Staatliches Studienseminar für das Lehramt an Grundschulen Neuwied Fachseminar GB Knäble/Schneider Thema: ErstrechnenGrundlagen der Mathematik Ziele des Mathematikunterrichts im ersten Schuljahr • • • • Die Vorkenntnisse der Kinder überprüfen Die Vorkenntnisse der Kinder aufgreifen und stabilisieren Die Vorkenntnisse der Kinder systematisieren und erweitern Grundlegende mathematische Konzepte (Zahlbegriff, Addition, Subtraktion) erarbeiten (Zahlverständnis und Operationsverständnis fördern, Rechenstrategien entwickeln) 1. Vorkenntnisse von Schulanfängern/ Vorläuferfähigkeiten Mathematikunterricht beginnt nicht bei „Null“ Schulanfänger • sind keine Lernanfänger • weisen teilweise erstaunliche mathematische Fähigkeiten auf • zeigen enorme Unterschiede in mathematischen Kenntnissen (heterogene Lerngruppe) Vielfältige Zahlerfahrungen vor der Einschulung: • • • • • • • Zahlen als Maßzahlen für Größen (Kinder kennen ihr Alter) Zahlen als Zählzahlen (fast alle können bis 10 zählen) Zahlen als Ordnungszahlen (Erster, Zweiter sein: Plätze im Wettbewerb) Zahlen als Kodierungszahlen zur Kennzeichnung von Objekten und Sachverhalten (Telefonnummer oder Hausnummer) Zahlen als Rechenzahlen (Kinder verkünden, dass sie schon rechnen können) Zahlen als Operatoren zur Bezeichnung der Vielfachheit einer Handlung (ich war schon dreimal im Kino) Zahlen als Kardinalzahlen zur Beschreibung der Anzahl der Elemente einer Menge (z.B. ich habe drei Puppen) Mathematik in der Schuleingangsphase muss sich an die Unterschiede anpassen! → „Mathematik ist keine Menge von Wissen, Mathematik ist eine Tätigkeit, eine Verhaltensweise, eine Geistesfassung“. (Hans Freudenthal, 1982) → Der Förderung mathematischer Kompetenzen im Vorschulalter und in der diagnostischen Einschätzung vorhandener Fähigkeiten kommt insbesondere im Übergang vom KG zur GS eine große Bedeutung zu → Mathematik als Prozess schon im Anfangsunterricht 1 • nicht primär zur Vermittlung von Rechenverfahren sondern: Mathematik betreiben, Probleme lösen, mathematische Denkweisen ausbilden, positive Einstellungen zur Mathematik aufbauen, Erwerb von Kenntnissen inbegriffen Vorwissen der Kinder führt zu folgenden Konsequenzen im Unterricht: • • nicht Einführung der ersten zehn Zahlen sondern Aufnahme und Ausdifferenzierung der individuell unterschiedlichen Zahlerfahrungen (Zahlbegriff komplex entfalten) • „Vor-Erfahrungen“ und „Vor-Wissen“ ernst nehmen und nutzen • • • Möglichkeiten zur Betätigung bieten, von Anfang an handlungsorientierten Unterricht gestalten keinen Unterricht über Zahlen sondern ein Spielen mit Zahlen, um entdeckend zu lernen • • ganzheitliches Vorgehen besser als ein Schwierigkeiten isolierendes Vorgehen z.B. hinreichend große Zahlenräume zur Verfügung stellen • Reflexion, Versprachlichung von Mathematik, eigene Lösungswege erklären vom ersten Tag an wichtig (Kommunikation) Mengen- und zahlenbezogenes Vorwissen von Schulanfängern hat entscheidenden Einfluss auf Mathematikleistung in der Grundschule! (Untersuchung von Krajewski und Schneider 2004) -keine Vorverlagerung des Mathematikunterrichts in den Kindergarten -sondern Möglichkeiten geben • Mathematik (Zahlen, geometr. Figuren) in der Umwelt zu entdecken • Spaß erfahren an der Beschäftigung mit Zahlen und Formen • Zahlvorstellungen bei konkreten Zählaktivitäten zu erwerben • Gegenstände zu klassifizieren (z. B. nach Formen) • Reihenfolgen zu erkennen und fortzusetzen • Mengen zu bilden • Relationen zwischen Gegenständen zu erkennen und zu benennen • kognitive Fähigkeiten beim Knobeln zu trainieren Fazit Schule muss -sich auf Kinder einstellen -Lernvoraussetzungen differenziert erfassen -nach geeigneten Lernherausforderungen für alle Kinder suchen (differenzieren) -Kontakt zur Vorschuleinrichtung aufbauen, Informationen von Erzieherinnen einholen (Vorleistungen der Kinder) Vorschuleinrichtungen müssen 2 -Kindern die Möglichkeit geben, Mathematik zu erfahren (s.o.) 2. Aspekte arithmetischer Entwicklung/ Erwerb erster arithmetischer Inhalte Die frühe arithmetische Entwicklung ist geprägt durch die Korrelation von zunehmend flexiblem Zahlwissen und einer immer differenzierter wahrgenommenen Umwelt - dadurch werden Kategorisierung und Abstraktion möglich. Dabei geht es um folgende Aspekte: Zahlbegriffsentwicklung/ Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens/ Fähigkeit zur Modellbildung/ Operationsverständnis/ Aneignung von Rechenstrategien Zahlbegriffsentwicklung/Zahlverständnis Aspekte des Zahlbegriffs - Kardinalzahl (wie viele?...3 Kinder, 3 Autos) Anzahlen werden beschrieben - Ordinalzahl (der wievielte?) Reihenfolgen und Anordnungen - Maßzahl (wie lang..?) Natürliche Zahlen dienen als Maßzahl für Größen - Operator (wie oft...?) Vielfachheit einer Handlung oder eines Vorgangs - Rechenzahl (Natürliche Zahlen als Rechenzahlen) - Kodierung (Postleitzahlen, Telefonnummern..) Bezeichnung von Objekten Die Entwicklung hin zu einem umfassenden Zahlbegriff erfolgt über (das) - qualitative Vergleichen - klassifizieren - Eins- zu- Eins- Zuordnungen herstellen - Reihenfolgen erkennen - Zahlwörter gebrauchen - Zählen - Einfaches Rechnen Zahl- und Zählwissen 1. sinnfreie Wort- und Silbenfolge („einszweidreivier…“) Zahlworte nicht getrennt und ohne Bedeutung 2. Zahlworte werden als getrennte Einheiten erkannt Zählen beginnt aber immer bei „eins“ 3. Fähigkeit bei einer beliebigen Zahl zu beginnen, rückwärts, in Sprüngen zu zählen Zählprinzipien -Stabilität der Zahlwortreihe (Reihenfolge der Zahlenreihe darf nicht geändert werden) -Eins-zu-Eins-Zuordnung: Jedem zu zählenden Objekt kommt genau eine Zählzahl zu 3 -Kardinalität: Das letzte Wort der Zahlreihe bezeichnet das letzte zu zählende Objekt und gibt die Anzahl der Gesamtmenge an -Anordnungsbeliebigkeit: Die Reihenfolge der Objekte spielt keine Rolle, solange die anderen Strategien beachtet werden -Abstraktionsprinzip: Jede beliebige Objekt- oder Ereignismenge ist auszählbar (auch Zahlen selbst können gezählt werden- Addition und Subtraktion als Vorwärts- und Rückwärtszählen) Zahlverständnis fördern: Zahldarstellung und ihre Interpretation -kein Einbahnstraßenverfahren der drei bekannten Ebenen: 1. enaktiv (durch Handlung) 2. ikonisch (in Form von Bildern) 3. symbolisch (mit Hilfe von Zeichen) -flexibles Wechseln zwischen diesen drei Ebenen, in alle Richtungen -ständige Übersetzungen von einem Repräsentationsmodus in einen anderen Verinnerlichung der operativen Struktur der Zahlen -die Zahl 8 soll als Doppel-Vier, als 5+3, 2+6 usw. ständig präsent sein Beziehungsvielfalt von Zahlen -Beziehungen von Zahlen zu anderen Zahlen (reiches Beziehungsgeflecht) -nicht nur formale Übungen (z.B. Nachbarzahlen: Vorgänger und Nachfolger) -z.B. Zahl 16 ist kleiner als 20 oder gar 100, größer als 10, um 4 von 20 entfernt, eine gerade Zahl, Nachbar von 15 und 17, 16 cm ist mehr als eine Handspanne, fast die Länge eines kurzen Lineals… Bewusstsein der Wirkung von Rechenoperationen -ein ausgeprägtes Netz von Zahlbeziehungen befähigt Kinder, grobe Fehler zu erkennen (z.B. Ergebnis passt von der Größenordnung her nicht zur Aufgabe) Fähigkeit, „weiche“ Lösungsverfahren anzuwenden -Zahlen und Maße schätzen und Überschlagsrechnungen durchführen zu können -Zahlen in Tabellen und Diagrammen darstellen und interpretieren zu können > gewinnt heute zunehmend an Bedeutung -Kinder müssen ein „Gefühl“ entwickeln für: • die Größe von Zahlen • Längen- und Gewichtsmaße • Zeitspannen und andere Größen -dazu sollten vertraute Alltagssituationen von Anfang an genutzt werden Didaktische Konsequenzen Übungen zu(r) • Zahlauffassung (Objektanzahl bestimmen können, bei vorgegebener Menge) • Zahldarstellung (zur vorgegeb. Anzahl entsprechende Menge legen können) 4 • • Zahlzerlegung (alle Zahlzerlegungen der Zahlen bis 10 schnell bestimmen können/ möglichst viele sogar auswendig können) Zahlvergleichen (Größenvergleiche, Nachbarschaftsbeziehungen, „Abstände“ zu anderen Zahlen) • Im Sinne der Ablösung vom zählenden Rechnen sind Übungen zu bevorzugen, die von Kindern nicht-zählende Lösungsstrategien fordern. Beispiel: -„Schnelles Sehen“ (Zahlendarstellungen werden nur sehr kurz präsentiert) (siehe dazu auch die Kopie: „Probleme des zählenden Rechnens“, H.-D. Gerster) Operationsverständnis fördern -Zahl- und Operationsverständnis sind inhaltlich nicht trennbar -beide Aspekte unterstützen einander -sind für flexible Rechenstrategien unverzichtbar 1. Zahlen sachangemessen anwenden Unterschiedliche Verwendung der Zahlaspekte in entsprechenden Zusammenhängen kennen lernen (Ordnungszahl, Kardinalzahl…) 2. Rechengeschichten in Handlung umsetzen Ausgang immer mit Material in konkreten Handlungsbezügen 3. Intermodalität des Wissens fördern keine methodische Einbahnstraße (enaktiv-ikonisch-symbolisch) 4. Rechenstrategien aus Handlungen an Material entwickeln Denkoperationen entstehen aus konkreten Handlungen (Piaget) Voraussetzung: Grundvorrat an auswendig gewussten Aufgaben (verdoppeln, zerlegen..) Visuelle Wahrnehmung /Raumvorstellung - ist bedeutsam für geometrische Lernprozesse, die Orientierung in der Umwelt. - hat darüber hinaus wichtige Faktoren für die arithmetische Entwicklung, da Zahlen und ihre Beziehungen zueinander als räumliche Verhältnisse vorgestellt werden (Vorgänger/Nachfolger; vor/hinter…) Entwicklung von Rechenstrategien Zählstrategien -erste natürliche Rechenverfahren bei Addition und Subtraktion -Alles-Zählen -Weiterzählen Auswendigwissen -das kleine Einspluseins/ Einminuseins im ZR bis 10 sollte Ende des 1. Schj. auswendig beherrscht werden -im 20er Raum mit operativen Strategien schnell gelöst werden Heuristische bzw. operative Strategien -sollten aus konkreten Handlungen entstehen 5 -Verdoppeln/ Halbieren im ZR bis 10 auswendig wissen um auch Nachbaraufgaben damit lösen zu können -Zerlegen und Zusammensetzen Ziel: -zum Auswendigwissen und zu heuristischen Strategien führen, ohne Verbot des Fingerrechnens -Vielfalt der Strategien erwünscht -Anwendungsverfahren der Kinder beobachten und von zählenden Verfahren wegführen Einführung der Zahlen/ Zahlenräume - im Wesentlichen gibt es drei Vorgehensweisen: 1. schrittweise Einführung (1, 2, 3...) (Beispiel Lehrgang: "Welt der Zahl"): Nacheinander werden alle Zahlen als Ordinal- und Kardinalzahlen (mit Verweise auf andere Zahlaspekte) eingeführt. Dieser Zahlenraum wird nicht überschritten und methodisch gleich bleibend erarbeitet. 2. Einige Zahlen (z.B. 1 bis 4 oder 6) werden zunächst eingeführt und ausführlich behandelt, erst anschließend die weiteren (bis 10). Hier geht es vorrangig um Mächtigkeitsvergleiche, indem direkt mehrere Zahlen angeboten und verglichen werden. Weitere Aspekte wie Zerlegungen, Schreibweisen.. kommen in dem beschränkten Zahlenraum noch dazu. 3. Ein ganzer Zahlenraum (bis 10, meist bis 20) wird ganzheitlich betrachtet mit dem Ziel der Systematisierung und Präzisierung des vorhandenen Wissens über diese Zahlen. Im Vordergrund stehen die relativ selbstständigen Aktivitäten der SchülerInnen und deren Lernprozesse (Beispiel: "Das Zahlenbuch") Grundlegendes zu Addition und Subtraktion im Anfangsunterricht Didaktische Grundsätze für die Behandlung von Addition und Subtraktion: →Gleichzeitige Behandlung von Addition und Subtraktion → Behandlung des gesamten Zahlenraums bis 10 am Anfang → Rechengeschichten von Anfang an → enaktiv – ikonisch – symbolisch → Rechengeschichten in Form von Bildergeschichten darbieten → Rechengeschichten nachspielen lassen → Rechengeschichten und operative UP bungen verbinden 6 3. Arbeitsmittel im arithmetischen Anfangsunterricht Arbeitsmaterial/Typen Man unterscheidet zwischen drei Typen von Arbeitsmaterial: - - - Unstrukturiertes Material: Zahlen werden durch das Legen einer entsprechenden Anzahl einzelner Objekte dargestellt. (Wendeplättchen, Steckwürfel, Halmafiguren, quadratische Plättchen und Naturmaterialien (Nüsse, Äpfel, ...) Kleinere Anzahlen können auf einen Blick erfasst werden, größere werden abgezählt. Strukturierte Materialien: Zahlen werden durch Zusammenfassungen der Einzelobjekte zu größeren Ganzheiten dargestellt. ->Spectra-Rechenstäbe, Cuisenaire-Stäbe, SiebenerZahlenstreifen, Zehnerstab, ... Mischformen: weisen auch eine deutliche Fünfer- oder Zehnergliederung auf, sind aber in ihrer Handhabung nicht nur als Ganzheiten einsetzbar, sondern auch als Einzelteile. ->Rechenschiffchen, Rechenrahmen, z.B. das Zehner-Schiff Funktionen/ Ziele von Arbeitsmitteln Arbeitsmittel sind ein zentrales Hilfsmittel im mathematischen Anfangsunterricht. Sie dienen der Veranschaulichung von Mengen, Zahlenräumen und Rechenprozessen, der Darstellung von Lösungswegen und der Entwicklung verschiedener Lösungsstrategien. Sie helfen beim Aufbau mentaler Vorstellungsbilder. Somit sind sie ein wesentliches Instrument um die Ablösung vom zählenden Rechnen zu erreichen. Handlungen am Material werden durch Versprachlichung bewusster. Kinder sollen dabei mathematische Muster, Strukturen oder Beziehungen erkennen bzw. wiederfinden. Jedes Arbeitsmittel ist erst einmal selbst Lerninhalt und muss angeeignet werden. Es bedarf immer einer einführenden Orientierung am Arbeitsmittel. Arbeitsmittel haben in der Regel immer Vor- und Nachteile. Diese müssen gewissenhaft abgewogen werden -> förderlicher Einsatz von Arbeitsmitteln Kriterien für ein „gutes“ Arbeitsmittel: - Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten (vertrautes Material, in unterschiedlichen Situationen einsetzbar) Unterstützung der Überwindung des zählenden Rechnens u.a. durch Strukturierungshilfen Fortsetzbarkeit in höhere Zahlenräume Übertragbarkeit in zeichnerische Darstellung Entwicklung und Darstellung eigener/ unterschiedlicher Lösungswege 7 - Handhabbarkeit Haltbarkeit Ökologische Aspekte Leitidee: weniger ist mehr -> Beschränkung auf ausgewählte Arbeitsmittel Primat der Handlung -> Materialien müssen sinnvolle Handlungen ermöglichen "Lernmittel" statt ´Lösungsmittel´ -> Lernprozessorientierung statt Ergebnisorientierung 4. Rechenschwierigkeiten und -störungen/ Förderdiagnostik Mögliche Anzeichen/ Frühhinweise, die auf Rechenstörungen hindeuten können: -Einsicht in die Mengeninvarianz ist nicht sicher O O O O O /OOOOO (Kinder erkennen nicht, dass die Anzahl nach dem Auseinanderziehen noch die gleiche ist) -Rückwärts-Zählen oder Zählen in Schritten gelingt kaum -Zahlbeziehungen sind unklar (Halbieren, Verdoppeln, Vorgänger-Nachfolger) -Auffälligkeiten beim Schreiben und Lesen von Zahlen (spiegelverkehrt)/ Verwechslung grafisch ähnlicher Zahlen - Probleme beim Zehnerübergang und bei operativen Aufgabenstellungen -Zählstrategie beim Lösen von Additions/Subtraktionsaufgaben/ zählendes Rechnen (noch im 2. Schulj.) -mathematische Symbole werden verwechselt - Probleme in der visuellen - und Rechts-Links-Wahrnehmung -Größenvorstellungen sind völlig unrealistisch (Längen, Zeit, Geld…) Möglichkeiten der Prävention - Material klären Material selbst strukturieren lassen (z.B. Rechenkette auffädeln zum Erkennen der Fünferstruktur) Fehler zulassen, aus Fehlern lernen vom zählenden Rechnen wegführen konsequent die drei Repräsentationsformen berücksichtigen enge Verzahnung von Mathematik und Sprache „Richtiges“ Automatisieren Lerntechniken und –strategien an die Hand geben Kinder von- und miteinander lernen lassen Fördermöglichkeiten: Zum einen geben standardisierte Testverfahren Aufschluss über spezielle Lernvoraussetzungen. An erster Stelle ist dabei der "Osnabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung" zu nennen (eigentlich für das Vorschulalter konzipiert). In Grenzen lassen sich damit bei einzelnen Kindern Entwicklungsverzögerungen oder auch Stärken im Bereich der Zahlbegriffsbildung feststellen. 8 Aufschlussreich sind bei vielen Kindern die Beobachtungen von speziellen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten in den ersten Schulwochen (Erhebung der Lernausgangslage). Mögliche Aspekte können dabei sein: Zählfertigkeiten, Zahlverständnis, Raum-Lage- Beziehung, visuelle und auditive Fähigkeiten Förderdiagnostik geht aber darüber hinaus und sollte im besten Fall, anders als in standardisierten Verfahren, die Fähigkeiten der Kinder kompetenzorientiert, emphatisch und ganzheitlich erfassen. Dabei werden z.B. auch weitere Entwicklungsund Umweltfaktoren mit berücksichtigt. Neben dem individuellen Blick auf das Kind ist stets auch eine Orientierung an dem fachlichen und entwicklungspsychologischen Bezugsrahmen notwendig. Förderdiagnostik steht nicht am Anfang eines Lehr- und Lernprozesses, sondern wird erst notwendig, wenn bestimmte Lernziele mit "herkömmlichen" Mitteln nicht zu erreichen sind, wenn also Lernhemmungen vorliegen, die vom Kinde nicht alleine oder mit den normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln überwunden werden können. Sie erfasst und berücksichtigt gleichermaßen die Stärken und Schwächen eines Kindes, da sich beide gegenseitig bedingen und gemeinsam die Individualität eines Kindes ausmachen. Sie bleibt nicht beim Erfassen des aktuellen Entwicklungsstandes stehen, sondern sucht den potentiellen Weg (-> Prozess-, Könnensorientierung). Wo steht ein Kind? Was kann ein Kind bereits? Was sind die nächsten Lernschritte? Förderdiagnostisch besonders interessante Informationen ergeben sich an dem Punkt, wo Können in Nicht-können übergeht. Bestimmte Stärken erhalten dann eine besondere Bedeutung, wenn sie als Kompensationsmöglichkeiten zur Bewältigung spezifischer Situationen eingesetzt werden können. Um das diagnostizierte Ziel zu erreichen sind für die Lehrperson neben lern- und entwicklungspsychologischen Kenntnissen auch fachliche und fachdidaktische Kenntnisse notwendig -> diagnostische Kompetenz. Wichtige Instrumente von Förderdiagnostik sind Beobachtung, Lerngespräche, Interviews. Aktivitäten im Anfangsunterricht, die förderdiagnostische Aufschlüsse bieten können: - Gegenstände erkennen, sortieren, in Tabellen legen, zeichnen nach Merkmalen erkennen, vergleichen, beschreiben Strichlisten anfertigen von Gegenständen, Ereignissen 9 - - Erarbeiten geometrischer Qualitätsbegriffe und -beziehungen (dick-dünn, großklein, lang-kurz ...; dicker als ...) und geometrischer Lagebeziehungen (obenunten, vorn-hinten, links-rechts), Folgen und Muster erkennen, fortsetzen ..., Reihenfolgen bilden, Mengen bilden ..., Wege und Figuren laufen ..., Simultanes Erfassen/ Auffassen von Mengen (Würfelzahlbilder, Domino, Zahldarstellungen an den Fingern, am Rechenrahmen...), Fördern des visuellen Wahrnehmens (z.B. Figur-Grund-Unterscheidung in "Wimmelbildern"), Spiele zur Raumvorstellung, zum "Vorstellen-Können" ..., Memory, Puzzle, Lego, .. Literatur: GANSER, BERND [Hrsg.]: Rechenstörungen, Auer, Donauwörth 21997. GRASSMANN, MARIANNE: „Mathematik in der Schuleingangsphase“, In: Zeitschrift "Grundschule" 10/05 HASEMANN; KLAUS: Anfangsunterricht Mathematik, Spektrum, München 2007 LORENZ,J.: Kinder entdecken die Mathematik, Braunschweig 2001. + " Mathematische Bildung im Kindergarten , In: Zeitschrift "Grundschule" 10/05 PADBERG, FRIEDHELM: Didaktik der Arithmetik für Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung, Spektrum, Heidelberg 32007. RADATZ, H.; SCHIPPER, W.: Handbuch für Grundschulen, , Hannover 2009. RADATZ, H.; SCHIPPER, W. u.a.: Handbuch für den Mathematikunterricht 1. Schuljahr, Schroedel, Braunschweig 1997. WITTMANN, E.C.; MÜLLER, G.N.: Handbuch produktiver Rechenübungen, Band 1, Ernst Klett, Stuttgart und Düsseldorf 2000. den Mathematikunterricht an Konferenz der Kultusminister der Länder: Bildungsstandards im Fach Mathematik für den Primarbereich (Jahrgangsstufe 4), Beschluss vom 15.10.2004. Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend: Allgemeine Grundlegung –Teilrahmenplan Mathematik, Mainz 2002. 10