erregerreservoir darstellen kann. Bei Entlassung bzw. Verlegung eines Patienten werden die Pflegeutensilien mitgegeben oder verworfen und das Zimmer gründlich gereinigt. Patienteninformation Damit die Patienten wissen, wie sie sich in ihrem privaten Leben mit ihrer Augeninfektion zu verhalten haben, ist es empfehlenswert, ihnen ein Merkblatt auszuhändigen, auf dem sie die wichtigsten Informationen zusammengefasst nachlesen können. Dies kann beispielsweise folgendermaßen aussehen: Augenheilkunde Patienteninformation zur Keratoconjunctivitis epidemica Die Keratoconjunctivitis epidemica (sog. „Epidemica“ oder „Augengrippe“) ist eine Augeninfektion, die von Viren verursacht wird und eine schmerzhafte Entzündung des Auges (gerötetes Auge) hervorrufen kann. In aller Regel verschwinden die Symptome innerhalb kurzer Zeit ähnlich einer „Grippe“ wieder von selbst. Die Infektion ist aber sehr ansteckend und kann deshalb leicht auf andere Personen der Familie oder des Bekanntenkreises übertragen werden. Die folgenden Hinweise sollen Ihnen helfen, eine Übertragung der Erreger zu vermeiden: 1. Achten Sie darauf, Ihre Augen so wenig wie möglich zu berühren. Wenn Sie aber Kontakt mit den Augen hatten, dann waschen Sie gleich danach Ihre Hände gründlich mit warmem Wasser und Seife. 2. Verwenden Sie keine Gegenstände gemeinsam mit anderen Personen, die Kontakt mit Ihren Augen oder Händen hatten, wie insbesondere Waschlappen, Handtücher, Kopfkissen und (Sonnen-) Brillen. 3. Wenn Sie zu einem Arzt müssen oder zur Kontrolle in die Augenklinik kommen, sagen Sie schon bei der Anmeldung, dass Sie eine Keratoconjunctivitis epidemica haben. 4. Während der Erkrankung sind Sie nicht arbeitsfähig, Sie sollten den Kontakt mit anderen Personen möglichst meiden. 171 gungen und sonstige Schädigungen der Patienten zu verhüten (siehe dazu auch Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“).Abhängig davon, wie eng der Kontakt von Instrumenten bzw. Geräten mit dem Auge des Patienten ist, unterscheidet man Gegenstände mit hohem und mit niedrigem Übertragungsrisiko [2, 3, 13, 14, 18]: Hohes Übertragungsrisiko Druckhütchen und Kontaktgläser ■ Sofort nach der Anwendung mit einem Zellstofftupfer gründlich abwischen ■ Anschließend z.B. für 5 Minuten in z.B. 80%igen Alkohol einlegen (alternativ 10 Minuten in 2,5%ige alkalische Glutaraldehydlösung) ■ Kontaktfläche vollständig und luftblasenfrei eintauchen (ggf. mit Metallsieb beschweren) ■ Anschließend Alkohol verdunsten lassen bzw. Desinfektionsmittelreste unter fließendem Wasser sorgfältig abspülen und abtrocknen Das alleinige Abwischen mit Alkohol ist keine regelrechte Desinfektion. Der Erfolg dieser Maßnahme hängt entscheidend von der Sorgfalt der Durchführung ab. Obwohl in experimentellen Untersuchungen als wirksam beschrieben [16], dürfte damit in der täglichen Praxis ein relevantes Übertragungsrisiko verbunden sein. Deshalb muss eine genügende Anzahl von Druckhütchen etc. angeschafft werden, um sie nach Einsatz am Patienten (wie oben beschrieben) effektiv reinigen und desinfizieren zu können. Reinigung und Desinfektion Im Folgenden werden Hinweise gegeben, wie die verschiedenen für die Augenheilkunde spezifischen Gegenstände und Geräte gereinigt und ggf. desinfiziert bzw. sterilisiert werden müssen, um Erregerübertra- Schioetz-Geräte ■ Nach Gebrauch Gewicht vom Gewinde des Stiftes abdrehen ■ Stift entnehmen und mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen 172 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Hohlraum zunächst mit Aqua dest. durchspülen und anschließend mit einer Spezialbürste (z.B. Pfeifenreiniger) trocknen ■ Gerät wieder zusammensetzen und mit Heißluft sterilisieren ■ In geschlossenem Gehäuse aufbewahren Ultraschallsonde ■ Sofort nach Gebrauch gründlich mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen ■ Anschließend Alkohol verdunsten lassen Kontaktlinsen ■ Weiche und harte Kontaktlinsen für 10 Minuten in 3%ige WasserstoffperoxidLösung einlegen (Herstellerangaben beachten) ■ Anschließend mit Leitungswasser abspülen und je nach Material trocken oder in spezieller Lösung, die regelmäßig gewechselt werden muss, aufbewahren ■ Weiche Kontaktlinsen aus SilikonHydrogel für den Langzeit-Gebrauch (Einweg-Produkte, die Tag und Nacht getragen werden und nach mindestens einer Woche bis längstens vier Wochen verworfen werden sollen) sind mit einem erhöhten Keratitis-Risiko assoziiert, weshalb ihre Anwendung nicht empfohlen werden kann [3]. Endoskop für Tränengangoperationen ■ Spülen mit Aqua dest., trocknen und anschließend in Sterilisierfolie verpacken, vorzugsweise Plasmasterilisation, ggf. auch Formaldehydgassterilisation ■ Alternativ, wenn nicht genügend Endoskope zur Verfügung stehen, nach Gebrauch mit Aqua dest. spülen und anschließend in 2,5%ige alkalische Glutaraldehyd-Lösung für mindestens 20 Mi- nuten so einlegen, dass alle Oberflächen luftblasenfrei in die Lösung eintauchen ■ Anschließend mit sterilen Handschuhen aus der Lösung nehmen und mit sterilem Aqua dest. die Desinfektionsmittelreste gründlich abspülen, mit sterilen Kompressen trocknen und bis zum nächsten Gebrauch z.B. in Sterilisierfolie einschweißen (als „desinfiziert“ beschriften) Vitrektomiegerät etc. und Silikonschlauchsystem ■ Schläuche nach der Operation vom Gerät abnehmen und mit Aqua dest. gründlich durchspülen, anschließend mit Druckluft innen trockenblasen und außen mit Kompressen trocknen ■ Zusammen mit dem anderen Zubehör (Handstück etc.) z.B. in speziellem Metallcontainer autoklavieren ■ Wichtig ist, die Schläuche nicht in Desinfektions- (oder Reinigungs-)Lösung einzulegen, weil auch nach gründlichem Spülen Reste der Mittel im bzw. am Silikon zurückbleiben können, die zu toxischen Schädigungen am Auge der nachfolgend operierten Patienten führen können. ■ Da, wenn auch sehr selten, Kontaminationen im Inneren der Geräte vorkommen können, muss das Verbindungsstück zum Druckaufnehmer nach jeder Operation mit Alkohol abgewischt werden; sicherer ist die Verwendung eines bakteriendichten Filters an dieser Stelle, der einmal täglich gewechselt werden kann [9]. Niedriges Übertragungsrisiko Spaltlampe ■ Teile mit Patientenkontakt (z.B. mit Stirn oder Händen) mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen Augenheilkunde ■ Teile ohne Patientenkontakt mit Reinigungsmittel abwischen ■ An der Kinnstütze nach jedem Patienten die Papierauflage wechseln Gerät zur Prüfung des Gesichtsfeldes ■ Kinnstütze und Stirnband wie bei der Spaltlampe behandeln ■ Restliche Teile ohne Patientenkontakt mit Reinigungsmittel abwischen Andere Gegenstände ■ Glasstäbchen zur Salbenapplikation entweder manuell reinigen und sterilisieren oder in Reinigungs- und Desinfektionsmaschine (RDM) vollautomatisch reinigen und thermisch desinfizieren ■ Augenklappen, Gitterbrillen und Augenspreizer in RDM reinigen und desinfizieren ■ Anschließend alle Gegenstände staubgeschützt aufbewahren Literatur 1. Breuer J, Jeffries DJ. Control of viral infections in hospitals. J Hosp Infect 1990; 16: 191–221 2. Cheng KH, Leung SL, Hoekman HW, Beekhuis WH, Mulder PGH, Geerards AJM, Kijlstra A. Incidence of contact-lens-associated microbial keratitis and its related morbidity. Lancet 1999; 354: 181–185 3. Dart J. Extended-wear contact lenses, microbial keratitis, and public health. Lancet 1999; 354: 174–175 4. Elston RA, Chattopadhyay B. Postoperative endophthalmitis. J Hosp Infect 1991; 17: 243– 253 5. Flowers CW Jr. Managing eye infections in older adults. Infect Dis Clin Pract 1998; 7: 447–458 6. Heaven CJ, Mann PJ, Boase DL. Endophthalmitis following extracapsular cataract surgery: a review of 32 cases. Br J Ophthalmol 1992; 76: 419–423 7. Hendley JO. Epidemic keratoconjunctivitis and hand washing. N Engl J Med 1973; 289: 1368 173 8. Hilton E, Uliss A, Samuels S, Adams AA, Lesser ML, Lowry FD. Nosocomial bacterial eye infections in intensive-care units. Lancet 1983; 1: 1318–1320 9. Kappstein I, Schneider CM, Grundmann H, Scholz R, Janknecht P. Long-lasting contamination of a vitrectomy apparatus with Serratia marcescens. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 192–195 10. Koo D, Bouvier B, Wesley M, Courtright P, Reingold A. Epidemic keratoconjunctivitis in a university medical center ophthalmology clinic; need for re-evaluation of the design and disinfection of instruments. Infect Control Hosp Epidemiol 1989; 10: 547–552 11. Montecalvo MA, Karmen CL, Alampur SK, Kauffman DJH, Wormser GP. Contaminated medical solutions associated with endophthalmitis. Infect Dis Clin Pract 1993; 2: 199– 202 12. Montessori V, Scharf S, Holland S, Werker DH, Roberts FJ, Bryce E. Epidemic keratoconjunctivitis outbreak at a tertiary referral eye care clinic. Am J Infect Control 1998; 26: 399–405 13. Peacock JE. Eye infections. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3.Aufl.,Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 977–993 14. Robert-Koch-Institut. Keratoconjunctivitis epidemica – Erkennung und Verhütung. Merkblatt für Ärzte. Bundesgesundheitsbl 1999; 42: 284–286 15. Shrader SK, Band JD, Lauter CB, Murphy P. The clinical spectrum of endophthalmitis: incidence, predisposing factors, and features influencing outcome. J Infect Dis 1990; 162: 115–120 16. Threlkeld AB, Frogatt JW III, Schein OD, Forman MS. Efficacy of a disinfectant wipe method for the removal of adenovirus 8 from tonometer tips. Ophthalmol 1993; 100: 1841– 1845 17. Warren D, Nelson KE, Farrar JA, Hurwitz E, Hierholzer J, Ford E, Anderson LJ. A large outbreak of epidemic keratoconjunctivitis: problems in controlling nosocomial spread. J Infect Dis 1989; 160: 938–943 18. Weber DJ, Durand M, Rutala WA. Nosocomial ocular infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 287–299 174 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Dialyse Dialyse-Patienten sind – abhängig vom Dialyse-Verfahren (Hämo- oder Peritonealdialyse) – unterschiedlichen Infektionsrisiken ausgesetzt [3, 5–11, 16, 20]. Insgesamt spielen Infektionen im Rahmen der Dialyse neben den durch die Grundkrankheiten gegebenen Gesundheitsrisiken die größte Rolle. Im Folgenden werden die Ursachen für Infektionen bei Hämodialyse und Peritonealdialyse behandelt sowie Empfehlungen für deren Prävention gegeben. Für die Verfahren der Hämofiltration gelten die gleichen Hygienemaßnahmen wie im Umgang mit anderen intravasalen Kathetern, weshalb dazu auf Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“ und Kapitel B.4 „Bakteriämie“ verwiesen werden kann. Hämodialyse Die häufigsten Infektionen im Zusammenhang mit der Hämodialyse sind 1) lokale Infektionen im Bereich von zentralen Venenkathetern (ZVK) bzw. des Shunts, 2) systemische Komplikationen infolge Bakteriämie bzw. Endotoxin-bedingten pyrogenen Reaktionen durch Kontamination von Dialysat, Dialysator oder DialyseSchlauchsystem und 3) mit Blut übertragbare Virusinfektionen, in erster Linie Hepatitis B [3, 5–11, 14, 16, 18–20]. Ein korrekter Umgang mit dem Dialyse-Gerät inkl. Wasseraufbereitung, mit Dialyse-Kathetern bzw. Shunt und die Maßnahmen der Standard-Hygiene, insbesondere disziplinierte und sorgfältige Händehygiene, stehen deshalb bei der Infektionsprävention im Mittelpunkt. Dialyse-Gerät Bei der Hämodialyse werden Blut und Dialysat gleichzeitig auf gegenüberliegenden Seiten einer semipermeablen Membran, dem Dialysator, entlanggeführt. Durch diese Membran diffundieren die harnpflichtigen Substanzen aus dem Blut in das isotonische und isoionische Dialysat. Das Konzentrationsgefälle wird durch große Mengen Dialysat aufrecht erhalten. Theoretisch können Bakterien, Viren und Proteine etc. eine intakte Dialyse-Membran nicht passieren. Minimale Läsionen der Membran können aber den Übertritt von Mikroorganismen oder Toxinen in beide Richtungen zulassen. Deshalb muss durch geeignete Maßnahmen ■ bei der Aufbereitung des für die Herstellung des Dialysats notwendigen Wassers, ■ bei der Zumischung des Dialyse-Konzentrats, ■ bei der Führung von Wasser und Dialysat zum Dialyse-Gerät, ■ im Umgang mit dem Dialyse-Schlauchsystem bei der Aufrüstung des DialyseGerätes und ■ bei der Desinfektion des Dialyse-Gerätes dafür gesorgt werden, dass eine Kontamination des Systems nicht zustande kommen oder eliminiert werden kann. Wasseraufbereitung Trinkwasser muss für die Dialyse aufbereitet werden, um Mikroorganismen und Dialyse Fremdstoffe, wie Chlor, gelöste Salze und Metallionen etc., zu entfernen [2, 4, 7–9, 15]: ■ Das optimale Verfahren ist die Umkehrosmose, womit man durch eine nur für Wassermoleküle passierbare Membran mikrobiologisch und chemisch nahezu reines Wasser erhält [7, 8]. Mikroläsionen der Membran können jedoch vorkommen und die Passage von Bakterien oder Endotoxin ermöglichen. ■ Die UV-Licht-Behandlung ist ungeeignet, weil nicht alle Bakterien gleich empfindlich gegen UV-Licht sind und weil der Endotoxin-Gehalt des Wassers dadurch nicht beeinflusst wird [4, 7, 8]. ■ Alle anderen Methoden mit verschiedenen Filtern und Ionenaustauscher bzw. Deionisator führen meist allein zu keiner ausreichenden Wasserqualität, weil die Systeme ein geeignetes Reservoir für Bakterien und damit auch Endotoxin darstellen [4, 7, 8]. Die mikrobiologische Wasserqualität kann durch diese Behandlungen sogar schlechter werden. ■ Die Kombination der verschiedenen Methoden zur Vorbehandlung des Wassers mit nachfolgender Umkehrosmose und einer abschließenden Ultrafiltration ist für die Bereitstellung von chemisch und mikrobiologisch adäquatem Wasser sehr gut geeignet [7, 8]. Im aufbereiteten Wasser soll gemäß der Europäischen Pharmakopoe (PhEur 3 = Europäisches Arzneibuch) die Gesamtkeimzahl ≤100 KBE/ml liegen, und in den USA wird eine Keimzahl ≤200 KBE/ml empfohlen [4]. Laut PhEur 3 soll der Endotoxingehalt ≤0,25 IE/ml sein. Dialysat Das Dialyse-(Acetat- oder Bikarbonat-) Konzentrat bietet Mikroorganismen durch 175 seinen hohen Salz- und ggf. auch GlukoseGehalt keine guten Wachstumsbedingungen. Bei Bikarbonat gilt dies wegen des für das Wachstum von Bakterien ungünstig niedrigen pH-Wertes insbesondere für saures Bikarbonat, während in alkalischem Bikarbonat, das aus zentralen Tankanlagen über ein Rohrleitungssystem zu den Dialyse-Plätzen geführt wird, nicht selten Gram-negative Wasserkeime nachgewiesen werden können. Das Dialysat entsteht durch z.B. 1:34-Mischung des Konzentrats mit dem aufbereiteten Wasser.Aufgrund seiner Zusammensetzung ist es dann im Gegensatz zum Dialyse-Konzentrat ein geeignetes Medium für die Vermehrung von Wasserkeimen. In den USA wird eine Keimzahl ≤2000 KBE/ml als Grenze gesetzt wird [4, 7, 8]. Laut PhEur soll der Endotoxingehalt im Dialysat <0,5 IE/ml betragen. Tanks und Leitungen für Wasser, Dialyse-Konzentrat und Dialysat Durch Stagnation von Wasser und DialyseKonzentrat in zentralen Tankanlagen und Leitungssystemen mit blinden Enden bzw. Stichleitungen wird die bakterielle Besiedlung der Anlagen gefördert, weshalb eine regelmäßige Desinfektion des gesamten Systems inkl. der Tanks (mit mechanischer Entfernung des Biofilms) gewährleistet sein muss, um die Konzentration von Bakterien und Endotoxin so niedrig wie möglich zu halten [7, 8]. Die Leitungsquerschnitte sollen, um die Strömungsgeschwindigkeit zu erhöhen und damit die Absiedlung von Bakterien an den inneren Oberflächen der Leitungen zu behindern, so gering wie möglich sein [7, 8]. Da es in den Leitungen für alkalisches Bikarbonat schnell zu einer Kontamination mit Wasserbakterien kommt, soll es stattdessen am Dialyse-Platz aus Kanistern 176 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen oder als Trockensubstanz aus Kartuschen entnommen werden. Um die bakterielle Konzentration im Dialysat vor der Dialyse möglichst gering zu halten, soll das Dialysat außerdem erst kurz vor dem Einsatz auf Körpertemperatur angewärmt werden. Dialyse-Schlauchsystem Das Schlauchsystem, das Dialysat und Patientenblut durch den Dialysator leitet, kann bei der Vorbereitung der Dialyse, beim Aufrüsten des Gerätes und beim Füllen mit NaCl-Lösung kontaminiert und Ursache für septische Komplikationen bei den behandelten Patienten werden [1]. Deshalb muss auf sorgfältige Händehygiene geachtet und jede direkte Berührung mit den Anschlussstücken beim Zusammensetzen vermieden werden. Aufbereitung des Dialyse-Gerätes Nach jeder Dialyse müssen die Geräte, d.h. die Dialysat-führenden Teile im Inneren der Maschine, dekontaminiert werden [4, 7, 8]. Es stehen dafür thermische und chemische Methoden zur Verfügung: ■ Dampfsterilisation bei 121 °C (nur möglich bei autoklavierbaren Geräten mit Edelstahlwanne) ■ Desinfektion mit heißem Wasser bei einer Soll-Temperatur von ca. 84 °C für 20 min (Zugabe von Zitronensäure zur Verhinderung von Kalkablagerungen und Biofilmbildung) ■ Chemische Desinfektion mit Peressigsäure, Formaldehyd, Glutaraldehyd oder Natriumhypochlorit bei 37 °C Eine Dampfsterilisation ist zwar aus mikrobiologisch-hygienischer Sicht optimal, autoklavierbare Geräte stehen aber meist nicht zur Verfügung. Die thermische und chemische Desinfektion sind jedoch ebenfalls effektiv. Es gibt deshalb keinen Grund, beide Desinfektionsmethoden nacheinander anzuwenden. Dies wird in manchen Dialyse-Abteilungen so gehandhabt, um Blut-assoziierte Viren sicher zu inaktivieren, ist jedoch nicht sinnvoll, weil jede Methode für sich bereits eine Inaktivierung von HBV und anderen relevanten Viren erreicht. Mikrobiologische Untersuchungen In regelmäßigen Abständen sind stichprobenartige mikrobiologische Kontrollen von Dialysewasser und Dialysat sinnvoll [7, 8]. Dafür gibt es verschiedene Richtwerte (siehe oben „Wasseraufbereitung“ und „Dialysat“), die aber nicht als absolute Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, verstanden werden sollen. Sie basieren auf mikrobiologischen Untersuchungen im Rahmen von epidemiologischen Studien und können deshalb lediglich als Orientierung dienen: septische und pyrogene Reaktionen sind bei diesen Werten unwahrscheinlich [5, 7, 8]. Untersucht werden sollen ■ Wasser für die Herstellung des Dialysats (Abnahme direkt am Dialyse-Platz aus der Ringleitung) ■ basisches Bikarbonat, wenn aus Ringleitungen verwendet (Abnahme direkt am Dialyse-Platz aus der Leitung) ■ Dialysat vor der Dialyse Die Häufigkeit der Untersuchungen muss sich an den mikrobiologischen Ergebnissen orientieren. Zunächst sind monatliche Intervalle sinnvoll. Bei guten Ergebnissen können die Intervalle auf drei bis sechs Monate ausgedehnt werden. Bei mikrobiologischen oder infektiologischen Problemen müssen sie verkürzt werden, und bei einer Änderung in der Wasserbehandlung müssen Kontrollen außer der Reihe durchgeführt werden. Dialyse Wichtigste Infektionen und Präventionsmaßnahmen ZVK- bzw. Shunt-Infektionen Lokale Infektionen im Bereich des ZVK oder der internen AV-Fistel am Shuntarm können zu schweren septischen Komplikationen führen [5–10, 16–18]. Der häufigste Erreger eitriger Infektionen ist S. aureus; aber auch Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) sind nicht selten Ursache von Infektionen, insbesondere bei Patienten mit einer Kunststoff-AV-Fistel. DialysePatienten gehören zu den Patientengruppen, die zu einem hohen Prozentsatz mit S. aureus besiedelt sind (in manchen Untersuchungen zu 50–60%) (siehe Kapitel B.10 „MRSA“), weshalb die sorgfältige Hautdesinfektion vor Injektionen und Punktionen einen sehr hohen Stellenwert bei der Prävention von Infektionen hat [7–9, 16, 18]. Bei Dialyse über ZVK oder einen temporären externen AV-Shunt müssen die gleichen Regeln wie im Umgang mit normalen ZVK beachtet werden (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“ und Kapitel B.4 „Bakteriämie“) [18]. Der interne Shunt muss für jede Dialyse punktiert werden, und es besteht dadurch die Gefahr der Kontamination mit Keimen von der Haut des Patienten oder den Händen des Personals. Folgende Maßnahmen sind deshalb für die Infektionsprävention erforderlich [7, 8, 16, 18]: ■ Shuntarm gründlich mit warmem Wasser und Flüssigseife waschen und anschließend mit frischem Stoffhandtuch abtrocknen ■ Sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion der Punktionsstelle mit einer Einwirkzeit von mindestens einer Minute (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.3 „Punktionen und Injektionen“) 177 ■ Vor der Punktion Einmal-Handschuhe anziehen, danach keine Flächen in der Umgebung des Patientenbettes mehr berühren (siehe unten „Übertragung von HBV“) und den Shunt punktieren (sichere Fixation der Punktionskanüle, Punktionsstelle mit sterilem Pflaster bedecken) Maske und Kopfschutz sind für den Infektionsschutz in ihrer Effektivität nicht bewiesen (vergl. andere invasive Maßnahmen) und werden auch in den meisten Dialyse-Abteilungen nicht eingesetzt. Ebenfalls keinen Anhalt gibt es dafür, dass für die Punktion eines Kunststoff-Shunts sterile Handschuhe und steriler Kittel erforderlich sind. Auch ein steriles Lochtuch ist für die Infektionsprävention nicht entscheidend, sondern die gründliche Vorbereitung der Punktionsstelle mit Reinigung und Desinfektion. Ungeklärt ist ferner, ob die Shunt-Punktionsstelle zwischen den Dialysebehandlungen verbunden werden soll oder offen bleiben kann. Bei lokalen Infektionszeichen, insbesondere bei einer Sekretion aus der Punktionsstelle, muss ein Abstrich zur mikrobiologischen Untersuchung geschickt werden, und bei jedem unklaren Fieber muss eine Shunt-Infektion in Betracht gezogen und eine Blutkulturdiagnostik durchgeführt werden. Komplikationen durch Kontamination des Dialyse-Systems Pyrogene Reaktionen können bedingt durch die Passage von Endotoxinen (Lipopolysaccharide: Bestandteil der Zellmembran Gram-negativer Bakterien) durch die semipermeable Dialysator-Membran oder aufgrund transmembranöser Stimulation der Zytokin-Produktion durch Endotoxine in der Dialyseflüssigkeit (Zytokin-Antwort bei Langzeit-Dialyse-Patienten im 178 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Vergleich zu Patienten, die nicht dialysiert werden, verstärkt) auftreten. Bakteriämie bzw. Sepsis kann durch die Passage von intakten Bakterienzellen durch die Dialyse-Membran verursacht werden, die prinzipiell nicht für Bakterien durchlässig ist, aber auch ohne Beschädigung vereinzelt minimale, für Bakterien passierbare, Membranläsionen aufweisen kann. Sowohl für Bakteriämie bzw. Sepsis als auch pyrogene Reaktionen gilt: Je höher die Keimzahl Gram-negativer Bakterien oder die Endotoxin-Konzentration im Dialysat, umso größer die Wahrscheinlichkeit der Passage von Bakterien oder Endotoxin durch die Membran (Richtwerte siehe oben unter „Wasseraufbereitung“ und „Dialysat“). Neben den mikrobiologischen Kontrollen von Wasser und Dialysat, die immer nur sporadisch durchgeführt werden können, hat deshalb die systematische Beobachtung pyrogener und septischer Episoden eine wesentliche Bedeutung, um Problembereiche rechtzeitig zu erkennen. Blut-assoziierte Virusinfektionen Sowohl für Patienten als auch für das Personal ist das Risiko, eine HBV-Infektion zu akquirieren, im Vergleich zu einer Infektion mit HVC oder HIV, am größten (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“) [5, 7, 8, 10]. Da HDV als defektes RNA-Virus nur zusammen mit HBV eine Infektion verursachen kann, ist das HDV-Risiko abhängig von einer gleichzeitigen oder aufeinander folgenden Exposition gegenüber HBV und HDV. HBV ■ Außerordentlich hohe Viruskonzentrationen im Blut von Patienten, die nicht nur HBsAg-, sondern auch HBeAg-positiv sind ■ Umgebungskontamination mit HBV auch ohne sichtbares Blut möglich ■ Außerhalb des Organismus relativ stabil und deshalb längere Zeit infektionstüchtig ■ Blutexposition bei Hämodialyse hoch, deshalb HBV-Risiko für Personal und Patienten hoch Die Übertragung von HBV bei der Hämodialyse kann auf folgenden Wegen (mit abnehmender Wahrscheinlichkeit) stattfinden [5, 7, 8]: ■ Perkutane Inokulation durch Nadelstichverletzung ■ Perkutane Übertragung durch Kontakt von Blut mit Hautläsionen ■ Schleimhautkontakt mit Blut ■ Schleimhautkontakt mit anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten außer Blut ■ Indirekter Kontakt mit (nicht notwendigerweise sichtbarem) Blut durch kontaminierte Oberflächen Hinweise auf eine aerogene Übertragung von HBV gibt es nicht, ebenso wenig auf einen gastrointestinalen Infektionsweg. Hauptsächliche Ursachen für Infektionen beim Personal sind Nadelstichverletzungen. Wegen der prinzipiell kontinuierlichen Blutexposition spielen beim Personal auch Hautläsionen als Eintrittspforte eine nicht unwesentliche Rolle. Infektionen bei den Patienten können im Zusammenhang mit Injektionen entstehen, wenn die Injektionsstelle, z.B. nach Kontakt der Hände oder Handschuhe des Personals mit Oberflächen, kontaminiert wurde, oder durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen an Stellen mit nicht intakter Haut zustande kommen. Sie können auch durch unsachgemäßen Umgang mit Mehrdosis- Dialyse Behältnissen hervorgerufen werden [12, 13]. Es gibt keine Berichte über Infektionsübertragungen von infizierten Mitgliedern des Personals auf Patienten [5, 7, 8]. Die (nicht sichtbare) Umgebungskontamination mit HBV auf Dialyse-Stationen scheint einen bedeutenden Einfluss auf die HBV-Übertragungswahrscheinlichtkeit zu haben [5, 7, 8]. Deshalb sollen sich die Präventionmaßnahmen darauf konzentrieren, dieses Risiko zu reduzieren. Eine Kontamination im Innern der Dialyse-Geräte wird demgegenüber als wenig relevant betrachtet [5, 7, 8]. HCV ■ Im Vergleich zu HBV in der Regel niedrige Viruskonzentrationen im Blut ■ Stabilität außerhalb des Organismus scheint wesentlich geringer zu sein als bei HBV ■ Übertragungsrisiko deshalb niedriger als bei HBV (und HDV) ■ Multiple HCV-Genotypen aufgrund der Ergebnisse von Nukleotid-Sequenzierungen von HCV-Isolaten ■ Außerdem besteht HCV bei einem infizierten Individuum aus mehreren genetisch verwandten, aber unterschiedlichen Subpopulationen. ■ Anders als bei HBV-infizierten Dialyse-Patienten ist, abgesehen von der geringeren Umgebungskontamination, auch deshalb eine räumliche Trennung HCV-infizierter Patienten von den übrigen Dialyse-Patienten nicht sinnvoll, weil es aufgrund der genetischen Heterogenität der HCV-Populationen in der Gruppe der HCV-infizierten Patienten ebenfalls zu Übertragungen mit anderen HCV-Stämmen kommen kann. HDV ■ Virus mit defekter RNA, das für seine Replizierung die gleichzeitige Anwe- 179 senheit von HBV benötigt und deshalb nur zusammen mit HBV eine Infektion verursachen kann (als simultan erworbene Koinfektion oder als im Anschluss an eine primäre HBV-Infektion erworbene Superinfektion) ■ HBV-Prävention bedeutet deshalb gleichzeitig Schutz vor einer Infektion mit HDV. ■ Außerordentlich hohe Viruskonzentrationen im Blut (bis zu dreifach höher als die HBV-Titer bei Hepatitis B) ■ Für das Übertragungsrisiko gelten deshalb dieselben Hinweise wie bei HBV. Maßnahmen zur Prävention Die sorgfältige Beachtung der StandardHygienemaßnahmen (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“) schützt sowohl die Patienten als auch das Personal vor der Übertragung Blut-assoziierter Viren. Im Einzelnen lassen sich die erforderlichen Maßnahmen folgendermaßen zusammenfassen [5, 7–10, 12, 13, 16, 18, 20]: ■ Gründliche Händehygiene durch Händewaschen bzw. Händedesinfektion sowie Schutz vor Haut- und Schleimhautkontakt mit Blut durch Handschuhe, Schutzkittel und ggf. Gesichtsschutz, wenn Kontamination mit Blut möglich ist ■ Umgang mit Einmal-Handschuhen – Vor Kontakt mit potenziell kontaminierten Patienten- oder Dialyse-Materialien (Personalschutz) anziehen – Vor der Versorgung eines Patienten frische Handschuhe anziehen – Vor der Palpation bei der Vorbereitung von Injektionen bzw. Punktionen nach Anziehen der Handschuhe keine Flächen (z.B. Dialyse-Gerät) mehr berühren, um eine Kontamination der Handschuhe auch bei optisch sauberen Flächen und damit eine mögliche Übertragung infolge 180 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen nicht sichtbarer Flächenkontamination zu verhindern Kein Austausch von Gegenständen der allgemeinen Patientenversorgung (z.B. Scheren, Klemmen, Blutdruckmanschetten, Thermometer), von Instrumenten und Medikamenten zwischen den Patienten, unabhängig davon, ob bei ihnen eine mit Blut übertragbare Infektion bekannt ist oder nicht Zentrale Medikamentenvorbereitung abseits der Dialyse-Plätze Eindeutige räumliche Trennung sog. reiner und unreiner Bereiche für die Handhabung von Gegenständen der Patientenversorgung Sichere, vorzugsweise thermische Aufbereitungsmethoden für wiederverwendbare Gegenstände Geschirr und Besteck ebenso behandeln wie bei Patienten außerhalb der Dialyse Kinderspielzeug maschinell-thermisch reinigen (z.B. Geschirrspülmaschine) oder mit Alkohol abwischen Mit Blut kontaminierte Wäsche von HBV- bzw. HCV-infizierten Patienten als sog. infektiöse Wäsche entsorgen Sämtliche Abfälle als Hausmüll entsorgen Sorgfältige Reinigung bzw. Desinfektion der Flächen in der ferneren und näheren Patientenumgebung Gezielte Desinfektion nach Kontamination von Flächen mit Blut möglichst schnell durchführen Kanülen sofort nach Gebrauch in durchstichsichere Behälter abwerfen (aber gesonderte Kanülenabwurfbehälter für Kanülen, die bei Patienten mit chronischer Hepatitis im Einsatz waren, haben keinen Einfluss auf den Infektionsschutz von Patienten und Personal) Spezielle Maßnahmen bei HBV- bzw. HBV/HDV-Infektion HBV-Screening ■ Routinemäßig bei allen Patienten bei Aufnahme und beim Personal bei der Einstellung HBsAg und anti-HBs bestimmen (gegen die Beschäftigung von HBsAg-positivem Personal auf Dialyse-Stationen gibt es keine Einwände) ■ Untersuchungen in Abständen wiederholen (Intervalle abhängig von der Zahl infizierter Patienten und vom Impfstatus von Patienten und Personal) ■ Patienten und Personal, die länger als sechs Monate HBsAg-positiv sind, sollen einmal jährlich nachuntersucht werden (manchmal erst verspätet wieder negativ). HBV-Impfung ■ Patienten und Personal, die nicht immun sind (anti-HBs <10 mIE/ml), müssen aktiv geimpft werden. ■ Liegen bei Patienten nach der Impfung die anti-HBs-Titer >10 mIE/ml, soll einmal jährlich eine Kontrolle durchgeführt werden. ■ Bei geimpften Patienten sind Auffrischimpfungen erforderlich, wenn die anti-HBs-Titer <10 mIE/ml liegen (bei Personal dagegen, das auf die Impfung adäquat reagiert hat, sind Kontrollen nicht erforderlich) Personelle Trennung Personal, das HBV-infizierte Patienten versorgt, soll nach Möglichkeit nicht gleichzeitig für nicht infizierte Patienten sorgen, um eine Übertragung über kontaminierte Hände bzw. Handschuhe auszuschließen (kann aber anti-HBs-positive Patienten versorgen). Wegen des grund- Dialyse sätzlich hohen Übertragungsrisikos soll auch für HBV/HDV-positive Patienten eigenes Personal zur Verfügung stehen, das HBV-positive, aber HDV-negative Patienten nicht gleichzeitig versorgen muss. Die Trennung des Personals ist für den Schutz vor Übertragungen wichtiger als eine räumlich-apparative Trennung [5, 7, 8]. Räumlich-apparative Trennung Wegen des hohen Risikos der Umgebungskontamination aufgrund der hohen Virustiter im Blut von HBV- und auch HDV-infizierten Patienten wird in den USA für diese Patienten eine räumlich getrennte Dialyse-Versorgung mit speziellen, nur bei diesen Patienten verwendeten DialyseGeräten (bei denen es ebenfalls um die potenzielle Kontamination der Geräteoberfläche und nicht um eine durch die GeräteAufbereitung nicht sicher zu eliminierende Kontamination im Innern der Geräte geht) empfohlen [5, 7, 8]. Dabei müssen aber auch die HDV-infizierten Patienten von den nur HBV-infizierten Patienten räumlich und apparativ (sowie personell, siehe oben) getrennt versorgt werden. HBV-Ausbrüche sind nämlich auch bei Einhaltung der räumlichen Trennung vorgekommen, konnten aber darauf zurückgeführt werden, dass die empfohlenen Maßnahmen, wie serologisches Screening der Patienten (und damit Erkennung der infektiösen Patienten), Trennung des Personals für die Versorgung von HBV-infizierten und -nicht infizierten Patienten oder Benutzung von Mehrdosis-Behältnissen nur für einen Patienten, nicht ausreichend beachtet wurden [12, 13]. Ist eine räumliche Trennung nicht zu verwirklichen, sollen die infizierten Patienten so weit wie möglich von den nicht infizierten getrennt und von eigenem Personal versorgt werden. Wenn eine apparative 181 Trennung nicht möglich ist, können die Geräte nach üblicher Aufbereitung (siehe oben) und gründlicher Reinigung bzw. Desinfektion der Oberfläche auch bei nicht infizierten Patienten eingesetzt werden [5, 7, 8]. Maßnahmen bei HCV-Infektion Die Tatsache, dass HCV in wesentlich geringeren Konzentrationen im Blut infizierter Personen vorhanden ist als HBV, bedeutet, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit wesentlich geringer ist als bei HBV und rechtfertigt deshalb nicht die Forderung nach einer getrennten personellen, räumlichen und apparativen Versorgung HCV-infizierter Patienten.Außerdem gibt es bislang noch keine ScreeningVerfahren, um anti-HCV-positive infektiöse und nicht-infektiöse Patienten voneinander zu unterscheiden. Innerhalb einer HCV-Kohorte wären also Reinfektionen mit demselben Stamm und (wegen der genetischen Vielfalt von HCV) darüber hinaus auch Superinfektionen mit anderen Stämmen möglich. Aus diesen Gründen wird in den USA empfohlen, HCV-positive Patienten zusammen mit nicht-infizierten Patienten unter den gleichen Bedingungen zu dialysieren [5, 7, 8]. Maßnahmen bei HIV-Infektion Wie bei der HCV-Infektion sind auch bei der HIV-Infektion die Viruskonzentrationen im Blut in der Regel gering, sodass die Standard-Hygienemaßnahmen ausreichen, um Übertragungen zu verhindern. Deshalb sind für die Infektionsprävention in Dialyse-Abteilungen weder ein routinemäßiges HIV-Screening der Patienten noch eine räumlich, apparativ und personell getrennte Versorgung HIV-positiver Patienten erforderlich. Wie bei allen mit Blut übertragbaren Infektionen müssen 182 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen zum Schutz des Personals unter allen Umständen Nadelstichverletzungen vermieden werden. anderer Raum zur Verfügung steht. Wichtig ist, dass umsichtig gearbeitet wird, um eine Kontamination der Umgebung zu vermeiden: „Gelbe“ und „weiße“ Dialyse Die traditionelle Unterteilung in „gelbe“ und „weiße“ Dialyse ist zu undifferenziert, was das Übertragungsrisiko von Blut-assoziierten Viren angeht, und sollte deshalb verlassen werden. Patienten mit den verschiedenen Infektionen jeweils getrennt zu dialysieren, ist demgegenüber zu absolut, aber auch realitätsfern und deshalb undurchführbar. ■ Verband vorsichtig mit Einmal-Handschuhen entfernen und beides sofort danach in einen Abfallbehälter ablegen ■ Anschließend Händedesinfektion, ggf. wieder Handschuhe anziehen und Wundversorgung mit No-Touch-Technik ■ Gebrauchte Instrumente sofort nach ihrem Einsatz in einen Transport-Behälter legen ■ Alle benutzten Materialien so schnell wie möglich aufräumen, wodurch eine Kontamination der Umgebung effektiv vermieden werden kann ■ Zum Abschluss nochmals Händedesinfektion (auch wenn Handschuhe getragen wurden) Maßnahmen bei Patienten mit polyresistenten Erregern Ein Patient, der z.B. mit MRSA oder mit polyresistenten Gram-negativen Bakterien, besiedelt oder infiziert ist, kann in der Dialyse-Abteilung dialysiert werden, auch wenn dort kein Einzelzimmer zur Verfügung steht. Bei Einhaltung der Standard-Hygienemaßnahmen, vor allem häufige Händedesinfektion und vernünftiger Umgang mit Einmal-Handschuhen (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.9 „Isolierung bei Kolonisation und Infektion“ und Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“), besteht keine Gefahr, dass z.B. allein durch die Anwesenheit eines MRSA-Patienten die anderen DialysePatienten mit MRSA besiedelt werden [5, 7, 8]. Ein solcher Patient muss deshalb nicht außerhalb der Dialyse-Abteilung behandelt werden, wenn dies zu medizinischen oder erheblichen organisatorischen Problemen führen würde, auch wenn die räumliche Trennung infizierter oder kolonisierter Patienten grundsätzlich bevorzugt wird, um das Übertragunsgrisiko zu reduzieren. Verbandswechsel können auch am Dialyseplatz vorgenommen werden, wenn kein Peritonealdialyse Die Peritonealdialyse wird heute meist nicht mehr intermittierend mit automatischen Peritonealdialyse-Geräten, sondern als kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD) durchgeführt, bei der die Patienten lernen, sich selbst zu versorgen. Sie müssen deshalb im aseptischen Umgang mit Peritonealkatheter und Spülflüssigkeit gut geschult werden. Die wesentlichen Infektionsrisiken bei CAPD sind die lokale Infektion an der Eintrittsstelle des getunnelt laufenden und in der Peritonealhöhle endenden Katheters (sog. Exit-site-Infektion), die TunnelInfektion und die Peritonitis [3, 7, 11]. Die häufigsten Erreger sind Staphylokokken, und wiederum sind nasopharyngeal mit S. aureus besiedelte Patienten am meisten infektionsgefährdet. Dialyse Wichtigste Infektionen Exit-site-Infektion ■ Rötung, Schwellung und/oder Schmerzen an der Ein- bzw. Austrittsstelle des Peritonealkatheters mit oder ohne Exsudation ■ Ausdehnung der Entzündungszeichen auf die Katheter-Eintrittsstelle begrenzt Tunnel-Infektion ■ Entzündungszeichen im Verlauf des subkutanen Tunnels (mit oder ohne Infektionszeichen an der Katheter-Eintrittsstelle) Peritonitis ■ Schmerzen im Abdomen ■ Ablaufendes Dialysat trüb Präventionsmaßnahmen Anlage des Peritonealkatheters Die Anlage des Katheters erfolgt in der Regel unter den bei einer Operation üblichen Bedingungen. Im Folgenden sind die wichtigsten aseptischen Maßnahmen bei der Vorbereitung des Patienten aufgeführt [3, 7, 11]: ■ ■ ■ ■ Händedesinfektion Steriler Kittel Sterile Handschuhe Großzügige Abdeckung des Patienten mit sterilen Tüchern ■ Sorgfältige Hautdesinfektion (mindestens 1 Minute wie vor Anlage von ZVK, besser 3 Minuten wie üblicherweise präoperativ) Verbandswechsel Der Verband wird meist alle zwei Tage gewechselt. Bei jedem Verbandswechsel 183 wird die Haut um die Eintrittsstelle des Katheters sorgfältig desinfiziert (z.B. mindestens 30 Sekunden mit einem alkoholischen Hautdesinfektionsmittel) und auf Entzündungszeichen hin inspiziert. Entweder werden konventionelle Verbände mit Mull und Pflaster oder transparente Folienverbände verwendet. In jedem Fall muss die Kathetereintrittsstelle sorgfältig überwacht werden, z.B. durch tägliche Palpation bei konventionellen Verbänden (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“). Anschluss des Spülsystems Die Patienten müssen intensiv in der aseptischen Handhabung von Katheter-Anschlussstück und Dialysat-Überleitungssystem geschult werden. Auf folgende Maßnahmen muss dabei großer Wert gelegt werden: ■ Desinfektion der Arbeitsfläche mit Alkohol ■ Gründliche Händedesinfektion (Ringe und Armbänder zuvor ablegen) ■ Einmal-Handschuhe anziehen ■ Desinfektion des Anschlussstücks durch Einsprühen mit Hautdesinfektionsmittel (Einwirkzeit mindestens 30 Sekunden) ■ Überleitungssystem ohne Berührung der Ansatzstücke an den Katheter anschließen Maske und Kopfschutz müssen nicht getragen werden. Reinigung und Desinfektion Kontaminationen mit Blut kommen in Dialyse-Abteilungen naturgemäß wesentlich häufiger vor als in anderen Krankenhausabteilungen (außer Operationsabteilungen). Wegen des prinzipiellen Risikos der Übertragung von Viren wie HBV etc. 184 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen muss deshalb in Dialyse-Abteilungen großer Wert auf Sauberkeit gelegt werden [5, 7, 8]. Dies wird durch übersichtliche Anordnung von Geräten, Zubehör und anderem Material der Patientenversorgung ermöglicht. Deshalb muss bei der Planung von Dialyse-Abteilungen darauf geachtet werden, dass für jeden Dialyse-Platz eine ausreichend große Fläche zur Verfügung steht. Neben den üblichen täglichen Reinigungsmaßnahmen muss die gezielte Desinfektion nach einer Kontamination mit Blut so schnell und gründlich wie möglich durchgeführt werden. Dies trägt wesentlich dazu bei, eine (unsichtbare) Kontamination der Umgebung mit Viren wie HBV zu verhindern [5, 7, 8]. Weil der Flächen-Kontamination in Dialyse-Abteilungen bei der Übertragung Blutassoziierter Viren eine große Bedeutung zugeschrieben wird, müssen insbesondere die Flächen, die vom Personal häufig mit den Händen berührt werden müssen, sauber gehalten werden. Praktisch immer wird die Dekontamination der Flächen in Dialyse-Abteilungen als routinemäßige Desinfektion durchgeführt. Dies darf aber nicht zu einem falschen Gefühl von Sicherheit führen und darüber hinwegtäuschen, dass die Flächen dennoch durch zwischenzeitlichen Kontakt mit Händen oder Handschuhen kontaminiert worden sein können. Neben der optischen Sauberkeit der Flächen ist es demnach für den Schutz der Patienten am wichtigsten, vor der Shuntpunktion (und ähnlichen invasiven Maßnahmen) nach Anziehen der Handschuhe keine Flächen mehr zu berühren, um eine Kontamination der Handschuhe mit z.B. HBV und damit eine Übertragung des Virus auf den Patienten bei der Palpation der Punktionsstelle zu verhindern. Literatur 1. Arnow PM, Garcia-Houchins S, Neagle MB, Bova JL, Dillon JJ, Chou T. An outbreak of bloodstream infections arising from hemodialysis equipment. J Infect Dis 1198; 178: 783–791 2. Arvanitidou M, Spaia S, Velegraki A, Pazarloglou M, Kanetidis D, Pangidis P, Askepidis N, Katsinas C, Vayonas G, Katsouyannopoulos V. High level of recovery of fungi from water and dialysate in haemodialysis units. J Hosp Infect 2000; 45: 225–230 3. Band JD. Nosocomial infections associated with peritoneal dialysis. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 919–929 4. Centers for Disease Control and Prevention (HICPAC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 5. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Recommendations for preventing transmission of infections among chronic hemodialysis patients. MMWR 2001; 50: 1–43 6. D’Agata EMC, Mount DB, Thayer V, Schaffner W. Hospital-acquired infections among chronic hemodialysis patients. Am J Kidney Dis 2000; 35: 1083–1088 7. Favero MS, Alter MJ, Tokars JI, Arduino MJ. Dialysis-associated infections and their control. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 357–380 8. Favero MS, Tokars JI, Arduino MJ, Alter MJ. Nosocomial infections associated with hemodialysis. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 897–917 9. Furrer H, Kiss D, Francioli P. Hämodialyse und nosokomiale Infektionen. Swiss-NOSO 1996; 3 (www.swiss-noso.ch) 10. Furrer H, Kiss D, Francioli P. Hämodialyse und nosokomiale Infektionen (Fortsetzung). Swiss-NOSO 1996; 3 (www.swiss-noso.ch) 11. Furrer H, Uehlinger D, Francioli P. Peritonealdialyse und nosokomiale Infektionen. Swiss-NOSO 1996; 3 (www.swiss-noso.ch) 12. Hutin YJF, Goldstein ST, Varma JK, O’Dair JB, Mast EE, Shapiro CN, Alter MJ. An outbreak of hospital-acquired hepatitis B virus Dialyse 13. 14. 15. 16. infection among patients receiving chronic hemodialysis. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 731–735 Kidd-Ljunggren K, Broman E, Ekvall H, Gustavsson O. Nosocomial transmission of hepatitis B virus infection through multi-dose vials. J Hosp Infect 1999; 43: 57–62 Kulander L, Nisbeth U, Danielsson BG, Eriksson Ö. Occurrence of endotoxin in dialysis fluid from 39 dialysis units. J Hosp Infect 1993; 24: 29–37 Morin P. Identification of the bacteriological contamination of a water treatment line used for haemodialysis and its disinfection. J Hosp Infect 2000; 45: 218–224 National Kidney Foundation. K/DOQI clinical practice guidelines for vascular access, 2000. Am J Kidney Dis 2001; 37: S137-S181 185 17. Peacock SJ, Curtis N, Berendt AR, Bowler ICJW,Winearls CG, Maxwell P. Outcome following haemodialysis catheter-related Staphylococcus aureus bacteraemia. J Hosp Infect 1999; 41: 223–228 18. Pearson ML, Hospital Infection Control Advisory Committee. Guideline for prevention of intravascular device-related infections. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 438– 473 19. Turner PC, Humphreys H. Hemofiltration: treating and preventing infection. Clin Microbiol Infect 1996; 2: 80–85 20. Wendt C. Hygienemaßnahmen auf Dialysestationen. Mikrobiologe 1999; 9: 171–174 186 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Endoskopie Endoskopische Techniken sind schon seit langem ein wesentlicher Bestandteil der Medizin. Sie werden sowohl bei Diagnostik als auch Therapie eingesetzt, und ihre Weiterentwicklung hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass endoskopische Verfahren teilweise sogar konventionelle chirurgische Eingriffe ersetzt haben. In der minimal-invasiven Chirurgie werden Endoskopie und chirurgisches Vorgehen effektiv miteinander kombiniert, um das operative Eingreifen so begrenzt wie möglich zu halten. Ob konventionelle Gastro- oder Koloskopie, endoskopisch-laparoskopische Rendezvous-Techniken oder minimal-invasives Operieren: gemeinsam ist all diesen Verfahren, dass relativ kompliziert aufgebaute und lange Geräte mit einem oder mehreren, teilweise sehr engen Lumina verwendet werden, deren Reinigung hohe Anforderungen an das Personal bei manueller bzw. an Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (RDM) bei automatischer Aufbereitung stellt. Hinzu kommt, dass flexible Endoskope nicht thermostabil, also nicht autoklavierbar sind, sodass man sich bei der Dekontamination auf Reinigung und Desinfektion beschränken muss (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfekion – Sterilisation“). Aber auch das bei flexiblen endoskopischen Verfahren eingesetzte wiederverwendbare Zubehör (z.B. Biopsiezangen, Schlingen, Papillotome) ist, obwohl autoklavierbar, problematisch, weil die Reinigung oft nicht zuverlässig möglich ist, sodass auch das anschließende Sterilisieren nicht mit ausreichender Sicherheit eine Erregerübertragung ausschließen kann. Infektionsrisiken Endogene Erregerreservoire Ein Transfer potenziell pathogener Keime aus einem physiologischerweise besiedelten Körperareal im Bereich der verwendeten Körperöffnung in tiefer liegende keimarme bis keimfreie Regionen des Körpers (z.B. ERCP, Bronchoskopie) ist möglich. Ferner kann es bedingt durch die Schleimhautmanipulation zu transienten, meist asymptomatischen Bakteriämien kommen, die z.B. bei Patienten mit Herzklappenschaden zu einer Absiedlung an den Herzklappen und nachfolgender Endokarditis führen können. Exogene Erregerreservoire Übertragung von Patient zu Patient Erregerübertragungen von Patient zu Patient wurden verschiedentlich beschrieben (z.B. Salmonellen, Pseudomonas aeruginosa, atypische Mykobakterien, Mycobacterium tuberculosis, Helicobacter pylori, Hepatitis B- und Hepatitis C-Virus) und auf unzureichende Aufbereitungsmaßnahmen – mangelnde Reinigung, zu kurze Einwirkzeiten des Desinfektionsmittels oder ineffektive Desinfektionsmittel – zurückgeführt (siehe unten „Reinigung und Desinfektion“) [1–3, 9, 12, 16, 19]. Übertragung aus der unbelebten Umgebung Sehr häufig sind für Kontaminationen von Endoskopen sog. Wasserkeime aus dem bei der Aufbereitung verwendeten Wasser Endoskopie (z.B. beim Nachspülen) verantwortlich (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Um Rekontaminationen der gereinigten und (chemisch) desinfizierten Endoskope zu verhindern, muss deshalb besondere Sorgfalt auf das Nachspülwasser verwendet werden (siehe unten „Reinigung und Desinfektion“). Es erscheint aus diesem Grunde sinnvoll, in der gesamten Endoskopieabteilung anstelle der konventionellen Siebstrahlregler alternativ Lamellen-Strahlregler zu verwenden. Auch die Hersteller von Endoskop-RDM (ERDM) haben in den letzten Jahren zunehmend die Problematik des normalerweise nicht keimfreien Wassers berücksichtigt und in ihren Geräten entweder eine Behandlung des Wassers mit UV-Licht oder eine thermische Desinfektion durch Aufheizen des Wassers auf 95 °C vorgesehen [4, 11]. Personalschutz Die üblichen Schutzmaßnahmen vor Kontakt mit Patientenmaterial (z.B. Handschuhe, Kittel, Maske) haben auch in der Endoskopie große Bedeutung. Beim Umgang mit den kontaminierten Endoskopen im Rahmen der Aufbereitungsmaßnahmen besteht jedoch kein besonderes Übertragungsrisiko, wenn die Regeln der Standard-Hygiene beachtet werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Bei Bronchoskopien von Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege besteht die Möglichkeit der Übertragung der Erreger via Aerosol, weshalb das Personal bei diesen Patienten (und bei entsprechenden Verdachtsfällen) während der Untersuchung Atemschutzmasken tragen soll, um sich vor der Inhalation der infektiösen Aerosole zu schützen (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“). 187 Insbesondere im Zusammenhang mit H. pylori gibt es eine Reihe von Untersuchungen über das Risiko des Endoskopiepersonals, diesen Erreger bei der Patientenversorgung zu akquirieren. Insgesamt scheint Endoskopiepersonal ein erhöhtes Risiko für eine H. pylori-Infektion zu haben [18]. Definitive Aussagen würden jedoch Daten aus großen prospektiven Studien erfordern, die es derzeit jedenfalls noch nicht gibt. Reinigung und Desinfektion Die maschinelle Aufbereitung in ERDM hat heute die früher übliche manuelle Aufbereitung von Endoskopen vielerorts verdrängt. Obwohl eine sorgfältig durchgeführte manuelle Reinigung und Desinfektion aus mikrobiologisch-hygienischer Sicht gute Ergebnisse liefert, ist die maschinelle Aufbereitung insgesamt von Vorteil, weil dadurch personelle Kapazitäten frei werden und der Personalschutz durch Wegfall des Kontaminationsrisikos und der Desinfektionsmittelexposition verbessert wird. Aber auch die maschinelle Aufbereitung ist noch nicht ohne Probleme [1, 2, 6, 11, 19]. Vorreinigung Unabhängig davon, ob die Aufbereitung manuell oder maschinell durchgeführt wird, ist es üblich und erforderlich, dass alle Kanäle des Endoskops sofort nach Beendigung der Untersuchung mit Wasser (mit oder ohne Reinigungsmittel) durchgespült werden, um eine Antrocknung der Kontaminationen im Innern des Gerätes zu verhindern. Dieser Schritt gehört notwendigerweise zum Aufbereitungsprozess, wird aber meist nicht gemeint, wenn von „Vorreinigung“ die Rede ist. Vielmehr wird unter „Vorreinigung“ das Einlegen in Reinigungs- oder Desinfekti- 188 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen onslösung und das manuelle Durchbürsten der Kanäle verstanden. Dieser Schritt ist ein normaler Bestandteil der manuellen Endoskop-Aufbereitung. Bei der maschinellen Aufbereitung in den modernen vollautomatisch arbeitenden ERDM gibt es diesbezüglich jedoch Kontroversen. Es hat heftige Auseinandersetzungen zwischen Hygienikern und Herstellern von ERDM über die Notwendigkeit der mechanischen Vorreinigung mittels Bürste gegeben. In der Praxis jedenfalls wird bei maschineller Aufbereitung überwiegend auf das Vorreinigen verzichtet; Expertenempfehlungen laufen aber darauf hinaus, dass dieser manuelle Schritt vor der maschinellen Aufbereitung unverzichtbar ist. Auch wenn die manuelle Aufbereitung mehr und mehr an Bedeutung verliert, muss dennoch gelegentlich auf das manuelle Verfahren zurückgegriffen werden. Deshalb werden im Folgenden dazu Empfehlungen gegeben. Damit soll also nicht etwa die manuelle Aufbereitung von Endoskopen in den Vordergrund gestellt werden, sondern lediglich die erforderliche Information für den Fall festgehalten werden, dass beispielsweise durch Ausfall einer Maschine darauf zurückgegriffen werden muss. Die Sicherheit der manuellen Aufbereitung hängt ganz entscheidend von der Sorgfalt des Personals ab. Manuelle Aufbereitung flexibler Endoskope Vorbereitung ■ Noch im Untersuchungsraum den Außenmantel mit Zellstoff abwischen ■ Alle Kanäle mit Wasser (± Reinigungsmittel, Desinfektionsmittelzusatz nicht erforderlich) durchspülen ■ Das Endoskop kann dazu praktischerweise in eine auf dem Endoskopiewa- gen stehende Wanne mit einer Lösung aus Instrumentenreiniger gelegt werden, aus der es erst wieder herausgenommen wird, wenn die eigentliche Aufbereitung beginnt. Reinigung ■ Am Aufbereitungsplatz das Endoskop in eine Wanne mit einer Lösung aus einem Instrumentenreinigungsmittel legen (Ventile vorher abnehmen), die Kanäle voll saugen und den Außenmantel abwaschen ■ Kanäle mit flexibler Bürste durchbürsten, Distalende mit weicher Bürste reinigen, Ventile und –gewinde mit Tupfer aus- und abwischen ■ Kanäle mit Wasser durchspülen, Außenmantel und Ventile abspülen ■ Kanäle mit Druckluft durchblasen Desinfektion ■ Endoskope vollständig (bei nicht wasserdichten Geräten bis 5 cm unterhalb des Bedienungskopfes) in eine Desinfektionslösung einlegen ■ Alle Kanäle mit der Lösung füllen (darauf achten, dass der Flüssigkeitsspiegel nicht absinkt) ■ Ventile und Verschlusskappen ebenfalls in die Lösung legen ■ Einwirkzeit abwarten (abhängig vom verwendeten Mittel nach Herstellerangabe), z.B. bei aldehydischen Mitteln 20 Minuten ausreichend, aber auch kürzere Zeiten möglich, insbesondere wenn die Eliminierung von M. tuberculosis nicht im Vordergrund steht, d.h. bei der gastrointestinalen Endoskopie (in Großbritannien 10 Minuten zwischen den Patienten und am Ende des Arbeitstages 20 Minuten empfohlen [2, 19]) Endoskopie Nachbereitung ■ Nach Beendigung der Desinfektionszeit den Außenmantel und alle Kanäle sowie Ventile etc. mit Wasser gründlich von Resten der Desinfektionslösung freispülen ■ Bei Verwendung von Spülwannen, die an eine Pumpe angeschlossen sind, muss beachtet werden, dass in den Verbindungsschläuchen auch nach Entleeren der Wanne Restwasser zurückbleibt, worin sich bei längerer Standzeit, z.B. über Nacht, Wasserkeime vermehren können. Deshalb ist es notwendig, vor dem nächsten Füllen der Wanne das Wasser einige Minuten laufen zu lassen, um die Schläuche freizuspülen und damit die Keimzahl zu reduzieren. ■ Außenmantel z.B. mit Kompressen trocknen ■ Kanäle mit Druckluft trocknen und danach mit z.B. 80%igem Alkohol durchspülen und nochmals mit Druckluft durchblasen ■ Bedienungskopf mit Alkohol abwischen ■ Ventile etc. trocknen und wieder einsetzen 189 Manuelle Aufbereitung starrer Endoskope Vorbereitung ■ Noch im Untersuchungsraum das Endoskop außen mit Zellstoff abwischen ■ Ggf. Kanal mit Wasser (± Reinigungsmittel, Desinfektionsmittelzusatz nicht erforderlich) durchspülen ■ Das Endoskop kann dazu in eine bereit stehende Wanne mit einer Lösung aus Instrumentenreiniger gelegt werden, aus der es erst wieder herausgenommen wird, wenn die eigentliche Aufbereitung beginnt. Reinigung ■ Endoskop inkl. Optik in seine Einzelteile zerlegen ■ Alle Teile in eine Reinigungslösung legen und ggf. Kanal vollständig mit der Lösung füllen ■ Außenseite abwaschen und Kanal mit einer Bürste reinigen ■ Außenseite mit Wasser abspülen und Kanal durchspülen ■ Kanal mit Druckluft trocknen, Außenseite mit Kompressen oder sauberem Tuch trocknen Aufbewahrung Sterilisation ■ Staubfrei und trocken bis zur nächsten Untersuchung lagern ■ Meist in Schränken mit Hängevorrichtung, aber auch Lagerung in Schubladen möglich ■ Bei Endoskopen, die in einem Transportkoffer aufbewahrt werden, muss eine Kontamination des Koffers verhindert werden. Die benutzten Geräte können deshalb nicht im Koffer, sondern nur getrennt zur Aufbereitung transportiert werden. ■ Geräteteile mit Pflegeöl behandeln, zusammensetzen und in Container legen ■ Danach autoklavieren oder plasmasterilisieren Desinfektion Falls eine Sterilisation nicht möglich ist, muss eine Desinfektion wie bei flexiblen Endoskopen durchgeführt werden: ■ Das in seine Einzelteile zerlegte Endoskop in eine Lösung aus Desinfektionsmittel einlegen, ggf. Kanal mit der Lö- 190 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen sung füllen (darauf achten, dass der Flüssigkeitsspiegel nicht absinkt) ■ Einwirkzeit abwarten (abhängig vom verwendeten Mittel nach Herstellerangabe), z.B. bei aldehydischen Mitteln 20 Minuten ausreichend Das weitere Vorgehen ist abhängig davon, wofür das Endoskop anschließend eingesetzt wird, d.h. ob es der Risikokategorie „kritischer“ oder „semi-kritischer“ Gegenstand zuzuordnen ist (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“): a) Eingriffe in sterilen Körperhöhlen ■ Endoskop mit sterilen Handschuhen aus der Lösung nehmen und in eine (sterilisierte) Wanne mit sterilem Aqua dest. legen ■ Gerät außen und ggf. innen mit dem sterilen Wasser gründlich spülen und mit einem sterilen Tuch außen trocknen ■ Ggf. Kanal mit steriler Spritze und Luft trockenblasen ■ Endoskop bis zu seiner nächsten Verwendung in einem sterilisierten Behälter mit Deckel aufbewahren b) Eingriffe im Bereich von Schleimhäuten ■ Einzelteile mit Leitungswasser ab- und durchspülen ■ Außen mit einem sauberen Tuch oder mit Kompressen, ggf. innen mit Druckluft trocknen ■ Mit Alkohol abwischen bzw. durchspülen und nochmals trockenblasen ■ Nach Zusammensetzen der Einzelteile das Endoskop in einem geschlossenen Behälter trocken und staubfrei aufbewahren ■ Behälter zwischenzeitlich entweder mit Alkohol auswischen oder in einer RDM aufbereiten Es muss berücksichtigt werden, dass im Bereich der Endoskopie die Grenze zwischen kritischen und semi-kritischen Gegenständen fließend ist, weil auch Endoskope, die im Bereich physiologisch besiedelter Schleimhäute eingesetzt werden, für die eine Desinfektion als ausreichende Aufbereitungsmethode angesehen wird, mit Schleimhautläsionen Kontakt haben können, wobei streng genommen nur sterile Instrumente eingesetzt werden sollen. Nachbereitung ■ Nach Beendigung der Desinfektionszeit Außenseite und ggf. Kanal mit Wasser gründlich von Resten der Desinfektionslösung freispülen ■ Bei Verwendung von Spülwannen, die an eine Pumpe angeschlossen sind, muss beachtet werden, dass in den Verbindungsschläuchen auch nach Entleeren der Wanne Restwasser zurückbleibt, worin sich bei längerer Standzeit, z.B. über Nacht, Wasserkeime vermehren können. Deshalb ist es notwendig, vor dem nächsten Füllen der Wanne das Wasser einige Minuten laufen zu lassen, um die Schläuche freizuspülen und damit die Keimzahl zu reduzieren. ■ Außenseite z.B. mit Kompressen trocknen ■ Ggf. Kanal mit Druckluft trocknen und danach mit z.B. 80%igem Alkohol durchspülen und nochmals mit Druckluft durchblasen Maschinelle Endoskop-Aufbereitung Die maschinelle Aufbereitung bewirkt eine erhebliche Arbeitsentlastung und wesentlich reduzierte DesinfektionsmittelExposition für das Personal. Da es sich aber bei Endoskopen um Geräte mit zumeist relativ engen (und bei flexiblen Endoskopen noch dazu mit sehr langen) Lu- Endoskopie mina handelt, werden an die Reinigungsleistung der Geräte sehr hohe Anforderungen gestellt. Sicherlich sind bei weitem noch nicht alle Probleme gelöst, aber es gibt auch keinen Anhalt dafür, dass die heute verfügbaren Maschinen ihre Arbeit weniger gut verrichten als das medizinische Personal bei der manuellen Aufbereitung. Insgesamt hat die Aufbereitung in vollautomatisch arbeitenden ERDM eine Reihe von Vorteilen: Chemothermische Desinfektion in ERDM ■ Standardisiertes Verfahren ■ Wesentlich geringerer Personalaufwand ■ Geringeres Kontaminationsrisiko für Personal und Umgebung ■ Dokumentation der verschiedenen Schritte des Aufbreitungsprozesses Die Hersteller von ERDM haben z.T. unterschiedliche Lösungen für die Dekontamination des zum Spülen verwendeten Wassers gefunden. Entweder wird das Wasser durch Aufheizen auf 93 °C thermisch desinfiziert oder mit UV-Strahlen behandelt oder schließlich durch einen autoklavierbaren Sterilfilter geleitet. Es handelt sich dabei sämtlich um Methoden, die theoretisch wirksam sind, in der Praxis aber – durch die Methode selbst oder durch den Aufbau der Maschine bedingt – auch ihre Grenzen haben. ■ So muss z.B. das thermisch desinfizierte Wasser aus dem Wassertank in den Spülraum geleitet werden, und die Frage ist, wie man dieses Überleitungsstück auf Dauer in einen effektiven Desinfektionsprozess eingliedern kann. ■ Die Wirksamkeit einer UV-Lampe lässt nach einer gewissen Zahl von Betriebsstunden nach, sodass sie rechtzeitig er- 191 setzt werden muss. Außerdem darf das UV-Licht nicht durch Biofilm-Bildung in seiner Intensität geschwächt werden. ■ Sterilfilter müssen regelmäßig physikalisch auf Defekte überprüft werden, damit sie nicht für Mikroorganismen durchlässig werden, und sie müssen regelmäßig autoklaviert werden, weil sie von Mikrorganismen bewachsen und sogar „durchwachsen“ werden können. Chemische Desinfektion mit Peressigsäure Insbesondere in den USA wird offenbar sehr häufig die automatische Desinfektion mit Peressigsäure angewendet. Klarer Nachteil ist, dass das Gerät nicht reinigt, sondern nur eine automatische Desinfektion (bzw. „Sterilisation“) durchführt. Bei entsprechender Vorreinigung ist jedoch das Desinfektionsergebnis einwandfrei [1, 15]. ■ Peressigsäure inaktiviert bakterielle Sporen, deshalb handelt es sich theoretisch um ein Sterilisationsverfahren. ■ Rekontaminationen sind aber möglich, da die Endoskope unverpackt im Gerät liegen und deshalb anschließend offen wieder herausgenommen werden müssen. Das Verfahren ist besonders geeignet für Situationen, in denen man mit Erregern rechnen muss, die mit den normalerweise verwendeten aldehydischen Desinfektionsmitteln nicht sicher inaktiviert werden (insbesondere M. avium-intracellulare). Für übliche endoskopische Eingriffe benötigt man aber kein „steriles“ Instrument, weshalb dieses vom Hersteller häufig angeführte Argument für seinen Einsatz nicht relevant ist. Trocknung Unabhängig von der Methode der Aufbereitung muss besonderer Wert darauf ge- 192 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen legt werden, dass die Endoskope vor der Aufbewahrung, z.B. über Nacht, gut getrocknet werden. Feuchtigkeitsreste in den Kanälen können dazu führen, dass während der Lagerung die Keimzahl von evtl. vorhandenen Wasserbakterien zunimmt. Deshalb müssen bei manueller Aufbereitung alle Kanäle sorgfältig mit Druckluft durchgeblasen werden. Es ist aber zusätzlich empfehlenswert, die Kanäle nach der ersten Trocknung mit Alkohol zu spülen und danach nochmals mit Luft durchzublasen, weil dadurch eine zusätzliche Desinfektionswirkung erzielt werden kann und das Trocknungsergebnis verbessert wird [1, 2, 19]. Aber auch bei maschineller Aufbereitung ist die Trocknungsphase im Gerät häufig nicht ausreichend, sodass vor längerer Lagerung, z.B. über Nacht, ggf. mit Alkohol gespült und anschließend mit Druckluft nachgetrocknet werden muss. Zwischen den einzelnen Untersuchungen eines Tages jedoch kann bei Gastroskopen und Koloskopen Restfeuchte in den Kanälen toleriert werden, weil keine Zeit für die Vermehrung der Keime bleibt und deshalb ein Infektionsrisiko nicht besteht. Da die Laufzeit der ERDM relativ lang ist und häufig ein (relativer) Mangel an Endoskopen besteht, können die Endoskope auch vor Ablauf der Trocknungsphase entnommen und manuell mit Druckluft durchgeblasen werden, damit sie ohne zu großen Zeitverlust wieder beim nächsten Patienten zum Einsatz kommen können. Aufbereitung des Endoskop-Zubehörs Besondere Sorgfalt muss auch auf das endoskopische Zubehör verwendet werden, weil insbesondere die Reinigungsergebnisse nicht immer ausreichend sind [1, 2, 13, 19]. Folgende Maßnahmen sollen berücksichtigt werden: ■ Biopsiezangen etc. gründlich reinigen (z.B. im Ultraschallbad), abspülen, trocknen und autoklavieren (oder plasmasterilisieren) ■ Lichtleitkabel mit Alkohol abwischen ■ Bürsten in RDM reinigen und thermisch desinfizieren ■ Ansätze von Druckluft- und Wasserpistole ebenfalls in Desinfektionslösung einlegen ■ Spritzen zum Füllen der Kanäle zerlegen, danach in RDM reinigen und thermisch desinfizieren oder in Desinfektionslösung einlegen ■ Wasserflasche und Überleitungsschlauch täglich vorzugsweise thermisch desinfizieren oder sterilisieren, bei chemischer Desinfektion darauf achten, dass auch der Schlauch gründlich von Desinfektionsmittelresten freigespült wird Desinfektionsmittel-Empfindlichkeit potenziell pathogener Erreger Für die Desinfektion von Endoskopen wird häufig – bei maschineller Aufbereitung in vollautomatischen ERDM bisher immer – ein aldehydhaltiges Desinfektionsmittel verwendet. In der Fachliteratur wird meist Glutaraldehyd in 2%iger alkalischer Lösung genannt. Die meisten potenziell pathogenen Erreger sind gut empfindlich. Einzelne Erreger sind jedoch relativ resistent, wodurch insbesondere dann Probleme entstehen können, wenn die Reinigung nicht gründlich genug durchgeführt wird. Es kann aber auch zu einer Kolonisierung der Maschinen durch Keime aus dem Leitungswasser kommen, die nur eine eingeschränkte Empfindlichkeit haben. Dies ist am häufigsten von M. chelonae berichtet worden [5, 10]. Bekannterweise sind Sporen sehr desinfektionsmittelresistent, und ihre Inaktivie- Endoskopie rung erfordert z.B. bei Aldehyden sehr lange Einwirkzeiten (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“) [19]. C. difficile wird jedoch rasch in einer 2%igen Glutaraldehyd-Lösung abgetötet, und dasselbe gilt für Viren wie Rotaviren und Hepatitis A-Virus [19]. Cryptosporidien und andere Parasiten dagegen sind bei üblicher Desinfektionszeit nicht empfindlich, weshalb die sorgfältige Reinigung der Endoskope sehr wichtig ist, weil dadurch die Kontamination im Wesentlichen schon eliminiert wird. Mykobakterien gelten als relativ resistent gegen Desinfektionmittel, auch Glutaraldehyd. Dies trifft aber weniger auf M. tuberculosis, sondern mehr auf atypische Mykobakterien und darunter insbesondere auf M. avium-intracellulare zu. Deshalb werden manchmal längere Desinfektionszeiten empfohlen, wenn die Inaktivierung atypischer Mykobakterien erforderlich ist (45 Minuten oder noch länger anstelle von 20 Minuten); dies aber wird von Expertenseite nicht für erforderlich gehalten, weil eher Fehler bei der Aufbereitung als mangelnde Wirksamkeit von Glutaraldehyd verantwortlich waren, wenn M. tuberculosis nicht eliminiert wurde [14]. Bei gehäuftem Nachweis, z.B. aus bronchoalveolärer Lavage (BAL), von typischen Wasserbakterien, wie z.B. Aeromonas hydrophila oder atypischen Mykobakterien, muss immer eine Kontamination durch die bei der Untersuchung verwendeten Endoskope ausgeschlossen werden (PseudoAusbruch), um unnötige Antibiotikagaben zu vermeiden [5, 7]. Eine mikrobiologische Überprüfung der Aufbereitung ist in solchen Situationen immer erforderlich. Außerdem ist der Einsatz molekularbiologischer Typisierungsmethoden sinnvoll, um die Übereinstimmung der Stämme zu bestätigen oder auszuschließen. 193 Vergleichsweise ungelöst ist die Frage, wie man mit Endoskopen umgeht, die bei Patienten mit Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) – oder dringendem Verdacht – eingesetzt wurden (z.B. für die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie). Keines der möglichen Aufbereitungsverfahren kann mit hinreichender Sicherheit gewährleisten, dass das infektiöse Agens eliminiert wird (siehe Kapitel B.5 „Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“). Auch in diesen Fällen ist also die gründliche Reinigung der Endoskope entscheidend. Toxizität von Desinfektionsmitteln Um toxische Reaktionen durch in den Endoskopkanälen verbliebene Reste von Desinfektionsmitteln auszuschließen, muss sehr viel Wert auf gründliches Nachspülen gelegt werden. Über eine sog. Glutaraldehyd-Kolitis ist berichtet worden, für die zum einen Reste des Desinfektionsmittels in den Kanälen, zum anderen aber auch Reste im Verbindungsschlauch zwischen Wasserflasche und Endoskop als Ursache betrachtet wurden [8, 17]. Um allergische Reaktionen von Seiten des Respirationstraktes und der Haut zu vermeiden und die Exposition des Personals auf ein Minimum zu reduzieren, müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Erforderlich sind der Gebrauch von Schutzkleidung (Handschuhe, Plastikschürzen und ggf. auch Augenschutz) sowie effiziente Absaugsysteme, um die auch bei Verwendung von ERDM freiwerdenden Desinfektionsmitteldämpfe nach außen abzuleiten. Mikrobiologische Überprüfung der Endoskope Eine Überprüfung des Aufbereitungsergebnisses in Intervallen von z.B. 3–6 Mo- 194 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen naten durch stichprobenartige mikrobiologische Überprüfung von Endoskopen ist sinnvoll, um ggf. Fehler rechtzeitig zu erkennen. Eine Überprüfung der Endoskope (= Produktkontrolle) ist auch bei der maschinellen Aufbereitung sinnvoll, weil eine Überprüfung der Apparate selbst (= Prozesskontrolle) zu aufwändig ist. Dafür müsste man nämlich ein Endoskop (oder ein entsprechendes Modell, sog. Dummy, mit langem, engem Lumen) kontaminieren und anschließend die Keimzahlreduktion bestimmen. Wendet man jedoch für die Überprüfung von ERDM nur die Methoden für normale RDM an, kann man danach nur eine Aussage über die Reinigungs- und Desinfektionsleistung des Apparates an der Außenseite der Endoskope machen, nicht jedoch über die Resultate in den Lumina der Endoskope. Folgendes Überprüfungsschema kann beispielsweise angewendet werden: ■ Abstriche mit sterilen Watteträgern, befeuchtet z.B. mit NaCl, von Außenmantel, Distalende, Gewinde der Distalschutzkappe, allen Kanaleingängen sowie dazugehörigen Verschlusskappen bzw. Ventilen (jeweils an der Innenseite) ■ Durchspülen aller Kanäle mit NaCl und Auffangen der Spüllösung in sterilen Gefäßen ■ Probe aus der Wasserflasche entnehmen Die Proben müssen dann möglichst schnell zur weiteren Bearbeitung in das mikrobiologische Labor geschickt werden. Eine Überprüfung des letzten Spülwassers vor dem Abpumpen ist schwierig zu realisieren, erscheint aber auch nicht erforderlich, da die Endoskope ohnehin getrocknet werden müssen. Alternativ kann aber eine Probe des Restwassers (ent- spricht dem letzten Spülwasser) unmittelbar nach Programmende untersucht werden. Selbstverständlich ist die Wasserqualität auch bei maschineller Aufbereitung wichtig (siehe oben), sie kann aber letztlich nur durch entsprechenden technischen Aufbau der Maschinen, nicht aber durch stichprobenartige Kontrollen sichergestellt werden. Literatur 1. Alvarado CJ, Reichelderfer M. APIC guideline for infection prevention and control in flexible endoscopy. Am J Infect Control 2000; 28: 138–155 2. Ayliffe GA. Nosocomial infections associated with endoscopy. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 881–895 3. Bronowicki J-P, Venard V, Botté C, Monhoven N, Gastin I, Choné L, Hudziak H, Rhin B, Delanoë C, LeFaou A, Bigard M-A, Gaucher P. Patient-to-patient transmission of hepatitis C virus during colonoscopy. N Engl J Med 1997; 337: 237–240 4. Cooke RPD, Whymant-Morris A, Umasankar RS, Goddard SV. Bacteria-free water for automatic washer-disinfectors: an impossible dream? J Hosp Infect 1998; 39: 63–65 5. Cox R, de Borja K, Bach MC. A pseudo-outbreak of Mycobacterium chelonae infections related to bronchoscopy. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 136–137 6. Dietze B, Winkler A, Martiny H. Maschinelle Reinigung und Desinfektion von Endoskopen. Hyg Med 1999; 24: 468–472 7. Esteban J, Gadea I, Fernández-Roblas R, Molleja A, Calvo R, Acebrón V, Soriano F. Pseudo-outbreak of Aeromonas hydrophila isolates related to endoscopy. J Hosp Infect 1999; 41: 313–316 8. Farina A, Fievet M-H, Plassart F, Menet M-C, Thuillier A. Residual glutaraldehyde levels in fiberoptic endoscopes: measurement and implications for patient toxicity. J Hosp Infect 1999; 43: 293–297 9. Hanson PJV, Bennett J, Jeffries DJ, Collins JV. Enteroviruses, endoscopy and infection control: an applied study. J Hosp Infect 1994; 27: 61–67 Endoskopie 10. Manzoor SE, Lambert PA, Griffiths PA, Gill MJ, Fraise AP. Reduced glutaraldehyde susceptibility in Mycobacterium chelonae associated with altered cell wall polysaccharides. J Antimicrob Chemother 1999; 43: 759–765 11. Marchetti MG, Salvatorelli G, Finzi G, Cugini P. Endoscope washers – a protocol for their use. J Hosp Infect 2000; 46: 210–215 12. Ramirez J,Ahmed Z, Gutierrez CN, Byrd RP, Roy TM, Sarubbi FA. Impact of atypical mycobacterial contamination of bronchoscopy on patient care: report of an outbreak and review of the literature. Infect Dis Clin Pract 1998; 7: 281–285 13. Roth K, Heeg P, Reichl R, Cogdill P, Bond W. Qualitätssicherung bei der Aufbereitung von Zubehör für flexible Endoskope – Wie sauber sind gereinigte Instrumente wirklich? Zentr Steril 1999; 7: 84–96 14. Rutala WA, Weber DJ. FDA labeling requirements for disinfection of endoscopes: a 15. 16. 17. 18. 19. 195 counterpoint. Infect Control Hosp Epidemiol 1995; 16: 231–235 Rutala WA, Weber DJ. Disinfection of endoscopes: review of new chemical sterilants used for high-level disinfection. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 69–76 Spach D, Silverstein FE, Stamm WE. Transmission of infection by gastrointestinal endoscopy and bronchoscopy. Ann Int Med 1993; 118: 117–128 West AB, Kuan S-F, Bennick M, Lagarde S. Glutaraldehyde colitis following endoscopy: clinical and pathological features and investigation of an outbreak. Gastroenterol 1995; 108: 1250–1255 Williams CL. Helicobacter pylori and endoscopy. J Hosp Infect 1999; 41: 263–268 Working Party Report. Decontamination of minimally invasive surgical endoscopes and accessories. J Hosp Infect 2000; 45: 263–277 196 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Geburtshilfe und Gynäkologie Historischer Hintergrund Die Infektionskontrolle hat historisch besonders in der Geburtshilfe eine Rolle gespielt. Bedingt durch das Kindbettfieber gab es lange Zeit eine hohe Müttersterblichkeit, die erst 1935 stetig zu sinken begann [15, 16]. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt eine krasse Ignoranz der geburtshilflich tätigen Ärzte gegenüber den Erkenntnissen über die Entstehung und Prävention von Infektionen. Lange Zeit war es für eine werdende Mutter sogar sicherer, die Geburt von einer Hebamme anstelle eines Arztes begleiten zu lassen [14]. Dies lag vorwiegend daran, dass die Hebammen den natürlichen Verlauf der Geburt geduldig abwarteten, während die Ärzte intervenierten und z.B. mit dem Einsatz der Zange im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts begannen, die Geburten zu beschleunigen. Diese Manipulationen setzten die Gebärende u.a. einem erhöhten Infektionsrisiko aus, zumal die mikrobielle Ursache von Infektionen und damit die Möglichkeit der Erregerübertragung erst langsam bekannt wurde. Auch noch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts waren Frauen, die sich aufgrund ihrer sozialen Situation keinen Arzt leisten konnten, sondern sich auf Betreuung durch eine Hebamme beschränken mussten, weniger gefährdet, am Kindbettfieber zu erkranken [14]. Wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Infektionskontrolle in der Geburtshilfe hatten die Erkenntnisse von Ignaz Semmelweis, der den Zusammenhang zwischen der ärztlichen Tätigkeit im Sektionssaal und der Inzidenz von Kindbettfieber erkannte und daraufhin die Desinfektion der Hände vor vaginaler Untersuchung Schwangerer einführte. Er war aber nicht der Erste, der durch systematische Beobachtung zu der Erkenntnis kam, dass es sich dabei um Erkrankungen handelte, die durch Kontakt übertragen werden. Lange vor ihm hat Ende des 18. Jahrhunderts Alexander Gordon die Kontagiosität dieser häufig tödlich ausgehenden Erkrankung mit Ärzten oder Hebammen als Überträger beschrieben, weit vor der Zeit also, als man Bakterien als Ursache von Infektionen entdeckte [10, 30, 36]. Gegen die damals dominante Miasmentheorie konnte er sich jedoch mit seiner Auffassung nicht durchsetzen. 1843 – also auch noch vor Semmelweis – beschrieb Oliver Wendell Holmes das Kindbettfieber als Krankheit, die häufig durch Ärzte und Schwestern von Patientin zu Patientin übertragen wird [30, 36]. Trotz dieser historischen Gegebenheiten hat die Infektiologie heute in der Geburtshilfe und Gynäkologie keine große Bedeutung. Die häufigsten nosokomialen Infektionen in der modernen Geburtshilfe und Gynäkologie sind Harnwegsinfektionen und postoperative Infektionen im Operationsgebiet [12, 13, 18]. Die Maßnahmen der Infektionskontrolle in der Gynäkologie entsprechen denen in anderen Fachgebieten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“, Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). In der Geburtshilfe gibt es jedoch einige Besonderheiten. In Geburtshilfe und Gynäkologie diesem Kapitel werden deshalb nur die Fragen behandelt, die in anderen Gebieten der Medizin keine Rolle spielen. Geburtshilfe Nosokomiale Infektionen in der Geburtshilfe können sowohl Mutter als auch Kind betreffen. Typische Infektionen der Mutter sind das Amnioninfektionssyndrom (oder auch Chorioamnionitis), die postpartale Endomyometritis und die Mastitis puerperalis; typische Infektionen des Neugeborenen sind die Konjunktivitis, Sepsis oder Meningitis durch B-Streptokokken und andere potenziell pathogene Keime der mütterlichen Darm- oder Vaginalflora sowie Herpes simplex-Infektionen des ZNS [12, 13, 18, 37]. Amnioninfektionssyndrom Nosokomiale und außerhalb des Krankenhauses erworbene Amnioninfektionen werden nach folgenden Kriterien unterschieden: Außerhalb des Krankenhauses erworbene Infektion ■ Bei stationärer Aufnahme klinisch manifest oder ■ Auftreten nach der stationären Aufnahme (z.B. zur Beobachtung einer Patientin mit vorzeitigem Blasensprung), aber – vor vaginaler Untersuchung – vor geburtseinleitenden oder anderen geburtshilflichen Maßnahmen (z.B. intrauterines Monitoring) Nosokomiale Infektion Auftreten frühestens 24 Stunden ■ nach Durchführung invasiver geburtshilflicher Maßnahmen oder ■ nach Einleitung der Geburt 197 Endomyometritis puerperalis ■ Immer nosokomiale Infektion (außer bei Patientinnen, die mit Amnioninfektionssyndrom oder einem mindestens 24 Stunden zurückliegenden Blasensprung aufgenommen wurden) ■ Meist nach Sectio caesarea (insbesondere, wenn bereits Wehen bestanden haben oder die Blase gesprungen war) ■ Nach vaginaler Entbindung ist der vorzeitige Blasensprung der wichtigste Risikofaktor, aber auch protrahierte Geburt und Retention von Plazentaresten spielen eine Rolle. ■ Häufigkeit nach vaginaler Entbindung 1–4%, nach elektivem Kaiserschnitt (= keine Wehen, kein Blasensprung) ca. 2%, bei Notfall-Sectio 8% bis sogar 85% ■ A-Streptokokken – Wichtigster Erreger des Kindbettfiebers [10, 14–16, 36] – Auch heute gelegentlich Berichte über Ausbrüche [6, 17, 19] – Bei gehäuften Infektionen nicht selten kolonisierte oder infizierte Patientinnen als Erregerreservoir vorhanden – Übertragungen auf Wochenstationen mehr durch indirekten als durch direkten Kontakt – Insbesondere nach operativer Entbindung auch – meist asymptomatisch – besiedelte Mitglieder des Operationspersonals als Erregerreservoir verantwortlich – Jeder Einzelfall muss als Notfall betrachtet werden (obwohl A-Streptokokken weltweit noch immer Penicillin-sensibel sind), weil bestimmte Stämme therapeutisch nur schwer zu beeinflussende lebensbedrohliche Infektionen verursachen können – Sofortige Einleitung von Infektionskontrollmaßnahmen (siehe unten 198 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen „Infektionskontrollmaßnahmen bei perinatalen mütterlichen Infektionen“) – Bei Verdacht auf einen sog. Ausbruch, d.h. Auftreten von mehr als einer Infektion innerhalb kurzer Zeit (z.B. zwei Wochen), systematische epidemiologische Untersuchung mit gezielten Patienten- sowie ggf. Personal- und Umgebungsuntersuchungen einleiten (siehe Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“) Mastitis puerperalis ■ Häufig erst nach der Entlassung klinisch manifest (dennoch meist nosokomiale Infektion) ■ Häufigster Erreger: Staphylococcus aureus ■ Eindringen potenziell pathogener Keime meist durch Rhagaden in der Umgebung der Brustwarzen Prävention von Infektionen bei Mutter und Kind Amnioninfektionssyndrom und Endomyometritis puerperalis ■ Händehygiene vor jeder vaginalen Untersuchung (Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe) ■ Ob bei vaginaler Untersuchung nach Blasensprung sterile Handschuhe erforderlich sind, wird zu Recht kontrovers beurteilt, denn die sterilen Handschuhe werden beim Vaginalkontakt sofort kontaminiert. ■ Vaginale Untersuchungen und transvaginale Manipulationen (z.B. Sonographie,Amnioskopie), insbesondere nach Blasensprung, auf das notwendige Minimum reduzieren ■ Bei Geburtseinleitung die Geburt so schnell wie möglich anstreben ■ Invasives fetales Monitoring (z.B. Kopfschwartenelektroden, Fetalblutanalyse) und interne Tokographie unter aseptischen Bedingungen durchführen ■ Bei Notfall-Kaiserschnitt Antibiotikaprophylaxe (in der Regel Gabe eines Basis-Cephalosporins oder einer Ampicillin/Betalaktamase-Inhibitor-Kombination als Einmal-Dosis; siehe Kapitel E.5 „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“) verabreichen, aber erst nach Abklemmen der Nabelschnur, um eine evtl. später beim Neugeborenen erforderliche mikrobiologische Diagnostik nicht durch dann auch bei ihm vorhandene Antibiotikaspiegel zu beeinflussen (Antibiotika aber auch nicht später intra- oder erst postoperativ verabreichen, damit das Myometrium als das am meisten infektionsgefährdete Operationsgebiet noch rechtzeitig ausreichende Antibiotikaspiegel erhält) ■ Große Bedeutung für die Prävention hat das präpartale Screening der Vaginalflora auf bakterielle Vaginose (= häufigste Form der Vaginalinfektion bei schwangeren und nicht-schwangeren Frauen) und ggf. entsprechende therapeutische Maßnahmen zur Wiederherstellung einer normalen Vaginalflora. Mastitis puerperalis ■ Sorgfältige Pflege der Brustwarzen zur Vermeidung von Rhagaden ■ Gründliche Händehygiene von Personal und Patientin ■ Bei den Müttern Händewaschen ausreichend ■ Kontakt der Brustwarzen mit dem Lochialsekret vermeiden, weil der Wochenfluss immer mit Vaginalflora besiedelt ist, wozu auch potenziell pathogene Keime aus der Darmflora und S. aure- Geburtshilfe und Gynäkologie us, manchmal auch A-Streptokokken, gehören können, die bei Kontakt mit Rhagaden der Brustwarzen zu Infektionen der Brust führen können Konjunktivitis des Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum) ■ Klassische Prophylaxe durch Applikation von 1%iger wässriger SilbernitratLösung nach vollständiger Reinigung beider Augen (= Credé’sche Prophylaxe; in ca. 10% chemische Konjunktivitis) [35] ■ Wegen Chlamydien-Wirksamkeit auch 0,5%ige Erythromycin-Salbe oder 1%ige Tetracyclin-Salbe empfohlen [35] ■ 2,5%ige PVP-Jod-Lösung ebenfalls wirksam (geringe Nebenwirkungen) [8] ■ Prophylaxe unabhängig davon, ob die Geburt vaginal oder durch Kaiserschnitt erfolgte B-Streptokokken-Infektionen ■ Sepsis oder Meningitis nach Kolonisierung des Neugeborenen mit B-Streptokokken aus dem mütterlichen Genitaltrakt (sog. Early- und Late-onset-Infektionen) ■ Empfehlungen für den Nachweis von B-Streptokokken und die perinatale Antibiotikaprophylaxe in der pädiatrischen und geburtshilflichen Fachliteratur [1, 2, 24–26] Herpes simplex-Infektionen ■ Neonatale Herpes simplex-Infektionen können mit schweren neurologischen Langzeitschäden assoziiert sein. ■ Prävention durch Schnittentbindung ■ Sectio-Indikation heute nur noch abhängig vom klinischen Zustand der werdenden Mutter: Bei sichtbaren ge- 199 nitalen Läsionen oder typischen Prodromalsymptomen eines genitalen Herpes simplex unabhängig davon, ob es sich um eine Primärinfektion oder um ein Rezidiv handelt (auch bei Rezidiven ist der Schutz durch mütterliche Antikörper nicht immer vollständig) [21, 27] Infektionsrisiken bei Wassergeburt Ob eine Geburt im Wasser tatsächlich eine „natürliche“ Geburt ist, kann zu Recht in Zweifel gezogen werden [34]. Abgesehen davon, dass das Liegen in warmem Wasser die Phase der Eröffnungswehen erleichtern kann, ist es in den letzten Jahren relativ populär geworden, die Entbindung unter Wasser durchzuführen. Dabei gibt es prinzipiell für alle Beteiligten, also für die Mutter, das Kind und das Personal, Infektionsrisiken [4, 11, 22, 23, 33, 38]: ■ Bei der Mutter Hautinfektionen mit Pseudomonas aeruginosa und anderen Wasserkeimen (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“), weil sie am längsten Wasserkontakt hat, wodurch es zu deutlicher Aufweichung der Haut und damit deren herabgesetzter Widerstandskraft kommen kann ■ Beim Neugeborenen invasive Infektionen mit Wasserkeimen oder Erregern aus der Stuhlflora der Mutter (während der Geburt relativ unkontrollierbarer Stuhlabgang) ■ Beim medizinischen Personal Kontakt mit (blutigem) Wasser auch bei Verwendung von flüssigkeitsdichter Schutzkleidung (inkl. lange bis zum Oberarm reichende Schutzhandschuhe) meist nicht zu umgehen, dadurch möglicherweise Übertragung Blut-assoziierter Erreger, wenn auch durch den Verdünnungseffekt eher unwahrscheinlich 200 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Es gibt einzelne Berichte über kindliche Infektionen nach Geburt im Wasser, aber keine systematischen Untersuchungen über Infektions- und andere Risiken im Vergleich zur normalen Geburt. Insgesamt betrachtet ist das Kind am meisten gefährdet. Um die – möglicherweise nur geringen – Gefahren durch Keime, die schon im Leitungswasser vorhanden sein können, zu minimieren, sind die folgenden Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll [38]: ■ Das Wasser der Wanne jeden Tag für einige Minuten laufen lassen, um auch bei Nicht-Benutzung der Wanne die Leitungen regelmäßig durchzuspülen ■ Vor Einlassen der Badewanne das Wasser wiederum einige Minuten laufen lassen ■ Wasserproben vom einlaufenden Wasser und vom Wannenwasser nach der Geburt mikrobiologisch untersuchen lassen (dadurch Hinweis auf potenzielle Erreger, falls beim Neugeborenen Verdacht auf eine Infektion bestehen sollte) ■ Badewanne nach einer Geburt gründlich mit Flächendesinfektionsmittel reinigen und desinfizieren, anschließend gründlich ausspülen und trocknen Infektionskontrollmaßnahmen bei perinatalen Infektionen Wenn eine Schwangere um den Zeitpunkt der Geburt eine Infektion erwirbt, sollen die im Folgenden genannten Maßnahmen – die Frau, das Neugeborene und das Personal betreffend – beachtet werden (siehe auch Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“) [29]: Borreliose Maßnahmen bei der Frau ■ Bei Erythema migrans Amoxicillin oral für 14 Tage ■ Bei systemischer Infektion für 14 Tage Penicillin oder Cephalosporin intravenös Maßnahmen beim Kind ■ Bei Verdacht auf Infektion (sehr unwahrscheinlich) sofort Antibiotikatherapie beginnen ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Kein Risiko ■ Standard-Hygienemaßnahmen Chlamydien Maßnahmen bei der Frau ■ Screening in der Frühschwangerschaft und zu Beginn des dritten Trimenon ■ Bei Nachweis Antibiotikatherapie einleiten, Sexualpartner auch untersuchen und ggf. therapieren ■ Kontrolle nach Therapie Maßnahmen beim Kind ■ Augenprophylaxe (siehe Abschnitt „Konjunktivitis des Neugeborenen“) oder tägliche Beobachtung ■ Bei Konjunktivitis durch Chlamydien Therapie mit Makroliden für 14 Tage per os, ebenso bei Verdacht auf Pneumonie (kann bis zum vierten Lebensmonat auftreten) Maßnahmen beim Personal ■ Standard-Hygienemaßnahmen Cytomegalie-Virus Maßnahmen bei der Frau ■ Bei CMV-Nachweis in Zervixsekret oder Urin Isolierung bei der Geburt ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) Geburtshilfe und Gynäkologie 201 ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Gastrointestinale Infektionen Maßnahmen beim Kind ■ Bei akuter Infektion bzw. asymptomatischer Auscheidung von z.B. EnteritisSalmonellen oder Campylobacter spp. Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) ■ Bei Verdacht auf CMV-Infektion Bestimmung von anti-CMV-IgM und Nachweis von CMV im Urin versuchen (selten Symptome bei der Geburt) ■ CMV-Ausscheidung in Speichel und Urin für 1–2 Jahre möglich ■ Kann gestillt werden Maßnahmen bei der Frau Maßnahmen beim Personal Maßnahmen beim Kind ■ Übertragung möglich (z.B. Kontakt mit Urin) ■ Schwangere bei anderen Patienten einsetzen ■ Sorgfältige Händehygiene ■ Antibiotikatherapie, wenn Mutter an Typhus erkrankt, sonst Antibiotika nur bei symptomatischen Kindern oder evtl. auch bei positiven Stuhlkulturen ■ Kann gestillt werden Enteroviren (ECHO, Coxsackie) Maßnahmen bei der Frau ■ Wenn innerhalb von 6 Wochen vor der Geburt Fieber, Muskelschmerzen, Nackensteife, Kopfschmerzen, Hautausschlag etc. bestanden haben oder innerhalb von 14 Tagen vor der Geburt Kontakt mit einer infizierten Person stattfand, besteht potenziell Kontagiosität. ■ Isolierung bei der Geburt ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Sorgfältige Beobachtung auf Meningitissymptome ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Sorgfältige Händehygiene Maßnahmen beim Personal ■ Sorgfältige Händehygiene ■ Kein Kontakt mit Neugeborenen, wenn selbst Ausscheider Hepatitis A, E Maßnahmen bei der Frau ■ Nach z.B. HAV-Kontakt Standard-Immunglobulin, wenn nicht immun ■ Bei akuter Hepatitis Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Bei z.B. HAV-Kontakt der Mutter innerhalb der letzten zwei Wochen vor der Geburt evtl. Standard-Immunglobulin sofort nach der Geburt ■ Kann gestillt werden 202 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Maßnahmen beim Personal Herpes simplex-Virus ■ Bei Verdacht auf Exposition Gabe von Standard-Immunglobulin ■ Sorgfältige Händehygiene Maßnahmen bei der Frau Hepatitis B, C oder D bzw. HIV-Infektion Maßnahmen bei der Frau ■ Keine speziellen Isolierungsmaßnahmen vor und während der Geburt ■ Bei HIV-Infektion Vorteile der elektiven Schnittentbindung für das Kind unsicher, derzeit nicht empfohlen [31] ■ Auf der Wochenstation evtl. Einzelzimmer (mit Kind), insbesondere wenn HBeAg-positiv ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Bei HBV-Infektion der Mutter sofort nach der Geburt aktive Hepatitis BImpfung beginnen (2. Gabe nach 1 Monat, 3. Gabe nach 6 Monaten) ■ Gleichzeitig mit der ersten Impfung Gabe von Hepatitis B-Immunglobulin ■ Bei HBV-Infektion der Mutter kann das Kind gestillt werden, auch bei HCV-Infektion ist Stillen nicht kontraindiziert, während bei HIV-Infektion in Industrieländern das Stillen nicht empfohlen wird, da das Infektionsrisiko unklar ist und Flaschennahrung kontaminationsfrei zubereitet werden kann. Maßnahmen beim Personal ■ Hepatitis B-Impfschutz wichtig ■ Nach Nadelstich bei Personen ohne HBV-Immunität aktiv-passive Simultan-Impfung gegen Hepatitis B ■ Bei primärem Herpes genitalis und bei sekundärem im Bläschenstadium Schnittentbindung ■ Bei primärem Herpes labialis Maske bei Versorgung des Kindes (Kind nicht küssen) ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind), bis alle Läsionen verkrustet ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ HSV-Diagnostik 24 bis 48 Stunden nach der Geburt sowie am 5. und 12. Lebenstag (Conjunctiva, Urin, Stuhl, Nasopharynx und Liquor) ■ Genaue Beobachtung (z.B. auf Hauteffloreszenzen achten) ■ Evtl. Acyclovir-Therapie beginnen (Manifestation einer HSV-Infektion bis sechs Wochen nach Geburt möglich) ■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Sorgfältige Händehygiene ■ Bei Herpes-Infektion (Lippe, Haut) möglichst kein Kontakt mit Neugeborenen, sonst Maske tragen und nicht mit den Kindern schmusen ■ Bei aktivem Herpes genitalis StandardHygienemaßnahmen Listeriose Maßnahmen bei der Frau ■ Bei schwerer Symptomatik Ampicillin intravenös für vier Wochen, sonst oral für 2–3 Wochen Geburtshilfe und Gynäkologie ■ Evtl. Antibiotikaprophylaxe bei Listeriennachweis im Vaginalsekret (Ampicillin oral) ■ Isolierung bei der Entbindung (auch bei Kolonisierung) ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene Maßnahmen beim Kind ■ Sorgfältige Beobachtung (Early- bzw. Late-onset-Infektionen) ■ Bei Verdacht auf Infektion frühzeitig Antibiotika für 2–3 Wochen einsetzen (zuvor Blut, Liquor, Urin, Stuhl, Nasopharyngealsekret mikrobiologisch untersuchen) ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Sorgfältige Händehygiene, da Übertragung nach Kontakt mit Stuhl oder Vaginalsekret möglich (Late-onset-Infektionen durch nosokomiale Übertragung beschrieben) Masern Maßnahmen bei der Frau ■ Wenn nicht immun, besteht Kontagiosität ab 5–6 Tage nach Exposition, bis 5 Tage nach Auftreten des Exanthems. ■ Wenn nicht immun, Standard-Immunglobulin innerhalb von drei Tagen nach Exposition ■ In diesem Fall Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Standard-Immunglobulin bei Erkrankung der Mutter (nicht mehr, wenn 203 schon Symptome beim Kind vorhanden) ■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Personal in der Geburtshilfe soll immun sein, sonst Impfung empfehlen ■ Bei fehlender oder unsicherer Immunität vom 6.–15. Tag nach Exposition (= Inkubationszeit) nach Hause, alternativ Antikörper-Status überprüfen ■ Sorgfältige Händehygiene Mumps Maßnahmen bei der Frau ■ Bei Erkrankung innerhalb von 10 Tagen (auch bei Verdacht) oder Kontakt innerhalb der letzten drei Wochen vor der Geburt bei fehlender bzw. unsicherer Immunität besteht potenziell Kontagiosität. ■ In diesen Fällen Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen, da 50% asymptomatisch infiziert, wenn die Mutter manifest erkrankt ist ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Personal in der Geburtshilfe soll immun sein, sonst Impfung empfehlen ■ Bei fehlender bzw. unsicherer Immunität vom 10.–21. Tag nach Exposition (= Inkubationszeit) kein Kontakt mit nicht immunen Patienten 204 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ 10 Tage nach Beginn einer Erkrankung Aufnahme der Arbeit prinzipiell wieder möglich ■ Sorgfältige Händehygiene Parvovirus B 19 (Ringelröteln) Maßnahmen bei der Frau ■ Bei gesicherter Infektion oder Verdacht Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal ■ Schwangere bei anderen Patienten einsetzen ■ Sorgfältige Händehygiene Maßnahmen beim Personal ■ Übertragung möglich, wenn nicht immun, aber Risiko gering ■ Standard-Hygienemaßnahmen Respiratorische Infektionen Maßnahmen bei der Frau ■ Kontakt mit Mitpatientinnen und deren Kindern vermeiden ■ Bei Bronchitis nach Pertussis-Exposition fragen (siehe oben) ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Bei Schnupfen RSV-Infektion abklären ■ Kein Kontakt mit anderen Neugeborenen ■ Kann gestillt werden Maßnahmen beim Personal Pertussis (Keuchhusten) Maßnahmen bei der Frau ■ 10 Tage Erythromycin, auch wenn Geburtstermin erst in >7 Wochen ■ Wenn Geburt innerhalb 7 Wochen nach Beginn der klinischen Symptomatik, nochmals Erythromycin bei Aufnahme ■ Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) Maßnahmen beim Neugeborenen ■ Mindestens 5 Tage Erythromycin ■ Kann gestillt werden ■ Vor der Entlassung allen Personen im selben Haushalt mit Verdacht auf Pertussis mindestens 5 Tage Erythromycin geben ■ Wenn selbst erkrankt, nach Möglichkeit kein Kontakt mit Neugeborenen oder Schwangeren bzw. Maske tragen ■ Sorgfältige Händehygiene Röteln Maßnahmen bei der Frau ■ Bei Erkrankung innerhalb der letzten zwei Wochen vor der Geburt besteht Kontagiosität. ■ In diesem Fall Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) ■ Kein Kontakt mit Schwangeren ohne Immunität Geburtshilfe und Gynäkologie 205 Maßnahmen beim Kind Maßnahmen beim Personal ■ Bei Erkrankung der Mutter in den ersten 20 Wochen oder in den letzten drei Wochen der Schwangerschaft ist das Kind potenziell infektiös. ■ Kein Kontakt mit nicht immunen Personen (für sechs Monate bei kongenitaler Infektion) ■ Kann gestillt werden ■ Sorgfältige Händehygiene ■ Bei gehäuften Infektionen systematische epidemiologische Untersuchung ■ Wenn selbst eitrige Hautinfektion, keinen Kontakt mit Neugeborenen Maßnahmen beim Personal ■ Mikrobiologische Diagnostik bei Verdacht und ggf. Antibiotikatherapie ■ Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) ■ Personal in der Geburtshilfe soll immun sein, sonst Impfung (dringend) empfehlen ■ Nicht immune Schwangere an anderem Arbeitsplatz einsetzen ■ Sorgfältige Händehygiene Staphylococcus aureus Maßnahmen bei der Frau ■ Chirurgische und/oder antibiotische Therapie ■ Evtl. Isolierung bei der Geburt (abhängig von Art und Ausdehnung der Infektion) ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind), insbesondere bei MRSA (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Bei Erkrankung Blutkulturen sowie Abstriche von Conjunctiva, Nase, Nabel, ggf. Hautläsionen und Antibiotikatherapie beginnen ■ Kann gestillt werden (auch bei Mastitis) ■ Nabelpflege mit Chlorhexidin in Alkohol (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“) ■ Evtl. Waschen mit Chlorhexidinseife Streptokokken der Gruppe A Maßnahmen bei der Frau Maßnahmen beim Neugeborenen ■ Keine Antibiotikaprophylaxe ■ Sorgfältige Beobachtung ■ Nabelabstrich, wenn positiv und Zeichen der Omphalitis, Gabe von Antibiotika, wenn nur besiedelt, evtl. für 5 Tage Penicillin Maßnahmen beim Personal ■ Sorgfältige Händehygiene ■ Jeden Einzelfall abklären und schon beim zweiten Fall innerhalb kurzer Zeit (z.B. zwei Wochen) systematische epidemiologische Untersuchung einleiten (siehe oben „Endomyometritis puerperalis“) ■ Auf gründliche Reinigungsmaßnahmen bei gemeinsam genutzten sanitären Anlagen achten und die Patientinnen darüber informieren, wie sie Duschen und Bidets korrekt benutzen, damit es nicht zu einem direkten Körperkontakt kommt 206 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Streptokokken der Gruppe B Maßnahmen beim Personal Maßnahmen bei der Frau ■ Personal in der Geburtshilfe soll nach Möglichkeit immun sein. ■ Wenn keine Immuniät vorhanden (oder unsicher), vom 9.–21. Tag nach Exposition (= Inkubationszeit) zu Hause bleiben, alternativ Antikörper-Status überprüfen ■ Sorgfältige Händehygiene ■ Antibiotikaprophylaxe nach Empfehlungen in der pädiatrischen und geburtshilflichen Fachliteratur [2, 24– 26] ■ Antibiotikatherapie bei Infektion der Mutter (dann Einzelzimmer mit Kind) Maßnahmen beim Kind ■ Antibiotikatherapie bei Verdacht auf Infektion Maßnahmen beim Personal ■ Standard-Hygienemaßnahmen ■ Late-onset-Infektionen sind als nosokomiale Übertragungen beschrieben, deshalb Händehygiene sehr wichtig Zoster (Herpes zoster) Maßnahmen bei der Frau ■ Bei Auftreten von Hauteffloreszenzen innerhalb von 7 Tagen vor der Geburt die gleichen Maßnahmen wie bei Windpocken durchführen ■ Bei Auftreten von >7 Tagen vor der Geburt und verkrusteten Effloreszenzen keine Isolierung erforderlich Maßnahmen beim Kind Windpocken Maßnahmen bei der Frau ■ Bei florider Erkrankung oder, wenn nicht immun, nach Varizella-Zoster-Virus-(VZV-)Kontakt innerhalb von drei Wochen vor der Geburt Isolierung bei der Entbindung ■ Auf der Wochenstation Einzelzimmer (mit Kind) ■ Sorgfältige Händehygiene (Erklärung durch das Personal) Maßnahmen beim Kind ■ Sofort nach der Geburt Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG), wenn die Mutter innerhalb von 5–7 Tagen vor der Geburt erkrankt ist oder 2–4 Tage danach erkrankt ■ Möglichst vor dem 10. Tag nach Exposition nach Hause entlassen ■ Kann gestillt werden ■ Keine VZIG-Prophylaxe erforderlich, da durch mütterliche Antikörper geschützt Maßnahmen beim Personal ■ Personal in der Geburtshilfe soll nach Möglichkeit gegen VZV immun sein. ■ Wenn keine Immuniät vorhanden (oder unsicher), vom 9.–21. Tag nach Exposition (= Inkubationszeit) zu Hause bleiben, alternativ Antikörper-Status überprüfen ■ Sorgfältige Händehygiene Allgemeine Hygienemaßnahmen in der Geburtshilfe Kreißsaal Patientin ■ Vor der Geburt das Genitale reinigen oder Schleimhautantiseptikum (z.B. 0,2%ige PVP-Jodlösung) verwenden Geburtshilfe und Gynäkologie ■ ■ ■ ■ (wahrscheinlich aber keine Vorteile für Mutter und Kind bei Verwendung von Schleimhautantiseptika [5, 32]) Einmal-Handschuhe für vaginale Untersuchungen bei intakter Fruchtblase Meist Verwendung von sterilen Handschuhen, sobald die Fruchblase geplatzt ist Sterile Handschuhe bei vaginaler Nachtastung und manueller Plazentalösung Aseptisches Vorgehen bei invasiven Maßnahmen im Rahmen des pränatalen Monitoring Anwesenheit des Vaters ■ Kein Infektionsrisiko ■ Maske, Kopfschutz und Schutzkittel nicht erforderlich, sondern nur gründliches Händewaschen Ausstattung und Möblierung ■ Behagliche Umgebung schaffen ■ Geeignet für Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen ■ Bequeme Sitzgelegenheiten, waschbare Gardinen oder Vorhänge und Topfpflanzen kein hygienisches Risiko Wochenstation Da es sich bei Wöchenrinnen in der Regel um gesunde Frauen handelt, ist ihre Versorgung meist unproblematisch. Besondere Maßnahmen sind nur bei Infektionen von Mutter und/oder Kind erforderlich (siehe oben). Rooming-in ■ Seit langer Zeit allgemein akzeptiert ■ Infektionsrisko für das Neugeborene höher bei dessen Versorgung im Neugeborenenzimmer, deshalb Roomingin die beste Lösung, wenn es der Allgemeinzustand der Mutter zulässt 207 ■ Bei perinatalen mütterlichen Infektionen (siehe oben) Unterbringung des Kindes bei der Mutter im Zimmer sogar wichtige Hygienemaßnahme, um Übertragungen auf andere Personen und insbesondere andere Neugeborene zu verhindern, weil das Kind durch die Mutter besiedelt sein kann und somit ein potenzielles Erregerreservoir ist Wochenfluss ■ Sekret immer mikrobiell besiedelt, jedoch nicht „infektiös“ oder sogar „hochkontagiös“, potenziell pathogene Keime können aber vorkommen, deshalb direkten und indirekten Kontakt vermeiden ■ Gesamtkeimzahl im Wochenfluss wenige Tage post partum zwischen 105–108 KBE/ml ■ Als infektiöses Material zu betrachten, wenn hohe Keimzahlen eines Infektionserregers enthalten sind, wie z.B. bei einer Endometritis verursacht durch A-Streptokokken ■ Gelegentlich Berichte über gehäufte postpartale Infektionen, die auf eine Kontamination sanitärer Anlagen (z.B. Bidets) zurückgeführt werden konnten (siehe oben „Endomyometritis puerperalis“) [6] ■ Die Benutzung der sanitären Anlagen den Patientinnen gut erklären, und darauf hinweisen, dass es nicht zu einem direkten Körperkontakt kommen darf ■ Infizierte Patientinnen in einem Einzelzimmer mit eigener Nasszelle versorgen ■ Vorlagen müssen nicht steril sein, aber für alle Wöchnerinnen leicht zugänglich sein, damit es nicht zu Kontaminationen kommen kann (z.B. in Einmalhandtuch-Spendern verschiedener Größe für kleine und große Vorlagen) 208 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Sitzbäder bei Patientinnen mit Episiotomie können mit und ohne Badezusätze durchgeführt werden, sind aber für die Infektionsprophylaxe nicht notwendig (Abduschen erfüllt den gleichen Zweck) ■ Sowohl für Personal als auch für Patienten Händehygiene außerordentlich wichtig Besucher ■ Normalerweise keine Einschränkungen, da Mutter und Kind in der Regel gesund ■ Besucher mit Erkältungen sollen direkten Kontakt mit dem Kind vermeiden, einen gewissen Mindestabstand (ca. 2 m) zum Kind halten, damit das Kind nicht in Kontakt mit dem respiratorischen Sekret kommt, und sich nach dem Naseputzen die Hände gründlich waschen. ■ Besucher mit floridem Herpes labialis dürfen mit dem Kind keinen Kontakt haben und auf keinen Fall mit ihm schmusen. ■ Wenn der Vater einen floriden Herpes labialis hat, soll er auf gründliche Händehygiene achten und bei Kontakt mit dem Kind eine Maske tragen. ■ Geschwister können ebenfalls zu Besuch kommen, sollen aber, wenn sie einen Schnupfen haben, möglichst Abstand halten. Neugeborenenzimmer Weil auch bei einem gesunden reifen Neugeborenen das Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist, muss verhindert werden, dass das Neugeborene mit potenziell pathogenen Errgern in Kontakt kommt, die über eine primäre Besiedlung zu einer Infektion führen können. ■ Sorgfältige Händehygiene von größter Bedeutung, insbesondere wenn ein in- fiziertes Kind da ist, z.B. mit einer Konjunktivitis oder einer Hautinfektion verursacht durch S. aureus ■ Personal mit Hautinfektionen an den Händen, mit Darminfektionen oder einem floriden Herpes labialis soll für die Dauer der Erkrankung keinen Kontakt mit Neugeborenen haben. ■ Das Gleiche gilt für Personal, das asymptomatisch darmpathogene Erreger ausscheidet. ■ Bei respiratorischen Infektionen soll das Personal bei Versorgung der Neugeborenen Masken tragen, wenn man es für die Dauer der Erkrankung nicht außerhalb der Neugeborenen-Abteilung einsetzen kann. Gynäkologie Nosokomiale Infektionen gynäkologischer Patientinnen entsprechen denen von Patienten anderer Fachgebiete. Häufig sind Harnwegsinfektionen, und eine wichtige Rolle spielen postoperative Infektionen im Operationsgebiet (siehe Kapitel B.4 „Die vier häufigsten Infektionen“) [3, 7, 20]. Bei gynäkologisch-onkologischen Patientinnen bestehen abhängig vom Ausmaß der Immunsuppression die gleichen Infektionsrisiken wie bei onkologischen Patienten anderer Fachgebiete (siehe Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“). Lasertherapie Bei der Lasertherapie von PapillomavirusInfektionen konnte im Rauch intakte Virus-DNA nachgewiesen werden [28]. Unklar ist, ob damit ein Infektionsrisiko für das beteiligte Personal verbunden ist, wobei die Entstehung von Kehlkopfpapillomen in Betracht gezogen wird. Ähnliche Überlegungen gibt es für die Lasertherapie von Patienten mit HBV und anderen Geburtshilfe und Gynäkologie Blut-assoziierten Virusinfektionen, obwohl nicht bekannt ist, ob auch die Nukleinsäuren anderer Viren im Laserrauch nachweisbar sind. Ob das Personal deshalb anstelle normaler chirurgischer Masken sog. Atemschutzmasken tragen müsste (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.5 „Tuberkulose“), um die Inhalation DNA- oder RNA-haltigen Rauches zu vermeiden, ist nicht geklärt. Klar ist, dass eine Kontamination des Personals mit potenziell infektiösem Virusmaterial so effektiv wie möglich verhindert werden muss. Eine notwendige Voraussetzung dafür ist eine gut funktionierende Absauganlage, möglichst mit Abführung an die Außenluft. Außerdem muss die Absaugung so nah wie möglich an der Stelle sein, an der die Rauchentwicklung stattfindet. Schon bei einer Entfernung von 2 cm werden bis zu 50% des Rauches nicht mehr abgesaugt. Damit reduziert man außerdem die Geruchsbelastung durch den übel riechenden Rauch. Reinigung und Desinfektion Die in anderen operativen und nicht operativen Abteilungen üblichen Maßnahmen bei Reinigung und Desinfektion (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“) gelten ebenso in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Instrumentendesinfektion Spekula ■ Thermische Desinfektion in Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (RDM) ■ Bei manueller Aufbereitung zunächst Einlegen in Reinigungslösung, reinigen, abspülen, trocknen, verpacken und autoklavieren oder dampfdesinfizieren 209 Ultraschallsonden für die transvaginale Sonographie ■ Bei der Untersuchung die Sonde mit einer Latexhülle schützen (Kondom oder Einmal-Handschuh) [9] ■ Anschließend die Sonde mehrmals gründlich mit z.B. 80%igem Alkohol abwischen (trotz Schutzhülle häufig mit Blut oder Vaginalsekret kontaminiert) Scheidendiaphragma-Anpassungsringe ■ Nach Benutzung mit Instrumentenreiniger säubern und trocknen ■ Anschließend für 10 Minuten in z.B. 80%igen Alkohol einlegen, herausnehmen und Alkohol verdunsten lassen (oder abspülen) Flächendesinfektion Kreißbett etc. ■ Nach der Entbindung Kreißbett, Gebärstuhl und andere Gegenstände, die bei der Geburt kontaminiert wurden, mit Desinfektionslösung abwischen ■ Fußboden und sonstige Flächen im Kreißsaal nur, wenn es zu einer Kontamination gekommen ist (entsprechend dem Vorgehen in einem Operationssaal, wo eine Kontamination mit Blut häufig vorkommt) Badewannen etc. im Kreißsaal ■ Bei Benutzung von Warmwasserbecken während der Eröffnungswehen die in Schwimmbädern üblichen Maßnahmen einhalten ■ Bei Verwendung von Badewannen in der Regel Reinigung ausreichend, nach Kontamination des Badewassers mit Blut die Wanne mit einem Desinfektionsmittel auswischen 210 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Sanitäre Anlagen auf Wochenstationen Normalerweise werden sanitäre Anlagen, wie Badewannen, Duschen, Bidets und Toiletten, wenn sie von Patienten ohne Infektion benutzt wurden, nur gereinigt und nicht desinfiziert. Auch die Wöchnerin ist in den meisten Fällen nicht infiziert, aber der Wochenfluss kann potenziell pathogene Keime enthalten, zu denen bei asymptomatischen Patientinnen z.B. A-Streptokokken und S. aureus gehören können. Deshalb sollen die Gegenstände, die mit der Genitalregion Kontakt haben können – auch wenn bei sachgemäßem Gebrauch kein Körperkontakt stattfinden soll, wie z.B. bei Duschköpfen – mit Desinfektionsmittel abgewischt und nicht nur gereinigt werden. Dies gilt ebenso für Sitzbadewannen, die mit (blutigem) Wochenfluss und ggf. mit Sekret der Episiotomiewunde kontaminiert werden. Wenn die Patientinnen die Reinigung der von ihnen genutzten sanitären Anlagen selbst durchführen sollen, muss man sie sehr genau einweisen und auf die Bedeutung der ordentlichen Säuberung aufmerksam machen. Ob auf diese Weise – ganz abgesehen von möglichen Verständigungssschwierigkeiten mit fremdsprachigen Patientinnen – eine sorgfältige Dekontamination erreicht werden kann, ist fraglich und sollte häufig überprüft werden. Literatur 1. Bergeron MG, Ke D, Ménard C, Picard FJ, Gagnon M, Bernier M, Ouellette M, Roy PH, Marcoux S, Fraser WD. Rapid detection of group B streptococci in pregnant women at delivery. N Engl J Med 2000; 343: 175–179 2. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Prevention of perinatal group B streptococcal disease: a public health perspective. MMWR 1996; 45: 1–24 3. Chan YM, Ngai SW, Hon E, So WK. Could the incidence of postoperative urinary tract 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. infection be reduced by reversing the sequence of vaginal cleansing and urethral catheterization? J Hosp Infect 2000; 46: 67–72 Coombs R, Spiby H, Stewart P, Norman P. Water birth and infection in babies. Br Med J 1994; 309: 1089 Eriksen NL, Sweeten KM, Blanco JD. Chlorhexidine vs sterile vaginal wash during labor to prevent neonatal infection. Infect Dis Obstetr Gynecol 1997; 5: 286–290 Gordon G, Dale BAS, Lochhead D. An outbreak of group A haemolytic streptococcal puerperal sepsis spread by the communal use of bidets. Br J Obstetr Gynaecol 1994; 101: 447–448 Henderson E, Love EJ. Incidence of hospitalacquired infections associated with caesarean section. J Hosp Infect 1995; 29: 245–255 Isenberg SJ,Apt L,Wood M.A controlled trial of povidone-iodine as prophylaxis against ophthalmia neonatorum. N Engl J Med 1995; 332: 562–566 Jiminez R, Duff P. Sheathing of the endovaginal ultrasound pobe: is it adequate? Infect Dis Obstetr Gynecol 1993; 1: 37–39 Katz AR, Morens DM. Severe streptococcal infections in historical perspective. Clin Infect Dis 1992; 14: 298–307 Kingsley A, Hutter S, Green N, Speirs G. Waterbirths: regional audit of infection control practices. J Hosp Infect 1999; 41: 155–157 Ledger WJ. Puerperal endometritis. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 551–561 Linnemann CC Jr. Nosocomial infections in obstetric patients. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 729–736 Loudon I. Obstetric care, social class, and maternal mortality. Br Med J 1986; 293: 606–608 Loudon I. Death in childbed from the eighteenth century to 1935. Med History 1986; 30: 1–41 Loudon I. Puerperal fever, the streptococcus, and the sulphonamides, 1911–1945. Br Med J 1987; 295: 485–490 McGregor J, Ott A, Villard M. An epidemic of “childbed fever”. Am J Obstetr Gynecol 1984; 150: 385–388 Mead PB, Hess SM, Page SD. Prevention and control of nosocomial infections in obstetrics Geburtshilfe und Gynäkologie 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. and gynecology. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 995–1016 Meis JFGM, Muytjens HL, van den Berg PP, Voss A, Melchers WJG. Analysis of an outbreak of puerperal fever due to group A streptococci by random amplified polymorphic DNA fingerprinting. Infect Dis Obstetr Gynecol 1997; 5: 232–236 Meltomaa SS, Mäkinen Ji, Taalika MO, Helenius HY. Incidence, risk factors and outcome of infection in a 1-year hysterectomy cohort: a prospective follow-up study. J Hosp Infect 2000; 45: 211–217 Prober CG. Commentary: perinatal herpes – current status and obstetric management strategies: the pediatric perspective. Ped Infect Dis J 1995; 14: 832–835 Rawal J, Shah A, Stirk F, Mehtar S. Water birth and infection in babies. Br Med J 1994; 309: 511 Roome APCH, Spencer RC. Birthing pools and infection control. Lancet 1996; 348: 274 Schrag SJ, Zywicki S, Farley MM, Reingold AL, Harrison LH, Lefkowitz LB, Hadler JL, Danila R, Cieslak PR, Schuchat A. Group B streptococcal disease in the era of intrapartum antibiotic prophylaxis. N Engl J Med 2000; 342: 15–20 Schuchat A. Neonatal group B streptococcal disease – screening and prevention. N Engl J Med 2000; 343: 209–210 Schuchat A. Group B streptococcal disease: from trials and tribulations to triumph and trepidation. Clin Infect Dis 2001; 33: 751–756 Scott LL. Perinatal herpes: current status and obstetric management strategies. Ped Infect Dis J 1995; 14: 827–832 211 28. Sood AK, Bahrani-Mostafvi Z, Stoerker J, Stone IK. Human papillomavirus DNA in LEEP plume. Infect Dis Obstetr Gynecol 1994; 2: 167–170 29. Sterner G (Hrsg.). Guidelines for management of pregnant women with infections at delivery and care of their newborns. Scand J Infect Dis 1990; 71, Suppl.: 1–104 30. Stewart DB, Williams JG. Bleeding and purging: a cure for puerperal fever? J Hosp Infect 1996; 34: 81–86 31. Stringer JSA, Rouse DJ, Goldenberg RL. Prophylactic cesarean delivery for the prevention of perinatal human immunodeficiency virus transmission – the case for restraint. JAMA 1999; 281: 1946–1949 32. Sweeten KM, Eriksen NL, Blanco JD. Chlorhexidine versus sterile water vaginal wash during labor to prevent peripartum infection. Am J Obstetr Gynecol 1997; 176: 426–430 33. Vochem M, Vogt M, Döring G. Sepsis in a newborn due to Pseudomonas aeruginosa from a contaminated tub bath. N Engl J Med 2001; 345: 378–379 34. Walker JJ. Birth under water: sink or swim. Br J Obstetr Gynaecol 1994; 101: 467–468 35. Weber DJ, Durand M, Rutala WA. Nosocomial ocular infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 287–299 36. Weissmann G. Puerperal priority. Lancet 1997; 349: 122–125 37. Williams KL, Pastorek JG II. Postpartum endomyometritis. Infect Dis Obstetr Gynecol 1995; 3: 210–216 38. Zimmermann R, Huch A, Huch R. Waterbirth – is it safe? J Perinat Med 1993; 21: 5–11 212 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Operationsunabhängige nosokomiale Infektionen im HNO-Bereich sind selten. Es gibt aber einige potenzielle Infektionsrisiken bei der konventionellen Versorgung von HNO-Patienten, die im Folgenden behandelt werden sollen. Was die Probleme im Zusammenhang mit operativen Eingriffen angeht, kann auf Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und auf Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“ verwiesen werden. Tracheotomie Die Besonderheit im Vergleich zu anderen Fächern ist in der HNO naturgemäß die Häufigkeit tracheotomierter Patienten, die außerhalb von HNO-Abteilungen fast nur auf Intensivstationen angetroffen werden. Der Umgang mit Tracheostoma und Trachealkanüle hat deshalb große Bedeutung. Tracheostomapflege Bei der Versorgung eines Tracheostomas muss man zwischen frischen und alten Tracheotomien unterscheiden. Bei frisch tracheotomierten Patienten stellt die Pflege des Tracheostomas dieselben Anforderungen wie eine frische Operationswunde an einer anderen Körperstelle. Frisches Tracheostoma ■ Alle Manipulationen unter aseptischen Bedingungen durchführen ■ Einmal-Handschuhe zum Schutz vor Kontamination der Hände, sterile Handschuhe oder sterile Pinzette ■ Tracheostomarand mit steriler Kompresse oder sterilem Stieltupfer und Hautdesinfektionsmittel von Belägen reinigen (ggf. Borken mit Pinzette entfernen), anschließend mit frischem Tupfer nochmals Desinfektionsmittel auftragen und antrocknen lassen, Kompresse unterlegen (verschmutzte Kanülenbändchen auswechseln) ■ Verbandswechsel in der Regel einmal täglich, bei Bedarf (z.B. nässende Wunde) häufiger, Wundränder möglichst immer sauber und trocken halten Langzeit-Tracheostoma Nach Abheilung der Tracheotomiewunde kann die Pflege vereinfacht werden, sodass das aseptische durch sauberes Arbeiten, z.B. zu Hause durch den Patienten selbst, ersetzt werden kann [1, 2]: ■ Säuberung des Tracheostomas bei der normalen Körperpflege ■ Bei der Versorgung eines solchen Patienten durch medizinisches Personal sollen Einmal-Handschuhe getragen werden (für den Patienten, der sich selbst versorgt, ist Händewaschen ausreichend). ■ Für die Reinigung werden ein frischer Waschlappen oder Watteträger, Mullkompressen bzw. kommerzielle Reinigungstücher verwendet (ggf. Borken mit Pinzette entfernen). ■ Um eine Schädigung der Haut zu vermeiden, das Stoma sicher vor Feuchtigkeit und Schleim schützen (hautfreundliche Kompressen mit Metalline-Beschichtung verwenden) Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde ■ Haut mit Fettcreme oder Hautöl pflegen 213 len, die Katheter mit heißem Wasser und Geschirrspülmittel zu reinigen und mehrfach zu verwenden. Wechsel der Trachealkanüle Behandlungseinheit Frisches Tracheostoma ■ Wenn erforderlich, Patienten zunächst abhusten lassen oder absaugen ■ Trachealkanüle mit Einmal-Handschuhen entfernen und in Nierenschale ablegen, Handschuhe ausziehen ■ Händedesinfektion und sterile Handschuhe anziehen ■ Sterile Kanüle vorsichtig einsetzen, Kompresse unterlegen und fixieren Langzeit-Tracheostoma Prinzipiell ist das Vorgehen das gleiche wie beim frischen Tracheostoma. Anstelle der sterilen Materialien ist jedoch sauberes Arbeiten ausreichend [1, 2]. Das bedeutet aber selbstverständlich, dass durch vorsichtige Handhabung eine Kontamination z.B. der gesäuberten Kanüle durch unbeabsichtigten Kontakt mit potenziell kontaminierten Flächen oder Gegenständen vermieden werden muss. Händewaschen bzw. Händedesinfektion bzw. EinmalHandschuhe bei der Versorgung der Patienten durch medizinisches Personal sind dafür wichtige Voraussetzungen. Absaugen ■ Das Absaugen erfolgt bei frisch tracheotomierten Patienten unter den üblichen aseptischen Bedingungen. ■ Bei Langzeit-Tracheotomie saugen sich die Patienten zu Hause selbst ab; sie müssen also darüber informiert werden, wie sie sauber und kontaminationsfrei arbeiten. Verwendet werden auch dabei meist einzeln verpackte sterile Absaugkatheter. Es wurde aber für die häusliche Versorgung auch empfoh- Ohrspülungen Wegen der normalen mikrobiellen Kontamination von Leitungswasser sind die Wasser führenden Leitungen am HNO-Behandlungsplatz problematisch. Täglich vor der ersten Benutzung des Gerätes soll deshalb das Wasser möglichst ca. 10 Minuten laufen, um durch den Spüleffekt die Keimzahl zu reduzieren. Bei perforiertem Trommelfell kann Leitungswasser nicht für Ohrspülungen verwendet werden. Für diese Fällen eignen sich deshalb entweder autoklavierbare Wasserfilter, deren Wartung allerdings aufwändig ist (mindestens zweimal wöchentlich Sterilisation und regelmäßige physikalische Überprüfung auf Dichtigkeit), oder man hat ein separates Spülaggregat zur Verfügung und kann dann mit sterilem Wasser spülen. Medikamentenzerstäuber Zerstäuberfläschchen sollen vorzugsweise ein Steigrohr aus Edelstahl haben, da sie dann autoklaviert werden können. Da die Medikamentenlösungen nur begrenzt haltbar sind, muss das Verfallsdatum auf dem Fläschchen vermerkt werden. Umgang mit Nasen- und Ohrentropfen Bei der Applikation der Tropfen muss eine Berührung der Gefäße mit dem Patienten vermieden werden, weil sonst der Inhalt der Fläschchen als kontaminiert betrachtet werden muss und sie nicht mehr weiter verwendet werden können. Denn die Konservierungsstoffe in den Lösungen können das Wachstum potenziell pathogener Keime nicht sicher verhüten. 214 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Reinigung und Desinfektion Im Folgenden werden nur die für die HNO speziellen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen aufgeführt (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Trachealkanülen Frisches Tracheostoma ■ Grobe Verunreinigungen vorsichtig unter fließendem Wasser abspülen ■ Kanüle in ihre Einzelteile zerlegen ■ In Instrumentenreinigungslösung einlegen und mit einer jeweils frischen (thermisch desinfizierten oder sterilisierten) Bürste äußere und innere Oberflächen gründlich reinigen ■ Gründlich mit Wasser abspülen und mit frischer Kompresse trocknen ■ Thermostabile Kanülen in Metallbehälter oder in Sterilisierfolie verpackt autoklavieren ■ Bei thermolabilen Kanülen vorzugsweise Plasmasterilisation anwenden (alternativ Gassterilisation, bei Verwendung von Ethylenoxid Auslüftungszeiten beachten) Langzeit-Tracheostoma ■ Nach Abheilung der Tracheotomiewunde ist keine Sterilisation der Kanülen mehr erforderlich. ■ Kanülen in Einzelteile zerlegen, äußere und innere Oberflächen gründlich unter fließendem Wasser mit sauberer Bürste reinigen und danach trocknen (Bürste in der häuslichen Geschirrspülmaschine reinigen oder mit Geschirrspülmittel waschen und anschließend auskochen) ■ Abschließend die Kanüle für 10 Minuten in z.B. 80%igen Alkohol einlegen, danach lufttrocknen lassen ■ Thermostabile Kanülen (z.B. Silberkanülen) können auch 15 Minuten ausgekocht werden Absauggefäße Im Krankenhaus werden die Sekretauffangflaschen in der Regel einmal täglich geleert und mit den Überleitungsschläuchen in Reinigungs- und Desinfektionsautomaten aufbereitet. Zu Hause kann für die maschinelle Reinigung der Flaschen die Geschirrspülmaschine verwendet werden (der Überleitungsschlauch muss manuell gereinigt werden).Alternativ können die Flaschen nach dem Entleeren in eine Reinigungslösung eingelegt, gründlich gesäubert und anschließend zusammen mit dem Überleitungsschlauch für 15 Minuten (in einem ausreichend großen Kochtopf mit leicht geöffnetem Deckel) ausgekocht werden. Instrumentarium Für die normale HNO-ärztliche Untersuchung müssen die Instrumente nicht steril sein. Ihre Aufbereitung in einem Reinigungs- und Desinfektionsautomaten wäre daher adäquat.Tatsächlich wird das Instrumentarium nach der Reinigung häufig unverpackt sterilisiert und bis zum Gebrauch in den Schubladen der Behandlungseinheit gelagert. Diese Methode der Aufbereitung beruht auf der (korrekten) Auffassung, dass das HNO-Gebiet physiologischerweise besiedelt ist, weshalb man keine sterilen Instrumente verwenden muss, solange man die Schleimhäute nicht durchdringt. Sie stammt aber aus einer Zeit, als man noch keine vollautomatische Reinigung und thermische Desinfektion zur Verfügung hatte. Heute ist dieses Vorgehen deshalb nicht mehr zeitgemäß. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Literatur 1. Simmons B, Trusler M, Roccaforte J, Smith P, Scott R. Infection control for home health. Infect Control Hosp Epidemiol 1990; 11: 362–370 215 2. Shabino CL, Erlandson AL, Kopta LA. Home cleaning-disinfection procedure for tracheal suction catheters. Ped Infect Dis J 1986; 5: 54–58 216 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Immunsupprimierte Patienten Infektionen tragen bei abwehrgeschwächten Patienten erheblich zur Erhöhung von Morbidität und Mortalität bei. Das Erregerspektrum umfasst einerseits die üblichen nosokomialen Infektionserreger, darüber hinaus aber auch eine Reihe von Mikroorganismen von geringer Virulenz, die fast ausschließlich nur bei abwehrgeschwächten Patienten Infektionen verursachen [2, 5–7, 9–11, 17, 18, 20]. Nicht immer ist klar, welche Patienten als abwehrgeschwächt einzustufen sind. Manche Äußerungen gehen dahin, jeder Patient, der in einem Großklinikum behandelt werde, sei so krank, dass er in die Kategorie der immunsupprimierten Patienten falle, womit das Problem alles andere als klar definiert ist. Immunsuppression und ihr Ausmaß sind von der Interaktion verschiedener Variablen abhängig, die das individuelle Infektionsrisiko eines Patienten bestimmen. Die individuelle Immunitätslage wird dadurch bestimmt, welche Faktoren bei einem Patienten vorhanden sind und was ggf. aus deren Interaktion resultiert. Folgende Veränderungen sind mit einer Beeinträchtigung der körpereigenen Abwehrfunktionen verbunden [5, 13, 19]: ■ Änderung der Zahl und Funktion der Granulozyten: akute Leukämie, aplastische Anämie, Chemotherapie verschiedener maligner Erkrankungen, schlecht eingestellter Diabetes mellitus, angeborene Granulozytenfunktionsstörungen, chronischer Alkoholismus ■ Störungen der zellulären Immunität: M. Hodgkin, Kortikosteroid-Therapie, Cyclosporin-Therapie, 3. Trimenon der Schwangerschaft, chronischer Alkoholismus ■ Störungen der humoralen Immunität: chronische lymphatische Leukämie, multiples Myelom, Makroglobulinämie, erworbene Hypogammaglobulinämie, ■ Hautschäden: ausgedehnte Operationen, Verbrennungen, Verletzungen, schwere Hautkrankheiten, Ulzera (Dekubitus, Diabetes mellitus, Verschluss großer Gefäße) ■ Schleimhautschäden: Mukositis (Chemotherapie, Bestrahlung), Verletzungen im Kopf-Hals-Bereich, Inhalationstraumen, endotracheale Intubation ■ Obstruktionen natürlicher Körperpassagen: große Tumoren, Mukoviszidose ■ Verschiedene Gegebenheiten mit Auswirkung auf das Immunsystem: Alter, schwere Verletzungen, Unterernährung, Adipositas, immunmodulierende Infektionen (z.B. HIV, CMV, EBV), Leberinsuffizienz Infektionsprävention Auch bei Patienten mit schwerster Abwehrschwäche ist in erster Linie die konsequente Beachtung der Standard-Hygiene wichtig (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“); bei besonders gefährdeten Patienten werden darüber hinaus spezielle Schutzmaßnahmen für erforderlich gehalten (siehe unten und Kapitel B.5 „Aspergillose“ und „Legionellose“) [2, 4, 14–16, 19]. Immunsupprimierte Patienten Auch extreme Hygienemaßnahmen können bei abwehrgeschwächten Patienten Infektionen nicht vollständig verhindern, weil gerade bei ihnen eine große Zahl von Infektionen durch potenziell pathogene Erreger aus der körpereigenen Flora verursacht wird. Auf diese endogenen Infektionen hat man mit klassischen Hygienemaßnahmen, die auf eine Reduktion der exogenen Kontamination abzielen, nur bedingt Einfluss (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“). Im Folgenden soll ein Überblick über die verschiedenen Maßnahmen bei Personal und Patienten gegeben werden, die diese – in sich nicht homogene – Patientengruppe vor nosokomialen Infektionen schützen sollen [2, 4, 14–16, 19]. Bei weitem nicht alles ist durch Ergebnisse aus klinischen Untersuchungen in seiner Effektivität gesichert; viele Empfehlungen basieren dagegen eher auf dem gesunden Menschenverstand [14]. Weil die Patienten aber in hohem Maße infektionsgefährdet sind, wird aus verständlichen Gründen auch einiges praktiziert, was vielleicht nur theoretisch den Schutz vor Infektionen verbessern könnte. Hier ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem tatsächlich Erforderlichen und dem möglicherweise noch Sinnvollen zu finden, ist eine wesentliche Aufgabe des medizinischen Personals bei der Versorgung dieser Patienten. Durch ihre Erkrankung und die daraus resultierenden therapeutischen Maßnahmen sind sie physisch wie psychisch erheblichen Belastungen ausgesetzt. Jede vermeidbare weitere Belastung, wozu auch Hygienemaßnahmen gehören können, muss deshalb vermieden werden. Insofern müssen Hygienemaßnahmen daraufhin überprüft werden, ob sie rational betrachtet eine Auswirkung auf die Inzi- 217 denz von Infektionen bei dieser prinzipiell gefährdeten Patientengruppe haben. Es geht also aus hygienischer Sicht auch darum, abwehrgeschwächten Patienten soviel „normales Leben“ wie möglich zu erhalten und für sie Bedingungen zu schaffen, die die Entstehung zusätzlicher Ängste nicht noch fördern. Maßnahmen beim Personal Das Personal muss die Maßnahmen der Standard-Hygiene, die sämtlich auch im Umgang mit schwerst abwehrgeschwächten Patienten vorrangig sind, sehr sorgfältig durchführen (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Im Folgenden wird deshalb hauptsächlich auf einige besondere Aspekte hingewiesen, die vor allem für Patienten mit schwerer Neutropenie (Leukozytenzahl <1000/mm3), aber auch für Patienten nach Organtransplantation gelten und über die in der täglichen Praxis gewisse Kontroversen entstehen können. Händehygiene Häufige und sorgfältige Händedesinfektion sowie ein vernünftiger Umgang mit Einmal-Handschuhen sind auch im Umgang mit abwehrgeschwächten Patienten die effektivsten Maßnahmen zur Prävention exogener Infektionen. Arbeitskleidung ■ In Bereichen, in denen granulozytopenische Patienten versorgt werden, soll für das Pflegepersonal genügend Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt werden, damit die Kleidung täglich, wie auf Intensivstationen üblich, gewechselt werden kann, weil diese Patienten meist sehr viel pflegerische Betreuung benötigen. ■ Ärzte können unter ihrem Kittel private Kleidung tragen. Die haushaltsübli- 218 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen chen Waschverfahren (30 °C und höher) sind ausreichend und können entsprechend der Zusammensetzung der Stoffe beliebig gewählt werden. ■ Dienst habende Ärzte, die z.B. zur Anlage eines peripheren Venenkatheters gerufen werden, brauchen den Kittel nicht zu wechseln, wenn sie das Patientenzimmer betreten. Maske Besteht eine obere Atemwegsinfektion oder ein florider Herpes labialis soll das Personal vor Betreten der Patientenzimmer eine (chirurgische) Maske aufsetzen (die Regeln der Händehygiene müssen in diesen Situationen besonders sorgfältig beachtet werden; siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Wünschenswert wäre es allerdings, dass diese Personen für die Dauer der Erkrankung keinen direkten Patientenkontakt haben. Dies kann jedoch meist nicht realisiert werden. Kopfschutz und Bereichsschuhe Beides hat keinen Einfluss auf die Inzidenz von Infektionen und soll deshalb nicht verwendet werden. Maßnahmen beim Patienten 1. Organisatorische Maßnahmen Einzelzimmer ■ Die Unterbringung eines Patienten in einem Einzelzimmer kann aus protektiven Gründen (früher als Umkehrisolierung bezeichnet) notwendig werden, wenn der Patient stark granulozytopenisch (<500/mm3) ist. Das Personal muss sich nicht umziehen, wenn es das Zimmer betreten möchte, sondern kann in seiner normalen Arbeitskleidung zum Patienten gehen. ■ Patienten mit Infektionen sollen nach Möglichkeit ebenfalls allein untergebracht werden, um das Übertragungsrisiko einzuschränken (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“). Mehrbettzimmer Alle anderen Patienten mit weniger ausgeprägter Immunsuppression oder ohne Infektion können in Mehrbettzimmern gepflegt werden. Künstlich klimatisierte Zimmer ■ Vor allem bei granulozytopenischen Patienten besteht die Gefahr, dass sie in der Phase der schweren Immunsuppression eine invasive Aspergillose entwickeln (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“) [1]. Diese Patienten werden meist in Zimmern mit einer RLT-Anlage mit endständigem Schwebstofffilter untergebracht, die nahezu keimfreie Luft in die Räume einleitet (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“). ■ In diesen Räumen herrscht ein Überdruck im Vergleich zu den angrenzenden Räumen, sodass beim Öffnen der Türen, sofern diese nicht unnötig lange offenstehen, die Luft nur aus den Zimmern heraus-, aber nicht von außen hereinströmen kann. Deshalb können in den Personalräumen die Fenster auch geöffnet werden. ■ In den Patientenzimmern sollen die Fenster aber nicht geöffnet werden, weil sonst die aufwändige RLT-Anlage sinnlos wird. ■ Die Patienten sollen bei Verlassen eines solchen Zimmers eine Atemschutzmaske anlegen. Ausstattung der Patientenzimmer ■ Die Einrichtung der Zimmer soll praktisch sein, sodass alle Reinigungsmaß- Immunsupprimierte Patienten nahmen leicht und schnell durchführbar sind. ■ Die Mitnahme persönlicher Gegenstände (z.B. Radio/CD-Player, Bücher) wird mit den Patienten individuell besprochen. ■ Auf Pflanzen und Trockenblumen muss wegen Besiedlung mit Aspergillen verzichtet werden. Sanitäre Anlagen Die Patientenzimmer sollen integrierte Badezimmer mit Toilette haben, die insbesondere bei Mehrbettzimmern so oft gereinigt werden müssen, dass sie immer sauber sind. Gerade Patienten unter Chemotherapie haben häufig Durchfall und müssen deshalb die Toilette sehr oft benutzen. Um den Patienten in Mehrbettzimmern die gemeinsame Benutzung einer Toilette zu erleichtern, kann mit ihnen vereinbart werden, den Toilettensitz nach jeder Benutzung mit z.B. 80%igem Alkohol abzuwischen. 2. Persönliche Hygiene Händehygiene Auch für die Patienten ist häufiges Händewaschen sinnvoll (z.B. nach Aufenthalt außerhalb des Zimmers, nach WC-Benutzung). Sie können auch ein Händedesinfektionsmittel verwenden, sollen aber die Methode der Händehygiene anwenden, die ihre Haut am besten verträgt. Eine ständige Kombination von Händewaschen mit anschließender Händedesinfektion ist nicht erforderlich und beeinträchtigt nur den Zustand der Haut. Mund- und Gesichtspflege ■ Eine sorgfältige und häufige Mundpflege ist ein wichtiger Faktor für die Reduktion der Mundflora, wobei die mechanische Reinigung wichtiger ist als 219 die Anwendung antiseptischer Spüllösungen. Zum Zähneputzen eignen sich weiche Zahnbürsten. ■ In einigen Abteilungen werden die Zahnbürsten in bestimmten Intervallen, z.B. wöchentlich, gewechselt. Wenn sie aber nach dem Gebrauch zum Trocknen luftig, also mit dem Bürstenteil nach oben, in einen Becher gestellt werden, scheint mit ihrer weiteren Verwendung kein Infektionsrisiko verbunden zu sein. ■ Zum Spülen der Mundhöhle sollen schwer abwehrgeschwächte Patienten nach Möglichkeit kein Leitungswasser verwenden, sondern entweder steriles Aqua dest. oder mit kochendem Wasser aufgebrühte Tees (siehe Kapitel B.5 „Legionellose“). Angebrochene Aqua dest.-Flaschen sollen nach 24 Stunden verworfen, und Tee soll mehrmals täglich frisch zubereitet werden. ■ Bei der Mundpflege muss sorgfältig darauf geachtet werden, die Spüllösung nicht zu kontaminieren. Das Mundpflegeset von bettlägerigen Patienten, die sich nicht selbst versorgen können, soll einmal täglich in einer Reinigungs- und Desinfektionsmaschine (RDM) aufbereitet werden. Dazwischen sollen Klemmen, Gläser und Becher nach jeder Anwendung mit z.B. 80%igem Alkohol ab- bzw- ausgewischt werden. Körperpflege ■ Beim Waschen sollen die Patienten das Wasser nach Aufdrehen des Wasserhahnes für etwa eine Minute laufen lassen, um Wasserkeime wegzuspülen, die sich im stagnierenden Wasser am Auslass möglicherweise angesammelt haben (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). ■ Für die Körperwäsche kann ohne Einschränkung Leitungswasser verwendet 220 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen werden. Es können auch normale (milde) Seifen verwendet werden. Antimikrobielle Seifen stören eher das ökologische Gleichgewicht der Haut, und ihr Einfluss auf die Infektionsinzidenz ist unklar. ■ Nach dem Waschen (ein- oder mehrmals täglich, wie es für den Patienten angenehm ist) soll die Haut mit einer Körperlotion eingerieben werden, um Austrocknung zu vermeiden und sie geschmeidig zu halten. ■ Um während der Phase der schweren Immunsuppression keine vermeidbaren Hautverletzungen zu erleiden, sollen die Patienten Finger- und Fußnägel noch vor Beginn der stationären Behandlung schneiden. Aus demselben Grund soll auch auf eine Nassrasur verzichtet werden. Wäsche ■ Ein häufiger Wechsel von Nachthemden und Schlafanzügen ist meist erforderlich (Unterwäsche einmal täglich). ■ Die persönliche Wäsche kann von den Angehörigen zu Hause wie üblich in der Waschmaschine (z.B. je nach Material bei 40 °C oder 60 °C) gewaschen werden. ■ Die Bettwäsche kann alle 2–3 Tage und bei Bedarf (z.B. starkes Schwitzen) früher erneuert werden. ■ Handtücher sollen ausreichend zur Verfügung stehen, damit sie ausgetauscht werden können, wenn sie feucht sind. ■ Waschlappen für den Körper sollen nur einmal verwendet werden und dann in die Wäsche kommen (für das Gesicht aber können sie mehrfach benutzt und täglich erneuert werden). Der Umgang mit Wäsche ist ein Beispiel dafür, dass es schwierig ist, konkrete Anga- ben zu machen, weil es zu den verschiedenen Fragestellungen keine Daten in der Literatur gibt. Insofern kann man sich an den für das normale Leben üblichen Grundsätzen orientieren und den gesunden Menschenverstand einsetzen. Wichtig ist, dass der Patient sich wohl fühlt. Daran haben Wäsche und Kleidung einen wesentlichen Anteil.Von hygienischer Bedeutung ist die Wäsche aber nicht, solange sie sauber ist und den allgemeinen ästhetischen Ansprüchen genügt. 3. Ernährung Nahezu alle unsere Nahrungsmittel enthalten Mikroorganismen verschiedener Art (z.B. Bakterien, Pilze). Normalerweise stellt diese Kontamination aber für den Menschen kein Risiko dar, da sowohl der saure Magensaft als auch ein intaktes Immunsystem im Stande sind, die mit der Nahrung aufgenommenen Mikroorganismen zu reduzieren und auf den MagenDarm-Trakt beschränkt zu halten. Grundsätzlich sind alle rohen Nahrungsmittel wesentlich stärker kontaminiert als gekochte, weil durch das Erhitzen auf mehr oder weniger hohe Temperaturen eine deutliche Reduktion der Keimzahlen erreicht wird. Beim Kochen lassen sich aber nur dann die Keimzahlen nachdrücklich beeinflussen, wenn ein für die Abtötung von Mikroorganismen ausreichender Temperaturbereich erreicht wird und die Speisen gut durchgegart werden (siehe Kapitel B.6 „Küche“). Aus diesem Grunde soll bei der Ernährung von Patienten in Phasen starker Immunsuppression darauf geachtet werden, dass sie keine rohen Nahrungsmittel (z.B. frische Salate, nicht schälbares Obst) zu sich nehmen. Ebenso problematisch sind alle Speisen, die rohe Eier enthalten (z.B. Bouillon mit Ei, verschiedene Süßspeisen), Immunsupprimierte Patienten oder Eierspeisen mit nicht durchgegarten Eiern (z.B. Rührei, Spiegelei). Produkte aus unpasteurisierter Milch oder Schimmelkäse sind ebenfalls ungeeignet. Auf Garnierungen mit Petersilie o.ä. muss verzichtet werden, auch wenn sie an sich nur für das Auge da sind. Eine solche relativ keimarme Diät soll routinemäßig bei neutropenischen Patienten eingehalten werden. Welche Bedeutung die Diät als Maßnahme der Infektionsprävention hat, ist jedoch nicht bekannt, weil ihr Einfluss auf die Inzidenz von Infektionen nie allein, sondern immer nur zusammen mit anderen Faktoren (wie z.B. antimikrobielle Prophylaxe, RLT-Anlage) untersucht worden ist. Die Patienten sollen keine Lebensmittelreste im Zimmer aufbewahren, weil sich Mikroorganismen bei Raumtemperatur rasch vermehren können, auch wenn sie ursprünglich nur in geringer Keimzahl in einem Nahrungsmittel vorhanden waren. Geschirr und Besteck werden wie für alle anderen Patienten eines Krankenhauses auch aufbereitet, d.h., sie werden in der Krankenhausküche in speziellen Geschirrspülmaschinen gereinigt und getrocknet. Alle mit gekochtem Wasser zubereiteten Getränke (z.B. Kaffee, Tee) stellen kein Problem dar. Bei Säften ist darauf zu achten, dass sie bei der Herstellung pasteurisiert worden sind [3]. Ansonsten können frisch gepresste Säfte aus schälbarem Obst getrunken werden. Ob die in Mineralwasser nachweisbaren Mikroorganismen überhaupt eine Gefährdung für stark abwehrgeschwächte Patienten darstellen können, ist unklar. Epidemiologische Hinweise dafür gibt es nicht. Darüber hinaus gibt es keinen Grund, in Mineralwasser ein größeres infektiöses Potenzial zu sehen als in anderen industriell hergestellten Getränken. 221 4. Unterstützung der Abwehrfunktionen Auf verschiedenen Wegen wird versucht, die Funktionen der körpereigenen Abwehr zu erhalten bzw. zu verbessern: ■ Azidität des Magensaftes: Erhaltung der natürlichen Azidität des Magensaftes durch Verzicht auf Medikamente zur Stressulkusprophylaxe, die mit einer Anhebung des Magensaft-pH in den neutralen oder sogar alkalischen Bereich verbunden sind ■ Immunisierung: Polysaccharid-, Konjugat- und Toxoidimpfstoffe und Impfstoffe aus inaktivierten Erregern können allen Patienten unabhängig von der Art der Immunsuppression verabreicht werden. Lebendimpfstoffe dagegen sind bei Patienten mit schwerer Immunsuppression, bis zwei Jahre nach Knochenmarktransplantation (KMT) und bei Graftvs-Host-Disease (GVHD) kontraindiziert. Passive Immunisierungen mit Immunglobulinzubereitungen können immer angewendet werden. ■ Außerdem werden hämatopoetische Wachstumsfaktoren (z.B. GCSF) eingesetzt, deren Rolle aber auch bei febrilen neutropenischen Patienten nicht endgültig geklärt ist. 5. Prophylaxe endogener Infektionen Bei schwerer Immunsuppression wird eine Vielzahl von lokal und systemisch applizierten Antibiotika und Antimykotika angewendet, um Infektionen aus der körpereigenen Flora zu reduzieren [8, 12]. Nicht selten sind damit aber auch Probleme – bedingt durch Resistenzentwicklung oder Selektion – verbunden (z.B. bei Prophylaxe mit Chinolonen Auftreten resistenter Gram-negativer Stäbchen bzw. Selektion vergrünender Streptokokken; siehe Kapitel E „Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe“). 222 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Maßnahmen bei Besuchern Je ausgeprägter die Immunsuppression, um so eher ist es vertretbar, die Zahl der Besucher auf die nächsten Angehörigen und engsten Freunde zu beschränken. Jedem Besucher sollen die erforderlichen Hygienemaßnahmen erklärt werden, wobei es vorrangig wieder auf die Händehygiene ankommt. Man muss erklären, dass immunsupprimierte Patienten keine üblichen Lebensmittel und keine Blumen oder Pflanzen bekommen sollen. Die Besucher können aber in ihrer Straßenkleidung zum Patienten gehen und müssen keine Überkittel anziehen. Sie müssen darauf hingewiesen werden, dass nach Niesen oder Naseputzen die Hände gewaschen oder desinfiziert werden müssen. Personen mit z.B. starkem Schnupfen und Husten bei Infektionen der Atemwege sollen in dieser Zeit möglichst keinen Kontakt mit dem Patienten haben. Handelt es sich um wichtige Bezugspersonen, können sie den Patienten besuchen, sollen aber vor Betreten des Zimmers einen Mundschutz aufsetzen und einen Mindestabstand von zwei Metern zum Patienten halten. Dasselbe gilt für Personen mit einem floriden Herpes labialis. Auch Personen mit Symptomen einer Diarrhoe sollen keinen Patientenkontakt haben, weil insbesondere manche viralen Durchfallerkrankungen schon zwischen immunkompetenten Personen sehr leicht übertragbar sind (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“). Gesunde Kinder können unter den gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu Besuch kommen. Dies gilt für Säuglinge und Kleinkinder ebenso wie für ältere Kinder. Ist ein Kind aber beispielsweise stark erkältet, sollte es in dieser Zeit keinen Kon- takt zum Patienten haben. Es ist darüber hinaus wichtig, nach Kontakt mit Erkrankungen wie Varizellen, Masern, Röteln, Mumps, Hepatitis A, A-StreptokokkenPharyngitis oder Keuchhusten zu fragen, weil bei Kindern derartige Expositionen viel häufiger sind als bei Erwachsenen. Letztlich können aber für den Besuch von Kindern keine einheitlichen Regeln festgelegt werden. Aus hygienischer Sicht besteht ein großer Spielraum, der von Ärzten und Pflegepersonal genutzt werden sollte, um individuelle Lösungen zu finden, die alle Beteiligten, so gut es eben möglich ist, zufrieden stellen. Vorgehen bei invasiven Maßnahmen Prinzipielle Unterschiede im Umgang mit invasiven Maßnahmen bei immunkompetenten und immunsupprimierten Patienten gibt es nicht. Insofern gelten alle in Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“ aufgeführten Empfehlungen gleichermaßen bei abwehrgeschwächten Patienten. Im Folgenden werden deshalb nur einige Hinweise für den Umgang mit implantierten Kathetern gegeben (siehe auch Kapitel B.4 „Bakteriämie“). 1. Vollständig implantierte Katheter (Portsysteme) Punktion der Injektionsstelle Zur erforderlichen Dauer der Hautdesinfektion vor der Punktion gibt es keine speziellen Daten. Deshalb kann man nur, ausgehend von vergleichbaren invasiven Maßnahmen, extrapolieren und z.B. eine Einwirkzeit des Desinfektionsmittels von einer Minute empfehlen. Dies entspricht der Dauer der Hautdesinfektion vor Anlage konventioneller zentraler Venenkatheter und ist höchstwahrscheinlich ebenfalls sinnvoll, aber auch ausreichend. Immunsupprimierte Patienten Verbandswechsel Bei kontinuierlicher Infusion wird die Punktionsstelle mit einem Verband abgedeckt, der, wie bei konventionellen Kathetern auch, routinemäßig frühestens alle drei Tage gewechselt wird. Nadelwechsel Zur Notwendigkeit eines Kanülenwechsels in einem bestimmten Intervall gibt es keine präzisen Angaben. Meist bleibt deshalb die Kanüle solange liegen, wie sie für die intravenöse Therapie benötigt wird. Nach Entfernen der Kanüle ist ggf. vorübergehend ein Verband nötig. 2. Teilweise implantierte Katheter Bei teilweise implantierten Kathetern mit extrakorporaler Injektionsstelle wird vor Diskonnektion von Katheteransatzstück und Infusionssystem eine sterile Kompresse untergelegt und danach eine Desinfektion des Katheteransatzstücks mit einer Einwirkzeit von einer Minute durchgeführt (zum Abwischen überschüssigen Desinfektionsmittels sterile Tupfer verwenden). Alle weiteren Maßnahmen entsprechen denen im Umgang mit konventionellen Kathetern. Umgang mit Patienten vor und nach Organtransplantation Die präoperative Vorbereitung von Patienten für eine Organtransplantation unterscheidet sich nicht von den Maßnahmen bei normalen operativen Eingriffen (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). In manchen Kliniken werden für die Einleitung und Durchführung der Narkose sterile Utensilien verwendet. Diese Maßnahme kann jedoch keinen Einfluss auf die 223 Inzidenz postoperativer Pneumonien (oder sonstiger Infektionen) haben, weil die sterilen Gegenstände einerseits sofort bei Kontakt mit den Schleimhäuten des Patienten durch die ortsständige Flora kontaminiert werden und andererseits die sonst übliche Verwendung desinfizierter Gegenstände zu keiner Kontamination der Atemwege führt. Denn die nach regelrechter Desinfektion evtl. noch in geringer Zahl vorhandenen Mikroorganismen kommen als Infektionserreger auch bei diesen Patienten nicht in Betracht (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Ebenso wenig wie bei granulozytopenischen Patienten ist es bei transplantierten Patienten sinnvoll, ihre postoperative Versorgung mit umfangreicher Schutzkleidung (steriler Kittel, sterile Handschuhe, Maske, Kopfschutz) durchzuführen. Bei Organtransplantierten werden nicht selten von den behandelnden Ärzten merkwürdig anmutende „Hygienemaßnahmen“ angeordnet, die man vom Umgang mit z.B. KMT-Patienten nicht kennt. Möglicherwiese spiegeln sich darin Unterschiede zwischen den verantwortlichen (Fach-)Ärzten – Chirurgen bei Organtransplantierten, Internisten bei KMT-Patienten – wider. Beispielsweise kann man beobachten, dass Patienten nach Organtransplantation bei Verlassen ihres Zimmers weiße Baumwollhandschuhe anziehen müssen. RLT-Anlage Ob überhaupt und, wenn ja, wie lange diese Patienten postoperativ in Zimmern mit spezieller RLT-Anlage gepflegt werden sollen, ist eine ungeklärte Frage. Im Gegensatz zu Patienten, die vorübergehend extrem granulozytopenisch sind, ist bei Patienten nach Organtransplantation die Pha- 224 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen se der Empfänglichkeit für Aspergillus-Infektionen viel schwieriger zu definieren. Bekannt ist, dass sie in den ersten vier Wochen nach der Transplantation in der Regel durch typische nosokomiale Infektionen gefährdet sind und erst ab dem zweiten Monat ein erhöhtes Aspergillose-Risiko haben [5, 18]. Deshalb ist es zumindest fragwürdig, die Patienten unmittelbar postoperativ für einige Tage in einem Zimmer mit Schwebstofffilterung unterzubringen, das sie dann meist schon bald für den nächsten frisch transplantierten Patienten wieder räumen müssen. Denn in Kliniken, in denen viele Transplantationen durchgeführt werden, stehen nie so viele Patientenzimmer dieser Art zur Verfügung, um alle Patienten z.B. zwei bis drei Wochen unterzubringen. Ebenso wie die RLT-Anlage muss man bei ihnen aber auch das Tragen von Atemschutzmasken außerhalb des Zimmers skeptisch beurteilen, dies insbesondere, wenn sie gar nicht (mehr) in einem klimatisierten Zimmer, sondern in einem Zimmer mit natürlicher Belüftung untergebracht sind, wo die Zahl an AspergillusSporen ebenso hoch ist wie in der Außenluft (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“). Reinigung und Desinfektion Unterschiede in den Verfahren der Reinigung und Desinfektion im Vergleich zu Stationen mit immunkompetenten Patienten gibt es nicht (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). In Bereichen mit schwer neutropenischen Patienten muss aber – ähnlich wie auf Intensivstationen – in den meisten Fällen öfter gereinigt bzw. desinfiziert werden, weil die Patienten bedingt durch die Chemotherapie häufig Durchfall und auch Erbrechen haben, es also häufiger zu Kontaminationen in ihrem Umfeld kommen kann. Ob Reinigungsmaßnahmen ausreichend sind oder die Desinfektion der Flächen einen besseren Schutz vor Infektionen bietet, ist bei abwehrgeschwächten Patienten ebenso unklar wie z.B. bei Patienten auf Intensivstationen. Meist wird das patientennahe Umfeld zweimal täglich desinfiziert. Es ist aber kaum anzunehmen, dass bei einer so seltenen Anwendung und in der Zwischenzeit exponierten Oberflächen das Desinfektionsmittel einen signifikanten Einfluss auf Qualität und Quantität der auf den Oberflächen vorhandenen Mikroorganismen bzw. auf die Infektionsinzidenz der in diesen Bereichen versorgten Patienten haben kann. Es ist deshalb nicht abwegig zu vermuten, dass mit derselben Sorgfalt durchgeführte Reinigungsmaßnahmen den gleichen Effekt haben würden. Literatur 1. Alberti C, Bouakline A, Ribuad P, Lacroix C, Rousselot P, Leblanc T, Derouin F for the Aspergillus Study Group. Relationship between environmental fungal contamination and the incidence of invasive aspergillosis in haematology patients. J Hosp Infect 2001; 48: 198– 206 2. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Guideline for preventing opportunistic infections among hematopoietic stem cell transplant recipients. MMWR 2000; 49: 1–125 3. Cook KA, Dobbs TE, Hlady WG, Wells JG, Barrett TJ, Puhr ND, Lancette GA, Bodager DW,Toth BL, Genese CA, Highsmith AK, Pilot KE, Finelli L, Swerdlow DL. Outbreak of Salmonella serotype Hartford infections associated with unpasteurized orange juice. JAMA 1998; 280: 1504–1509 4. Dykewicz CA. Summary of guidelines for preventing opportunistic infections among hematopoietic stem cell transplant patients. Clin Infect Dis 2001; 33: 139–144 5. Fishman JA, Rubin RH. Infection in organtransplant recipients. N Engl J Med 1998; 338: 1741–1751 6. Gill MV, Klein NC, Cunha BA. Unusual organisms causing intravenous line infections Immunsupprimierte Patienten 7. 8. 9. 10. 11. 12. in compromised hosts: I. Bacterial and algal infections. Infect Dis Clin Pract 1996; 5: 244– 255 Gorschlüter M, Glasmacher A, Hahn C, Schakowski F, Ziske C, Molitor E, Marklein G, Sauerbruch T, Schmidt-Wolf IGH. Clostridium difficile infection in patients with neutropenia. Clin Infect Dis 2001; 33: 786–791 Hughes WT,Armstrong D, Bodey GP, Brown AE, Edwards JE, Feld R, Pizzo P, Rolston KVI, Shenep JL, Young LS. 1997 guidelines for the use of antimicrobial agents in neutropenic patients with unexplained fever. Clin Infect Dis 1997; 25: 551–573 Klein NC, Gill MV, Cunha BA. Unusual organisms causing intravenous line infections in compromised hosts: II. Fungal infections. Infect Dis Clin Pract 1996; 5: 303–310 Krcmery V, Krupova I, Denning DW. Invasive yeast infections other than Candida spp. in acute leukaemia. J Hosp Infect 1999; 41: 181–194 LaRocco MT, Burgert SJ. Infection in the bone marrow transplant recipients and role of the microbiology laboratory in clinical transplantation. Clin Microbiol Rev 1997; 10: 277–297 Lortholary O, Dupont B. Antifungal prophylaxis during neutropenia and immunodeficiency. Clin Microbiol Rev 1997; 10: 477–504 225 13. MacGregor RR. Alcohol and immune defense. JAMA 1986; 256: 1474–1479 14. Mooney BR, Reeves SA, Larson E. Infection control and bone marrow transplantation. Am J Infect Control 1993; 21: 131–138 15. Murphy OM, Gould FK. Prevention of nosocomial infection in solid organ transplantation. J Hosp Infect 1999; 42: 177–183 16. Nauseef WM, Maki DG. A study of the value of simple protective isolation in patients with granulocytopenia. N Engl J Med 1981; 304: 448–453 17. Nuñez M, Radford J, Cruz J, Perry J, Hurd D, High KP. Tuberculosis after bone marrow transplantation. Infect Dis Clin Pract 1999; 8: 172.–176 18. Patel R, Paya CV. Infections in solid-organ transplant recipients. Clin Microbiol Rev 1997; 10: 86–124 19. Risi GF, Tomascak V. Prevention of infection in the immunocompromised host. Am J Infect Control 1998; 26: 594–606 20. Shah S, Vincent AL, Greene JN, Sandin RL, Gompf S. Rare Gram-positive infections in cancer patients: study and literature review. Infect Dis Clin Pract 2000; 9: 141–147 226 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Intensivmedizin Wegen der Schwere der Grundkrankheiten und der dadurch bedingten zahlreichen invasiven Maßnahmen sind nosokomiale Infektionen bei intensivmedizinischen Patienten z.T. wesentlich häufiger als auf Allgemeinstationen [2–5, 7–9, 11– 13]. Krankenhaushygienische Maßnahmen haben deshalb bei der Versorgung dieser Patienten einen außergewöhnlich hohen Stellenwert. Die Diagnostik beispielsweise der Pneumonie bei beatmeten Patienten ist nach wie vor schwierig, und auch deshalb werden Intensivpatienten häufig mit einer Vielzahl von Antibiotika behandelt. Eine Antibiotikatherapie sollte aber nur bei konkretem Infektionsverdacht eingeleitet werden (siehe Kapitel E. „Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe“). Eine Kolonisierung z.B. des Trachealsekrets mit Bakterien oder Pilzen kommt häufig vor und stellt an sich keine Behandlungsindikation dar. Deshalb ist auch das sog. „mikrobiologische Monitoring“ an sich nicht sinnvoll, wird aber von den Klinikern wohl deshalb geschätzt, weil es ein gewisses Gefühl von Sicherheit vermittelt zu wissen, welche Keime bei den Patienten nachweisbar sind, falls irgendwann Zeichen einer Infektion auftreten [6]. Allgemeine Maßnahmen Generell sind im Umgang mit Intensivpatienten die Maßnahmen der Standard-Hygiene von ausschlaggebender Bedeutung [9, 11–13]: Personal ■ Händedesinfektion ist auch auf Intensivstationen die wichtigste Maßnahme zur Prävention von direkten und indirekten Erregerübertragungen. ■ Sorgfältiger Umgang mit EinmalHandschuhen ■ In der Regel täglicher Wechsel der Arbeitskleidung, wenn erforderlich auch häufiger ■ Schutzkleidung (Schürze, Kittel) bei nahem Patientenkontakt, wenn Kontamination der Arbeitskleidung möglich (Wechsel z.B. einmal pro Schicht) Ausführliche Angaben zu diesen Punkten finden sich in Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“. Besucher ■ Schutzkittel nicht erforderlich, da die Privatkleidung kein Risiko darstellt ■ Händewaschen bzw. Händedesinfektion ■ Besucher mit akuten Atemwegsinfektionen sollen keinen direkten Kontakt mit dem Patienten aufnehmen (ca. 2 m Abstand halten). Ebenso soll direkter Kontakt bei Hautinfektionen oder Ausscheidung darmpathogener Erreger vermieden werden. Bauliche Konzeption ■ Sog. Schleuse als Abtrennung zum übrigen Krankenhaus nicht erforderlich (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“) ■ Für Besucher am Eingang Möglichkeit zum Aufhängen von Mänteln etc. Intensivmedizin ■ Bei Planung von Mehrbetträumen muss auf ausreichenden Abstand zwischen den Bettplätzen geachtet werden, weil dadurch das ungestörte und damit kontaminationsfreie Arbeiten erleichtert wird. ■ Verfügbarkeit von Einzelboxen sinnvoll, um ggf. bestimmte Patienten von den anderen räumlich trennen zu können (Abtrennung kann auch durch flexible, z.B. auch durchsichtige, Wände innerhalb eines größeren Raumes erreicht werden) Spezielle Maßnahmen Spezielle Maßnahmen der Infektionsprävention betreffen insbesondere alle für die Intensivtherapie typischen und üblichen invasiven Maßnahmen (siehe Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“). Daneben spielen weitere Maßnahmen eine wichtige Rolle, die zwar auch bei Patienten auf Allgemeinstationen angewendet werden, aber bei Intensivpatienten wegen ihrer prinzipiellen Infektionsgefährdung von besonderer Bedeutung sind. Mundpflege ■ Möglichst wiederaufbereitbares Set bestehend aus Tablett mit Deckel, mehreren Bechern und Ablage für Pflegeutensilien verwenden ■ Mundpflegelösung in geschlossenem Becher aufbewahren und zum jeweiligen Gebrauch eine kleine Menge in einen anderen Becher schütten (dadurch wird eine Kontamination der Vorratslösung durch die bereits benutzte Mundpflegeklemme verhindert) ■ Becher und Klemme nach jedem Gebrauch mit z.B. 80%igem Alkohol ausbzw. abwischen ■ Gesamtes Tablett einmal täglich thermisch aufbereiten 227 Enterale Ernährung Sondennahrung stellt für viele potenziell pathogene Keime ein gutes Nährmedium dar (aseptische Vorsichtsmaßnahmen bei Zubereitung und Gabe) [1, 10]. Kontaminationsfreies Arbeiten ist deshalb sehr wichtig. ■ Bei Anwärmen industriell hergestellter Flaschennahrung im Wasserbad die Flaschen anschließend gut abtrocknen (Wasserkontakt mit Flaschenverschluss vermeiden) ■ Zubereitung von Tee mit kochendem Wasser (Teeblätter sind nicht keimfrei, Wasser aus Kaffee- und Teemaschinen ist in der Regel nicht aufgekocht) ■ Bei intermittierendem Nahrungsaufbau für jede Nahrungsgabe frische Spritze verwenden (anschließend Aufbereitung in Geschirrspülmaschine bei 65 °C oder thermische Desinfektion in Reinigungsund Desinfektionsautomat) ■ Plastikbeutel mit angeschweißtem Überleitungssystem spätestens nach 24 Stunden verwerfen (sichere Aufbereitung nicht möglich) ■ Angebrochene Sondenkostflaschen im Kühlschrank lagern und Reste nach 24 Stunden verwerfen ■ Zubereitung pulverförmiger Nahrung in portionsgerechten Mengen zum sofortigen Verbrauch – Pulvernahrung ist nicht keimfrei und soll deshalb, sobald angerührt, schnell verbraucht werden. – Schüttelbecher, Messlöffel etc. thermisch desinfizieren – Anrühren immer nur mit abgekochtem oder sterilem Wasser Sondenpflege ■ Nach jeder Nahrungsgabe Sonde mit Tee durchspülen, um Verstopfung der Sonde zu verhindern 228 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Bei transnasaler Sonde tägliche Pflege mit Reinigung von Naseneingang und Sonde mit Wasser und Seife, Nasensalbe zur Pflege des Nasenflügels, schonendes Pflaster zur Fixierung der Sonde ■ Bei perkutaner endoskopischer Gastrostomie Verbandswechsel alle 72 Stunden (ggf. häufiger, wenn Verband lose oder nicht mehr sauber) um die Ansammlung von Verunreinigungen aus dem Leitungswassernetz zu reduzieren bzw. zu verhindern. Da eine Biofilmbildung aber unvermeidbar ist, sollen die Strahlregler regelmäßig (z.B. einmal pro Woche) in einer Geschirrspülmaschine oder einem Reinigungs- und Desinfektionsautomaten aufbereitet werden. Ventrikeldrainagen ■ Routinemäßig Fußböden mit hausüblichem Reinigungssystem und umweltfreundlichem Reiniger aufwischen (zweimal täglich, da Verschmutzungen häufiger als außerhalb von Intensivbereichen) ■ Patientennahe Flächen (Nachttisch, Versorgungsleiste, Monitor, Medikamenten-, Verbandswagen) einmal täglich, ggf. häufiger, mit Reinigungslösung abwischen ■ Bedienungsoberflächen von Geräten einmal pro Schicht mit Reinigungslösung abwischen oder dazu Alkohol bzw. ein Flächendesinfektionsmittel verwenden (zuvor Materialverträglichkeit prüfen) ■ Nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material sog. gezielte Desinfektion (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“) ■ Beim Wechsel von Ventrikeldrainagen möglichst zu zweit arbeiten (erleichtert das aseptische Arbeiten) ■ Wechselintervall alle 72 Stunden ■ Vorgehen wie bei Venenkatheterverbandswechsel und Wechsel von Infusionssystemen (siehe Kapitel B.3 „Intravasale Katheter“) Umgang mit Leitungswasser Im Leitungswasser sind häufig in wechselnder Keimzahl sog. Wasserkeime nachweisbar. Dabei handelt es sich vor allem um potenziell pathogene Gram-negative Stäbchen, z.B. Acinetobacter spp., Pseudomonas spp. (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Es kann deshalb sinnvoll sein, dem Waschwasser von Patienten mit offenen Wunden (z.B. großflächige Schürfwunden nach Unfällen) oder nicht intakter Haut bei ausgedehnten chronischen Hautkrankheiten PVP-Jodlösung zuzusetzen (1 : 100 verdünnt). Den nachteiligen austrocknenden Effekt kann man durch Zugabe eines pflegenden Badezusatzes ausgleichen, ohne die antimikrobielle Wirksamkeit der Jodkomponente zu beeinträchtigen. Als Strahlregler an den Wasserhähnen sollen überall Lamellenstrahlregler anstelle von Siebstrahlreglern verwendet werden, Flächenreinigung und -desinfektion Sämtliche Flächen müssen sauber und trocken sein. Routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen, z.B. der patientennahen Flächen, erscheinen aber auch auf Intensivstationen nicht sinnvoll, weil bekanntlich eine Rekontamination schnell wieder vorhanden ist (siehe Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Ob die Kontamination von Flächen bei der Übertragung von potenziell pathogenen Erregern überhaupt eine Rolle spielt, ist ungeklärt. Eine routinemäßige Flächen- Intensivmedizin desinfektion (einmal täglich der patientennahen Flächen, einmal pro Schicht der Bedienungsflächen von Geräten), wie häufig empfohlen, macht Händehygiene nicht seltener erforderlich und sorgt eher für ein falsches Gefühl von Sicherheit. Literatur 1. Beattie TK, Anderton A. Microbiological evaluation of four enteral feeding systems which have been deliberately subjected to faulty handling procedures. J Hosp Infect 1999; 42: 11–20 2. Brown RB, Teres D. Management of infections in adult intensive care unit patients: Part I. Infect Dis Clin Pract 1993; 2: 163–168 3. Circeo L, McGee W, Brown RB. Management of infections in adult intensive care unit patients: Part II. Infect Dis Clin Pract 1994; 3: 254–259 4. Circiumaru B, Baldock G, Cohen J. A prospective study of fever in the intensive care unit. Intensive Care Med 1999; 25: 668– 673 5. Cunha BA. Fever in the intensive care unit. Intensive Care Med 1999; 25: 648–651 229 6. Graevenitz A von. Bakteriologisch-mykologisches „Monitoring“ auf Intensivstationen. Intensivmed 1995; 32: 547–551 7. Inglis TJJ, Sproat LJ, Hawkey PM, Knappett P. Infection control in intensive care units: U.K. national survey. Br J Anaesth 1992; 68: 216– 220 8. Langer M, Pifferi S, Peta M. Diagnosis of bacterial infection in the ICU: general principles. Intensive Care Med 1994; 20, Suppl.: 12–16 9. O’Connell NH, Humphreys H. Intensive care unit design and environmental factors in the acquisition of infection. J Hosp Infect 2000; 45: 255–262 10. Oie S, Kamiya A, Hironaga K, Koshiro A. Microbial contamination of enteral feeding solution and its prevention. Am J Infect Control 1993; 21: 34–38 11. Pittet D, Harbarth SJ.The intensive care unit. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 381–402 12. Spencer RC. Epidemiology of infections in ICUs. Intensive Care Med 1994; 20, Suppl.: 2– 6 13. Widmer AF. Infection control and prevention strategies in the ICU. Intensive Care Med 1994; 20, Suppl.: 7–11 230 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Kinderheilkunde Bei der Entstehung nosokomialer Infektionen in der Kinderheilkunde spielen neben der physiologischen Unreife des Immunsystems bei Frühgeborenen und auch noch bei reifen Neugeborenen sowie der Immunsuppression bei Kindern mit onkologischen Erkrankungen invasive Maßnahmen als exogene Risikofaktoren eine wesentliche Rolle. Infektionen bei Intensivpatienten Bei älteren Kindern ist die Häufigkeit der verschiedenen nosokomialen Infektionen ähnlich wie bei Erwachsenen; an erster Stelle stehen Harnwegsinfektionen, Pneumonie und Sepsis [31]. Bei Früh- und Neugeborenen dagegen tritt die Bakteriämie mit Abstand am häufigsten auf [15, 36, 37, 45, 52]. Mit zunehmender Unreife des Kindes steigt das Infektionsrisiko signifikant und ist bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1500 g am höchsten [45, 52]. Das Ausmaß invasiver Maßnahmen ist naturgemäß bei intensivpflichtigen Kindern und bei Kindern auf onkologischen Stationen am größten [7, 10, 36, 37, 45, 47, 49, 52]. Häufig müssen sie noch dazu über einen langen Zeitraum durchgeführt werden, weshalb optimale hygienische Techniken bei Diagnostik und Therapie essenziell sind. Aber auch bei exakter Beachtung der erforderlichen Hygienemaßnahmen lässt sich bei diesen Patienten aufgrund ihres hohen endogenen Risikos nur ein Teil der Infektionen überhaupt verhüten (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“). Für den Umgang mit invasiven Maßnahmen (intravasale Katheter bei Früh-/Neugeborenen und Beatmungszubehör und zusätzlich Blasenkatheter bei größeren Kindern) gelten die gleichen Hygienemaßnahmen wie bei der Versorgung Erwachsener (siehe Kapitel B.3 „Invasive Maßnahmen“ und Kapitel B.4 „Die vier häufigsten nosokomialen Infektionen“). Es werden also auch für sehr kleine Frühgeborene z.B. keine häufigeren Wechselintervalle von Beatmungs- oder Infusionssystemen und keine strikt aseptischen Maßnahmen, wie sterile Handschuhe beim Wechseln der Infusionssysteme, empfohlen [33, 48]. Die besondere Problematik der Übertragung Blut-assoziierter Viren, wie HBVund HCV, bei onkologischen pädiatrischen Patienten ist in Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“ behandelt. Erregerspektrum Altersabhängig ist das Erregerspektrum nosokomialer Infektionen in der Kinderheilkunde unterschiedlich [17, 31, 36, 45, 52]: Neugeborene ■ ■ ■ ■ ■ Koagulase-negative Staphylokokken Staphylococcus aureus Escherichia coli B-Streptokokken A-Streptokokken Ältere Kinder ■ Staphylococcus aureus ■ Koagulase-negative Staphylokokken Kinderheilkunde 231 ■ Candida spp. ■ Pseudomonas spp. nicht zu eliminieren sind (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Im Rahmen von Ausbrüchen muss bei Hochrisiko-Kindern auch die normale Kontamination der unbelebten Umgebung als Erregerreservoir in Betracht gezogen werden (z.B. Leitungswasser und Pflegeutensilien) [6, 19, 27, 34, 51, 54]. Außerdem müssen die Aufbereitungsmethoden für wiederverwendbare Gegenstände regelmäßig überprüft werden, weil Kontaminationen von z.B. Beatmungszubehör mit fehlerhafter Reinigung und Desinfektion zusammenhängen können [16]. Daraus wird verständlich, dass es bei nosokomialen Infektionen auf neonatologischen Intensivstationen Häufungen einzelner Stämme Koagulase-negativer Staphylokokken geben kann. Dabei handelt es sich aber nicht notwendigerweise um Ausbrüche in dem Sinne, dass es ausgehend von einem Index-Patienten oder einem exogenen Reservoir in der unbelebten Umgebung zu einer Übertragung eines Stammes auf mehrere Patienten kommt, und zwar aus folgendem Grund [21, 40]: Kolonisierung von Neugeborenen ■ Bakteriämie und Sepsis, vor allem versursacht durch KNS, spielen bei neonatologischen Intensivpatienten eine herausragende Rolle. ■ Wie ältere Patienten erwerben auch Früh- und Neugeborene Infektionen im Zusammenhang mit intravasalen Kathetern vorwiegend aus dem Erregerreservoir ihrer Hautflora. ■ Ältere Patienten haben aber bereits eine etablierte Hautflora mit individueller Zusammensetzung, wenn sie ins Krankenhaus kommen. ■ Die Haut- und übrige Körperflora von Früh- und Neugeborenen wird jedoch – hauptsächlich während der ersten Lebenswoche – auf der Intensivstation, und zwar zu einem wesentlichen Teil durch den Kontakt mit dem medizinischen Personal erworben. ■ Deshalb kann man mit molekularbiologischen Typisierungsmethoden bei neonatologischen Intensivpatienten Häufungen einzelner Stämme, z.B. von Staphylococcus epidermidis, nachweisen. ■ Dabei handelt es sich aber in der Regel um ein endemisches Auftreten verschiedener Stämme und nicht um die (prinzipiell mögliche) epidemische Häufung einzelner Stämme. Neugeborene besitzen noch nicht wie ältere Patienten eine physiologische Flora der Haut und Schleimhäute, die einen wichtigen Schutz vor potenziell pathogenen Keimen darstellt. Ein gesundes Neugeborenes erwirbt die primäre Körperflora von seiner Mutter, seinen sonstigen Kontaktpersonen sowie der gesamten Umgebung zunächst im Krankenhaus und bald danach zu Hause; Kinder hingegen, die in ihrer ersten Lebenszeit auf Intensivpflege angewiesen sind, werden zwangsläufig in der „unnatürlichen“ Umgebung ihrer Intensivstation primär mikrobiell besiedelt. Auch wenn heute die Eltern auf neonatologischen Intensivstationen häufig auch Körperkontakt mit ihren Kindern haben können, hat das medizinische Personal doch den Hauptkontakt mit den Neugeborenen. Die Kinder erwerben somit einen wesentlichen Teil ihrer Flora über das medizinische Personal [9, 21, 25]. Dazu gehören vor allem – und auch bei optimaler Hygiene unvermeidlich – die Keime der normalen Hautflora des Personals, wie insbesondere Koagulase-negative Staphylokokken (KNS), weil diese residenten Hautkeime durch die Desinfektion der Hände 232 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Hygienemaßnahmen in der neonatologischen Intensivpflege Allgemeine Maßnahmen Personal Äußerst sorgfältige Beachtung der Standard-Hygiene mit Händehygiene als wichtigster Maßnahme und Ausschluss von erkranktem Personal (z.B. gastrointestinale Infektion, Hautinfektion) aus der direkten Versorgung von Hochrisiko-Kindern sind essenzielle Voraussetzungen, um Erregerübertragungen und Infektionen zu verhindern [11, 12, 18, 23, 24, 32]. Anwendung von Antibiotika Insbesondere Breitspektrum-Antibiotika fördern die Entwicklung bzw. Selektion resistenter Erreger (siehe Kapitel E „Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe“). Ein besonnener Umgang mit Antibiotika ist auch in der Kinderheilkunde von großer Bedeutung, um Komplikationen mit resistenten Erregern zu vermeiden [32, 49]. Nabelpflege Die Kolonisierung des Neugeborenen beginnt am Nabel und dehnt sich von dort auf den übrigen Körper aus. Um das Neugeborene vor potenziell pathogenen Keimen zu schützen, muss man deshalb der Nabelpflege bei intensivpflichtigen Kindern besondere Aufmerksamkeit widmen [5]: ■ Einmal täglich z.B. 0,5% Chlorhexidin in 70%igem Alkohol auftragen ■ Dafür sterilen Tupfer in die Lösung tauchen und damit kreisförmig um den Nabel wischen ■ Danach einen weiteren sterilen Tupfer mit der Lösung befeuchten und den Nabelstumpf abtupfen ■ Die Lösung anschließend eintrocknen lassen ■ Bei schmierig belegtem Nabelstumpf mikrobiologische Untersuchung veranlassen ■ Sobald der Nabelstumpf trocken ist, keine besondere Behandlung erforderlich. Kinderkleidung, Windeln, Bettwäsche ■ Übliche Waschverfahren auch für die Wäsche von Früh- und Neugeborenen auf Intensivstationen anwenden, Sterilisation der Wäsche nicht erforderlich ■ Dezentrale Waschmaschinen mit 60 °CProgramm (mit oder ohne Vorwäsche) können verwendet werden, wenn z.B. aus organisatorischen Gründen die Babywäsche nicht in der Krankenhauswäscherei gewaschen werden kann. ■ Bügeln der Wäsche aus hygienischen Gründen nicht erforderlich ■ Felle müssen waschbar sein ■ Wollsöckchen können bei 30 °C (z.B. mit einem Wollprogramm) gewaschen werden. ■ Einmal-Windeln bei Kindern mit Durchfallerkrankungen oder mit Nachweis darmpathogener Keime verwenden, weil dadurch die Umgebungskontamination geringer sein soll (wenn nicht ohnehin alle Kinder damit gewickelt werden) Schutzkittel ■ Über der Bereichskleidung getragene Schutzkittel nur bei direktem Kontakt mit dem Kind sinnvoll, z.B. Herausnehmen des Kindes aus dem Inkubator ■ Insbesondere wichtig bei direktem Kontakt mit infizierten Kindern (z.B. RSV und Rotaviren, siehe unten) Das Anziehen von Schutzkitteln bei Betreten der Intensivstation (z.B. konsiliarisch tätiges Personal) ist auf pädiatrischen Intensivstationen ebenso ineffektiv wie in der Er- Kinderheilkunde wachsenen-Intensivmedizin; insbesondere konnte gezeigt werden, dass damit das hygienische Verhalten auf der Station im Umgang mit den Kindern (z.B. Häufigkeit der Händedesinfektion) nicht beeinflusst wird [42]. ■ Mikrobiologisches Monitoring der Kinder Routinemäßig, z.B. ein- oder zweimal wöchentlich, durchgeführte mikrobiologische Untersuchungen von Neugeborenen und Säuglingen an verschiedenen Körperstellen (z.B. Abstriche an Ohr, Nase, Augen, Nabel) haben nur selten Einfluss auf die Antibiotikatherapie, wenn im Verlauf der Verdacht auf eine Infektion gegeben ist [26, 30]. In den meisten pädiatrischen Intensivstationen gibt es etablierte Schemata für die empirische Antibiotikatherapie, die in der Mehrzahl der Fälle nicht an die Ergebnisse des mikrobiologischen Monitorings angepasst werden. Besucher Gesunde Eltern ■ Vor Betreten der Station Hände (bei Kindern im Inkubator auch die Unterarme) gründlich waschen, abtrocknen und anschließend desinfizieren (Erklärung durch das Personal) ■ Schutzkittel nur anziehen, wenn das Kind auf den Arm genommen werden soll. ■ Um auch sehr unreifen oder kranken Früh- und Neugeborenen den wichtigen engen Körperkontakt zu ermöglichen, ist es heute üblich, die Kinder auf die bloße Haut des Oberkörpers zu legen, ohne dass damit ein Infektionsrisiko verbunden wäre. Eltern mit Infektionen ■ Bei respiratorischen Infektionen der oberen Atemwege ist die gründliche ■ ■ ■ 233 Händehygiene ausreichend, solange das Kind im Inkubator liegt. Nach jedem Naseputzen müssen die Hände jedoch erneut gewaschen und desinfiziert werden. Kann das Kind auf den Arm genommen werden, soll ein Mundschutz getragen werden, um den direkten Kontakt mit respiratorischen Tröpfchen zu verhindern. Bei eitrigen Infektionen an den Händen sollen die Eltern nur dann direkten Kontakt mit ihrem Kind haben, wenn ein frischer Verband die Wunde vollständig bedeckt (evtl. zusätzlich einen Einmal-Handschuh darüber ziehen). Bei floridem Herpes labialis müssen die Eltern ebenfalls auf die sorgfältige Händehygiene hingewiesen werden. Außerdem sollen sie eine Maske tragen. Eltern mit Schnupfen, Husten oder Herpes labialis muss erklärt werden, dass sie mit ihrem Kind nicht schmusen dürfen, auch wenn sie eine Maske tragen. Geschwister Auch Geschwister können auf die Intensivstation mitgenommen werden. Sie sollen jedoch keine Infektionen haben und auch in der letzten Zeit keinen Kontakt mit an typischen Kinderkrankheiten, wie z.B. Windpocken, erkrankten Kindern gehabt haben, wenn sie nicht sicher immun sind. Deshalb sollen sie erst dann auf die Intensivstation gehen, wenn ein Verantwortlicher der Station sie gesehen und die Eltern nach typischen Symptomen und Expositionen befragt hat. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Eltern gut auf ihr Kind aufpassen können und es nur in ihrer Nähe behalten.Auch die Geschwister sollen sich vor Betreten der Station die Hände waschen. 234 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Ernährung Abpumpen von Muttermilch Muttermilch gilt auch in der modernen Neonatologie als sehr wichtig für die Entwicklung der Kinder. Solange die Kinder noch nicht an die Brust gelegt werden können, pumpen deshalb viele Mütter die Milch ab. Einige Vorsichtsmaßnahmen müssen dabei beachtet werden, da Muttermilch auch bei gesunder Brust der Mutter mikrobiell kontaminiert sein oder beim Abpumpen bzw. anschließend bei nicht geeigneter Versorgung kontaminiert werden kann [4, 22, 28, 38, 41, 46, 55]. Eine schriftliche Anleitung, die möglichst auch in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stehen und folgende Hinweise enthalten soll, unterstützt die Müttern dabei: ■ Vor dem Abpumpen Hände gründlich mit warmem Wasser und Seife waschen und mit einem frischen Handtuch abtrocknen ■ Brustwarzen mit einem frischen Waschlappen oder mit Mullkompressen nass abwischen ■ Unmittelbar vor dem Abpumpen die Hände desinfizieren (Erklärung durch das Personal) ■ Zum Auffangen der Milch nur saubere (z.B. Geschirrspülmaschine) und vorgekühlte Gefäße verwenden (frisch abgepumpte Milch nicht zu bereits gekühlter Milch dazugeben, sondern bei jedem Abpumpen neue Flasche verwenden) ■ Die erste Portion (ca. einen Teelöffel) verwerfen ■ Darauf achten, dass das Auffanggefäß beim Abpumpen gerade gehalten wird, damit keine Milch durch den Schlauch zur Pumpe fließen kann ■ Milch schnell abkühlen und im Kühlschrank bei 4 °C (Kühlschrankthermometer) aufbewahren und für den Trans- port ins Krankenhaus eine Kühltasche verwenden (einfrieren, wenn täglicher Transport in die Klinik nicht möglich) ■ Beim Öffnen und Schließen der Flaschen Innenseite des Deckels und Flaschenrand nicht berühren ■ Alle Teile, die mit der Milch in Kontakt kommen (Auffanggefäß, Brustglocke, Saugschlauch und Milchflaschen), – sofort nach Gebrauch gründlich in heißem Wasser mit Spülmittel (oder in der Spülmaschine) reinigen, – anschließend in einen Topf mit frischem Wasser legen und drei Minuten auskochen oder – die Teile in einem Dampfdrucktopf thermisch desinfizieren (sobald der Druckanzeiger vollständig sichtbar ist, den Topf zur Seite stellen und warten, bis Druckanzeiger wieder verschwunden ist), – danach alle Teile mit frischen Geschirrtüchern abtrocknen und z.B. in ein sauberes und trockenes Geschirrtuch eingeschlagen aufbewahren. ■ Als Einlagen nur spezielle Stilleinlagen oder bei 60 °C gewaschene und anschließend gebügelte Tücher (z.B. große Taschentücher) verwenden Mikrobiologischen Untersuchung der Muttermilch Bei Risiko-Kindern sind mikrobiologische Untersuchungen der Muttermilch sinnvoll und auch notwendig, da immer wieder potenziell pathogene Keime, wie z.B. Klebsiella pneumoniae oder Enterokokken, auch bei Müttern ohne Anzeichen für eine Brustentzündung und ohne Rhagaden an der Brust nachgewiesen werden. Bis zum Erhalt des mikrobiologischen Befundes bleibt die Milch eingefroren. Mangels allgemein akzeptierter Grenzwerte ist die Entscheidung, dem Kind die Kinderheilkunde Milch zu geben oder zur Sicherheit vorzuenthalten, manchmal schwierig. Gram-negative Keime sollen allerdings nie nachweisbar sein. Bei S. aureus und Enterokokken werden meist bis zu 100 KBE/ml toleriert; die Gesamtkeimzahl, also inkl. der normalerweise apathogenen bzw. wenig virulenten Keime, soll möglichst nicht über 104 KBE/ml liegen. Problematisch wird die Interpretation der Befunde auch dadurch, dass nicht nur die klassischen potenziell pathogenen Keime, wie Enterobakteriazeen, sondern auch Keime der normalen Haut- und Schleimhautflora, wie Koagulase-negative Staphylokokken, zu Infektionsproblemen führen können, zumindest dann, wenn die Keimzahlen sehr hoch sind [41]. 235 wird die Muttermilch mit der Pulvermilch in Küchengefäßen z.B. mit einem Schneebesen gemischt. Dabei muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass nach jeder Herstellung einer Muttermilchmischung das Gefäß und der Schneebesen gegen frisches Zubehör getauscht werden. Meist werden nämlich der Reihe nach die Nahrungen für mehrere Kinder gerichtet. Bei Weiterverwendung des Zubehörs gelangen somit Reste der Muttermilchmischungen in die Nahrung anderer Kinder. Kolonisierungen mehrerer Frühgeborener mit Enterobakteriazeen durch kontaminierte Milch einer asymptomatisch besiedelten Mutter sind dadurch vorgekommen, während das Milchpulver mikrobiologisch unauffällig war (eigene Beobachtung). Pasteurisierung der Muttermilch Zur Inaktivierung von Viren, z.B. Cytomegalie-Virus (CMV), kann die Muttermilch pasteurisiert werden (am schonendsten bei 57 °C für 30 Minuten) [46]. Dies kann im Wasserbad in speziellen Geräten geschehen, die einmal täglich durch Aufheizen auf z.B. 90 °C für fünf Minuten thermisch desinfiziert werden können. Zusätzlich muss man das Wasser aus den Behältern regelmäßig, z.B. einmal wöchentlich, ablassen und die Wände des Wasserbades gründlich reinigen, bevor sie wieder mit frischem Wasser gefüllt werden. Bei regelrechter Bedienung dieser Geräte besteht kein Kontaminationsrisiko durch das Wasserbad [4]. Umgang mit Muttermilch auf der Station Wenn der mikrobiologische Befund unauffällig war, kann das Kind die Milch seiner Mutter erhalten. Gerade bei sehr unreifen Frühgeborenen wird häufig der Muttermilch noch ein spezielles Fertigmilchpulver für Frühgeborene zugemischt. Dazu Ernährung mit Pulvernahrung Milch ist ein gutes Nährmedium für Bakterien. Deshalb muss auch bei der Herstellung von Babynahrung aus industrieller Pulvernahrung so gearbeitet werden, dass eine Kontamination nicht möglich ist. Milchpulver selbst ist nicht steril, enthält aber höchstens sehr geringe Keimzahlen aerober Sporenbildner. Die Qualitätskontrollen in der Industrie sind heute so gut, dass eine Kontamination mit Enterobakteriazeen bei der Herstellung sehr unwahrscheinlich ist [38]. Die folgenden Hinweise sollen eingehalten werden, um eine exogene Kontamination zu vermeiden: ■ Händedesinfektion vor Herstellung von Säuglingsnahrung ■ Nur sauberes und trockenes Zubehör (Becher, Schneebesen) verwenden ■ Nur frisch abgekochtes Wasser zum Auflösen der Pulvernahrung verwenden (Wasser aus Kaffee-/Teemaschinen nicht geeignet, da es in den meisten Maschinen nicht genügend erhitzt wird) 236 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen – „Stilles“ Wasser hat keinen Vorteil vor Leitungswasser und muss in jedem Fall auch abgekocht werden ■ Aus hygienischer Sicht haben EinmalFlaschen und -Sauger keinen Vorteil, da Reinigung und thermische Desinfektion in Maschinen heute sehr einfach und sicher ist (Autoklavieren deshalb nicht erforderlich) Augenpflege bei der Phototherapie Unabhängig davon, ob Muttermilch oder künstliche Nahrung verwendet wird, müssen die Regeln der Standard-Hygiene bei der Vorbereitung und Verabreichung der Nahrung sehr sorgfältig beachtet werden [3]. Anwärmen von Milchflaschen Allgemeine Hygienemaßnahmen bei der Versorgung von Neugeborenen und Säuglingen Über die neonatologische Intensivpflege hinaus gibt es auch bei nicht so gefährdeten Patienten auf Früh- und Neugeborenen- sowie auf Säuglingsstationen einige Besonderheiten: Haut- und Schleimhautdesinfektion ■ Für die Hautdesinfektion alkoholische Desinfektionsmittel verwenden, da PVP-Jod-haltige Mittel erst bei Säuglingen ≥6 Monate eingesetzt werden sollen ■ Zur Schleimhautdesinfektion bei Kindern <6 Monaten Verwendung von 0,5%iger wässriger Chlorhexidinlösung (wegen Kontaminationsgefahr nur in kleinen Portionen von maximal 50 ml abfüllen), bei älteren Kindern PVP-Jodlösung einsetzen ■ Octenidin bei Kindern wegen mangelnder Erfahrung noch nicht zugelassen ■ Quecksilberhaltige Desinfektionsmittel sollen überhaupt nicht mehr verwendet werden, da nebenwirkungsärmere und sicherere Substanzen zur Verfügung stehen. Bei Phototherapie wegen Hyperbilirubinämie ist eine regelmäßige und sorgfältige Augenpflege erforderlich, um eine durch die Okklusion der Augen bedingte Vermehrung potenziell pathogener Keime zu verhindern, die zu Infektionen am Auge führen kann [13]. Wasserbad ■ Zeitaufwändig ■ Hygienisch problematisch, weil die Flaschen durch das Wasser kontaminiert werden können (die hohen Temperaturen fördern das Wachstum von Wasserkeimen) ■ Deshalb nur Geräte verwenden, die aufgeheizt werden und das Wasser thermisch desinfizieren können (z.B. 90 °C für fünf Minuten) ■ Dafür Gerätewanne säubern, mit Leitungswasser befüllen und zunächst das Wasser thermisch desinfizieren, dann erst zum Anwärmen der Milchflaschen verwenden ■ Das Wasser täglich einmal thermisch desinfizieren und einmal wöchentlich ausleeren und die Wanne reinigen, wieder mit Wasser füllen und erst nach thermischer Desinfektion als Wasserbad benutzen Heißluftgerät ■ Zeitaufwändig (15–20 Minuten) ■ Hygienisch unproblematisch Elektrisches Flaschenwärmgerät ■ Zeitaufwändig (ca. 30 Minuten) ■ Reinigung schwierig, weil der Heizblock nicht herausgenommen werden kann und die Vertiefungen für die Flaschen eng sind Kinderheilkunde Mikrowellenherd ■ Sehr schnell (ca. 45 Sekunden), einfach und ohne hygienisches Risiko ■ Wärme aber nicht gleichmäßig verteilt, die Flasche deshalb gut durchschütteln, weil „heiße Inseln“ vorkommen können Prävention der RSV-Übertragung Respiratory-Syncytial-Virus-(RSV-)Infektionen treten am häufigsten während des Winters und Frühjahrs im Säuglings- und Kleinkindalter auf und können mit schweren Pneumonien assoziiert sein [50]. Die Übertragung erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt mit respiratorischen sog. großen Tröpfchen (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Für die Prävention der Übertragung steht die Händehygiene absolut im Vordergrund [29, 50]: ■ Häufige Händedesinfektion, aber auch Händewaschen adäquat (in einer experimentellen Studie hatten z.B. HandGeschirrspülmittel eine signifikant bessere Wirksamkeit als antimikrobielle Seifen [8]) ■ Einmal-Handschuhe bei möglichem Kontakt mit respiratorischem Sekret und Wechsel der Handschuhe nach Versorgung eines Kindes ■ Schutzkittel bei der Versorgung erkrankter Säuglinge, Ausziehen des Kittels nach Beendigung der Tätigkeit und vor Versorgung eines anderen Kindes ■ Personal mit Symptomen einer respiratorischen Virusinfektion soll Neugeborene und Säuglinge nach Möglichkeit nicht versorgen. ■ Besucher mit Zeichen von respiratorischen Virusinfektionen sollen keinen direkten Kontakt mit Neugeborenen und Säuglingen haben. 237 Die Mitarbeiter müssen immer wieder an die Übertragungswege erinnert und insbesondere darauf hingewiesen werden, dass sie selbst hauptsächlich durch Selbstinokulation (= Kontakt der eigenen Hände mit Augen- und Nasenschleimhaut) infektionsgefährdet sind. Sehr sorgfältige Händehygiene und die Vermeidung von Hand-Gesichts-Kontakten schützen demnach sowohl vor der Übertragung der Viren von Kind zu Kind als auch vom Kind auf die Mitarbeiter, die, wenn sie selbst erkrankt sind, wiederum zu einem potenziellen Erregereservoir für die Kinder werden. Bei Ausbrüchen mit RSV ist die gemeinsame Unterbringung der erkrankten Kinder in einem eigenen Bereich der Station (sog. Kohorten-Isolierung) sinnvoll, wobei das Personal möglichst nicht zwischen den infizierten und nicht infizierten Kinder-Kohorten wechseln soll. Prävention der Rotavirus-Übertragung Rotavirus-Infektionen können zu erheblichen Problemen auf Säuglingsstationen führen, wenn die Standard-Hygienemaßnahmen nicht ausreichend beachtet werden [20, 35]. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Ausscheidung von Rotaviren, insbesondere nach schweren Diarrhoen, langwierig sein kann, sodass Vorsichtsmaßnahmen auch nach Beendigung der klinischen Symptomatik weiter notwendig sind [44]. ■ Bei Kindern Hauptursache nosokomialer gastrointestinaler Infektionen ■ Vor allem Säuglinge über sechs Monate und Kleinkinder bis zwei Jahre betroffen ■ Neugeborene meist nur asymptomatisch besiedelt ■ Jahreszeitliche Häufungen im Winter und Frühjahr 238 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Infektionen aber auch bei Erwachsenen möglich, besonders bei alten Patienten ■ Außerhalb des Organismus können Rotaviren auf Händen und Oberflächen bis zu 60 Minuten aktiv bleiben [1] ■ Flächendesinfektion, z.B. der Wickelunterlage (siehe unten), mit z.B. 80%igem Ethylalkohol [53] Das Virus ist im respiratorischen Sekret nachweisbar. Es gibt aber keinen epidemiologischen Hinweis auf eine aerogene Übertragung, auch wenn dies gelegentlich zumindest als eine Möglichkeit dargestellt wird. In einer tierexperimentellen Studie wurde eine Infektion der Versuchstiere durch – 30-minütige – Inhalation von virushaltigem Aerosol mit hoher Viruskonzentration hervorgerufen [43]. Wie es unter den Bedingungen einer natürlichen Infektionen zu einer Aerosolisierung von Rotavirus kommen soll, wird offen gelassen, sodass die tierexperimentellen Ergebnisse keine Rückschlüsse auf den Übertragungsweg beim Menschen zulassen. Dennoch werden diese Untersuchungsergebnisse mit Hinweis darauf angeführt, dass Rotaviren „fliegen“ könnten. ■ Evtl. im Bett wickeln, um die Ausbreitung des Erregers so gering wie möglich zu halten ■ Thermometer mit z.B. 80%igem Ethylalkohol abwischen, auch wenn Schutzhüllen verwendet werden ■ Laufende Desinfektion der patientennahen Flächen (inkl. Waschschüsseln) und Schlussdesinfektion als Wischdesinfektion ■ Spielzeug maschinell reinigen (z.B. Geschirrspülmaschine auf der Station) oder mit z.B. 80%igem Ethlyalkohol abwischen ■ Bei Ausbrüchen Kohorten-Isolierung der betroffenen Kinder Reinigung und Desinfektion Auch in der Kinderheilkunde kann nicht vollständig auf den Einsatz chemischer Desinfektionsmittel verzichtet werden. Die chemische Desinfektion soll aber zum Schutz der Kinder nur eingesetzt werden, wenn thermische Verfahren nicht möglich sind, und auch auf Früh- und Neugeborenen-Intensivstationen kann ebenso wie bei Erwachsenen die Flächendesinfektion weitgehend reduziert werden. Maßnahmen beim Personal ■ Händedesinfektion nach allen Tätigkeiten mit Kontaminationsrisiko ■ Einmal-Handschuhe, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich, z.B. beim Wickeln und bei der (rektalen) Temperaturmessung (nach Ausziehen immer Händedesinfektion) ■ Schutzkittel, wenn Kontamination der Arbeitskleidung möglich, insbesondere beim Wickeln infizierter Kinder Maßnahmen bei infizierten Kindern ■ Wickelunterlage mit z.B. 80%igem Ethylalkohol abwischen Inkubatoren ■ Desinfektion nicht in allen Fällen erforderlich, aber nach Belegung mit infizierten Kindern, sonst Reinigung ausreichend [2] ■ Gerät so weit wie möglich auseinander nehmen und die Einzelteile inkl. Plexiglashaube mit Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel abwischen ■ Teile trocknen lassen und wieder zusammensetzen, nach Verwendung von Desinfektionsmittel mit klarem Wasser nachwischen und mit frischem Tuch trocknen Kinderheilkunde ■ Inkubator anschließend bei 37 °C mindestens eine Stunde belüften ■ Aqua dest.-Flaschen erst austauschen, wenn das Wasser aufgebraucht ist Wickeltische ■ Desinfektion von Wickeltisch und Wickelunterlage routinemäßig nicht erforderlich, da meist jedes Kind auf zwei individuellen Unterlagen aus Gummi und Baumwolle gewickelt wird ■ Wenn es trotzdem zu einer Kontamination des Wickeltisches oder der gemeinsamen gepolsterten Wickelunterlage gekommen ist, wird eine gezielte Desinfektion, am besten mit z.B. 80%igem Alkohol durchgeführt Laryngoskope Nicht adäquat aufbereitete Lanryngoskope wurden mehrfach mit Erregerübertragungen in der Neonatologie in Zusammenhang gebracht [14, 39]. Deshalb sind eine sorgfältige Reinigung und Desinfektion sehr wichtig: ■ Gründlich von allen Sekretresten reinigen ■ Anschließend nicht nur mit Alkohol abwischen, sondern für 10 Minuten in z.B. 80%igen Alkohol einlegen oder thermisch aufbereiten (d.h. Ausstattung der Station mit ausreichender Zahl von Laryngoskopen erforderlich) Milchflaschen, Sauger, Schnuller ■ Thermische Aufbereitung in Reinigungs- und Desinfektionsmaschine (RDM) mit speziellen Einsätzen ■ Alternativ drei Minuten auskochen oder im Dampfdrucktopf desinfizieren (siehe oben „Abpumpen von Muttermilch“) 239 ■ Sog. Vaporisator ebenfalls gut geeignet (genaue Temperatur- und Zeiteinstellung möglich) ■ Desinfektion im Mikrowellenherd nur mit Hilfe von Wasser, das zum Kochen gebracht wird, möglich (keine Sterilisation durch Mikrowellenbehandlung) ■ Keine chemische Desinfektion mit Natriumhypochlorit mehr durchführen (unzuverlässig wegen Inaktivierung der Lösung durch Eiweiß, außerdem toxikologisch problematisch) Spielsachen ■ Keine routinemäßige Desinfektion erforderlich ■ Spielzeug soll vorzugsweise abwaschbar sein ■ Nach Kontamination Abwischen mit Alkohol ■ Plüsch- und Kuscheltiere sollen in der Waschmaschine bei 30 °C waschbar sein, falls sie einmal wegen einer gröberen Kontamination oder z.B. nach einer S. aureus-Infektion des Kindes gereinigt werden müssen. Literatur 1. Ansari SA, Sattar SA, Springthorpe VS, Wells GA, Tostowaryk W. Rotavirus survival on human hands and transfer of infectious virus to animate and nonporous inanimate surfaces. J Clin Microbiol 1988; 26: 1513–1518 2. Ayliffe GAJ, Collins BJ, Green S. Hygiene of babies’ incubators. Lancet 1975; 1: 923–924 3. Berthelot P, Grattard F, Patural H, Ros A, Jelassi-Saoudin H, Pozzetto B, Teyssier G, Lucht F. Nosocomial colonization of premature babies with Klebsiella oxytoca: probable role of enteral feeding procedure in transmission and control of the outbreak with use of gloves. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 148–151 4. Brown NM,Arbon J, Redpath C. Contamination of milk-bank samples with Pseudomonas aeruginosa during pasteurization by penetration of organisms through the screw lid 240 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen during cooling. J Hosp Infect 2000; 46: 321– 322 Bygdeman S, Hambraeus A, Henningsson A, Nyström B, Skoglund C, Tunell R. Influence of ethanol with and without chlorhexidine on the bacterial colonization of the umbilicus of newborn infants. Infect Control 1984; 5: 275– 278 Christenson JC, Byington C, Korgenski EK, Adderson EE, Bruggers C, Adams RA, Jenkins E, Hohmann S, Carroll K, Daly JA, Pavia AT. Bacillus cereus infections among oncology patients at a children’s hospital. Am J Infect Control 1999; 27: 543–546 Coffin SE, Bell LM, Manning ML, Polin R. Nosocomial infections in neonates receiving extracorporal membrane oxygenation. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 93–96 Contreras PA, Sami IR, Darnell MER, Ottolini MG, Prince GA. Inactivation of respiratory syncytial virus by generic hand dishwashing detergents and antibacterial hand soaps. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 57–58 D’Angio CT, McGowan KL, Baumgart S, Gerne JS, Harris MC. Surface colonization with coagulase-negative staphylococci in premature neonates. J Pediatr 1989; 114: 1029–1034 Das I, Philpott C, George RH. Central venous catheter-related septicaemia in paediatric cancer patients. J Hosp Infect 1997; 36: 67–76 Drusin LM, Ross BG, Rhodes KH, Krauss AN, Scott RA. Nosocomial ringworm in a neonatal intensive care unit: a nurse and her cat. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 605–607 Foca M, Jakob K, Whittier S, della Latta P, Factor S, Rubenstein D, Saiman L. Endemic Pseudomonas aeruginosa infection in a neonatal intensive care unit. N Engl J Med 2000; 343: 695–700 Fok T-F,Wong W, Cheng AFB. Use of eyepatches in phototherapy: effects on conjunctival bacterial pathogens and conjunctivitis. Pediatr Infect Dis J 1995; 14: 1091–1094 Foweraker JE. The laryngoscope as a potential source of cross-infection. J Hosp Infect 1995; 29: 315–316 Graham JC, Morgan S, Ford M, Gould FK, Bolton DT. Sepsis and ECMO: beware the breast milk. J Hosp Infect 1999; 41: 75–76 16. Gray J, George RH, Durbin GM, Ewer AK, Hokcing MD, Morgan MEI. An outbreak of Bacillus cereus respiratory tract infections on a neonatal unit due to contaminated ventilator circuits. J Hosp Infect 1999; 41: 19–22 17. Greenberg D, Leibovitz E, Shinnwell ES, Yagupsky P, Dagan R. Neonatal sepsis caused by Streptococcus pyogenes: resurgence of an old etiology? Pediatr Infect Dis J 1999; 18: 479–481 18. Gregersen N, van Nierop W, von Gottberg A, Duse A, Davies V, Cooper P. Klebsiella pneumoniae with extended-spectrum beta-lactamase activity associated with a necrotizing enterocolitis outbreak. Pediatr Infect Dis J 1999; 18: 963–967 19. Grundmann H, Kropec A, Hartung D, Berner R, Daschner F. Pseudomonas aeruginosa in a neonatal intensive care unit: reservoirs and ecology of the nosocomial pathogen. J Infect Dis 1993: 168: 943–947 20. Haffejee IE. Neonatal rotavirus infections. Rev Infect Dis 1991; 13: 957–962 21. Hedin G, Hambraeus A. Enhanced ability to colonize the skin: a possible explanation for the epidemic spread of certain strains of Staphylococcus epidermidis. J Hosp Infect 1993; 25: 251–264 22. Hemer J. Bakterielle Kontamination abgepumpter Muttermilch. Hyg Med 1994; 19: 15– 32 23. Hervas JA, Ballesteros F, Alomar A, Gil J, Benedi VJ, Alberti S. Increase of Enterobacter in neonatal sepsis: a twenty-two-year study. Pediatr Infect Dis J 2001; 20: 134–140 24. Hof H, Lampidis R, Bensch J. Nosocomial listeria gastroenteritis in a newborn, confirmed by random amplification of polymorphic DNA. Clin Microbiol Infect 2000; 6: 683–686 25. Hübner J, Pier GB, Maslow JN, Muller E, Shiro H, Parent M, Kropec A, Arbeit RD, Goldman DA. Endemic transmission of S. epidermidis bacteremia in a NICU over 10 years. J Infect Dis 1994; 169: 526–531 26. Jolley AE. The value of surveillance cultures on neonatal intensive care units. J Hosp Infect 1993; 25: 153–159 27. Kappstein I, Grundmann H, Hauer T, Niemeyer C. Aerators as a reservoir of Acinetobacter junii: an outbreak of bacteraemia in paediatric oncology patients. J Hosp Infect 2000; 44: 27–30 Kinderheilkunde 28. Larson E, Zuill R, Zier V, Berg B. Storage of human breast milk. Infect Control 1984; 5: 127–130 29. Leclair JM, Freeman J, Sullivan BF, Crowley CM, Goldman DA. Prevention of nosocomial respiratory syncytial virus infections through compliance with glove and gown isolation precautions. N Engl J Med 1987; 317: 329–334 30. Lee PYC, Holliman RE, Davies EG. Surveillance cultures on neonatal intensive care units. J Hosp Infect 1995; 29: 233–237 31. Levy J. The pediatric patient. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 1039–1058 32. Malik RK, Montecalvo MA, Reale MR, Li K, Maw M, Munoz JL, Gedris C, van Horn K, Carnevale KA, Levi MH, Dweck HS. Epidemiology and control of vancomycin-resistant enterococci in a regional neonatal intensive care unit. Pediatr Infect Dis J 1999; 18: 352– 356 33. Matlow AG, Kitai I, Kirpalani H, Chapman NH, Corey M, Perlman M, Pencharz P, Jewell S, Phillips-Gordon C, Summerbell R, FordJones L. A randomized trial of 72- versus 24hour intravenous tubing set changes in newborns receiving lipid therapy. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 487–493 34. Meessen NEL, Oberndorf KMEJ, Jacobs JA. Disseminated aspergillosis in a premature neonate. J Hosp Infect 1998; 40: 249–250 35. Mitchell DK, Pickering LK. Nosocomial gastrointestinal tract infections in pediatric patients. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 629–647 36. Moore DL. Nosocomial infections in newborn nurseries and neonatal intensive care units. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 665–693 37. Mühlemann K, Aebi C. Nosokomiale Infektionen in der Pädiatrie. Swiss-NOSO 1999; 6: 17–19 (www.swiss-noso.ch) 38. Muytjens HL, Roelofs-Willemse H, Jaspar GHJ. Quality of powdered substitutes for breast milk with regard to members of the family enteriobacteriaceae. J Clin Microbiol 1988; 26: 743–746 241 39. Neal TJ, Hughes CR, Rothburn MM, Shaw NJ. The neonatal laryngoscope as a potential source of cross-infection. J Hosp Infect 1995; 30: 315–317 40. Nesin M, Projan SJ, Kreiswirth B, Bolt Y, Novick RP. Molecular epidemiology of Staphylococcus epidermidis blood isolates from neonatal intensive care unit patients. J Hosp Infect 1995; 31: 111–121 41. Ng PC, Lewindon PJ, Siu YK, Wong W, Cheung KL, Liu K. Bacterial contaminated breast milk and necrotizing enterocolitis in preterm twins. J Hosp Infect 1995; 31: 105– 110 42. Pelke S, Ching D, Easa D, Melish ME. Gowning does not affect colonization and infection rates in a neonatal intensive care unit. Arch Pediatr Adolesc Med 1994; 148: 1016– 1020 43. Prince DS, Astry C, Vonderfecht S, Jakab G, Shen F-M, Yolken RH. Aerosol transmission of experimental rotavirus infection. Pediatr Infect Dis J 1986; 5: 218–222 44. Richardson S, Grimwood K, Gorell R, Palombo E, Barnes G, Bishop R. Extended excretion of rotavirus after severe diarrhea in young children. Lancet 1998; 351: 1844–1848 45. Siegel JD. The newborn nursery. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 487–513 46. Springer S (Hrsg.). Leitlinie für die Einrichtung und zur Arbeitsweise von Frauenmilchbanken. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig, 1998 47. Suara RO, Young M, Reeves I. Risk factors for nosocomial infection in a high-risk nursery. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 250–251 48. Tablan OC, Anderson LJ, Arden NH, Breiman RF, Butler JC, McNeil MM and The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee. Guideline for prevention of nosocomial pneumonia. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 587–627 49. Toltzis P, Blumer JL. Nosocomial acquisition and transmission of antibiotic-resistant Gram-negative organisms in the pediatric intensive care unit. Pediatr Infect Dis J 2001; 20: 612–618 50. Turner RB. Nosocomial viral respiratory infections in pediatric patients. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection 242 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 607–614 51. Verweij PE, Meis JFGM, Christmann V, van der Bor M, Melchers WJG, Hilderink BGM, Voss A. Nosocomial outbreak of colonization and infection with Stenotrophomonas maltophilia in preterm infants associated with contaminated tap water. Epidemiol Infect 1998; 120: 251–256 52. Waggoner-Fountain LA, Donowitz LG. Infection in the newborn. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 1019–1038 53. Ward RL, Bernstein DI, Knowlton DR, Sherwood JR,Young EC, Cusack TM, Rubino JR, Schiff GM. Prevention of surface-to-human transmission of rotavirus by treatment with disinfectant spray. J Clin Microbiol 1991; 29: 1991–1996 54. Weist K,Wendt C, Petersen LR,Versmold H, Rüden H. An outbreak of pyodermas among neonates caused by ultrasound gel contaminated with methicillin-susceptible Staphylococcus aureus. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 761–764 55. Wiesinger-Eidenberger G, Merl M, Hohenauer L. Kann Muttermilch eine Infektionsquelle für kleine Frühgeborene sein? Hyg Med 1997; 22: 614–618 Krankentransport B 243 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Krankentransport Mitarbeiter im Krankentransport- und Rettungswesen – auf dem Boden und in der Luft – haben nicht selten Kontakt mit (unklaren) Infektionsfällen, weshalb Fragen zum potenziellen Infektionsrisiko eine große Rolle spielen. Es ist deshalb wichtig, dass alle Personen, die direkt oder indirekt mit dem Transport von Patienten zu tun haben, also auch diejenigen, die für die Reinigung und Desinfektion der Transportfahrzeuge zuständig sind, über die prinzipiellen Übertragungswege der verschiedenen möglichen Erreger Bescheid wissen (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) und in lokalen Krankenhäusern jederzeit Ansprechpartner für aktuelle Fragen haben. In diesem Kapitel sollen Hinweise für das Übertragungsrisiko bei den verschiedenen Infektionen und die erforderlichen Maßnahmen gegeben werden. Allgemeine Maßnahmen Unter dem Begriff „Standard-Hygiene“ werden alle Maßnahmen der Infektionskontrolle zusammengefasst, die zum einen im Umgang mit jedem Patienten berücksichtigt werden sollen, unabhängig davon, ob eine Infektion bekannt ist oder nicht, die zum anderen aber auch bei den meisten Infektionen einen ausreichenden Schutz vor einer Erregerübertragung bieten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“), also ■ Händehygiene (Händewaschen oder Händedesinfektion) nach Kontamination bzw. vor Tätigkeiten, bei denen der Patient unbedingt vor einer Kontamination geschützt werden muss, ■ Handschuhe bei Kontakt mit Schleimhäuten, Sekreten, Exkreten, Blut oder nicht intakter Haut, ■ Schutzkleidung (zusätzlich zur üblichen Arbeitskleidung), wenn eine Kontamination mit Patientenmaterial möglich ist, ■ Maske (+ ggf. Augenschutz) zur Vermeidung von Kontakt mit respiratorischem Sekret bzw. Blut, ■ Reinigung, Desinfektion und ggf. Sterilisation von Instrumenten und anderen Gegenständen der Patientenversorgung, ■ Gezielte Desinfektion nach Kontamination mit Patientenmaterial, bei ausgedehnter Kontamination des Fahrzeugs Wischdesinfektion des gesamten Innenraumes. Spezielle Maßnahmen Im Folgenden werden am Beispiel der relevanten Infektionen die jeweils erforderlichen Maßnahmen genannt, die vor einem Kontakt mit infektiösem Material schützen (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“). Wie generell bei medizinischem Personal sollen auch bei den Mitarbeitern im Krankentransportwesen alle Möglichkeiten der aktiven Immunisierung ausgeschöpft werden, um prinzipiell vermeidbare Infektionsrisiken auszuschalten. Infektiöses Material: Blut bzw. Körperflüssigkeiten ■ Hepatitis B, C und AIDS (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“) ■ Parenteraler Kontakt erforderlich 244 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Risiko bei Kanülenstich – HBV: <10–30% – HCV: bis 10% – HIV: 0,2–0,4% ■ Übertragung prinzipiell auch möglich durch Schleimhautkontakt und Kontakt mit nicht-intakter Haut, wobei das Risiko aber nicht quantifizierbar ist ■ Kein Risiko bei Versorgung von Patienten ohne Blutungen und ohne z.B. nässende Hautveränderungen ■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor parenteralem Kontakt mit infektiösem Material, d.h. Standard-Hygiene Infektiöses Material: Respiratorisches Sekret ■ Bakterielle Infektionen, wie z.B. Meningokokken-Meningitis, Diphtherie, Scharlach (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) ■ Virusinfektionen, wie z.B. Windpocken, Masern, Röteln ■ Naher Kontakt (Tröpfchen) erforderlich, damit ein Schleimhautkontakt mit infektiösen Tröpfchen stattfinden kann ■ Bei bakteriellen Infektionen 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Antibiotikatherapie kein Risiko mehr (Diphtherie: bei zwei negativen Abstrichen nach Beendigung der Therapie) ■ Bei Virusinfektionen (z.B. Masern) häufig höchstes Risiko am Ende der Inkubationszeit, d.h. vor Auftreten des Exanthems, und bei Patienten mit pulmonaler Beteiligung (kein Risiko bei geschlossener Beatmung), kein Risiko für immunes Personal (ggf. Impfungen durchführen) ■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor direktem und indirektem Kontakt des infektiösen Materials mit Schleimhäuten der oberen Atemwege, d.h. Standard-Hygiene und Maske für den Patienten; wenn nicht möglich (z.B. bei kleinen Kindern), Maske für das Personal Infektiöses Material: Stuhl ■ (Gastro-)Enteritis, z.B. verursacht durch Enteritis-Salmonellen, Shigellen (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“) ■ Hepatitis A, E ■ Orale Aufnahme des Erregers erforderlich, z.B. nach Kontamination der Hände mit Stuhl ■ Kein Risiko bei Transport kontinenter Patienten, z.B. Ausscheider von Salmonella typhi ■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor direktem und indirektem Kontakt mit infektiösem Material, d.h. StandardHygiene, insbesondere Händehygiene Infektiöses Material: Aerosole ■ Insbesondere offene Tuberkulose der Atemwege (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.5 Tuberkulose“) ■ Risiko abhängig vom Ausmaß des Aerosol-Kontaktes, z.B. hoch bei starkem Husten, Intubation ■ Je länger der Patient schon therapiert ist, um so geringer das Risiko ■ Kein Risiko bei geschlossener Beatmung ■ Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor Inhalation infektiöser Aerosole, d.h. Maske für den Patienten, ggf. Atemschutzmaske für das Personal Besondere Situationen Infektion bzw. Kolonisation mit polyresistenten Erregern ■ MRSA (= Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), VRE (= Vanco- Krankentransport ■ ■ ■ ■ mycin-resistente Enterokokken) oder multiresistente Gram-negative Stäbchen (siehe Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“) Kein Risiko für gesunde Personen, d.h. auch kein Risiko für die Angehörigen des Personals Keine nasale Besiedlung durch Versorgung von MRSA-Patienten während Krankentransport zu erwarten Übertragung z.B. auf kleinere Wunden bei Einhaltung der Regeln der Standard-Hygiene sehr unwahrscheinlich Erforderliche Maßnahmen: Schutz vor direktem und indirektem Kontakt mit infektiösem Material, d.h. StandardHygiene, insbesondere Händehygiene Maßnahmen bei speziellen Infektionen Nicht immer zu Recht werden die folgenden Infektionen als hochkontagiös betrachtet. Da es sich jedoch um in der Regel schwere Infektionen handelt, sind schon allein deshalb über das normale – und vielleicht erforderliche – Maß hinausgehende Schutzmaßnahmen gerechtfertigt (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“): Pharyngeale Diphtherie ■ Infektiöses Material: Respiratorisches Sekret ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, Maske für Patient und/oder Personal, weitere Maßnahmen nicht erforderlich Wund-Diphtherie, Hautmilzbrand, Beulenpest ■ Infektiöses Material: Wundsekret ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, d.h. Handschuhe sowie insbesondere bei ausgedehnten Wunden auch Schutzkleidung, kein Risiko ohne Wundkontakt 245 Cholera ■ Infektiöses Material: Stuhl ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko ohne Kontakt mit Stuhl Typhus/Paratyphus ■ Infektiöses Material: Stuhl ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko ohne Kontakt mit Stuhl (evtl. auch Urin) Poliomyelitis, Meningo-Enzephalitis ■ Infektiöses Material: Stuhl, respiratorisches Sekret ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, Maske bei nahem Kontakt, kein Risiko ohne Kontakt mit Stuhl und respiratorischem Sekret Hämorrhagische Fieber ■ Z.B. Lassa, Ebola ■ Infektiöses Material: Blut und Körperflüssigkeiten bei parenteralem Kontakt ■ Erforderliche Maßnahmen: Generell Handschuhe, Maske, Schutzkleidung, da in der Regel hohes Übertragungsrisiko (Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit Blut und Körperflüssigkeiten wie bei Hepatitis B etc.) Lungenpest ■ Infektiöses Material: Respiratorisches Sekret ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, Maske für das Personal, kein Risiko bei geschlossener Beatmung Lungenmilzbrand (Anthrax) ■ Infektiöses Material: keine Übertragung von Mensch zu Mensch ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene 246 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Tollwut ■ Infektiöses Material: Respiratorisches Sekret ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko ohne Kontakt mit respiratorischem Sekret Windpocken, generalisierter Zoster ■ Infektiöses Material: Bläschen-Sekret (bei Windpocken auch respiratorisches Sekret) ■ Erforderliche Maßnahmen: StandardHygiene, kein Risiko für immunes Personal, ggf. Maske für nicht-immunes Personal Fahrzeug-Reinigung bzw. -Desinfektion Für ausführliche Angaben zur Reinigung und Desinfektion von Flächen wird auf Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“ verwiesen. Reinigung ■ Ausreichend, um normale Verschmutzungen, wie Straßenschmutz durch Schuhe etc., zu entfernen, d.h. ohne Zusatz von Desinfektionsmitteln ■ In der Regel einmal täglich ■ Einmal pro Woche Grundreinigung der Innenräume und der Ausstattung Desinfektion ■ Flächendesinfektion routinemäßig nicht erforderlich ■ Nur bei Kontamination mit potenziell infektiösem Material (sog. gezielte Desinfektion) ■ Immer Wisch-Methode einsetzen: im Transportwagen saubere Lappen und gebrauchsfertig angesetzte Desinfektionslösung, z.B. abgefüllt in handlichen Plastikflaschen mit kleiner Spritzöffnung (eindeutig gekennzeichnet, mit Angabe des Haltbarkeitsdatums), mitführen ■ Desinfektionsmittel nicht versprühen Maßnahmen nach Transport von Tuberkulose-Patienten ■ Keine speziellen Desinfektionsmaßnahmen erforderlich ■ Insbesondere keine Raumdesinfektionen durch Versprühen von Desinfektionsmitteln oder Verdampfen von Formalin durchführen ■ Solange keine Kontamination des Fahrzeugs mit infektiösem Material stattgefunden hat, ist die Reinigung des Fahrzeugs die adäquate Dekontaminationsmaßnahme. Dies gilt prinzipiell auch für andere als „hochkontagiös“ betrachtete Infektionen (siehe oben), obwohl man in diesen Fällen schon wegen der potenziellen Gefährlichkeit der involvierten Erreger gründliche Desinfektionsmaßnahmen in jedem Fall durchführen wird, auch wenn keine Kontamination stattgefunden hat. ■ Mittel aus der DGHM-Liste (z.B.Aldehyde, Glucoprotamin) in üblicher Konzentration verwenden (siehe dazu auch Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“) ■ Nach jeder Flächendesinfektion Fahrzeuge gründlich lüften Weil nach Transport von Patienten mit Tuberkulose nicht generell besondere Dekontaminationsmaßnahmen erforderlich sind, können die Patienten auch mit einem Taxi transportiert werden, das anschließend ebenfalls gut durchgelüftet werden soll (siehe dazu Kapitel B.5 „Tuberkulose“). Der Patient muss während der Fahrt nicht unbedingt eine Maske tragen. Da die Taxifahrer aber häufig ängstlich sind, sollte man den Patienten bitten, eine Maske aufzusetzen – die ihm erfahrungsgemäß Krankentransport bei der Ankunft in Lungen-Kliniken sofort abgenommen wird. Reinigung und Desinfektion von Gegenständen der Patientenversorgung Für ausführliche Angaben zur Reinigung und Desinfektion von Instrumenten etc. wird auf Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“ verwiesen. Instrumente ■ In den Leitstellen sollten Reinigungsund Desinfektionsmaschinen für die Aufbereitung der thermostabilen Gegenstände vorhanden sein. ■ Chemische Desinfektion soll möglichst auf thermolabile Gegenstände beschränkt werden. Transport-Inkubatoren ■ Außen und innen mit Reinigungslösung abwischen ■ Desinfektion nur nach Transport infizierter Kinder durchführen 247 ■ Anschließend Inkubator eingeschaltet und auf 37 °C eingestellt mindestens eine Stunde gut belüften, um Desinfektionsmitteldämpfe zu beseitigen Wäsche ■ Wie im Krankenhaus üblich normale und sog. infektiöse Wäsche getrennt sammeln (siehe Kapitel B.6 „Wäscherei“) ■ Arbeitskleidung mit einem für Krankenhauswäsche üblichen Waschverfahren waschen Abfall ■ Abfälle in die üblichen Fraktionen aufteilen und an den Leitstellen entsprechend entsorgen ■ An den Einsatzorten darauf achten, dass keine Abfälle zurückbleiben, insbesondere Spritzen und Kanülen sofort sicher entsorgen, damit sie nicht zu einer Gefahr für z.B. spielende Kinder werden können 248 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Küche Täglich müssen in Krankenhausküchen Tausende von Speisen für Patienten, Personal und evtl. auch Besucher gerichtet werden. Gewöhnlich geschieht die Essenszubereitung in einer zentralen Krankenhausküche, von der die Speisen anschließend in die verschiedenen Klinikbereiche transportiert werden. Ein sachgerechter hygienisch einwandfreier Umgang mit den Nahrungsmitteln von der Lieferung über die Lagerung bis hin zu Verarbeitung, Transport oder ggf. Aufbewahrung muss gewährleistet sein, um Nahrungsmittel-bedingte Erkrankungen zu verhindern [16, 23]. Infektionen vs. Intoxikationen Im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln kann es zu Infektionen und Intoxikationen kommen, je nachdem, ob die Krankheitssymptome durch Vermehrung des Erregers im Körper oder durch mit der Nahrung aufgenommenes Toxin ausgelöst werden. In den meisten Fällen handelt es sich um gastrointestinale Erkrankungen (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile- und andere gastrointestinale Infektionen“), manchmal aber auch um lokale oder systemische Erkrankungen ohne die typischen Symptome von Seiten des Magen-Darm-Traktes (z.B. A-Streptokokken-Pharyngitis, Listeriose, Hepatitis A), und es gibt viele Berichte über Ausbrüche [z.B. 1–4, 6–8, 10, 11, 13, 15, 17, 20, 21]. Eine Vielzahl von Erregern kommt potenziell für Infektionen und Intoxikationen in Frage [5, 9, 14, 16, 18, 19, 22, 23]. Ursachen von Infektionen ■ Enteritis-Salmonellen (z.B. S. enteritidis, S. typhimurium) ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ E. coli (z.B. EHEC) Campylobacter coli/jejuni Yersinia enterocolitica Listeria monocytogenes Aeromonas spp. Clostridium perfringens Salmonella typhi A-Streptokokken Hepatitis A-Virus Norwalk-Virus Giardia lamblia Kryptosporidien u.a.m. Ursachen von Intoxikationen ■ ■ ■ ■ S. aureus Bacillus cereus E. coli (ETEC) Clostridium botulinum u.a.m. In vielen Fällen reicht eine Kontamination der Nahrung für die Entstehung von Krankheitssymptomen nicht aus, weil das Erkrankungsrisiko abhängig ist von der Menge an aufgenommenem Erreger bzw. Toxin, von der Virulenz der Erreger und der individuellen Abwehrlage der Person. Personen, deren körpereigene Abwehr reduziert ist, sind deshalb am stärksten gefährdet (siehe dazu auch Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“ und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“). Eine wesentliche Voraussetzung für das Auftreten von Infektionen oder Intoxikationen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Nahrungsmitteln ist eine mikrobielle Kontamination einzelner Bestandteile der Speisen. Die Kontamination kann entweder primär bereits im Lebensmittel vor- Küche handen sein (z.B. S. enteritidis in Eiern, EHEC in Fleisch) oder sekundär bei der Verarbeitung zustande kommen, z.B. durch Kontakt mit kontaminierten Lebensmitteln, aber auch durch direkten Kontakt des Personals bei mangelnder persönlicher Hygiene. Dabei kann es sich um asymptomatische Ausscheider von Erregern (z.B. Enteritis-Salmonellen, Hepatitis A-Virus) oder um Personen handeln, die z.B. superinfizierte Verletzungen an den Händen haben (z.B. verursacht durch S. aureus, A-Streptokokken). Prävention Nahrungsmittel-bedingter Erkrankungen Für die Prävention von Erkrankungen ist deshalb entscheidend, dass die Nahrungsmittel bzw. fertigen Speisen bei Lagerung, Verarbeitung und Transport so behandelt werden, dass sich ggf. primär vorhandene Erreger nicht vermehren können und dass es nicht zu einer sekundären Kontamination kommen kann. Allgemeine Maßnahmen Kontinuierliche Schulung Eine wichtige Voraussetzung für die Prävention von Erkrankungen im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln aus der Krankenhausküche ist eine umfassende, für das Küchenpersonal verständliche Information über die Risiken, die mit der Verarbeitung von und dem Umgang mit Nahrungsmitteln verbunden sein können. Dafür ist nicht nur eine sorgfältige Instruktion bei der Einstellung neuer Mitarbeiter (inkl. Übergabe schriftlicher Richtlinien in der jeweiligen Muttersprache) erforderlich, sondern darüber hinaus auch die kontinuierliche Begleitung und Fortbildung des gesamten Küchenpersonals durch den Küchenleiter und die Mitarbeiter der Krankenhaushygiene. 249 Personaluntersuchungen – Küche Ein Gesundheitszeugnis ist nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) heute nicht mehr erforderlich; Personen, die direkten oder indirekten Lebensmittelkontakt haben, sollen aber regelmäßig geschult werden. Stuhluntersuchungen sind bei gastrointestinalen Beschwerden notwendig, aber nicht routinemäßig, denn einzelne Untersuchungen sind nicht aussagefähig, weil z.B. niedrige Keimzahl oder intermittierende Ausscheidung zu einem negativen Ergebnis führen können [12, 24]. In der Zwischenzeit kann es außerdem zu einer asymptomatischen Infektion kommen. Ebenso sind routinemäßige Nasen-Rachen-Abstriche nicht sinnvoll, weil selbst bei Nachweis von S. aureus oder A-Streptokokken keine Aussage darüber möglich ist, ob der Erreger bei adäquatem hygienischem Verhalten während der Arbeit auch in die Umgebung freigesetzt wird (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Darüber hinaus sind viele Menschen im Laufe ihres Lebens immer einmal insbesondere mit S. aureus – meist kurzzeitig – kolonisiert; Untersuchungen des Nasen-Rachen-Raumes liefern deshalb ebenso wie Stuhluntersuchungen keine aussagefähigen Ergebnisse (siehe auch Kapitel B.10 „MRSA“). Diese Untersuchungen bringen keine erhöhte Sicherheit, sondern können im Gegenteil ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln. Jedem, der in der Küche arbeitet, muss deutlich gemacht werden, dass er jederzeit, ohne etwas davon zu spüren, zum Ausscheider darmpathogener Erreger oder zum Träger von Keimen im NasenRachen-Raum werden kann. Eine Kontamination von Nahrungsmitteln kann bei den Personen, die diese Nahrung zu sich nehmen, zu ernsten Konsequenzen führen. Ein negatives kulturelles Ergebnis zeigt immer 250 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen nur an, dass kein Erreger gefunden werden konnte, nicht aber, dass kein Erreger vorhanden ist. Deshalb ist es wichtig, das Personal kontinuierlich dahingehend zu schulen, dass auch die Krankenhausküche ein Bereich ist, für den die ständige konsequente Beachtung der Basis-Hygieneregeln eine große Bedeutung hat. Hauterkrankungen Mikrobiologische Personaluntersuchungen sind dagegen in Ausbruchssituationen unumgänglich, wenn der epidemiologische Kontext auf die Küche als Ausgangsort des Ausbruchs hinweist. Dann müssen je nach Erreger Stuhluntersuchungen, Nasen-Rachen-Abstriche oder ggf. auch Untersuchungen anderer Körperstellen (z.B. Hautinfektionen an den Händen) durchgeführt werden. Das Personal muss ausdrücklich darüber informiert werden, dass neben gastrointestinalen Beschwerden auch alle Hautverletzungen, eiternde Hautläsionen und Hautausschläge, insbesondere an den Händen, noch vor Dienstantritt dem Küchenleiter gemeldet werden müssen. Bei Hautläsionen an Händen und Unterarmen kann das Personal nur dann weiter mit Lebensmittelkontakt arbeiten, wenn die Läsion mit einem wasserdichten Verband, Handschuh oder Fingerling sicher abgedeckt werden kann. Anderenfalls muss für die Dauer der Erkrankung eine Umsetzung an einen Arbeitsplatz ohne Kontakt zu Nahrungsmitteln erfolgen, z.B. an das Geschirrabräumband. Erkrankungen des Personals Erkältungen Das Personal muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei Auftreten von Krankheitssymptomen sofort an die Küchenleitung wenden muss, weil es bei bestimmten Symptomen ggf. am vorgesehenen Arbeitsplatz nicht weiterarbeiten darf. Deshalb soll zwischen Küchenleitung und Personal eine Atmosphäre geschaffen werden, in der das Personal keine Angst vor Nachteilen haben muss, wenn eine Krankheit auftritt oder zumindest vermutet werden muss. Bei den typischen Virusinfektionen der oberen Atemwege steht die Händehygiene im Vordergrund, um Kontaminationen der Nahrung zu verhindern. Bei starkem Schnupfen und Husten soll Personal, das im reinen Bereich bei der Speisenzubereitung, Speisenverteilung etc. arbeitet, einen Mundschutz tragen. Besser wäre es, diese Personen für die Dauer der ausgeprägten und schlecht kontrollierbaren Symptomatik mit Niesen und Husten an einen Arbeitsplatz im unreinen Bereich umzusetzen. Gastrointestinale Beschwerden Treten Beschwerden von Seiten des Magen-Darm-Traktes, wie insbesondere Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, auf, muss sofort der Küchenleiter informiert werden, der den Mitarbeiter am besten direkt zur Untersuchung zum Personal- oder Hausarzt schickt. Spezielle Hygienemaßnahmen Arbeitskleidung ■ Die Arbeitskleidung muss mindestens täglich gewechselt werden, damit sie immer sauber ist. ■ Im unreinen Bereich (z.B. Salat- und Gemüseküche) ist es sinnvoll, wasserdichte Schürzen überzuziehen. Dann kann auch ggf. nach Ausziehen der Küche Schürze im reinen Bereich weitergearbeitet werden. ■ Das Küchenpersonal muss einen Kopfschutz tragen, der die Haare vollständig bedeckt. ■ Die Schuhe müssen wegen der häufig nassen Böden rutschfest sein. Eine hygienische Bedeutung haben sie nicht. Händehygiene Die Dekontamination der Hände ist eine auch für die Küchenhygiene sehr wichtige Maßnahme zur Prävention von Kreuzkontaminationen. Deshalb müssen in ausreichender Zahl Waschbecken vorhanden sein.Wo dies nicht möglich ist, sind Händedesinfektionsmittel-Spender sinnvoll. Händewaschen mit antimikrobieller Seife: Im Küchenbereich können normalerweise sog. Hände-Dekontaminationspräparate (= HD-Präparate) verwendet werden. Dabei handelt es sich um desinfizierende Flüssigseifen, die gleichzeitig die Reinigung der Hände und eine Reduktion der Keimzahl, z.B. nach direktem Kontakt mit Fleisch und anderen Lebensmitteln, ermöglichen. Dadurch entfällt die sonst erforderliche Kombination von Händewaschen mit anschließender alkoholischer Händedesinfektion, die für die Haut auf Dauer zu belastend ist. Händewaschen ist in folgenden Situationen erforderlich: ■ ■ ■ ■ Vor Arbeitsbeginn Nach Niesen, Schnäuzen und Husten Nach WC-Benutzung Bei Wechsel vom unreinen in den reinen Küchenbereich ■ Vor der Zubereitung von Speisen ■ Nach Umgang mit allen Rohwaren, nach Reinigungsarbeiten Handbürsten: Bürsten sollen nur ausnahmsweise benutzt werden und dann sofort zur thermischen Desinfektion (mit 251 Geschirr und Besteck in der Spülstraße) gegeben werden. Hautpflege: Auf regelmäßige Hautpflege soll geachtet werden, damit die Hände durch den häufig notwendigen Kontakt mit Wasser und Seife nicht trocken und rissig und damit anfällig für eine Besiedlung mit nicht zur typischen Hautflora gehörenden Keimen werden. Schmuck: Da sich das Tragen von Schmuck an Händen und Handgelenken sowie von Armbanduhren nicht mit der im Küchenbereich notwendigen Händehygiene verträgt, muss das Personal bei der Arbeit darauf verzichten. Es spricht allerdings nichts dagegen (ebenso wie in Operationsabteilungen), kleine Halsketten oder Ohrringe – oder eben auch einen Nasenring – zu tragen. Es gibt also keinen Grund, generell das Tragen von Schmuck bei der Arbeit in der Krankenhausküche zu verbieten, wie es in manchen Häusern üblich ist. Ein solches Verbot wird dann damit begründet, es könnten sich Keime an den Schmuckstücken festsetzen, die in die Speisen „fallen“ könnten. Diese Vorstellung ist nicht richtig. Zum einen nämlich haben Metalle bekanntermaßen eine gewisse antimikrobielle Wirksamkeit (z.B.Vorteil von Münzgeld im Vergleich zu Papiergeld). Zum anderen aber würde man auch keinem Brillenträger verbieten, bei der Arbeit seine Brille aufzusetzen, und dies gilt wiederum sowohl für den Operationssaal als auch für die Küche. Schmuck ist aus hygienischen Gründen also immer nur dann fehl am Platz, wenn er bei der Händehygiene stören kann, und das kann nur Schmuck, der an Händen und/oder Handgelenken getragen wird. Auch Nagellack beeinträchtigt die regelmäßige Händehygiene, weil die Erfahrung zeigt, dass die Hände, um den Nagellack zu 252 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen schonen, nicht so häufig wie eigentlich erforderlich gewaschen werden. Dasselbe gilt natürlich für künstliche Fingernägel. Handschuhe Im Küchenbereich ist häufig das Tragen von Handschuhen erforderlich, um den direkten Kontakt der Hände mit Lebensmitteln zu vermeiden. Dies trifft auf die Zubereitung von Speisen zu, die nicht erhitzt werden (z.B. Salate), und auf den Umgang mit Speisen, die schon fertig gegart sind. Je nach Tätigkeit können verschiedene Arten von Schutzhandschuhen sinnvoll sein, z.B. ■ Latex- oder Polyethylen-(PE-)Handschuhe bei – Umgang mit rohem Fleisch, Geflügel und Fisch oder mit fertigen Gerichten (z.B. Aufschneiden von Braten) – Aufschneiden und Portionieren von Wurst, Schinken und Käse – Abräumen der Tabletts vor der Geschirrspülstraße – Bei Verletzungen an den Händen ■ Baumwollhandschuhe bei – Speisenportionierung am Band – Speisenausgabe im Personalcasino – Sortierung von frisch gespültem Geschirr und Besteck ■ Haushaltshandschuhe bei – allen Flächen-Reinigungs- und -Desinfektionsmaßnahmen Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit Nahrungsmitteln ■ Nahrungsmittel solllen nur aus zuverlässigen Quellen eingekauft werden. ■ Tiefkühlware muss bei Anlieferung eine Temperatur von –18 °C haben. ■ Nur pasteurisierte Milch sowie Milchund möglichst auch Eiprodukte verwenden ■ Kühllagerung (bei <4 °C) roher Nahrungsmittel, die natürlicherweise mikrobiell kontaminiert sind oder sein können (z.B. Fleisch, Fisch, Gemüse, Eier), bereits zubereiteter Speisen und leicht verderblicher Nahrungsmittel (z.B. Milchprodukte) ohne wesentliche Unterbrechung der Kühlkette ■ Schnelles Herunterkühlen von fertig gegarten Speisen (innerhalb von zwei Stunden auf Raumtemperatur und innerhalb der nächsten vier Stunden auf 4 °C) ■ Auftauen von tiefgefrorenem Fleisch und Geflügel bei Kühlschranktemperatur (4 °C), sichere Entsorgung der Auftauflüssigkeit ohne Verspritzen in die Umgebung, sofortige Reinigung und thermische Desinfektion der zum Auftauen verwendeten Gefäße und der evtl. dabei kontaminierten Arbeitsgeräte,Wischdesinfektion kontaminierter Flächen und von nicht thermisch desinfizierbaren Geräten (Wischtücher sofort in die Wäsche geben) ■ Ausreichende Erhitzung bis ins Zentrum der Lebensmittel (z.B. Hackfleisch, tiefgefrorenes Geflügel), weil dort sonst bei bakterieller Kontamination optimale Wachstumsbedingungen für nicht inaktivierte Erreger herrschen ■ Fertig zubereitete warme Speisen bei >60 °C warm halten ■ Wiedererwärmen bereits abgekühlter Speisen auf >80 °C ■ Speisen, die nicht gekocht oder gebacken werden, nicht mit rohen Eiern zubereiten, z.B. Süßspeisen, Mayonnaise und Saucen, wie Hollandaise und Béarnaise; keine Speisen mit nicht durchgegarten Eiern, wie Bouillon mit Ei, Spiegelei, Rührei, weiches Ei, anbieten ■ Zur Vermeidung von Kreuzkontamination Trennung der Küchenbereiche für die Verarbeitung roher und bereits gekochter Nahrungsmittel Küche Besucher und Handwerker Für Personen, die, wie Besucher und Handwerker, weder Kontakt mit Lebensmitteln oder fertigen Speisen haben noch in deren Nähe kommen, sind keine speziellen Hygienemaßnahmen erforderlich. Das bedeutet, dass sie mit ihrer normalen Kleidung (Privat- oder Arbeitskleidung) die Küche betreten können und auch keinen Kopfschutz aufsetzen müssen. Ebenso können sie selbstverständlich Schmuck an den Händen und Armbanduhren tragen. Reinigung und Desinfektion Sauberkeit ist in einer Küche von zentraler Bedeutung. Fast immer sind dabei Reinigungsmaßnahmen ausreichend, während eine chemische Desinfektion nur selten erforderlich ist (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Ein übersichtlicher Reinigungs- und Desinfektionsplan soll in jeder Küche an mehreren Stellen gut sichtbar aushängen, damit sich jeder bei Fragen und Unklarheiten noch einmal vergewissern kann, was im Einzelfall zu tun ist. Bei den Personal-Schulungen muss regelmäßig über die Methoden der Reinigung und Desinfektion gesprochen werden, damit das Personal immer wieder auf die Bedeutung der Sauberkeit in der Küche hingewiesen wird. Thermische Desinfektion Geschirr und Besteck wird in vollautomatischen Bandtransport-Geschirrspülstraßen zunächst gereinigt und anschließend während einer kurzen Nachspülphase bei 80 °C desinfiziert. Der Zusatz eines Desinfektionsmittels im Sinne einer chemo-thermischen Desinfektion ist nicht erforderlich. Da es aber schwierig sein kann, Teeund Kaffeegeschirr von den schwer entfernbaren Rückständen zu reinigen, muss 253 ggf. aus diesem Grunde eine geringe Menge Chlor zudosiert werden. Optimale Spülergebnisse lassen sich nur erzielen, wenn auf eine korrekte Beladung der Maschinen (d.h. Vermeidung von sog. Spülschatten) und auf eine regelmäßige Reinigung der Siebe geachtet wird. Darüber hinaus ist eine routinemäßige Wartung der Maschinen wichtig, damit rechtzeitig nicht funktionstüchtige Düsen, zu geringe Spül- oder Trockentemperatur, fehlerhafte Dosierung des Geschirrspülmittels und/oder ein zu niedriger Wasserdruck entdeckt werden. Sämtliche Töpfe, Schüsseln, Schneidbretter und die abbaubaren Teile von z.B. Fleischwolf, Mixer und Aufschnittmaschinen sollen ebenfalls maschinell gereinigt und thermisch desinfiziert werden. Chemische Desinfektion Die chemische Desinfektion von Flächen oder sonstigen Gegenständen, die nicht in einer Spülmaschine aufbereitet werden können (Arbeitsflächen, Wannen, Küchenmaschinen), kann auch in der Küche auf ein Mindestmaß reduziert werden. So ist eine Flächendesinfektion angebracht, nachdem bestimmte rohe Lebensmittel, die mikrobiell belastet sein können, verarbeitet wurden (z.B. Fleisch, Fisch, Geflügel, Eier). Die Wischdesinfektion dieser Flächen und Gegenstände soll sofort nach der Verarbeitung der Lebensmittel erfolgen, und die dafür verwendeten Reinigungstücher sollen unmittelbar danach in die Wäsche gegeben werden. Nach Anwendung von Desinfektionsmitteln sollen die Flächen an der Luft trocknen. Bevor man sie wieder zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln benutzt, muss man diese Flächen mit klarem Wasser abwischen, um Desinfektionsmittelreste zu entfernen. 254 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Reinigung Für alle anderen Flächen, Geräte und Gegenstände, die nicht maschinell aufbereitet werden können, ist eine Reinigung (ggf. mit Spezialreiniger für Backofen, Grill etc.) ausreichend. Dies trifft insbesondere für das Portionier- und Abräumband zu, für Kühltruhen, Kühlschränke und Kühlräume, Essenstransportwagen sowie für sämtliche Einrichtungsgegenstände, Türen, Wände und Fußböden. üblich, regelmäßige mikrobiologische Untersuchungen ihrer Reinigungs- und Desinfektionswirkung durchzuführen. Dafür wurde z.B. die Verwendung von Edelstahlplättchen (10×1 cm) empfohlen, die mit einer Suspension aus Rinder-Albumin, Mucin und Stärke (= RAMS) sowie E. faecium (ATCC 6057) kontaminiert worden sind. Diese Bioindikatoren werden zusammen mit Besteckteilen in Besteckeinsätzen über die gesamte Bandbreite verteilt. Mikrobiologische Untersuchungen Rückstellproben Flächen und Gegenstände Sehr wichtig ist die Aufbewahrung von Proben sämtlicher zubereiteter Speisen in kleinen Mengen (à 100g), die bei –18 °C zwei Wochen tiefgefroren bleiben. Sie sollen ggf. für eine mikrobiologische Untersuchung zur Verfügung stehen, wenn Infektionen vorkommen, die mit Nahrungsmitteln aus der Küche zusammenhängen könnten. Eine routinemäßige Untersuchung von Rückstellproben verursacht jedoch nur unnötigen Laboraufwand, ohne einen konkreten Beitrag zur Küchenhygiene zu leisten. Routinemäßige Abklatsch- oder Abstrichuntersuchungen sind auch in Küchen generell nicht sinnvoll.Wenn überhaupt, können sie bei Arbeitsflächen und Geräten durchgeführt werden, die mit sog. Risiko-Lebensmitteln, wie rohem Fleisch, Fisch, Geflügel und Eiern, in Kontakt kommen und anschließend nicht maschinell-thermisch desinfiziert werden können (z.B. Auftauwannen, Rühr- und Mengmaschinen). Für diese Untersuchungen gelten prinzipiell dieselben Einschränkungen wie für andere Screening-Untersuchungen: sie stellen immer nur Momentaufnahmen dar. Davon abgesehen werden sie viel zu selten durchgeführt (z.B. halbjährlich), um eine Aussage über die hygienische Sorgfalt in der Küche zuzulassen. Viel besser sind Besuche der Mitarbeiter der Krankenhaushygiene in kurzen Abständen (z.B. einmal monatlich), bei denen das Hygienefachpersonal für Fragen zur Verfügung steht und ggf. Schwachstellen entdeckt und besprochen werden können. Überprüfung der Bandtransport-Geschirrspülmaschinen Ebenso wie bei anderen RDM ist es auch für Spülmaschinen in Krankenhausküchen Küchenschädlinge Dem Auftauchen von Ungeziefer in der Küche kann am besten durch optimale Sauberkeit vorgebeugt werden. Zur Bekämpfung muss ggf. Fachpersonal beauftragt werden. Literatur 1. Baddour LM, Gaia SM, Griffin R, Hudson R. A hospital cafeteria-related food-borne outbreak due to Bacillus cereus: unique features. Infect Control 1986; 7: 462–465 2. Birkhead GS, Morse DL, Levine WC, Fudala JK, Kondarcki SF, Chang H-G, Shayegani M, Novick L, Blake PA.Typhoid fever at a resort hotel in New York: a large outbreak with an unusual vehicle. J Infect Dis 1993; 167: 1228– 1232 Küche 3. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Foodborne outbreak of cryptosporidiosis – Spokane, Washington, 1997. JAMA 1998; 280: 595–596 4. Cook KA, Dobbs TE, Hlady WG, Wells JG, Barrett TJ, Puhr ND, Lancette GA, Bodager DW,Toth BL, Genese CA, Highsmith AK, Pilot KE, Finelli L, Swerdlow DL. Outbreak of Salmonella serotype Hartford infections associated with unpasteurized orange juice. JAMA 1998; 280: 1504–1509 5. Drobniewski FA. Bacillus cereus and related species. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 324–338 6. Farley TA,Wilson SA, Mahoney F, Kelso KY, Johnson DR, Kaplan EL. Direct inoculation of food as the cause of an outbreak of group A streptococcal pharyngitis. J Infect Dis 1993; 167: 1232–1235 7. Goulet V, Rocour J, Rebiere I, Jacquet C, Moyse C, Dehaumont P, Salvat G, Veit P. Listeriosis outbreak associated with the consumption of rillettes in France in 1993. J Infect Dis 1998; 177: 155–160 8. Hedberg CW, Osterholm MT. Outbreaks of food-borne and waterborne viral gastroenteritis. Clin Microbiol Rev 1993; 6: 199–210 9. Hof H. Listeriose. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 1999; 42: 558–561 10. Hutin YJF, Pool V, Cramer EH, Nainan OV, Weth J, Williams IT, Goldstein ST, Gensheimer KF, Bell BP, Shapiro CN, Alter MJ, Margolis HS. A multistate, foodborne outbreak of hepatitis A. N Engl J Med 1999; 340: 595– 602 11. Keita-Perse O, Pradier C, Tempesta S, Oran N, Girard-Pipau F, Popoff MR, Vautor E, Vezolles MJ, Dellamonica P. Outbreak of diarrhea related to Clostridium perfringens in a correctional facility: an epidemiologic investigation. Clin Microbiol Infect 1999; 5: 714– 716 12. Khuri-Bulos NA, Khalaf MA, Shebabi A, Shami K. Foodhandler-associated Salmonella outbreak in a university hospital despite routine surveillance cultures of kitchen employees. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 311–314 13. Kluytmans J, van Leeuwen W, Goessens W, Hollis R, Messer S, Herwaldt L, Bruining H, 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 255 Heck M, Rost J, van Leeuwen N, van Belkum A, Verbrugh H. Food-initiated outbreak of methicillin-resistant Staphylococcus aureus analyzed by pheno- and genotyping. J Clin Microbiol 1995; 33: 1121–1128 Lorber B. Listeriosis. Clin Infect Dis 1997; 24: 1–11 Luby S, Jones J, Dowda H, Kramer J, Horan J. A large outbreak of gastroenteritis caused by diarrheal toxin-producing Bacillus cereus. J Infect Dis 1993; 167: 1452–1455 Martin MA. Nosocomial Infections related to patient care support services: dietetic services, central services department, laundry, respiratory care, dialysis, and endoscopy. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3.Auflage,Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 647–688 McCall B, McCormack JG, Stafford R, Towner C, Dip G. An outbreak of Salmonella typhimurium at a teaching hospital. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 20: 55–56 Mead PS, Griffin PM. Escherichia coli O157:H7. Lancet 1998; 352: 1207–1212 Nataro JP, Kaper JB. Diarrheagenic Escherichia coli. Clin Microbiol Rev 1998; 11: 142– 201 Quick R, Paugh K, Addiss D, Kobayashi J, Baron R. Restaurant-associated outbreak of giardiasis. J Infect Dis 1992; 166: 673–676 Regan CM, Syed Q, Tunstall PJ. A hospital outbreak of Clostridium perfringens food poisoning – implications for food hygiene review in hospitals. J Hosp Infect 1995; 29: 69– 73 Sinell H-J. Vom Tier über Lebensmittel auf den Menschen übertragbare Infektionen. Bundesgesundheitsbl 1994; 37: 60–65 Slutsker L, Villarino ME, Jarvis WR, Goulding J. Foodborne disease prevention in healthcare facilities. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 333–341 Vugia DJ, Griffin PM. Asymptomatic hospital foodhandlers should not be screened routinely for intestinal parasites. Infect Control Hosp Epidemiol 1993; 14: 457–458 256 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Operationsabteilung In Operationsabteilungen müssen neben den Grundsätzen des aseptischen Arbeitens beim Operieren auch die StandardHygienemaßnahmen im Umgang mit dem Patienten vor und nach der Operation beachtet werden (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Anästhesiologie“). Darüber hinaus wird aber gerade in der operativen Medizin vieles praktiziert, was man nur unter der Bezeichnung „Hygienerituale“ zusammenfassen kann. Es sind Maßnahmen, die dem Personal in Operationsabteilungen von Generation zu Generation tradiert und insbesondere vom leitenden Pflegepersonal häufig mit äußerster Konsequenz, auch den (Chef-) Ärzten gegenüber, vertreten werden, für deren Einfluss auf die Inzidenz postoperativer Infektionen im Operationsgebiet es aber weder wissenschaftliche Belege noch – bei rationaler Betrachtung – einen plausiblen theoretischen Hintergrund gibt. Hier Änderungen zu erreichen, scheint tatsächlich manchmal am gebündelten Widerstand des verantwortlichen Personals der Operationsabteilung zu scheitern. Auch nicht für alle der in der modernen Fachliteratur genannten Empfehlungen gibt es eindeutige wissenschaftliche Belege; in ihrer Gesamtheit tragen sie aber dazu bei, dass in der Operationsabteilung ein Klima besonderer Sorgfalt und Sauberkeit herrscht, ohne dass sie überzogene Anforderungen darstellen würden [3, 8–11, 13]. Verhaltensregeln und Hygienemaßnahmen für das Personal Bereichskleidung ■ Vor Betreten der Abteilung in der Umkleide die Bereichskleidung sowie Haube und Bereichsschuhe anziehen ■ Frische persönliche Kleidung, z.B. T-Shirt mit kurzen Ärmeln, kann darunter getragen werden. ■ Bereichskleidung nach sichtbarer Kontamination wechseln ■ Routinemäßiger Wechsel der Bereichskleidung nach Benutzung der Toilette muss nicht empfohlen, sondern kann von jedem individuell entschieden werden ■ Vor Verlassen der Abteilung die Bereichskleidung ausziehen ■ Muss man später wieder in die Operationsabteilung zurückkehren, kann die Bereichskleidung, wenn sie sauber ist, in den Schrank gelegt und dann wieder angezogen werden. Die Bereichskleidung z.B. soll (sehr) sauber sein, weil sie unmittelbar unter dem sterilen Kittel getragen wird. Sie soll deshalb auch nicht außerhalb der Operationsabteilung getragen werden, auch wenn sie natürlich dadurch nicht per se kontaminiert wird. Prinzipiell gilt, dass, solange die Bereichskleidung optisch sauber ist, den hygienischen Anforderungen Genüge getan ist. Bereichsschuhe sind aus praktischen Erwägungen erforderlich, weil sie häufig während der Eingriffe kontaminiert werden; sie haben aber keinen hygienischen Nutzen bei der Prävention postoperativer Infektionen [6]. Operationsabteilung 257 Schmuck, Armbanduhren Mund-Nasen-Schutz (Maske) Schmuck an den Händen und Unterarmen ist in der Operationsabteilung nicht mit den hygienischen Anforderungen in Einklang zu bringen, weil er – wie im Übrigen auch Nagellack und künstliche Fingernägel – erfahrungsgemäß die Händedesinfektion beinträchtigt. Vor dem Operieren muss er ohnehin abgelegt werden. Jedoch spielen kurze Halsketten, Ohrringe und auch Nasenringe (sowie sonstiges Bodypiercing) aus hygienischer Sicht keine Rolle und können deshalb auch von Personal in der Operationsabteilung getragen werden. Schließlich bestehen auch keine Einwände gegen Brillenträger. ■ Eine Maske soll nur im Operationssaal während der Operation von allen anwesenden Personen getragen werden, auf dem Flur und in den Nebenräumen ist sie nicht erforderlich. ■ Sie muss Mund und Nase vollständig bedecken und dicht am Gesicht anliegen. ■ Masken müssen während der Operation nicht routinemäßig, z.B. alle zwei Stunden, gewechselt werden. ■ Die Maske soll nach länger dauernden Operationen, muss aber nicht notwendigerweise nach jedem (kurzen) Eingriff (z.B. <60 Minuten) gewechselt werden. ■ Masken sollen zwischen zwei Eingriffen entweder anbehalten oder ganz abgenommen werden. Sie sollen jedoch nicht herunterhängen, da die Innenseite durch die Nasen-Rachen-Flora immer kontaminiert ist. ■ Das Personal, das zwischen den Eingriffen den Operationssaal reinigt, muss dabei keine Maske tragen. Händedesinfektion ■ Vor Betreten des Flurs der Operationsabteilung, d.h. noch in der Umkleide, sollen die Hände desinfiziert werden. ■ Eine Händedesinfektion soll vor und nach jedem Patientenkontakt durchgeführt werden. ■ Auch das Personal der Anästhesie oder Kardiotechnik soll auf regelmäßige und sorgfältige Händedesinfektion achten. Kopfschutz ■ Der Kopfschutz soll das Haar vollständig bedecken. ■ Für Vollbartträger gibt es einen zusammenhängenden Kopfbartschutz. Ein Kopfschutz hat außerhalb der Operationssäle sicher keinen konkreten hygienischen Nutzen, trägt aber dazu bei, dass das Personal besonders ordentlich wirkt. Beim Operationsteam soll der Kopfschutz verhindern, dass Haare in das Operationsfeld gelangen. Deshalb muss auch das gesamte Haar vom Kopfschutz bedeckt sein. Einen Einfluss auf die Luftkeimzahl hat das Tragen eines Kopfschutzes aber nicht [7]. Die Bedeutung der Maske, was ihren Effekt hinsichtlich der Infektionsprävention beim Patienten angeht, wird in der Regel bei weitem überschätzt. Es ist wahrscheinlich sinnvoll, dass das Operationsteam eine Maske trägt, um den Operationssitus so gut wie möglich zu schützen (außerdem bieten Masken dem Personal Schutz vor verspritzendem Blut). Es gibt aber auch Untersuchungen, die zeigen, dass Masken keinen Beitrag zur Reduktion postoperativer Infektionen leisten [12]. Darüber hinaus wird mit Sicherheit in einem Operationssaal mehr gesprochen, wenn Masken getragen werden. Außerhalb der Operationssäle – und auch innerhalb, wenn nicht operiert wird und keine Instrumente gerichtet werden – eine Mas- 258 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ke zu tragen, hat lediglich die Bedeutung eines Hygienerituals ohne Effekt bei der Infektionsprävention. Sterile Operationskleidung ■ Dem ärztlichen Personal werden Kittel und Handschuhe in der Regel durch das Instrumentierpersonal angezogen. ■ Muss während der Operation der Kittel gewechselt werden, soll er immer vor den Handschuhen ausgezogen werden, um eine Kontamination der Hände zu vermeiden. ■ Nach einer kurzen Händedesinfektion können der neue Kittel und die Handschuhe angezogen werden. Sterile Handschuhe ■ Bei starker Beanspruchung der Handschuhe und dadurch erhöhter Perforationsgefahr, z.B. in der Traumatologie, ist es sinnvoll, grundsätzlich mit doppelten Handschuhen zu operieren. ■ Das Tragen von doppelten Handschuhen reduziert auch das Risiko einer Kontamination mit bzw. Inokulation von Blut: bei Perforationen ist nicht immer auch der innere Handschuh betroffen, und im Falle eines Nadelstichs wird durch das Abstreifen des Blutes am Handschuhmaterial die inokulierte Blutmenge vermindert. ■ Handschuhe müssen nach Perforation und nach septischem Teil einer Operation gewechselt werden (dazwischen kurze Händedesinfektion). Verhalten während der Operation ■ Die Türen des Operationssaales sollen während der Operation möglichst immer geschlossen bleiben, weil sonst die RLT-Anlage ihre Funktion nicht erfüllen kann (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“) ■ Während der Operation sollten so wenig Personen wie möglich im Operationssaal anwesend sein und kein unnötiger Personaldurchgang stattfinden. ■ Die Gespräche aller während der Operation anwesenden Personen sollen sich auf das Notwendige beschränken, da die Maske immer nur einen begrenzten Schutz vor der Freisetzung von Keimen aus dem Nasen-RachenRaum darstellt. Ablegen der OP-Kleidung ■ Nach dem Eingriff werden Kittel, Handschuhe und Maske im Operationssaal in die entsprechenden Entsorgungsbehälter abgelegt. ■ Wenn die Schuhe sichtbar kontaminiert sind, werden sie ebenfalls im Saal ausgezogen. Saubere Schuhe sollen dann bereitstehen, damit man nicht auf Strümpfen in die Umkleide gehen muss (Arbeitssicherheit). Chirurgische Händedesinfektion ■ Ziel ist die Elimination der transienten und weitgehende Reduktion der residenten Flora (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“) ■ In der Regel wird ein alkoholisches Einreibepräparat verwendet, bei Unverträglichkeit kann aber auch antimikrobielle Flüssigseife (z.B. PVP-Jod) benutzt werden. Erster operativer Eingriff Verwendung von alkoholischen Einreibepräparaten ■ Eine Minute Waschen der Hände und Unterarme bis zum Ellenbogen mit Flüssigseife ■ Fingernägel und Nagelfalze mit Bürste reinigen Operationsabteilung ■ Gründliches Abtrocknen der Haut mit einem sauberen Einmal- oder Baumwolltuch ■ Danach drei Minuten Einreiben des Händedesinfektionsmittels in ausreichender Menge, sodass die Haut von Händen und Unterarmen gut benetzt ist, bis die Haut trocken ist Verwendung von PVP-Jod-Seife ■ Eine Minute Waschen der Hände und Unterarme bis zum Ellenbogen ■ Fingernägel und Nagelfalze mit Bürste reinigen ■ Danach weitere vier Minuten Waschen mit PVP-Jod-Seife ■ Seife anschließend unter fließendem Wasser abspülen ■ Mit frischem Baumwolltuch gründlich abtrocknen Aufeinander folgende Eingriffe Händewaschen Vor der Händedesinfektion in der Regel nicht nötig, sondern nur bei Verschmutzung oder, wenn deutliche Reste von Hautpflegemitteln an den Händen sind (Operationshandschuhe zwischen den Eingriffen nicht anlassen, da ohne Effekt auf die Keimzahl an den Händen) Händedesinfektion ■ Liegt die letzte Händedesinfektion <60 Minuten zurück, ist eine Händedesinfektion von einer Minute Dauer vor dem nächsten Eingriff ausreichend. ■ Liegt die letzte Händedesinfektion >60 Minuten zurück, erneut drei Minuten desinfizieren Die früher übliche Dauer von fünf Minuten bewirkt keine höhere Keimzahlreduktion. Regelmäßiges Waschen mit Wasser und Seife vor Anwendung des Desinfekti- 259 onsmittels hat keinen Effekt auf die Keimzahlreduktion. Deshalb sollen bei aufeinander folgenden Eingriffen die Hände nur dann vor der Desinfektion auch noch gewaschen werden, wenn sie verschmutzt sind oder zu viel Reste von Hautpflegemitteln vorhanden sind. Die Handbürste soll nur für Fingernägel und Nagelfalze verwendet werden. Bürsten der Haut bedeutet eine zu starke mechanische Beanspruchung mit der möglichen Folge von Unverträglichkeiten bis hin zur Entwicklung kumulativ-toxischer oder allergischer Schäden. Außerdem erhöht Bürsten durch Mobilisierung der Hautflora aus tieferen Hautschichten die Keimzahl auf der Haut. Die Bürsten werden in Reinigungs- und Desinfektionsautomaten aufbereitet und brauchen anschließend nicht sterilisiert zu werden. Werden alkoholische Händedesinfektionsmittel nicht vertragen, kann auch antimikrobielle Flüssigseife (z.B. PVP-Jod) angewendet werden, wobei dann eine Desinfektionszeit von fünf Minuten für eine ausreichende Reduktion der Hautkeimzahl sicherer erscheint (Untersuchungen über kürzere Desinfektionszeiten gibt es nur für Mittel mit Alkohol). Präoperative Vorbereitung des Patienten Körperpflege ■ Am Vortag mit normaler Seife baden oder duschen, dabei auf gründliche Reinigung bestimmter Körperregionen, wie Finger- und Fußnägel, Bauchnabel, achten sowie ggf. Nagellack entfernen. ■ Die Verwendung antimikrobieller Seife hat keinen Einfluss auf die Häufigkeit postoperativer Infektionen, sodass für die präoperative Körperwaschung am Tag vor dem Eingriff normale Seife verwendet werden kann. 260 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Bettzeug Das Bett nur frisch beziehen, wenn die Bettwäsche nicht mehr sauber ist (gilt auch bei sog. „septischen“ Patienten) Verbände Evtl. vorhandene Verbände werden erneuert, wenn sie nicht mehr frisch aussehen. Haarentfernung ■ Haare lassen sich ebenso gut desinfizieren wie die Haut, deshalb möglichst keine Haarentfernung durchführen ■ Wenn konventionelle Rasur, dann unmittelbar präoperativ, da minimale, d.h. nicht notwendigerweise sichtbare, Hautläsionen unvermeidbar sind ■ Am besten Clipper verwenden, dann auch Haarentfernung am Vortag möglich, da dabei keine Hautläsionen entstehen ■ Auch Haarentfernungscreme am Vortag möglich (evtl. zuvor Allergietestung durchführen). Aus hygienischer Sicht kann auf die präoperative Haarentfernung vollständig verzichtet werden [14]. Anderenfalls sollen Haarschneidemaschinen bevorzugt werden. Dabei sollen die Scherköpfe auswechselbar sein und nach jedem Patienten gereinigt und anschließend desinfiziert werden, am besten durch Einlegen in z.B. 80%igen Alkohol für 10 Minuten. Transport in die Operationsabteilung ■ Der Patient ist in der Regel nur mit frischem Operationshemd ohne Unterwäsche bekleidet. Gegen frische Unterwäsche ist jedoch nichts einzuwenden, wenn der Patient es wünscht. Wenn sie nicht bei der Operation stört, kann sie auch währenddessen anbehalten werden. ■ Umlagerung vom Bett über mechanische Hebevorrichtung, die Fläche nach jedem Patienten ringsum mit Reinigungsmittel abwischen, nur nach Kontamination mit Blut etc. desinfizieren, am besten mit z.B. 80%igem Alkohol ■ Kinder können zum Umlagern auch auf den Arm genommen werden. ■ Eltern können ihr Kind, nachdem sie sich wie das Personal umgekleidet haben, in die Operationsabteilung begleiten. Maßnahmen in der Operationsabteilung ■ In der Regel bekommt jeder Patient auch einen Haarschutz. Dies ist jedoch nicht an sich notwendig. ■ Bei Regionalanästhesie erhält der Patient meist auch eine Maske. Dies ist aber nicht unbedingt erforderlich, selbst wenn der Patient erwartungsgemäß während der Operation spricht. Da Masken selbst beim Operationsteam von fragwürdiger Effektivität sind, gilt dies umso mehr für den Patienten. Hautdesinfektion ■ Meist durch ärztliches Personal nach der chirurgischen Händedesinfektion, aber vor Anziehen des Operationskittels und der Handschuhe ■ Wenn erforderlich, die Haut über dem Operationsgebiet zuvor abwaschen (z.B. mit PVP-Jodseife) ■ Großflächige Desinfektion des Operationsfeldes mit einem geeigneten Hautdesinfektionsmittel, z.B. PVP-Jod-Alkohol-Lösung, während drei Minuten ■ Während der Desinfektion das Desinfektionsmittel mit reichlich getränkten Tupfern auf der Haut verreiben und Tupfer mehrfach wechseln Hinsichtlich der erforderlichen Dauer der präoperativen Hautdesinfektion gibt es Operationsabteilung keine eindeutigen Angaben. Wichtig ist, dass sie gründlich durchgeführt wird. In Analogie zur präoperativen Händedesinfektion sind drei Minuten sehr wahrscheinlich adäquat. Ob auf talgdrüsenreicher Haut eine längere Desinfektionszeit erforderlich ist, um postoperative Infektionen sicherer zu verhüten, ist nicht bekannt. Da die Fettsäuren der Haut u.a. auch einen antimikrobiellen Effekt haben, kann man die Notwendigkeit längerer Desinfektionszeiten (z.B. 10 Minuten) zumindest in Frage stellen. Abdecken des Patienten ■ Die sterile Tuchabdeckung wird von zwei Personen vorgenommen, die schon den sterilen Kittel und die sterilen Handschuhe angezogen haben. ■ Die Handschuhe müssen anschließend nicht notwendigerweise gewechselt werden. Zum Abdecken des Patienten können Mehrweg- oder Einwegtücher verwendet werden. Aus hygienischer Sicht gibt es dabei keine Unterschiede [5, 8]. Es können selbstverständlich nach wie vor auch Baumwolltücher eingesetzt werden, solange man nicht flüssigkeitsdichtes Material braucht, was bei etlichen Eingriffen (z.B. Stereotaxie, Handchirurgie) nicht erforderlich ist. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die mit der Verwendung von Baumwolltüchern verbundene Flusenbildung das Risiko postoperativer Infektionen erhöht. Fremdkörper nämlich, die die Wundheilung stören und deshalb die Entstehung von Wundinfektionen begünstigen können, sind wesentlich größer als Baumwollflusen [1, 2]. Operationsvorbereitung bei Kindern Kinder können, um Ängste abzubauen, zusammen mit den Eltern am Tag zuvor die 261 Operationsabteilung besichtigen, ohne dass dies ein hygienisches Risiko darstellen würde. Postoperative Maßnahmen Instrumentenentsorgung ■ Benutzte Instrumente werden trocken in die Entsorgungscontainer gelegt. ■ Das routinemäßige Einlegen benutzter Instrumente in Desinfektions- oder Reinigungslösung ist nicht erforderlich und auch hinsichtlich der Lebensdauer der Instrumente nicht empfehlenswert [4]. ■ Nicht benutzte saubere Instrumente müssen vor dem erneuten Sterilisieren nicht mit den benutzten Instrumenten noch einmal den Reinigungsprozess durchlaufen, sondern können im Sterilcontainer bleiben. Routinemäßig soll die Trockenentsorgung von Instrumenten bevorzugt werden. Nur am Wochenende und abends, also immer dann, wenn keine baldige Aufbereitung erfolgt, soll man die Instrumente in eine Reinigungslösung einlegen, um das Antrocknen von Blut etc. zu verhindern. Eine Desinfektionslösung dafür zu verwenden, ist jedoch überflüssig. Dies führt nur zu einer unnötigen Desinfektionsmittelexposition für das Personal, deutlich höheren Kosten und einer vermeidbaren Umweltbelastung, ohne dass irgendein hygienischer Nutzen damit verbunden wäre. Operationstücher ■ Die benutzten Tücher werden im Operationssaal in die Wäschesäcke gegeben (bei Durchfeuchtung in Plastiksack). ■ Nicht benutzte Abdeck- und Bauchtücher müssen nicht wieder in die Wäsche, sondern können sofort zum Sterilisieren gegeben werden. 262 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Abfallentsorgung Der anfallende Abfall wird im Operationssaal in die entsprechenden Abfallsäcke gegeben. den, ohne dass zuvor irgendwelche Desinfektionsmaßnahmen, z.B. der Räder, durchgeführt werden müssen. Maßnahmen nach septischen Eingriffen Blei- und ggf. Gummischürzen Allgemeine Maßnahmen Nach jedem Tragen werden die Schürzen mit Reinigungslösung abgewischt. Nach Kontamination mit Blut wird eine Wischdesinfektion durchgeführt. Zur Trocknung werden sie z.B. in den Waschräumen auf Bügel aufgehängt. ■ Kittel, Handschuhe und Maske wie üblich im Operationssaal ablegen ■ Kopfschutz im Operationssaal ablegen, falls er mit infektiösem Material kontaminiert worden ist ■ Schuhe nur bei sichtbarer Kontamination im Operationssaal ausziehen ■ Bereichskleidung in der Umkleide wechseln ■ Anschließend hygienische Händedesinfektion vor Rückkehr in die Operationsabteilung ■ Wäsche- und Abfallentsorgung wie üblich in die entsprechenden Säcke ohne zusätzliche Verpackung der Säcke in einen weiteren Sack (außer bei Durchfeuchtung) Extubation Der Patient wird meist, wenn vorhanden, in der Ein-/Ausleitung extubiert. Die Extubation kann aber auch im Operationssaal durchgeführt werden. Transport in den Aufwachraum Das Anästhesiepersonal bringt den Patienten in den Aufwachraum. Der Aufwachraum kann vom Personal in der Bereichskleidung betreten werden. Ein Umkleiden vor der Rückkehr in die Operationsabteilung ist nur erforderlich, wenn die Bereichskleidung nicht mehr sauber ist. Transport auf die Station ■ Für den Rücktransport des Patienten muss nicht notwendigerweise ein frisches Bett bereitgestellt werden. ■ Nur wenn das Patientenbett beim Transport in die Operationsabteilung nicht mehr sauber war, soll die Bettwäsche teilweise oder vollständig erneuert werden, bevor der frisch operierte Patient wieder in das Bett gelegt wird. ■ Auch das Bettgestell muss nur dann gereinigt werden, wenn es verschmutzt ist. ■ Zum Umlagern kann das saubere Bett in den Aufwachraum geschoben wer- Desinfektionsmaßnahmen ■ Benutzte Instrumente können wie üblich zur Aufbereitung transportiert werden und müssen nicht noch in der Operationsabteilung desinfiziert werden. ■ Wischdesinfektion mit dem hausüblichen Flächendesinfektionsmittel in normaler Konzentration ■ Alle patientennahen Flächen, z.B. Operationstisch, Geräte, Fußboden, einschließlich Instrumentiertisch, einbeziehen ■ Nach Möglichkeit mobile Gerätschaften im Operationssaal lassen und dort desinfizieren ■ Generell alle kontaminierten Flächen reinigen und desinfizieren ■ Desinfektion von Wänden und Decken nur bei sichtbarer Kontamination er- Operationsabteilung forderlich, kann also in der Regel entfallen ■ Operationssaal kann wieder in Betrieb genommen werden, sobald die Flächen trocken sind. Eine Einwirkzeit muss nicht abgewartet werden. ■ Die gleichen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen gelten nach Operation von Patienten mit meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten, z.B. Salmonellose, Tuberkulose. ■ Über das übliche Maß hinausgehende Desinfektionsmaßnahmen müssen bei meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten nur durchgeführt werden, wenn dies im speziellen Fall vom zuständigen Gesundheitsamt angeordnet wurde. Die Desinfektionsmaßnahmen nach septischen Eingriffen entsprechen denen nach aseptischen Operationen (siehe unten). Das Versprühen von Desinfektionsmitteln oder das Verdampfen von Formaldehyd sind längst überholte Maßnahmen, die, weil ineffektiv, der Vergangenheit angehören sollten. Darüber hinaus sind solche Maßnahmen toxikologisch problematisch. Die Instrumente müssen vor dem Transport in die ZSVA nicht in der Operationsabteilung desinfiziert werden. Die Anschaffung von Reinigungs- und Desinfektionsautomaten für die Operationsabteilung oder das Einlegen der Instrumente in Desinfektionsmittellösung noch in der Operationsabteilung erübrigen sich damit. Maßnahmen bei Patienten mit Blut-assozierten Virusinfektionen Hepatitis B/C- und HIV-positive Patienten ■ Auch Patienten, von denen man (noch) nicht weiß, dass eine mit Blut und Körperflüssigkeiten übertragbare Infekti- ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ 263 on vorliegt, können infektiös sein; daher ist es sinnvoll, bei allen Patienten die gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“). Die Reihenfolge des Operationsprogramms wird nicht beeinflusst. Kittel und Abdecktücher sollen flüssigkeitsdicht sein, die Verwendung von Einmal-Material ist jedoch nicht notwendig. Das Tragen von doppelten Handschuhen reduziert das Risiko einer Kontamination mit bzw. Inokulation von Blut: bei Perforation ist nicht immer auch der innere Handschuh betroffen, und im Falle eines Nadelstichs wird durch das Abstreifen des Blutes am Handschuhmaterial die inokulierte Blutmenge vermindert. Wenn mit Verspritzen von Blut in die Umgebung zu rechnen ist, sollen Schutzbrillen getragen werden, um Schleimhautkontakt zu vermeiden. Schnitt- und Stichverletzungen müssen durch umsichtiges und konzentriertes Arbeiten im Umgang mit scharfen und spitzen Gegenständen vermieden werden. Anstelle des manuellen Fassens und Führens der Nadel soll eine Operationstechnik mit vermehrtem instrumentellen Arbeiten angewendet werden. Im Anschluss an die Operation wird eine normale Wischdesinfektion durchgeführt. Es ist nicht erforderlich, das Flächendesinfektionsmittel in einer höheren Konzentration als üblicherweise einzusetzen. Auch eine längere Einwirkzeit muss nicht eingehalten werden, sodass der Operationssaal weiter genutzt werden kann, sobald die Flächen abgetrocknet sind, also keine Rutschgefahr mehr besteht (Arbeitsschutz). 264 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Mit Blut kontaminierte Wäsche als „infektiös“ entsorgen, Abfall zum Hausmüll geben Flächenreinigung und -desinfektion ■ Nicht alle Flächen in einer Operationsabteilung müssen notwendigerweise routinemäßig desinfiziert werden. ■ Außerhalb der Operationssäle sind routinemäßig gründliche und regelmäßige Reinigungsmaßnahmen ausreichend. Nur nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material ist dort eine sog. gezielte Desinfektion sinnvoll. ■ In den Operationssälen kommt es abhängig vom operativen Fachgebiet häufig zu einer Kontamination in der Umgebung des Operationstisches. Deshalb ist es sinnvoll, dort routinemäßige Flächendesinfektionsmaßnahmen durchzuführen. ■ Zwischen den Operationen werden die Flächendesinfektionsmaßnahmen nur in der Umgebung des Operationstisches vorgenommen. ■ Sobald der Fußboden getrocknet ist, kann mit den Vorbereitungen für den nächsten Eingriff begonnen werden. ■ Unmittelbar nach Ende des Tagesprogramms soll mit der Abschlussreinigung und -desinfektion begonnen werden, damit Kontaminationen nicht antrocknen können. ■ Alle Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten werden nach hausüblichem System durchgeführt, d.h., es werden in der Operationsabteilung dieselben Desinfektionsmittel und Konzentrationen wie im übrigen Krankenhaus verwendet. ■ Jede Operationsabteilung soll über einen detaillierten und übersichtlichen Reinigungs- und Desinfektionsplan verfügen. Er soll regelmäßig überarbeitet und gut sichtbar aufgehängt werden. Literatur 1. Agarwal DS. Subcutaneous staphylococcal infection in mice. I. The role of cotton-dust in enhancing infection. Br J Exper Pathol 1967; 48: 436–449 2. Agarwal DS. Subcutaneous staphylococcal infection in mice. II. The inflammatory response to different strains of staphylococci and micrococci. Br J Exper Pathol 1967; 48: 468–482 3. Ayliffe GAJ. Role of the environment of the operating suite in surgical wound infection. Rev Infect Dis 1991; 13, Suppl. 10: S800–804 4. Chu NS, Chan-Mayers H, Ghazanfari N, Antonoplos P. Levels of naturally occurring microorganisms on surgical instruments after clinical use and after washing. Am J Infect Control 1999; 27: 315–319 5. Garibaldi RA, Maglio S, Lerer T, Becker D, Lyons R. Comparison of nonwoven and woven gown and drape fabric to prevent intraoperative wound contamination and postoperative infection. Am J Sur 1986; 152: 505–509 6. Humphreys H, Marshall RJ, Ricketts VE, Russell AJ, Reeves DS. Theatre over-shoes do not reduce operating theatre floor bacterial counts. J Hosp Infect 1991; 17: 117–123 7. Humphreys H, Russell AJ, Marshall RJ, Ricketts VE, Reeves DS. The effect of surgical theatre head-gear on air bacterial counts. J Hosp Infect 1991; 19: 175–180 8. Mangram AJ, Horan TC, Pearson ML, Silver LC, Jarvis WR and The Hospital Infection Control Advisory Committee. Guideline for prevention of surgical site infection, 1999. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 247– 280 9. Pittet D, Ducel G. Infectious risk factors related to operating rooms. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 456–462 10. Quebbeman EJ. Rituals in the operating room: are they necessary? Infect Dis Clin Pract 1996; 5, Suppl. 2: 68–70 11. Robert-Koch-Institut. Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen. Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2000; 43: 644–648 12. Romney MG. Surgical face masks in the operating theatre: re-examining the evidence. J Hosp Infect 2001; 47: 251–256 Operationsabteilung 13. Whyte W. The role of clothing and drapes in the operating room. J Hosp Infect 1998; 11, Suppl. C: 2–17 265 14. Winston KR. Hair and neurosurgery. Neurosurg 1992; 31: 320–329 266 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Physiotherapie Das nosokomiale Infektionsrisiko im Zusammenhang mit physiotherapeutischen Maßnahmen ist gering, obwohl das Personal mit vielen Patienten – meist auch direkten – Körperkontakt hat. Bei der Physiotherapie kommt das Personal meist nur mit der Kleidung oder der Haut des Patienten in Berührung, aber nicht mit Körperstellen, bei denen eine Kontamination eine Infektion nach sich ziehen kann, wie z.B. bei der Venenkathetereinstichstelle oder einer Operationswunde. Denn wenn Physiotherapie durchgeführt werden kann, dann sind solche prinzipiell gefährdeten Stellen durch Verbände abgedeckt und damit vor Kontamination geschützt. Das Personal der Physiotherapie muss deshalb hauptsächlich auf die Maßnahmen der Basis-Hygiene, insbesondere also auf die Händehygiene, achten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Obwohl weder für die Patienten noch für das Personal ein relevantes Infektionsrisiko besteht, gibt es einige Besonderheiten, die hier erörtert werden sollen. Umgang mit Patienten bei Isolierungsmaßnahmen Patienten, die wegen einer Infektion mit einem problematischen Erreger, wie z.B. MRSA, in einem Einzelzimmer isoliert sind, müssen meist auch an anderen als der durch die Infektion betroffenen Körperstelle als besiedelt angesehen werden (siehe Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“ und Kapitel B. 10 „Multiresistente Erreger“). Auch für die physikalische Therapie sind deshalb besondere Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit diesen Patienten erforderlich. Ort der Behandlung Die Krankengymnastik sollte, wenn möglich, im Patientenzimmer durchgeführt werden. Bei mobilen Patienten ist aber die Behandlung in der Physiotherapie-Abteilung notwendig, weil im Patientenzimmer nicht genügend Platz ist und die erforderlichen Übungsgeräte nicht vorhanden sind. Man muss dann entsprechende Vorkehrungen treffen, um eine Verbreitung des Erregers, so weit möglich, zu reduzieren: ■ Ist der Erreger in einer Wunde nachgewiesen, muss der Patient ggf. einen frischen Verband erhalten, bevor er das Zimmer verlässt. ■ Der Patient soll außerdem frische Wäsche (Schlafanzug, Trainingsanzug) anziehen. ■ Außerdem soll er sich gründlich die Hände waschen oder desinfizieren (und bei nasopharyngealer Besiedlung mit MRSA darauf achten, den Kontakt der Hände mit dem Gesicht zu vermeiden; eine Maske ist nicht erforderlich). ■ Nach der Benutzung von Geräten oder Gymnastikmatten etc. ist eine Wischdesinfektion erforderlich, um eine Erregerübertragung auf nachfolgend mit denselben Geräten etc. behandelte Patienten so sicher wie möglich auszuschließen (siehe dazu Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). ■ Damit das Personal die erforderliche Händehygiene durchführen kann, müssen auch in der Physiotherapie-Abtei- Physiotherapie lung die dafür notwendigen Voraussetzungen, wie Handwaschbecken und insbesondere Spender für Händedesinfektionsmittel, vorhanden sein. Die Patienten können aber zu Gehübungen auch auf den Stationsflur oder ins Treppenhaus geführt werden. Schutzkleidung Das Personal soll Schutzkleidung überziehen, die anschließend meist in die Wäsche gegeben werden muss, weil Krankengymnastik nicht selten auch für das Personal anstrengend ist, sodass die Kleidung anschließend mehr oder weniger verschwitzt ist. Sie kann aber ggf. auch für den nächsten Gebrauch im Patientenzimmer hängen bleiben. Handschuhe müssen in der Regel nicht getragen werden, sondern kommen nur in Betracht, wenn das Personal Kontakt mit Blut bzw. Körperflüssigkeiten haben könnte. Handschuhe wären weder für das Personal noch für den Patienten angenehm, und ihre Bedeutung als Schutz vor einer Erregerübertragung, wenn kein Kontakt mit der infizierten bzw. kolonisierten Körperstelle besteht, ist unklar (siehe dazu auch Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“, Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“ und Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“). Händewaschen und Händedesinfektion sind dagegen sehr wichtig. Hydrotherapie Therapie- und Bewegungsbecken Das Infektionsrisiko ist bei regelrechter Wartung der Badebecken sehr gering. Da bei physiotherapeutischen Maßnahmen der Aufenthalt im Wasser meist relativ kurz ist, kommt es auch zu keiner wesentlichen Aufweichung der Haut, die wiederum erst die Entstehung bestimmter Er- 267 krankungen, wie insbesondere Fußpilzinfektionen, fördert. Folgende Maßnahmen können dazu beitragen, das insgesamt geringe Infektionsrisiko noch weiter zu reduzieren: ■ Vor dem Baden Blase und ggf. Darm entleeren ■ Vor und nach dem Baden duschen ■ Im Badebereich Badeschuhe tragen ■ Nach dem Baden Füße und insbesondere Zehenzwischenräume gründlich abtrocknen ■ Nach jedem Baden die Badebekleidung waschen Patienten mit Anus praeter Mit wasserfesten Versorgungssystemen können Patienten mit Anus praeter auch an der Hydrotherapie teilnehmen. Vor dem Baden soll der Beutel erneuert werden. Patienten, die z.B. durch morgendliche Darmspülung geregelten Stuhlgang haben, können einen Minibeutel verwenden oder eine Stomakappe aufsetzen. Patienten mit Infektionen (auch polyresistente Erreger) Patienten mit Infektionen der Haut, ausgedehnten Fußmykosen oder Wundinfektionen sollen Gemeinschaftsbäder nicht benutzen. Wasserqualität ■ Mikrobiologische Anforderungen an das Rein- und Beckenwasser wie in öffentlichen Schwimmbädern (Reinwasser = aufbereitetes Wasser nach Einmischung des Desinfektionsmittels) – Reinwasser: maximal 20 KBE/ml bei 20 °C und 36 °C, in 100 ml bei 36 °C kein Nachweis von E. coli, koliformen Keimen, Pseudomonas aeruginosa und Legionella pneumophila 268 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen – Beckenwasser: maximal 100 KBE/ml bei 20 °C und 36 °C, in 100 ml bei 36 °C kein Nachweis von E. coli, koliformen Keimen, P. aeruginosa, in 1 ml bei Warmsprudelbädern und Becken mit zusätzlichen Wasserkreisläufen sowie Wassertemperaturen über 30° C kein Nachweis von L. pneumophila – Füllwasser: Trinkwasserqualität, wird zum Nachfüllen benutzt (entweder kontinuierlich oder einmal täglich pro Patient Austausch von mindestens 30 l Badewasser durch Füllwasser) ■ Mikrobiologische Kontrollen einmal monatlich: Entnahme des Beckenwassers oberflächennah während der Hauptbelastungszeit ca. 50 cm vom Beckenrand entfernt, jeweils eine Probe von Ein- und Auslauf (optional), Entnahme der Reinwasserproben direkt aus dem Zapfhahn der Reinwasserleitung vor Eintritt in das Becken Reinigung und Desinfektion ■ Das Wasserbecken muss routinemäßig gereinigt werden (auch Roste, z.B. Rinnenroste, in die Reinigungsarbeiten einbeziehen) ■ Die Verwendung von Desinfektionsmitteln für das Wasserbecken oder die Flächen im Badebereich, also Fußböden, Wände, Umkleidekabinen, Duschen, Toiletten, bewirkt nur eine kurzzeitige Keimzahlreduktion und ist deshalb nicht notwendig. ■ Wärmesitzbänke immer trocken halten ■ Wäscheschleudern wegen möglicher Kontamination der Badekleidung nicht aufstellen ■ Fußsprühanlagen sind zur Fußpilzprophylaxe ungeeignet (Desinfektionsmittel sind potenziell toxisch, Einwirkzeit zu kurz), stattdessen Badeschuhe an- ziehen und auf gründliches Trocknen der Füße und Zehenzwischenräume achten Wannenbäder Medizinische Bäder werden als Wannenbäder mit verschiedenen Zusätzen (z.B. Pflanzenextrakte, Kohlensäure), als Moorbäder oder als hydroelektrische Vollbäder (Stanger-Bad) angewendet. Bei Patienten mit Verbrennungen ist mehrfach über Ausbrüche mit Gram-negativen Erregern, insbesondere P. aeruginosa, berichtet worden [1–3]. Bei Umgebungsuntersuchungen fand sich eine ausgeprägte Kontamination des Wasser führenden Zubehörs, wie Strahlregler und Duschköpfe. Gründliche Reinigungs-, Spül- und/oder Desinfektionsmaßnahmen führten jedoch nie zu einer Eliminierung der Ausbruchsstämme, sondern nur zu einer vorübergehenden Keimzahlreduktion. Wegen des nahezu unvermeidlichen Infektionsrisikos ist die Hydrotherapie bei der Behandlung von Patienten mit Verbrennungen in den Hintergrund getreten. Reinigung und Desinfektion ■ Nach Behandlung nicht infizierter Patienten werden die Wannen mit einem Reinigungsmittel gesäubert. ■ Nach Benutzung durch Patienten mit Infektion bzw. Kolonisation (z.B. Wundinfektionen oder Hautausschläge) ist eine Wischdesinfektion der Wannen erforderlich (hausübliches Desinfektionsmittel in normaler Konzentration, siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“), wobei die Flächen anschließend gründlich gespült werden müssen. ■ Unabhängig davon, ob gereinigt oder desinfiziert wird, ist jedoch die sorgfältige Behandlung aller Flächen der Ba- Physiotherapie dewanne von größerer Bedeutung. Insbesondere der Boden ist meist schwerer zu erreichen als die Seitenwände [1, 3]. Acrylbadewannen Acrylglas (Plexiglas) ist ein nicht kratzfester Kunststoff, der gegen mechanische und chemische Einflüsse relativ empfindlich ist. Deshalb müssen bei der Pflege einige besondere Regeln beachtet werden: – Nur Reinigungstücher verwenden (keine Bürsten, auch keine Schwämme) – Staub immer nur mit feuchtem, nicht trockenem Tuch entfernen – Nur flüssige Reinigungs- oder Desinfektionsmittel (nie Scheuersand, aber auch keine Scheuermilch) verwenden – Reinigungs- oder Desinfektionsmittel nur nach korrekter Dosierung, nicht konzentriert anwenden – Keinen Alkohol oder alkoholhaltige Reinigungs- oder Desinfektionsmittel anwenden – Nach Anwendung von farbigen Badezusätzen muss man die Wanne an- 269 schließend sofort reinigen, um die Farbrückstände entfernen zu können. Packungen Für Fango-Packungen werden meist Paraffin-Fango-Gemische verwendet, die nach thermischer Desinfektion in speziellen Aufbereitungsanlagen wieder verwendet werden können. Ein Übertragungsrisiko besteht dabei nicht. Literatur 1. Linnemann CC Jr. Nosocomial infections associated with physical therapy, including hydrotherapy. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 931–936 2. Tredget EE, Shankowsky HA, Joffe AM, Inkson TI, Volpel K, Paranchych W, Kibsey PC, MacGregor Alten JD, Burke JF. Epidemiology of infections with Pseudomonas aeruginosa in burn patients: the role of hydrotherapy. Clin Infect Dis 1992; 15: 941– 949 3. Turner AG, Higgins MM, Craddock JG. Disinfection of immersion tanks (Hubbard) in a hospital burn unit. Arch Environ Health 1974; 28: 101–104 270 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Radiologie Die moderne Radiologie umfasst neben den klassischen und neueren bildgebenden Verfahren eine Vielzahl invasiver Methoden für diagnostische und therapeutische Zwecke [5, 6]. Diese neuen interventionellen Verfahren haben z.T. konventionelle operative Eingriffe ersetzt. Damit hat prinzipiell auch das Infektionsrisiko zugenommen. Deshalb haben in der Radiologie nicht nur Standard-Hygienemaßnahmen, sondern auch komplexere Verfahren der Infektionsprävention – vergleichbar den Hygienemaßnahmen bei Operationen – Bedeutung. Invasive radiologische Verfahren Im Folgenden sind die wichtigsten Informationen über das Auftreten infektiöser Komplikationen bei den verschiedenen invasiven radiologischen Verfahren zusammengefasst [6]: Konventionelle und interventionelle Angiographie ■ Sehr geringes Infektionsrisiko bei konventioneller Angiographie, inkl. Koronarangiographie (selten Bakteriämien und Infektionen an der Katheter-Eintrittsstelle) ■ Seit den 1980er Jahren zunehmend sog. interventionelle Angiographien, z.B. Gefäßdilatation, Stent-Implantation und Embolisation ■ Gelegentliche Berichte über Infektionen mit Abszessen und Sepsis nach ausgedehnten Embolisationen im Bereich von Leber und Milz Interventionelle Verfahren außerhalb des Gefäßsystems ■ Sehr geringes Infektionsrisiko bei CTgesteuerten perkutanen Biopsien ■ Häufigere infektiöse Komplikationen nach perkutaner Drainage von Abszessen im Bereich innerer Organe ■ Ebenso höheres Infektionsrisiko (meist Sepsis) bei perkutaner transhepatischer Drainage der Gallenwege (meist Malignom-Patienten mit bakterieller Besiedlung der Gallenwege), aber Infektionsrisiko geringer als bei konventionellen operativen Verfahren ■ Vergleichbares Risiko bei transhepatischer Cholangiographie, Stent-Implantation oder Steinentfernung ■ Bei perkutanen Eingriffen am Urogenitaltrakt (z.B. Entlastung bei Malignom-bedingter Obstruktion, Entfernung von Strikturen oder Steinen) geringeres Infektionsrisiko als bei vergleichbaren Eingriffen an den Gallenwegen Myelographie ■ Infektionsrisiko sehr gering ■ Einzelne Berichte über Meningitis-Fälle verursacht durch vergrünende Streptokokken vermutlich nach Freisetzung der Erreger aus dem Nasen-RachenRaum des Untersuchers [2–4, 7, 8] ■ Gespräche des bei der Untersuchung anwesenden Personals müssen auf das notwendige Maß reduziert werden (auch wenn Masken getragen werden) Radiologie Kontrasteinläufe ■ Übertragungen von darmpathogenen Erregern durch kontaminierte Gegenstände möglich ■ Thermostabile Gegenstände verwenden und thermisch desinfizieren oder alternativ Einmal-Material einsetzen ■ Asymptomatische Bakteriämien relativ häufig, deshalb Endokarditis-Prophylaxe bei Personen mit hohem Endokarditis-Risiko, insbesondere nach Klappenersatz, empfohlen Hygienemaßnahmen Standard-Hygiene ■ Im Zusammenhang mit den konventionellen Methoden der Radiologie ist die Anwendung der Standard-Hygienemaßnahmen ausreichend, um Erregerübertragungen zwischen Patienten bzw. zwischen Patienten und Personal zu verhüten (siehe dazu Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Händehygiene hat dabei die größte Bedeutung. ■ Die Reinigung von Oberflächen, mit denen der Patient Kontakt hatte, ist in der Regel die ausreichende Methode der Dekontamination, während Flächendesinfektionsmaßnahmen nur nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material erforderlich sind. ■ Für alle invasiven Maßnahmen muss das Personal ausreichend in der Anwendung aseptischer Techniken geschult sein. ■ Kontakt mit Blut durch geeignete Schutzmaßnahmen (Handschuhe, Kittel, ggf. Maske und Gesichtsschutz) verhindern 271 Maßnahmen bei Angiographie, Myelographie und anderen perkutanen Eingriffen ■ Konsequent aseptisches Arbeiten ausschlaggebend ■ Sorgfältige Hautdesinfektion ■ Händedesinfektion und sterile Handschuhe ■ Sterile Kittel, wenn Kontamination von Katheter und anderen Gegenständen möglich ■ Bedeutung von Masken und Kopfschutz unklar ■ Bei Untersuchungen mit Gabe von Kontrastmittel Überleitungssystem zum Kontrastmittel-Behälter (inkl. Drei-Wege-Hähne) nach jedem Patienten wechseln, da retrograde Kontamination mit Blut möglich (z.B. Übertragung von Plasmodium falciparum berichtet) [1] Spezielle Maßnahmen bei interventionellen Verfahren Ausgedehnte invasive Verfahren, wie z.B. Stent-Implantationen, erfordern vom gesamten beteiligten Personal Hygienemaßnahmen wie bei operativen Eingriffen (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“): ■ Ablegen von Schmuck an Händen und Armen ■ Anziehen frischer Operationsbereichskleidung sowie Haube und Mundschutz ■ Chirurgische Händedesinfektion (3 Minuten) ■ Sorgfältige und großflächige Hautdesinfektion im Bereich des geplanten Eingriffs (3 Minuten) ■ Sterile Kittel und Handschuhe ■ Abdeckung des Patienten mit sterilen Tüchern wie für eine konventionelle Operation 272 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Ausreichend große, steril abgedeckte Arbeitsfläche zur Bereitstellung der erforderlichen Instrumente, Katheter, Kontrastmittel, Spüllösungen etc. Literatur 1. Chen K-T, Chen C-J, Chang P-Y, Morse DL.A nosocomial outbreak of malaria associated with contaminated catheters and contrast medium of a computed tomographic scanner. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 22–25 2. Domingo P, Mancebo J, Blanch L, Coll P, Martinez E. Iatrogenic streptococcal meningitis. Clin Infect Dis 1994; 19: 356–357 3. Gelfand MS, Cook DM. Streptococcal meningitis as a complication of diagnostic myelography: medicolegal aspects. Clin Infect Dis 1996; 22: 130–132 4. de Jong J, Barrs ACM. Lumbar myelography followed by meningitis. Infect Control Hosp Epidemiol 1992; 13: 74–75 5. Mueller PR, van Sonnenberg E. Interventional radiology in the chest and abdomen. N Engl J Med 1990; 322: 1364–1374 6. Ribner BS. Nosocomial infections associated with procedures performed in radiology. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 999– 1006 7. Veringa E, van Belkum A, Schellekens H. Iatrogenic meningitis by Streptococcus salivarius following lumbar puncture. J Hosp Infect 1995; 29: 316–318 8. Watanakunakorn C, Stahl C. Streptococcus salivarius following myelography. Infect Control Hosp Epidemiol 1992; 13: 454 Wäscherei B 273 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Wäscherei Obwohl benutzte und insbesondere mit Patientenmaterial verschmutzte Wäsche mit hohen Keimzahlen potenziell pathogener Mikroorganismen kontaminiert sein kann, spielt Krankenhauswäsche als Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen keine Rolle [1–4]. Standards über maximale Keimzahlen auf frischer Wäsche gibt es nicht. Geeignete thermische oder chemothermische Waschverfahren sorgen aber nicht nur für saubere, sondern auch für mikrobiologisch-hygienisch einwandfreie Wäsche, die ohne Risiko bei jedem Patienten eingesetzt werden kann, sodass die Sterilisation von Wäsche außer für den Operationsbereich nicht erforderlich ist. Wäsche-Kategorien Neben den üblichen hygienischen Anforderungen der Standard-Hygiene müssen beim Umgang mit Krankenhauswäsche auch die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) „Gesundheitsdienst“ und „Wäscherei“ beachtet werden. UVVen dienen – prinzipiell sinnvoll – dem Schutz des Personals, also im Gesundheitsdienst dem Schutz des Personals, das direkt oder indirekt mit der Versorgung von Patienten zu tun hat, und in der Wäscherei dem Schutz des dort arbeitenden Personals. Die UVV „Wäscherei“ macht aber auch Vorschriften, die über ihren eigentlichen Verantwortungsbereich hinausgehen und außerdem fragwürdig sind. 1981 veröffentlicht, geben die UVVen aber natürlich die Auffassung ihrer Zeit wieder und stimmen deshalb nicht zufällig mit den Empfehlungen der Hygiene-Kommission des ehemaligen BGA überein. Darüber hinaus handelt es sich um juristische Texte und nicht um medizinische Verlautbarungen, selbst wenn sie medizinische Themen behandeln. Als solche dienen sie der Gefahrenabwehr und können deshalb über – im vorliegenden Fall medizinisch-hygienische – Erfordernisse hinausgehen. Nach der UVV „Wäscherei“ wird Krankenhauswäsche abhängig von ihrem zu erwartenden Kontaminationsgrad in drei Gruppen eingeteilt: Sog. infektionsverdächtige Wäsche ■ Normale Krankenhauswäsche, d.h. weder von Patienten mit sog. hochkontagiösen noch mit anderen meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten (siehe unten) ■ Hauptteil der Krankenhauswäsche – Gebrauchte, aber nicht notwendigerweise auch sichtbar verschmutzte Wäsche – Wäsche von Patienten mit nicht meldepflichtigen Infektionen – Mit Blut oder Stuhl kontaminierte Wäsche von Patienten mit nicht meldepflichtigen und ohne Infektionen ■ Nach Transport in die Wäscherei soll laut UVV ein Waschverfahren angewendet werden, das „desinfizierend“ wirkt (siehe unten). Sog. infektiöse Wäsche ■ Wäsche von Patienten mit meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten (gemäß §§ 6, 7 IfSG) unabhängig davon, 274 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ob sie auf einer Infektionsstation untergebracht sind oder auf Allgemeinoder Intensivstationen versorgt werden ■ Dazu gehört nur der Anteil der Wäsche, der mit infektiösem Material kontaminiert ist, nicht die gesamte Wäsche der Patienten. ■ Nach Transport in die Wäscherei soll laut UVV ein Waschverfahren angewendet werden, das die Wäsche „desinfiziert“ (siehe unten). Sog. hochinfektiöse Wäsche ■ Wäsche von speziellen Infektionsstationen, auf denen Patienten mit in der Regel hochkontagiösen Infektionen, wie z.B. hämorrhagische Fieber, gepflegt werden ■ Eine Desinfektion dieser Wäsche soll schon am Sammelort, also noch vor dem Transport in die Wäscherei, stattfinden. ■ Diese Wäschekategorie kommt in normalen Krankenhäusern nicht vor, weil die Patienten in Spezialkliniken versorgt werden. Die Wäschekategorien machen keine Aussage darüber, ob beim sachgerechten Umgang mit der Wäsche ein tatsächliches Infektionsrisiko gegeben ist. Das Personal in der Wäscherei muss immer sorgsam mit der Wäsche umgehen, damit es nicht zu einem direkten oder indirekten Kontakt kommt. Auch unter der normalen Krankenhauswäsche können Wäschestücke sein, die z.B. mit Stuhl eines Patienten kontaminiert sind, der unerkannt z.B. Salmonellen ausscheidet. Diese Wäsche wird nicht als „infektiöse“ Wäsche transportiert und wird zusammen mit der normalen Wäsche in den entsprechenden Maschinen gewaschen, aus denen die erste Flotte vor Abschluss des Desinfektionsvorgangs abgelassen wird (siehe unten). Die Einteilung in normale und sog. infektiöse Wäsche ist deshalb aus hygienischer Sicht nicht sinnvoll. Vielmehr trägt sie zur Verwirrung des Personals und zu einer verzerrten Wahrnehmung der realen Infektionsgefahren bei. UVV-Vorschriften sind bindend; sie dürfen jedoch nicht mit krankenhaushygienischen Erkenntnissen im Sinne wissenschaftlich fundierter Empfehlungen gleichgesetzt werden. „Desinfizierend waschen“ vs. „Desinfizieren“ Es wird in der UVV nicht konkret dargelegt, worin der Unterschied zwischen „desinfizierend waschen“ und „desinfizieren“ bei normaler Krankenhauswäsche und der Wäsche von Patienten mit meldepflichtigen Infektionen liegt. Ausgeführt wird aber, wann diese Forderungen als erfüllt angesehen werden: „Desinfizierend waschen“ ■ Freie Wahl des Waschverfahrens ■ Beendigung des Desinfektionsvorgangs vor Beginn der Spülphase „Desinfizieren“ ■ Anwendung von Mitteln und Verfahren der RKI-Liste ■ Desinfektionsvorgang vor dem ersten Ablassen der Flotte abgeschlossen Der praktisch relevante Unterschied besteht darin, dass beim desinfizierenden Waschen kein Waschverfahren aus der RKI-Liste verwendet werden und dass der Desinfektionsvorgang nicht bereits vor dem ersten Ablassen der Flotte abgeschlossen sein muss. Die UVV-Forderungen sind aber zumindest irreführend, weil nämlich Mittel und Verfahren der RKI-Liste nur auf ausdrückliche Anordnung des Gesundheitsamtes Wäscherei angewendet werden müssen. Der Text der UVV „Wäscherei“ wird allerdings so verstanden, dass bei der sog. infektiösen Wäsche die Mittel und Verfahren der RKI-Liste immer angewendet werden müssen. Mit der Forderung aber, dass die Desinfektion vor dem erstmaligen Ablassen der Flotte abgeschlossen sein müsse, verlässt die UVV ihren Zuständigkeitsbereich, nämlich den Schutz des in der Wäscherei tätigen Personals. Ob nämlich das Abwasser durch mikrobiell kontaminierte Flotten belastet wird, hat für den Schutz des Wäschereipersonals keine Bedeutung. Außerdem ist dies auch für die Gesundheit der Bevölkerung angesichts der sonstigen mikrobiellen Belastung von Abwasser innerhalb und außerhalb von Krankenhäusern irrelevant. Organisation der Wäschever- und -entsorgung Wäschesammlung ■ Wäsche bereits auf den Stationen etc. sortiert in den entsprechenden Wäschesäcken sammeln, damit spätere Manipulationen nicht nötig sind ■ Fleckenwäsche getrennt sammeln, damit sie in der Wäscherei sofort besonders behandelt wird ■ Wäschestücke vorsichtig in die Wäschesäcke legen, um eine mögliche Kontamination der Umgebung zu vermeiden ■ Wäschesäcke: – Textile (Wickel-)Säcke aus ausreichend dichtem und widerstandsfähigem Material (öffnen sich in der Maschine, sodass es nicht zu einem Kontakt des Wäschereipersonals mit der Wäsche kommt) – Foliensäcke, die nur bei feuchter oder nasser Wäsche eingesetzt werden sollen (müssen vor Beladung der 275 Waschmaschine aufgeschlitzt werden, wodurch ein direkter Kontakt des Personals mit der Wäsche möglich wird) ■ Transport so organisieren, dass keine langen Lagerzeiten entstehen ■ Bis dahin die Wäsche in einem trockenen, kühlen Raum lagern Wäschetransport ■ Wäschesäcke auf dem Transport nicht stauchen und nicht werfen ■ Durchfeuchtete Säcke ohne einen flüssigkeitsdichten Schutzsack mit Handschuhen umlagern ■ Transportcontainer verwenden, die in vollautomatischen Anlagen gereinigt werden können ■ Durch geeignete Organisation sicherstellen, dass die Container sofort nach Transport der Schmutzwäsche gereinigt werden, um sie für den Rücktransport der sauberen Wäsche wieder einsetzen zu können Arbeitsabläufe in der Wäscherei ■ Auf beiden Seiten der Wäscherei müssen genügend Handwaschbecken und Spender für Flüssigseife und Händedesinfektionsmittel vorhanden sein. ■ Eine Klimatisierung ist notwendig zur Regelung der Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit, nicht aber aus hygienischen Gründen. Zur Trennung der Arbeitsabläufe beim Umgang mit schmutziger und sauberer Wäsche räumliche Einteilung in sog. reinen und unreinen Bereich: Unreiner Bereich ■ Beladeseite der Waschautomaten ■ Zugang zur Waschanlage für die Transportcontainer 276 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ■ Schutzkleidung für das Personal, um Kontakt mit der kontaminierten Wäsche zu verhindern, d.h. auch Handschuhe (Haarschutz nicht erforderlich, ggf. langes Haar zusammenbinden) ■ Wegen des prinzipiellen Infektionsrisikos in diesem Bereich weder essen noch trinken noch rauchen (z.B. Bericht über Salmonellen-Infektion bei Mitarbeitern einer Wäscherei, in der regelmäßig während der Arbeit gegessen wurde [5]) Reiner Bereich ■ Entnahme der sauberen Wäsche ■ Trocknen, Pressen, Mangeln ■ Beladung der gereinigten Transportcontainer ■ Schutzkleidung für das Personal, um die saubere Wäsche vor Kontamination zu schützen (Haarschutz nicht erforderlich, ggf. langes Haar zusammenbinden) ■ Personal an den Mangelplätzen darf wegen der hohen Umgebungstemperatur Getränke zu sich nehmen Umgang mit sauberer Wäsche ■ Saubere, trockene Lagerung in Regalen, auf Tabletts oder in Schränken in der Wäscherei bis zum Transport zu den Bedarfsstellen ■ Zum Transport die Wäsche unverpackt in die gereinigten Container legen (bei Verpackung in Folie Bildung von Kondenswasser möglich, wenn die Wäsche beim Einpacken noch warm ist) ■ Saubere Wäsche in der Wäscherei und auf den Stationen etc. mit sauberen Händen, d.h. gewaschen oder desinfiziert, versorgen Dezentrale Waschmaschinen In Krankenhausbereichen, in denen spezielle Wäsche anfällt, wie z.B. die vielen kleinen bunten Wäscheteile (darunter auch Wollsöckchen) auf Früh- und Neugeborenen-Stationen, oder in denen das Wäschewaschen zum therapeutischen Konzept gehört, wie in der Psychiatrie, können auch dezentrale Maschinen verwendet werden. Literatur 1. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 2. Martin MA. Nosocomial Infections related to patient care support services: dietetic services, central services department, laundry, respiratory care, dialysis, and endoscopy. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3.Auflage,Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 647–688 3. McDonald LL, Pugliese G.Textile processing service. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 1031–1034 4. Pugliese G, Hubbard CA. Central services, linen and laundry. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 325–332 5. Standaert SM, Hutcheson RH, Schaffner W. Nosocomial transmission of Salmonella gastroenteritis to laundry workers in a nursing home. Infect Control Hosp Epidemiol 1994; 15: 22–26 Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde B 277 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde Patienten und Personal in der Zahnmedizin können über Blut, Speichel und respiratorische Sekrete mit verschiedenen potenziell pathogenen Mikroorganismen in Kontakt kommen (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“).Am häufigsten werden in diesem Zusammenhang Blutassoziierte Viren, wie HBV oder HIV, genannt (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“), aber auch Herpes simplex-Virus (HSV), Mycobacterium tuberculosis und andere Bakterien, wie Staphylokokken und Streptokkoken, kommen in Betracht. Prinzipiell kann man neben den durch Blut übertragbaren Viren mit allen Erregern rechnen, die im Respirationstrakt vorkommen können. Personalschutz Impfungen Der häufige Kontakt mit Blut und respiratorischem Sekret führt zu einem hohen Expositionsrisiko mit Erregern, gegen die z.T. Impfungen verfügbar sind. Deshalb soll Personal in der Zahnmedizin möglichst alle relevanten Impfungen erhalten, wenn nicht ohnehin schon durch natürlichen Kontakt Immunität besteht. Im Vordergrund steht die Impfung gegen Hepatitis B, aber auch die Immunität gegen die typischen Kinderkrankheiten, wie Masern und Mumps, sollte vorhanden sein. Händehygiene Händewaschen/Händedesinfektion Für Händewaschen und Händedesinfektion gelten die üblichen Regeln bei Kontakt mit Patienten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Berücksichtigt werden muss, dass die Hände auch desinfiziert werden sollen, wenn man beispielsweise eine Prothese eines Patienten mit bloßen Händen berührt hat, weil dabei ein Kontakt mit Speichel-, aber nicht selten auch mit Blutresten stattfindet. Einmal-Handschuhe Um direkten Kontakt mit Patientenmaterial zu vermeiden, sollen für derartige Tätigkeiten (z.B. auch bei der Vorbereitung extrahierter Zähne für Unterrichtszwecke) Einmal-Handschuhe getragen werden, bei deren Gebrauch die üblichen Regeln gelten (siehe Kapitel B.1 „StandardHygiene“). Ein „Missbrauch“ von EinmalHandschuhen, d.h. kein rechtzeitiger Wechsel und damit Vernachlässigung des Patientenschutzes, ist in der Zahnmedizin häufig zu beobachten. Meist wird empfohlen, die Handschuhe zwischen den Patienten nicht zu waschen oder zu desinfizieren, weil dadurch abhängig von der Qualität der Handschuhe das Material durchlässig werden kann [6]. Ebenso muss beachtet werden, dass das Handschuhmaterial undicht werden kann, wenn Handschuhe über die von der Händedesinfektion noch alkoholfeuchten Hände gezogen werden [6].Als allgemeine Regel gilt, dass die Perforationsrate von Handschuhen mit zunehmender Tragedauer steigt. Zur (unsichtbaren) Perforation kann es bei Handschuhen minderer Qualität sogar schon beim Anziehen kommen [6]. Beim Einkauf von Handschuhen müs- 278 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen sen diese Aspekte neben ökonomischen Erwägungen ebenfalls berücksichtigt werden; denn Handschuhe müssen einen sicheren Schutz gewähren. Schutzkleidung Kittel Eine besondere Schutzkleidung über der Arbeitskleidung ist immer dann erforderlich, wenn es zu grober Verunreinigung mit Patientenmaterial kommen kann (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Maske und Augen- bzw. Gesichtsschutz Die zahnmedizinische Behandlung bedingt, dass ein Kontakt von Speichel, respiratorischem Sekret und Blut mit dem Gesicht des Personals häufig ist. Deshalb soll mindestens ein Mundschutz getragen werden, um den direkten Schleimhautkontakt zu vermeiden [2, 7]. Da aber ein Kontakt mit der Bindehaut des Auges ebenfalls möglich, müssten auch Schutzbrillen oder sogar ein zusammenhängender Gesichtsschutz getragen werden. In der Regel aber trägt das Personal in der Zahnmedizin nur Masken. Entsprechende Schutzmaßnahmen sind auch für das Personal im zahntechnischen Labor erforderlich. Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Instrumenten Alle wiederverwendbaren Gegenstände, die mit dem Patienten in Kontakt kommen, müssen nach der Anwendung gründlich gereinigt werden. Ob sie bei der weiteren Dekontamination nur desinfiziert oder sogar sterilisiert werden müssen, hängt davon ab, mit welchem Risiko der Erregerübertragung sie assoziiert sind (kritische, semi-kritische, nicht-kritische Gegenstände; siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Maschinelle Aufbereitung ■ Thermostabile Gegenstände sollen nach Möglichkeit immer in Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (RDM) vollautomatisch gereinigt, thermisch desinfiziert und getrocknet werden. ■ Ist Sterilität bei der Anwendung Voraussetzung, werden sie anschließend verpackt und autoklaviert. Manuelle Aufbereitung Wenn eine maschinelle Aufbereitung nicht möglich ist, müssen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, damit es nicht zu einer Verletzung beim Umgang mit scharfen oder spitzen Gegenständen kommen kann: ■ Benutzte Gegenstände werden sofort nach der Anwendung in einen Behälter mit einer Reinigungslösung auf einem Sieb abgelegt, damit es nicht zur Antrocknung von Blutresten etc. kommt. ■ Zur Unterstützung der manuellen Reinigung können die Gegenstände mit dem Sieb in ein Ultraschallbad gestellt werden. ■ Anschließend werden sie sorgfältig manuell gereinigt. ■ Für die weitere endgültige Dekontamination sollen daran anschließend auch semi-kritische Gegenstände, die an sich nur desinfiziert werden müssen, autoklaviert werden, weil die chemische Desinfektion weniger sicher und mit einer vermeidbaren Personalbelastung verbunden ist. Hand- und Winkelstücke ■ Eine Kontamination mit Patientenmaterial im Innern und intraorale Freisetzung dieser Reste bei der Behandlung des nächsten Patienten sind möglich [1, 3, 4]. Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde ■ Reinigung und chemische Desinfektion im Innern bei der Aufbereitung sind aber nur begrenzt effektiv. ■ Deshalb müssen die Instrumente nach jedem Gebrauch für ca. 30 sec mit Wasser durchgespült werden, um Reste von Patientenmaterial auszuspülen ■ Anschließend wird die Sterilisation, vorzugsweise im Autoklaven, durchgeführt. ■ Zur Reduktion der Keimzahl (Zunahme von sog. Wasserkeimen bedingt durch die Wasserstagnation über Nacht bzw. über das Wochenende) in den Wasserleitungen, an die die Handstücke angeschlossen sind, werden zu Beginn jedes Arbeitstages die Handstücke abgenommen, damit das Wasser zum Ausspülen der Leitung für einige Minuten frei laufen kann [5]. Alle anderen intraoral angewendeten Instrumente, die mit der Behandlungseinheit und den Luft- und Wasserleitungen verbunden und abnehmbar sind, sollen ebenso wie die Handstücke aufbereitet werden. Dasselbe gilt für das Durchlüften bzw. -spülen der Luft- und Wasserleitungen, die die anderen Instrumente, z.B. auch die Speichelabsauger, versorgen. Maßnahmen im zahntechnischen Labor ■ Alle Gegenstände und Materialien, die im Mund des Patienten angewendet wurden (z.B. Abdruckmaterial, Prothesen), vor der Behandlung im Labor sowie im Anschluss daran, bevor sie in den Mund des Patienten eingesetzt werden, reinigen und desinfizieren ■ Die Entscheidung, welche Mittel eingesetzt werden sollen, nach Rücksprache mit dem Hersteller treffen, weil einzelne Materialien gegenüber chemischen Einflüssen sehr empfindlich sein können 279 Flächenreinigung und -desinfektion ■ Nach jeder Behandlung sämtliche glatten Flächen der Behandlungseinheit mit Reinigungslösung abwischen, bei Kontamination, z.B. durch den bei der Behandlung freigesetzten Sprühnebel, mit z.B. Alkohol desinfizieren ■ Ggf. schwer zu reinigende Flächen bei der Behandlung abdecken, um sie vor Kontamination infolge Aerosolbildung zu schützen ■ Alle übrigen Flächen im Behandlungsraum normalerweise mit Reinigungsmittel säubern, nach Kontamination mit Patientenmaterial kleine Flächen z.B. mit Alkohol desinfizieren Literatur 1. Barbeau J, ten Bokum L, Gauthier C, Prévost AP. Cross-contamination potential of saliva ejectors used in dentistry. J Hosp Infect 1998; 40: 303–311 2. Cleveland JL, Gooch BF, Lockwood SA. Occupational blood exposures in dentistry: a decade in review. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 717–721 3. Lewis DL, Boe RK. Cross-infection risks with current procedures for using high-speed dental handpieces. J Clin Microbiol 1992; 30: 401–406 4. Lewis DL, Arens M, Appleton SS, Nakashima K, Ryu J, Boe RK, Patrick JB, Watanabe DT, Suzuki M. Cross-contamination potential with dental equipment. Lancet 1992; 340: 1252–1254 5. Pankhurst CL, Philpott-Howard JN. The microbiological quality of water in dental chair units. J Hosp Infect 1993; 23: 167–174 6. Pitten F-A, Herdemann G, Kramer A.The integrity of latex gloves in clinical dental practice. Infection 2000; 28: 388–392 7. Whitener CJ, Hamory BH. Nosocomial infections in dental, oral, and maxillofacial surgery. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 719–728 280 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 6. Hinweise für verschiedene Krankenhausbereiche – Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung Zentrale Abteilungen für die Dekontamination sowie Desinfektion bzw. Sterilisation wiederverwendbarer Gegenstände (häufig ZSVA = zentrale Sterilgutversorgungsabteilung genannt, obwohl dort nicht nur Sterilgüter behandelt werden) haben den Vorteil, dass speziell geschultes Personal und leistungsfähige Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen sowie verschiedene Sterilisatoren zur Verfügung stehen, sodass bei guter Organisation der Abläufe ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet und gleichzeitig ökonomisch gearbeitet werden kann [1–3]. Die Abteilung ist zuständig für die Bereitstellung von desinfiziertem und sterilisiertem Material, dessen Verteilung auf die einzelnen Verbrauchsstellen sowie für Wartung, Reparatur, Lagerhaltung und Ersatzbeschaffung der Gegenstände. Eine gute wechselseitige Kooperation zwischen zentraler Aufbereitung und Verbrauchsstellen sowie klare Organisationsstrukturen sind wichtige Voraussetzungen für störungsfreie Abläufe. Die Betreuung der Abteilung durch die Krankenhaushygiene kann sich auf die Beratung bei besonderen Fragen beschränken, weil das leitende Personal der zentralen Aufbereitung speziell ausgebildet und deshalb am besten in der Lage ist, die Verund Entsorgung in allen Einzelheiten zu organisieren. Deshalb soll dieses Kapitel auch nur die Darstellung der wesentlichen Einzelheiten behandeln, um insbesondere hygienebeauftragten Ärzte einen Einblick in die Organisation einer solchen Abteilung zu geben. Genauere Informationen zu Reini- gung, Desinfektion und Sterilisation finden sich in Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“. Allgemeine organisatorische und baulich-technische Struktur Personal Umkleide ■ Betreten der Abteilung über die Umkleideräume und Anziehen der krankenhausüblichen Arbeitskleidung ■ Spezielle Bereichskleidung, die – wie in der Operationsabteilung – vor Verlassen der Abteilung ausgezogen werden soll, ist nicht erforderlich, aber relativ häufige Praxis ■ Vor Verlassen der Abteilung nach Arbeiten im unreinen Bereich die Arbeitskleidung wechseln, wenn sie nicht mehr sauber ist, z.B. weil nicht rechtzeitig eine flüssigkeitsdichte Schürze übergezogen wurde (gilt ebenso für Betreten des Aufenthaltsraumes) Zuordnung der Arbeitsplätze ■ Trennung der Arbeitsbereiche durch feste Zuordnung des Personals zu bestimmten Arbeitsplätzen, die nach Abschluss der einzelnen Tätigkeiten aber auch gewechselt werden können ■ Dadurch personelle Trennung von unreinem und reinem Bereich der Abteilung (siehe unten) Personalschutz Der Umgang mit nach Einsatz am Patienten kontaminierten Gegenständen bedeu- Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung tet, dass für das Personal ein grundsätzliches Infektionsrisiko besteht, das durch geeignete organisatorische Maßnahmen auf das erreichbare Minimum reduziert werden muss. Hinzu kommt, dass nicht nur kontaminierte, sondern häufig auch scharfe oder spitze Gegenstände gehandhabt werden müssen, sodass zusätzlich ein Verletzungsrisiko vorhanden ist, welches das das Infektionsrisiko erhöht. Zum Schutz des Personals müssen deshalb entsprechende Vorkehrungen getroffen werden: ■ Schutzkleidung, ggf. mit flüssigkeitsdichten Schürzen ■ Handschuhe ■ Ggf. Maske und Schutzbrillen bzw. Gesichtsschutz ■ Annahme des kontaminierten Materials so organisieren, dass möglichst kein direkter Kontakt besteht (z.B. kein Vorsortieren der Instrumente vor Beladung der Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen) ■ Bei Notwendigkeit der manuellen Reinigung und Desinfektion spezieller Gegenstände geeigneten Arbeitsplatz richten, an dem ausreichend Platz vorhanden und dadurch ungestörtes Arbeiten möglich ist ■ Regelmäßige Schulung des Personals im Umgang mit kontaminierten Gegenständen ■ Hepatitis B-Impfung Hygienemaßnahmen Händedesinfektion ■ Nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material ■ Nach Einräumen der Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (RDM) ■ Vor dem Verpacken ■ Nach Ausziehen von Handschuhen ■ Bei Übergang in den reinen Bereich 281 Handschuhe ■ Zur Vermeidung einer groben Kontamination der Hände ■ Bei Umgang mit scharfen oder spitzen Gegenständen ■ Bei Wunden an den Händen Maske ■ Wenn Verspritzen von potenziell infektiösem Material möglich ist (ggf. auch Schutzbrille oder Gesichtsschutz) ■ Im reinen Bereich beim Verpacken oder im Sterillager nicht erforderlich Kopfschutz ■ Bei Sortieren und Verpacken von dekontaminiertem Material für die Sterilisation ■ Sonst nur ggf. langes Haar zusammennehmen Flächenreinigung und -desinfektion ■ Flächen (inkl. Fußboden) normalerweise mit Reinigungsmittel wischen ■ Flächendesinfektion nur als gezielte Desinfektion nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material Besucher ■ Normalerweise brauchen sich Besucher nicht umzuziehen, sondern können die gesamte Abteilung in Straßenkleidung besichtigen (gilt auch für den Bereich des Sterillagers, weil die Besucher nur durchgehen und sich umschauen) ■ Besucher aus anderen ZSVAen ziehen sich dann um, wenn sie die einzelnen Arbeitsabläufe aus nächster Nähe betrachten wollen RLT-Anlage Eine mechanische Belüftung zur Regelung von Temperatur und Luftfeuchtig- 282 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen keit sowie zum Schutz des Personals bei Vorhandensein von Gassterilisatoren ist erforderlich, eine spezielle Filterung der Luft wie in Operationssälen jedoch nicht (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“). Organisation der Materialaufbereitung Die räumliche Aufteilung muss so organisiert sein, dass keine sich überschneidenden oder gegenläufigen Arbeitsabläufe entstehen, weil nur dadurch eine Re-Kontamination bereits dekontaminierter Gegenstände vermieden werden kann. Man findet deshalb immer eine Unterteilung in folgende Arbeitsbereiche: Unreiner Bereich ■ Anlieferungszone ■ RDM und Beladungsseite der Taktbandanlagen sowie Beladungsseite der Waschanlage für die Transportwagen ■ Arbeitsplätze für die manuelle Aufbereitung z.B. empfindlicher Gegenstände, die nicht maschinell dekontaminiert werden können Reiner Bereich ■ Entladeseite der Taktbandanlagen ■ Funktionsprüfung, Sortieren, Verpacken ■ Sterilisation mit Durchladesterilisatoren als Trennwand zum Sterillager ■ Ggf. Sterillager mit Materialausgabe an den Operationsbereich (z.B. über „reinen“ Aufzug, der auch vom Operationspersonal benutzt werden kann) ■ Versorgungszone Dekontamination Transport und Anlieferung Die Organisation der zentralen Aufbereitung beginnt bereits in den Verbrauchsstel- len, wo kontaminierte Gegenstände anfallen. Deshalb muss auch der Transport von der ZSVA geregelt werden: ■ Die Organisation der Entsorgung auf den Stationen muss den Schutz des dort arbeitenden Personals ebenfalls berücksichtigen: Kontaminierte Instrumente, bei deren Handhabung Verletzungsgefahr besteht, müssen sofort nach der Anwendung transportfähig entsorgt werden, sodass keine Manipulationen, z.B. manuelle Vorreinigung, mehr erforderlich sind. ■ Für den Transport geeignete verschließbare Behälter verwenden, um eine Kontamination von Personal und Umgebung sicher zu verhindern ■ Instrumente geöffnet und in der Regel trocken entsorgen, ggf. in Reinigungslösung einlegen, um Antrocknen von Blut etc. zu verhindern (Behälter mit gut schließendem Deckel verwenden und Lösung nur bis zu einem Drittel des Volumens auffüllen) ■ Transportbehälter müssen thermisch desinfizierbar sein, für die Transportwagen müssen spezielle Reinigungsanlagen vorhanden sein Ultraschallbad ■ Eingesetzt zur Verbesserung des Reinigungserfolges bei stark verschmutzten Gegenständen in Lösung mit speziellem Reinigungsmittel ■ Geeignet für Instrumente aus Edelstahl, empfindliche Instrumente aus der Mikrochirurgie etc. (Herstellerangaben beachten) Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen ■ Für thermostabile Gegenstände nur thermische Verfahren einsetzen, bei denen das Material mit Hilfe von Wasser, Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung Temperatur und Reinigungsmitteln vollautomatisch gereinigt und desinfiziert wird (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“) ■ Chemothermische Verfahren haben bei thermostabilem Material keine Vorteile, sondern sollen nur bei Gegenständen verwendet werden, die Temperaturen über 60 °C nicht aushalten, wie z.B. Endoskope ■ Für die korrekte Bestückung der Maschinen stehen speziell konzipierte Einsatzkörbe zur Verfügung, die eine zuverlässige Reinigung und Desinfektion auch sonst nur schwer zu reinigender Gegenstände, wie z.B. lange Schläuche, möglich machen Trocknen ■ Gegenstände, die in den RDM nicht vollständig trocken geworden sind, können anschließend in einen Trockenschrank gelegt werden, bevor sie verpackt oder gelagert bzw. an die Verbrauchsstellen zurückgegeben werden. ■ Gegenstände mit Lumen werden innen mit Druckluft getrocknet. Funktionsprüfung, Sortieren und Verpacken ■ Nach Dekontamination und Trocknung werden die Gegenstände auf Funktionstüchtigkeit überprüft und ggf. mit speziellen Pflegemitteln behandelt; beschädigte Gegenstände werden aussortiert. ■ Anästhesiezubehör und anderes Material, das nicht sterilisiert werden muss, z.B. in saubere Tücher einschlagen oder in Staubschutzbeutel legen ■ Gegenstände, die sterilisiert werden müssen, entweder in Sterilisierfolie einschweißen oder in speziellen Containern verpacken 283 Sterilisation ■ Thermostabile Gegenstände werden autoklaviert oder ggf. mit Heißluft sterilisiert ■ Bei thermolabilen Gegenständen werden Niedertemperaturverfahren angewendet, wobei heute als Gassterilisation fast nur das Verfahren mit Formaldehyd, in letzter Zeit aber zunehmend auch die Plasmasterilisation verwendet werden. Überprüfung der RDM und Sterilisatoren Zu den Aufgaben des Personals der Abteilung gehört die Überprüfung der Maschinen, für die sie verantwortlich sind, also der Automaten für Reinigung und Desinfektion sowie der Apparate für die Sterilisation. Das Personal der Krankenhaushygiene soll hier selbstverständlich beratend zur Seite stehen, wenn dies gewünscht wird. Die Überprüfung der Apparate soll aber nicht zu den wesentlichen Aufgaben der Hygienefachkräfte gehören, weil ihre Kapazitäten für die Bereiche der Infektionsprävention im Krankenhaus benötigt werden, für die es sonst kein speziell ausgebildetes Personal gibt. Literatur 1. Krüger S, Frey R. Qualitätsmanagement in der zentralen Sterilgutversorgung in einem deutschen Klinikum. Zentral Steril 1996; 4: 369–381 2. Martin MA. Nosocomial Infections related to patient care support services: dietetic services, central services department, laundry, respiratory care, dialysis, and endoscopy. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3.Auflage,Williams & Wilkins, Baltimore, 1997, 647–688 3. Pugliese G, Hubbard CA. Central services, linen and laundry. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 325–332 284 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 7. Umgebung des Patienten In der sog. unbelebten Umgebung eines Krankenhauses sind normalerweise mikrobielle Kontaminationen vorhanden. So lassen sich patientennah und -fern auf Gegenständen aller Art Bakterien nachweisen. Meist kommen sie als Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen nicht in Betracht. Sie können aber potenziell zu einem Risiko werden, wenn sie mit Körperstellen des Patienten in Kontakt kommen, die vor einer Kontamination geschützt werden müssen.Auf die verschiedenen Bereiche in der Umgebung des Patienten, die mit Infektionsrisiken verbunden sein können, soll im Folgenden hingewiesen werden. Wasser Wasserkeime, vor allem Gram-negative Stäbchen, wie Pseudomonas spp., Acinetobacter spp., aber auch atypische Mykobakterien und Legionellen, kommen in wechselnder Häufigkeit und Keimzahl im Leitungswasser vor (innerhalb wie außerhalb von Krankenhäusern) [5, 20, 24, 27, 29]. Sofern aber der Richtwert der Trinkwasserverordnung von 100 KBE/ml nicht (wesentlich) überschritten wird (und weder E. coli noch koliforme Bakterien als Hinweis auf fäkale Verunreinigung nachweisbar sind), kann Trinkwasser als unbedenklich angesehen werden. Bei der Verwendung von Leitungswasser in der Krankenversorgung können aber mit diesen normalen Kontaminationen u.U. Probleme verbunden sein, weshalb bei bestimmten Patienten Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll sind (die besonderen Maßnahmen bei der Behandlung von Wasser für die Dialyse, bei der Endoskopie und für Schwimmbäder sind in Kapitel B.6 „Dialyse“, „Endoskopie“ und „Physiotherapie“ behandelt). Waschwasser Bei schwerkranken Patienten mit offenen Hautstellen (z.B. Wunden, Verbrennungen) kann es nach Kontakt mit kontaminiertem Leitungswasser zu lokalen oder systemischen Infektionen durch die an sich wenig virulenten Gram-negativen Wasserkeime kommen. Bei solchen Patienten sollte der direkte Hautkontakt mit Leitungswasser nach Möglichkeit vermieden werden. So kann man dem Waschwasser von Traumapatienten mit großflächigen Hautabschürfungen PVP-Jod-Lösung in einer Verdünnung von 1:100 zusammen mit einem pflegenden Badezusatz als Schutz vor zu starker Austrocknung der Haut zusetzen. Für immunsupprimierte Patienten besteht erhöhtes LegionellenRisiko bei Verwendung von Leitungswasser besonders für die Mund- und Gesichtspflege (siehe Kapitel B.5 „Legionellose“ und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“) [5]. Auch Flüssigseife kann kontaminiert werden [26]. Dies muss schon beim Einkauf berücksichtigt werden, indem nur Produkte mit wirksamen Konservierungsstoffen ausgewählt werden sollen. Der Hersteller muss außerdem zusichern, dass die Zusammensetzung des Produkts für die Laufzeit des Vertrages nicht geändert wird. Da ferner auch moderne, berührungsfreie Was- Umgebung des Patienten serarmaturen nicht vor einer Kontamination am Wasserauslass geschützt sind, sind im Umgang mit dem daraus entnommenen Wasser die gleichen Vorsichtsmaßnahmen erforderlich [12]. Wird bei der präoperativen Händedesinfektion antimikrobielle Flüssigseife verwendet, kann zum Abspülen der Seife aber dennoch Leitungswasser verwendet werden, weil die Keimzahlen gering sind und die Hände außerdem abgetrocknet werden, wodurch die Keimzahl reduziert wird. Es gibt außerdem keine Hinweise darauf, dass in Ländern, wie z.B. Großbritannien, in denen traditionell antimikrobielle Flüssigseifen anstelle von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln verwendet werden, postoperative Infektionen im Operationsgebiet häufiger durch sog. Wasserkeime verursacht würden als z.B. in Deutschland, wo Alkohol der Standard ist (siehe Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). Strahlregler Am Auslass des Wasserhahns angebracht bewirken Strahlregler einen gerichteten Wasserstrahl und haben zusätzlich durch Zumischung von Luft einen wassersparenden Effekt. Bei Siebstrahlreglern sammeln sich jedoch auf den Sieben Konkremente aus der Wasserleitung (z.B. Kalk, Schmutzpartikel) an. Durch diese Verunreinigungen wird das Wachstum von Wasserkeimen gefördert [13, 15, 30]. Deshalb sollen Siebstrahlregler regelmäßig (z.B. 1×/Woche) abgenommen und gereinigt werden (z.B. Geschirrspülmaschine), damit sie in Risikobereichen, wie z.B. Intensivstationen, nicht zu einem Erregerreservoir werden können. Als besser geeignete Alternative stehen Lamellenstrahlregler zur Verfügung, die anstelle eines horizontalen Siebes radiär angeordnete, senkrecht stehende Lamel- 285 len haben. Auch sie müssen jedoch regelmäßig gereinigt werden, weil die Bildung mikrobieller Biofilme unvermeidlich ist. Fließt der Wasserstrahl auch ohne Strahlregler gleichmäßig und ohne Verspritzen, kann man auch darauf verzichten. In Hochrisiko-Bereichen muss sich das Personal dem potenziellen Risiko der Kontamination der Hände durch das Leitungswasser bewusst sein. Nach Kontakt mit Leitungswasser müssen die Hände gut getrocknet werden; vor allem aber muss vor Tätigkeiten, bei denen kontaminationsfrei gearbeitet werden muss (z.B. Richten von Infusionsflaschen), eine Händedesinfektion durchgeführt werden. Eismaschinen Da Eismaschinen an das Leitungswassernetz angeschlossen sind, muss das Eis immer als potenziell kontaminiert angesehen werden [4, 5, 24, 31]. Es soll deshalb nicht zur Kühlung von Getränken bei stark abwehrgeschwächten Patienten verwendet werden (dies gilt im Übrigen ebenfalls für Eis, das im Eisfach des Kühlschrankes aus nicht abgekochtem Leitungswasser hergestellt wird). Auch ein direkter Kontakt mit Wunden (z.B. sekundär heilende Operationswunden, Dekubituspflege, Physiotherapie) darf nicht zustande kommen. Für die Physiotherapie kann z.B. Eis in wasserdichten Plastikbeuteln angewendet werden. Zur Flächenkühlung, z.B. bei Intensivpatienten, sollte man dem Eiswasser PVP-Jod-Lösung zugeben (siehe oben „Waschwasser“). Eismaschinen müssen regelmäßig gereinigt werden. Dazu muss der Eisbehälter z.B. einmal pro Woche entleert, mit Reinigungslösung ausgewischt und anschließend gründlich ausgespült werden [4]. Das Eis kann aber auch exogen bei der Entnah- 286 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen me kontaminiert werden, weil sowohl Bakterien als auch Protozoen tiefe Temperaturen überleben (Übertragungen von z.B. Lamblien durch Eis, das zur Kühlung von Getränken verwendet wurde, sind beschrieben [21]). Zur Vermeidung exogener Kontaminationen muss Folgendes beachtet werden [4, 5]: ■ Vor Entnahme Händedesinfektion ■ Eis nur mit dafür vorgesehener Schaufel entnehmen (dabei nur am Griff anfassen) ■ Schaufel nicht in der Eismaschine liegen lassen oder mit dem Griff ins Eis stecken, sondern außerhalb trocken und sauber lagern Wasserbad Wegen der normalen Kontamination des Leitungswassers müssen bei der Verwendung von Wasserbädern besondere Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, da durch die erhöhte Temperatur das Wachstum von Wasserkeimen noch gefördert wird [5, 24]: ■ Beim Auftauen oder Anwärmen von Blut oder Blutprodukten muss ein Kontakt des Wassers mit den Beuteln verhindert werden. Deshalb müssen die Blutbeutel etc. zuvor in einen Schutzbeutel eingeschweißt werden. ■ Außerdem müssen die Wannen der Wasserbäder in kurzen Abständen (mindestens einmal pro Woche) gründlich gereinigt werden, weil es unvermeidlich zur Bildung von Biofilmen durch Wasserbakterien kommt (Ausbrüche nosokomialer Infektionen z.B. mit Pseudomonas spp. oder Acinetobacter spp. im Zusammenhang mit Wasserbädern sind beschrieben). Wegen dieser Problematik sollten generell nur noch wasserfrei arbeitende Geräte zum Anwärmen von Blutkonserven etc. verwendet werden. Wasser für Vernebler Beim Vernebeln von Flüssigkeiten entstehen Aerosole, die vom Patienten inhaliert werden und bis in die tiefen Atemwege gelangen können (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [5]. Leitungswasser darf deshalb nicht zum Befüllen der Wasserreservoire verwendet werden, sondern es ist immer steriles Wasser erforderlich. Vernebler müssen außerdem komplett auseinander zu nehmen und thermisch desinfizierbar sein (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“), weil natürlich auch bei Verwendung von sterilem Wasser exogene Kontaminationen möglich sind. Blumenwasser Das Wasser von Blumenvasen enthält schon nach kurzer Zeit sehr hohe Keimzahlen von vor allem Gram-negativen Bakterien [5, 24]. Nach Versorgung von Schnittblumen müssen deshalb die Hände gewaschen werden. Patienten sollen ihre Blumen möglichst nicht selbst versorgen, und schwer abwehrgeschwächte Patienten sollen gar keine Blumen (aber auch keine Topfpflanzen) im Zimmer haben (siehe dazu auch Kapitel B.5 „Aspergillose“ und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“). Oberflächen Über die Bedeutung und Behandlung von Oberflächen im Krankenhaus als potenzielles Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen gibt es unter Krankenhaushygienikern teilweise sehr konträre Ansichten; die Auseinandersetzungen haben bisher aber nur wenig dazu beigetragen, Klarheit darüber zu erhalten, welche Kontamina- Umgebung des Patienten tionen ein Risiko für den Patienten darstellen können und welche Dekontaminationsmaßnahmen demzufolge sinnvoll bzw. erforderlich sind. Unbestritten ist, dass es in einem Krankenhaus sauber sein muss [6, 7]. Differenzen gibt es darüber, ob für die routinemäßigen Reinigungsmaßnahmen von Oberflächen lediglich Reiniger verwendet werden können oder ob Desinfektionsmittel (mit Reinigungskomponente) erforderlich sind [5, 8, 25, 28]. Decken, Wände, Oberflächen von Möbeln und Fußböden sind immer mikrobiell kontaminiert. Bei üblichen Kontakten und bei Einhaltung der Regeln der Asepsis während invasiver Maßnahmen ist damit jedoch kein Infektionsrisiko verbunden [5]. Insbesondere wichtig ist zweifellos die Händehygiene, denn die meisten Erregerübertragungen kommen durch die Hände des Personals zustande. Kontaminierte Flächen können unbestritten zu einer Kontamination der Hände des Personals führen. Sie können aber eindeutig bei weitem nicht so häufig und so leicht dekontaminiert werden wie die Hände. Deshalb kann die Dekontamination von Flächen als eine Maßnahme, die in den meisten Krankenhausbereichen nur einmal täglich und auch in Hochrisiko-Bereichen routinemäßig nur zwei- bis höchstens dreimal am Tag durchgeführt wird, über deren Sauberkeit hinaus für den Schutz des Patienten gar nicht eine so hohe Bedeutung haben wie die der Hände. Für die Dekontamination wären deshalb normalerweise Reinigung und Trocknung ausreichend (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“), denn schon kurze Zeit nach einer Flächendesinfektion sind die Ausgangskeimzahlen wieder erreicht [1]. Da die mikrobielle Kontamination von Oberflächen in der Nähe der Patienten 287 bzw. deren Re-Kontamination nicht zu verhindern ist, muss man durch ein geeignetes Reinigungsregime sicherstellen, dass die Bedingungen für die Mikroorganismen so ungünstig sind, dass sie sich nicht vermehren können. Dies ist schon allein durch Reinigungsmaßnahmen zu erreichen: saubere und glatte Oberflächen ohne Rückstände, wie Sekrete oder Exkrete, durch die das Bakterienwachstum gefördert werden kann, können aus mikrobiologischer Sicht für die normalen Kontakte bei der Patientenversorgung als sicher betrachtet werden, solange die Regeln der Asepsis im Umgang mit kritischen Gegenständen beachtet werden. Solange es keine Flächendesinfektionsmittel mit persistierender Wirkung gibt, kann man deshalb auch mit einer routinemäßigen Desinfektion keine höhere Sicherheit erreichen. Vielmehr müssen saubere Flächen – ob gereinigt oder desinfiziert – schon bald im Anschluss an die Maßnahme wieder als kontaminiert betrachtet werden, und das bedeutet, dass kritische Gegenstände und die Hände des Personals bei Kontakt ebenfalls kontaminiert werden können. Gelegentlich wird als Argument für die routinemäßige Verwendung von Desinfektionsmitteln bei der täglichen Reinigung von Oberflächen im Krankenhaus angeführt, dass mit der chemischen Desinfektion eine insuffizient durchgeführte Reinigung ausgeglichen werden könnte. Aber auch Desinfektionsmittel können nur auf Flächen wirken, auf denen sie angewendet werden, und wenn nicht überall gewischt wird, kann auch das Desinfektionsmittel nicht überall wirken. Die heute in Krankenhäusern in vielen Fällen zu beobachtenden Einsparungsversuche im Reinigungsmanagement können nicht durch eine routinemäßige Anwendung von Flä- 288 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen chendesinfektionsmitteln kompensiert werden. Andererseits ist das Einsparungspotenzial durch Verzicht auf die routinemäßige Anwendung von Desinfektionsmitteln bei der Flächenreinigung gemessen am Gesamthaushalt eines Krankenhauses ein unbedeutender Faktor. Ob Reinigung von Flächen im Krankenhaus oder Desinfektion: es gibt Argumente dafür und dagegen, aber keinen Anlass, diese Frage zu einer Ideologie aufzubauen. Vor diesem Hintergrund erscheint es unangebracht, über Teppichböden oder textile Wandbeläge in Krankenhäusern nachzudenken. Die Frage taucht jedoch gelegentlich auf, wenn auch mehr aus dem Bereich von Rehabilitationseinrichtungen. Gegen eine textile Oberflächenausstattung sprechen sowohl praktische als auch ästhetische Gründe, weil unvermeidlich Flecken entstehen, die meist nicht zufrieden stellend entfernt werden können [5]. Deshalb sind sie nicht empfehlenswert. Bauliche Struktur Die bauliche Konzeption eines Krankenhauses oder einzelner Bereiche, wie Operationsabteilungen und Intensivstationen, erfordert eine sorgfältige Planung, an der von Anfang an auch der zuständige Krankenhaushygieniker beteiligt sein muss (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“). Insgesamt aber stehen dabei Anforderungen aus hygienischer Sicht nicht im Mittelpunkt, sondern stellen einen wesentlichen Aspekt unter vielen anderen dar [5, 17, 18, 23]. Das bedeutet, dass die baulichen Gegebenheiten eines Krankenhauses keinen direkten Einfluss auf das Infektionsrisiko der dort versorgten Patienten haben. Die bauliche Struktur kann lediglich einen Beitrag dabei leisten, die Anforderungen der Hygiene bei der Patientenversorgung leichter zu realisieren. Vorrangig ist, dass ausreichend Platz vorhanden ist. So wird in geräte- und personalintensiven Bereichen, wie Intensivmedizin und Dialyse, wesentlich mehr Fläche für die Versorgung eines einzelnen Patienten benötigt als auf Normalstationen. Ferner muss die Anordnung der einzelnen Räume den praktischen Erfordernissen gerecht werden, und die Beschaffenheit der Oberflächen muss den notwendigen Reinigungs- und Desinfektionmaßnahmen entsprechen. Zusammen mit Planern und Nutzern muss bei Neu- oder Umbauten der Krankenhaushygieniker die aus der Sicht der Infektionsprävention erforderlichen Aspekte realisieren. Da die ökonomischen Auswirkungen baulicher und technischer Anforderungen groß sind, müssen für kostenträchtige Maßnahmen Belege vorhanden sein, die ihren Nutzen bei der Infektionsprävention zeigen können (siehe Kapitel B.8 „Raumlufttechnische Anlagen“). Ob neues oder altes Krankenhaus, entscheidend ist, dass das Personal bei der Versorgung der Patienten die Regeln der Standard-Hygiene und ggf. der Asepsis beachtet. Bauliche Gegebenheiten können kein optimales Personalverhalten erzwingen, haben also lediglich unterstützende Funktion beim Schutz der Patienten vor Infektionen. Technische Einrichtungen Dass technischer Fortschritt für den Menschen auch negative Seiten hat, ist nur zu gut bekannt. Dies gilt auch für die Entwicklungen der Medizin. Technische Einrichtungen haben neben vielen tatsächlichen Fortschritten für den Menschen aber auch gesundheitliche Risiken gebracht, von denen in diesem Abschnitt einige Infektionsrisiken behandelt werden sollen, Umgebung des Patienten die erst durch die Entwicklungen der Technik überhaupt möglich wurden. Legionellenrisiko Wahrscheinlich gibt es seit Urzeiten im Wasser Legionellen; als Infektionserreger relevant und entdeckt wurden sie aber erst vor ca. 25 Jahren (siehe Kapitel B.5 „Legionellose“). Seither wurde über eine Vielzahl von Legionellen-Infektionen im Zusammenhang mit Klimaanlagen und Kühltürmen berichtet, wenngleich trotz der zahlreichen Berichte Legionellen-Infektionen immer noch sehr seltene Erkrankungen sind. Diese Erkrankungen wurden aber erst möglich durch technische Einrichtungen, mit denen die im Wasser natürlicherweise in sehr geringer Keimzahl vorkommenden Legionellen zum einen vermehrt, zum anderen in effektiver Weise verteilt werden können, sodass diese Bakterien überhaupt erst mit den entscheidenden empfänglichen Körperregionen des Menschen in Kontakt kommen konnten, an denen sie zu Infektionen führen können [3]. Bevor also der Mensch sich Klimaanlagen baute, die wiederum Rückkühlwerke oder Kühltürme benötigen, gab es für die Legionellen wenig Gelegenheit, sich im Wasser unter optimalen Temperaturbedingungen zu vermehren und außerdem aus diesen Wasserreservoiren in einer Form freigesetzt zu werden, in der sie bis in die tiefen Atemwege inhalierbar und somit für den Menschen infektiös sind. Natürlich bieten auch Trinkwasserleitungen, insbesondere die Warmwasserleitungen, Legionellen bereits begünstigende Bedingungen; aber von dort werden sie bei üblicher Nutzung des Trinkwassers kaum mit einer relevanten Aerosolproduktion freigesetzt. Deshalb eignet sich der normale Umgang mit Wasser aus dem Trinkwassernetz nicht für die Auslösung von Ausbrüchen; vielmehr wurden 289 diese erst durch eine Freisetzung großer Aerosolmengen ausgelöst, die man z.B. bei Kühltürmen beobachten kann. Angesichts der Vielzahl von Kühltürmen aber – und das muss unbedingt berücksichtigt werden – sind Legionellen-Ausbrüche eine Rarität [3]. Auch vergleichsweise einfache technische Einrichtungen, die zur Entspannung und Erholung genutzt werden, wie Whirlpools, können zu einer Freisetzung inhalierbarer Wassertröpfchen führen [2]. Da man sich als Nutzer eines solchen Pools mit seinen Atemwegen nur wenig über der Wasseroberfläche befindet und da häufig bei diesen Anlagen rezirkuliertes Wasser, d.h. Wasser mit einer vermutlich eher hohen Keimzahl (auch anderer Wasserbakterien), verwendet wird, hat man während des Bades im Whirlpool genügend Gelegenheit, winzige lungengängige Wassertröpfchen zu inhalieren, die, wenn sie Legionellen enthalten, ein potenzielles Infektionsrisiko darstellen, das ohne das angenehme Sprudeln des Wassers in einem normalen Wannenbad nicht vorhanden wäre. Aerogene Übertragung von Virusinfektionen Es gibt einige Berichte über die aerogene Übertragung von häufigen Virusinfektionen, vor allem von sog. Kinderkrankheiten, bei denen die Übertragung der Erreger auf die – z.T. fehlerhafte – Funktion der vorhandenen Klimaanlagen zurückgeführt wurde (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) [z.B. 10, 11, 14, 16]. Diese Berichte werden in vielen Publikationen angeführt, um zu belegen, dass z.B. das Varizella-Zoster-Virus aerogen übertragen wird. Dabei kann man aus den Berichten an sich nur schlussfolgern, dass unter den Bedingungen der in diesen Fällen existenten ungünstigen Strömungsbedingungen verursacht durch die vorhandenen Klima- 290 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen anlagen die Erreger dieser Erkrankungen aerogen übertragen werden können [z.B. 11, 16]. Der weitergehende Schluss aber, Varizellen seien auch unter natürlichen Bedingungen aerogen übertragbar, ist nicht belegt. In Kinderkliniken oder Kinderarztpraxen wurden lange Zeit „Infektionskontrollmaßnahmen“ praktiziert, die das reale Übertragungsrisiko via Luft bei weitem überschätzen (z.B. Abkleben der Zimmertüren, Auslüften des Personals an der frischen Luft auf speziell zu diesem Zweck gebauten Balkonen vor den Patientenzimmern). Unter normalen Bedingungen kommt bei den viralen Kinderkrankheiten die Übertragung via Kontakt wesentlich mehr in Betracht als der prinzipiell mögliche aerogene Infektionsweg. Ist aber einmal die Möglichkeit der aerogenen Übertragung genannt, steht sie absolut im Mittelpunkt – und die Gefahr ist gegeben, dass die beteiligten Personen sich zwar Masken aufsetzen, aber nicht genügend Wert auf die Händehygiene legen. Denn immer, wenn von der Möglichkeit einer aerogenen Erregerübertragung die Rede ist, wird diese Form der Übertragung für die gefährlichste gehalten. Dies ist wahrscheinlich nicht zutreffend; es würde vermutlich eine umfangreiche Literaturübersicht erfordern, dies zu belegen. Bei der Patientenversorgung im Krankenhaus muss man aber immer dann mit einem erhöhten Risiko für eine aerogene Übertragung solcher Infektionen rechnen, wenn man Patienten zu versorgen hat, die aufgrund einer Schwäche der körpereigenen Abwehr schwere Infektionen, insbesondere mit Lungenbeteiligung entwickelt haben. Unter diesen Bedingungen werden mit Sicherheit wesentlich mehr Erreger in die Umgebung freigesetzt als bei einer normal verlaufenden Infektion im Kindesalter. Bei einem der Berichte lag aber noch nicht einmal eine so schwere lebensbedrohliche Infektion vor, sondern es handelte sich um ein größeres Kind, das einen sehr ausgedehnten Varizellenbefall des Körpers hatte [11]. Die abgefallenen Krusten waren offenbar so zahlreich auf den Boden gefallen, dass die Mutter den Einsatz eines Staubsaugers durchsetzte, obwohl es auch in diesem Krankenhaus, wie in den meisten, eine Regelung gab, die den Gebrauch von Staubsaugern in Patientenbereichen nicht zuließ. So wurde eine vergleichsweise kleine (und im Haushalt segensreiche) technische Einrichtung, wie ein Staubsauger, zusammen mit einer nicht optimal funktionierenden Klimaanlage (die Patientenzimmer standen im Überdruck zu den angrenzenden Räumen) zu einem Infektionsrisiko, insbesondere für all diejenigen, die an jenem Nachmittag in der fraglichen Zeit des Staubsaugereinsatzes auf dem Stationsflur waren. Aus einem solchen Geschehen den Schluss zu ziehen, Windpocken seien aerogen übertragbar, ist eine unzulässige Simplifizierung eines komplexen Sachverhalts. Nicht nur bei der Übertragung von Legionellen also können Klimaanlagen dazu führen, eine Erregerübertragung möglich zu machen, die es sonst wohl nicht gäbe. Wichtig ist deshalb, insbesondere wenn Klimaanlagen vorhanden sind, sicherzustellen, dass die Strömungsverhältnisse korrekt sind [19, 22]. Das bedeutet bei Zimmern für Patienten mit einer potenziell aerogen übertragbaren Infektion (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege), dass diese im Unterdruck zu den angrenzenden Räumen stehen, und bei Zimmern für Patienten, die vor aerogen vorkommenden potenziell pathogenen Erregern geschützt werden sollen (wie immunsupprimierte Patienten vor Aspergillen), dass diese einen Überdruck zu den angrenzenden Räu- Umgebung des Patienten men aufweisen. Die Druckverhältnisse müssen regelmäßig und offenbar relativ häufig kontrolliert werden [19]. Diese immanenten Risiken müssen also schon der der Planung der Anlagen berücksichtigt werden, damit ihre prinzipiellen Vorteile nicht zum Nachteil werden. Umgebungsuntersuchungen Routinemäßige Untersuchungen in der Umgebung der Patienten haben nur dort eine Berechtigung, wo ihre Ergebnisse auf ein konkretes Infektionsrisiko hinweisen könnten [5]. Unter diesem Aspekt erscheinen die im Folgenden genannten Untersuchungen sinnvoll, die meist viertel- bis halbjährlich durchgeführt werden können: ■ Überprüfung von Endoskopen ■ Sterilisatoren ■ Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen (nur Geräte für Materialien, die anschließend nicht mehr sterilisiert werden) ■ Dialysat ■ Schwimmbadwasser Alle anderen Untersuchungen sollten nur gezielt bei konkreten Fragestellungen durchgeführt werden, z.B. Ausbruch mit A-Streptokokken. Ungezielte routinemäßige Umgebungs- und Personaluntersuchungen sind nicht sinnvoll, weil sie meist nicht interpretierbar sind und deshalb eher Verwirrung stiften, außerdem unnötige Arbeitszeit für das Personal, das sie durchführen muss (Hygienefachkräfte, Laborpersonal), bedeuten und demzufolge mit einem nicht zu vertretenden finanziellen Aufwand verbunden sind. 291 nen ein zumindest teilweise selbstständiges Leben zu ermöglichen. Infektionsrisiken sind damit in aller Regeln nicht verbunden [5, 9]. Blindenhunde Blindenhunde müssen beispielsweise bei Ambulanzbesuchen mit in das Gebäude genommen werden, weil die blinden Patienten auf ihre Führung angewiesen sind. Voraussetzungen dafür sind, dass die Hunde ■ gegen Tollwut geimpft sind, ■ keine Flöhe und Würmer haben und ■ bei länger erforderlichen Aufenthalten regelmäßig ausgeführt werden können. Hundebesuch Besonders in Kinderabteilungen wird gelegentlich darum gebeten, dass der Hund der Familie zu Besuch kommen kann. Im Gegensatz zum Blindenhund ist dies eher problematisch, weil ein Hund, der als Haustier gehalten wird, nicht wie ein Blindenhund speziell erzogen und trainiert ist. Wenn die oben für Blindenhunde genannten Voraussetzungen erfüllt wären, könnte man aber zu Recht bei einem z.B. von den Eltern überwachten Hundebesuch ein Infektionsrisiko verneinen. Da sich die Frage nach einem Hundebesuch aber insbesondere bei lange hospitalisierten Kindern stellt, die meist auch abwehrgeschwächt sind, fällt die Entscheidung dafür oder dagegen besonders schwer. Letztlich sollte man sich nach der im individuellen Fall gegebenen Situation richten und nicht schematisch entscheiden. Tiere Kleintiere im Käfig Bei verschiedenen Behinderungen des Menschen können Tiere wichtige Hilfsfunktionen übernehmen, um den Betroffe- In kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen, in denen die Patienten teilweise sehr lange versorgt werden müssen, taucht 292 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen manchmal die Frage auf, ob ein Kleintier, das der Patient zu Hause in einem Käfig hat (z.B.Vogel oder Hamster), in die Klinik geholt werden kann. Meist geht es dabei nicht nur darum, dass das Kind sehr an diesem Tier hängt, sondern auch darum, dass mit der eigenverantwortlichen Versorgung des Tieres ein therapeutisches Ziel verfolgt wird. Ist die Überwachung einer solchen Tierhaltung im Krankenhaus durch das Personal der Station gesichert, gibt es dagegen aus hygienischer Sicht keine Einwände. 11. 12. 13. Literatur 1. Ayliffe GAJ, Collins BJ, Lowbury EJL, Babb JR, Lilly HA. Ward floors and other surfaces as reservoirs of hospital infection. J Hyg, Camb 1967; 65: 515–537 2. Baron PA, Willeke K. Respirable droplets from whirlpools: measurements of size distribution and estimation of disease potential. Environ Res 1986; 39: 8–18 3. Breiman RF. Impact of technology on the emergence of infectious diseases. Epidemiol Rev 1996; 18: 4–9 4. Burnett IA, Weeks GR, Harris DM. A hospital study of ice-making machines: their bacteriology, design, usage and upkeep. J Hosp Infect 1994; 28: 305–313 5. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Draft guideline for environmental infection control in healthcare facilities, 2001. www.cdc.gov/ 6. Collins BJ. The hospital environment: how clean should a hospital be? J Hosp Infect 1988; 11, Suppl. A: 53–56 7. Dancer SJ. Mopping up hospital infection. J Hosp Infect 1999; 43: 85–100 8. Dharan S, Mourouga P, Copin P, Bessmer G, Tschanz B, Pittet D. Routine disinfection of patients’ environmental surfaces. Myth or reality? J Hosp Infect 1999; 42: 113–117 9. Duncan SL, the 1997, 1998, and 1999 APIC Guidelines Committees. APIC state-of-theart report: the implications of service animals in health care settings. Am J Infect Control 2000; 28: 170–180 10. Ehresmann KR, Hedberg CW, Grimm MB, Norton CA, MacDonald KL, Osterholm MT. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. An outbreak of measles at an international sporting event with airborne transmission in a domed stadium. J Infect Dis 1995; 171: 679– 683 Gustafson TL, Lavely GB, Brawner ER Jr, Hutcheson RH Jr, Wright PF, Schaffner W. An outbreak of airborne nosocomial varicella. Pediatrics 1982; 70: 550–556 Hargreaves J, Shireley L, Hansen S, Bren V, Fillipi G, Lacher C, Esslinger V,Watne T. Bacterial contamination associated with electronic faucets: a new risk for healthcare facilities. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 202–205 Hoque SN, Graham J, Kaufman ME, Tabaqchali S. Chryseobacterium (Flavobacterium) meningosepticum outbreak associated with colonization of water taps in a neonatal intensive care unit. J Hosp Infect 2001; 47: 188– 192 Josephson A, Gombert ME. Airborne transmission of nosocomial varicella from localized zoster. J Infect Dis 1988; 158: 238–241 Kappstein I, Grundmann H, Hauer T, Niemeyer C. Aerators as a reservoir of Acinetobacter junii: an outbreak of bacteraemia in paediatric oncology patients. J Hosp Infect 2000; 44: 27–30 Leclair JM, Zaia JA, Levin MJ, Congdon RG, Goldman DA. Airborne transmission of chickenpox in a hospital. N Engl J Med 1980; 302: 450–453 Maki DG, Alvarado CJ, Hassemer CA, Zilz MA. Relation of the inanimate hospital environment to endemic nosocomial infection. N Engl J Med 1982; 307: 1562–1566 Mueller Bartley J, the 1997, 1998, and 1999 APIC Guidelines Committees. APIC stateof-the-art report: the role of infection control during construction in health care facilities. Am J Infect Control 2000; 28: 156–169 Pavelchak N, DePersis RP, London M, Stricof R, Oxtoby M, DiFerdinando G Jr, Marshall E. Identification of factors that disrupt negative air pressurization of respiratory isolation rooms. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 191–195 Pitten F-A, Rudolph P, Kramer A. Mikrobiologische Qualität von Trinkwasser in Risikobereichen – Die Probenahme entscheidet über das Ergebnis. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2001; 44: 155–158 Umgebung des Patienten 21. Quick R, Paugh K, Addiss D, Kobayashi J, Baron R. Restaurant-associated outbreak of giardiasis. J Infect Dis 1992; 166: 673–676 22. Rice N, Streifel A,Vesley D.An evaluation of hospital special-ventilation-room pressures. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 19– 23 23. Rotter M. Bauliche Maßnahmen und Krankenhaushygiene. Krankenhauspharmazie 1989; 10: 213–216 24. Rutala WA,Weber DJ.Water as a reservoir of nosocomial pathogens. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 609–616 25. Rutala WA, Weber DJ. Surface disinfection; should we do it? J Hosp Infect 2001; 48, Suppl. A: 64–68 26. Sartor C, Jacomo V, Duvivier C, Tissot-Dupont H, Sambuc R, Drancourt M. Nosocomial Serratia marcescens infections associated with extrinsic contamination of a liquid non- 27. 28. 29. 30. 31. 293 medicated soap. Infect Control Hosp Epidemiol 2000; 21: 196–199 Schubert R. Die patientennahe Wasserversorgung. Hyg Med 2001; 26: 231–234 Talon D. The role of the hospital environment in the epidemiology of multi-resistant bacteria. J Hosp Infect 1999; 43: 13–17 Warris A, Gaustad P, Meis JFGM, Voss A, Verweij PE,Abrahamsen TG. Recovery of filamentous fungi from water in a paediatric bone marrow transplantation unit. J Hosp Infect 2001; 47: 143–148 Weber DJ, Rutala WA, Blanchet CN, Jordan M, Gergen MF. Faucet aerators: a source of patient colonization with Stenotrophomonas maltophilia. Am J Infect Control 1999; 27: 59–63 Wilson IG, Hogg GM, Barr JG. Microbiological quality of ice in hospital and community. J Hosp Infect 1997; 36: 171–180 294 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 8. Raumlufttechnische Anlagen Neben der Aufgabe der Klimatisierung (Belüftung, Befeuchtung, Erwärmung) von Räumen in großen Gebäuden haben raumlufttechnische (RLT-)Anlagen, sog. Klimaanlagen, auch Bedeutung bei der Infektionsprävention. Einerseits kann man durch spezielle Filterung einzelnen Räumen oder Gebäudebereichen nahezu keimfreie Luft zuführen (z.B. Operationssälen), andererseits kann man in Räumen für Patienten mit potenziell aerogen übertragbaren Infektionen (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege) durch eine mechanische Belüftung eine Verdünnung der Luftkeimkonzentration bewirken und durch Unterdruckhaltung die potenziell kontaminierte Luft dieser Räume daran hindern, in die angrenzenden Räume überzuströmen. Die Rolle der Luft als Erregerreservoir ist besonders bei postoperativen Infektionen im Operationsgebiet seit langer Zeit Gegenstand von Diskussionen. In der infektiologischen und krankenhaushygienischen Fachliteratur wird die Luft zwar konstant als Übertragungsweg für postoperative Infektionen genannt, letztlich bleibt aber unklar, bei welchen Operationen sie, wenn überhaupt, tatsächlich relevant ist. Trotz allem scheint für medizinisches Personal meist kein Zweifel daran zu bestehen, dass Luftkeime für die Entstehung von postoperativen Infektionen große Bedeutung haben. Im allgemeinen Bewusstsein von Ärzten und Pflegepersonal – und deshalb auch von Krankenhausarchitekten und Ingenieuren – kommt der Luft im Operations- saal und sogar in der gesamten Operationsabteilung aus hygienischer Sicht ein hoher Stellenwert zu, und damit scheinen RLT-Anlagen unverzichtbarer Bestandteil einer adäquaten Patientenversorgung in der Operationsabteilung zu sein. Aber nicht nur dort, sondern auch in anderen Krankenhausbereichen wird die Luft als Übertragungsmedium für Erreger nosokomialer Infektionen in Betracht gezogen. Dies ist aber nur teilweise zutreffend (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Im Folgenden sollen die hygienischen Aspekte von RLT-Anlagen in verschiedenen Krankenhausbereichen behandelt werden, ohne aber näher auf technische Aspekte einzugehen. Das RLT-AnlagenKonzept in Krankenhäusern ist in Deutschland geprägt von der DIN 1946/4, in der aus hygienischen Gründen für diverse Krankenhausbereiche eine aufwändige Klimatisierung gefordert wurde, ohne dass es Belege für deren Notwendigkeit gibt [5]. Diese DIN-Norm wurde – unzutreffenderweise – häufig wie eine gesetzliche Vorschrift betrachtet mit der Folge, dass Abweichungen von der Norm aus Angst vor juristischen Konsequenzen vermieden wurden. Das Konzept der DIN 1946/4 stand jedoch nie auf einer rationalen Basis; vielmehr hat sich darin offenbar der damalige Zeitgeist unreflektiert niedergeschlagen. Heute ist man jedoch in hohem Maße dem Prinzip der „Evidence-based Medicine“ verpflichtet. Deshalb müssen auch die RLT-Anlagen-Konzepte an diese Entwick- Raumlufttechnische Anlagen lung angepasst werden. Dies wurde von einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) und der Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene (SGSH) umgesetzt. Ziel war, dass das von diesen drei Fachgesellschaften erarbeitete RLT-Anlagen-Papier in Zukunft bei Planung und Bau von RLT-Anlagen als Alternative zur bzw. als Ersatz der DIN 1946/4 zugrunde gelegt werden soll (www.dgkh.de). In diesem Kapitel sollen die Inhalte dieses Papiers, die den Aspekt der Infektionsprävention betreffen, kurz zusammengefasst werden. Prinzip von RLT-Anlagen Luftfilterung 295 die Luft schließlich einen weiteren Filter passieren, dessen Material so dicht ist, dass auch kleinste Partikel in der Größe von Bakterien oder Pilzsporen zurückgehalten werden. Da diese Partikel wegen der geringen Größe und des kaum vorhandenen Gewichts frei in der Luft schweben, nennt man die Filter Schwebstofffilter (HEPA = High Efficiency Particulate Air). Damit die Luft nach Passage eines solchen Filters nicht auf der weiteren Strecke bis zum Erreichen des Raumes rekontaminiert werden kann, werden Schwebstofffilter, unmittelbar bevor die Luft in den Raum einströmt, also am Ende des luftführenden Kanalsystems, angebracht, und man spricht deshalb von endständigen Schwebstofffiltern. Weil insgesamt drei Filter vorhanden sind, nennt man diese Art der Filterung auch dreistufig. Mit RLT-Anlagen können Gebäude vollständig oder teilweise künstlich belüftet werden. Diese von Fachingenieuren geplanten Anlagen lassen sich grob folgendermaßen beschreiben: Möglichst saubere Außenluft (d.h. nicht direkt über dem Boden oder über begrünten Dächern) wird angesaugt und zunächst durch einen Grobfilter geführt, um z.B. Blätter und Insekten abzuscheiden. Danach passiert die Luft einen Feinfilter mit großer Oberfläche (sog. Taschenfilter), um auf diese Weise auch sehr kleine Partikel zu entfernen. Nach Passage dieses Filters ist die Luft bereits sehr sauber und kann in dieser Form über spezielle Kanalsysteme allen Räumen zugeführt werden, für die aus Gründen der Infektionsprävention keine besonderen Anforderungen bestehen (Typ „Büroklimaanlage“). Man bezeichnet dies auch als zweistufige Filterung. Unabhängig vom Grad der Luftreinheit kann die Luft auf unterschiedliche Weise in den Raum strömen, und zwar insbesondere entweder als turbulente Mischströmung oder als laminare Verdrängungsströmung, um nur die beiden in Krankenhäusern üblichsten Strömungsformen zu nennen. Im einen Fall vermischt sich die durch die RLT-Anlage zugeführte Luft nach Eintritt in den Raum nahezu ungehindert mit der dort vorhandenen Luft, wodurch neben der Frischluftzufuhr auch eine ständige Verdünnung der Luftkeimkonzentration erreicht wird, weil die einströmende Luft, ob zwei- oder dreistufig gefiltert, immer sauberer ist als die Luft in Räumen, die durch die Anwesenheit von Menschen natürlicherweise kontaminiert wird (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Für Räume, die nicht nur mit sauberer Luft, sondern auch mit einer nahezu keimfreien Luft versorgt werden sollen, muss Im anderen Fall erreicht man durch eine spezielle Konstruktion am Lufteinlass in den Raum, dass die Luft zwangsläufig z.B. Luftströmung 296 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen senkrecht nach unten strömt. Dazu benutzt man meist ein großes Areal im Zentrum der Decken, das seitlich durch herunterhängende sog. Schürzen von der Peripherie des Raumes abgegrenzt wird. Dadurch kann man eine mehr oder weniger stabile sog. laminare Strömung erzielen, die in diesem Bereich die dort vorhandene Luft verdrängt und durch eine neue Luftschicht ersetzt: deshalb nennt man dieses Prinzip laminare Verdrängungsströmung. Auf diese Weise kann man bei hoher Strömungsgeschwindigkeit der Luft sogar ohne dreistufige Filterung in diesem geschützten Bereich eine Zone mit sehr sauberer Luft schaffen (Prinzip des LaminarAir-Flow = LAF). schen der DIN 1946/4 und dem neuen Konzept von DGKH, ÖGHMP und SGSH darin, dass in Operationsabteilungen nur im Zentrum der Operationssäle im Bereich von Operations- und Instrumententisch eine Zone höchster Luftreinheit geschaffen wird, der Rest der Abteilung wird mit einer modernen sog. Büroklimaanlage versorgt. Auch im übrigen Krankenhaus werden darüber hinaus nicht mehr pauschal Bereiche mit hohen und niedrigen Anforderungen an die Luftreinheit unterschieden. Vielmehr kann jedes Krankenhaus entsprechend seiner Bedürfnisse festlegen, ob bei der Konzeption von Klimaanlagen ggf. auch der Aspekt des Infektionsschutzes zu berücksichtigen ist (siehe unten). Voraussetzungen für einwandfreie Funktion von RLT-Anlagen RLT-Anlagen in der Operationsabteilung Eine RLT-Anlage kann – unabhängig vom Konzept (d.h. zwei- oder dreistufig, turbulente Misch- oder laminare Verdrängungsströmung) – optimal geplant, ausgestattet und erstellt worden sein; werden die Räume nicht adäquat von den dort arbeitenden Personen genutzt, können RLT-Anlagen ihre Funktion nicht erfüllen. Dies ist nur möglich, wenn die Fenster geschlossen bleiben und die Türen nicht unnötig offen stehen bzw. zu oft geöffnet werden. In Bereichen, die aus Gründen des Infektionsschutzes mit möglichst keimarmer Luft versorgt werden sollen, wie insbesondere in Operationssälen, sollen darüber hinaus aber auch nur so wenige Personen wie möglich anwesend sein. Denn die Luftkeimzahl wird maßgeblich durch Anzahl und körperliche Aktivität der Menschen, die sich in einem Raum aufhalten, bestimmt (siehe Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“). Unter dem Aspekt der Infektionsprävention liegt der wesentliche Unterschied zwi- Wegen der besonderen Bedeutung, die RLT-Anlagen für den Bereich von Operationsabteilungen zugemessen werden, wird dieser Bereich im Folgenden vorrangig dargestellt (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“, Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“ und Kapitel B.6 „Operationsabteilungen“). Damit eine Erregerübertragung bei einer Operation auf aerogenem Wege zustande kommen kann, muss sich der Erreger in Form schwebender Partikel (= Aerosol) mit dem Luftstrom vom Erregerreservoir entfernen können und Gelegenheit haben, im Bereich des Operationssitus bzw. auf die Instrumente zu sedimentieren. Im Operationssaal können bei einwandfrei arbeitender RLT-Anlage potenziell pathogene Keime nur auf zwei Wegen in die Luft gelangen: als Tröpfchenkerne aus dem Nasen-Rachen-Raum und als bakterientragende Hautschuppen von der Körperhaut des Personals [7, 13, 17]. Prinzipiell kommt auch der Patient selbst als Streuquelle in Betracht; jedoch ist dies Raumlufttechnische Anlagen weniger wahrscheinlich, weil er intraoperativ unbeweglich auf dem Operationstisch liegt und mit Tüchern nahezu vollständig abgedeckt ist. Eine Freisetzung von Hautschuppen in die Luft ist dadurch herabgesetzt. Erhält er eine Regionalanästhesie, wird er zwar einige Worte mit dem Anästhesieteam wechseln können, aber – im Gegensatz zum Operationsteam – entsteht dabei aus seinem respiratorischen Sekret mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nur eine minimale Zahl von Tröpfchenkernen, die wegen der geringen Anzahl den Operationssitus vermutlich nicht erreichen können. Zu dieser Frage aber gibt es keine Untersuchungen, weshalb die Aussage notgedrungen vage ist. Dagegen ist das Personal körperlich aktiv, spricht nicht selten viel, ist meist recht zahlreich vorhanden, und das Operationsteam steht noch dazu direkt neben bzw. beugt sich über den offen liegenden Operationssitus; deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass von einer dieser Personen Bakterien in die Luft abgegeben werden, unvergleichlich höher. Jeder Mensch setzt täglich eine Vielzahl von Hautschuppen frei [14]. Neben der normalen Hautflora mit in aller Regel wenig virulenten Keimen kommen bei manchen Personen auch auf intakter Haut potenziell pathogene Keime, wie S. aureus und A-Streptokokken, vor; bei chronischen Hautveränderungen, z.B. Ekzemen, ist eine pathologische Besiedlung häufiger [3]. Es gibt zahlreiche Berichte über Ausbrüche postoperativer Infektionen im Operationsgebiet, die in epidemiologischem und mikrobiologischem Zusammenhang mit Trägern und Dispersern potenziell pathogener Keime stehen und in deren Mehrzahl die Entstehung der Infektionen allein durch aerogene Übertragung während der Operation plausibel erklärt werden konn- 297 te; die meisten dieser Berichte behandeln A-Streptokokken-Infektionen [z.B. 1, 4, 6, 8, 11, 12, 15, 16]. Überwiegend handelte es sich um anal und/oder vaginal besiedelte Träger; sehr viel seltener wurden nasal bzw. pharyngeal oder an der Haut besiedelte Personen als Quelle für die postoperativen Infektionen eruiert. Häufiger als Mitglieder des unmittelbaren Operationsteams waren andere Mitarbeiter (Anästhesist, Springer) die Träger der Ausbruchsstämme, einmal auch eine Person, die nie während der Operation im Operationssaal anwesend war, sondern nur während der Vorbereitungen für die Operation [2, 10, 11]. In den meisten Fällen waren die Träger lediglich asymptomatisch besiedelt. Erst der epidemiologische Zusammenhang zwischen den infizierten Patienten und bestimmten Mitgliedern des medizinischen Personals und/oder bakteriologische Untersuchungen durch Abstriche der typischen Körperzonen sowie durch Umgebungsuntersuchungen, z.B. mit Hilfe von Sedimentationsplatten, brachten die entscheidenden Hinweise auf die Personen, die schließlich als Streuquelle identifiziert werden konnten. Da Kontaktübertragungen als Ursache für die Ausbrüche in allen Berichten für unwahrscheinlich gehalten wurden bzw. sogar durch die involvierten Träger ohne Kontakt zum Operationssitus ausgeschlossen werden konnten, kommt für diese Fälle der aerogenen Erregerübertragung vor allem via abgeschilferte und bakterientragende Hautschuppen große Bedeutung zu. Bei konventioneller Belüftung der Operationssäle können infolge der turbulenten Mischströmung sogar die von Personen in der Peripherie des Operationssaales abgegebenen Bakterien in die Wunde gelangen, und dies um so eher, je länger die Operati- 298 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen on dauert, d.h. je länger die Wunde exponiert ist. Diese zwar insgesamt sehr seltenen Ereignisse konnten also offenbar weder durch die etablierten aseptischen Maßnahmen noch durch die in den meisten Operationssälen installierten sog. konventionellen RLT-Anlagen (d.h. Anlagen mit turbulenter Mischströmung) verhindert werden. Nach Auswertung der Fachliteratur der letzten 40 Jahre konnte die Arbeitsgruppe der drei deutschsprachigen Fachgesellschaften die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: ■ Es gibt keine Daten aus klinischen oder mikrobiologischen Studien, mit denen die Luft als relevantes Erregerreservoir für endemische postoperative Infektionen im Operationsgebiet ohne Implantation großer Fremdkörper (wie also z.B. Gelenke) belegt werden könnte. ■ Es gibt hinreichende, wenn auch nicht beweisende Daten dafür, dass die Luft bei Operationen mit Implantation großer Fremdkörper als Erregerreservoir für endemische postoperative Infektionen im Operationsgebiet von Bedeutung ist. Wie groß die Bedeutung der Luft bei diesen Eingriffen im Vergleich zu endogenen Erregerreservoiren ist, kann aus den vorhandenen Studienergebnissen nicht abgeleitet werden. ■ Es gibt überzeugende Daten dafür, dass eine Kontamination der Luft im unmittelbaren Bereich von Operations- und Instrumententisch eine direkte oder indirekte Kontamination des Operationsfeldes zur Folge hat. ■ Es gibt eine Vielzahl dringender Hinweise dafür, dass die Luft bei der Erregerübertragung während der Operation im Zusammenhang mit epidemischen postoperativen Infektionen im Operationsgebiet von großer Bedeu- tung sein kann; es handelt sich dabei allerdings um seltene Ereignisse. ■ Es gibt weder aus klinischen noch aus mikrobiologischen Studien einen einzigen Hinweis darauf, dass die Luft in den an den Operationssaal angrenzenden oder sogar in den entfernter liegenden Räumen der Operationsabteilung einen Einfluss auf das postoperative Wundinfektionsrisiko hat, mit anderen Worten: wenn die Luft für die Entstehung von postoperativen Infektionen im Operationsgebiet – unabhängig davon, ob endemisch oder epidemisch – eine Rolle spielt, dann handelt es sich lediglich um die Luft im Operationssaal selbst während der Operation. Aus diesen Schlussfolgerungen können die medizinisch-hygienischen Anforderungen an RLT-Anlagen in Operationsabteilungen abgeleitet werden: 1. RLT-Anlagen müssen den Bereich von Operations- und Instrumententisch mit keimarmer Luft versorgen. 2. Das Prinzip der Luftströmung muss eine stabile turbulenzarme Verdrängungsströmung sein über eine Fläche, die groß genug ist, um den Schutzbereich von Operations- und Instrumententisch vor einer Vermischung mit der angrenzenden Raumluft zu schützen. 3. Dieser zentrale Schutzbereich muss bei den üblichen unvermeidbaren Personalbewegungen in der Peripherie des Operationssaales, inkl. gelegentliches Öffnen und Schließen der Türen, stabil bleiben. 4. Alle anderen Räume der Operationsabteilung außer den Operationssälen können mit den heute in Bürogebäuden üblichen RLT-Anlagen ausgestattet werden, wenn sie mechanisch klimatisiert werden sollen, das bedeutet, dass insbesondere Schwebstofffilter außer- Raumlufttechnische Anlagen halb der Operationssäle nicht erforderlich sind. Die Realisierung dieser Vorgaben bei der Konzeption von RLT-Anlagen in Operationsabteilungen bedeutet einerseits die Schaffung eines optimalen Schutzbereichs für den Patienten bestehend aus einem großen quasi LAF-Bereich, der nicht nur das Operationsfeld, sondern den gesamten Operations- sowie den Instrumententisch einbezieht, wodurch direkte oder indirekte aerogene Wundkontaminationen ausgeschlossen werden können; dies gilt auch für den Fall, dass sich unter dem Operationspersonal ein Disperser eines potenziell pathogenen virulenten Stammes befindet. Andererseits führt eine solche RLT-Anlagen-Konzeption zu beträchtlichen finanziellen Einsparungen beim Bau und Betrieb der Anlagen, weil die Dimension der gesamten RLT-Anlage, der für die Beförderung der Luft erforderlichen Ventilatoren sowie der luftführenden Kanäle, wesentlich reduziert werden kann. Diese Einsparungen gelten explizit auch angesichts der per se relativ kostenintensiven Installation eines LAF in den Operationssälen. Ein Kostenvergleich zwischen einer konventionellen RLT-Anlage nach DIN 1946/4 und dem neuen RLT-Anlagen-Konzept hat bereits gezeigt, dass die großen LAFSchutzbereiche ohne Mehrkosten zu realisieren sind, selbst wenn man dabei nur die Investitionen für den Bereich der Operationssäle betrachtet [9]. Das bedeutet natürlich, dass der Verzicht auf das Konzept der DIN 1946/4 bezogen auf die vollständige Operationsabteilung zu beträchtlichen Einsparungen führen wird. Ein wesentlicher Vorteil der neuen Konzeption für die klinische Praxis ist die Gleichstellung der verschiedenen operativen Fächer hinsichtlich der hygienischen Anforderungen beim Operieren: Jede 299 Operation kann in jedem Operationssaal durchgeführt werden, weil alle Säle raumlufttechnisch identisch ausgestattet sind, und kein Fachgebiet braucht höhere hygienische Anforderungen zu beanspruchen, weil in jedem Saal die höchsten Anforderungen realisiert sind. Dies ist auch in Hinsicht auf eine fachübergreifende Nutzung der Operationssäle von großer praktischer Bedeutung. Das neue RLT-Anlagen-Konzept erleichtert darüber hinaus die Mitarbeiterschulung, weil man sich nur noch auf den Operationssaal konzentrieren muss. Dabei behält allerdings weiterhin der Aspekt eines angemessenen Personalverhaltens während der Operation eine hohe Bedeutung, weil natürlich auch eine stabile turbulenzarme vertikale Verdrängungsströmung durch ungünstiges Personalverhalten gestört und damit in ihrer prinzipiellen Effektivität reduziert werden kann. RLT-Anlagen in anderen Krankenhausbereichen Hämatologisch-onkologische Patienten Wegen der Gefährdung schwer abwehrgeschwächter Patienten durch die natürlicherweise in der Luft vorhandenen Aspergillen sollen diese Patienten in der Phase der ausgeprägten Granulozytopenie in Räumen mit keimarmer Luft versorgt werden (siehe Kapitel A.5 „Aspergillose“). Erforderlich ist deshalb eine RLT-Anlage mit schwebstoffgefilterter Luft. Zusätzlich muss ein statischer Schutzdruck gegenüber den angrenzenden Räumen aufrecht erhalten werden, damit nicht beim Öffnen der Türen „normale“ Luft in das Zimmer strömen kann. Ein nicht von der RLT-Anlage belüfteter (kleiner) Vorraum wirkt als Überströmschleuse (sog. passive Schleuse, d.h. Vorraum, der nicht raumlufttechnisch versorgt wird) und unterstützt dieses Konzept. 300 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Intensivmedizin Patienten auf Intensivpflegestationen (internistische, anästhesiologisch-chirurgische Stationen) sind nicht durch die normalerweise in der Luft vorhandenen Keime gefährdet. Wenn für diese Stationen eine mechanische Belüftung benötigt wird, müssen keine Schwebstofffilter installiert werden, sondern es kann eine normale Filterung der zugeführten Luft wie für Büroräume verwendet werden. Bei der Planung solcher Bereiche muss allerdings entschieden werden, ob zusätzlich Räume für Patienten mit potenziell aerogen übertragbaren Infektionen (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege) vorhanden sein sollen und demzufolge eine RLT-Anlage zur Verdünnung der Luftkeimkonzentration und/oder zur statischen Unterdruckhaltung mit sog. aktiver Schleuse (d.h. Vorraum, der wie das Patientenzimmer raumlufttechnisch versorgt wird) notwendig werden sollte (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“). Infektionsstationen Für die Versorgung von Patienten mit Infektionen gibt es aus der Sicht der Infektionsprävention in den meisten Fällen keine Notwendigkeit für eine RLT-Anlage. Dies gilt für Patienten mit z.B. Salmonellosen oder Hepatitis. Sollen auch Patienten mit potenziell aerogen übertragbaren Infektionen dort versorgt werden (z.B. offene Tuberkulose der Atemwege, Varizellen-Pneumonie), muss bei der Planung entschieden werden, ob eine RLT-Anlage zur Verdünnung der Luftkeimkonzentration und zur statischen Unterdruckhaltung (ggf. mit aktiver Schleuse) installiert werden soll. Zwingend erforderlich ist dies jedoch nicht. Andere Bereiche des Krankenhauses Alle anderen Krankenhausbereiche (Normalstationen, Ambulanzen, Endoskopie, ZSVA, Laboratorien) können, falls RLTAnlagen erforderlich sein sollten, mit Anlagen versorgt werden, die klimaphysiologischen Ansprüchen genügen müssen, aber keine Aufgaben bei der Infektionsprävention zu erfüllen haben. Literatur 1. Berkelman RL, Martin D, Graham DR, Mowry J, Freisem R,Weber JA, Ho JL,Allen JR. Streptococcal wound infections caused by a vaginal carrier. JAMA 1982; 247: 2680–2682 2. Bethune DW, Blowers R, Parker M, Pask EA. Dispersal of Staphylococcus aureus by patients and surgical staff. Lancet 1965; 1: 480–483 3. Casewell MW, Hill RLR. The carrier state: methicillin-resistant Staphylococcus aureus. J Antimicrob Chemother 1986; 18, Suppl. A: 1–12 4. Centers for Disease Control and Prevention. Nosocomial group A streptococcal infections associated with asymptomatic health-care workers – Maryland and California, 1997. MMWR 1999; 48: 163–166 5. Deutsches Institut für Normung: Raumlufttechnik – Raumlufttechnische Anlagen in Krankenhäusern (VDI-Lüftungsregeln) DIN 1946 Teil 4. Beuth Verlag, Berlin, 1989 6. Dineen P, Drusin L. Epidemics of postoperative wound infections associated with hair carriers. Lancet 1973; 2: 1157–1159 7. Duguid JP. The size an duration of air-carriage of respiratory droplets and droplet nuclei. J Hyg, Camb 1946; 44: 471–479 8. Kolmos HJ, Svendsen RN, Nielsen SV. The surgical team as a source of postoperative wound infections caused by Streptococcus pyogenes. J Hosp Infect 1997; 35: 207–214 9. Külpmann R, Meierhans R. Wirtschaftlichkeitsvergleich von Operationsraum-Klimatisierungskonzepten. KI Luft- und Kältetechnik 2001; 3: 125–129 10. Kundsin RB. Documentation of airborne infection during surgery. Ann N Y Acad Sc 1980; 353: 255–261 11. Mastro TD, Farley TA, Elliott JA, Facklam RR, Perks JR, Hadler JL, Good RC, Spika JS. An outbreak of surgical wound infections due to group A Streptococcus carried on the scalp. N Engl J Med 1990; 323: 968–972 Raumlufttechnische Anlagen 12. McIntyre DM. An epidemic of Streptococcus pyogenes puerperal and postoperative sepsis with an unusual carrier site – the anus. Am J Obstetr Gynecol 1968; 101: 308– 314 13. Noble WC, Lidwell OM, Kingston D.The size and distribution of airborne particles carrying micro-organisms. J Hyg, Camb 1963; 61: 385–391 14. Noble WC. Dispersal of skin microorganisms. Br J Dermatol 1975; 93: 477–485 301 15. Schaffner W, Lefkowitz LB, Goodman JS, Koenig MG. Hospital outbreak of infections with group A streptococci traced to an asymptomatic anal carrier. N Engl J Med 1969; 280: 1224–1225 16. Sompolinsky D, Hermann Z, Oeding P, Rippon JE. A series of postoperative infections. J Infect Dis 1957; 100: 1–11 17. Wells WE. On air-borne infection – Study II. Droplets and droplet nuclei. Am J Hyg 1934; 20: 611–618 302 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 9. Isolierung bei Infektion und Kolonisation – Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg Prinzip der Isolierung Isolierung und Distanzierung Isolierungsmaßnahmen haben zum Ziel, eine Erregerübertragung von infizierten bzw. kolonisierten Patienten auf andere Patienten oder auf Personal zu verhüten [3–7, 10–12, 14, 16]. Somit ist unter Isolierung jede Maßnahme zu verstehen, mit der Übertragungswege unterbrochen werden können [10]. Beispielsweise „isoliert“ ein Verband, der eine infizierte Operationswunde vollständig abdeckt und das Wundsekret ausreichend aufnehmen kann, den Infektionsherd, der somit durch den Verband von der Umgebung abgegrenzt wird. Auch das Tragen von Einmal-Handschuhen zum Schutz vor Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeiten ist in diesem Sinne eine Isolierungsmaßnahme; dasselbe gilt für Masken bei nahem Kontakt mit einem Patienten, der z.B. eine noch nicht 24 Stunden behandelte Meningokokken-Meningitis hat, als Schutz vor Kontakt mit respiratorischen Tröpfchen. Neben diesen lokalen Barrieremaßnahmen kommen auch Maßnahmen zur Anwendung, bei denen eine regelrechte räumliche Distanz zwischen Patienten mit Infektion und den umgebenden Personen geschaffen wird. Isolierung vs Einzelzimmer Isolierung im weiteren Sinne ist also jede Maßnahme, die eine Erregerübertragung verhindert; im engeren Sinne bedeutet Isolierung die Unterbringung eines Patienten in einem Einzelzimmer [10]. Gerade die Einzelzimmerunterbringung aber wird in der klinischen Praxis mit Isolierung gleich gesetzt, obwohl diese einschneidende Maßnahme nur vergleichsweise selten notwendig ist. Dabei gerät manchmal in den Hintergrund, dass auch die Versorgung eines Patienten in einem Einzelzimmer nur dann eine Erregerübertragung verhindern kann, wenn die Standard-Hygienemaßnahmen ausreichend beachtet werden. Dafür ist u.a. erforderlich, dass genügend Personal zur Verfügung steht, damit ein solcher Patient de facto isoliert von den anderen versorgt werden kann. Denn die räumliche Trennung ist nur die eine Seite; eine indirekte Verbindung zu den anderen Patienten bleibt über das Personal in aller Regel bestehen. Gerade auf Intensivstationen wird der Einzelunterbringung von Patienten mit Nachweis resistenter Erreger meist eine große Bedeutung zugeschrieben. Dass aber noch nicht einmal in diesen Bereichen die Standard-Maßnahmen – allen voran die Händehygiene – ausreichend beachtet werden, wenn sogar optimal ausgestattete Einzelboxen vorhanden sind, zeigen schon lange bekannte Untersuchungen [15]. Deshalb muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass für eine gute hygienische Patientenversorgung bauliche Konzepte höchstens unterstützend wirken können, dass aber die Bedeutung der patientennahen Maßnahmen der Standard-Hygiene auch bei guten baulichen Verhältnissen dem Personal gegenüber immer wieder betont werden müssen und nicht etwa durch die baulichen Gegebenheiten gera- Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg dezu induziert werden (siehe auch Kapitel B.7 „Umgebung des Patienten“). Kohorten-Isolierung Stehen nicht genügend Einzelzimmer zur Verfügung – wie häufig in Krankenhäusern aller Größenklassen – gilt die Zusammenfassung von Patienten, die mit gleichen Erregern infiziert oder kolonisiert sind, zu sog. Kohorten als eine Möglichkeit, eine räumliche Abgrenzung von den anderen zu erreichen [6]. Dies wird z.B. bei hoher endemischer Rate von MRSA praktiziert. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass innerhalb dieses Patientenzimmers die Regeln der Standard-Hygiene ebenso beachtet werden müssen wie auch sonst bei der Patientenversorgung. Manchmal wird bei der Kohorten-Isolierung nämlich übersehen, dass bei allen Patienten zwar ein bestimmter Erreger nachgewiesen ist (z.B. MRSA), dass aber die einzelnen Isolate genetisch unterschiedlich sein können, sodass Übertragungen innerhalb der Kohorte natürlich ebenfalls möglich sind. 303 nicht über das Maß des Notwendigen hinausgehen, um eine – bei realistischer Betrachtung mögliche – Erregerübertragung zu verhindern. An diesem Augenmaß fehlt es aber häufig, wenn es um multiresistente Erreger geht (siehe Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird insbesondere im Umgang mit MRSA nicht ausreichend beachtet. Das bedeutet nicht etwa, dass man bei Nachweis von MRSA untätig bleiben soll. Die Maßnahmen sollen aber auf ihre Effektivität geprüft und belegt oder, wenn entsprechende Daten fehlen, rational begründet sein, damit sie allen Beteiligten vermittelt werden können, um bei ihnen die erforderliche Motivation zu erzeugen, die Empfehlungen anzunehmen und auch tatsächlich umzusetzen. Es ist vor diesem Hintergrund gelegentlich verblüffend zu beobachten, wie dieselben Personen, die für einzelne Patienten mit MRSA-Nachweis ein Einzelzimmer für absolut unverzichtbar halten, für ebensolche Patienten in größerer Zahl ohne Zögern eine Kohorten-Isolierung empfehlen. Mit sog. „strengen“ Isolierungsmaßnahmen überzeugt man niemanden, wenn sie nicht eine nachvollziehbare Wirkung haben; man büßt aber unter Umständen an Glaubwürdigkeit ein. Somit können unsubstantiierte Isolierungsmaßnahmen ausgesprochen kontraproduktiv sein und auf lange Sicht zu einer vermeidbaren Trübung der Beziehung zwischen „der Hygiene“ einerseits sowie Ärzten und Pflegepersonal andererseits führen, nicht zuletzt aber fördern sie die Entwicklung depressiver Reaktionen und irrationaler Ängste bei Personal, Patienten und Angehörigen [10]. Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel Erkannte vs. unerkannte Erreger Grundsatz muss sein, den Erreger zu isolieren und nicht den Patienten. Demzufolge soll das Ausmaß der eingesetzten Maßnahmen in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Risiko für die Umgebung (Mit-Patienten, Personal, Besucher) stehen, das mit dem Nachweis des Erregers deutlich geworden ist: Die Schutzmaßnahmen dürfen Die Diagnose einer Infektion oder der mikrobiologische Nachweis eines Erregers stellen darüber hinaus häufig nur die Spitze eines Eisberges dar, denn eine unbekannte Anzahl von Patienten ist unerkannt infiziert (z.B. Hepatitis B/C) oder beherbergt in der körpereigenen Flora unerkannt multiresistente Keime (z.B. 304 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen MRSA in der Nase oder resistente Enterobakterien in der Darmflora). Schon aus diesem Grund hat die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen im Umgang mit jedem Patienten zentrale Bedeutung [2] (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Isolierung = Distanzierung Das klassische Prinzip der Isolierung mit absoluter räumlicher Trennung des Patienten – häufig kombiniert mit einer (fraglich effektiven) umfassenden Schutzkleidung des Personals bei Betreten des Isolierzimmers [1] – steht der früher praktizierten Quarantäne nahe, die nicht sehr erfolgreich war. Da es nur wenige Infektionen gibt, die aerogen übertragbar sind, ist ein Einzelzimmer an sich nur selten erforderlich. Im Einzelfall eines infizierten oder kolonisierten Patienten geht es jedenfalls darum, die tatsächlich erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten. Überisolierung muss vermieden werden, nicht nur aus Rücksicht auf die Patienten [8]; Isolierungsmaßnahmen sind auch für das medizinische Personal nicht selten psychisch belastend, weil dadurch der Erreger für gefährlich gehalten wird. Dies trifft jedoch in aller Regel bei den im Krankenhaus vorkommenden Erregern nicht zu, auch wenn sie multiresistent sind. Hier ist es dringend erforderlich, das Koordinatensystem zurechtzurücken und eine rationale Betrachtungsweise zu fördern, damit die Patientenversorgung nicht darunter leidet: aus Angst traut sich nämlich das Personal zu isolierten Patienten manchmal kaum in das Zimmer. Es sollen nur die Maßnahmen eingeleitet werden, die geeignet sind, die in Frage kommenden Übertragungswege wirksam zu unterbrechen; dann können sie dem Personal – und ggf. dem Patienten – gegenüber auch mit Nachdruck gefordert werden. In- sofern sollte Isolierung die im individuellen Fall erforderliche Distanz zwischen dem betroffenen Patienten und seiner Umgebung schaffen. Manchmal ist dazu die Unterbringung in einem Einzelzimmer notwendig; häufig ist aber die physische Distanzierung des Patienten nicht erforderlich. Die nötige Distanz kann vielmehr indirekt mit den Mitteln der Standard-Hygiene erreicht werden; dies ist wegen des Mangels an Einzelzimmern schon unter praktischen Gesichtspunkten unumgänglich und muss deshalb auch in Richtlinien, Leitlinien und/oder Empfehlungen entsprechend berücksichtigt werden [10]. Protektive Isolierung Sollen in den meisten Fällen beim Einsatz von Isolierungsmaßnahmen Erregerübertragungen ausgehend von einem Infektionsherd oder einer Kolonisation verhindert werden (= Isolierung der Erregerquelle), kommt es bei sehr abwehrgeschwächten Patienten darauf an, sie vor Kontakt mit potenziell pathogenen Erregern zu schützen (= Schutzisolierung, früher „Umkehrisolierung“). Wie verschiedentlich gezeigt werden konnte, kommt es bei der protektiven Isolierung ebenfalls in erster Linie darauf an, dass das Personal im Umgang mit den gefährdeten Patienten die Standard-Hygieneregeln beachtet [5, 9, 13]. Für neutropenische Patienten oder Patienten unter immunsuppressiver Therapie z.B. nach Organtransplantation werden darüber hinaus weitere Maßnahmen empfohlen (siehe dazu Kapitel B.5 „Aspergillose“ und Kapitel B.6 „Immunsupprimierte Patienten“). Maßnahmen zur Unterbrechung der Übertragungswege Im Folgenden sind die Maßnahmen zusammengestellt, die bei den verschiedenen Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg möglichen Übertragungswegen von Erregern – direkter und indirekter Kontakt, respiratorische Tröpfchen, und aerogen – berücksichtigt werden müssen [6]. Was man heute unter Isolierung versteht, ist die sinnvolle Kombination einzelner Hygienemaßnahmen orientiert am Übertragungsweg des Erregers (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). Standard-Hygiene Die Maßnahmen der Standard-Hygiene – Händewaschen/Händedesinfektion, Gebrauch von Einmal-Handschuhen und Schutzkleidung sowie Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Gegenständen und Flächen – stellen die Basis dar für die Prävention von Erregerübertragungen bei der Patientenversorgung und für den Personalschutz – unabhängig davon, ob bei den Patienten eine Infektion bzw. Kolonisation bekannt ist. Diese Maßnahmen sollen den Schutz vor einem potenziellen Erregerkontakt im Umgang mit Blut, Körperflüssigkeiten (außer Schweiß), nicht intakter Haut und Schleimhäuten gewährleisten (siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“). Ihre konsequente Einhaltung bei jedem Patienten ist auch deshalb sehr wichtig, weil man immer mit unerkannten „Trägern“ potenziell pathogener oder multiresistenter Erreger rechnen muss. Sie zielen also darauf ab, das Übertragungsrisiko sowohl Blut-assoziierter als auch typischer nosokomialer Erreger – ob bekannt oder unbekannt – zu reduzieren. 305 sorgung von Patienten, bei denen Erreger nachgewiesen sind, die durch direkten oder indirekten Kontakt übertragen werden (z.B. Infektionen bzw. Kolonisationen mit typischen nosokomialen Erregern, wie Staphylococcus aureus, ferner so unterschiedliche Erkrankungen wie die Clostridium difficile-assoziierte Diarrhoe, Impetigo, Wund-Diphtherie, Scabies, Zoster und andere; siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“). Einzelzimmer In besonderen Fällen werden die Standard-Maßnahmen durch Unterbringung des Patienten in einem Einzelzimmer erweitert, um den Kontakt zwischen einem infizierten oder auch nur kolonisierten Patienten und seiner Umgebung so sicher wie möglich zu verhindern (siehe oben und Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“). Die Notwendigkeit dazu muss im Einzelfall entschieden werden. Maßnahmen gegen Übertragung durch (direkten oder indirekten) Kontakt Die räumliche Trennung infizierter bzw. kolonisierter Patienten von den anderen Patienten soll in erster Linie das Personal immer wieder an die Besonderheit der speziellen Situation und damit an die Notwendigkeit erinnern, die Standard-Maßnahmen unter allen Umständen einzuhalten [12]. Das Einzelzimmer hat in dieser Situation nicht an sich eine präventive Funktion wie bei aerogen übertragbaren Erregern (siehe unten), sondern dient dazu, auf das Verhalten des Personals Einfluss zu nehmen (und soll natürlich bei mobilen Patienten auch bewirken, dass sie nicht unkontrollierbaren Kontakt mit anderen Patienten haben). Standard-Hygienemaßnahmen Umgebungskontamination Die Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen ist entscheidend bei der Ver- Ob die Kontamination des Patientenumfeldes, die ebenfalls als Argument für die 306 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Unterbringung infizierter bzw. kolonisierter Patienten in einem Einzelzimmer angeführt wird, nicht nur von theoretischer, sondern tatsächlich auch von praktischer Bedeutung ist, ist ungeklärt und wird auch in Frage gestellt (siehe Kapitel B.6 „Umgebung des Patienten“): Händehygiene vor Patientenkontakten, bei denen eine Erregerübertragung zu einer Kolonisation oder Infektion führen kann (z.B. Manipulationen an Venenkatheter, Tracheostoma oder Blasenkatheter), gilt unbestritten als absolut notwendige Maßnahme. Es stellt sich nämlich die Frage, welche Rolle – bei sauberen und trockenen Oberflächen – einer nur mikroskopisch nachweisbaren – also makroskopisch nicht sichtbaren – Umgebungskontamination zukommen kann, wenn das Personal die Regeln der Händehygiene vor Patientenkontakt einhält. Darüber hinaus ist das Ausmaß der Umgebungskontamination – und das bedeutet auch: die Keimzahl – begrenzt. Bei üblicher Sauberkeit im Krankenhaus ist also nicht damit zu rechnen, dass die Hände des Personals bei den unvermeidlichen Kontakten mit Flächen und Gegenständen in der Umgebung des Patienten so stark kontaminiert werden, dass Händedesinfektion allein nicht ausreichen würde, die Keime sicher zu eliminieren. Für eine aerogene Übertragung – auch von S. aureus – gibt es im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Ansicht so wenig sichere Hinweise, dass auch dieses Argument für die Einzelzimmerunterbringung nicht überzeugend ist (siehe Kapitel B.10 „MRSA“). Control and Prevention (CDC) empfohlen, bereits bei Betreten des Patientenzimmers Einmal-Handschuhe anzuziehen, um eine Kontamination der Hände von vorneherein auszuschließen, die Handschuhe dann vor Verlassen des Zimmers wieder abzulegen und anschließend die Hände zu desinfizieren [6]. Während letzteres natürlich sinnvoll ist, erscheint es weniger angebracht, die Handschuhe schon vor dem eigentlichen Patientenkontakt anzuziehen. Dadurch kann ein unkritischer Umgang mit Einmal-Handschuhen gefördert werden, und zwar insofern, als sämtliche Tätigkeiten im Zimmer dann mit einiger Wahrscheinlichkeit mit demselben Paar Handschuhe durchgeführt werden, sofern nicht eine grobe Kontamination zum Wechsel veranlasst. Auf diese Weise würde die Umgebungskontamination tatsächlich erhöht werden. Allerdings führt die CDC-Richtlinie explizit aus, dass die Handschuhe zwischen verschiedenen Tätigkeiten gewechselt werden müssen. Die Empfehlung erscheint aber insbesondere von ihrer psychologischen Wirkung her ungünstig. Wenn man Handschuhe sofort bei Betreten des Zimmers anziehen und nach Ausziehen der Handschuhe vor Verlassen des Zimmers keine Flächen oder Gegenstände mehr berühren soll [6], wird damit der Eindruck vermittelt, die Flächen im Patientenzimmer seien – auch entfernt vom Patienten – in relevanter Weise kontaminiert. Dafür gibt es aber kaum, wenn überhaupt, sichere Belege (siehe auch Kapitel B.10 „Multiresistente Erreger“). CDC-Richtlinie Wegen Kontaminationen in der Umgebung von z.B. Patienten mit Nachweis von MRSA wird in der derzeit gültigen Isolierungs-Richtlinie der Centers for Disease Maßnahmen gegen Übertragungen durch Tröpfchen Zusätzlich zu den Standard-Hygienemaßnahmen sind bei Infektionen, die durch Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg 307 große (>5 µm) respiratorische Tröpfchen übertragen werden (z.B. A-Streptokokken-Pharyngitis, Influenza, Mumps), folgende Maßnahmen sinnvoll: erster Linie offene Tuberkulose der Atemwege, bei pulmonaler Beteiligung auch Varizellen und Masern sowie evtl. bei disseminiertem Zoster), folgendes zu beachten: Maske Einzelzimmer Bei nahem Patientenkontakt (<2 m) soll das Personal für die Dauer der Ansteckungsmöglichkeit (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“) eine chirurgische Maske tragen. Patienten mit viralen Kinderkrankheiten sollen nur von immunen Personen versorgt werden, für die deshalb eine Maske nicht notwendig ist. Der Patient soll in einem Einzelzimmer gepflegt werden, wobei die Tür nicht unnötig offen stehen und der Patient das Zimmer nicht verlassen soll; idealerweise ist solch ein Zimmer mechanisch belüftet und steht im Unterdruck zu den angrenzenden Räumen auf (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“). Masken Einzelzimmer Bei einigen dieser Infektionen, die ein schweres klinisches Bild verursachen können oder, wie z.B. Röteln, eine relativ hohe Kontagiosität haben, ist die Unterbringung in einem Einzelzimmer sinnvoll (z.B. Pertussis, pharyngeale Diphtherie). Steht ein Einzelzimmer nicht zur Verfügung, sollen die infizierten Patienten in einem genügenden Abstand (mindestens 2 m) zu den Mit-Patienten bleiben. Patiententransport Solange Infektiosität besteht (abhängig von der Dauer der Erkrankung bzw. der Dauer der Therapie; siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen bei speziellen Infektionen“), sollen die Patienten ihr Zimmer nur zu wichtigen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen verlassen. In diesen Fällen soll der Patient eine chirurgische Maske tragen. Maßnahmen gegen aerogene Übertragungen Neben den Standard-Hygienemaßnahmen ist bei Infektionen, die durch Tröpfchenkerne (<5 µm) via Luft übertragbar sind (in Da chirurgische Masken Tröpfchenkerne nicht filtern können, müssen spezielle Atemschutzmasken verwendet werden, wenn ein Schutz vor aeroger Übertragung erreicht werden soll (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“). In Kapitel B.5 „Tuberkulose“ ist ausführlich erörtert, in welchen Situationen Masken erforderlich zu sein scheinen. Weil Patienten mit Masern oder Varizellen nur von immunem Personal (Anamnese, Impfung) versorgt werden sollen, erübrigt sich für sie die Maske. Patiententransport Um die Entstehung und Verbreitung von Tröpfchenkernen so weit wie möglich zu reduzieren, sollen die Patienten, wenn sie das Zimmer z.B. für eine wichtige diagnostische Maßnahme verlassen müssen, eine Maske aufsetzen, wobei es bei ihnen unerheblich ist, ob es eine chirurgische oder eine Atemschutzmaske ist (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“). Isolierungsprotokoll Wenn Empfehlungen zur Isolierung infizierter oder kolonisierter Patienten gege- 308 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen ben werden, ist es für das medizinische Personal hilfreich, eine schriftliche Zusammenfassung der im Einzelnen notwendigen Maßnahmen zu erhalten. In der Praxis bewährt hat sich dabei die Verwendung eines Vordrucks, in dem die für den individuellen Fall empfohlenen Maßnahmen durch Ankreuzen gekennzeichnet werden und außerdem Platz für individuelle Bemerkungen ist (siehe Tabelle B.9.1). Eine Ausführung dieses Protokolls bleibt im Krankenblatt, eine zweite nimmt das Hygienepersonal zu seinen Unterlagen. Literatur 1. Babb JR, Davies JG, Ayliffe GAJ. Contamination of protective clothing and nurses’ uniforms in an isolation ward. J Hosp Infect 1983; 4: 149–157 2. Barrett SP, Mummery RV, Chattopadhyay B Trying to control MRSA causes more problems than it solves. J Hosp Infect 1998; 39: 85– 93 3. Beekman SE, Henderson DK. Controversies in isolation policies and practices. In: Wenzel RP (Hrsg.) Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 71–84 4. Edmond M. Isolation. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 58–64 5. Fenelon LE. Protective isolation: who needs ist? J Hosp Infect 1995; 30, Suppl.: 218–222 6. Garner JS, The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee Guideline for isolation precautions in hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 53–80 7. Haley RW, Garner JS, Simmons BP. A new approach to the isolation of hospitalized patients with infectious diseases: alternative systems. J Hosp Infect 1985; 6: 128–139 8. Hyams PJ, Ehrenkranz NJ. The overuse of single patient isolation in hospitals. Am J Epidemiol 1977; 106: 325–329 9. Klein BS, Perloff WH, Maki DG. Reduction of nosocomial infection during pediatric intensive care by protective isolation. N Engl J Med 1989; 320: 1714–1721 10. Lewis AM, Gammon J, Hosein I. The pros and cons of isolation and containment. J Hosp Infect 1999; 43: 19–23 11. Lynch P, Jackson MM, Cummings MJ, Stamm WE. Rethinking the role of isolation practices in the prevention of nosocomial infections. Ann Int Med 1987; 107: 243–246 12. Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher), Cheltenham, 1997 13. Nauseef WM, Maki DG. A study of the value of simple protective isolation in patients with granulocytopenia. N Engl J Med 1981; 304: 448–453 14. Patterson JE. Isolation of patients with communicable diseases. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 211–238 15. Preston GA, Larson EL, Stamm WE. The effect of private isolation rooms on patient care practices, colonization and infection in an intensive care unit. Am J Med 1981; 70: 641–645 16. Weinstein JW, Hierholzer WJ, Garner JS. Isolation precautions in hospitals. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital Infections. 4. Auflage, Lippincott-Raven, Philadelphia, 1998, 189–199 Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg 309 Tabelle B.9.1. Isolierungsprotokoll. Isolierungsprotokoll Klinik: Station: Name des Patienten: Infektions-Diagnose: Mit-Patienten: Aufnahmedatum: Geburtsdatum: Händedesinfektion und Einmal-Handschuhe Unabhängig von der Art der Infektion müssen die Standard-Regeln der Händehygiene beachtet werden. Weitere Maßnahmen ■ Einzelzimmer ■ Eigenes WC/Nachtstuhl ■ Schürze/Schutzkittel ■ Bei Kontakt mit (potenziell) infektiösem Material ■ Bei Pflegetätigkeiten am Patienten ■ Bei intensivem Körperkontakt (z.B. Physiotherapie) ■ 3 × täglich wechseln ■ 1 × täglich wechseln ■ Patienten mit C. difficile-Nachweis ■ Vor Verlassen des Zimmers Hände mit Wasser und Seife waschen (Sporenreduktion durch Spüleffekt) ■ Information an alle Kontaktpersonen (z.B. Physiotherapie, Besucher) ■ Information an Reinigungspersonal bzw. Hauswirtschaftsleitung ■ Laufende Desinfektion ■ Schlussdesinfektion ■ Patientennahe Flächen ■ Alle (erreichbaren horizontalen) Flächen Wäscheentsorgung ■ Normale Wäsche ■ Infektiöse Wäsche (gemäß UVV) bei Kontamination mit infektiösem Material Abfallentsorgung ■ Abfall der Gruppe B (= Hausmüll) ■ Abfall der Gruppe C (= infektiöser Abfall): Kontamination mit infektiösem Material Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen ■ Nach Beendigung der Symptomatik ■ Nach negativen bakteriologischen Kontrollen (z.B. MRSA) ■ Nach drei negativen Stuhlproben im Abstand von 48 Stunden (z.B. Enteritis-Salmonellen) ■ Nach fünf negativen Stuhlproben im Abstand von 48 Stunden (z.B. S. typhi) ■ Nach drei mikroskopisch negativen Sputum-/Magensaftproben bei Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege Stuhlproben ■ Frühestens 72 Stunden nach Absetzen von Antibiotika ■ Frühestens eine Woche nach Beendigung der Symptomatik mit Kontrollen beginnen ■ Bei Kontaktpersonen mit Symptomatik (Information an den Betriebsarzt) ■ Bei allen Kontaktpersonen (Information an den Betriebsarzt) Bemerkungen Datum: Unterschriften: Krankenhaushygiene Station 310 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 9. Isolierung bei Infektion und Kolonisation – Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht der Infektionen von A–Z Spezielle Maßnahmen zur Infektionsprävention („Isolierungsmaßnahmen“) In diesem Kapitel sind in tabellarischer Übersicht die Eckpunkte der Isolierung bei häufigeren und selteneren Infektionen aufgeführt, es werden mit anderen Worten also die im Einzelnen – orientiert am Übertragungsweg – sinnvollen Maßnahmen genannt, um Erregerübertragungen – und damit letztlich Infektionen – bei direkten und indirekten Kontaktpersonen zu verhindern [2, 3]. Diese Darstellung wurde gewählt, weil sie aufgrund der Fragen aus der klinischen Praxis am ehesten die Bedürfnisse des Personals erfüllt, die schnell erfahren wollen, ob sie über die Standard-Hygiene hinaus weitere Maßnahmen beachten müssen, um Erregerübertragungen zu verhindern. Weil bei einer Infektion nicht der gesamte Patient „infektiös“ ist, wird jeweils angegeben, welches Patientenmaterial im individuellen Fall den Erreger enthält, also als „infektiös“ einzustufen ist, und auf welchem Wege – wenn überhaupt möglich – eine Übertragung von Mensch zu Mensch oder über Gegenstände stattfinden kann. In der Rubrik „Kommentar“ werden entweder konkretere Hinweise für Sonderfälle der im Einzelnen behandelten Infektionen oder weiterführende Informationen zu den Infektionen gegeben, die von Interesse sein können, aber nicht zwingend für die Präventionsmaßnahmen zur Kenntnis genommen werden müssen. Außerdem gibt es Verweise auf ausführlichere Informationen in einzel- nen Kapiteln. Unter „Meldepflicht“ werden die seit Inkraftreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gültigen neuen Regelungen in Kurzform wiedergegeben [1]. Mehrere wiederkehrende Begriffe sind mit den auf Fußnoten verweisenden Ziffern 1–6 gekennzeichnet, die im Folgenden zusammengefasst sind: 1 2 3 4 5 6 Einzelzimmer: siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“ Standard-Hygiene: siehe Kapitel B.1 „Standard-Hygiene“ und Kapitel B.9 „Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“ Desinfektion: siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“ Potenziell infektiös sind Blut und Körperflüssigkeiten von jedem Patienten unabhängig davon, ob eine Infektion, wie z.B. Hepatitis B, bekannt ist (siehe Standard-Hygiene) Übertragung: siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ Meldepflicht:Alle Angaben für Einzelfälle bzw. endemisches Auftreten gemäß §§ 6, 7 IfSG; wenn nicht anders angegeben, immer namentliche Meldung; gemäß § 6 (3) Meldepflicht generell bei Ausbrüchen nosokomialer Infektionen; alle Meldungen an das örtliche Gesundheitsamt des Krankenhauses oder des Labors, nicht an das des Patienten; bei HIV-Nachweis nicht-namentliche Meldung mit fallbezogener Verschlüsselung des Namens; Meldebögen für die einzelnen Bundesländer siehe unter www.rki.de Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Abszess Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht AIDS Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Amoebiasis Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination 311 Ja, bei starker Sekretion Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Starke Sekretion: Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Schwache oder mäßige Sekretion: Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Eiter Kontakt Starke Sekretion: Kein Verband möglich oder der Verband nimmt das Wundsekret nicht vollständig auf. Schwache oder mäßige Sekretion:Verband deckt die Wunde ab und nimmt das Wundsekret auf Nein Nein, ggf. bei unzureichender Patientenhygiene Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material Dauer des Krankenhausaufenthaltes Blut und Körperflüssigkeiten Parenteraler Kontakt Vorsicht beim Umgang mit Blut und blutigen Gegenständen, Nadelstichverletzungen vermeiden; Potenziell infektiöse Körperflüssigkeiten sind: Samenflüssigkeit,Vaginalsekret, Liquor, Gelenk-, Pleura-, Peritoneal-, Perikard-Flüssigkeit und Fruchtwasser; ebenfalls infektiös sind Gewebeproben; Maßnahmen der Standard-Hygiene ausreichend, da deren Einhaltung Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten ausschließt § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nicht-namentlich, mit fallbezogener Verschlüsselung) Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material 312 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Aspergillose Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Botulismus Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Bronchiolitis Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Krankheitsdauer Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Übertragung durch Zysten, bei Leberabszess kein Übertragungsrisiko Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch Inhalation von Aspergillen als Bioaerosol (siehe Kapitel B.5 „Aspergillose“) Häufig endogene Infektion (bei Schleimhautbesiedlung der oberen Atemwege und Abwehrschwäche) Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch Aufnahme von Clostridium botulinum oder des Toxins mit der Nahrung Ursache sind Toxine, die von C. botulinum in Lebensmitteln oder im Darm gebildet werden § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erreger- oder Toxin-Nachweis Ja, bei Kindern Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Candidiasis Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 313 Krankheitsdauer Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Verschiedene Viren (Respiratory Syncytial-, Parainfluenza-,Adeno-, Influenza-Viren) kommen ursächlich in Betracht Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch Nosokomiale Übertragung von Candida spp. über die Hände analog zu anderen Erregern möglich, aber endogene Risikofaktoren entscheidend dafür, ob der Kontakt zu einer Infektion führen kann Auftreten meist bei schwerkranken Patienten (insbesondere nach längerer Antibiotikatherapie) Nein Chlamydien-Konjunktivitis (auch bei Neugeborenen) Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Augensekret Übertragung5 Kontakt Kommentar Siehe unten „Gonokokken-Konjunktivitis des Neugeborenen“ Meldepflicht Nein Chlamydien-Infektion: Respiratorische Infektion Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material 314 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Krankheitsdauer Respiratorische Sekrete Kontakt --Nein (nur Nachweis von C. psittaci, siehe unten „Psittakose“) Chlamydien-Infektion: Genitalinfektion Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Genitalsekret Übertragung5 Kontakt Kommentar --Meldepflicht Nein Clostridium difficile-assoziierte Diarrhoe Einzelzimmer1 Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Desinfektion oder Reinigung (siehe Kommentar), ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der klinischen Symptomatik Infektiöses Patientenmaterial Stuhl Übertragung5 Kontakt Kommentar Häufigste Ursache nosokomialer Diarrhoen, fast immer Antibiotika-assoziiert (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“); Sporen von C. difficile werden bei üblicher Anwendung von Flächendesinfektionsmitteln nicht inaktiviert, deshalb können alternativ zur Desinfektion auch gründliche Reinigungsmaßnahmen – dadurch mechanische Entfernung der Sporen – als ausreichend betrachtet werden Meldepflicht Nein Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Nein Standard-Hygiene2 Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung Kommentar Meldepflicht Cytomegalie: Neugeborene Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 315 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material (siehe Kapitel B.5 „Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“) Dauer des Krankenhausaufenthaltes Insbesondere ZNS- und Augen-Gewebe sowie Liquor Nicht endgültig geklärt Siehe Kapitel B.5 „Creutzfeldt-Jakob-Krankheit“ § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Urin oder respiratorische Sekrete (möglicherweise) Kontakt Schwangere sollen keinen Kontakt mit infizierten Patienten haben Nein Cytomegalie: Immunsupprimierte Patienten Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Infektiöses Patientenmaterial Urin oder respiratorische Sekrete (möglicherweise) Übertragung5 Kontakt Kommentar Schwangere sollen keinen Kontakt mit infizierten Patienten haben Meldepflicht Nein Diphtherie: Pharyngeal Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Ja Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion 316 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Diphtherie: Kutan Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Endometritis: A-Streptokokken Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Endometritis: Andere Erreger Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Bis zwei Abstriche negativ sind Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Abstriche nach Absetzen der Therapie mindestens im Abstand von 24 Stunden abnehmen § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Nachweis von Corynebacterium diphtheriae, Toxin-bildend Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Bis zwei Abstriche negativ sind Wundsekret Kontakt Abstriche nach Absetzen der Therapie mindestens im Abstand von 24 Stunden abnehmen § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Nachweis von Corynebacterium diphtheriae, Toxin-bildend Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Vaginalsekret Kontakt Wenn zwei Fälle innerhalb kurzer Zeit (z.B. 2 Wochen) auftreten, sofort epidemiologische Untersuchung erforderlich; Erreger des Kindbettfiebers (siehe Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) Nein Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Enzephalitis Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 317 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Vaginalsekret Kontakt Bei gehäuftem Auftreten mit einem bestimmten Erreger epidemiologische Untersuchung erforderlich Nein Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der Erkrankung oder bis 7 Tage nach Beginn (je nachdem, was kürzer ist) Stuhl Kontakt Erreger meist Enteroviren, deshalb bis zu deren Ausschluss entsprechende Hygienemaßnahmen einhalten, aber auch andere Viren möglich, die nicht im Stuhl ausgeschieden werden Nein Epiglottitis durch Haemophilus influenzae Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Respiratorische Sekrete Übertragung5 Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Kommentar --Meldepflicht Nein Erythema infectiosum (Ringelröteln) Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 318 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Furunkulose: S. aureus Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Furunkulose: Neugeborene Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 7 Tage nach Beginn der Erkrankung, bei chronischer Infektion bei abwehrgeschwächten Patienten für die Dauer des Krankenhausaufenthalts Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Erreger: Parvovirus B19; auch bekannt als „fünfte Krankheit“ (s. Anmerkung S. 350); Schwangere sollen keinen Kontakt mit infizierten Patienten haben. Nein Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Eiter Kontakt Personen mit Diabetes mellitus sind besonders häufig betroffen Nein Meldepflicht Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Krankheitsdauer Eiter Kontakt Bei Ausbrüchen Kohorten-Isolierung auch von kolonisierten Neugeborenen (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“) Nein Gasbrand Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Nein Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 319 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Kontakt mit Clostridium perfringens und anderen Clostridien, Risiko insbesondere bei tiefen Verletzungen mit devitalisiertem Gewebe Krankheitsgeschehen, das durch in der Wunde gebildete Toxine und Enzyme verursacht wird; Außerdem möglich: Endogener Gasbrand aus dem Erregerreservoir des Darmes bei Abwehrschwäche im Rahmen einer Bakteriämie mit Absiedlung des Erregers im Bereich der Weichteile als spontanes atraumatisches Gasödem oder Sepsis mit z.B. Clostridium septicum ohne Zeichen des Gasödems; Bei postoperativem Gasbrand ebenfalls endogenes Erregerreservoir Nein Gastroenteritis: Campylobacter jejuni Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1 nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung Infektiöses Patientenmaterial Stuhl Übertragung5 Kontakt (fäkal-oral) Kommentar Siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“ Meldepflicht6 § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Gastroenteritis: Cryptosporidium parvum Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1 nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 320 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Routinemäßig Desinfektion oder Reinigung (siehe Kommentar), ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der Ausscheidung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“; Inaktivierung von Protozoen durch Desinfektionsmittel unsicher § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Gastroenteritis: Enteritis-Salmonellen Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1 nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung Infektiöses Patientenmaterial Stuhl Übertragung5 Kontakt (fäkal-oral) Kommentar Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“) Meldepflicht6 § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Gastroenteritis: Escherichia coli (enteropathogen) Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1 nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 321 Dauer der Ausscheidung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) mit hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) assoziiert, niedrige Keimzahlen für eine Übertragung ausreichend, deshalb Einzelzimmerunterbringung sinnvoll und sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“) § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt; Verdacht, Erkrankung, Tod bei HUS Gastroenteritis: Norwalk-(ähnliche) Viren Einzelzimmer1 Ja, bei Erbrechen und unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Stuhl, Erbrochenes Übertragung5 Kontakt (fäkal-oral), möglicherweise aerogen Kommentar Sog. „small round structured viruses“; wiederholt große Ausbrüche in Krankenhäusern und auf Kreuzfahrtschiffen berichtet (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“) Meldepflicht6 § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Gastroenteritis: Rotavirus Einzelzimmer1 Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 322 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Gastroenteritis: Shigellen Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Krankheitsdauer oder bis 7 Tage nach Auftreten der klinischen Symptome (je nachdem, was kürzer ist) Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Meist Infektion bei Säuglingen (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“), aber auch bei alten Menschen § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der Ausscheidung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig, da niedrige Keimzahlen für eine Übertragung ausreichend (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“) § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Gastroenteritis: Unbekannte Ätiologie Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit InkontiEinzelzimmer1 nenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Gastroenteritis: Vibrio cholerae Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 323 Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten Nein Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der Ausscheidung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig, da geringe Keimzahlen für eine Übertragung ausreichend (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“) § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (V. cholerae O1 und O139) Gastroenteritis: Vibrio parahaemolyticus Einzelzimmer1 Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Ausscheidung Infektiöses Patientenmaterial Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Übertragung5 Kommentar Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten Meldepflicht Nein Gastroenteritis: Yersinia enterocolitica Einzelzimmer1 Ja, bei unkontrollierbaren Durchfällen mit Inkontinenz oder bei unzureichender Patientenhygiene Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 324 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der Ausscheidung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Unterbringung im Mehrbettzimmer möglich, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“) § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis; § 6 IfSG (Arzt): Verdacht und Erkrankung nur dann, wenn es sich gemäß § 42 (1) um Personen handelt, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausüben, oder wenn es sich um ≥2 Fälle mit vermutetem oder gesichertem epidemiologischen Zusammenhang handelt Gonokokken-Konjunktivitis bei Neugeborenen Ja Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen, z.B.Wickelunterlage, und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Augensekret Übertragung5 Perinataler Kontakt mit den Geburtswegen Kommentar Silbernitrat-(Credé-)Prophylaxe nicht mehr generell empfohlen wegen der Seltenheit genitaler Gonokokken-Infektionen in den entwickelten Ländern, andererseits aber relativ häufiger chemischer Konjunktivitis; Chlamydien, die ebenfalls Augeninfektionen bei Neugeborenen verursachen können, dagegen relativ häufig, jedoch nicht von der Silbernitrat-Prophylaxe erfasst (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“) Meldepflicht Nein Gonorrhoe Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 325 Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Genitalsekret Kontakt Bei der Patientenversorgung prinzipiell Übertragungsrisiko gegeben, aber Standard-Hygienemaßnahmen schützen vor Kontakt, z.B. an kleinen Hautwunden, und damit vor der Erregerübertragung Nein Hämorrhagische Fieber (z.B. Ebola, Lassa) Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Masken und ggf. Augenschutz, Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, d.h. bei typischem Krankheitsverlauf mit ausgeprägten Blutungen bei jedem Patientenkontakt Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Umgebung und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Blut und Körperflüssigkeiten Übertragung5 Parenteraler Kontakt (nicht: bloßer Kontakt mit intakter Haut) Kommentar Dieselben Maßnahmen, die vor der Übertragung von z.B. HBV oder HIV schützen, sind geeignet, die Übertragung der Erreger zu verhindern. Weil diese Infektionen jedoch akut lebensbedrohlich und bei entsprechendem Kontakt leicht übertragbar sind, werden bei Infektionsverdacht wesentlich aufwändigere Schutzmaßnahmen durchgeführt. Ob allerdings über die o.g. Hygienemaßnahmen, die vor Kontakt mit infektiösem Material schützen, weitergehende Maßnahmen, wie spezielle Schutzanzüge und Helme, überhaupt erforderlich sind, kann zu Recht in Frage gestellt werden, da epidemiologische Daten zeigen, dass eine aerogene Übertragung nicht stattfindet. Übertragungen kommen in armen Ländern mit räumlicher Enge und schlechten hygienischen Bedingungen in den Krankenhäusern häufig vor, weil dort ein naher, ungeschützter Kontakt unter den Patienten und zwischen Personal und Patienten nicht vermieden werden kann. Meldepflicht6 § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis 326 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Hepatitis A, E Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Hepatitis B, D Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Hepatitis C Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Bis 7 Tage nach Beginn des Ikterus Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Kontagiosität ist am stärksten, bevor Symptome und Ikterus auftreten § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Nein, ggf. bei starken Blutungen Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material Bis Patient HBsAg-negativ ist Blut und Körperflüssigkeiten Parenteraler Kontakt Vorsicht beim Umgang mit Blut und blutigen Gegenständen, Nadelstichverletzungen vermeiden; Potenziell4 infektiöse Körperflüssigkeiten sind: Samenflüssigkeit, Vaginalsekret, Liquor, Gelenk-, Pleura-, Peritoneal-, Perikard-Flüssigkeit und Fruchtwasser; ebenfalls infektiös sind Gewebeproben; Maßnahmen der Standard-Hygiene ausreichend, da deren Einhaltung Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten ausschließt Besonders infektiös sind HBeAg-positive Patienten (siehe Kapitel A.3 „Virale Infektionen durch Blutkontakt“ und Kapitel B.6 „Dialyse“) § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Nein, ggf. bei starken Blutungen Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit infektiösem Material Dauer des Krankenhausaufenthaltes Blut und Körperflüssigkeiten Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 327 Parenteraler Kontakt Gegenwärtig ist ein Zeitraum der Ansteckungsgefahr noch unbekannt, möglicherweise lebenslang; Vorsicht beim Umgang mit Blut und blutigen Gegenständen, Nadelstichverletzungen vermeiden; Potenziell4 infektiöse Körperflüssigkeiten sind: Samenflüssigkeit, Vaginalsekret, Liquor, Gelenk-, Pleura-, Peritoneal-, Perikard-Flüssigkeit und Fruchtwasser; ebenfalls infektiös sind Gewebeproben; Maßnahmen der Standard-Hygiene ausreichend, da deren Einhaltung Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten ausschließt § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Herpes simplex-Virus (HSV): Enzephalitis Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Infektiöses Patientenmaterial Kein spezielles infektiöses Material Übertragung5 Beim Neugeborenen intrapartal während des Kontakts mit den Geburtswegen oder postpartal bei Kontakt mit Sekret von Herpes labialis-Läsion eines Erwachsenen (siehe auch Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) Kommentar Endogene Infektion durch Invasion bei Schleimhautläsionen Meldepflicht Nein Herpes simplex-Virus (HSV): Schwere oder generalisierte primäre Haut- und Schleimhautinfektionen Einzelzimmer Nein, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis alle Läsionen verkrustet sind Infektiöses Patientenmaterial Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen Übertragung5 Kontakt 328 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Kommentar Meldepflicht Die meisten Erwachsenen hatten bereits in der Kindheit Kontakt mit HSV und besitzen deshalb protektive Antikörper Nein Herpes simplex-Virus (HSV): Rezidivierende Haut- und Schleimhautinfektionen Einzelzimmer Nein, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis alle Läsionen verkrustet sind Infektiöses Patientenmaterial Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen Übertragung5 Kontakt Kommentar Die meisten Erwachsenen hatten bereits in der Kindheit Kontakt mit HSV und besitzen deshalb protektive Antikörper Meldepflicht Nein Herpes simplex-Virus (HSV): Neonatal Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis alle Läsionen verkrustet sind Infektiöses Patientenmaterial Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen Übertragung5 Kontakt Kommentar Dieselben Maßnahmen sind angezeigt für Kinder, die entweder vaginal oder durch Kaiserschnitt (wenn die Fruchtblase mehr als 4–6 Stunden zuvor geplatzt war) von Müttern mit aktiver (primärer oder sekundärer) HSV-Infektion entbunden wurden. Bei Kindern, die von Müttern mit aktiver genitaler HSV-Infektion durch Kaiserschnitt geboren wurden, bevor die Fruchtblase geplatzt ist oder wahrscheinlich auch 4–6 Stunden danach, ist das Risiko einer Infektion minimal, dennoch sollten dieselben Maßnahmen beachtet werden (siehe dazu auch Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) Meldepflicht Nein Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Impetigo Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Influenza Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Keratoconjunctivitis epidemica Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 329 Ja, bei Kindern bzw. bei ausgedehntem Befall Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Bei begrenztem Befall routinemäßig Reinigung, bei ausgedehntem Befall laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Bis 24 Stunden (A-Streptokokken) bzw. 48 Stunden (S. aureus) nach Beginn einer effektiven Therapie Sekret von Hautläsionen Kontakt Erreger meist A-Streptokokken (mit oder ohne Beteiligung von S. aureus) Nein Ja, auch bei Verdacht Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen), evtl. auch aerogen Jährliche Impfung des Personals im Herbst, auch Risiko-Patienten (z.B. ≥65 Jahre, chronische Lungen- oder Herzkrankheit, Diabetes mellitus) möglichst impfen § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Augensekret Kontakt Siehe Kapitel B.6 „Augenheilkunde“ § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis 330 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Läuse-Befall Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen „Infektiöses“ Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Legionellose Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Listeriose Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Ja, bei ausgedehntem Befall Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit befallenen Körperstellen möglich ist, ansonsten StandardHygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Befallene Körperareale Kontakt Bettwäsche, Handtücher und Kleidung nach jeder Behandlung wechseln; Klinikwäsche in Wäschesack legen, sofort verschließen und in die Wäscherei transportieren; Privatwäsche in einen Plastiksack packen und verschließen, bei mindestens 60 °C mit haushaltsüblichem Waschmittel zu Hause waschen lassen; Kleidung, die nicht gewaschen werden kann, chemisch reinigen lassen; Wäsche in verschlossenem Plastiksack ist nach 4 Tagen nicht mehr „infektiös“; Bettdecke und Kopfkissen nach der Behandlung in die Wäsche geben; Kamm oder Haarbürste nach der Behandlung thermisch desinfizieren Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material, da keine Übertragung von Mensch zu Mensch Aufnahme des Erregers aus kontaminiertem Wasserreservoir via Aspiration oder Inhalation Siehe Kapitel B.5 „Legionellose“ § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Nein (außer in der Geburtshilfe, siehe Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Maden-Befall (Myiasis) Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Malaria Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen 331 Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Kontaminierte Nahrung (z.B. unspasteurisierte Milch und Milchprodukte, Gemüse) Erhöhtes Risiko in der Schwangerschaft, bei abwehrgeschwächten Patienten und in höherem Lebensalter; Neugeborenen-Listeriose: 1) Early-onset = in utero erworben, 2) Late-onset = intrapartal bei Kontakt mit den Geburtswegen bei z.B. asymptomatischer Besiedlung der Mutter oder postpartal durch Übertragung (siehe Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Körperflüssigkeiten und aus Abstrichen von Neugeborenen) Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Eiablage durch Fliegen Risikofaktoren sind Abwehrschäche, stark riechende Sekrete, die Fliegen anlocken, und warme Jahreszeit mit hoher Fliegendichte. Insbesondere chronische Ulzera können befallen werden, aber bei extremer Abwehrschwäche auch andere Körperareale (z.B. Nasennebenhöhlen). Therapie ist die Entfernung der Maden bzw. Larven und ggf. die chirurgische Sanierung. Chronische Wunden müssen durch Verbände geschützt werden, insbesondere wenn Fliegenkontakt möglich ist (z.B. im häuslichen Bereich der Patienten). Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer 332 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Masern Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Meningitis: Abakteriell oder viral Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Blut Im Krankenhaus: parenteraler Kontakt (z.B. Nadelstich) Maßnahmen der Standard-Hygiene schützen vor Kontakt mit Blut, Nadelstichverletzungen vermeiden § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nicht-namentlich) Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 4 Tage nach Exanthembeginn, bei immunsupprimierten Patienten während der gesamten Krankheitsdauer Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen), unter bestimmten Bedingungen auch aerogen Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese Patienten nicht versorgen, Impfschutz wichtig § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion2 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 7 Tage nach Beginn der Erkrankung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Erreger meist Enteroviren Nein Meningitis: Bakterielle, Gram-negative bei Neugeborenen Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 333 Krankheitsdauer Stuhl (möglicherweise) Intrapartaler Kontakt mit den Geburtswegen Häufigste Erreger: Enterobakterien, insbesondere E. coli Nein Meningitis: Haemophilus influenzae Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Respiratorische Sekrete Übertragung5 Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Kommentar Risiko für Säuglinge und Kleinkinder am größten, deshalb Säuglinge impfen Meldepflicht6 § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (aus Liquor und Blut) Meningitis: Listeria monocytogenes Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung Kommentar Meldepflicht6 Meningitis: Meningokokken Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Nein (außer in der Geburtshilfe, siehe Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Kontaminierte Nahrung (z.B. unspasteurisierte Milch und Milchprodukte, Gemüse) Erhöhtes Risiko in der Schwangerschaft, bei abwehrgeschwächten Patienten und in höherem Lebensalter § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (aus Liquor und Blut) Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 334 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Antibiotikaprophylaxe nur bei engen Kontaktpersonen (z.B. Personal nach Reanimationsmaßnahmen, Intubation, endotrachealem Absaugen): 1 × 500 mg Ciprofloxacin als Einzeldosis oder 1 × 600 mg Rifampicin für 2 Tage per os § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten und anderen normalerweise sterilen Körperflüssigkeiten) Meningitis: Mycobacterium tuberculosis Nein, außer bei gleichzeitig bestehender offener TuEinzelzimmer1 berkulose der Atemwege Hygienemaßnahmen Standard-Hygiene2, wenn nicht gleichzeitig eine offene Tuberkulose der Atemwege besteht Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Keine speziellen Maßnahmen erforderlich, wenn nicht gleichzeitig eine offene Tuberkulose der Atemwege besteht Infektiöses Patientenmaterial Kein spezielles infektiöses Material, wenn nicht gleichzeitig eine offene Tuberkulose der Atemwege besteht Übertragung5 Nur bei offener Tuberkulose der Atemwege aerogen (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“) Kommentar Klärung, ob gleichzeitig eine offene Tuberkulose der Atemwege besteht Meldepflicht6 § 6 IfSG (Arzt): Erkrankung, Tod bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose (auch ohne bakteriologischen Nachweis); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (sowohl mikroskopischer als auch kultureller Nachweis und Ergebnis der Resistenztestung) Meningitis: Pilze Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung Kommentar Meldepflicht Meningitis: Pneumokokken Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung Kommentar Meldepflicht Mumps Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Mykosen Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial 335 Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material --Meist endogene Infektion bei schwerkranken Patienten (nach längerer Antibiotikatherapie) Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material --Endogene Infektion bei Kolonisierung im NasenRachen-Raum, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten (z.B. nach Milzexstirpation) und aufsteigend bei Liquorfistel Nein Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 9 Tage nach Auftreten der Parotisschwellung Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese Patienten nicht versorgen, Impfschutz wichtig Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material 336 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Übertragung Kommentar Meldepflicht Nekrotisierende Fasziitis Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Pertussis (Keuchhusten) Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Siehe oben „Candidiasis“, bei Aspergillose keine Übertragung ausgehend von infizierten Personen (z.B. mit Lungenaspergillose) Nosokomiale Mykosen nahezu immer Infektionen bei schwerkranken Patienten (siehe dazu auch Kapitel B.5 „Aspergillose“) Nein Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Krankheitsdauer Wundsekret Kontakt Bei monomikrobiellen Formen meist A-Streptokokken, aber auch S. aureus und anaerobe Streptokokken (Peptostreptokokken), bei polymikrobiellen Formen aerob-anaerobe Mischinfektionen Nein Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 5 Tage nach Beginn einer effektiven Therapie Respiratorisches Sekret Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Expositionsprophylaxe für nicht-immunes Personal nach ungeschütztem engen Kontakt (4 × 500 mg Erythromycin oder 2 × 320/160 mg Cotrimoxazol per os für 14 Tage) Nein Pfeiffer’sches Drüsenfieber (Infektiöse Mononukleose) Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Pneumonie: Chlamydien Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Pneumonie: Legionellen Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Pneumonie: Meningokokken Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen 337 Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Respiratorisches Sekret (möglicherweise) Sehr enger Schleimhaut-Kontakt erforderlich Übertragung bei der Patientenversorgung unwahrscheinlich; Infektion häufig schon im Kindesalter Nein Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Respiratorisches Sekret Kontakt (inkl. via Tröpfchen) --Nein (nur Nachweis von C. psittaci, siehe unten „Psittakose“) Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Aufnahme des Erregers aus kontaminiertem Wasserreservoir via Aspiration oder Inhalation (siehe Kapitel B.5 „Legionellose“) Keine Übertragung von Mensch zu Mensch; betroffen meist abwehrgeschwächte und alte Personen § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie 338 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) --§ 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur aus Blut) Pneumonie: Mycoplasma pneumoniae Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Respiratorisches Sekret möglicherweise Übertragung5 Kontakt Kommentar --Meldepflicht Nein Pneumonie: Pneumocystis carinii Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Pneumonie: Pneumokokken Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Nein, aber nicht zusammen mit abwehrgeschwächten Patienten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Respiratorische Sekrete möglicherweise Kontakt (wahrscheinlich inkl. via Tröpfchen) Typischer opportunistischer Erreger, insbesondere bei Patienten mit zellulärem Immundefekt, daher besonders häufig bei HIV-infizierten Patienten; Übertragung zwischen HIV-infizierten Patienten beschrieben Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Respiratorische Sekrete möglicherweise (bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie) Kontakt Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Kommentar Meldepflicht Pneumonie: Staphylococcus aureus Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Pneumonie: A-Streptokokken Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 339 Übertragung, z.B. über die Hände des Personals, ebenso wie bei typischen nosokomialen Erregern (z.B. S. aureus) möglich Nein Nein, außer bei abszedierender Pneumonie Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Respiratorische Sekrete möglicherweise (bis 48 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie) Kontakt Übertragung, z.B. über die Hände des Personals, ebenso wie bei anderen Erregern möglich Nein Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Respiratorische Sekrete möglicherweise (bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie) Kontakt Übertragung, z.B. über die Hände des Personals, ebenso wie bei anderen Erregern (z.B. S. aureus) möglich Nein Pneumonie: Viren (Neugeborene und Kleinkinder) Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Übertragung5 Kommentar Verschiedene Viren, insbesondere RSV (= Respiratory Syncytial Virus), kommen in Betracht (siehe Kapitel B.6 „Kinderheilkunde“) Meldepflicht Nein 340 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Pneumonie: Viren (Erwachsene) Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Poliomyelitis Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Psittakose (Ornithose) Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Q-Fieber Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Respiratorische Sekrete möglicherweise Kontakt (inkl. via Tröpfchen) --Nein Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Bis 7 Tage nach Beginn der Erkrankung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Impfschutz wichtig § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod (Verdacht = jede schlaffe Lähmung, wenn nicht traumatisch bedingt); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Krankheitsdauer Respiratorische Sekrete möglicherweise Vogelkontakt (inkl. via Tröpfchen und möglicherweise auch aerogen) Übertragung von Mensch zu Mensch sehr selten § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Röteln Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Scabies (Krätze) Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen 341 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Krankheitsdauer Gewebe, Blut und möglicherweise respiratorische Sekrete Aerogen via Inhalation bei Kontakt mit infizierten Tieren oder orale Aufnahme z.B. über nicht pasteurisierte Milch infizierter Tiere Besonders hohe Konzentrationen des Erregers (Coxiella burnetii) in der Plazenta infizierter Tiere; Normalerweise keine Übertragung von Mensch zu Mensch, aber unter bestimmten Umständen möglich (z.B. Kontakt mit infizierter Frau während der Geburt und bei Autopsie infizierter Verstorbener, d.h. analog zum Kontakt mit infizierten Tieren) § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 7 Tage nach Auftreten des Exanthems Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese Patienten nicht versorgen (Schwangere überhaupt nicht); Impfschutz wichtig § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur bei kongenitalen Röteln; nicht-namentlich) Ja, bei unzureichender Patientenhygiene Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit befallenen Hautstellen möglich ist, ansonsten StandardHygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie 342 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen „Infektiöses“ Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Scharlach Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht Befallene Hautareale Kontakt Sog. Norwegische Scabies sehr „infektiös“, weil die Patienten von extrem vielen Milben befallen sind (Vorkommen z.B. bei HIV-Patienten wegen des speziellen Immundefekts); jeder geringfügige Hautkontakt kann zur Übertragung von Milben führen; deshalb den Patienten nie ohne Schutzkleidung berühren; Bettwäsche, Handtücher und Kleidung nach jeder Behandlung wechseln; Klinikwäsche in Wäschesack legen, sofort verschließen und in die Wäscherei transportieren; Privatwäsche in einen Plastiksack packen und verschließen, bei mindestens 60 °C mit haushaltsüblichem Waschmittel zu Hause waschen lassen; Kleidung, die nicht gewaschen werden kann, chemisch reinigen lassen; Wäsche in verschlossenem Plastiksack ist nach 4 Tagen nicht mehr infektiös; Bettdecke und Kopfkissen nach der Behandlung in die Wäsche geben; Kamm oder Haarbürste nach der Behandlung thermisch desinfizieren Nein Ja Masken bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Respiratorische Sekrete Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Der alleinige Nachweis von A-Streptokokken im Rachen rechtfertigt nicht die Diagnose „Scharlach“. Nein Staphylococcus aureus-Infektionen: Haut, Wunden, Verbrennungen (ausgedehnt) Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 343 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Krankheitsdauer Wundsekret Kontakt Bei großflächigen Verbrennungen oder chronischen Hautkrankheiten erhebliche Kontamination des Patientenumfeldes möglich, deshalb ist sehr sorgfältige Händehygiene essenziell, auch immer nochmals vor Verlassen des Patientenzimmers (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) Nein Staphylococcus aureus-Infektionen: Haut, Wunden, Verbrennungen (klein oder begrenzt) Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Wundsekret Übertragung5 Kontakt Kommentar Ein Verband, der die Wunde bedeckt und das Sekret zuverlässig aufnimmt, „isoliert“ den Infektionsherd ausreichend (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“ und Kapitel B.10 „MRSA“) Meldepflicht Nein Staphylococcus aureus-Infektionen: Lungenabszess Ja Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 48 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Respiratorisches Sekret Übertragung5 Kontakt Kommentar Übertragungen, z.B. über die Hände des Personals, ebenso wie bei anderen S. aureus-Infektionen möglich (siehe Kapitel B.10 „MRSA“) Meldepflicht Nein 344 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Staphylococcus aureus-Infektionen: Syndrom der verbrühten Haut (M. Ritter von Rittershain) Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Wundsekret Übertragung5 Kontakt Kommentar --Meldepflicht Nein Staphylococcus aureus-Infektionen: Toxisches Schocksyndrom Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Vaginalsekret, ggf. Wundsekret Übertragung5 Kontakt Kommentar --Meldepflicht Nein A-Streptokokken-Infektionen: Haut Ja, bei ausgedehnter Infektion Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Wundsekret Übertragung Kontakt Kommentar Ein Verband, der die Wunde bedeckt und das Sekret zuverlässig aufnimmt, „isoliert“ den Infektionsherd ausreichend (siehe Kapitel B.9 „Maßnahmen in Abhängigkeit vom Übertragungsweg“) Meldepflicht Nein Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht 345 A-Streptokokken-Infektionen: Pharyngitis (eitrige Angina) Einzelzimmer Nein (außer Säuglinge und Kleinkinder) Hygienemaßnahmen Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Respiratorische Sekrete Übertragung Kontakt (inkl. via Tröpfchen) Kommentar --Meldepflicht Nein B-Streptokokken-Infektion bei Neugeborenen Ja Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie Infektiöses Patientenmaterial Stuhl (möglicherweise) Kontakt Übertragung5 Kommentar Early-onset- und Late-onset-Infektionen; Late-onset-Infektionen auch durch Übertragung, deshalb sorgfältige Händehygiene für die Prävention sekundärer Infektionen bei anderen Neugeborenen entscheidend (siehe auch Kapitel B.6 „Geburtshilfe/Gynäkologie“) Meldepflicht Nein Syphilis Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Bis 24 Stunden nach Beginn einer effektiven Therapie 346 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Tetanus Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung Kommentar Meldepflicht Tollwut (Rabies) Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Toxoplasmose Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Blut und ggf. Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen Kontakt Läsionen bei primären und sekundären Formen können sehr infektiös sein. § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nicht-namentlich) Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Keine Übertragung von Mensch zu Mensch Einzelzimmer zur Reizabschirmung erforderlich Nein Nein Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Krankheitsdauer Respiratorische Sekrete Parenteraler Kontakt Übertragung durch Kontakt mit Speichel infizierter Tiere bei Bissverletzungen oder an Hautwunden, aus den USA auch durch Fledermausbiss berichtet § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Nein Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Keine speziellen Maßnahmen erforderlich Kein spezielles infektiöses Material Kontakt mit Katzenkot; nicht durchgegartes oder rohes Fleisch; Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Kommentar Meldepflicht6 347 Intrauterin von Mutter auf Kind bei Primärinfektion der Mutter, sonst nicht von Mensch zu Mensch Primärinfektion bei immunkompetenten Personen meist ohne wesentliche Symptome (z.B. wie „grippaler Infekt“), auch in der Schwangerschaft; bei Patienten mit zellulärem Immundefekt (besonders HIV) schwere Formen durch endogene Reaktivierung; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (nur kongenitale Form) Tuberkulose: Extrapulmonal (sezernierende Läsionen) Einzelzimmer Nein Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material Dauer der speziellen Maßnahmen Dauer der Sekretion Infektiöses Patientenmaterial Wundsekret Übertragung5 Kontaktinfektion bei Inokulation des infektiösen Materials (z.B. akzidentell bei Verletzung mit kontaminiertem spitzen Instrument) möglich, aber bei Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen unwahrscheinlich Kommentar Kein Risiko, bei der Versorgung dieser Patienten eine Tuberkulose der Atemwege zu erwerben, da ohne spezielle Maßnahmen, wie offene Spülungen, keine Aerosolbildung stattfindet und deshalb keine Inhalation der Erreger möglich ist (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“) Meldepflicht6 § 6 IfSG (Arzt): Erkrankung, Tod bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose (auch ohne bakteriologischen Nachweis); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (sowohl mikroskopischer als auch kultureller Nachweis und Ergebnis der Resistenztestung) Tuberkulose: Pulmonal (gesichert oder Verdacht) Einzelzimmer1 Ja Hygienemaßnahmen Atemschutzmaske, wenn Aerosolkontakt möglich (siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“), ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit (potenziell4) infektiösem Material 348 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Typhus/Paratyphus Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht6 Windpocken (Varizellen) Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der speziellen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Solange Nachweis säurefester Stäbchen im respiratorischen Sekret (oder bis ein begründeter Infektionsverdacht ausgeschlossen ist) Aerosol von respiratorischem Sekret (siehe Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ und Kapitel B.5 „Tuberkulose“) Inhalation infektiöser Aerosole Siehe Kapitel B.5 „Tuberkulose“ § 6 IfSG (Arzt): Erkrankung, Tod bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose (auch ohne bakteriologischen Nachweis); § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis (sowohl mikroskopischer als auch kultureller Nachweis und Ergebnis der Resistenztestung) Ja Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der Ausscheidung Stuhl Kontakt (fäkal-oral) Sorgfältige Beachtung der Standard-Hygienemaßnahmen wichtig, da niedrige Keimzahlen für eine Übertragung ausreichend (siehe Kapitel B.5 „Clostridium difficile und andere gastrointestinale Infektionen“) § 6 IfSG (Arzt): Verdacht, Erkrankung, Tod; § 7 IfSG (Labor): Erregernachweis Ja Maske bei engem Kontakt (<2 m), Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Bis alle Läsionen verkrustet sind Sekret von Hautläsionen und respiratorisches Sekret Kontakt (inkl. via Tröpfchen), unter bestimmten Bedingungen auch aerogen Maßnahmen bei speziellen Infektionen – Tabellarische Übersicht Kommentar Meldepflicht Zoster (Herpes zoster): Lokalisiert Einzelzimmer Hygienemaßnahmen Flächendekontamination Dauer der spezielen Maßnahmen Infektiöses Patientenmaterial Übertragung5 Kommentar Meldepflicht 349 Immunes Personal braucht keine Masken zu tragen, nicht-immunes Personal soll möglichst diese Patienten nicht versorgen (Schwangere überhaupt nicht); aerogene Übertragung bei pulmonaler Beteiligung möglich Nein Nein Handschuhe und Kittel, wenn Kontakt mit infektiösem Material möglich ist, ansonsten Standard-Hygiene2 Routinemäßig Reinigung, ggf. gezielte Desinfektion3 nach Kontamination mit potenziell4 infektiösem Material Bis alle Läsionen verkrustet sind Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen Kontakt Endogene Reaktivierung nach primärer VarizellenInfektion (Varizella-Zoster-Virus) Patienten auf Stationen mit immunsupprimierten Patienten sollen isoliert werden. Exponierte, nicht immune Personen können bei Kontakt an Windpocken erkranken. Deshalb sollen Personen, die noch keine Windpocken hatten, keinen Kontakt mit Zoster-Patienten haben. Nein Zoster (Herpes zoster): Generalisiert oder bei immunsupprimierten Patienten Ja Einzelzimmer1 Hygienemaßnahmen Handschuhe und Kittel bei Patientenkontakt, ansonsten Standard-Hygiene2 Flächendekontamination Laufende Desinfektion3 der patientennahen Flächen und Schlussdesinfektion Dauer der speziellen Maßnahmen Krankheitsdauer Infektiöses Patientenmaterial Sekrete von Haut- und Schleimhautläsionen Übertragung5 Kontakt, evtl. auch aerogen Kommentar Endogene Reaktivierung nach primärer VarizellenInfektion (Varizella-Zoster-Virus) Exponierte, nicht immune Personen können bei Kontakt an Windpocken erkranken. Deshalb sollen Personen, die noch keine Windpocken hatten, keinen Kontakt mit Zoster-Patienten haben. Meldepflicht6 Nein 350 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Literatur 1. Bales S, Baumann HG, Schnitzler N. Infektionsschutzgesetz – Kommentar und Vorschriftensammlung. Stuttgart, Kohlhammer, 2001 2. Bolyard EA,Tablan OC,Williams WW, Pearson ML, Shapiro CN, Deitchman SD and the Hospital Infection Control Practices Adviso- ry Committee (HICPAC). Guideline for infection control in healthcare personnel, 1998. Infect Control Hosp Epidemiol 1998; 19: 407–463 3. Garner JS, The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee Guideline for isolation precautions in hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 53–80 Anmerkung zu S. 318: Vermutlich ca. um 1900 wurden die Exanthem-Krankheiten nummeriert: 1. Masern, 2. Scharlach, 3. Röteln, 4. (Dukes’ Disease: heute unklar, welche Krankheit bzw. welcher Erreger), 5. Erythema infectiosum, 6. Exanthema subitum (bzw. Roseola infantum) [Shapiro L. The numbered diseases: first through sixth. JAMA 1965; 194: 210] Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern B 351 10. Multiresistente Erreger – Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern Multiresistene Erreger müssen möglichst rasch als solche wahrgenommen werden. Ihr Auftreten kann als Mittel genutzt werden, die Aufmerksamkeit des medizinischen Personals auf die Bedeutung der Hygiene zu lenken. Darüber hinaus sind multiresistente Erreger, wenn ein Stamm nicht nur bei einem Patienten auftaucht, ein guter Marker für Kreuz-Übertragungen und können dann ein Hinweis darauf sein, dass die tägliche Routine verbesserungsbedürftig ist. Wann ist ein Erreger multiresistent? Um beurteilen zu können, welche Antibiotikaresistenzen einzeln oder in Kombination einen Erreger zu einem multiresistenten oder sog. „Problemkeim“ machen, braucht man Kenntnisse über natürliche und erworbene Resistenzmechanismen, d.h. darüber, welche Resistenzen für potenziell pathogene Keime normal sind und welche andererseits auch heute nicht vorkommen sollten (siehe Kapitel E.7 „Mikrobielle Resistenz“) [1–3]. Bei Vorliegen bestimmter Resistenzen ist die Beurteilung bei den Grampositiven Erregern einfach, bei den Gramnegativen Erregern dagegen gelingt dies nicht „auf einen Blick“. Die folgende Auflistung kann deshalb, was die Gram-negativen Erreger betrifft, auch nur Hinweise geben, worauf man achten muss. Letztlich entscheidend ist nicht allein die Summe der Antibiotikaresistenzen, sondern vor allem das Resistenzmuster, das aus den betroffenen Einzelsubstanzen bzw. Antibiotikagruppen resultiert. Um insbesondere ein Gram-negatives Isolat nach seiner krankenhaushygienischen Bedeutung ein- ordnen zu können, ist deshalb die eingehende Beschäftigung mit den Antibiogrammen eine unumgängliche Voraussetzung zur Sammlung der notwendigen Erfahrung. Gram-positive Erreger Bei den Gram-positiven Erregern sind bereits spezielle einzelne Antibiotikaresistenzen entscheidend dafür, dass man einen Stamm de facto als multiresistent einstufen muss. Folgendes sind sog. „Schlüsselsubstanzen“ bei den im Krankenhaus relevanten Erregern: Staphylococcus aureus ■ Oxacillin ist bei allen Staphylokokken das entscheidende Antibiotikum, aber nur bei S. aureus hat die Oxacillin-Resistenz über die therapeutische Konsequenz hinaus auch epidemiologische Bedeutung insofern, als sich daraus spezielle Hygienemaßnahmen ergeben (siehe Kapitel B.10 „MRSA“); die gleiche Resistenz bei Koagulase-negativen Staphylokokken erfordert dagegen keine besonderen Hygienemaßnahmen (siehe Kapitel B.10 „Stellenwert Oxacillin-resistenter Koagulase-negativer Staphylokokken“). ■ Resistenz gegen Vancomycin – bzw. reduzierte Empfindlichkeit – ist auch weltweit noch eine Seltenheit und deshalb ein Alarmzeichen. Enterokokken ■ Enterococcus faecalis ist fast immer empfindlich gegen Ampicillin; Resistenzen dagegen sind in Deutschland 352 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen sehr selten. E. faecium allerdings ist normalerweise Ampicillin-resistent. ■ Ganz anders verhält es sich mit Vancomycin: sowohl bei E. faecalis als auch bei E. faecium ist es ein alarmierendes Zeichen, wenn ein Stamm gegen Vancomycin resistent ist. Daraus ergeben sich – wie bei der Oxacillin-Resistenz von S. aureus – unmittelbare hygienische Konsequenzen. zelsubstanzen bzw.Antibiotikagruppen resistent sein muss, um als multiresistent bezeichnet werden zu können. Ausnahmen sind Pseudomonas aeruginosa und Stenotrophomonas maltophilia, die schon natürlicherweise nur gegen sehr wenige Antibiotika empfindlich sind, sodass bei ihnen bereits zwei Resistenzen ausreichen, um sie der Kategorie der multiresistenten Erreger zuzuordnen. Pneumokokken Acinetobacter baumannii ■ Die meisten Stämme sind in Deutschland gegen Penicillin empfindlich, ein kleiner Teil eingeschränkt empfindlich; Penicillin-Resistenz ist demnach ungewöhnlich. ■ Bei Stämmen, die gegen Penicillin resistent sind, können in aller Regel Cephalosporine eingesetzt werden, wobei jedoch die Empfindlichkeit überprüft werden muss. Manche Penicillin-resistente Stämme sind nämlich auch gegen Cephalosporine der Gruppe 3 (z.B. Cefotaxim, Ceftriaxon) resistent. ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol ■ Ampicillin/Sulbactam Gram-negative Erreger Die Beurteilung der Resistenz von Gramnegativen Erregern ist viel komplizierter (siehe Kapitel E.2 „Wirkungsspektrum und Indikationen von Antibiotika“). Zum einen ist die Zahl an Antibiotikaresistenzen, die ein Stamm aufweist, entscheidend; zum anderen ist es aber auch die Kombination bestimmter Resistenzen, die entsprechende Aufmerksamkeit hervorrufen muss. Sog. „alert pathogens“ sind also unter den Gram-negativen Erregern nicht so leicht zu erkennen wie unter den Grampositiven. Zur leichteren Orientierung kann eine Faustregel angewendet werden, nach der ein Gram-negatives Isolat gegen mindestens drei der im Folgenden genannten Ein- Citrobacter freundii ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol Enterobacter cloacae ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol Auffällige Resistenzmuster bei nosokomialen Erregern 353 Escherichia coli Pseudomonas aeruginosa ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol ■ Piperacillin ■ Ceftazidim ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) Klebsiella pneumoniae ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol Serratia marcescens ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol Stenotrophomonas maltophilia Morganella morganii ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol Proteus vulgaris ■ Breitspektrum-Penicilline (Mezlocillin, Piperacillin) ■ Cephalosporine Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Monobactame (Imipenem, Meropenem) ■ Cotrimoxazol ■ Cotrimoxazol ■ Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) ■ Ticarcillin/Clavulansäure Literatur 1. French GL, Phillips I. Antimicrobial resitance in hospital flora and nosocomial infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 1243–1264 2. Fridkin SK. Vancomycin-intermediate and -resistant Staphylococcus aureus: what the infectious disease specialist needs to know. Clin Infect Dis 2001; 32: 108–115 3. Weinstein RA, Hayden MK. Multiply drugresistant pathogens: epidemiology and control. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 215–236 354 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 10. Multiresistente Erreger – Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen Das Auftreten multiresistenter Erreger schränkt die Möglichkeiten der Therapie erheblich ein und kann heute schon dazu führen, dass überhaupt kein in vitro wirksames Antibiotikum mehr zur Verfügung steht. Man muss also einerseits durch den rationalen Einsatz von Antibiotika der Selektion resistenter Erreger und möglichen Resistenzentwicklungen entgegenwirken und andererseits die Übertragung multiresistenter Erreger, wenn sie entdeckt worden sind, durch geeignete krankenhaushygienische Maßnahmen verhüten [2–8, 10]. „Strenge“ Isolierungsmaßnahmen beim Nachweis eines multiresistenten Erregers zu praktizieren, ist keine Lösung; wichtiger ist ein hygienisch sorgfältiger Umgang mit allen Patienten im normalen Klinikalltag (siehe dazu auch Kapitel B.9 „Isolierung bei Infektion und Kolonisation“). Wenn es gelingen würde, die Standard-Hygienemaßnahmen (siehe Kapitel B.1 „StandardHygiene“) wirklich zum Standard der Versorgung aller Patienten zu machen, würden Übertragungen weitaus seltener vorkommen: ■ Spezielle Hygienemaßnahmen werden nicht durch multiresistente Erreger per se erforderlich, sondern die mangelnde Implementierung der Standard-Maßnahmen in die tägliche Praxis führt dazu, dass durch Erregerübertragung aus einem Fall mehrere werden, eine Situation, die dann häufig nur noch durch besondere Maßnahmen bewältigt werden kann. ■ Die Standard-Maßnahmen sind in vielen Fällen ausreichend, um Übertra- gungen zu verhüten: Die Prävention von Erregerübertragungen kann nicht erst mit dem Nachweis eines multiresistenten Erregers beginnen, sondern muss von Anfang an bei der Behandlung jedes Patienten im Zentrum stehen. Maßnahmen zur Kontrolle multiresistenter Erreger Bei Infektionen bzw. Kolonisationen mit z.B. MRSA, multiresistenten Gram-negativen Stäbchen oder Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) soll durch Einhaltung der folgenden Hygienemaßnahmen, wobei auch sämtliche Standard-Maßnahmen nochmals aufgeführt sind, eine Übertragung der Erreger auf andere Patienten verhindert werden: Maßnahmen beim Personal Händedesinfektion ■ Die üblichen Regeln der Händehygiene müssen sorgfältig beachtet werden. Dabei muss die gesamte Haut der Hände miteinbezogen werden (insbesondere Fingerspitzen und Daumen). ■ Vor Tätigkeiten an Körperstellen, die bei Kontamination zu einer Kolonisation oder Infektion führen können (z.B. Wunden, Venenkathetereinstichstellen) ■ Es muss darauf geachtet werden, dass eine Verbreitung des Stammes von der kolonisierten bzw. infizierten Körperstelle in andere Regionen des Körpers (z.B. von einer Wunde in den Nasen-Rachen-Raum bei beatmeten Patienten) Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen verhindert wird, d.h., nach jeder Manipulation an der kolonisierten bzw. infizierten Körperstelle ist eine Händedesinfektion erforderlich, bevor weitere Tätigkeiten am Patienten oder in seiner Umgebung vorgenommen werden. ■ Nach Ausziehen von Einmal-Handschuhen ■ Auch bei MRSA-Patienten ist nichts dagegen einzuwenden, ihnen bei der Begrüßung die Hand zu geben; es besteht dabei kein größeres Kontaminationsrisiko, als wenn der Arzt z.B. nochmals einen körperlichen Befund überprüfen muss. ■ Vor Verlassen des Patientenzimmers unabhängig davon, ob Patientenkontakt stattgefunden hat, da es evtl. zu einer Kontamination der Hände durch Kontakt mit kontaminierten Flächen gekommen ist Einmal-Handschuhe ■ Bei Kontakt mit kolonisierten bzw. infizierten Körperstellen und deren Sekreten, z.B. beim Verbandswechsel, beim endotrachealen Absaugen, bei der Mundpflege, bei Manipulationen am Blasenkatheter ■ Ausziehen der Handschuhe, wenn die Tätigkeit beendet ist und ggf. neue Handschuhe anziehen, wenn eine weitere Tätigkeit an einer anderen Körperstelle nötig ist ■ Nicht mit Handschuhen andere Tätigkeiten (z.B. Eintragungen in die Kurve, Aufräumarbeiten) im Patientenzimmer durchführen, damit eine Ausbreitung des Erregers so weit wie möglich verhindert wird ■ Händedesinfektion nach Ausziehen der Handschuhe Es erscheint aus psychologischen Gründen nicht sinnvoll, die Handschuhe bereits bei 355 Betreten des Zimmers anzuziehen (siehe entsprechende Empfehlung in [6]). Werden Handschuhe nämlich nicht differenziert eingesetzt, können sie eher dazu beitragen, das Risiko von Übertragungen zu erhöhen, als diese zu verhüten. Schürzen und Schutzkittel ■ Für übliche pflegerische Tätigkeiten Schürzen verwenden ■ Nur bei engerem Körperkontakt (z.B. Umlagern des Patienten, Physiotherapie) langärmeligen Schutzkittel tragen ■ Ohne sichtbare Kontamination kann die Schutzkleidung mehrfach verwendet werden (dann nach Gebrauch im Zimmer aufhängen, nicht: vor dem Zimmer auf dem Gang) ■ Geringe Kontaminationen (z.B. kleiner Blutfleck) können bei Einmal-Schürzen mit z.B. 80%igem Alkohol abgewischt werden (nach stärkerer Kontamination bzw. nach körperlich anstrengenden Tätigkeiten, wie z.B. Physiotherapie, Schutzkleidung sofort in die Wäsche bzw. den Abfall geben) ■ In der Regel Wechsel auf Allgemeinstationen einmal täglich, auf Intensivstationen in jeder Schicht (zusätzlich bei Bedarf) Schutzkleidung soll erst bei Patientenkontakt, nicht aber schon bei Betreten des Zimmers angezogen werden (meist bei sog. „Kittelpflege“ üblich). Auch bei MRSA-Patienten erfordert nicht jede Berührung mit dem Bett des Patienten das Überziehen von Schutzkleidung, sondern es muss sich um einen engen und länger dauernden Kontakt mit dem Patienten handeln. Die Kleidung des medizinischen Personals wird in ihrer Rolle bei der Übertragung von Erregern weit überschätzt. Sie muss selbstverständlich sauber sein (und sollte 356 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen deshalb auch eine Farbe haben, die Verunreinigungen leicht erkennen lässt, z.B. nicht dunkelblau, wie als Bereichskleidung auf manchen Intensivstationen üblich). Ob aber optisch saubere Kleidung überhaupt für die Übertragung von Erregern in Betracht kommt, ist ungeklärt. Selbst wenn man bei Abklatschuntersuchungen potenziell pathogene Keime auf der (sauberen) Arbeitskleidung finden kann, fehlt jeder Beweis dafür, dass sie von dort notwendigerweise auf andere Patienten übertragen werden [1, 8, 9]. Wesentlich ist dagegen die Händehygiene; deren Bedeutung scheint jedoch bei manchen Diskussionen über die Kleidung in den Hintergrund zu treten. Masken und Kopfschutz Bei Versorgung von MRSA-Patienten können Masken in Situationen, in denen mit einer starken Aufwirbelung von Staphylokokken in die Luft gerechnet werden muss (z.B. beim Verbandswechsel einer ausgedehnten Wundinfektion oder beim endotrachealen Absaugen eines beatmeten Patienten mit konventionellem Absaugkatheter mit Nachweis von MRSA in der Wunde bzw. im Trachealsekret), möglicherweise einen Schutz vor nasaler Besiedlung darstellen. Ob diese Maßnahme allerdings tatsächlich dazu beiträgt, das Kolonisierungsrisiko zu reduzieren, ist ungeklärt. In allen anderen Situationen aber sind Masken keine vernünftige Hygienemaßnahme. Die nasale Besiedlung des Personals mit MRSA ist zum einen selten, und zum anderen nimmt man an, dass sie eher über die kontaminierten Hände zustande kommt (via Selbstinokulation bei den üblichen und häufigen Hand-Gesichts-Kontakten) als aerogen, ebenso wie bei nasaler Besiedlung eines Individuums mit S. aureus andere Körperstellen über die Hände und nicht über die Luft kolonisiert werden (siehe Kapitel B.10 „MRSA“). Insofern schützt systematische und sorgfältige Händedesinfektion vor nasaler Besiedlung. Als Maßnahme für die Infektionsprävention hat also auch die Maske eine untergeordnete Bedeutung. Dasselbe gilt für den Kopfschutz. Auch im Zusammenhang mit der Kontrolle anderer multiresistenter Erreger haben Masken und Kopfschutz keine Bedeutung. Gerade aber diese beiden – vermeintlichen – Schutzmaßnahmen kann man häufig bei der Isolierung kolonisierter bzw. infizierter Patienten beobachten. Sie werden offensichtlich vom medizinischen Personal sehr stark mit „Hygiene“ assoziiert. Maßnahmen beim Patienten Einzelzimmer ■ Kolonisierte bzw. infizierte Patienten, wenn möglich, in einem Einzelzimmer (mit eigener Nasszelle) unterbringen. ■ Der Patient soll das Zimmer möglichst nicht verlassen. ■ Wenn möglich, Untersuchungen und Behandlungen (z.B. Physiotherapie) im Zimmer durchführen ■ Aufklärung des Patienten und seiner Angehörigen über die Bedeutung der Maßnahme, dabei auch auf die Notwendigkeit der Händehygiene hinweisen und erklären, wie man sie korrekt durchführt (ein Schutzkittel für Besucher ist nicht notwendig) Damit die Unterbringung im Einzelzimmer erfolgreich sein kann, soll bei Patienten, deren Versorgung aufwändig ist, insbesondere also bei Intensiv- oder Dialysepatienten, nach Möglichkeit eine 1:1-Pflege realisiert werden, damit das Personal sich nicht gleichzeitig noch um andere Patienten kümmern muss. Zumindest sollte es Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen sich dann aber nicht um ebenfalls pflegeintensive Patienten handeln, die unter Umständen rasche Hilfe benötigen, da unter Notfall-Bedingungen die Regeln der Standard-Hygiene nicht berücksichtigt werden können. Transport im Krankenhaus ■ Da der Patient sein Einzelzimmer nur in begründeten Fällen verlassen soll, soll auch jeder Transport entsprechend medizinisch begründet sein. ■ Besteht eine Wundinfektion, muss evtl. vor dem Transport ein Verbandswechsel durchgeführt werden, damit der Verband sauber und trocken ist, wenn der Patient das Zimmer verlässt. ■ Auch der Patient soll sich, z.B. bei Kolonisierung bzw. Infektion mit MRSA, vor Verlassen des Zimmers die Hände desinfizieren. Dies gilt insbesondere für mobile Patienten. ■ Bettlägerige Patienten sollen nach Möglichkeit (abhängig von Art und Ausmaß der Kolonisation bzw. Infektion) auf eine Transportliege umgelagert oder im Rollstuhl gefahren werden. Falls aber ein Transport im Bett erforderlich ist, kann man das Bett ggf. (wenn es nicht mehr frisch und sauber ist) zuvor neu beziehen, um die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination der Umgebung außerhalb des Patientenzimmers so gering wie möglich zu halten (ob allerdings tatsächlich das Risiko der Verbreitung des Erregers bei Transport des Patienten in seinem Bett so beträchtlich ist, um diese recht umständlichen Maßnahmen zu rechtfertigen, ist ungeklärt). ■ Das Personal, das den Patienten auf seinem Transport begleitet, soll mit den Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit Patienten, die isoliert werden müssen, vertraut sein. 357 ■ Die (Ziel-)Abteilung, in die der Patient gebracht werden soll, muss zuvor darüber informiert werden, dass ein Patient mit Nachweis eines multiresistenten Erregers zu erwarten ist. Wenn es medizinisch vertretbar ist, sollte der Patient bei diagnostischen Maßnahmen ans Ende des Untersuchungsprogramms gelegt werden, um direkten und indirekten Kontakt mit anderen wartenden Patienten zu umgehen. ■ Nach der Rückkehr die Transportliege bzw. den Rollstuhl mit Desinfektionsmittel abwischen und frisch beziehen Gegenstände für die Patientenversorgung ■ Stethoskope,Thermometer, Blutdruckmanschetten, Stauschläuche etc. nur patientenbezogen einsetzen ■ Alle anderen Gegenstände erst nach adäquaten Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen bei anderen Patienten anwenden (siehe unten „Instrumentendesinfektion“) Wäsche Die Bettwäsche soll z.B. zweimal pro Woche – häufiger natürlich bei Bedarf – gewechselt werden. Sie muss selbstverständlich sauber aussehen. Ob es aber gerechtfertigt ist, sie bei MRSA-Patienten routinemäßig täglich zu wechseln, wie es manchmal empfohlen wird, ist ebenso ungeklärt wie der Nutzen anderer „Hygienemaßnahmen“ im Umgang mit MRSA-Patienten. Beim Abziehen der Bettwäsche soll man möglichst vorsichtig vorgehen, d.h. das Bettzeug nicht unnötig aufschütteln und die Bettwäsche sofort in den am Bett bereitstehenden Wäschesack für normale Krankenhauswäsche abwerfen. Die Wäsche von Patienten mit multiresistenten Erregern gehört nicht zur sog. infektiösen 358 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Wäsche nach Unfallverhütungsvorschrift, da multiresistente Erreger, wenn sie nur vereinzelt auftreten, nicht meldepflichtig sind (siehe Kapitel B.6 „Wäscherei“). Nach Entlassung bzw. Verlegung des Patienten oder nach Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen (falls der multiresistente Stamm nicht mehr nachweisbar ist) werden Bettdecke und Kopfkissen ebenfalls in die Wäsche gegeben. Abfall ■ Sämtlicher Abfall wird mit dem sog. Hausmüll (= Abfall der Gruppe B) entsorgt. ■ Das gilt auch für Verbandsmaterial bei der Versorgung kolonisierter bzw. infizierter Wunden. ■ Es fällt also bei Patienten mit multiresistenten Erregern in der Regel kein sog. infektiöser Abfall (= Abfälle der Gruppe C) an, es sei denn, es würde sich um einen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtigen Erreger handeln, der außerdem multiresistent ist (z.B. resistenter Stamm von M. tuberculosis). Instrumentendesinfektion ■ Sämtliches Instrumentarium kann ohne vorherige (chemische oder thermische) Desinfektion auf der Station etc. in die ZSVA transportiert und dort nach den üblichen Verfahren aufbereitet werden. ■ Muss bei längerer Lagerung auf der Station (z.B. am Wochenende) das Antrocknen von Blut- bzw. Sekretresten verhindert werden, werden die Instrumente wie üblich in einen Transportcontainer gelegt, der dann aber soviel Instrumentenreinigungslösung enthält, dass die Gegenstände darin eintauchen können. Die Verwendung eines Desin- fektionsmittels ist auch bei Kontamination mit multiresistenten Erregern nicht erforderlich, weil die Instrumente in der ZSVA ohne direkte Manipulation in die Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen gegeben werden sollen (siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“). Flächendesinfektion ■ Alle Flächen werden, so weit eine Desinfektion erforderlich erscheint, mit den hausüblichen Desinfektionsmitteln in normaler Konzentration wischdesinfiziert (sog. laufende Desinfektion, siehe Kapitel B.2 „Reinigung – Desinfektion – Sterilisation“) ■ Nach Entlassung bzw. Verlegung des Patienten oder nach Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen (falls der multiresistente Stamm nicht mehr nachweisbar ist und der Patient weiter stationär behandelt werden muss) werden in die Schlussdesinfektion alle erreichbaren horizontalen Flächen des Zimmers einbezogen (je ausgedehnter die Infektion war, d.h., je wahrscheinlicher eine Streuung des Erregers in die weitere Patientenumgebung gewesen ist, um so gründlicher). Literatur 1. Babb JR, Davies JG, Ayliffe GAJ. Contamination of protective clothing and nurses’ uniforms in an isolation ward. J Hosp Infect 1983; 4: 149–157 2. Beekman SE, Henderson DK. Controversies in isolation policies and practices. In: Wenzel RP (Hrsg.). Prevention and control of nosocomial infections. 3. Auflage, Williams & Wilkins, Baltimore, 1987, 71–84 3. Duckworth G, Cookson B, Humphreys H, Heathcock R. Revised guidelines for the control of methicillin-resistant Staphylococcus aureus infection in hospitals. J Hosp Infect 1998; 39: 253–290 Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen 4. Edmond M. Isolation. Infect Control Hosp Epidemiol 1997; 18: 58–64 5. French GL, Phillips I. Antimicrobial resistance in hospital flora and nosocomial infections. In: Mayhall GC (Hrsg.). Hospital epidemiology and infection control. 2. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, 1999, 1243–1264 6. Garner JS, The Hospital Infection Control Practices Advisory Committee Guideline for isolation precautions in hospitals. Infect Control Hosp Epidemiol 1996; 17: 53–80 7. Lewis AM, Gammon J, Hosein I. The pros and cons of isolation and containment. J Hosp Infect 1999; 43: 19–23 359 8. Meers P, McPherson M, Segwick J. Infection control in healthcare. 2. Auflage, Stanley Thornes (Publisher), Cheltenham, 1997 9. Rutala WA,Weber DJ.A review of single-use and reusable gowns and drapes in health care. Infect Control Hosp Epidemiol 2001; 22: 248–257 10. Weinstein RA, Hayden MK. Multiply drugresistant pathogens: epidemiology and control. In: Bennett JV, Brachman PS (Hrsg.). Hospital infections. 4. Auflage, LippincottRaven, Philadelphia, 1998, 215–236 360 B Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen 10. Multiresistente Erreger – MRSA Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) spielen im Bewusstsein des medizinischen Personals inzwischen eine außergewöhnlich große Rolle. Ihre Bedeutung liegt zweifellos in der Häufigkeit ihres Auftretens weltweit. Das zunehmende Auftreten von MRSA in den vergangenen drei Jahrzehnten wird in erster Linie als Ausdruck mangelhafter hygienischer Versorgung interpretiert [12, 55, 89]. Daneben ist aber der Selektionsdruck durch häufigen Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika, die resistente Keime wie MRSA sozusagen „übrig lassen“, ein wesentlicher Faktor [55, 110]. onsdruck von Breitspektrum-Antibiotika oder durch Übertragung. Obwohl im Bewusstsein des medizinischen Personals bei der Kontrolle von MRSA radikale Isolierungsmaßnahmen einen wichtigen Platz einnehmen, zeigen viele Veröffentlichungen, dass eine gute Standard-Hygiene wichtiger ist; dies gilt auch für Ausbruchssituationen [6, 14, 16, 85, 90]. Aus Großbritannien wurde z.B. berichtet, dass aus dem Übergang von den relativ strikten, aufwändigen Maßnahmen, die dort seit Mitte der 1980er Jahre empfohlen wurden, hin zu einer guten Standard-Hygiene keine negativen Erfahrungen resultierten [6]. Mit diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass die MRSA-Problematik nur verständlich ist, wenn man über S. aureus Bescheid weiß, und dass Hygienemaßnahmen selbstverständlich wichtig sind, aber ihre Reduzierung auf Einzelzimmer, Kittel, Masken und Nasenabstriche zum einen der Gesamtproblematik multiresistenter Erreger nicht gerecht wird und zum anderen das Problem multiresistenter Erreger allein nicht lösen können wird. MRSA – und andere multiresistente Erreger – sind ein multikausales Phänomen und müssen deshalb auch entsprechend differenziert angegangen werden. Die Reduzierung auf einfache Formeln bringt möglicherweise kurzfristige Verbesserungen, kann aber langfristig keinen Erfolg haben. Dies muss schon deshalb betont werden, weil spezielle Isolierungsmaßnahmen nur bei dem als MRSA-besiedelt identifizierten Teil der Patienten angewendet werden können, ein wesentlicher Teil der Patienten mit MRSA aber unerkannt mit dieser Besiedlung bereits stationär aufgenommen wird oder einen solchen Stamm unbemerkt während des Aufenthaltes im Krankenhaus erwirbt, sei es durch den Selekti- Über MRSA wird viel geredet, und fast keine Tagung einer klinischen medizinischen Fachgesellschaft kommt mehr ohne dieses Thema aus. Es scheint demnach viel Wissen über MRSA vorhanden zu sein. Bei näherer Betrachtung jedoch reduziert sich dieses Wissen auf Stereotypien: die Isolierung der Patienten im Einzelzimmer und das Tragen von Kitteln und Masken durch das Personal; daneben spielen Screening-Untersuchungen ein herausragende Rolle. Epidemiologie von Staphylococcus aureus MRSA sind S. aureus-Stämme, die gegen Oxacillin resistent sind; insofern handelt es sich auch bei MRSA also um Vertreter der MRSA Spezies S. aureus. Um zu verstehen, welche Kontrollmaßnahmen beim Auftreten von MRSA erforderlich sind, muss man sich deshalb zunächst mit der Epidemiologie von S. aureus beschäftigen. Dazu gibt es umfangreiche klassische Literatur, vieles davon aus der Zeit, zu der S. aureus zum einen durch Produktion von Betalaktamase schon Penicillin-resistent geworden war und zum anderen durch epidemische Stämme Aufsehen erregte, die insbesondere in der Neonatologie zu großen Problemen führten [67, 98, 110]. Diese Situation führte zur Entwicklung der halbsynthetischen, sog. Penicillinase-festen Penicilline (z.B. Methicillin, Oxacillin), gegen die die Betalaktamase- bzw. Penicillinase-positiven Stämme zunächst sensibel waren (MSSA) (siehe Kapitel E.7 „Mikrobielle Resistenz“). Natürliches Reservoir von S. aureus Nasale Besiedlung Menschen (und Säugetiere, z.B. Rinder, Schafe) sind ein natürliches Reservoir für S. aureus [1, 20, 33, 67, 69, 78, 99, 110]. Eine Schlüsselrolle kommt beim Menschen der nasalen Besiedlung in der vorderen Nasenhöhle (Vestibulum nasi) zu [20, 69]. Es gibt Individuen, die nie kolonisiert sind (ca. 20%), ferner intermittierend besiedelte Personen (ca. 60%) und schließlich persistierende Träger von S. aureus in der Nase (ca. 20%) [20, 69]. Diese letzte Gruppe scheint durch das dauerhafte Trägertum vor der Besiedlung mit exogenen Stämmen geschützt zu sein, zumindest solange sie nicht mit Antibiotika behandelt wird [69]. Die Ursache für die unterschiedlichen Besiedlungsraten sind vermutlich genetisch bedingt insofern, als die Adhäsion von S. aureus durch spezielle Oberflächenstrukturen der Epithelzellen, die ihrerseits an komplementäre bakterielle Oberflä- 361 chenstrukturen binden, gefördert wird [69, 110]. Je nachdem, welche Personengruppen untersucht werden, kann die nasale Besiedlung deutlich unterschiedlich sein, aber auch innerhalb der einzelnen Gruppen gibt es eine relativ große Streubreite [20, 69]: ■ Normalbevölkerung 19–55 % ■ Krankenhauspersonal 17–56 % ■ Patienten bei stationärer Aufnahme 10–85 % ■ Hospitalisierte Patienten 14–55 % ■ Patienten mit Diabetes mellitus – Insulin-pflichtig 24–76 % – nicht-Insulin-pflichtig 11–35 % ■ Dialyse-Patienten – Hämodialyse 30–84 % – CAPD 17–51 % ■ Chronische Niereninsuffizienz (ohne Dialyse) 14–33 % ■ Drogenabhängige – intravenös 34–61 % – nicht-intravenös 9–49 % ■ S. aureus-Hautläsionen 42–100 % ■ HIV-positive Patienten (nicht-intravenös Drogenabhängige) 27–55 % ■ Neugeborene – bei Geburt ca. 2 % – 2 Wochen alt 60–70 % – nach 2 Wochen im Krankenhaus 80–100 % Gemeinsames Kennzeichen bei den Subgruppen mit erhöhten Trägerraten – außer HIV-positiven Personen und Neugeborenen – ist die wiederholte oder dauerhafte Punktion der Haut mit Kanülen oder intravasalen Kathetern; das pathogenetische Prinzip ist jedoch unbekannt. Auch für die häufigere Besiedlung von HIV-positiven Personen, die nicht intravenös drogenabhängig sind und deshalb nicht zu den Subgruppen mit rezidivierender Punktion der 362 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Haut gehören, gibt es nur den vagen Hinweis auf den speziellen Immundefekt durch die HIV-Infektion [69]. Besiedlung der Körperhaut mit S. aureus In der Praxis begegnet man beim Personal häufig der Vorstellung, dass jeder Kontakt mit S. aureus – heute macht man sich diese Gedanken allerdings nur im Zusammenhang mit MRSA – zwangsläufig in einer Besiedlung resultieren würde. In experimentellen Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass die Realität weniger auswegslos ist als angenommen. Ein Ergebnis war z.B., dass die Überlebensrate von S. aureus auf der Haut der Versuchspersonen fünf Stunden nach Auftragen und Antrocknung der Keimsuspension ebenso hoch – bzw. niedrig, nämlich ca. 1% des Inokulums – war wie auf Glas; das andere Ergebnis war, dass die relative Luftfeuchtigkeit einen entscheidenden Einfluss hatte, und zwar überlebten umso mehr Bakterienzellen, je höher die umgebende Feuchtigkeit war [72]. Diese Ergebnisse passen zu der bekannten Tatsache, dass S. aureus insbesondere an feuchten Körperstellen gefunden werden kann: Nasenhöhle, Perineum, Axillen, intertriginöse Areale, Leistengegend. Trockenheit führt demnach auch bei S. aureus zum Absterben der Zellen, wenngleich bekanntermaßen Staphylokokken – ebenso wie Streptokokken – in trockenem Milieu sogar in der unbelebten Umgebung eine Zeit lang überleben können – allerdings in abnehmender Keimzahl (siehe unten). Besiedlung mit S. aureus als Risikofaktor für S. aureus-Infektion Die nasale Besiedlung mit S. aureus erhöht das Risiko, eine S. aureus-Infektion zu erwerben [20, 33, 67, 69, 78, 99, 110, 123]. Die- ser Zusammenhang gilt jedoch nicht für gesunde Normalpersonen jeder Altersgruppe, sondern erfordert besondere Voraussetzungen, wie insbesondere eine Störung der Integrität der Haut. Insofern trifft dies auf chirurgische Patienten sowie auf Hämodialyse-Patienten und Patienten unter kontinuierlicher ambulanter Peritonealdialyse (CAPD) zu [20, 69, 123]. Diese Patienten entwickeln daher S. aureusInfektionen aus ihrem endogenen Erregerreservoir (siehe Kapitel A.1 „Epidemiologie übertragbarer Krankheiten“ und Kapitel B.4 „Postoperative Infektionen im Operationsgebiet“). Zahlreiche Untersuchungen zur Dekolonisierung mit Mupirocin oder PVP-Jod-Verbindungen wurden aus diesem Grunde durchgeführt (siehe unten). Lebensfähigkeit von S. aureus in trockenem Milieu Mit Hinweis auf die Überlebensfähigkeit von Staphylokokken in trockenem Milieu werden heute zum Schutz vor der Übertragung von MRSA z.T. erstaunliche Maßnahmen ergriffen, um „Staphylokokken im Staub“ zu eliminieren: ■ Beispielsweise werden sämtliche unbenutzte, noch verpackte Materialien, wie z.B. Spritzen und Kanülen, die bei einem Patienten mit Nachweis von MRSA im Zimmer vorrätig gehalten wurden, nach dessen Entlassung verworfen, weil die Verpackung – nicht sichtbar – mit MRSA-haltigem Staub kontaminiert sein könnte. ■ Oder: Das Reinigungspersonal, das ein Zimmer nach der Entlassung eines MRSA-Patienten herrichten soll, muss eingekleidet mit Schutzkittel, Kopfschutz, Maske und Handschuhen das Zimmer betreten und soll sich im Zimmer bei geschlossener Tür von der Sei- MRSA te, die der Tür am entferntesten ist, systematisch zur Zimmertür hin- bzw. zurückarbeiten, um auf diese Weise eine nachträgliche Kontamination des Eingangsbereichs zu verhindern. Die Liste solcher Rituale ließe sich erweitern; ihnen liegt die Unkenntnis über die klassischen Untersuchungen mit Staphylokokken zugrunde, in denen schon vor mehreren Jahrzehnten gezeigt werden konnte, dass Staphylokokken zwar im trockenen Milieu eine Zeit lang überleben können, dass dabei aber verschiedene Faktoren, wie relative Luftfeuchtigkeit, Licht, Temperatur, spezielle Eigenschaften der individuellen Stämme usw., die Absterberate beeinflussen. Diese Untersuchungen wurden durch die Referierung ihrer Resultate in immer verkürzterer Version auf die Formel reduziert: „Staphylokokken überleben im Staub“. Es ist nicht verwunderlich, dass diese einfache Formel schließlich vor allem von denjenigen aufgegriffen wird, die – zumindest in unserem Ausbildungssystem – nicht gelernt haben, diese Aussagen auf ihre Richtigkeit zu untersuchen. Und so ist insbesondere in manchen Kreisen von Hygienefachkräften die Auffassung verbreitet, dass „Staphylokokken im Staub“ ein wesentliches Hygienerisiko im Krankenhaus darstellen würden. Die Frage, wo es in Patientenbereichen von Krankenhäusern in den reichen Ländern wie Deutschland überhaupt sichtbaren Staub geben soll, bleibt dabei ebenso unberücksichtigt wie die Frage, ob dieses Phänomen, wenn man es einmal unkritisch als gegeben annimmt, eine epidemiologische Bedeutung bei der Entstehung von Staphylokokken-Infektionen hat. Hier ist es Aufgabe von Krankenhaushygienikern, Klarheit zu schaffen. Weil das Thema „Staphylokokken und Staub“ – sowie davon abgeleitet „Staphylokokken 363 und aerogene Übertragung“ – so dominant ist, sollen im Folgenden einige vorwiegend ältere Untersuchungen, auf die immer wieder pauschal Bezug genommen wird, kurz vorgestellt werden [8, 61, 62, 76, 81, 97, 112]: ■ In frühen experimentellen Untersuchungen wurde gezeigt, dass für S. aureus (und A-Streptokokken) die Absterberate bei hoher Luftfeuchtigkeit (>80%) größer ist, d.h., ein eher trockenes Klima fördert das Überleben der Bakterienzellen [76]. Bei diesen Experimenten wurden kontaminierte Staubflocken in offenen Petrischalen bei kontrollierter Luftfeuchtigkeit in kleinen Versuchskammern exponiert. Bei der Beurteilung der Ergebnisse muss zum einen berücksichtigt werden, dass es in jedem Fall zum Absterben der Bakterienzellen kommt (also auch bei niedrigerer, ca. 44%, und damit eher günstiger Luftfeuchtigkeit), und ferner, dass Temperatur und Licht ebenfalls einen – allerdings in dieser Studie nicht bestimmten – Einfluss auf die Lebensfähigkeit der Bakterienzellen haben. ■ In anderen experimentellen Situationen konnte gezeigt werden, dass bei S. aureus-Suspensionen nach Antrocknung auf Glas bei Zimmertemperatur die Keimzahl nach sechs Tagen um 90% abnahm; außerdem hatten die trockenen Bakterienzellen eine umso längere Lag-Phase (= Zeit bis zum Beginn der logarithmischen Wachstumsphase), je länger sie trocken gelagert worden waren [81]. Ferner war die Plasmakoagulase-Reaktion verlängert, ihre Überlebenszeit in menschlichem Plasma aber verkürzt, ihre potenzielle Virulenz also eher vermindert. ■ In einer tierexperimentellen Untersuchung mit Mäusen, in der S. aureus-Zellen nach Trocknung intramuskulär, in- 364 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen travenös oder intrazerebral verabreicht wurden, zeigte sich darüber hinaus, dass die trockenen Bakterienzellen einen Großteil ihrer In-vivo-Virulenz verloren hatten [61]. ■ In einer anderen Untersuchung sollte im Kontrast zu diesen Untersuchungen die natürliche Situation imitiert werden, in der bakterientragende Hautschuppen in Textilien abgelagert werden [97]. Verwendet wurden zusätzlich zu dem damals üblichen Laborstamm (Wood 46) S. aureus-Stämme aus klinischem Untersuchungsmaterial, darunter vorwiegend Stämme, die im Rahmen von Ausbrüchen isoliert worden waren, also sog. epidemische Stämme. Diese Stämme blieben nach Kontamination der Textilien (1×107 KBE/cm2) während 14 Tagen zahlenmäßig nahezu unverändert und überlebten auf Wollstoffen besser als auf Baumwolle. Wie die Stämme sich auf glatten Oberflächen, wie z.B. Glas, verhalten, wurde nicht untersucht. ■ Wegen der auch schon vor 40–50 Jahren häufig gestellten Frage nach der aerogenen Übertragbarkeit von Staphylokokken wurde die Überlebensrate von künstlich aerosolisierten S. aureus (6×105 KBE/m3) untersucht [112]. Die Autoren führten zum einen die Schwierigkeiten, die es mit der Standardisierung der experimentellen Bedingungen gab, sowie das Problem der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse aus und stellten zum anderen – unter Vorbehalt – fest, dass sog. epidemische Stämme nicht besser in Luft überlebten als andere Stämme. ■ Untersuchungen aus neuerer Zeit zeigten Stamm-abhängige unterschiedliche Überlebensraten auf Baumwollstoff (Kontamination mit 5×107 KBE/4cm2), wobei Unterschiede zwischen MRSA und MSSA auf der einen Seite und Koagulase-negativen Staphylokokken auf der anderen Seite nicht beobachtet wurden [8]. Goldgelb-pigmentierte S. aureus-Stämme überlebten länger als Stämme ohne Pigment. ■ Weitere Untersuchungen, wie z.B. [62], bestätigten die Ergebnisse der frühen Studien, wonach die Absterberate auch bei Staphylokokken zunächst hoch, im trockenen Zustand dann aber reduziert war. Die Schlussfolgerung mancher Autoren allerdings, dass Erreger, die auf festen Oberflächen oder Stoff trotz Trockenheit, wenn auch zahlenmäßig reduziert werden, so doch lebensfähig bleiben, kann nicht als Begründung dafür verwendet werden, dass sie auch auf aerogenem Weg übertragen werden. Dazu müsste es nach dem Antrocknen zu einer relevanten Resuspension kommen; wie dies aber auch angesichts der täglichen Reinigungsarbeiten in Krankenhäusern geschehen soll, wird nicht angesprochen. Im normalen Klinikalltag werden Oberflächen und Fußböden in Patientenzimmern täglich, in manchen Bereichen sogar mehrmals täglich, gereinigt; ferner werden die Bettwäsche der Patienten und die Arbeitskleidung des Personals regelmäßig gewechselt, sodass sie immer sauber sind. Das bedeutet, dass die Keimzahlen z.B. auf Oberflächen, die bei der Patientenversorgung – nicht sichtbar – kontaminiert wurden, ohnehin durch die routinemäßigen Reinigungsmaßnahmen wesentlich reduziert werden. Welche praktische Bedeutung angesichts dieser Realität die Tatsache haben soll, dass Staphylokokken nach Kontamination von z.B. glatten Oberflächen mit hohem Keimzahlen noch nach 14 Tagen nachweisbar sein können, bleibt offen. MRSA Wollene Strickjacken über der Arbeitskleidung getragen, wie gelegentlich bei Krankenschwestern sogar auf chirurgischen Stationen zu beobachten, sind, auch ohne die Ergebnisse der oben genannten Untersuchung [97] zu kennen, nicht mit den Sauberkeitsanforderungen bei der Patientenversorgung zu vereinbaren, weil sie noch nicht einmal alle paar Tage gewaschen werden. Die Arbeitskleidung aus Baumwolle (heute eher aus Mischgewebe) kommt jedoch – unter der Voraussetzung, dass sie optisch sauber ist – ebenfalls nicht als relevantes Übertragungsmedium in Frage: ihre Kontamination mit potenziell pathogenen Keimen konnte zwar wiederholt gezeigt werden, ein epidemiologischer Zusammenhang mit der Übertragung von Erregern wurde jedoch nie hergestellt [2, 14, 82, 90]. Übertragung von S. aureus Die schweren Ausbrüche von S. aureus-Infektionen durch Betalaktamase-produzierende Stämme in den 1950er Jahren waren Anlass für zahlreiche Untersuchungen über den Übertragungsmodus von Staphylokokken. Nur in wenigen Fällen handelte es sich um klinische Studien [31, 32, 52, 53, 88, 128, 129]. Folgende Aspekte wurden herausgestellt: ■ Bei nasaler Besiedlung könne S. aureus beim Ausatmen in Form von Tröpfchen oder Tröpfchen-Kernen freigesetzt werden, durch den Fluss des Nasensekrets bzw. durch Hand-Gesichts-Kontakte in die Umgebung der Nase und an andere Körperstellen bzw. an die Kleidung oder schließlich durch Verschlucken in den Darm und damit über die Ausscheidung im Stuhl an die Außenwelt gelangen [52]. Die Autoren sahen die Konsequenz aus ihren – experimentell nicht belegten – Schlussfolgerungen 365 darin, dass S. aureus, einmal an die Körperoberfläche gelangt, dann in die Luft freigesetzt und von anderen Personen inhaliert wird. Ein Hinweis auf eine Kontamination der Hände und damit auf die Übertragung via Hände des Personals findet sich in dieser Publikation nicht. ■ In umfangreichen Untersuchungen bei Versuchspersonen an verschiedenen Körperstellen wurde gezeigt, dass neben der Nase in erheblichem Unfang auch die Perinealregion kolonisiert ist, dass aber perineale Träger nicht notwendigerweise auch nasal besiedelt sind bzw. dort andere Stämme aufweisen können [53]. Es wurde keine Korrelation zwischen der Keimzahl in der Nase und dem Ausmaß der Kontamination von Haut und Kleidung beobachtet, auch kam es nicht zu einer Zunahme der Keimzahl auf der Haut oder der Kleidung. Schließlich fand sich ebenfalls keine Korrelation zwischen der Keimzahl in der Nase und dem Ausmaß der Streuung in die Umgebung. ■ Das „cloud baby“- bzw. das „cloud adult“-Phänomen – also die Interaktion zwischen nasaler Besiedlung mit S. aureus und einer Virusinfektion der oberen Atemwege, die in einer beträchtlichen Streuung von S. aureus (quasi in Form einer Wolke um die Person herum) resultiert – wurde bereits in Kapitel A.2 „Übertragung von Erregern“ besprochen (siehe auch PeanutsComic auf S. V und VI) [32, 107]. Inwieweit diese Theorie für die Übertragung von S. aureus tatsächlich von Bedeutung ist, ist nach wie vor ungeklärt. Möglicherweise ist – zumindest bei Personen in der Krankenversorgung – nicht so sehr eine Wolke aus S. aureus, von der eine nasal besiedelte Person mit Schnupfen möglicherweise umgeben ist, son- 366 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen dern eher einmal mehr die Hände bedingt durch den bei Erkältungen noch häufigeren Kontakt der Hände mit dem Gesicht (Schnäuzen, Husten mit Hand vor dem Mund) als schon normalerweise für Übertragungen ausschlaggebend [13]. ■ Eine andere Untersuchung mit Neugeborenen zeigte, dass die Kinder die S. aureus-Stämme besiedelter Schwestern erwarben, nicht aber die Stämme von Index-Kindern mit S. aureus [129]. Die Ergebnisse zeigten ferner, dass die Übertragung nicht aerogen oder durch große Tröpfchen zustande kam, sondern via Hände bei der Versorgung der Kinder, und dies, obwohl die Schwestern Masken trugen. ■ Es konnte ferner gezeigt werden, dass das Ausmaß der Kontamination der Haut mit S. aureus abhängig ist von der Keimzahl in der Nase: bei geringeren Keimzahlen (<105 KBE) war die Haut nur selten (5%) kolonisiert, bei Keimzahlen >105 KBE dagegen in etwa der Hälfte der Fälle; jedoch stimmten die Phagentypen nur in knapp 60% mit denen in der Nase überein [128]. Bei Luftkeimzahluntersuchungen in der Nähe der (ruhenden) Patienten war ein Nachweis von S. aureus bei Personen mit hohen Keimzahlen in der Nase (>105 KBE) nur in maximal 25% möglich, wurden die Bettdecken der Patienten dagegen geschüttelt fanden sich in ca. 50% positive Luftproben. Nur knapp 30% der Phagentypen aus Nase oder Luft stimmten jedoch überein. ■ Dass die Abgabe von S. aureus bei nasaler Besiedlung auch innerhalb von Familien abhängig ist von der Keimzahl, wurde in einer weiteren Studie gezeigt, wobei Übertragungen von Kindern auf Familienangehörige bei Keimzahlen >103 KBE beobachtet wurden [31]. An- gesichts der engeren Kontakte innerhalb einer Familie im Vergleich zum Kontakt zwischen Personal und Patienten im Krankenhaus sind Übertragungen auch bei geringeren Keimzahlen nachvollziehbar. ■ Eine häufig als Beleg für eine aerogene Übertragung von S. aureus zitierte Studie wurde wiederum bei Neugeborenen durchgeführt, konnte aber eine – auch nur vermutliche – Übertragung durch die Luft nur in maximal 10% der Fälle nachweisen [88]. Viel bedeutsamer dagegen war die Übertragung via Hände des Personals. Die Autoren, die – entsprechend der damals dominanten Hypothese – das Ausmaß der aerogenen Übertragung von S. aureus untersuchen wollten, stellten fest, dass die aerogene Übertragung nur für einen kleinen Teil der Übertragungen bei Neugeborenen in Frage kommt, dass aber eine effektive Händehygiene die Verbreitung von S. aureus beträchtlich reduziert. Die Untersuchungen zur Übertragbarkeit von S. aureus aus den 1950er und 1960er Jahren sind geprägt von der Vorstellung, dass der aerogene Übertragungsweg eine wichtige Rolle spielen würde; dies vermutlich deshalb, weil für die damaligen Epidemien nur einige wenige Phagentypen verantwortlich waren. Heute dagegen liegt die aerogene Übertragungstheorie schon deshalb ferner, weil ein polyklonales Auftreten von S. aureus sowohl in endemischem wie in epidemischem Rahmen zu beobachten ist. Dadurch wird die endogene Flora sowie die exogene Übertragung durch die Hände des Personals wesentlich wahrscheinlicher [99]. Mit Verweis auf die klassischen Untersuchungen wird auch heute wiederholt auf eine als sicher anzunehmende aerogene Übertragbarkeit von S. aureus verwiesen. MRSA Allerdings haben schon die klassischen Untersuchungen gezeigt (und dies ist in den Publikationen auch explizit ausgeführt), dass Übertragungen durch große Tröpfchen oder Tröpfchenkerne nur selten, wenn überhaupt, vorkommen, dass aber entscheidend für die Verbreitung von S. aureus die Übertragung über die Hände des Personals ist. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass immer dann, wenn die Möglichkeit einer aerogenen Übertragung besteht, regelmäßig ebenfalls die Möglichkeit einer Übertragung auf anderem Wege gegeben ist [126]. Bemerkenswert ist jedoch, dass heute die vermeintliche aerogene Übertragung von Staphylokokken nur bei MRSA für bedeutsam gehalten, bei normal empfindlichem S. aureus aber nicht mehr erwähnt wird. Dies ist erstaunlich, weil nach wie vor Infektionen mit Oxacillin-empfindlichen Stämmen dominieren [1, 7, 106]; im Bewusstsein des Personals sind es jedoch offenbar MRSA. Epidemiologie von MRSA Ursprung und internationale Verbreitung von MRSA Zum Ursprung von MRSA gibt es die vorherrschende Theorie, dass das mecA-Gen, das die Methicillin- bzw. Oxacillin-Resistenz kodiert, vor Jahrzehnten von relativ wenigen S. aureus-Stämmen horizontal – möglicherweise via Transposon – erworben wurde [23, 70, 79]. In der Folgezeit sei es zur Ausbreitung dieser Stämme gekommen, wofür zum einen der Selektionsdruck von Breitspektrum-Antibiotika, zum anderen konstante hygienische Defizite bei der Patientenversorgung verantwortlich seien [23, 79]. Über die internationale Verbreitung verschiedener MRSA-Klone gibt es zahlrei- 367 che Berichte [z.B. 25, 115, 127]. Inzwischen gibt es darüber hinaus aber auch Belege dafür, dass S. aureus-Stämme wiederholt das mecA-Gen durch lateralen Gen-Transfer erworben haben, sodass sich MRSAStämme unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt haben und nicht von einigen wenigen zur selben Zeit entstandenen Vorläufer-Stämmen abstammen [35]. Kürzlich wurde außerdem über ein MRSA-Isolat berichtet, das in vivo das mecA-Gen und damit die Methicillin-Resistenz verloren hat [121]. Welche Bedingungen Erwerb bzw. Verlust des mecA-Gens fördern, ist jedoch noch unklar. MRSA außerhalb von Krankenhäusern Seit den 1990er Jahren gibt es zunehmend Berichte über das Auftreten von MRSA außerhalb von Krankenhäusern. Als Risikofaktoren wurden niedriger sozialer Status, beengte Lebensbedingungen und dadurch bedingt häufiges Auftreten von Hautinfektionen genannt [43, 45, 46]. Aus den USA und Europa wird über das Auftreten von MRSA bei intravenös Drogensüchtigen berichtet [21, 37]. MRSA wurde aber auch bei Personen – einschließlich Kindern – ohne jegliche Risikofaktoren, wie z.B. Hospitalisierung in den 12 Monaten zuvor oder chronische Krankheit, gefunden [38, 39, 43, 45, 46, 65, 66, 113]. Häufig fallen diese Stämme dadurch auf, dass sie nur gegen Oxacillin resistent sind, im Gegensatz zu den in Krankenhäusern hauptsächlich anzutreffenden MRSAStämmen aber gegen relativ viele andere Antibiotika (außer Betalaktam-Antibiotika), die prinzipiell bei S. aureus-Infektionen einsetzbar sind, empfindlich sind [38, 45, 46, 65, 66]. Bei Kindern wurde über Todesfälle berichtet, wobei vermutet wird, dass der schwere Verlauf bei diesen Patienten durch die Tatsache gefördert wurde, 368 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen dass sie empirisch primär mit einem Cephalosporin behandelt worden waren [21]. Da S. aureus ein häufiger Erreger von Infektionen im Kindesalter ist, impliziert diese Entwicklung möglicherweise, dass die empirischen Therapieregime bei schweren Infektionen entsprechend geändert werden müssen [21]. Man muss also damit rechnen, dass die Prävalenz von MRSA außerhalb von Krankenhäusern zunehmen wird. Angesichts der Entwicklung der vergangenen 50 Jahre mit Ausbreitung der Penicillinasebildenden S. aureus (MSSA), die zunächst auch auf Krankenhäuser beschränkt waren, in der Allgemeinbevölkerung wäre eine vergleichbare Ausbreitung von MRSA nicht an sich überraschend, wenn auch im Hinblick auf die Häufigkeit von S. aureus als Infektionserreger einerseits und der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten bei MRSA-Infektion andererseits beunruhigend. Diese Entwicklung ist möglicherweise wegen der Häufigkeit, mit der S. aureus bei Mensch und Tier in erster Linie als normaler Kolonisationskeim vorkommt, unvermeidlich – wie vor Jahrzehnten die Ausbreitung der Betalaktamase-positiven Varianten von S. aureus trotz massiver Anstrengungen, die heute als „Krieg“ gegen diese Erreger bezeichnet werden [99], nicht verhindert werden konnte, sodass diese Stämme inzwischen auch außerhalb des Krankenhauses die Regel sind, die Betalaktamase-negativen Stämme dagegen die seltene Ausnahme. Für Krankenhäuser bedeutet dies, dass ein zunehmender Teil von Patienten mit einer – zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme (noch) unbekannten – MRSA-Besiedlung aufgenommen wird. Obwohl systematische Untersuchungen dazu noch fehlen, kann schon jetzt auf der Basis vorläufiger Daten vermutet werden, dass in manchen Regionen der BRD ein beträchtlicher Teil – mindestens ein Drittel – der Patienten, bei denen im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes MRSA nachgewiesen wird, schon vorher mit dem Stamm kolonisiert war. Dabei ist klar, dass wiederum ein großer Teil dieser Patientengruppe aufgrund früherer Krankenhausaufenthalte mit MRSA besiedelt ist. Betroffen sind vor allem Patienten mit Krankenhausaufenthalt innerhalb der vergangenen 12 Monate, chronischen Ulzera, enteralen Ernährungssonden und anderen chronischen invasiven Maßnahmen [21, 37, 45, 46]. In Großbritannien wurden 1995 Hinweise für den Umgang mit MRSA außerhalb von Krankenhäusern mit spezieller Berücksichtigung von Pflege- und Altenheimen publiziert, die im Folgenden zusammengefasst werden sollen (spezielle Hygienemaßnahmen siehe im nächsten Abschnitt „Maßnahmen zum Schutz vor MRSA“) [27]: ■ Eine Besiedlung mit MRSA ist normalerweise kein Hindernis für die Entlassung von Patienten nach Hause oder die Verlegung in Pflege- bzw. Altenheime. ■ Bei Beachtung einfacher Hygieneregeln ist der Träger kein Risiko für seine Angehörigen, für Personal in Pflegeund Altenheimen und für andere Personen in seiner Umgebung. ■ Grundlegendes Prinzip der Infektionskontrolle ist auch außerhalb des Krankenhauses die sog. Standard-Hygiene, an vorderster Stelle die Händehygiene. ■ In jedem Pflege- und Altenheim soll es einen schriftlichen Hygienestandard und eine für die Hygiene speziell verantwortliche Person geben (z.B. vergleichbar dem Hygienebeauftragen in Krankenhäusern). MRSA Besiedlung mit MRSA Hinsichtlich der Körperstellen gibt es bei der Besiedlung von MRSA und MSSA keine Unterschiede. Im Folgenden sollen die Besonderheiten bei Patienten und Personal getrennt behandelt werden: Patienten Zu den Risikofaktoren für eine Besiedlung mit MRSA gehört die systemische Gabe von Antibiotika, wodurch u.a. die Zusammensetzung der Nasenflora verändert wird [20, 31, 69]. MRSA sind bekannterweise meist gegen eine Reihe von normalerweise gegen Staphylokokken wirksamen Antibiotika resistent [23, 79]. Aus den klassischen S. aureus-Untersuchungen ist wiederum bekannt, dass die Gabe von Tetracyclin bei Besiedlung mit Tetracyclinresistenten S. aureus-Stämmen zu einer vermehrten Freisetzung in die Umgebung führte [31]. Dies kann analog für MRSA bedeuten, dass die Gabe von Antibiotika, die gegen MRSA nicht wirksam sind, ebenso deren Verbreitung gefördert hat und weiterhin fördert und zwar um so mehr, je breiter das Wirkungsspektrum der eingesetzten Antibiotika ist: die vorwiegend hochempfindliche Normalflora des Körpers wird – als an sich unbeabsichtigter Nebeneffekt – durch Breitspektrum-Antibiotika beträchtlich reduziert und kann deshalb mit multiresistenten Stämmen wie MRSA nicht mehr ausreichend in Konkurrenz treten, sodass die multiresistenten Stämme, die von Breitspektrum-Antibiotika nicht erreicht werden, einen Überlebensvorteil bekommen und sich vermehren können. Vielleicht kann auf diese Weise manches unerwartete Auftreten von MRSA bei länger hospitalisierten Patienten, die keinen direkten oder indirekten Kontakt mit anderen MRSA-Patienten hatten, erklärt wer- 369 den. Auf der Basis dieser Theorie wurde versucht, eine Eliminierung von MRSA durch Interferenz mit Keimen der Normalflora zu erreichen [117]. Möglicherweise ist also der Faktor der Selektion von MRSA durch Antibiotika für die weltweite Verbreitung von MRSA bedeutsamer als mangelnde hygienische Sorgfalt bei der Patientenversorgung, und zwar insofern als der breite Einsatz von Antibiotika der eigentlich kausale Faktor ist und Hygienedefizite erst sekundär auf dem Boden der durch Selektion veränderten Körperflora – quasi supportiv – wirksam werden können. Vielleicht ist darin auch wenigstens teilweise die Erklärung für das auffällige Süd-Nord-Gefälle der MRSA-Prävalenz in Europa zu suchen, weil in den nordeuropäischen Ländern Antibiotika nach strikteren Regeln eingesetzt werden [110]. Nicht selten sind einmal besiedelte Patienten längere Zeit oder rezidivierend mit MRSA besiedelt [50, 80, 101, 102]. Besonders betroffen sind Patienten, die an mehreren Körperstellen eine MRSA-Besiedlung aufweisen: Patienten, die mit Chinolonen therapiert worden waren, Patienten mit MRSA-Besiedlung an chronischen Hautläsionen, Patienten mit Diabetes mellitus, Dialyse-Patienten und rezidivierend hospitalisierte Patienten [29, 50, 80, 95, 116]. Ein selektives Screening von MRSA-Risiko-Patienten zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme ist wiederholt empfohlen worden [41, 42, 95, 98, 101, 102, 116, 118]. In jedem Fall würde eine systematische Beobachtung der Patienten mit Nachweis von MRSA wesentlich zur Klarheit darüber beitragen, welcher Anteil der Patienten mit MRSA bereits besiedelt stationär aufgenommen wurde und welcher Anteil einen solchen Stamm erst während des Krankenhausaufenthaltes erwirbt [55]. 370 Kapitel B: Prävention nosokomialer Infektionen Personal Ebenso wie medizinisches Personal in der Nase mit Oxacillin-empfindlichen S. aureus-Stämmen besiedelt sein kann, kann auch eine Besiedlung mit MRSA stattfinden. Jedoch schützt die Normalflora – und dazu kann auch ein MSSA gehören – vor einer Besiedlung mit neuen Stämmen [20, 69, 117]. In verschiedenen Untersuchungen konnte aber gezeigt werden, dass Mitarbeiter in Krankenhäusern mit hoher endemischer MRSA-Rate mit den dort vorkommenden Stämmen besiedelt werden können [4, 93]. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Entwicklung einer Besiedlung vermutlich auch eine Frage der Quantität der in der Umgebung vorhandenen MRSA ist. Diese Entwicklung ist auch aus den vergangenen Jahrzehnten bekannt: in den 1950er Jahren war das Personal in Krankenhäusern mit den damals noch vorherrschenden Penicillin-empfindlichen S. aureus-Stämmen besiedelt, sukzessive aber wurden diese Stämme durch die Betalaktamase-bildenden Stämme ersetzt, die nun schon seit langem die Regel sind. Ein anderer Faktor, der die Besiedlung des Personals beeinflusst, ist das Ausmaß an epidemischen Eigenschaften, die die in einem Krankenhaus vorkommenden Stämme auszeichnen, und das bedeutet auch, dass im Rahmen von Ausbrüchen mit einer höheren Kolonisierungsrate beim Personal zu rechnen ist als in Zeiten endemischen Auftretens von MRSA [20, 24, 69]. Besiedeltes Personal stellt jedoch nicht an sich seinerseits ein Risiko für die betreuten Patienten dar, zumal die Besiedlung meist nur vorübergehend ist [20, 24, 69]. Insofern ist der Umgang, der mancherorts mit besiedeltem Personal gepflegt wird (z.B. Diskriminierung innerhalb des Krankenhauses, Distanzierung des Bekanntenkreises bis hin zu gesellschaftlicher Isolierung [125]), durch epidemiologische Daten nicht gestützt, sondern nur als Ausdruck einer hoch emotionalisierten, auf diffusen Ängsten basierenden Haltung der NichtBetroffenen zu sehen. Dieses Verhalten wurde jedoch nicht zuletzt durch einen gleichermaßen irrationalen wie populistischen Umgang mit MRSA durch Krankenhaushygieniker ausgelöst, die sicher damit einen sog. guten Zweck verfolgten, indem sie die Krankenhäuser auf die Risiken multiresistenter Erreger hinweisen und mit drastischen Schilderungen ein allgemein verbreitetes Desinteresse an Fragen der Hygiene durchbrechen wollten. Es blieb jedoch unberücksichtigt, welche Reaktionen bei Personal und Patienten dadurch hervorgerufen werden können und auch tatsächlich wurden. Ein engerer Bezug zur Praxis, also ein kontinuierlicher, direkter Kontakt mit medizinischem Personal, hätte beizeiten helfen können, solche extremen Reaktionen zu verhüten. Screening-Untersuchungen Verbreitet ist die Auffassung, dass Screening-Untersuchungen des Personals zu den essenziellen Sofortmaßnahmen bei Auftreten von MRSA – auch ohne Verdacht auf ein Ausbruchsgeschehen – gehören. Die Einbestellung des Hygienikers und der Hygienefachkräfte durch einen chirurgischen Oberarzt – ohne vorherige Kontaktaufnahme und Rücksprache – zu einer definierten Uhrzeit, zu der das gesamte Personal der Station für Nasen-Abstriche bereitstehen würde, ist dafür nur ein Beispiel aus der Praxis. Hier handelt es sich jedoch um das Ergebnis einer Summe von Fehlinformationen durch fachlich nicht ausreichend qualifizierte Veröffentlichungen. MRSA Mikrobiologische Untersuchungen von Personen aus der Umgebung von MRSAPatienten sollen nur durchgeführt werden, wenn die in Kapitel B.10 „Allgemeine Infektionskontrollmaßnahmen“ dargestellten Präventionsmaßnahmen nicht ausreichen, um Übertragungen zu verhindern, und wenn der epidemiologische Zusammenhang dringend auf einen Träger in der Umgebung der kolonisierten bzw. infizierten Patienten hinweist, wie dies z.B. bei gehäuften postoperativen Infektionen im Operationsgebiet der Fall sein kann [7, 28, 55, 106, 124]. Muss aber bei eingehender Prüfung und kritischer Bewertung der epidemiologischen Zusammenhänge ein Träger als Ursache für fortgesetzt nachgewiesene Kolonisierungen oder Infektionen in Betracht gezogen werden, sind Screening-Untersuchungen bei Mit-Patienten und/oder Personal sinnvoll (siehe Kapitel B.11 „Maßnahmen bei Ausbrüchen“). Werden Screening-Untersuchungen unter diesen Voraussetzungen durchgeführt und finden sich dabei besiedelte Personen, ist es nahe liegend, sie wie die betroffenen Patienten ebenfalls mit Mupirocin – zweibis dreimal täglich für fünf Tage – zu behandeln.Wichtig ist dabei, dass die im Rahmen von Screening-Untersuchungen isolierten Stämme aufgehoben werden, um sie mittels Typisierung mit den Patientenisolaten vergleichen zu können. Gründe gegen ein generelles Screening Screening von Personal und Patienten als eine generelle Maßnahmen beim Auftreten von MRSA wird in der Fachliteratur nicht empfohlen [14, 28, 7