Impressionen von der Exkursion „Das Tauernfenster“ vom 25. bis 27. August 2006 unter Führung von Prof. Hubert Miller. von Klaus Büchl Liebe Leser des Nachrichtenblatts, wenn Sie jetzt einen geologischen Exkursionsbericht erwarten, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Die Geologie des Tauernfensters ist, wie jene der Entstehung der Alpen insgesamt, sehr komplex und kompliziert. Viele Prozesse wie plattentektonische Bewegungen, Versenkung von Gesteinen und ihre Rückkehr an die Oberfläche, Bildung von Ozeanen, Erosion und Sedimentation, Schichtung, Schieferung und Faltung, Deckenbildung und Deckenverschiebung sowie Hochdruck- und Hochtemperaturmetamorphose haben zu erdgeschichtlich unterschiedlichen Zeiten gleichzeitig oder nacheinander gewirkt und das heutige Bild der Alpen mit seinem Kerngebiet des Tauernfensters geschaffen. Ohne das Skriptum zur Exkursion von Prof. Miller wäre ich vollkommen verloren gewesen. Wer also etwas mehr zur Geologie erfahren will, dem möchte ich diese kurze Beschreibung empfehlen. Wenn Sie nicht an der Exkursion teilnehmen konnten, dann finden Sie sicher ein Vereinsmitglied, welches Ihnen das Skriptum ausleihen wird. Weitere Informationen zum Tauernfenster finden Sie auch in der Broschüre „Rocky Austria“ von der Österreichischen Geologischen Bundesanstalt, in „Wege durch Jahrmillionen“ von Bernd Lammerer und in dem Buch „Plattentektonik“ von Frisch und Meschede sowie natürlich in den sonstigen Lehrbüchern über Alpengeologie. Doch nun zur Exkursion. Wir trafen uns am Freitag gegen 14 Uhr vor dem Starnberger Bahnhof. Der eine oder andere warf einen prüfenden Blick zum Himmel, dessen Aussehen uns hoffen ließ, dass das Wetter besser als die Wettervorhersage ausfallen würde. Vom Bus aus demonstrierte uns Prof. Miller, dass ein erfahrener Geologe bereits aus der Morphologie des Gebirges viele Schlüsse ziehen kann. Nachdem wir die Nördlichen Kalkalpen mit ihren schroffen und steilen Bergen durchquert hatten, kamen wir bei Kitzbühl in den Bereich sanfterer Morphologie mit bis oben bewaldeten Hängen. Vom Kaisergebirge aus der oberen Trias waren wir in das Gebiet der Grauwackenzone der aus dem unteren Paläozoikum stammenden Kitzbühler Alpen gekommen. Etwas später hatten wir dann im Salzachtal zu unserer Linken das Paläozoikum des Ostalpins, während auf der rechten Seite die metamorphen Gesteine des Penninikums zu sehen waren. Dort liegt auch Fusch an der Großglocknerstraße, unser erstes Ziel. War am Freitag das Wetter noch besser als die Vorhersage, so kehrte sich am Samstag das Verhältnis um. Es regnete zwar nicht in Strömen, aber die Berge waren dicht mit Wolken verhangen. Doch Fernsicht stand sowieso nicht auf dem Programm sondern sieben Stopps, an denen es mehr auf die Gesteine der Aufschlüsse ankam. Hier in den Gesteinen des Penninikums, die den zentralen Teil des Tauernfensters ausmachen, konnte man lernen, dass Penninikum nicht nur basaltisches Krustengestein des Penninischen Ozeans bedeutet, natürlich metamorph umgewandelt, sondern dass ebenfalls Kalke, Dolomite, Quarzite, Phyllite und Gneise zu den Gesteinen des Penninikums gehören. Für Leute wie mich, die in Mineralogie nur geringe Kenntnisse haben, war die Ausstellung typischer Gesteine des Penninikums in der Nähe der Fuscher Lacke sehr hilfreich. Ich bewunderte die schwarzgrünen Serpentinite des metamorph umgewandelten Ozeanbodens, war erstaunt, hier auch Marmor vorzufinden und nahm erstmals bewusst Prasinit wahr. Prasinit ist das Gestein, aus dem der Großglockner aufgebaut ist! Es ist ein metamorpher Schiefer. Kenner des Metamorphose-Diagramms aus Druck und Temperatur würden den Prasinit zwischen der Grünschiefer- und der Amphibolit-Fazies ansiedeln. Vielleicht sollte ich doch einmal in einem Petrologiebuch etwas intensiver über metamorphe Gesteine nachlesen oder noch besser mir eine Vorlesung darüber anhören. Im Moment komme ich mir jedenfalls wie an der FranzJosefs-Höhe vor, nämlich völlig im Nebel. Dort waren wir nicht die einzigen, die keine Aussicht auf Großglockner und Pasterze hatten. Hunderte von Ausflüglern drängten sich in den Restaurants, den Andenkenläden, dem Glockner-Kino (auch das gibt es!) und der Glockner-Ausstellung, um wenigstens auf Bildern zu sehen, was sich im Nebel verbarg. Wir beschlossen, nach einem Blick auf einen Aufschluss direkt am Parkplatz der Franz-Josefs-Höhe sofort in Richtung Gerlospass abzufahren. In den tieferen Regionen war die Sicht wesentlich besser als auf den Höhen der Hohen Tauern. So konnten wir bei einem Stopp in der Nähe des Gerlospasses aus der Ferne die Krimmler Wasserfälle erkennen. Die an der Franz-Josefs-Höhe gewonnene Zeit erlaubte es uns, sich einem im Exkursionsführer nicht aufgeführten Nebenthema „Die Zillertaler Stauseen“, zu widmen. Prof. Miller hatte einige Informationen über die Kraftwerke der Zillertaler Stauseengruppe dabei, in die man während der Busfahrt Einblick nehmen konnte, wenn man nicht gerade ein Nickerchen machte. Nach dem Gerlospass ergab sich die Möglichkeit, einen Blick auf den ältesten Stausee des Zillertaler Systems zu werfen, den Stausee Durlassboden. Am rechten Ufer war ein kriechender Hang zu erkennen, der langsam aber sicher im See verschwindet. Doch auch hier ließ uns das Tauernfenster nicht los. Im Hintergrund des Stausees war der Zentralgneis des alten mitteleuropäischen Untergrunds als schroffer Fels der hohen Berge zu sehen. Links vom See bestehen die Berge aus Bündner Schiefer, schwach metamorphen Gesteinen wie Phyllit, mehr gerundet und von geringerer Höhe. Nachdem Prof. Miller uns den Zusammenhang der Zillertaler Stauseen erläutert und wir einige Fotos geschossen hatten, setzten wir die Fahrt nach Finkenberg fort. An einem weiteren Halt ergab sich für unseren Exkursionsleiter die Möglichkeit, uns die im Verlauf der Exkursion schon öfters angesprochenen Unterschiede zwischen Schieferung, Schichtung, Faltung und Spaltung anschaulich auf seinem uns inzwischen gut bekannten Zeichenblock zu erklären. Wussten Sie, dass ein Geologe bis zu vier Faltungen einschließlich der zugehörigen Schichtungen und Schieferungen, die ein Gestein erlebt hat, noch erkennen kann? Die Unterkunft im Hotel Neuwirt in Finkenberg war, wie schon die in Fusch, sehr gut. Das Wetter schien sich langsam zu bessern und so beschloss Prof. Miller am nächsten Tag, zuerst einige Aufschlüsse in und um Finkenberg zu besuchen und danach gegen Mittag mit der Gondel auf den Penken hinaufzufahren, dem Zentrum eines großen Skizirkus. Den Samstag hatten wir im Kern des Tauernfensters verbracht, der im Wesentlichen durch die Zentralgneise dominiert wird. Die Zentralgneise sind Teile des alten aus dem Paläozoikum stammenden europäischen Grundgebirges. Jetzt am Sonntag befinden wir uns am Rand des Tauernfensters, das durch nach Norden abgerutschte und verlagerte Decken charakterisiert wird. Diese komplizierten tektonischen Verhältnisse spiegeln sich in den Aufschlüssen wider. Besonders eindrucksvoll ist der Aufschluss hinter der „Schönen Aussicht“. Hier sind lehrbuchmäßig auf wenigen Metern vier fast senkrecht aufgestellte Decken zu erkennen. Es geht durch viele Jahrmillionen von einem gelben, verwitterten, mylonitisierten Augengneis aus dem Paläozoikum, einem vermutlich der Trias entstammenden Kalkstein, bis zu schwarzen, stark verfalteten Phylliten aus dem Lias, die noch überdeckt werden von mächtigen Hochstegenkalken aus dem Oberen Jura. Dann brachte uns der Gondellift auf dem Penken. Das Wetter war zwar nicht sonnig, aber die gegenüber liegenden Berge kamen immer wieder aus den Wolken heraus. Bei unserer kleinen Wanderung am Rand des alten ozeanischen Trogs konnten wir die verschiedenen Gesteine der Bündner Schiefer deutlich erkennen. Als Höhepunkt hätte uns Prof. Miller gern die auf Zentimeter genau bestimmbare Grenze zwischen den Bündner Schiefern des Penninikums und dem Ostalpin, vertreten durch den Innsbrucker Quarzphyllit, gezeigt. Jedoch war dieser Aufschluss leider dem Bau der Skipisten zum Opfer gefallen. Auf den ersten Blick irritierten die schönen großen Blöcke von Brekzien, die sogenannte Penken-Brekzie, am Gipfel des Penken. Hier hätte man damit nicht gerechnet. Die wahrscheinlichste Deutung ihrer Herkunft geht auf den Hang des Penninischen Ozeans zurück, an dessen Steilufern es immer wieder Abbrüche gegeben hat. Diese vermutlich aus der Trias stammenden Brekzien wurden am Meeresboden abgelagert und wurden mit diesem emporgehoben. Ein „bewegtes“ Leben haben diese Gesteine hinter sich. Nach einem guten Kaiserschmarrn im Wirtshaus am Penkengipfel fuhren wir wieder mit der Seilbahn ins Tal, um am Rande von Finkenberg noch mehrere Straßenaufschlüsse aufzusuchen. Ein Thema war dabei die Bewegungsrichtung der Verschiebungen. Wie kann man diese sichtbar machen? Professor Miller gab uns die Lösung. Bei sehr genauem Hinsehen konnte man millimetergroße Sigma- und Deltaklasten entdecken, deren Schwänzchen die Richtung der Verschiebung angeben. Für mich komplettes Neuland. Bis dahin hatte ich noch nicht einmal die Begriffe Sigma- und Deltaklasten gehört geschweige denn verstanden, wieso sie die Richtung angeben. Nach diesen letzten Aufschlüssen war die Erschöpfung allgemein und wir waren froh, uns in den Bus setzen und unserem bewährten Busfahrer die Heimfahrt überlassen zu dürfen. Es war eine gelungene Exkursion, die sicher bei vielen den Wunsch nach Nacharbeit hervorgerufen haben dürfte, sich etwas genauer mit der Tektonik der Alpen zu beschäftigen. Ich möchte hier unserem geologischen Führer, Herrn Prof. Miller, für diese schöne Exkursion danken. Da das der Eindruck von allen war, gab es für Prof. Miller viel Beifall, wodurch wir ihn sogar zu dem Versprechen bewegen konnten, in den kommenden Jahren wieder eine Exkursion durchzuführen, was mit zufriedenem Gemurmel und Beifall aufgenommen wurde. Zum Schluss sei auch Herrn Peter Buchert, unserem 1. Vorsitzenden, für die gelungene Organisation vielmals gedankt. Die ganze Exkursion verlief reibungslos, die Übernachtungen sowohl im Lampenhäusl in Fusch als auch im Hotel Neuwirt in Finkenberg waren genauso ausgezeichnet wie die Fahrt mit dem Bus der Firma Reiser. Die einzigen Reklamationen gab es zum Wetter, aber dafür waren weder Prof. Miller noch Herr Buchert verantwortlich zu machen.