Affektive Störungen

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Affektive Stö
Störungen
(ICD-10 F3)
Affektive Störungen sind gekennzeichnet durch pathologische Veränderungen der Stimmung. Diese kann gehoben
sein (Manie) oder gedrückt (Depression). Die Störung betrifft meist ebenfalls das Aktivitätsniveau und das Denken
(geminderter Antrieb/ Denkhemmung: Depression; vermehrter Antrieb/gesteigerter Ideenfluss: Manie). Die Störungen tendieren zum wiederholten Auftreten.
Epidemiologie
Depressionen sind neben den Angststörungen die häufigsten psychischen Erkrankungen.
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65% der Fälle unipolar depressiver Verlauf, etwa 30% der Fälle bipolar, d.h. manische und depressive
Phasen, etwa 5% der Fälle rein manisch
Ersterkrankung der unipolaren Depression: 30. -45. Lj.
Ersterkrankung der bipolaren Störung: 20. - 35. Lj.
Lebenszeitrisiko bipolare affektive Störung 1 - 2%
Lebenszeitprävalenz der Zyklothymie 0,4 - 1 %
Altersdepression bei 10% der 65jährigen
Ätiologie
Das Wissen um die Entstehung ist lückenhaft. Die Unterscheidung „endogen" versus „neurotische" affektive Störung
wurde aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Grundlage aufgegeben. Das aktuelle „Vulnerabilitäts-Stress-Modell"
geht von einer anlagebedingten, Verletzlichkeit, depressiogenen oder Manie provozierenden Lebensereignissen
(Stressoren) und einer aminerg-cholinergen Imbalance als gemeinsamer Endstrecke von affektiven Störungen aus.
Biologische Faktoren
Genetische Disposition
Bei allen affektiven Störungen Hinweise auf genetische Disposition
•
Major Depression: Risiko bei Verwandten 1. Grades mindestens 10-15%
•
Bipolare Störungen: Risiko bei Verwandten 1. Grades 15-20%, bei Erkrankung beider Eltern etwa 55%, eineiige
Zwillinge Konkordanzrate 80%, zweieiige 15-20%
Neurochemische Befunde
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Katecholaminmangelhypothese: Funktionales Defizit von Noradrenalin (NA) in zentralen noradrenergen Funktionssystemen
•
Monoaminmangelhypothese: Mangel an Noradrenalin (NA), Serotonin (5HT), Dopamin (DA)
Schlaf
•
REM-Schlaf-Dysregulation: Vorverlagerung und Verlängerung
•
Überaktivität cholinerger Transmission: eventuell Korrektur durch Schlafentzug
Somatis
Somatische
ische Erkrankungen und Pharmaka
1
Häufige Ursachen, Auslöser oder Co-Faktoren effektiver Störungen
Chronobiologische Faktoren
Saisonale Rhythmik, Häufung im Frühjahr und Herbst
Psychosoziale Faktoren
Typus melancholicus: Persönlichkeitsfaktoren: ordentlich, gewissenhaft, akkurat, empfindlich
Psychodynamische Aspekte: Ich-Schwäche durch Verlust des Selbstwertgefühls (narzisstische Krise). Verlust wichtiger Bezugspersonen. Frühkindliche Mangelerfahrung und Verlustängste führen zu dem Gefühl des „existenziellen
Zuwenig" (Zu-wenig-Sein; Nichts-wert-Sein; Nicht-Können). Gegen sich selbst gerichtete Aggression.
„Life events": Psychoreaktive Auslösung durch kritische Lebensereignisse im Sinne einer Stressreaktion. Häufig Verlust wichtiger Bezugspersonen. Verluste mit z.T. langen sozialen Folgen. Länger dauernde Überlastung mit Rückzug.
Lerntheoretische und kognitive Aspekte
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Verstärkerverlust: Insbesondere Verlust von Bindungen
|
„Gelernte Hilflosigkeit": Hilfloses Ausgeliefertsein gegenüber aversiven Reizen
Internale Attribution: Gefühl der selbstverschuldeten Hilflosigkeit
Wechselwirkung zwischen kognitive und affektiven Prozessen: Negative Sicht der eigenen Person (der Vergangenheit), der Zukunft und der Umwelt (kognitive Triade).
Kognitiv dysfunktionale Wahrnehmung unterhält Depression.
2
Psychopathologie:
Gegenü
Gegenüberstellung der wichtigsten Krankheitssymptome der Depression und Manie
Depression
Gedrückte, depressive Stimmung; im Extrem Gefühl der Gefühllosigkeit; Verlust der
emotionalen Resonanz auf Ereignisse im
Lebensumfeld
Interessenverlust
Verminderung der Energie und des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit; Aktivitätseinschränkung, im Extrem depressiver
Stupor in einer anderen syndromalen Ausprägung einer Depression; agitierte,
ungerichtete Unruhe und vielfaches Klagen
Hypomanie/Manie
Gehobene (euphorische) oder
dysphorische Stimmung (Reizbarkeit
Formaler Gedankengang;
Konzentration; Auffassung; kognitive Symptome
Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit bei geringem Ideenzufluss bis hin
zur depressiven Pseudodemenz; Gedankenhemmung; Grübeln
Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit bei Ideenflucht oder
subjektivem Gefühl von Gedankenrasen
bis hin zur verworrenen Manie mit
schwersten formalen Denkstörungen
Gedankenhalten; inhaltliche Denkstörung
Negative und pessimistische subjektive
Überaus positive Einschätzung eigener
Zukunftsperspektiven; positive Leistungen Möglichkeiten und Zukunftsperspektiwerden nicht der eigenen Person zugeven
schrieben
Stimmung
Motivationale Symptome
Antrieb
Schnell wechselnde Interessen; mangelnde Ausdauer in der Beschäftigung
mit einer Angelegenheit
Erleben einer ungeheuren eigenen
Vitalität; Antriebssteigerung (v.a. sozial, beruflich, sexuell)
Vermindertes Selbstwertgefühl und
Überhöhte Selbsteinschätzung bis hin
Selbstvertrauen; Schuldgefühle und Gezur Entwicklung eines Größenwahns
fühle von Wertlosigkeit bis hin zum Schuld, Versündigungs- oder nihilistischen Wahn
Suizidalität / Fremdgefährdung
Suizidgedanken; Selbstverletzungen oder
Suizidhandlungen
Bei Überwiegen der Reizbarkeit stellenweise fremdgefährliche aggressive Handlungen; Suizidalität kann gegeben sein
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Schlaf
Somatische
Beschwerden
Krankheitseinsicht
Verhalten
Tagesverlauf
Depression
Schlafstörungen im Sinne von Ein- und
Durchschlafstörungen oder morgendlichem Früherwachen
Hypomanie/Manie
Geringes oder fehlendes Schlafbedürfnis
Verminderter Appetit; Gewichtsverlust (5%
des Körpergewichtes innerhalb eines Monats); somatisches Syndrom mit Gefühl
eines Ringes um die Brust; Kloß im Hals
Teilweise Fehlen einer angemessenen
Krankheitseinsicht; Erkrankung wird als
gerechte Strafe aufgefasst; fehlende Hoffnung auf ein Ende der Depression
Sozialer Rückzug; vielfach wird die Zeit
allein verbracht; Verlust externer Verstärker
Verlust innerer Themen; mangelnde Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation; Entwicklung sozialer Hemmungen
und Kontaktstörungen; deutlicher
Libidoverlust
Überwiegend fehlende Krankheitseinsicht; Patienten erleben sich häufig als vollkommen gesund
Tollkühnes oder leichtsinniges Verhalten, dessen Risiken die Betroffenen nicht erkennen (übertriebene
Einkäufe, rücksichtsloses Fahren)
Erhöhte Kontaktfreudigkeit; vermehrte Gesprächigkeit; Rededrang
Logorrhö; Verlust des sozialen Feingefühls bis hin zum völligen Fehlen
von Hemmungen)
Zirkadiane Rhythmik überwiegend mit Morgentief und relativer Besserung am Abend
Klinische Typen nach ICDICD-10
Affektive Störungen sind gekennzeichnet durch pathologische Veränderungen der Stimmung (Affekt). Diese kann
gehoben (Manie) oder gedrückt sein (Depression). Die Störung betrifft meist ebenfalls das Aktivitätsniveau und
das Denken (geminderter Antrieb/Denkhemmung).
Depression
Depression
Die Störungen tendieren zum wiederholten Auftreten. Die Subtypisierung der affektiven Störungen erfolgt nach
deskriptiven Merkmalen. Es wird nach dem Vorliegen von somatischen Symptomen zwischen leichten,
mittelgradigen und schweren Formen der affektiven Störung und stimmungskongruenter und stimmungsinkongruenter psychotischer Symptome unterschieden. Weitere wesentliche Merkmale sind der Verlauf, einmalig
versus rezidivierend, monopolar versus bipolar und die Dauer der Symptomatik sowie die saisonale Rhythmik.
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Manische Episode (F30)
Gemeinsames Charakteristikum ist die gehobene Stimmung, gesteigerte Aktivität, vermehrter Antrieb/ gesteigerter Ideenfluss.
Unterteilt in drei Schweregrade:
1. Hypomanie,
2. Manie ohne psychotische Symptome,
3. Manie mit psychotischen Symptomen.
Bei vorbekannter depressiver Phase muss eine bipolare affektive Störung diagnostiziert werden. Die isolierte
manische Episode ist selten. Ätiologisch ist die manische Episode zu einem hohen Anteil genetisch determiniert.
Rezidivierende hypomanische oder manische Episoden werden unter bipolaren affektiven Störungen diagnostiziert, da sie diesen ätiologisch nahe stehen.
indesstens 3 der
Für die Diagnose erforderlich
erforderlich sind mindestens fü
für einige Tage durchgehend Merkmal 1 und minde
unter 2 genannten Merkmale
1.
gehobene (oder euphorische) Stimmung oder dysphorische Stimmung (Reizbarkeit)
2.
Antriebssteigerung (v.a. sozial, beruflich, sexuell), vermehrte Gesprächigkeit, Rededrang (Logorrhö)
•
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Ideenflucht oder subjektives Gefühl von Gedankenrasen
Ablenkbarkeit oder andauernder Wechsel von Aktivitäten oder Plänen
vermindertes Schlafbedürfnis
gesteigerte Libido
überhöhte Selbsteinschätzung oder Größenwahn
Verlust normaler sozialer Hemmungen
•
tollkühnes oder leichtsinniges Verhalten, dessen Risiken die Betroffenen nicht erkennen (übertriebene Einkäufe, rücksichtsloses Fahren)
•
gesteigerte Geselligkeit oder übermäßige Vertraulichkeit
Komplikationen
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Finanzielle Probleme mit Verschuldung, Beziehungsprobleme, Scheidung, Trennung, Promiskuität, berufliche Probleme mit Kündigung
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•
Straftaten, Aggressivität
Drogen- und Alkoholmissbrauch
körperliche Erschöpfung, Schäden durch Leichtsinn, Überanstrengung
Cave: Erhöhtes Suizidrisiko bei Ende der Manie (Scham und Schulderleben, Depression)
schwere Krisen nach Ende der Manie bei Bilanzierung der durch die Manie entstandenen materiellen und sozialen Schäden
Manien entwickeln sich nach langen hypomanen Vorstadien, jedoch ebenso akut innerhalb weniger Tage.
Manchmal nur hypomane Symptomatik. Abklingen über hypomane Zustandsbilder oder abrupt. Bis zu 70% der
Patienten haben vor oder nach der manischen eine depressive Episode (bipolare affektive Störung), Dauer sehr
unterschiedlich zwischen einigen Tagen (selten) bis zu Wochen und Monaten. Prognose der einzelnen Phasen
fast immer gut. Allerdings sind einmalige Episoden selten!
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Bipolare affektive Stö
Störung (F31)
Sehr gut belegter genetischer Faktor. Lebenszeitrisiko 1-2%
Die Episoden sind gekennzeichnet durch einen Wechsel zu einer Episode mit entgegengesetzter Stimmung oder
mit gemischter Symptomatik. Die Episoden können durch eine Remission voneinander abgegrenzt sein. 20% der
Patienten mit einer depressiven Episode und 50-70% der Patienten mit einer Manie gehen in eine bipolare affektive Störung über. Im Gegensatz zur Depression keine Geschlechtsunterschiede und früherer Beginn in der Adoleszenz bzw. frühem Erwachsenenalter. Wiederkehrende Manien werden hier ebenfalls klassifiziert.
Bei seit der Jugend auftretender, wenig ausgeprägter, nicht episodische verlaufender hypomaner und depressiver Symptomatik Diagnose einer Zyklothymie.
Höchstes Suizidrisiko aller affektiven Erkrankungen. Suizidmortalität 15%! Nach Ende der Manie Gefahr der
Suizidalität durch beginnende Depression oder Bilanzierung. Besondere Gefährdung besteht auch in affektiven
Mischzuständen!
Patienten mit nur manischen Episoden sind selten. Manische Episoden dauern zwischen Tagen bis zu Monaten
(Mittel 4 Monate). Depressionen meist länger (etwa 6 Monate). Verläufe bis zu einem Jahr sind möglich. Gelegentlich Übergänge in dauerhafte depressive Episoden sind bekannt. Episoden entstehen häufig nach Belastungen. Krankheitsbeginn in jedem Lebensalter. Tendenz der Zunahme der Episoden und der Episodendauer im höheren Lebensalter.
Unterschieden wird in Krankheitsverläufe mit Depression und Manie und Depression mit ausschließlicher
Hypomanie. Ein schneller Wechsel zwischen den Phasen (>4 innerhalb eines Jahres) wird als „rapid cvcling"
bezeichnet.
Für die Diagnose erforderlich sind folgende Symptome
gegenwärtig manische oder hypomanische Episode
und
in der Anamnese mindestens eine andere affektive Episode, welche die Kriterien für eine hypomanische oder
manische Episode, eine depressive oder gemischte affektive Störung erfüllt
oder
1. gegenwärtig depressive Episode. Dann Klassifizierung der gegenwärtigen depressiven Episode nach den
Kriterien der depressiven Episode: Leicht, mittel, schwer, mit oder ohne somatisches Syndrom, mit oder
ohne psychotische Symptomatik
und
2. in der Anamnese mindestens eine andere affektive Episode, welche die Kriterien für eine hypomanische
oder manische Episode, eine depressive oder gemischte affektive Störung* erfüllt gegenwärtig gemischte
affektive Episode
und
in der Anamnese mindestens eine andere affektive Episode, welche die Kriterien für eine hypomanische
oder manische Episode, eine depressive oder gemischte affektive Störung (Zeitgleiches Auftreten oder
schneller Wechsel (innerhalb von Stunden) von hypomanischen, manischen und depressiven Symptomen,
6
welcher über einen Zeitraum von zwei Wochen die meiste Zeit vorhanden ist) erfüllt
•
Komplikationen der Manie bei manischer Episode beachten
•
Komplikationen der Depression bei depressiver Episode beachten. Hier insbesondere die Suizidalität
•
Rascher Wechsel von manischer zu depressiver Symptomatik mit Suizidalität
•
Wechsel von Depression zur Manie nicht zuletzt medikamentengetriggert (,,Switch"-Phänomen)
•
Zunehmende Phasenhäufigkeit und zunehmende Dauer der Phasen im Verlauf der Erkrankung eventuell getriggert durch inkonsequente Phasenprophylaxe
•
Verlust der phasenprophylaktischen Wirkung der Medikation durch Absetzen (Incompliance)
Depressive Episode (F32)
Bei den typischen Episoden leidet die betroffene Person unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit, sich zu freuen, das Interesse und die Konzentration sind beeinträchtigt. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört,
der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der
leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über die eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von sogenannten
„somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Unfähigkeit, sich zu freuen, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetit-, Gewichts- und Libidoverlust.
Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder
schwer zu bezeichnen.
Meist selbstlimitierende Krankheitsphasen. Etwa 60% komplette Remission, etwa 30% Teilremission, etwa 15%
ungünstiger Verlauf, d.h. Dauer > 12 Monate oder Chronifizierung. Leichte depressive Störungen haben eine
hohe Spontanheilungstendenz. Ohne Medikation Phasendauer 6-8 Monate. Prognostisch ungünstig sind
Komorbidität mit Substanzmissbrauch, Persönlichkeitsstörungen, Dysthymie („double depression") und Essstörungen. Bei etwa der Hälfte der Patienten kommt es zu mindestens einer weiteren depressiven Episode, bei
schwerer depressiver Episode 75% Rezidive. 2/3 bleiben unipolar, bei 10% kommt es zu einer hypomanen
Nachschwankung. Durchschnittliche Dauer bis zum erneuten Auftreten einer Phase (Zykluslänge) 4 Jahre bei
individuell sehr großer Bandbreite.
15% der Patienten mit einer depressiven Episode unternehmen einen Suizidversuch. 50% aller Suizide geschehen im Rahmen einer Depression.
Bei langem Verlauf oder nur teilweiser Besserung Verlust des Arbeitsplatzes, finanzielle Probleme, Beziehungsprobleme, Scheidung, Trennung.
Bei schwerer depressiver Episode, bei Suizidalität, häufig bei Komorbidität stationäre Behandlung erforderlich. Gegebenenfalls Zwangseinweisung aufgrund Suizidalität.
Für die Diagnose relevante Symptome
II.) Typische Symptome
a) gedrückte/depressive Stimmung
b) Interessenverlust oder Freudlosigkeit
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c) Verminderung der Energie mit erhöhter Ermüdbarkeit (nach kleinen Anstrengungen), Aktivitätseinschränkung, Verminderung des Antriebs.
II.)
Andere häufige Symptome
1.
Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
2.
Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
3.
Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
4.
Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
5.
Suizidgedanken, Selbstverletzung oder Suizidhandlungen
6.
Schlafstörungen
7.
Verminderter Appetit
Die Stimmung ändert sich wenig von Tag zu Tag, jedoch sind Tagesschwankungen charakteristisch. Angst,
Gequältsein, Reizbarkeit, histrionische Symptome, phobische/zwanghafte Symptome, Hypochondrie und motorische Unruhe (Agitiertheit) können klinisch im Vordergrund stehen.
Schweregrade
Leichte depressive Episode (F32.0)
(F32.0):
0): Zwei Symptome von l a - c (depressive Stimmung, Verlust von Interesse/Freude, erhöhte Ermüdbarkeit) und zwei Symptome von II 1-7. Die Symptome sind nicht besonders ausgeprägt.
Nur teilweise Einschränkung der täglichen Aktivitäten/sozialen Kontakte/Beruf.
Mittelgradige depressive Episode (F32.1)
(F32.1):
1): Zwei Symptome von l a - c (depressive Stimmung, Verlust von Interesse/Freude, erhöhte Ermüdbarkeit). Drei (besser vier) Symptome von II 1-7. Einige Symptome besonders ausgeprägt oder eine Vielzahl von Symptomen durchgängig vorhanden. Erhebliche Einschränkungen der häuslichen
Aktivitäten/sozialen Kontakte/Beruf.
Schwere depressive Episode (MeIancholie) (F32.2)
(F32.2):
2): AIIe drei Symptome von l a - c (depressive Stimmung, Verlust von Interesse/Freude, erhöhte Ermüdbarkeit). Dabei wird die Stimmung oft mit einem Gefühl der Gefühllosigkeit umschrieben. Vier Symptome von II 1-7, einige besonders ausgeprägt. Somatisches Syndrom praktisch
immer vorhanden. Nicht mehr (allenfalls begrenzt) in der Lage, häusliche Aktivitäten/soziale Kontakte/Beruf
fortzuführen.
Somatisches Syndrom
Bei leichter oder mittelgradiger depressiver Episode fakultativ, bei schwerer depressiver Episode immer vorhanden. Mindestens vier Symptome erforderlich oder einige besonders ausgeprägt:
1. deutlicher Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten
2. mangelnde Fähigkeit zur emotionalen Resonanz auf Ereignisse oder Aktivitäten
3. Früherwachen mindestens 2 Stunden vor der üblichen Zeit
4. Morgentief
5. Psychomotorische Hemmung (Antriebshemmung) oder Agitiertheit6. deutlicher Appetitverlust
7. Gewichtsverlust (5% des Körpergewichtes innerhalb eines Monats)
8. deutlicher Libidoverlust
8
Zusä
Zusätzliche psychotische Symptome
• ausschließlich bei schwerer depressiver Episode!
• Wahnideen: Häufig Ideen der Versündigung, der Verarmung oder bevorstehenden Katastrophen, gelegentlich nihilistischer Wahn („ich bin schon tot, lebe nicht mehr, habe nie existiert") in synthym (der
Stimmung entsprechend) /parathym (entgegen der Stimmung) unterteilbar
•
Halluzinationen: Selten, wenn vorhanden, dann diffamierende, anklagende Stimmen, olfaktorische Halluzinationen: Fäulnis/verwesendes Fleisch
Weitere Merkmale
•
•
Zur Diagnosestellung soll die depressive Episode mindestens 2 Wochen andauern. Falls ungewöhnlich
schwer oder rasch auftretend, kann eine depressive Episode auch bei kürzerer Dauer klassifiziert werden
In der Anamnese keine manischen oder hypomanischen Symptome, welche die ICD-10-Kriterien erfüllen,
ansonsten Diagnose einer bipolaren affektiven Störung
•
Keine weitere depressive Episode in der Anamnese, sonst Diagnose einer rezidivierenden Depressiven
Störung
•
Ausschluss Missbrauch psychotroper Substanzen oder einer organischen psychischen Störung
Anhaltende effektive Stö
Störungen (chronische Stimmungsverlä
Stimmungsverläufe) (F34)
Jahrelang andauernde affektive Störung, die in ihrem Schweregrad und/oder den Verlaufskriterien nicht oder
nur selten die Voraussetzungen zur Diagnose einer depressiven oder hypomanischen/manischen Episode erfüllt.
Unter dieser Klassifikation fallen die früher als depressive Persönlichkeitsstörungen diagnostizierte Störungen,
Zusätzliche depressive Episoden (in 10-25% der Fälle) möglich („double depression").
Für die Diagnose erforderliche Symptome nach ICDICD-10
Zyklothymia (F34.0)
(F34.0)
Hierbei handelt es sich um eine andauernde Instabilität der Stimmung von mindestens zwei Jahren mit zahlreichen
Perioden von Depression und leicht gehobener Stimmung (Hypomanie) mit oder ohne normale Stimmung im Intervall, von denen aber keine ausreichend schwer und anhaltend genug ist, um die Kriterien für eine bipolare affektive Störung zu erfüllen. Diese Störung kommt häufig bei Verwandten von Patienten mit bipolarer affektiver
Störung vor. Einige Patienten mit Zyklothymia entwickeln schließlich selbst eine bipolare affektive Störung.
Keine Geschlechtsunterschiede. In hypomanischer Phase sozial/beruflich erfolgreich, durch Umschlagen in
depressive Gestimmtheit launisch wirkend, Alkohol-, Drogen-, Medikamentenmissbrauch häufig. In 15-50%
Übergang in bipolar affektive Störungen.
Während solcher Zwei-Jahres-Periode war keine depressive oder hypomanische Stimmungsschwankung so
schwer oder so lang anhaltend, dass sie die Kriterien für eine manische, eine mittelgradige oder schwere depressive Episode erfüllte. Manische oder depressive Episoden können jedoch vor oder nach einer solchen Periode länger anhaltender Stimmungsinstabilität auftreten.
Wenigstens während einiger depressiver Episoden sollten mindestens drei der folgenden Symptome vorhanden
9
sein:
1.
2.
3.
4.
verminderter Antrieb oder Aktivität
Schlaflosigkeit
Verlust des Selbstvertrauens oder Gefühl von Unzulänglichkeit
Konzentrationsschwierigkeiten
5.
6.
sozialer Rückzug
Verlust des Interesses oder der Freude an Sexualität und anderen angenehmen Aktivitäten
Wenigstens während einiger Perioden mit gehobener Stimmung sollten drei der folgenden Symptome vorhanden sein:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
vermehrter Antrieb oder Aktivität
herabgesetztes Schlafbedürfnis
überhöhtes Selbstgefühl
geschärftes oder ungewöhnlich kreatives Denken
mehr Geselligkeit als sonst
gesprächiger, witziger als sonst
gesteigertes Interesse und Sicheinlassen in sexuelle und andere angenehme Aktivitäten
8. überoptimistisch oder Übertreibung früherer Erfolge
Zyklothyme Störungen können aufgrund der gehobenen Stimmung, Aktivität und Appetenz als angenehm erlebt
werden und häufig bleiben sie ohne ärztliche Behandlung.
Dysthymia (F34.1)
Hierbei handelt es sich um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde, depressive Verstimmung,
die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren,
mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen.
Konstante oder konstant wiederkehrende Depression über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren. Dazwischen liegende Perioden normaler Stimmung dauern selten länger als einige Wochen; hypomanische Episoden
kommen nicht vor.
Folge der Dysthymie ist ein beträchtliches subjektives Leiden und Beeinträchtigung. Häufig Beginn in der späten
Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenleben.
Keine Geschlechtsunterschiede. Tendenz zur Chronizität. Häufig Suizidversuche und selbst verschuldete Unfälle.
Wenigstens während einiger Perioden der Depression sollten mindestens drei der folgenden Symptome vorliegen;
1.
2.
3.
4.
5.
verminderter Antrieb oder Aktivität
Schlaflosigkeit
Verlust des Selbstvertrauens oder Gefühl von Unzulänglichkeit
Konzentrationsschwierigkeiten
Neigung zum Weinen
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Verlust des Interesses oder der Freude an Sexualität und anderen angenehmen Aktivitäten
7. Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung
8. erkennbares Unvermögen mit den Routineanforderungen des täglichen Lebens fertigzuwerden
9. Pessimismus im Hinblick auf die Zukunft oder Grübeln über die Vergangenheit
10. sozialer Rückzug
11. verminderte Gesprächigkeit
6.
Therapie affektiver Stö
Störungen
Die Therapie affektiver Störungen umfasst neben den pharmakologischen weitere biologische und verschiedene
psychotherapeutische Verfahren. Die pharmakologische Behandlung wird in eine Akut-, eine Erhaltungs- und
eine rezidivprophylaktische Therapie eingeteilt.
Eine Pharmakotherapie allein wird keinem Patienten mit einer affektiven Störung gerecht. Vielmehr gehört eine
ärztlich psychotherapeutische Grundversorgung ebenso wie eine psychoedukative Aufklärung des Betroffenen
über sein Krankheitsbild zu den Mindestanforderungen einer fachgerechten Behandlung.
Eine stationär psychiatrische Behandlung ist bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung dringend indiziert.
Somatotherapie bei der Depression:
Arzneimitteltherapie der Depression
Seit Mitte der 1990er Jahre stehen in der antidepressiven Therapie eine Reihe verschiedener Substanzen zur
Verfügung: selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), trizyklische und tetrazyklische Antidepressiva
(TZA), irreversible Monoaminooxidasehemmer (MAOHemmer, RIMA), selektive NoradrenalinWiederaufnahmehemmer (NaRI), AD mit anderer Wirkweise.
Schlafentzug:
Partieller (zweite Nachthälfte) oder totaler Entzug des Nachtschlafes für eine Nacht, hat bei 60% der Patienten
antidepressive Wirksamkeit. Wiederholte Anwendung 2-3x/Woche notwendig. Effekt meist kurzzeitig, Therapieeffekt wird durch Nickerchen am Tag nach Schlafentzug zunichte gemacht.
Lichttherapie:
Anwendung bei saisonaler Depression. 2-4 Stunden helles Licht (mindestens 2.500 Lux). Wirkung morgens am
besten.
Elektrokrampftherapie (EKT):
Auslösung eines generalisierten Krampfanfalles durch Stromapplikation. Kommt in Deutschland überwiegend
bei therapieresistenten Patienten zur Anwendung. In dieser Patientengruppe 50% Erfolgsrate. Anwendung unter
Kurznarkose und Muskelrelaxation durch Anästhesien. Zur erfolgreichen Behandlung ist einer Serie von 6-12
Anwendungen erforderlich.
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Psychotherapie bei Depression
Psychoanalyse und psychodynamisch orientierte Verfahren
Psychoanalytische Verfahren gehen von der Grundannahme aus, dass es neben der bewussten Ebene auch eine
vorbewusste und unbewusste Ebene gibt, die Einfluss auf Denken, Fühlen, Handeln und Wollen des Menschen
haben. Unterschieden werden können drei Therapieverfahren: die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
die psychoanalytische Psychotherapie und die Psychoanalyse.
Kognitive Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie orientiert sich an wissenschaftlichen Grundlagen; dazu gehören die Objektivierung, Reliabilitäts- und Validitätsprüfung der Methode. Die Behandlung erfolgt problemorientiert mit zeitlicher Limitierung. Wichtig sind die Transparenz des Behandlungsprozesses und die aktive Rolle des Patienten. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass pathologisches Verhalten gelernt wurde und wieder verlernt werden kann.
Behandlungsansätze: Gegenwarts- und ressourcenorientiert. Wiederholtes Üben und reale Auseinandersetzung
mit emotional bedeutsamen Personen und Situationen.
Literatur:
Möller / Laux / Deister Psychiatrie und Psychotherapie,
2. Auflage, Thieme
J. Klingelhöfer, M. Rentrop Klinikleitfaden Neurologie/Psychiatrie,
Neurologie/Psychiatrie,
3. Auflage, Urban/Fischer
ICD--10 Internationale Klassifikation psychischer Störungen 3. Auflage, Hans Huber
ICD
ICD online: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2012/index.htm#V
Hoffmann / Hochapfel Neurosenlehre, psychotherapeutische und psychosomatische Medizin,
5. Auflage, Schaffhauser
12
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