Kleine Geschichte der Mathematik W. Mückenheim Hochschule Ausgsburg (2016) Inhalt 1. Zahl und Zeichen 2. Die Anfänge 3. Höhepunkte der Klassik 4. Niedergang und Neubeginn 5. Das 17. Jahrhundert 6. Euler, Gauß, Cauchy 7. Transzendente Zahlen 8. Transfinite Mengenlehre Anhang 1: π Anhang 2: Fermats großer Satz Literatur 2 3 19 33 50 72 98 110 115 128 131 135 1. Zahl und Zeichen Frühzeit Mengenangaben sind vom Gegenstand abhängig: Rudel Hirsche Herde Schafe Flucht Tauben Kette Feldhühner Schwarm Bienen Zählen, älteste Art des Rechnens: vom Individuellen absehen Soviel Kinder wie Augen (2) Soviel Ochsen wie Hand (5) Soviel Schafe wie Mensch (20) Drei Männer zählen bis 1000 3 Ishango-Knochen, Kongo, 20000 - 25000 Jahre alt Ungefähr 10 cm langer Pavianknochen. An seinem schmaleren Ende ist ein Stück Quarz angebracht, so dass er als eine Art Griffel gedient haben könnte. 60 Primzahlen 60 2 + 3 + 6 = 11 3 + 6 + 4 = 13 3+6+4+8= 21 Verdopplungstafel 30 + 30, Mondkalender? War der erste Mathematiker eine Frau? 4 Zahlwörter für 1 bis 100 bereits vor Trennung der indogermanischen Sprachen (ca. 2000 v. Chr.) gebildet, z.B. zwei, δυο, duo, dvi (dve), ○ , due, twa, two, to, tva, da, deux Meist 10er-System (Zahl der Finger) selten 12er System (Zahl der Knöchel von vier Fingern): römische Bruchzeichen, veraltete Maß- und Währungssysteme (12 inches = 1 foot, 12 ounces = 1 pound, 12 pennies = 1 shilling, Dutzend) oder 20er System (Zahl der Finger und Zehen): Kelten (erhalten in frz. quatre-vingt) und Mayas, veraltete Währungssysteme (20 shillings = 1 pound) oder 60er-System (ca. 360 Tage des Jahres): in Babylon neben dem Zehnersystem, daraus unser Winkelmaß- und Zeitsystem (60´´ = 1´, 60´ = 1° bzw. 1 h.) Lateinisch un-decim = 1 + 10 duo-decim = 2 + 10 duo de viginti = 2 (ab) von 20 d. i. 18 un-de centum 1 (ab) von 100 oder 99 Deutsch ein-lif zwo-lif Französisch quatre-vingt = 4 Zwanziger 5 Ägypter (ab 3000 v. Chr.) Zehnersystem, aber keine darauf basierende Multiplikation sondern nur Verdopplung: Bsp.: 13 = 1 + 2 + 4 + 8 13ÿ6 = '1 2 '4 '8 13 6 12 24 48 78 Ebensogut wie die Verdopplung wird die Verzehnfachung beherrscht. Verfahren streng additiv, kein einziges subtraktives Beispiel bekannt. xÿ9 = xÿ(8 + 1), nie xÿ(10 - 1) Hieroglyphen für 100 bis 106 Ägyptischer Schreiber, Mitglied der herrschenden Klasse 2246 32413 6 223000 232413 Eine der ältesten Zahlenangaben auf der Prunkkeule des Königs Narmer um ca. 3000 v. Chr.: 400000 Rinder, 1422000 Ziegen, 120000 Gefangene erbeutet. Rechnen mit Stammbrüchen (1 im Zähler): 2/5 ist kein Ergebnis, sondern eine Aufgabe. 2/5 = 1/3 + 1/15 2/7 = ¼ + 1/28 2/17 = 1/12 +1/51 + 1/68 Ausnahme 2/3 Darstellung des Stammbruchs 1/26 Rechenbuch des Ahmes (ca. 2000 v. Chr.) Vorschrift zu gelangen zur Kenntnis aller dunklen Dinge ... aller Geheimnisse welche enthalten sind in den Gegenständen. Tabelle für die Zerlegung 2/5, ..., 2/101 Hilfsrechnungen in rot Haufenrechnungen (hau: Haufen, Menge: Zeichen für Unbekannte) 7 Flächen- und Volumenberechnungen (Inhalt von Speichern), Zutaten zur Brot- und Bierherstellung, Versorgung von Soldaten oder Bauarbeitern etc. Bsp.: Aufgabe: Haufe gerechnet 1 + 1/2 mal zusammen mit 4. Er ist gekommen bis 10. Der Haufe nun nennt sich? Lösung: Berechne du die Größe dieser 10 über dieser 4. Es entsteht 6. Rechne du mit 1 + 1/2, um zu finden 1. Es entsteht 2/3. Berechne du 2/3 von diesen 6. Es entsteht 4. Du hast richtig gefunden. moderne Lösung: xÿ3/2 + 4 = 10 xÿ3/2 = 6 x=4 Lineare Gleichungen auch mit der Methode des falschen Ansatzes Kenntnis arithmetischer und geometrischer Reihen Bsp.: Aufgabe aus dem Papyrus Rhind: In 7 Häusern leben je 7 Katzen; die fressen je 7 Mäuse, die sonst je 7 Ähren fressen würden, welche je 7 Hekat Korn liefern (1 Hekat = 4,805 Liter). Summe aller? Lösungsweg im Papyrus Rhind: '1 2801 '2 5602 '4 11204 7 19607 8 moderne Lösung: 7 + 72 + 73 + 74 + 75 = 7ÿ(1 + 7 + 72 + 73 + 74) = 7ÿ(74+1 - 1)/(7 - 1) = 7ÿ2801 = 19607 Woher im Papyrus Rhind die 2801 kommt, ist unbekannt. Die moderne Formel wurde nirgends nachgewiesen. Geometrie hoch entwickelt, wegen der nach jährlicher Überschwemmung der Felder notwendigen Landneuvermessung. Konstruktion des rechten Winkels: Seilspanner (Harpedonapten) mittels Knotenschnüren {3,4,5} Flächen- und Volumenberechnungen: Dreieck, Trapez, Kreis, Quader, Zylinder, Halbkugel und (natürlich!) Pyramide und Pyramidenstumpf. Dreiecksfläche: 2ÿ10 = 20, nicht exakt, aber ≈ 2ÿ◊96 ≈ 19,6 bekannt: A ~ d2 Kreisquadratur: π/4 = (8/9)2 entspricht π = 3,16 genaue Winkelberechnung (Böschungswinkel der Pyramiden ca. 52°) ≈Kotangens = Piremus → Pyramide Wurzelziehen unbekannt (1500 v. Chr.) Ausrichtung der großen Pyramiden von Gizeh: maximale Missweisung von ca. drei Bogenminuten (weniger 0,06 %) Geplante Seitenlänge 440 Ellen = 230,34 m Realisiert: 230,25 m, 230,44 m, 230,38 m, 230,35 m Die Winkel an den 4 Ecken zeigen minimale Abweichungen von 90°: 1", 58", 29", 16". 9 Babylonier (Chaldäer, Sumerer, Assyrer, ab 2000 v. Chr., heute ≈ Irak) Turm zu Babel (Rekonstruktion) und was davon übrig blieb ältere (oben) und neuere (unten) babylonische Zahlzeichen Zehnersystem und daneben Sexagesimalsytem (Grad, Minute, Sekunde) Quadrat- und Kubikzahlen sowie Kubikwurzeln Tafeln an bis n = 10 Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke mit beliebigem Seitenverhältnis π = 3, später 3 + 1/8 Fünf-, Sechs- und Siebeneck 10 Thalessatz Arithmetische Reihen Fortgeschrittene Astronomie ab 300 v. Chr. Positionssystem mit Leerstelle. (Erstes gesichertes Auftreten des Dezimalsystems außerhalb Indiens 662 n. Chr. in Syrien.) Hochentwickelte Algebra: Quadratische, biquadratische, kubische Gleichungen, einmal sogar eine 4. Grades mit sämtlichen Gliedern richtig aufgelöst Beide Lösungen bei quadratischen Gleichungen angegeben, wenn positiv Systeme von bis zu 10 linearen Gleichungen mit 10 Unbekannten Ansätze zur Umkehr von Exponentialgleichungen: Logarithmieren 11 12 Chinesen 2700 v. Chr. Sonnenfinsternis wissenschaftlich beschrieben 2137 v. Chr. Hinrichtung von Hi und Ho 1200 v. Chr. Lehrbuch der Kombinatorik 1100 v. Chr. Arithmetik in 9 Teilen: u.a. Dreieck, Trapez, Kreis, Dreisatz, quadratische Glg., pythagoräische Dreiecke Chinesische Bambusziffern 13 Griechen Logistik = Rechenkunst, nicht Gegenstand der Mathematik, verachtet . Berechnung mittels Buchstabenrechnung Einer Jota I, Fünf Pi P oder Gamma G (pente) Zehner Delta D (deka) Hunderter Eta H (ekaton) Tausender Chi C (cilia) Zehntausender My M (muria) 30 + 40 = 70: DDD + DDDD = PDD Später: Römer I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XII, … I, V, X, L, C, D, M 14 Rechenbrett mit senkrechten Reihen Abax, Abakus (von semitisch: Staub) Rechensteine = Chalkuli fl Kalkulieren 15 Inder (ab 1000 v. Chr.) Indisches Pythagorasdreieck: {5,12,13} Zahlzeichen, Stellenwertsystem und die Null ca. 500 n. Chr. a/0 = ¶ Altindisches Zahlensystem: Mischung aus Dreier- und Vierersystem Mayas 16 Große Zahlen Saul hat 1000 erschlagen, aber David 10000 (Daniel 7, 10) 100 mal 1000 Zentner Goldes und 1000 mal 1000 Zentner Silbers (hat David dem Tempel gespendet) Der Wagen Gottes ist 10000 mal 1000 (Psalm 68, 18) China: Er lebe 1000 Jahre (Hohe Persönlichkeiten) Er lebe 10000 Jahre (Kaiser) Myriade 10000, größte griechische Zahl Größer: Sterne am Himmel, Staub auf Erden. Entwicklung der Zeichen 17 18 2. Die Anfänge 6. Jahrhundert v. Chr. Revolution des Geistes: Die Welt kann verstanden werden. Thales von Milet 624 - 545 Pythagoras 570 - 500 Lao Tse 604 - 534 Konfuzius 551 - 479 Siddhartha Gautama (Buddha) 560 - 480 Griechische Aufklärung Kleinstaaten (Republik oder Tyrannis) mit Gedankenfreiheit Seefahrendes Volk, Verbindung zwischen Asien und Europa Keine privilegierte Priesterkaste, die neue Ideen bekämpft μαθεματα: Lehrgegenstände Arithmetik Geometrie Astronomie Musik (Noch im Mittelalter: Das Quadrivium) 19 Thales von Milet (624 - 545) Kaufmann aus phönizischem Geschlecht, reich durch Spekulation mit Olivenöl. Nach seinen Angaben soll für einen Fluß ein neues Bett gegraben worden sein. Aufenthalt in Ägypten; er brachte den Griechen von dort die Geometrie. Höhenmessung (Pyramide): Messung der Schattenlänge, zu der Zeit, wo er der Körpergröße gleich ist. Messung zu beliebiger Zeit mit Strahlensatz Abstandsmessung von Schiffen mit Strahlensatz Weitere Thales bekannte Sätze Gleichheit der Basiswinkel eines gleichschenkligen Dreiecks Gleichheit der Scheitelwinkel beim Schnitt zweier Geraden Bestimmtheit eines Dreiecks durch eine Seite und die anliegenden Winkel Kreisfläche wird vom Durchmesser halbiert Summe der Winkel im Dreieck = 2 rechte Winkel Alle Winkel im Halbkreis sind rechte: Alle Materie als belebt angenommen. Kenntnis von Magneteisenstein und Elektron (Bernstein) Vorhersage der Sonnenfinsternis vom 28. 5. 585 Erhielt mit 6 anderen Männern (darunter Solon) den Titel eines Weisen Stand der Technik: 1 km langer Tunnel, Wasserleitung für Samos, von beiden Seiten gegraben. Abweichung in der Horizontalen 10 m, in der Höhe 3 m [Eupalinos, 525] Medizin: Sinnesnerven zum Gehirn entdeckt [Alkmäon von Kroton] (trotzdem lange Zeit Herz, Zwerchfell oder Lunge als Sitz des Geistes betrachtet) 20 Pythagoras (570 - 500) Vater: Mnesarchos, Gemmenschneider? auf Samos Mutter: Parthenis (= Jungfrau) wurde vom Sonnnengott Apollon geschwängert und von da ab zu dessen Ehren Pythais genannt Pythagoras = Mund des Apollon Pythia = Prophetin des Apollon Tempels in Delphi Agora = freier Vorplatz Orakel um diese Zeit auf dem Höhepunkt seines Einflusses. Klienten u.a. der lydische König Krösos (Du wirst ein großes Reich zerstören) und Pharao Achmoses. Cyrus greift auch nach den griechischen Küstenstaaten. 538 Polykrates wird Tyrann und erhält Samos unabhängig. Luxus liebender Herrscher, der sich mit Künstlern und Dichtern (Anacreon) umgab. Pythagoras asketischer Typ. - Gegensatz zu Polykrates? Bann oder durch Polykrates unterstützte Reise von Pythagoras nach Ägypten, Kreta etc. 532/31 525 Cambyses, Sohn des Cyrus, erobert Ägypten. Pythagoras noch da, gelangt (gefangen?) nach Persien und Babylon. 520 Rückkehr nach Samos. Lehrt in freier Natur und lebt in einer Höhle, aber nicht lange. Hat nur einen einzigen Schüler, den er zunächst fürs Zuhören bezahlt. Prophet gilt nichts im eigenen Land. Samos bedroht. (Später Polykrates von Cambyses gekreuzigt.) Pythagoras befreundet mit Democedes, der aus Kroton, Süditalen, stammt, Leibarzt des Polykrates und später des Darius ist. 518 Kroton, Empfangskomitee, als Prophet und Zauberer, Halbgott verehrt, Lehre, viele Schüler. ≈500 Pythagoras geht nach Metapontum, stirbt an Hunger oder wird umgebracht. Kein Selbstmord, da er diesen verurteilt. Aufstand gegen die elitäre Kaste der Pythagoräer. 450 weitere Rebellion gegen die Pythagoräer in Kroton und ganz Unteritalien. Viele Pythaoräer wurden getötet und deren Häuser und Versammlungsorte zerstört. Keine direkte Überlieferung, keine hinterlassenen Schriften, kein Grabmal 21 Gründer einer bis ≈370 v. Chr. existierenden "Schule" (Geheimbund) Aufnahme-Interview, dreijährige Probezeit, Novizen mußten fünfjähriges Schweigen geloben, vorwiegend Mitglieder der herrschenden Klasse, wahrscheinlich keine Frauen zugelassen, da in Griechenland stets ohne wiss. Ausbildung und auch nicht zu Gymnasien und Olympischen oder Delischen Spielen zugelassen. Nach anderer Überlieferung hat er seine Lieblingsschülerin geheiratet. Schule des Pythagoras, Ausschnitt (Raphael) Mathematiki: Gelehrte Mathema: Lehrstunde, Lektion Akusmatiki: die Zuhörenden Möglicher Tagesablauf mit der Dämmerung aufstehen durch einsamen Spaziergang den Geist in Ordnung bringen Studium und Korrektion moralischer Qualitäten gemeinsames Frühstück: Brot und Honig, kein Wein den ganzen Tag bis zum Abend gemeinsame Diskussion über die Politik und den Zustand des Staates Spaziergänge zu zweit oder zu dritt rituelle Waschungen und religiöse Übungen gemeinsames Abendessen: Wein, etwas Kuchen, Brot, geröstetes, gekochtes und rohes Gemüse und Früchte, (Fisch und Fleisch??) Vorlesen Opferungen (von Wein und Speisen) Der Leiter zitiert: Verletze oder zerstöre nie ein kultiviertes Ding, Pflanze oder Baum noch irgend ein Tier, das dem Menschen nicht gefährlich ist. Erkennungszeichen: Fünfeck weiße Gewänder, lange Haare, baden, salben. Pythagoras lehrte hinter Vorhang, wurde nicht bei Namen genannt: "jener Mann" "Er hat es selbst gesagt" beendetete jede Debatte Äußerste Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden Noch Sagenhafteres Pythagoras besaß einen goldenen Schenkel (nach Aristoteles) vom Fluß Kasas begrüßt: Χαιρε Πυθαγορα (Heil Pythagoras) hat einem Adler den Kopf gestreichelt einem Stier geboten, ein Bohnenfeld zu verlassen 22 einem Bären das Fleischfressen verboten er biß eine giftige Schlange zu Tode, hat eine andere Schlange freigelassen beherrschte Psychokinese konnte Horoskope stellen konnte sich an frühere Leben erinnern konnte seinen Körper verlassen wurde gleichzeitig in Kroton und Metapont gesehen Hekatomben-Opfer nach Auffindung des Satzes? Vegetarier! Namensdoppelgänger: Athletentrainer, Olympiasieger Philosophie Göttlicher Atem ist in jedem Lebewesen (unsterbliche Seele) Seelenwanderung, Reinkarnation fl Vegetarier (Verbot von Tieropfern?) Einige Sätze (vermutlich viel später zusammengereimt): keine Bohnen essen keine Schwalben im Haus nicht den Boden berühren bei Gewitter nichts vom Tisch Gefallenes aufheben keinen Ring tragen nicht mit goldgeschmückten Frauen Kinder zeugen nur beim Aufladen helfen, nicht beim Abladen Tote nicht in Wolle begraben Antinomien (überliefert von Aristoteles): 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 positiv Begrenztes Ungerades 5 = 2 + 1 + 2 Einheit (Primzahlen?) Rechtes Männliches Ruhendes Gerades Licht Gutes Quadrat negativ Unbegrenztes Gerades 4 = 2 + _ + 2 Vielzahl (nicht prime Z?) Linkes Weibliches Bewegtes Krummes Finsternis Böses Heteromekie Addition der ungeraden Zahlen ergibt Quadrate, Addition der geraden Zahlen Heteromeken 23 ⇒ Unterscheidung von Gerade und Ungerade ⇒ Kenntnis von arithmetischen Reihen Kosmologie Zentrisches System Sonne nur ein Abglanz des Gegenfeuers unter/hinter der Erde Erde ist eine Kugel (bei Mondfinsternis kreisförmiger Schatten, Seefahrervolk) Erdkugel umkreist in 24 Stunden das Zentralfeuer, gebundene Rotation: immer die gleiche Seite dem Zentralfeuer zugewandt. Erde nur einseitig bewohnbar Warum Gegenerde? Weil Mondfinsternis bei sichtbarer Sonne beobachtet? Weil 10 heilig? Gegenerde immer in Konjunktion oder Opposition zur Erde, nie sichtbar 10 Sphären. Harmonie der Sphären: Sphären laut Pythagoras nach der Tetraktys geordnet, große Geschwindigkeiten ⇒ harmonisch Musik. Pythagoras konnte sie hören. Mathematik μαθεματα: Lehrgegenstände Eudemos, Schüler von Aristoteles: schrieb im ersten Mathematikerverzeichnis: Pythagoras war erster Begründer einer Mathematik-Wissenschaft. Musik: Saitenlängenverhältnis, Oktave 2:1, Quinte 3:2, Quarte 4:3 Schmiedehämmer belauscht, Monochord erfunden Grundsatz: Alles ist Zahl = Dinge sind (wie) Zahlen = Alles ist mit Zahlen verbunden Platon (427 - 348, Schüler des Pythagoräers Timäus von Lokri) interpretiert: 1) Zahl als Symbol gewisser Ordnungsmächte 2) Ordnungszahl, Reihenfolge, Rang 3) Zahl als Raumbestimmung 4) Zahlenverhältnis, mathematische Formel 24 Aristoteles (384 - 322) Schüler des Platon, Lehrer Alexanders, d. Gr., spricht nie von Pythagoras, sondern immer nur von den Pythgoräern, Πυϑαγορειοι, (oft den sogenannten) interpretiert: 1) Alle Dinge verdanken ihre Existenz den Zahlen 2) Die Elemente der Zahlen und der Dinge sind gleich 3) Dinge sind nach Zahlen aus den Elementen zusammengesetzt (z.B. Knochen = 3 Teile Feuer + 2 Teile Erde) Beispiele pythagoräischer Zuordnungen: günstige Gelegenheit = 7 Gerechtigkeit = 2ÿ2 = 4 (auch andere Quadratzahlen) 1 ist keine Zahl, sondern das Element aller Zahlen. 1 macht gerade ungerade und ungerade gerade. ⇒ Unterscheidung von Gerade und Ungerade Logistik = Rechenkunst (nicht Gegenstand der Mathematik, verachtet) Berechnung mittels Buchstabenrechnung Einer Jota Ι Fünf Pi Π (πεντε) Zehner Delta Δ (δεκα) Hunderter Eta Η (εκατον) Tausender Chi Χ (χιλια) Zehntausender My Μ (μυρια) 30 + 40 = 70: ΔΔΔ + ΔΔΔΔ = ΠΔΔΔ Rechenbrett mit senkrechten Reihen Abax, Abakus (von semitisch: Staub) zum Rechnen und Zeichnen Rechensteine = Chalkuli ⇒ Kalkulieren Kunst des Anlegens: geometrische Algebra (auf Griechen beschränkt) n = ab ist durch p zu teilen (ab = pq) 25 Gnomon = Erkenner ursprünglich senkrechter Stab: Stundenzeiger, Schattenwerfer später allgemein für rechter Winkel später Ergänzungsfigur beim Anlegen: später alles, was eine rechteckige Figur in eine ihr ähnlich überführt Anlegen von Gnomonen = Addition der ungeraden Zahlen ergibt die Quadratzahlen: 1,4,9,... 2 2 n + [2n + 1] = (n + 1) 1 + 3 + 5 + ... + (2n - 1) = n2 Addition der natürlichen Zahlen ergibt die Dreieckszahlen: 1, 3, 6, 10, 15, 21, ... 2 Dreieckszahlen, z.B. wichtig in der modernen Physik: n(n+1)h Die Tetraktys besitzt 4 Stufen (tetra = vier) 10 = Δ selbst ein Dreieck, Zahl der Finger heilige Zahl, vierte Dreieckszahl fl Gerechtigkeit 10 = 1 + 2 + 3 + 4 = Position oder Punkt + Ausdehnung + einfachste ebene Figur + einfachste räumlich Figur pythagoräischer Eid enthielt die Worte: "... durch ihn, der uns die Tetraktys hernieder brachte ..." 26 Der Satz des Pythagoras p/h = h/q fl pq = h2 h ist mittlere Proportionale zu p und q: h = ◊pq (ähnliche Dreiecke) q/a = a/c fl cq = a2 p/b = b/c fl cp = b2 2 2 2 c(p + q) = c = a + b Erzeugung des rechten Winkels mit pythagoräischen Tripeln wurde schon mehr als 1000 Jahre früher angewandt (Ägypten, Babylon). Ägypten: Dreieck mit den Seitenlängen 3, 4, 5 gibt rechten Winkel. Indien: Dreieck mit den Seitenlängen 5, 12, 13 gibt rechten Winkel. Aber: Pythagoras behauptete seinen Satz für jedes rechtwinklige Dreieck. Möglicher Weg: 9 + 16 = 25 zufällig gefunden 3, 4, 5 aus Ägypten gewusst rechtwinklige Dreiecke, vermutlich spezielle, untersucht Erzeugung pythagoräischer Tripel: Zwei benachbarte Quadratzahlen unterscheiden sich um eine ungerade Zahl. Alle ungeraden Zahlen kommen als Differenz vor. Da es unendlich viele ungerade Quadratzahlen gibt, unterscheiden sich unendlich viele Quadratzahlen um eine ungerade Quadratzahl. 1 + 3 + 5 + 7 + 9 + 11 + 13 + 15 + ... + 25 + ... + 49 + ... + 81 + ... 1 , 4 , 9, 16, 25, 36, 49, 64, ... 32 + 4 2 = 5 2 daraus findet man aber auch gerade Tripel: (3ÿ2)2 + (4ÿ2)2 = (5ÿ2)2 Indischer Beweis des Satzes: Gegeben die rechte Zeichnung ohne Buchstaben und der Text: "Sehet!" 27 c2 = 4ÿab/2 + (a - b)2 = a2 + b2 Elegantester Beweis des Satzes: Wenn er gilt, muss der Satz auch für die halben Quadrate, Drittelquadrate, ..., Hundertstelquadrate, und Kombinationen daraus gelten, kurz: er muss für alle ähnlichen Figuren über den Seiten gelten, z. B. für Dreiecke mit gleichen Winkeln (3 gleiche Winkel fl Ähnlichkeit): ma2 + mb2 = mc2 28 Die fünf regelmäßigen Körper Die Grenze ist das Wesen des Gegenstandes, folglich die Fläche mehr als der Körper, die Linie mehr als die Fläche, der Punkt mehr als die Linie. Die Fläche kann ohne Körper, der Körper aber nicht ohne Oberfläche sein. Tetraeder Hexaeder Oktaeder Ikosaeder 20 gls. Dreiecke Würfel = "geometrische Harmonie": 6 Seiten, 8 Ecken, 12 Kanten stetiges harmonisches Verhältnis: 1/6 - 1/8 = 1/8 - 1/12 harmonisches Mittel: 1/a - 1/b = 1/b - 1/c fl b = 2/(1/a + 1/c) arithmetisches Mittel: a - b = b - c fl b = (a + c)/2 geometrisches Mittel: a/b = b/c fl b = ◊ac 29 Dodekaeder 12 Pentagone Hippasos von Metapont (5. Jhd. v. Chr.) Pentagondodekaeder in Kugel eingebeschrieben und dies gegen jede Gepflogenheit veröffentlicht: durch Rache der Götter im Meer Umgekommen, in Abwesenheit begraben. Ebenso der Ausplauderer des Irrationalen: an den Ort der Entstehung versetzt Am gleichschenkligen Dreieck? die Irrationalität entdeckt: 2a2 = c2 Oder an der stetigen Teilung? Theorie des Irrationalen, Inkommensurabilität, ◊2 Beweis durch Widerspruch. Annahme: Sei ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ◊2 = p/q, mit p, q teilerfremd (gekürzt) 2 = p2/q2 2q2 = p2 p2 gerade p gerade, p = 2z p2 = 4z2 2 2 2q = 4z 2 2 q = 2z q2 gerade q gerade p, q nicht teilerfremd ° Nach Platon besaß sein Lehrer Timäus von Lokri analoge Beweise für alle Zahlen bis 17. Alle Wurzeln aus natürlichen Zahlen sind ganz oder irrational: Quadrate von Brüchen sind wieder Brüche: (3/4)2 = 3ÿ3/4ÿ4 (Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung) ◊7 = p/q ⇒ 7qq = pp ° (Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung) ◊9 = p/q ⇒ 3qÿ3q = pp ⇒ p = 3q, und wenn p, q teilerfremd ⇒ q = 1, p = 3 Irrationale Zahlen: alogos = unaussprechlich. Keine Zahlen im Sinne der Griechen. Enttäuschendste Entdeckung für die alles-ist-Zahl-Philosophie. 30 Stetige Teilung (Bezeichnung Goldener Schnitt erst von Leonardo da Vinci) a/b = b/(a - b) ª φ > 0 φ = 1/(φ - 1) fl φ - 1 = 1/φ φ2 - φ - 1 = 0 fl (φ - 1)(φ + 1) = φ φ = 1/2 + ◊(1 + 1/4) = (1 + ◊5)/2 ≈ 1,618 ∉ – Konstruktion: (b + a/2)2 = a2 + (a/2) 2 (b + a/2) = a◊(5/4) = (a/2)◊5 b = (a/2)(-1 + ◊5) b/a = (-1 + ◊5)/2 = φ - 1 = 1/φ a/b = φ Verlängerung einer stetig geteilten Strecke um ihren größeren Abschnitt ergibt wieder eine stetig geteilte Strecke. (a + b)/a = a/b fl 1 + 1/φ = φ ϕ = 1 + ϕ = 1 + 1 + 1 + 1 + ... ϕ = 1+ 1 = 1+ ϕ 1+ 1 1 1+ 1 1+ 1 1+O Johannes Campanus von Novarra (1220 -1296) Kaplan von Papst Urban IV. (1261-1264) Kanonikus in Paris, Euklid-Übersetzer Irrationalitätsbeweis für die stetige Teilung durch descente infinie Seien x1, x2 ∈ – erzeuge durch Multiplikation mit dem Hauptnenner n1, n2 ∈ Ù (n1 + n2)/n1 = n1/n2 1 + n2/n1 = n1/n2 n1/n2 = n2/(n1 - n2) (n1 - n2) ≡ n3 ∈ Ù (n2 + n3)/n2 = n2/n3 mit n2 < n1 mit n3 < n2 < n1 usw. ad infinitum 31 Pentagon Winkelangaben in Grad s = Seite, d = Diagonale d/s = φ d´ = d - s φ = d/s = s/(d - s) = s/d´ = d´/s´ = s´/(d´ - s´) = s´/d´´ = ... Konstruktion: Strecke d stetig teilen Kreise mit Radius s um Endpunkte Kreise mit Radius d bzw. s um Endpunkte, um die übrigen Ecken zu finden 32 3. Höhepunkte der Klassik Die drei klassischen Probleme Lösung durch Bewegungsmathematik Lösung mit Zirkel und Lineal nicht möglich Trisektion des Winkels Hippias von Elis (420 v. Chr.): Die Quadratrix Während der Radius R sich gleichmäßig um P von der Senkrechten in die Waagrechte dreht, gleitet die Gerade G von G1 nach G2. Die Quadratrix ist die Menge der Schnittpunkte von R und G. Radius und Gerade bewegen sich mit konstanter Geschwindigkeit (gleichmäßig), also fl ϕ : h wie ϕ/3 : h/3. Drittelung einer Strecke h ist aber mittels Strahlensatz leicht möglich, z.B. mit Hilfe einer aus drei Einheiten zusammengesetzten Strecke. Würfelverdopplung Delisches Problem: Die unter der Pest leidenden Delier sollten laut Spruch des Orakels zu Delphi zur Abwendung der Pest ihren würfelförmigen Apollon-Altar verdoppeln. 33 Konstruktion mit zwei mittleren Proportionalen (links) führt nicht zu b = 2a. Praktische Lösung: Rechteck mit verschiebbaren Seiten an die gegebenen Strecken a und b = 2a anlegen. Ecken auf die Achsen lavieren. (Lösung wurde fälschlich Platon zugeschrieben; gerade er hat aber jegliche Werkzeuge außer Zirkel und Lineal aus der Mathematik verbannt.) 34 Hippokrates von Chios (5. Jhd. v. Chr.) Kaufmann (nicht der Arzt!), verlor ≈ 440 sein Vermögen lernte bei Pythagoräern Mathematik, lehrte sie dann gegen Bezahlung in Athen. verfasste das erste Rechenbuch (verschollen) führte die Buchstabenbezeichnung ein: ΓΔ = Strecke von Γ bis Δ Möndchen des Hippokrates: großer Halbkreis: H = kc2 kleiner Halbkreis: h = ka2 = kc2/2 Fläche beider kleinen Halbkreise 2h = H was außen überschießt, muß innen fehlen Fläche der Möndchen (Meniskos = μενισκοζ) = halbe Quadratfläche = a2/2 Versuch der Kreisquadratur. Hippokrates fand: Das Problem der Würfelverdopplung ist gelöst, wenn es gelingt, zwei mittlere Proportionalen x und y zwischen a und b = 2a einzuschalten fl a/x = x/y = y/b a2 = x4/y2 b = y2/x a2b = 2a3 = x3 wonach sich dann seine Ratlosigkeit in eine andere, nicht geringere verwandelte. (Eratosthenes) 35 Quadratur des Kreises Dinostratus (400 v. Chr.) K/r = r/a (*s.u.) (πÿr/2)/r = r/a ⇒ πa = 2r U = 4K = 4r2/a A = rU/2 = 2r3/a * Beweis von K/r = r/a (einer der ersten und scharfsinnigsten Beweise durch Widerspruch) Annahme: K/r = r/b (mit b > a) Kreis K' mit Radius b konstruieren. Aus der Linearität des Kreisumfangs K/r = K'/b und mit der Annahme folgt K' = r. Gerade durch Ursprung und Schnittpunkt der Quadratrix mit K': K/k = K'/k' Gleichmäßigkeit der Entstehung der Quadratrix fl K/k = r/h' = K'/h' fl k' = h' Widerspruch, da sinϕ ≠ ϕ für ϕ ≠ 0 Die alternative Annahme b < a führt analog auf tanϕ = ϕ. flb=a Eudoxos (410 - 355) Astronom und Mathematiker Mit 23 Jahren für zwei Monate Schüler Platons. Auch in Ägypten mit Platon zusammen. Später mit zahlreichen Schülern Aufenthalt in Athen bei Platon. Beiträge zur Proportionenlehre, Einbeziehung des Irrationalen Volumenbestimmung von Pyramide und Kegel mittels Exhaustionsverfahren Würfelverdopplung mit einer Bogenlinie (verlorengegangen) Himmelseinteilung in Sternbilder 36 Alexandria Weltzentrum der Gelehrsamkeit gegründet von Alexander d. Gr. 331 v. Chr. Bibliothek mit 600000 Büchern 47 v. Chr. von Cäsar unbeabsichtigt in Brand gesetzt Marc Anton schenkte Cleopatra die Bibliothek von Pergamon (als Ersatz und Liebeswerbung) 389 Zerstörung aller heidnischen Monumente durch Christen (Bibliothek, nun im Tempel von Serapis, gleichfalls zerstört) 642 Letzte Zerstörung durch Nachfolger Mohammeds (Bücher zum Heizen der Bäder benutzt. "Was dem Koran widerspricht darf man nicht lesen, was damit übereinstimmt, kann man besser im Koran lesen.") Leuchtturm von Alexandria, 130 m hoch, eines der 7 Weltwunder, 280 v. Chr. 37 Euklid (um 300 v. Chr. geboren) Sanft und bescheiden und wohlwollend gegenüber jedem Förderer der Mathematik. Aber wegen Zweifel am Nutzen der Mathematik, Student gefeuert. Wirkungsstätte: Museion von Alexandria Blütezeit unter Ptolemäus Soter ("kein Königsweg") Euklid nicht identisch mit Euklid von Megara, Philosoph, Schüler des Sokrates Ptolemäus Soter nicht identisch mit Claudius Ptolemäus (150 n. Chr.) Hauptwerk: Die Elemente (στοιχεια) ca. 1500 gedruckte Auflagen Alle früheren Lehrbücher verschollen, spätere unbekannt Euklidische Form: Definition, Satz, Beweis, Schlussformel Die Elemente Bücher I-VI: ebene Geometrie Bücher VII-X: Arithmetik Bücher XI-XIII: räumliche Geometrie Buch 1. Definitionen Veranschaulichungen ohne mathematische Verwendung in Beweisen (ein Punkt ist, was keinen Teil hat) oder mit mathematischer Substanz (Durchmesser des Kreises ist irgend eine durch seinen Mittelpunkt gezogene und auf beiden Seiten von seinem Umfang begrenzte Gerade) Postulate Axiome Definitionen folgen später noch in großer Zahl, nicht aber Axiome und Postulate. 38 Weiterer Inhalt: Geradlinige Figuren: Geraden (Strecke halbieren, Lot fällen, Parallele ziehen), Dreiecke, α + β < 2R, Winkelhalbierung, Scheitelwinkel, Dreiecksseiten: |a| + |b| ¥ |c|, Parallelogramme, Flächenumwandlungen, Satz des Pythagoras. Buch 2. Definition des Gnomons, Geometrische Beweise für Gleichungen wie ab + ac + ad +... = a(b + c + d +...) (a + b)b = ab + b2 2 2 2 (a + b) = a + 2ab + b Zusätze zum Satz des Pythagoras, Flächenumwandlungen von Quadraten und Rechtecken, Konstruktion der stetigen Teilung: a(a - b) = b2. Buch 3. Kreis, Berührung von Kreisen, Sehnen, Tangenten, Winkel, Thalessatz. Der Winkel zwischen Kreis und Tangente ist kleiner als irgendein Winkel. 39 Buch 4. Ein- und umbeschriebene gleichseitige Vielecke: Dreieck, Fünfeck, Sechseck, Fünfzehneck. Buch 5. Proportionen, anhand von Strecken dargestellt. (Da die Einheit als grundsätzlich unteilbar angesehen wurde, mussten statt Brüchen Verhältnisse untersucht werden.) Buch 6. Ähnlichkeit (von Dreiecken etc.), mittlere Proportionale, Satz des Pythagoras allgemein (für ähnliche Figuren über den Dreiecksseiten). Buch 7. Einheit (wonach jedes Ding genannt wird), Zahl (aus Einheiten zusammengesetzte Menge), gerade, ungerade teilerfremde Zahlen, Primzahl. Euklidischer Algorithmus zum Aufsuchen des größten gemeinsamen Teilers (ggT). Primfaktorzerlegung. Nimmt man bei zwei ungleichen Zahlen immer die kleinere von der größeren weg, so müssen, wenn niemals ein Rest die vorangehende Zahl "genau misst", die ursprünglichen Zahlen gegeneinander prim sein. Bsp: Aufsuchen des ggT von 12 und 17 17 -12 = 5 12 - 5 = 7 7-5=2 5-2=3 3-2=1 2-1=1 1-1=0 1 ist ggT Bsp: Aufsuchen des ggT von 12 und 15 15 - 12 = 3 12 - 3 = 9 9-3=6 6-3=3 3-3=0 3 ist ggT ggT von a und b mit a > b > 0 a = bq1 + r1 0 < r1 < b b = r1q2 + r2 0 < r2 < r1 r1 = r2q3 + r3 0 < r3 < r2 ggT ist der letzte Rest ≠ 0 120 = 27ÿ4 + 12 27 = 12ÿ2 + 3 12 = 3ÿ4 + 0 ggT = 3 40 Warum funktioniert das? Sei ggT = g. Nach Voraussetzung teilt g dann a und b. a = bq1 + r1 b = r1q2 + r2 fl a'g = b'gq1 + r1 fl g teilt auch r1= r1'g fl b'g = r1'gq2 + r2 fl g teilt auch r2= r2'g usw. g teilt alle Reste, und irgendwann tritt der Rest 0 auf, da die Reste immer kleiner werden, aber ganzzahlig bleiben und nicht negativ werden. Buch 8. Dreickszahlen, Quadratzahlen, Kubikzahlen, Proportionen. Buch 9. Proportionen, Menge der Primzahlen, gerade (g) und ungerade (u) Zahlen: gÿg = g uÿg = g uÿu = u Summe der geometrischen Reihe: 1 + 2 + 4 + 8 ... ist manchmal eine Primzahl: 3, 7, 31. Wird diese mit der letzten Zahl der Reihe multipliziert, so entsteht eine vollkommene Zahl: 3ÿ2 = 6, 7ÿ4 = 28. 28 = (1+2+4)ÿ4 = 7ÿ4 Teilersumme ohne Zahl selbst: 1+2+4+7+14 = 28 Nicht vollkommene Zahlen 14 > 1 + 2 + 7 12 < 1+2+3+4+6 Vollkommene (oder perfekte) Zahlen (VZ) 6=1+2+3 28 = 1+2+4+7+14 496 8128 Vollkommene Zahlen wurden mit den Tugenden identifiziert (schon bei Pythagoras?) Alle geraden VZ sind immer Dreieckszahlen. Sie enden immer auf 6 oder 8. Sollten ungerade VZ existieren, so müssten sie größer als 10100 sein und aus mindestens 11 verschiedenen Faktoren bestehen. Jede VZ außer 6 ist Summe aufeinanderfolgender ungerader dritter Potenzen: 28 = 13 + 33, 496 = 13 + 33 + 53 + 73 Alle VZ außer 6 liefern die Quersumme 1. Die Summe der Kehrwerte ihrer Teiler inklusive n ist stets 2. Bsp: 1/1 + 1/2 + 1/3 + 1/6 = 2 Ursache: (1/t + 1/t + ... + 1/t ) = (1/n)(n/t + n/t + ... + n/t ) 1 2 k 1 2 k = (1/n)(tk + tk-1 + ... + t1) = (1/n)(2n) Bisher kennt man über 30 PZ der Form (2p-1) und damit über 30 VZ: 2 p-1(2 p -1). 1398268 1398269 (2 - 1) mit über 840000 Stellen Die größte (1997): 2 41 Befreundete Zahlen (Euklid war nur ein Paar bekannt): Zahl ist Summe der Teiler der Freundin 220 = 1+2+4+71+142 284 = 1+2+4+5+10+11+20+22+44+55+110 Nützlich für Liebeszauber etc. Jakob schenkte Esau 220 Tiere Es gibt mehr Primzahlen als jede vorgelegte Anzahl von Primzahlen: Sei Π = P1P2P3...Pn das Produkt aller Primzahlen. Π+1 wird durch keine dieser Primzahlen geteilt, da stets der Rest 1 bleibt. Also ist es selbst Primzahl oder enthält eine Primzahl Pn+1. 2ÿ3ÿ5ÿ7ÿ11ÿ13 + 1 = 30031 = 59ÿ509 Buch 10. Lehre von den Inkommensurablen (Zahlen, für die es kein gemeinsames Maß gibt). Die Summe zweier Inkommensurablen (wie 1 + ◊2) ist zu den Summanden inkommensurabel. Wenn man von einer Größe mehr als die Hälfte wegnimmt, und von dem verbleibenden Reste wieder usw., so wird der Rest beliebig klein. Anleitung zur Bildung pythagoräischer Tripel. Buch 11. Grundlagen der Stereometrie: Geradlinig begrenzte Körper. Buch 12. Verhältnis der Inhalte von Pyramide, Kegel, Zylinder, Kugel, ohne aber je einen Inhalt tatsächlich zu berechnen. Nur Sätze (mit Beweis) wie: Das Kugelvolumen ist proportional zum Kubus des Radius. Das Kegelvolumen beträgt 1/3 des Volumens der Säule. Buch 13. Die fünf regelmäßigen Körper. Ausschluss weiterer regelmäßiger Körper: 2 Flächen bilden keine Ecke eines Körpers. Aus 3, 4 oder 5 gleichseitigen Dreiecken lässt sich eine Ecke errichten (Tetraeder, Oktaeder oder Ikosaeder). 6 gleichseitige Dreiecke oder mehr bilden keine Ecke, da die Winkelsumme ¥ 4R (= 4ÿ90°). Es sind aber die Winkelsummen einer Ecke < 4R (11. Buch) 3 Quadrate bilden die Würfelecke. 4 oder mehr bilden keine Ecke, da die Winkelsumme ¥ 4R. 3 gleichseitige Fünfecke bilden die Dodekaederecke. 4 oder mehr bilden keine Ecke, da die Winkelsumme ¥ 4(6/5)R. Die Winkel von Sechseck, Siebeneck etc. betragen 4/3 R oder mehr. 3 oder mehr zusammengesetzt ergeben also 4R oder mehr. 42 Aristarch von Samos (310 - 230) Letzter Verfechter eines heliozentrischen Systems Vielleicht mit Archimedes persönlich bekannt. Von diesem zitiert. Werke verschollen Bestimmung des Verhältnisses von Sonnen- und Mondabstand: Winkel α zu 87° gemessen fl tan 87° = 19 : 1 (galt bis Kepler), richtig: 89°51' fl 380 : 1 Fehlende Aberration fl Fixsterne sehr weit entfernt 43 Archimedes (287 - 212) Verwandt und/oder befreundet mit König Hieron II. und Gelon Hat oft das Essen oder Baden vergessen Ägyptenaufenthalt, Alexandria, Museion Hauptwirkungsstätte: Syracus (Sizilien) Briefwechsel mit Eratosthenes Getötet von einem Soldaten des Marcellus "Störe meine Kreise nicht." Syracus im 2. Punischen Krieg Verbündeter Karthagos gegen Rom Grab noch 75 v. Chr. von Cicero aufgefunden: In Zylinder einbeschriebene Kugel auf dem Grabstein Anwendung von Mechanik und Hydrostatik Wasserschraube Auftrieb: Gelons Krone oder Kranz (Heureka) Schwimmende Körper, spezifisches Gewicht Schwerpunktberechnung Hebelgesetze Flaschenzug: "Gebt mir einen festen Punkt ...", Hieron konnte ganz allein ein schweres Schiff vom Stapel lassen. Kriegsmaschinen (Flaschenzüge, Wurfmaschinen, Hohlspiegel). Syracus 2 Jahre lang "fast allein" gegen die Römer verteidigt. Niederlage durch Verrat Mathematik Die Gerade ist die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten. Dreiteilung des Winkels ϕ Zentrumswinkel = doppelter Peripheriewinkel: ϕ und ϕ/2 Gerade so anlegen, dass außerhalb des Kreises die Strecke r bleibt. α innen = α außen Zentrumswinkel = doppelter Peripheriewinkel: α und α/2. α/2 + α = ϕ/2 fl α = ϕ/3 Vermutlich bewegungsgeometrische Konstruktion des Siebenecks 13 halbregelmäßige Polygone (z.B. 8 Dreiecke, 6 Quadrate) 44 Sandrechnung: Viele Leute glauben, o König Gelon, die Zahl der Sandkörner sei von unbegrenzter Größe. Andere meinen, daß ihre Zahl zwar nicht unbegrenzt sei, aber niemals eine so große Zahl genannt werden könne. Aber ich werde versuchen zu zeigen, daß unter den Zahlen, die ich schon angegeben habe, solche sind, welche die Zahl der Sandkörner übertreffen, in einem Sandhaufen nicht nur von der Größe der Erde, sondern auch wenn das ganze Universum mit Sand gefüllt wäre. fl Unbeschränktheit der Zahlen Eine Myriade = 10000 = 104 Eine Myriade Myriaden ist eine Achtheit A = 108 Eine Achtheit Achtheiten A2 = 108*2 = 1016 Eine Achtheit Achtheiten Achtheiten A3 = 108*3 = 1024 … 8 Die 108te Achtheit AA = 108ÿ10 = Eine Periode 16 8 8 Die 108te Periode = 108ÿ10 ÿ10 = 108ÿ10 eine 1 mit 80 Billiarden Nullen ai myriakismyriostas periodou myriakismyrioston arithmon myriai myriades Alles ohne Taschenrechner, Exponenten, Rechensymbole! Axiom des Archimedes (Unbeschränktheit der Zahlen): Zu jeder Zahl kann man eine größere natürliche Zahl finden. Eine Myriade (= 10000) Sandkörner geht auf die Größe eines Mohnkorns (daher auch die Bezeichnung Staubrechnung). 104 Mohnkörner = Fingerbreite (1,5 cm) → Stadion (160 m) → Erddurchmesser (13000 km) → Sonnendurchmesser (1,4ÿ106 km) → Durchmesser der Sonnenbahn (150ÿ106 km) Im damals bekannten Kosmos finden 1064 Sandkörner Platz. Rinderproblem (An Eratosthenes) Zähle, mein Freund, die Rinder, die einst unter der Sonne Siziliens grasten, die nach ihrer Farbe in vier Herden geteilt waren. Eine ist milchweiß, eine schwarz, eine gefleckt und eine gelb, und die Beziehung zwischen ihnen ist wie folgt: weiße Bullen = (1/2 + 1/3) schwarze Bullen + gelbe Bullen, schwarze Bullen = (1/4 + 1/5) gefleckte Bullen + gelbe Bullen, gefleckte Bullen = (1/6 + 1/7) weiße Bullen + gelbe Bullen, weiße Kühe = (1/3 + 1/4) schwarze Herde, schwarze Kühe = (1/4 + 1/5) gefleckte Herde, gefleckte Kühe = (1/5 + 1/6) gelbe Herde, gelbe Kühe = (1/6 + 1/7) weiße Herde. Falls du, o Freund, mir nicht die Anzahl der Rinder jeder Art, Bullen und Kühe, angeben kannst, kannst du dich noch nicht als Könner betrachten. Anzahl der weißen Bullen = 10366482k Anzahl aller Rinder = 50389082k kœÙ 45 Bedenke aber noch die folgenden zusätzlichen Beziehungen zwischen den Bullen unter der Sonne: Weiße Bullen + schwarze Bullen = eine quadratische Zahl, Gefleckte Bullen + gelbe Bullen = eine Dreieckszahl. Wenn du diese auch noch berechnet hast, o Freund, und du die Gesamtzahl der Rinder gefunden hast, dann juble als ein Eroberer, weil du dir selbst bewiesen hast, dass du ein sehr begabter Rechner bist. h2 – 410286423278424r2 = 1 Anzahl der weißen Bullen = 10366482k Anzahl aller Rinder = 50389082k k ≈ 1,54ÿ10206537 Summe der Quadratzahlen 12 + 22 + 32 + ... + n2 = n(n+1)(2n+1)/6 Kreisfläche = Uÿr/2 (Dreieck der Grundseite U und der Höhe r) Umfangsberechnung durch einbeschriebene und umbeschriebene Polygone fl Genaue Berechnung von π 3 + 1/7 > π > 3 + 10/71 3,1429 > 3,1416 > 3,1408 vermutlich: "Heronische Formel": A = √[s(s-a)(s-b)(s-c)] mit s =(a+b+c)/2 Heron berichtet außerdem, Archimedes habe gefunden: 211875/67441 > π > 197888/62351 Alles ohne Taschenrechner, Formeln, ohne sin, cos etc. Exhaustion: Berechnung diverser Flächen mittels lediglich verbaler Formulierungen wie: Wird ein Parabelabschnitt durch eine durch die Mitte der denselben bildenden Sehne der Achse parallel gezogene Gerade geschnitten, so ist die Berührungslinie an die Parabel in dem Schnittpunkte der Sehne selbst parallel. Anwendung mechanischer Überlegungen (Schwerpunkt, Gleichgewicht, Masse) zum Aufsuchen seiner Sätze, z.B. zur Quadratur der Parabel (Benennung von Archimedes) Strenger Beweis mittels Exhaustionsverfahren: Zerlegung in Ausschnitte, deren jeder kleiner 46 als ein äußerer, größer als ein innerer ist. Dabei Summation der unendlichen Geometrischen Reihe 1 + q + q2 + ...+ qn = (1 - qn+1)/(1 - q) Ø 1/(1 - q) da (1 + q + q2 + ...+ qn)ÿ1 = 1 - qn+1 nebst qn+1→ 0 für n → ¶ - (1 + q + q2 + ...+ qn)ÿq Konkrete Überlegung des Archimedes für die Geometrische Reihe mit dem Quotienten ¼ zur Exhaustion der Parabel: A + A/4 + A/16 + A/32 + ... = 4A/3 Exhaustion der Parabel y = x2 b = a2 Fläche A = ab/2 = a3/2 Hypotenuse: z(x) = xb/a = xa, fl z(0) = 0, z(a) = b h = z(x) - y(x) bei x = a/2 = (a/2)a - (a/2)2 = a2/4 Fläche der grauen Dreiecke B = ah/2 = a3/8 = A/4 usw. Weitere Exhaustionsergebnisse: (mit Zylinderhöhe h = 2r) Kugeloberfläche = 4 mal die Großkreisfläche πr2 Kugelvolumen = 2/3 mal die Zylindervolumen 2rÿπr2 Kugeloberfläche = 2/3 mal die Zylinderoberfläche (2ÿπr2 + 2πrÿ2r) (bereits Demokrit: Kegelvolumen = 1/3 mal das Zylindervolumen) Schneckenlinie: Drehung einer Geraden, auf der ein Punkt läuft Berührungslinie und Fläche (durch Exhaustionsverfahren) Eratosthenes (280 - 200) Kyrene (heute Schahhat, Libyen) Philosophische Ausbildung in Alexandria und Athen (Stoiker, Platoniker) Seit 235 Vorsteher des Museions und Erzieher des Kronprinzen Tod nach Erblindung: Selbstmord durch Verhungern genannt: Pentathlos (Schriften auch über Gut und Böse und über die Komödie) oder Herr β (zweiter nach Platon, Archimedes) Brief zur Würfelverdopplung Mesolabium im Tempel deponiert: 3 verschiebbare Kärtchen, mit Diagonalen versehen 47 Faden spannen, Kärtchen wie gezeigt einstellen cos 45° = A/D = A'/D' = A''/D'' fl A/A' = D/D' und A'/A'' = D'/D'' f(ϕ) = A'/D = A''/D' = A'''/D'' fl A'/A'' = D/D' und A''/A''' = D'/D'' fl A/A' = A'/A'' = A''/A''' Chronologie (Schalttag alle 4 Jahre?) Begründer wiss. Geographie: Klimazonen, Mitternachtssonne Messung der Schiefe der Ekliptik Katalog mit 675 Sternen Messung des Erdumfangs: Schattenlänge in Alexandria (31°) und Syene (= Assuan, 24°, auf dem Wendekreis) mittags zum Sommeranfang gemessen. Aus Syene war bekannt, daß man dann die Sonne auch am Boden eines tiefen Brunnens sieht fl Schattenlänge = 0, in Alexandria α mit Hilfe eines Gnomons bestimmt. U = 252000 Stadien (164 m/Stadion ?) = 41328 km bis 46600 km (je nach der für ein Stadion angenommenen Länge) verbessert erst 1670: 39800 km. korrekt: 40009 km (Polumfang) Sieb des Eratosthenes: bis heute gebräuchliche Methode zur Ermittlung aller Primzahlen < N. 48 Apollonios (262 - 190) genannt: "Der große Geometer" Studierte in Alexandria wirkte später in Pergamon (Pergament statt Papyros) verfasste dort das Buch über Kegelschnitte: Konika neu: Herstellung aller Kegelschnitte an einem Kegel Benennung: Ellipse und Hyperbel x, z: Abszissen y: Ordinate Astronomie: Theorie der Epizykel und Exzenter 49 4. Niedergang und Neubeginn Epigonen: glänzende Einzelleistungen, aber keine eigentliche Weiterentwicklung der Mathematik mehr. Konchoide des Nikomedes (180 v. Chr.): Muschellinie zur Dreiteilung des Winkels und Würfelverdopplung (Strecken zwischen den Kurven gleichlang) Kissoide des Diokles (180 v. Chr.): Efeulinie zur Würfelverdopplung (parallele Geraden entfernen sich gleichmäßig vom senkrechten Durchmesser) Zenodorus (180 v. Chr.): Isoperimetrisches Problem: Von allen Polygonen gleichen Umfangs besitzt das mit der größten Eckenzahl (Kreis) den größten Inhalt. Von allen Körpern gleicher Oberfläche besitzt die Kugel das größte Volumen. 50 Claudius Ptolemaios (85 - 165) Wirkungsstätte: Alexandria helle Haut, kleine Füße, rotes Muttermal am Kinn, schwarzer Bart ??? Berechnung der Planetenbahnen im geozentrisches System: Almagest (13 Bände, Titel arabisiert aus megiste techne = größte Kunst) Sehnenrechnung (Vorläufer der Trigonometrie) Kreisteilung: Umfang in 360 Teile, Durchmesser in 120 Teile π = 3°8'30'' = 3,14124666 Minuten und Sekunden aus lat. partes minutae primae und partes minutae secundae Sphärische Trigonometrie am rechtwinkligen Kugeldreieck Erster bekannter Versuch, das Parallelenpostulat zu beweisen Bücher über Harmonik, Lichtbrechung, Axiomatisierung der Astrologie (Tetrabiblos) 51 Heron (1. Jhd. v. Chr. oder 1. Jhd. n. Chr. ?) Wirkungsstätte: Alexandria Enzyklopädie der praktischen Mathematik und Technik Flächen- und Volumenberechnungen aller Art, geradlinig und krummlinig begrenzte Körper: Flächen in Dreiecke zerlegen, "Heronische" Formel anwenden. Ganz unregelmäßige Körper tauchen oder in Wachs einhüllen. Praktische Anleitung zum Wurzelziehen Wieviel Personen passen in ein Theater gegebener Größe? Erste Verteilungsaufgabe: Eine Zisterne wird von einer Zuleitung in 1 h gefüllt, von der anderen in 4 h. Wie lange dauert es, wenn beide Zuleitungen in Betrieb sind? (Sinnlose Rechnung und falsche Lösung angegeben, vermutlich von späteren Autoren hinzugefügt.) Fluss F = Z/h + Z/4h = 4Z/4h + Z/4h = 5Z/4h fl Z = Fÿ(4/5)h Bücher über Mechanik: Seilwinde, Gleichgewichtslehre, Geschütze Automaten Pneumatik: Druckwerke, Heronsball, Wasseruhren 52 Gewölbe Optik, Lichtbrechung und Reflexion u.v.a. 53 Diophant (3. - 4. Jhd. n. Chr.) Wirkungsstätte: Alexandria Hochentwickelte Buchstabenrechnung Die Unbekannte heißt schlichtweg Zahl (Arithmos, αριϑμος) und wird mit einem ςähnlichen Zeichen bezeichnet (Verknüpfung von αρ?) Dynamis (δυναμις, 2. Potenz), Kubos (κυβος, 3. Potenz) und Vielfache davon werden abgekürzt bezeichnet als x x2 x3 ς δυ κυ x5 δδυ δκυ x6 κκυ x4 Subtraktionszeichen: Gleichheitszeichen: ι (ισοι = isoi) Zahlen, Additionszeichen usw. werden ausgeschrieben oder abgekürzt. Virtuose, aber ohne Programm: Jedes Problem individuell gelöst, vor allem Gleichungen der Form: y2 = ax2 + bx + c (Diophantische Gleichungen). Nur positive rationale Lösungen werden anerkannt. Bsp.: Drei Zahlen so zu bestimmen, dass die Summe von allen dreien und die Summe von je zweien ein Quadrat ist. (80, 320, 41) 54 Römer Fast nichts an eigenständiger Mathematik. Übersetzung der Griechen mit mangelhaftem Verständnis. Kalenderreform von Cäsar (45 v. Chr.) war schon 238 v. Chr. in Alexandria verordnet worden. Reichsvermessung wurde von griechischen Gelehrten durchgeführt. Öffentliche Schulen mit besoldeten Lehrern. Signalfeuer mit Fackelstellungen zur Zahlenanzeige. Lehrbuch des Boethius (470-525) Inder ◊2 ≈ 1 + 1/3 + 1/(3ÿ4) - 1/(2ÿ3ÿ4ÿ17) ◊(π/4) ≈ 7/8 + 1/(8ÿ29) - (1/6 - 1/48)/(8ÿ29) Gegenseitige Befruchtung mit europäischer Mathematik Geometrie weitgehend von den Griechen übernommen Algebra und Arithmetik selbständig (weiter-)entwickelt: reine Symbolschreibweise, teilweise Farbbezeichnungen, poetische Einkleidung: Schönes Mädchen mit den glitzernden Augen sage mir, so du die richtige Kunst der Umkehrung verstehst, welches ist die Zahl, die mit 3 vervielfacht, sodann um ¾ des Produktes vermehrt, durch 7 geteilt um 1/3 des Quotienten vermindert, mit sich selbst vervielfacht, um 52 vermindert, durch Ausziehung der Quadratwurzel, Addition von 8 und Division durch 10 die Zahl 2 hervorbringt? ({[xÿ3(7/4)(1/7)(2/3)]2 – 52}1/2 + 8)/10 = 2 x = {(2ÿ10 – 8)2 + 52}1/2 (3/2)7(4/7)(1/3) = 28 Rechnen mit negativen Zahlen: 3 + 6' + 7 = 4, allerdings nicht im Ergebnis oder als Wurzel Damit nur noch eine der sonst drei Formen der quadratischen Gleichung: ax2 + bx = c ax2 = bx + c ax2 + c = bx 55 Araber Rettung der griechischen Literatur durch Übersetzungen. Vermittlung der indischen Ziffern mit Null: Das Leere = as sifr Entwicklung der "arabischen Zahlen" (untere Zeile) aus altindischen Buchstaben (obere Zeile) Ausbildung der Trigonometrie Gleichungen 4. Grades Wortalgebra, 6 Arten von quadratischen Gleichungen Aldschebr: die Wiederherstellung, Einrichtung (von Gleichungen) Ø Algebra Ältester arabischer Schriftsteller: Muhammed ibn Musa Alchwarizmi (8/9. Jhd.) aus Ostpersien (Khorassan) Sein Lehrbuch über die Grundrechnungsarten beginnt in lateinischer Übersetzung: Algoritmi dicit... (also spricht Algoritmi) Ø Algorithmus 56 Klostergelehrsamkeit des Mittelalters Alcuin 735 – 804 153 Fische gingen Petrus ins Netz, da 153 = 3ÿ3ÿ17 = 1 + 2 + 3 + 4 + ... + 17 = 3ÿ(50 + 1) 6 Schöpfungstage (vollkommene Zahl) LOgistisches Problem: Wolf, Ziege, Kohlkopf Hase springt 7 Fuß, Hund springt 9 Fuß, Hase ist 150 Fuß voraus: wieviel Sprünge braucht der Hund, um den Hasen einzuholen? Zwei Männer kauften für 100 solidi Schweine, je 5 Schweine zu 2 solidi. Die Schweine teilten sie, verkauften wieder 5 für 2 solidi und machten dabei ein gutes Geschäft. Teilung der 250 Schweine in 125 fette und 125 magere. Verkauf von 120 fetten für 60 solidi und von 120 mageren für 40 solidi. 2 pro solidus 3 pro solidus ---------------------5 pro 2 solidi------------------------(nur bleiben bei der 5 = 2 + 3 Aufteilung 40 fette übrig!) Magische Quadrate π=4 Berechnung der Kirchenfeste Erste Schulpflicht 801 57 13. Jahrhundert: Pisa, Genua, Venedig: verfeindete Handelsstädte Päpste und Kaiser in ständig wechselnder Konstellation Friedrich II. 1220 gekrönt 1224 Universität Neapel gegründet 1227 gebannt 1228 Kreuzzug (Jerusalem für 10 Jahre kampflos erhandelt) 1230 gelöst 1239 gebannt 1241 Prälatenschiff gekapert, Rom erobert, Papst tot 1250 gestorben Leonardo von Pisa (Fibonacci) (1170 - 1230) Sohn eines pisaner Konsularbeamten mit Spitznamen Bonaccio (Gutchen). Nannte sich selbst Fils Bonacci = Sohn des Bonaccio Spitzname: Bigollone (Faulenzer) Unterricht in Pisa "nach den Zahlzeichen der Inder" Handelsreisen: Ägypten, Syrien, Griechenland, Sizilien, Provence Später am Hofe von Friedrich II. in Palermo Schaurechnen: Lösung von x3 + 2x2 + 10x = 20 1°22'7''42'''33''''4'''''40'''''' = 1,36880810785 Mathematica-Lösung: 1,36880810782 Erstmals negative Zahlen als Schulden interpretiert Erste rekurrente Folge (Fibonacci-Folge): Wieviel Paare von Kanin¬chen entstehen, wenn jedes Paar allmonatlich ein neues Paar zeugt, das vom zweiten Monat an zeugungsfähig ist? Ohne Todesfälle. an+1 = an + an-1 für n ≥ 1 mit a0 = a1 = 1 Paare in einem Jahr: 1,2,3,5,8,13,21,34,55,89,144,233 58 Liber abaci (1202 und 1228) über 450 Seiten: Zahlenschreiben: Stellenwertsystem mit Null, Fingerrechnen, Grundrechenarten, Proben, Primzahlen von 11 bis 97, Faktorzerlegungen, Bruchrechnen, ggT nach Euklid und kgV, Handels- und Münzrechnung: Dreisatz, Folgen (Kaninchen, Schachbrett), falscher Ansatz, Quadrat- und Kubikwurzeln, Geometrie und Algebra. Das Buch basiert im Gegensatz zum Titel nicht auf dem Abacus. Archimedes hatte: 12 + 22 + 32 + ... + n2 = n(n+1)(2n+1)/6 Leonardo summiert: 12 + 32 + 52 + ... + r2 = r(r+2)(2r+2)/12 r(r+2)(2r+2) = (r-2)r(2r-2) + 12 r2 1ÿ3ÿ4 3ÿ5ÿ8 5ÿ7ÿ12 ... = = 1ÿ3ÿ4 = 3ÿ5ÿ8 = + + 12ÿ12 12ÿ32 12ÿ52 ... r(r+2)(2r+2) = 12(12 + 32 + 52 + ... + r2) und analog für die ersten geraden Zahlen: r(r+2)(2r+2) = 12(22 + 42 + 62 + ... + r2) 59 Frühe Universitäten Aus Klosterschulen und durch kaiserliche oder päpstliche Gründungen bilden sich Universitäten: Salerno, Paris, Bologna Akademische Titel: Baccalaureus, Licentiat, Magister, später Doctor Trivium: Grammatik, Rhetorik, Dialektik (→ trivial) Quadrivium: Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie Vorlesungsangebote: Algorismus: 3 Wochen, 8 Heller Weltkugel: 6 Wochen, 1 Groschen Euklid 1.-6. Buch: ½ Jahr, 8 Groschen Almagest: 1 Jahr, 1 Gulden Baccalaureus: teilweise ganz ohne Mathematik, teilweise Sphäre, Algorismus, Euklid 1. Buch Keine Prüfung, sondern "complete et sine dolo" (ohne Trug) nachweisen (per Eidschwur), dass die zum Titelerwerb vorgeschriebenen Vorlesungen gehört (nicht unbedingt verstanden) wurden. Licentiat: Euklid 1.-6. Buch, Planetentheorie, Perspektive, irgendein Buch über Latitudines (s.u.), irgendein Buch über Musik, irgendein Buch über Arithmetik. Disputation über philosophische Fragen, Eidschwur, dass die mathematischen Bücher vollständig gehört wurden. 1309 Übersiedlung des Papstes nach Avignon, Korruption, Nepotismus, Verweltlichung 1378 Schisma 60 Nicole von Oresme (1323 - 1382) 1348 College de Navarre in Paris: Schüler, Lehrer, Vorsteher 1361 Decan der Kirche in Rouen 1363 mutige Predigt am Weihnachtsabend in Avignon gegen die Verfehlungen von Papst und Kardinälen 1374 ebenso mutige Schrift gegen Astrologie und Zeichendeuterei 1377 Bischof von Lisieux Vorahnung der Analysis "Das Ausmaß (latitudo) der Erscheinungen ist vielfältigem Wechsel unterworfen und daher schwer erkennbar, wenn es nicht auf geometrische Figuren zurückgeführt wird." Erste Koordinaten für allgemeine Größen, (Längen und Breitengrade schon bei den Griechen bekannt) Kurven, Tangentenbegriff, Ableitung. latitudo / longitudo ñ Ordinate / Abszisse Bsp.: Temperatur über der Zeit aufgetragen gradus latitudinis: Unterschied aufeinanderfolgender Breite (Ordinate): konstant, Null, veränderlich "Bei einem Kreisabschnitt, der nicht größer als ein Halbkreis sein darf, ist die größte Geschwindigkeit des Wachsens und Fallens am Anfang und Ende vorhanden, am obersten Punkt am geringsten." Gebrochene Potenzen: 43 = 64 = 82 fl 8 = 43/2 (am)p/q = (amp)1/q Originalschreibweise: 1p1/2 4 (Exponent von 4 ist 1 plus ½) etc. an Beispielen gelehrt. Bsp: 21/3ÿ3/2 = (2ÿ(3/2)3)1/3 = (27/4)1/3 Er verwarf bereits das ptolemäische Weltbild, lehrte die Umdrehung der Erde, stellte Fallgesetze auf; erste Ansätze zur analytischen Geometrie und zum Begriff der Funktion; stellte Überlegungen zur Grenzwertbildung an und erkannte die Divergenz der harmonischen Reihe. 1 ⎛ 1⎞ ⎛1 1⎞ ⎛1 1 1 1⎞ + ⎜ ⎟ + ⎜ + ⎟ + ⎜ + + + ⎟ + ... → ∞ 1 ⎝ 2⎠ ⎝ 3 4⎠ ⎝5 6 7 8⎠ 61 Mathematik im 15. Jahrhundert Bamberger Rechenbuch 1483 vom Nürnberger Rechenmeister Ulrich Wagner? Nummerieren Addieren Subtrahieren Multiplizieren Arithmetische und Geometrische Reihe Dividieren Bruchrechnen Dreisatz Geldwechsel Warenrechnung Gesellschaftsrechnung Kaufmännisches Rechnen Johann Widmann von Eger 1480 in Leipzig immatrikuliert (pauper) 1482 Baccalaureus 1485 Magister (unter Erlassung der Kosten) Einige seiner Vorlesungsankündigungen an der Universität Leipzig sind überliefert: 1) Vorlesung zum Rechnen auf der Linie Inhalt unbekannt, aber wahrscheinlich: Kaufmannsregeln Numerieren: Wert des Rechenpfennigs Elevieren: Darstellung einer Zahl durch möglichst wenige Rechenpfennige. Resolvieren: Auflösung höherer Einheit durch mehr Rechenpfennige niederer Einheit. Addieren Subtrahieren Duplieren: Auf der Linie verdoppeln, Zwischenpfennige nach oben Halbieren: Umkehrung davon Multiplizieren (von unten beginnend nach oben) Dividieren (von oben beginnend nach unten) 62 Darstellung von 1317 2) Vorlesung zum Rechnen mit Zahlen nach Widmanns eigenem Buch "Behende und hubsche Rechnung auff allen kauffmannschaft" 3) 1486, Leipzig: erste Algebra-Vorlesung in Deutschland: "... jene Methode, welche ein Algobre von hellstem und nahezu göttlichem Geist ... uns überliefert hat." 1489: Auftreten der Zeichen + und - 63 Elias Misrachi (1455 - 1526) , Oberrabbiner von Constantinopel Altbekannt: 1 + 2 + ... n + (n-1) + ... (n+1) +(n+1)+ ... fl + n + 1 + (n+1) = n(n+1) 1 + 2 + ... + n = n(n+1)/2 Schluß von Misrachi: 1 1 = 2 2 1+ 2 2 = 3 2 1+ 2 + 3 3 = 4 2 1 + 2 + ... + n n = n +1 2 64 Die Lösung der kubischen Gleichung x2 + ax = b x4 + ax2 = b x6 + ax3 = b ... Lösungen der quadratischen Gleichung und damit auch lange bekannt. Scipione del Ferro lehrte 1496 - 1526 an der Univ. Bologna, fand ≈ 1510 die Lösung von x3 = ax + b, die er nur an seinen Schüler Fior weitergegeben hat. Wettkampf: Fior - Tartaglia Nicole Tartaglia (= der Stammler) (1500 - 1557) Waisenkind, 1512 bei Einnahme Brescias durch die Franzosen schwer am Mund verletzt mit 14 Schreiben gelernt (bis K, dann Geld alle), Autodidakt Lösung (kurz vor dem Stichtag des Wettkampfs) ebenfalls gefunden Prof. der Mathematik in Venedig, Brescia, ... 1539 auf Drängen Cardanos diesem die Lösung mitgeteilt (gegen heiligen Eid der Verschwiegenheit, brieflich bestätigt) Hieronimo (Geronimo) Cardano (1501 - 1576) 1523 Professor der Math. in Pavia 1526 Doctor medicinae in Padua Makel der unehelichen Geburt Keine Zulassung als Arzt (erst 1539 in Mailand) hochberühmt durch math., philos., medizin Veröffentlichungen (aber nicht die Cardanische Aufhängung!) Lehrämter in Dänemark, Schottland, Frankreich, Deutschland Professor der Math. in Bologna ausschweifendes Leben: Schuldgefängnis in Bologna 1570 Luigi Ferrari (1522 - 1565) begabt und zügellos wie sein Lehrer Cardano mit 17 Jahren alle Finger der rechten Hand verloren in Mailand Vorsteher des Katasterwesens bis eine Fistel ihn am Reiten hinderte in Bologna Mathematikprofessor vermutlich von seiner Schwester vergiftet 65 1545 Cardano: Lösung unter Bruch seines Versprechens veröffentlicht und verallgemeinert 1546 Tartaglia: Buch mit math. Inhalt und Schilderung des Eides 1547 - 1548 je 6 Schmähschriften mit Aufgaben Ferrari - Tartaglia 1548 Disputation in Mailand ohne Ergebnis x3 + ax = b Tartaglias Lösung: u-v=b uv = (a/3)3 fl x = u1/3 - v1/3 2/3 1/3 1/3 2/3 1/3 u - 3u v + 3u v - v + 3(uv) x = u - v 2/3 1/3 1/3 2/3 1/3 1/3 - 3u v + 3u v + 3u v x = 0 1/3 1/3 -u +v +x= 0 Bsp.: x3 + 5x = 42 u - v = 42; uv = (5/3)3 v(v + 42) = (125/27) v2 + 42v = (125/27) v = -21 ≤ ◊(441 + 125/27) = 0,11 [oder - 42,11] u = 42,11 [oder -0,11] 1/3 v = 0,48 [oder - 3,48] 1/3 u = 3,48 [oder - 0,48] flx=3 Cardanos Weiterentwicklung: x3 = ax2 + b Entfernung des quadratischen Gliedes mittels Substitution: x = y + a/3 y3 + 3y2a/3 + 3ya2/9 + a2/27 = a(y2 + 2ya/3 + a2/9) + b Bsp.: x3 + 6x2 = 100 x = (42 + ◊1700) 1/3 + (42 - ◊1700) 1/3 - 2 erstmals drei Lösungen einer Gleichung gefunden ihre Summe = negativer Koeffizient des quadratischen Gliedes Luigi Ferraris Weiterentwicklung: Lösung von x4 + ax2 + bx = c 66 Der Logarithmus Nicolas Chuquet (1445 – 1488) Baccalaureus der Medizin Arithmetische Reihe: 1, 2, 3, 4, 5, ... , n Geometrische Reihe: q1, q2, q3, q4, q5, ... , qn Jede Zahl der geometrischen Reihe ist Produkt von Vorgängern, deren Ordnungszahlen zu addieren sind. Die Zahl selbst ist die erste Wurzel. Negative Exponenten und Exponent Null: hochgestellte kleine Ziffern Chuquet 120 modern 12 121 122 12 x 123 124 121m 12 x2 12 x3 12 x4 12 x-1 67 Michael Stifel (1486 - 1567) Augustinermönch (wie Luther) glühender Anhänger Luthers 1522 Flucht aus dem Esslinger Kloster „weil müncherei vor Gott ein greuwel ist“ Unstetes Wanderleben als lutherischer Prediger. 1559 Prof. in Jena Gematrie, Zahlenmystik: Zahl des Tieres (666 = DCLXVI) bedeutet: Papst Leo X. Dagegen: Peter Bungus in einem 700-seitigen Buch: 666 = Martin Luther 3. Okt. 1533, morgens 8 Uhr: Weltuntergang Fortsetzung der Folgen nach "links" -3 -2 1/8 ¼ -1 ½ 0 1 1 2 2 4 3 8 4 16 Glieder der arithmetischen Folge als Exponenten bezeichnet. 4ÿ8 = 32 4/8 = ½ 43 = 64 √64 = 8 Exponenten: Exponenten: Exponenten: Exponenten: 2+3=5 2 - 3 = -1 2ÿ3 = 6 6/2 = 3 Binomialkoeffizienten samt Rekursionsformel: 68 5 32 6 64 Jost Bürgi (1552 – 1632) Schweizer Uhrmacher in Kassel und Prag (dort mit Kepler) Differenzenrechnung Sinustafel Logarithmentafel (1620) John Napier (1550 – 1617) Schottischer Laird Regeln für rechtw. sphärisches Dreieck Logarithmentafel (1614) Henry Briggs (1561-1630) Englischer Mathematiker Dekadische Logarithmen 69 Robert Recorde (1510-1558) Leibarzt von König Eduard VI. und Königin Marie Tod im Schuldturm. Einführung des Gleichheitszeichens: "use =, because noe 2 thynges can be more equalle" Francois Viète Seigneur de la Bigotière (1540 - 1603) geboren und gestorben als Katholik, zwischendurch Hugenotte, aber als Hugenotte bedrückt 1572 Bartholomäusnacht: 20000 Hugenotten ermordet, Hugenotten behaupten sich jedoch in der Inselfestung La Rochelle Anwalt in Fontenay-le-Comte 1589 Berichterstatter über Bittschriften 1589, nach Heinrich IV. (Hugenotte) Thronbesteigung Parlamentsrat in Tours dort Entschlüsselung des Geheimcodes (500 Zeichen) der feindlichen spanischen Regierung 20000 Thaler neben dem Sterbebett zahlreiche Veröffentlichungen, auf eigene Kosten gedruckt, an Freunde und Widersacher verschenkt. milder Charakter: wissenschaftlichen Gegner 1 Monat bei sich beherbergt und ihm dann die Rückreise bezahlt größter frz. Mathematiker des 16. Jhds Dreiteilung des Winkels nach Archimedes aber unabhängig von diesem. unerschrockener Rechner: Lösung einer Gleichung 45. Grades π auf 9 Stellen genau berechnet Wurzelsätze des Vieta x1 + x2 + x3 + ... + xn = -an-1 n x1x2x3 ... xn = (-1) a0 70 folgen aus der Linearfaktorzerlegung (x - x1)(x - x2)ÿÿÿ(x - xn) = 0 n des Polynoms x + an-1x n-1 + ... + a1x + a0 = 0 3 2 Alternative Lösung der kubischen Glg. x + 3ax = 2b 2 2 6 3 3 Substitution: y + xy = a fl x = (a - y )/y fl y + 2by = a sin2α = 2sinαÿcosα 3 cosα - (3/4)cosα = (1/4)cos3α und weitere derartige Formeln Erste unendliche Faktorenfolge (1593): 2/π = cos(90°/2) ÿ cos(90°/4) ÿ cos(90°/8) ÿÿÿ Symbolische Algebra: Klare Trennung von Arithmetik und Algebra Vokale = Unbekannte, Konsonanten = Konstanten Durchweg + und - verwendet, Bruchstrich, eigenes Wurzelzeichen, eckige und geschweifte Klammern Homogenitätsprinzip: Nur Größen gleicher Art vergleichen (Strecken nicht mit Flächen) Im 16./17. Jhd. entstanden die Fachausdrücke Tangente, Sekante, Trigonometrie, Cosinus, Negatives, Potenza (2 - 3)(2 - 3) = 4 - 6 - 6 + 9 = 1 Cardano: Radix Universalis Bombelli: Radix Ligata Rq, Rc: Quadratwurzel, Kubikwurzel Stifel: √ 71 5. Das 17. Jahrhundert 1618 - 1648: 30-jähriger Krieg 1624 Kardinal Richelieu leitender Minister Ludwigs XIII. Ränke, Intrigen, Absolutismus, Pest Zeitgenossen: Kepler, Galilei, Cavalieri, Torricelli Zentrale Anlaufstelle für alle Gelehrten seiner Zeit: Minimenpater Marian Mersenne (1588 - 1648) 78 Korrespondenzpartner, viele Reisen Girard Desargues (1593 - 1662) französischer Ingenieur und Mathematiker 1639: Projektive Geometrie Alle Parallelen streben zu einem Punkt der Unendlichkeitslinie. 72 Trinity College aber schon 1482 Pietro Perugino: Fresco in der Sixtinischen Kapelle. 73 Réné Descartes du Perron (1596 - 1650) 1604 - 1612 Jesuitenkolleg in La Flèche 1614 Paris, juristische Studien, ausschweifendes Leben 1618 Söldner unter Prinz von Oranien, dann in bayerischen Diensten 1619 im langdauernden Winterquartier mathematische Studien begonnen anschl. Reisen: Ungarn, Italien 1625-1628 Paris 1628 Teilnahme an der Belagerung von La Rochelle (die Festung fiel nach 13 Monaten) 1628 - 1649 ohne festen Wohnsitz meist in Holland 1631 England 1634 Dänemark 1637 Dioptrique: Materiewirbel, Lichttheorie: instantane Lichtausbreitung, Brechungsgesetz. Verkehr mit der Familie abgebrochen. Tod des Vaters erst 3 Monate später erfahren, als er ein außereheliches Töchterchen zur Erziehung nach Frankreich bringen wollte. Religiöse Anklage in Holland 1644 Principia Philosophiae 1643 Briefwechsel mit Elisabeth von der Pfalz, die er 1644, 1647 und 1648 in Frankreich besuchte 1649 Stockholm, Christina von Schweden, 1650 Tod nach wenigen Monaten. Philosophisches cogito ergo sum (ich denke, also bin ich) Jedes Problem → mathematisches Problem Jedes math. Problem → algebraisches Problem Jedes algebraische Problem → eine Gleichung Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache von der Welt: niemand beklagt sich, zu wenig zu besitzen. Durch rechten Gebrauch seiner Urteilskraft kann jeder Mensch alles Wissen in seinem Geiste konstruieren. Es ist gut, etwas von den Sitten fremder Völker zu wissen, um die unsrigen unbefangener zu beurteilen. 74 Betrachte ich ..., wie viele verschiedenartige Ansichten es über denselben Gegenstand gibt,... so erachte ich fast alles für falsch, was nur wahrscheinlich ist. Regeln: 1) Nichts als wahr annehmen, was nicht deutlich und klar ist. 2) Jede Schwierigkeit in so viele Teile wie möglich zerlegen. 3) Mit den einfachsten Dingen beginnen. 4) Möglichst alle Fälle bedenken. Mathematisches 1637: Geometrie Unbekannte: x, y, z, Konstanten: a, b, c, ..., Potenzbezeichnung: aa, a3, a4, ... Eulerscher Polyedersatz: E + F = K + 2 Methode der unbestimmten Koeffizienten: gleiche Potenzen (oder Funktionen wie e, ln, sin, tan, ...) von x müssen auf beiden Seiten einer Gleichung übereinstimmen. Bsp.: 2( x + 5) A B = + x( x − 1) x x − 1 ⇒ 2( x + 5) = A( x − 1) + Bx 2=A+B und 10 = -A A = -10 und B = 12 Anzahl der Lösungen = Grad des Polynoms. Es gibt wahre und falsche, beide sind nicht immer reell sondern mitunter nur imaginär. (Imaginäre Zahlen eingeführt von Rafaello Bombelli) Analytische Geometrie, Cartesische Koordinaten (waren Fermat schon 1629 bekannt). Originalbezeichnung: Fundamentallinien ("Koordinaten" stammt von Leibniz) Meist schiefwinklige Koordinatensysteme verwendet. Klar erkannt: Geometrie und Algebra sind verschiedene Formen derselben Sache. Tangentenproblem (Normalenbestimmung) "Das allgemeinste und nützlichste Problem, das ich weiß." 1638 Korrespondenz mit Mersenne: Die Summen der aliquoten Teile der Zahlen 30240, 32760, ... , 403031236608 sind dreimal so groß wie die Zahlen selbst. Methode unbekannt, Ergebnis richtig! 75 Pierre de Fermat (1601 - 1665) Grabsteininschrift: Im Alter von 57 Jahren gestorben Mutter stammt aus Richterfamilie (noblesse de robe) Gedichte in Latein, Griechisch, Italienisch, Spanisch verfasst Studium der Rechte, vermutlich in Bordeaux 1631 Parlamentsrat = Mitglied des obersten Gerichtshofes der Provinz Toulouse zunächst in Castres, später leitender Richer in Toulouse, befasst mit Kapitalverbrechen (Todesurteil gegen Priester wegen Amtsmissbrauchs). Kraft Amtes "de" 1631 Heirat mit entfernter Cousine mütterlicherseits 5 Kinder: Richter, Pfarrer, Hausfrau, 2 Nonnen Keine Reisen. 1652 an Pest erkrankt, totgesagt, wieder genesen Mathematisches Reihensummierung Binomialkoeffizienten Wahrscheinlichkeitstheorie vollständige Induktion Zahlentheorie Extremwertaufgaben 1636: Entdeckung eines zweiten Paares befreundeter Zahlen: 17296 und 18416 Descartes entdeckte das dritte Paar: 9363584 und 9437056 Euler entdeckte weitere 22 Paare Alle übersahen das kleine Paar 1184 und 1210, das Niccolò Paganini 1866 mit 16 Jahren fand. (Der gleichnamige Geiger starb 1840) Beschäftigung mit Diophantischen Gleichungen, z.B. 26 ist die einzige Zahl zwischen einer Quadratzahl und einer Kubikzahl: 52 = 25, 33 = 27, d.h. x2 + 2 = y3 besitzt nur eine Lösung. Der große Fermatsche Satz: an + bn ≠ cn für a, b, c œ Ù n > 2 "wahrhaft wundersamer Beweis" demonstratio mirabilis sane vermutlich für n = 4 mittels descente infinite bewiesen für n = 3 hatten die Araber um 1000 schon einen Beweis (allerdings einen falschen) Zerlegung eines Primzahlquadrats der Form 4n + 1: 52 = 32 + 42 252 = 152 + 202 = 72 + 242 1252 = 752 + 1002 = 352 + 1202 = 442 + 1172 usw. Der kleine Fermatsche Satz (speziell): 2p-1 ≡ 1 (mod p) d.h.: wenn p eine ungerade Primzahl, so läßt 2p-1/p den Rest 1 (den Chinesen schon vor 2500 Jahren bekannt) 76 Beispiel: 23-1/3 = 1 Rest 1, 25-1/5 = 3 Rest 1 Beweis: ⎛ p⎞ ⎛ p⎞ 2 p = (1 + 1) p = 1 + ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ + ... + 1 ⎝1⎠ ⎝2⎠ Innere Binomialkoeffizienten einer ungeraden Primzahl sind stets durch diese teilbar und doppelt vorhanden. 1 1 1 1 1 1 fl fl fl 1 2 3 4 5 1 3 1 6 10 4 10 1 5 1 2p - 2 = 2kp 2p-1 - 1 = kp 2p-1 = kp + 1 Aus dem Satz folgt weiters: Wenn p prim und 2p-1 von der Primzahl q geteilt wird, dann ist q - 1 Vielfaches von p. Der kleine Fermatsche Satz (allgemein): ap ≡ a (mod p) oder, falls a kein Vielfaches von p ist, ap-1 ≡ 1 (mod p) d.h., ist p eine ungerade Primzahl, so lässt ap-1/p den Rest 1, falls a nicht Vielfaches von p ist. Bsp.: (87-1 - 1 )/7 = 262143/7 = 37449 Der Satz gilt aber leider auch für viele andere Zahlen Bsp.: (89-1 - 1 )/9 = 16777215/9 = 1864135 Warum gilt er überhaupt? Am einfachsten sieht man es durch eine kombinatorische Überlegung ein: Aus Perlen von a Farben soll eine geschlossene Kette mit p Perlen zusammengestellt werden (p sei eine Primzahl). Es gibt für die erste Perle a Möglichkeiten, für die ersten beiden a2, ..., also insgesamt ap mögliche Ketten. Die Anzahl der gleichfarbigen Ketten ist a. Eine Kette mit mindestens zwei verschiedenen Farben kann man durch Rotation zu p davon verschiedenen Ketten machen. Daher ist ap − a durch p teilbar oder ap ≡ a (mod p). Es ist nicht möglich, dass eine Wiederholung des Musters nach weniger als p Schritten erfolgt, weil p als Primzahl keine Teiler außer 1 und sich selbst besitzt. Für vier Perlen, p = 4 = 2ÿ2 dagegen wäre die Perlenfolge rot-weiß-rot-weiß möglich, wo dieselbe Perlenfolge schon nach zwei Schritten wieder auftritt. Falls a Vielfaches von p ist, so ist natürlich jede Potenz von a durch p teilbar. Für drei Perlen 77 und drei Farben, hat man unter den 33 möglichen Ketten 3 einfarbige Ketten und 24 verschiedenfarbige. 24 ist durch 3 teilbar, aber 27 auch. Ein weitere Beweis kann mit Hilfe von Induktion geführt werden. 1p - 1 ist durch p teilbar. Ist ap - a ist durch p teilbar, so ist auch (a + 1)p - (a + 1) durch p teilbar. ⎛ p⎞ ⎛ p⎞ ⎛ p ⎞ ( a + 1) p = a p + ⎜ ⎟ a p −1 + ⎜ ⎟ a p −2 + ... + ⎜ ⎟a +1 ⎝1⎠ ⎝2⎠ ⎝ p − 1⎠ Alle inneren Binomialkoeffizienten enthalten den Faktor p, da die Primzahl p in ⎛ p ⎞ p( p − 1) ⋅⋅⋅ ( p − k + 1) ⎜k⎟= 1 ⋅ 2 ⋅⋅⋅ k ⎝ ⎠ durch keine Zahl k < p weggekürzt werden kann. Also ist ⎛ p⎞ ⎛ p⎞ ⎛ p ⎞ ( a + 1) p − ( a + 1) = a p + ⎜ ⎟ a p −1 + ⎜ ⎟ a p −2 + ... + ⎜ ⎟ a + 1 − (a + 1) ⎝1⎠ ⎝2⎠ ⎝ p − 1⎠ = a p + B + 1 − ( a + 1) wo B durch p teilbar ist und ap - a nach Voraussetzung auch durch p teilbar ist. Fermat bewies aber noch mehr! Gegeben sei eine Primzahl p und eine geometrische Zahlenfolge 1, a, a2, ... , wo a nicht von p geteilt wird. Dann muss p eine Zahl an - 1 teilen, in welcher n ein Teiler von p - 1 ist. Bsp.: p = 3 a = 5 1, 5, 25, 125, 625, 3125, ... Rest r = 1, 2, 1, 2, 1, 2, .... ak lässt den Rest r 53 lässt den Rest 2 Wegen r < p müssen sich die Reste wiederholen. ak+n lässt den Rest r (ak+n - ak) lässt den Rest 0 ak(an - 1) lässt den Rest 0 fl (an - 1) lässt den Rest 0 55 lässt den Rest 2 (3125 - 125) lässt Rest 0 125(25 - 1) lässt Rest 0 (25 - 1) lässt Rest 0 n = p - 1 oder n ist Teiler von p - 1, da p - 1 disjunkte Restklassen vorhanden. Wenn n prim und p Primteiler von 2n - 1, dann ist p - 1 Vielfaches von n. 78 Vollkommene Zahlen S := Teilersumme mit Einschluss der Zahl selbst: S(28) = 56 Primzahlpotenz pn: Teiler sind nur 1, p, pp, ppp, ..., pn S(pn) = 1 + p + p2 + ... + pn = (pn+1 -1)/(p - 1) Bsp.: S(3ÿ3ÿ3) = 1 + 3 + 9 + 27 = (81 - 1)/(3 - 1) = 40 Sind m und n teilerfremd, dann ist S(mÿn) = S(m)ÿS(n) Bsp.: S(40) = S(8ÿ5) = S(23ÿ5) = (1 + 2 + 4 + 8)(1 + 5) = 90 n = 3: S[(2n - 1)2n-1] = [1 + (2n - 1)]ÿ[(2n -1)/(2 - 1)] = 2n(2n -1) 7 4 1 7 7 1 56 S(7ÿ4) = (1 + 7)(1 + 2 + 4) = 56 aliquote Teile sind: {1, 2, 4, 7, 14}, alle Teiler ohne die Zahl 28 selbst. Für teilerfremde Produkte und damit automatisch für eine Primzahl 2n - 1 ist also die Summe der aliquoten Teile: σ[(2n - 1)2n-1] = (2n - 1)2n-1 Euklid hatte bereits 1 + 2 + 4 = 7, 7ÿ4 = 28 (n = 3) Frenicle an Fermat (über Mersenne) 1640: Gibt es eine VZ zwischen 1020 und 1022? Fermats Analyse: 1) Euklidische VZ besitzen die Form (2n - 1)2n-1, wobei 2n - 1 eine Primzahl sein muss. 1020 < (2n - 1)2n-1 < 1022 fl 34 § n § 37 2) Wenn 2n - 1 prim ist, so auch n, aber nicht umgekehrt: Wenn n prim ist, muss 2n - 1 nicht prim sein. Wenn aber n nicht prim, dann auch 2n - 1 nicht: sei n = ab fl 2n - 1 = 2ab - 1 Sei x = 2a fl 2ab - 1 = (xb - 1) = (x - 1)(xb-1 + xb-2 + ... + 1), also ein Produkt. Da 34, 35, 36 keine Primzahlen sind, bedeutet Frenicles Frage, ob 237 -1 Primzahl ist. 79 3) Kleiner Fermatscher Satz: Wenn p prim und q Primteiler von 2p - 1, dann ist q - 1 Vielfaches von p. Wenn 237 - 1 von q geteilt wird, dann ist q - 1 Vielfaches von 37, d.h. q -1 = 37k q = 37 + 1, 74 + 1, 111 + 1, 148 + 1, 185 +1, 222 + 1,... 1640 Fermat an Frenicle: nein (237 - 1)/223 = 616318177. Satz: Ist an + 1 eine Primzahl ≠ 2, dann ist a gerade und n = 2m. (Ist a ungerade, dann ist an + 1 gerade.) km Enthält n einen ungeraden Faktor k mit n = km, dann ist a m k a = x fl x + 1 = (x + 1) (x k-1 k-2 -x m + 1 durch a + 1 teilbar: +...-...+ x2 - x + 1) Fermatsche Primzahlen: 22 + 1 k 1 22 + 1 = 5 2 22 + 1 = 17 3 22 + 1 = 257 4 22 + 1 = 65537 5 22 + 1 = 4294967297 6 22 + 1 = 18446744073709551617 1654 Fermat an Pascal: "Satz für dessen Wahrheit ich einstehe. Der Beweis ist sehr unangenehm und noch nicht vollständig erledigt." Lemma: Ist p Primteiler von an - 1, wobei n die kleinste gerade Zahl dieser Art ist, dann ist p Primteiler von an/2 + 1. Bew.: p teilt an - 1 = (an/2 - 1)(an/2 + 1) an/2 - 1 wird nicht geteilt, da n kleinste derartige Zahl folglich muß an/2 + 1 geteilt werden 5 Jeder Primteiler von 22 =n/2 + 1 besitzt also die Form 2ÿ25k +1 = 64k + 1 = 65, 129, 193, 257, 449, 577, 641, ... 5 Euler (1732): 22 + 1 = 4294967297 = 641ÿ 6700417 6 Landry (1880): 22 + 1 besitzt den Primfaktor 274177 ... 73 Morehead (1906): 22 + 1 besitzt den Primfaktor 275ÿ5 + 1 2,8ÿ1021 Stellen, Druckzeit 90000 Jahre bei 109 Stellen pro Sekunde. 80 22 23471 + 1 ist keine Primzahl. Mersennesche Primzahlen: 2n - 1 Primzahlen sind nach Mersenne: 267 - 1, 2127 - 1, 2257 - 1 2127 - 1 von Lucas 1876 bewiesen, bis 1951 mit 39 Stellen größte bekannte PZ. Die anderen falsch, die letzte 1947 faktorisiert richtig wären die Exponenten: 61, 89, 107, 127, 521 Testdauer heute á 1 s. Extremwertaufgaben (1629) B ist in zwei Teile zu zerlegen, welche das größte Produkt ergeben: A und B - A A + E und B - A - E A(B - A) = (A + E)(B - A - E) fl 0 = E(B - 2A - E) fl 0 = B - 2A - E (E Ø 0) fl 0 = B - 2A fl A = B/2 Im Ergebnis: [{F(A+E) - F(A)} / E]E=0 = 0 oder dF(A)/dA = 0 Erfindung der Differentialrechnung 35 Jahre vor Newton, aber: E nicht klar als Änderung einer Variablen deklariert. Noch keine Unterscheidung zwischen Minimum und Maximum, Terrassenpunkt unbekannt, Bestimmung von Tangenten vieler Kurven. 1662: Fermatsches Prinzip: Licht legt den Weg zwischen zwei Punkten in der kürzest möglichen Zeit zurück (nicht auf dem kürzesten Wege). La descente infinie ou indéfinie Anregung vermutlich durch Irrationalitätsbeweis des Goldenen Schnittes von Johannes Campanus von Novarra. Korrespondenz mit Descartes Vor Veröffentlichung erhielt Fermat die Descartesche Dioptrik. Übte auf Wunsch reichlich Kritik, teils unberechtigt. Daraufhin verbat sich Descartes die weitere Zusendung solch unverdauter Gedanken. Descartes verstand Fermats Extremwertaufgaben nicht, sondern betrachtete jede Tangentenbestimmung als Maximumsbestimmung. Sah seinen Irrtum trotz Intervention von Roberval und Etienne Pascal nicht ein und bezeichnete ihn als "Votre conseiller de Minimis", bis Fermat sich direkt an ihn wandte. 81 Blaise Pascal (1623 - 1662) Vater: Etienne Pascal, königlicher Rat, Amateurmathematiker, verkaufte 1631 sein Amt und zog nach Paris. Dort im Kreis der führenden Mathematiker, Vorstufe der Academie Francaise. Blaise Pascal: Frühreif, genial: Winkelsumme im Dreieck als Kleinkind gefunden Lateinische Ausgabe des Euklid gelesen (oder selbst erarbeitet) 1638 Vater in Ungnade gefallen, musste Steuereintreiber in Rouen werden 1639 reifes Werk über Kegelschnitte verfasst. Rechenmaschine erfunden: Addition von achtstelligen Zahlen mit Zehnerübertragung per Feder und Schwerkrafthebel. Komplementärzahlen zur Subtraktion. 1645 vollendet. 50 Exemplare verkauft, 10 davon noch erhalten. 1648 Torricellis Idee vom Luftdruck nachgewiesen. Experiment mit Hilfe seines Schwagers Périer auf dem 1465 m hohen Puy de Dome. 85 mm Hg Differenz. 1649 Rückkehr nach Paris, wüstes Leben, Bekanntschaft mit dem Spieler De Méré, dann kränklich 1654 schwerer Unfall, religiöser Fanatismus, Eiferertum gegen die Jesuiten, Zisterzienserkloster Port Royal bei Versailles, Askese: Stachelgürtel getragen 1662: Idee zur Personenbeförderung: in Paris öffentliche Pferdewagen einzuführen. Königliches Patent zur Eröffnung der ersten Omnibuslinie (18. 3. 1662). Tod am 19. 8. Mathematisches Pascalsches Dreieck und Sätze über Binomialkoeffizienten wie unabhängig vorher von Fermat und schon von Stifel entdeckt. 82 Arithmetisches (Pascalsches) Dreieck: 1 1 1 1 1 1 2 3 4 5 1 3 6 10 15 1 4 10 20 35 1 5 15 35 70 1 6 21 56 126 1 7 28 84 1 8 36 1 9 1 1 6 21 56 126 1 7 28 84 1 8 36 1 9 1 fl Anwendung auf Wahrscheinlichkeitsrechnung. moderne Anwendung: 6 aus 49. Wahrscheinlichkeit für Sechserpasch = 1/36 Ein Spiel soll durch dreimaligen Gewinn entschieden werden, muss aber beim Stande von 2:1 für A abgebrochen werden. Wie ist der Einsatz zu teilen? Gewinnt A, so erhält er alles (1/2 geht an A), gewinnt B, so herrscht Gleichstand (die zweite Hälfte ist zu teilen). fl ¾ zu ¼ Fermatsche Lösung: Analyse aller Möglichkeiten AA, AB, BA, BB fl ¾ zu ¼ Flächen-, Volumen und Schwerpunktbestimmungen Partielle Integration Ûudv = [uv] - Ûvdu Reihensummierung (teilweise auch bei Fermat, Leonardo, Archimedes) (n + 1)3 = n3 + 3n2 + 3n + 1 ___________________________ 23 - 13 = 3ÿ12 + 3ÿ1 + 1 33 - 23 = 3ÿ22 + 3ÿ2 + 1 2 43 - 33 = 3ÿ3 + 3ÿ3 + 1 ... (n + 1)3 - n3 = 3n2 + 3n + 1 (n + 1)3 - 13 = 3Σk2 + 3Σk + Σ1 fl 3Σk2 = n3 + 3n2 + 3n + 1 - 1 - 3Σk - n = n2(n + 1) + 2n(n + 1) - 3n(n+1)/2 = (n2 + n/2)(n + 1) Σk2 = n(2n + 1)(n + 1)/6 Im Briefwechsel mit Fermat 1654 die Methode der vollständigen Induktion entwickelt. 83 Schotten und Iren wehren sich gegen die Einführung der anglikanischen Kirche. 1642 - 48 Bürgerkrieg zwischen Krone und Parlament 1649 Karl I. hingerichtet Diktatur Oliver Cromwells Isaac Newton (1643 - 1727) Vater, Landwirt, kurz vorher gestorben schwächliches Kind eigenbrötlerisch, verschlossen Mutter wiederverheiratet (63 jähriger Prediger) Erziehung durch Großmutter (3- bis 11-jährig) Drohung, Mutter und Stiefvater zu verbrennen Grammar School: Latein einzige Romanze: Puppenhausmöbel gebaut technisch begabt manisches Interesse an Sonnenuhren Mäusemühle Drachen mit Laterne als Hirte gescheitert (Bau von Wasserrädern) 1660 Cromwells puritanische Revolution beendet. Restauration: Stuartkönig Karl II. eilige politische Anpassung des Trinity College 1661: Trinity College in Cambridge bezogen als subsizar (Armer, zu Dienstleistungen verpflichtet) Studium: Aristoteles, Descartes, Galilei 1664 Studium bei Isaac Barrow (1630 - 1677) Prüfung zum Stipendiaten: von Euklid wenig gewußt, durch Wohlwollen Barrows bestanden Aussicht, Fellow zu werden 1665/66 Pest, Univ. geschlossen Annus mirabilis: Prisma, Spiegelteleskop, Apfelbaum?, Pendelversuche, Mond, 1/r2-Gesetz Mathematik Entdeckung der unendlichen Reihen für jede Potenz eines Binoms durch Interpolation von Wallis' Integral: ∫(1 - x2)ndx p p ( p − 1) 2 p( p − 1)( p − 2) 3 x+ x + x + ... 1 1⋅ 2 1⋅ 2 ⋅ 3 ⎛ p ⎞ p( p − 1)( p − 2) ⋅⋅⋅ ( p − k + 1) ⎜k⎟= 1 ⋅ 2 ⋅ 3 ⋅⋅⋅ k ⎝ ⎠ (1 + x ) p = 1 + 84 1 = (1 - x)-1 = 1 + x + x2 + x3 + ... 1− x 1 = 1 - x2 + x4 -+... 1+ x (für |x| < 1) 2 exp(x) = Σxn/n! cos(x) = Σ(-1)nx2n/(2n)! sin(x) = Σ(-1) nx2n+1/(2n+1)! Differentiation / Integration von axm/n, area xp = xp+1/(p+1), Newton-Verfahren, Krümmung sehr vieler Kurven berechnet, Wendepunkte, keine Produktregel, keine Quotientenregel Die Punkte (x, y) einer Kurve f(x, y) = 0 werden erzeugt aus den Fluenten x(t) und y(t). Die Geschwindigkeiten, mit der diese sich ändern, sind die Fluxionen: Nicht kleinste Teilchen (dx), sondern Wachstum wie in der Natur. Der akzentlose Buchstabe ist die Fluxion des Akzentuierten: Experiment mit 2 Prismen Farbwirkung: Haarnadelexperiment 1668 Fellow und magister artium Barrow zu seinen Gunsten zurückgetreten 1669 - 1696 Prof. für Mathematik in Cambridge sehr wenige Studenten mit noch weniger Verständnis 1673 Ausschluß aller Nichtanglikaner von Staatsämtern 1679 Habeas-Corpus-Akte: Sicherung der pers. Freiheit (My home is my castle!) Bildung von Whigs (bürgerlich) und Tories (konservativ) 1685 Restaurationsversuch des katholischen Jakob II. scheitert. 1688 unerwartete Geburt eines Thronfolgers: Jakob III. (untergeschoben?) Glorious Revolution: Whigs und Tories rufen Wilhelm III. von Oranien, verheiratet mit Jakobs evangelischer Tochter Maria. Jakob II. flieht. Jakobiten in Irland werden geschlagen. Nachfolgeregelung: 1) Anna, 2) Sophie von Hannover Ausgearbeitet Vorlesungen (Prof. dazu verpflichtet): Optik (1670 - 72), Arithmetik und Algebra (1673 -83), Principia (1684 - 85), Weltsystem (1687), spätere fehlen 1682 Gravitationsgesetz Kopernikus fand, dass die Planeten sich bewegen. Kepler fand, wie die Planeten sich bewegen. Newton fand, warum die Planeten sich bewegen. 1687 Philosophiae Naturalis Principia Mathematica ohne Analysis! (Verwendung später fälschlich behauptet.) 85 1689 Parlamentsmitglied für Univ. Cambridge, konservativ und königstreu, aber noch mehr kirchentreu. Hat im Paralment nie das Wort ergriffen Korrespondenten: Boyle, Gregory, Hooke, Flamsteed, Halley, Wallis, Huygens, Leibniz 1693 schwerer Nervenzusammenbruch 1696 London, Direktor der königlichen Münze 1699 Beginn des Prioritätsstreites mit Leibniz 1702 - 14 Königin Anna, Tochter Jakobs II. aus seiner evangelischen Zeit 1703 Präsident der Royal Society 1704 Opticks: Reflexion, Brechung, Beugung, Interferenz, Farbigkeit, Korpuskulartheorie 1705 geadelt: Sir, als MP nicht wiedergewählt 1707 Union von Schottland und England als Großbritannien 1714 - 1901 Haus Hannover (Georg I.) Newtons Interessen: Nur Studien und Religion Zeit seines Leben von der fixen Idee besessen, jemand könnte ein Fehler in seiner Argumentation finden. Alles immer wieder nachgerechnet: "water-tight" Pathologisch Empfindlich gegen Kritik, im Streit mit vielen Kollegen Gegen Hooke Unmöglichkeit achromatischer Refraktoren behauptet. Beugungsexperimente: Hooke, der einen Prioritätsanspruchgegenüber Newton behauptete in die Falle gelockt: Analoge Experimente gab es schon viel früher. Prioritätsstreit wegen 1/r2-Gesetz. (Auch Gleichförmigkeit linearer Bewegung wurde schon vorher von Galilei behauptet.) Der königlicher Astronom Flamsteed wollte seine Monddaten noch nicht zur Veröffentlichung freigeben. Newton, dessen Theorie damit bewiesen werden konnte, veranlasste einen Raubdruck und tilgte in seinen Schriften alle Hinweise auf Flamsteed. Streit mit Leibniz: Plagiatsvorwurf. Newton Ankläger und Richter vor der Royal Soc., tiefe Befriedigung über dessen Tod geäußert ("Herz gebrochen") Später nur noch alchimistische, mythologische und theologische Fragen Wachstum der Metalle im Bauch der Mutter Erde. Umwandlung ist möglich, bis als letzter Reifungsgrad Gold erreicht wird. Organisch- animistische Vorstellung. Stein der Weisen. Biblische Chronologie, Prophezeiungen Daniels Newton hielt seine theologischen Forschungen für wichtiger als alle anderen. Grab in Westminster, Grabinschrift: Nature and Nature's law lay hid in night. God said: Let Newton be! and all was light. 86 Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) Vater: Leibnütz, Notar und Professor der Moral, Familie aus Polen eingewandert in Druckschriften: Leibnuzius, Leibnitius, Unterschrift: Leibniz, selten Leibnitz Geschwür am Hinterkopf zwingt zur Perücke. Studium (mit 15 Jahren begonnen): Rechte, Philosophie, Logik, Mathematik (höchst elementar) in Leipzig und Jena 1664 Magister phil. 1665 Baccalaureus jur. 1667 Altdorf bei Nürnberg: Doktor beider Rechte sofort ergangenes Professurangebot abgelehnt. Auditorium im Collegium zu Altdorf Ziele: Universalsprache, Universalmathematik, allgemeine Erkenntnismethode, Versöhnung der Religionen 1672 Kurmainzischer Gesandter in Paris: wollte Ludwig XIV. zur Eroberung Ägyptens anstiften, um Druck vom Reich abzuwenden. Zentrum der Wissenschaft. Kontakt zu Huygens. (1 + √-3)1/2 +(1 - √-3)1/2 = √6 π/4 = 1 - 1/3 + 1/5 - 1/7 +- aus Arcustangensfunktion 87 Erstes Modell seiner Rechenmaschine (+,-,∗,:). Immer wieder daran gearbeitet. 24000 Taler ausgegeben. (Problem: Zehnerübertragung) 1673 der Royal Soc. London vorgeführt: dafür Mitglied geworden Keine Stelle bei der Académie Royale des Science, obwohl schon der 25-jährige nach eigenen Worten größte Erfindungen gemacht hat, u.a.: U-Boot (gut gegen Sturm und Seeräuber) verbesserte Linse Rechenmaschine Universalsprache: "das Importanteste, was der Menschengeist zur Beförderung der Wissenschaften unternehmen kann" Erdbewegung streng bewiesen. Nachlaß von Pascal gesichtet. Ähnliche Dreiecke erkannt. 29.10.1675: statt omnia l besser ∫ l schreiben, wenn ∫ l = ya, dann l = ya/d 11.11.1675: ∫ ydy = y2/2 1676, Hannover: Hofrat und Bibliothekar 1679 Binäres Zahlensystem (Dyadik) entwickelt und für Rechenmaschinen empfohlen Symbole der Logik entwickelt 1684 Veröffentlichung des Calculus samt Einführung des Divisionszeichens ":" in den Acta Eruditorum (AE) Im Briefwechsel mit Johann Bernoulli erstmals: dy/dx, ∫ydx 1686 Krümmungskreis, Integralzeichen im Druck Prinzip der Erhaltung der mechanischen Energie: vis viva (~mv2) und potentia agendi statt der Descarteschen quantitas motus (mv) Einstellung der 6-jährigen Windkraftversuche zur Entwässerung der Harzer Bergwerke. Geschichte der Welfen: Reisen nach Italien und Österreich. 1693 Stellenzeiger, Indizes: 1C, 2C, 3C,... angewandt in Matrix 10 20 30 11x 21x 31x Determinante 1694 functionem faciens oder functio für Tangenten etc. 88 12y 22y 32y =0 =0 =0 1695 d(xn) = nxn-1dx d(ax) = axlnadx ddx/dx = dx/x Kombinatorik, Permutationen 1699 Mitglied der Acad. Francaise 1700 Gründung der Preußischen Akademie. Leibniz erster Präsident. 1701 Kurfürst Friedrich wird König in Preußen. 1714 - 1901 Haus Hannover regiert in England (Georg I.) Anna und starke Kräfte der Tories wollen Jakob III. Leibniz verhandelt für seinen Fürsten, macht sich in England viele Feinde. Gefahr, dass Leibniz in London erscheint. Leibniz Rat: "nicht in engl. Parteipolitik einmischen" wird nicht berücksichtigt. Er darf nicht nach London, fällt in Ungnade. Lange Aufenthalte in Wien und anderswo 1711 Neugründung der Preuß. Akademie ohne Leibniz 1712 1/-1 = -1/1 imaginäres Verhältnis, da log1 = 0 log(1/-1) = log (1) - log (-1) = -log (-1) = -2 log(√-1) Einsamer Tod in Hannover. "Begraben wie ein Hund." (Fontenelle) Höfe Mainz und Hannover und Preußische Akademie unbeteiligt. Lobrede von Fontenelle von der Academie Francaise. 15000 Briefe, 75000 Schriftstücke verfasst 40000 Briefe und Blätter im Nachlaß Letzter Universalgelehrter und Universalerfinder xx + x = 30 flx=3 Partialbruchzerlegung Taylor-Reihe Wilsonscher Satz: (n - 1)! ª -1 (mod n), d.h. geht auf, dann und nur dann, wenn n Primzahl ist. 1770 von Wilson nochmals gefunden, von Waring veröffentlicht, 1771 von Lagrange bewiesen 1712 an Johann Bernoulli: ln(-1) ist unmöglich, langer Briefwechsel 89 Der Prioritätsstreit 1676 Leibniz gelangt zum Infinitesimalkalkül und fragt bei der Royal Society (Sekretär Oldenburg) nach dem dortigen Stand der Mathematik. Zwei Briefe des damals hochgeschätzten Newton für den damals hochgeschätzten Leibniz: Unendliche Reihen. Leibniz begeistert. (1 + x ) p = 1 + p p( p − 1) 2 p( p − 1)( p − 2) 3 x+ x + x + ... für p = ½, 1/5, -1/3, 4/3, 5, -1, -3, -3/5 1 1⋅ 2 1⋅ 2 ⋅ 3 Andeutungsweise Newton-Verfahren, weitere Reihen, und unverständliche Anagramme wie: 6a, 2c, d, ... Leibniz erhält den letzten Brief erst neun Monate später, Juni 1677, und antwortet mit der Darstellung seines Kalküls. Begriffsprägung: Differentialgleichung Newton antwortet nicht. Gekränkte Eitelkeit? Oldenburg tot. 1684 Leibniz veröffentlicht seinen Kalkül. Erwähnt Newton nicht. (Nur im Begleitbrief: Newtons Inventa zu Reihen.) 1685 John Craig, Kollege von Newton in Cambridge, veröffentlicht ein Lehrbuch, gestützt auf Leibniz' Kalkül und Bezeichnungsweise. Newton liest das Buch, reagiert nicht. 1687 Newtons Principia erscheinen, ohne Infinitesimalrechnung, aber mit Hinweis auf seinen Kalkül (den er in Briefen an Leibniz verborgen dargestellt habe) und auf die unabhängig von dem "sehr gelehrten Mathematiker Leibniz" gefundene (und mitgeteilte) Methode. Diese Bemerkung wurde in der 3. Auflage 1726 getilgt. 1693 Wallis veröffentlicht die beiden Newtonschen Briefe mit Auflösung der Anagramme, wie: Eine Methode besteht aus der Bestimmung der Fluente aus einer Gleichung, die gleichzeitig ihre Fluxionen enthält. 1699 Fatio Duillier (in England lebender schweizer Mathematiker, religiöser Fanatiker, 1706 vollends verrückt geworden) bezichtigt Leibniz des Plagiats. Druckerlaubnis der Royal Society. Beschwerde von Leibniz bei Wallis freundlich aufgenommen: Irrtum der Roy. Soc. 1703 Newton wird Präsident der Roy. Soc. und bleibt es bis zum Tode. 90 Newton nimmt nicht Stellung, verteidigt aber seine Methode: 1704 Wachstum ist natürlicher als unendlich kleine Größen. 1705 Leibniz, anonym in den Acta Eruditorum (AE), bespricht Newtons Kalkül sehr wohlwollend, vergleicht Newton aber in einem unscheinbaren Nebensatz mit einem ganz unbedeutenden Mathematiker, leugnet später seine Autorschaft gegenüber Johann und Niclaus Bernoulli. 1705 Newton als MP nicht wiedergewählt (Studentenprotest: "wir wollen keinen Fanatiker") Tories einflußarm 1706 Im Nekrolog auf Jakob Bernoulli (AE): "Die große Leibnizische Infinitesimalanalysis ...", verfaßt oder zumindest redigiert von Leibniz. 1710 Der Schotte John Keill in den Philosophical Transactions (PT), Organ der Roy. Soc.: "Später hat Leibniz die Newtonsche Rechnung unter veränderter Bezeichnungsweise veröffentlicht." Tories einflußreich, kriegsmüde, gegen Georg Kriegsteilnehmer) eingestellt. Leibniz dessen Berater. von Hannover (maßgeblicher 1711 Sitzung der Roy. Soc. Newton ärgerlich über Keills Buch, bis dieser ihm Leibnizens Besprechung von 1705 zeigte. Keill wird mit Klarstellung beauftragt, er findet: Aus Newtons Briefen hätte selbst ein gewöhnlicher Geist die Methode klar erkennen können. Beschwerde von Leibniz. Ausschuß der Roy. Soc. kommt ohne Anhörung von Leibniz zum selben Urteil wie Keill. Exemplare der Zusammenfassung (fein, schlau und giftig) mit Briefabdrucken werden kostenlos an alle bekannten Gelehrten geschickt, nicht aber an Leibniz. Sie unterstellen Leibniz geistigen Diebstahl auch in anderen Fällen. Autor: Newton. 1713 Grobes anonymes Flugblatt von Leibniz: Newton habe lange die höhere Differentialrechnung überhaupt nicht verstanden, da in den Principia nicht vorkommend. (Zitat aus einem Brief Johann Bernoullis) 1715 Schmähschrift, offiziell von Keill, verfaßt von Newton. Nach Leibnizens Tode weitere Schmähungen. Neudruck der Zusammenfassung mit Veränderungen und weiteren bewussten Fälschungen durch den 79-jährigen Newton, der tiefe Befriedigung über Leibnizens Tod äußert. Resumee: Differential- und Integralrechnung 1660 zu großen Teilen schon bekannt. Descartes: Tangentenbestimmung Fermat: Extremwerte Archimedes: ∫Keis, ∫Parabel, ... Pascal: Ûudv = [uv] - Ûvdu Wallis: Û(1 - x2)ndx, Ûxm/ndx u.v.a. Es fehlte ein griffiger Formalismus. Ihn schuf Leibniz. Ansonsten: Viel Lärm um nichts. 91 Die Bernoullis Vorfahren: Holländische Emigranten aus religiösen Gründen (Holland im 16. Jhd. spanisch regiert) Jakob Bernoulli (1654 - 1705) Studium der Theologie, heimlich Mathematik und Astronomie 1676 - 1682: Reisen nach Frankreich und England 1687 Prof. in Basel. Bester Schüler: Johann B. Einfacher Divergenzbeweis für 1 + ½ + 1/3 + ¼ + .. ax = x2 fl x = a 1689 Bezeichnung: Integral 1690 Gestalt eines an zwei Punkten aufgehängten Seiles? Kettenlinie: y = cosh x 1691 Lösung durch Leibniz, Huygens, Johann B. Diverse Kurven, Beginn der Variationsrechnung Krümmungskreis (Leibniz auf Fehler hingewiesen) y = f(x), s = Kurvenlänge fl ρ(x) = (ds/dx)3/ y'' Extrema Reihenlehre 92 1696 1/(1+ x) = 1 - x + x2 - x3 + x4 -+ ... ½ = 1 - 1 + 1 - 1 + -... Mönch Grandi: so erfolgte die Schöpfung aus dem Nichts: ½ = 1 - 1 + 1 - 1 + -... = 0 + 0 + 0 +... Wahrscheinlichkeitslehre (Buch: Ars conjectandi) 1713 herausgegeben von Niclaus B. Vollständige Induktion nochmals erfunden Bezeichnung: Permutation Newton: Bernoulli: mit den Bernoullischen Zahlen: B1 = 1/6; B2 = -1/30, B3 = 1/42, ... Johann Bernoulli (1667 - 1748) Studium der Medizin und Mathematik Licentiat der Arzneiwissenschaft Reisen nach Genf, Lyon, Paris 1691 Vorlesungen für de l'Hospital 1694 Dr. med. 1695 Groningen: Professur für Mathematik und Physik 1705 Basel: Nachfolger von Jakob, der kurz vor der Rückkehr Johanns starb. schneller und flüchtiger als sein Bruder Divergenzbeweis für 1 + ½ + 1/3 + ¼ + ... Fehlschluss: 1 ∫ x dx = n + 1 x n n +1 ⇒ ∫x 1 dx = x 0 = ∞ 0 −1 Partialbruchzerlegung Trennung der Veränderlichen Integrierender Faktor 93 1694 Funktion von x durch X oder ξ bezeichnen In Paris Kontakt mit de l'Hospital, der später ein Lehrbuch der Differentialrechnung veröffentlicht hat (l'Hospitalsche Regel). Plagiatsvorwurf Johanns immer lauter, je länger l'Hospital tot war. Vermutlich unbegründet. Herausforderung an alle Mathematiker: Kurve, auf der ein Körper unter dem Einfluss der Schwerkraft gleitend am schnellsten von A nach B gelangt. Problem erstmals von Galilei gestellt, allerdings falsch gelöst: Kreisbogen. richtig: Brachistochrone (umgekehrte Zykloide) Punkt auf der Peripherie eines rollenden Rades Koordinaten des Radmittelpunktes: xM = rϕ, yM = r Koordinaten des Peripheriepunktes: x = rϕ - rsinϕ y = r - rcosϕ Lösung durch Jakob B., Leibniz, und ohne Beweis: Newton und de l'Hospital. Lösung von Jakob B. und Leibniz: Soll die Kurve als Ganzes ein Minimum ergeben, so muss dies für jedes Teilstück gelten. Johanns eigene Lösung: Brechungsgesetz des Lichtes für das mechanische Problem benutzt sinϕ/v = const. (Optik) v = √(2gy) (Mechanik) 94 sinϕ = cosα = vÿconst. = √(C2gy) y' = tanα = sinα/cosα = Lösung wie oben, wobei 2r = (2Cg)-1 1718 Funktion = veränderliche Größe 1727 Schwingende Saite 1730 Algebraische und transzendente Funktionen ln(-x) = lnx da (-x)2 = (+x)2 fl ln(-x)2 = ln(+x)2 fl 2ln(-x) = 2ln(+x) Niclaus Bernoulli (1687 - 1759) Niclaus (der erste), Sohn des mittleren Bruders und Ratsherren Niclaus Studium der Jura und der Mathematik, zunächst bei Jakob, dann bei Johann in Groningen 1716 Prof. in Padua (Mathematik) 1722 Prof. in Basel (Logik) 1731 Prof. in Basel (Jura) 1709 Wahrscheinlichkeit für die Unschuld eines Angeklagten wird durch Schuldzeugnis auf 2/3 gemindert. Bei 10 Schuldzeugen nur noch 1,7 % Unschuldswahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit des Todes eines Verschollenen für die juristische Todeserklärung ist dann gegeben, wenn 2/3 aller Gleichaltrigen gestorben sind. 1744 gegen Niclaus angewandt: Das Vermögen der verstorbenen Tochter eines seit 23 Jahren Abwesenden sollte diesem und damit seinen Gläubigern, darunter Niclaus, zugesprochen werden. Ihr Bruder berief sich mit Erfolg darauf, dass sein Vater vermutlich tot, da nur noch 4 Jahre bis zum o.g. Kriterium fehlten. Algebra, Beweise von Sätzen aus Newtons Vorlesungen, Differentialgleichungen Niclaus II. Bernoulli (1695 - 1726) Niclaus, der zweite, Sohn von Johann Studium der Jura und Mathematik 1711 - 1716 Unterricht des Bruders Daniel 1715 Licentiat jur. 1716 Reisen 1723 Prof. in Bern (Jura) 1725 Prof. in St. Petersburg 1726 Tod, wahrscheinlich durch Blinddarmentzündung. Differentialgleichungen 95 Daniel Bernoulli (1700 - 1782) Sohn von Johann Beschäftigung mit Mathematik seit 1711 von Niclaus II unterrichtet 1721 - 23 vom Vater unterrichtet Zum Kaufmann bestimmt, da Johann zunächst die Fähigkeiten des Sohnes unterschätzte, ihm später das Studium der Medizin gestattete. 1725 Berufung von Niclaus II und Daniel als Professoren für Mathematik an die 1724 gegründeten Petersburger Akademie. 1733 Prof. für Anatomie und Botanik in Basel 1750 Prof. für Physik (Nachfolger des Vaters) Sehr berühmte Familie. Einem Unbekannten stellte er sich vor: "Ich bin Daniel Bernoulli", worauf dieser erwiderte: "Und ich bin Isaac Newton." Berechnung der Herzarbeit Wahrscheinlichkeitsrechnung 1738 Kinetische Gastheorie: p = ρv2/3 Hydrodynamik (mit Johann B.): p + ρv2/2 + ρgh = p0 xy = yx ganzzahlige Lösungen: nur 2 und 4, rationale Lösungen: unendlich viele, auch andere Lösungen gibt es (Økomplexe) Theorie der schwingenden Saite 96 Der Streit der Brüder Bernoulli 1692 Johann (in Paris): Jakob ist an der Segelkurve verzweifelt. 1695 Jakob: Keineswegs verzweifelt, sondern richtige Lösung rechtzeitig an Leibniz abgeschickt. Johanns Lösung dagegen war fehlerhaft, obwohl von de l'Hospital verbessert. Johanns letzter Aufsatz über die Isochrone war so nützlich wie nach dem Frühstück Eier auftragen. 1696 Johann stellt die Zykloidenaufgabe. 1697 Antwort Jakobs mit Lösung und drei neuen Aufgaben, für deren richtige Lösung durch Johann er 50 Imperialen (Dukaten) Preisgeld aussetzt. Sechs Monate Zeit. Johann: Habe die Lösung innerhalb 3 Minuten gehabt und an Leibniz geschickt. 1698 Jakob: Eine Aufgabe nicht korrekt gelöst. Man kann aus falschen Annahmen durch falsches Schließen zum richtigen Ergebnis kommen. Johann: Der [unbekannte Kritiker] ist so dumm wie ein Fisch. Nur eine unbedeutende und nicht gefragte Verallgemeinerung ist fehlerhaft. Das Preisgeld wird den Armen gespendet. Bei Nichtzahlung betrügt Jakob diese. Jakob: Soll diese Erklärung nun gelten? (Damit später keine Übereilung mehr vorgeschützt werden könne.) ... 1700 Jakobs Lösung 1706 Johanns Gegenlösung 1718 Johanns Eingeständnis eines Irrtums 97 6. Euler, Gauß, Cauchy Leonard Euler (1707 - 1783) Sohn des Geistlichen Paul Euler, der dem Unterricht bei Jakob Bernoulli zu folgen vermochte. Studium der Theologie und Mathematik. Lieblingsschüler von Johann Bernoulli, eng befreundet mit seinen Kommilitonen Niclaus II. und Daniel Bernoulli. 1723 Magister Lobende Erwähnung für eine Arbeit über Schiffsbau, obwohl er noch nie ein Schiff auf dem Meer gesehen hatte (mathematisch hervorragend, aber wenig praktisch). Später 12 mal Preisträger. Medizinstudium begonnen, da die Bernoulli-Brüder über eine vakante Stelle für Medizin in St. Petersburg berichtet hatten. Ruf nach St. Petersburg als Adjunkt für Mathematik, aber Zarin Katharina (nicht die Große, sondern die Witwe Peters, des Großen) starb am 17. Mai 1727, genau an dem Tag, als Euler russischen Boden betrat. Peter II. regiert. Euler wird Schiffslieutenant. 1730 Zarin Anna. Euler arbeitet erfolgreich als Akademiker. 1735 Verlust der Sehkraft des rechten Auges. Überanstrengung? 1740 Anna tot. Unruhen. 1741 Zarin Elisabeth schafft Ordnung, aber der berühmte Euler ist vom neuen König Friedrich II. nach Berlin berufen. Dreiwöchige Schiffsreise. 1744 Direktor der math. Klasse der Preuß. Akad. Friedrich II. Zarin Elisabeth Populäres Buch: Briefe an eine deutsche Prinzessin. In 7 Sprachen übersetzt. Lapsus: "Berlin liegt höher als Magdeburg, weil die Spree in die Havel und diese in die Elbe fließt." - Aber weit unterhalb von Magdeburg! 98 Friederike von Brandenburg-Schwedt (1745 - 1808) Bedeutende Preisgelder, fortlaufend Pension aus Rußland. Großes Haus, Landgut, Haushalt mit 18 Personen. Akademiemitglieder hatten viel Freiraum, mussten aber alle vom Herrscher übertragenen Arbeiten erledigen, Euler hatte z.B. die Aufgaben: Leitungssysteme für Springbrunnen berechnen Übersetzung von abgefangenen russischen Briefen Griechisch-Lateinisches Quadrat für Trupppenparade berechnen Vermessungen zur Trockenlegung des Oderbruchs Berechnungen zu Renten In Berlin über 200 wiss. Arbeiten über Mathematik, Physik, Technik: Schwingende Saiten Eulersches Theorem: 2<Wkin> = k< Wpot> Bsp.: harmonische Schwingungen: k = 2 ⇒ <Wkin> = < Wpot> Gravitationsfeld: k = -1 ⇒ <Wkin> = -(1/2) < Wpot> Eulersche Winkel (starrer Körper) Eulersche Kreiselgleichung Eulersche Knickgleichung Eulersche Gleichungen (Hydrodynamik) Mondtheorie (Navigation, 300 Pfund Preisgeld der engl. Marine) Schiffsbau Artillerie aber auch über Christentum. Friedrich II. erkannte Eulers Größe nicht, zog französische Gelehrte vor. Euler nicht recht glücklich. Wortkarg. 99 Wagte sich auch an metaphysische Fragen, wobei Voltaire und andere gelehrte Schwätzer ihn oft aufs Glatteis führten. d'Alembert in Berlin, sollte Präsident der Akademie werden, lehnte ab. 1766 triumphale Rückkehr nach St. Petersburg. Bald erblindet. Kurz vorher noch blind zu schreiben geübt. Staroperation zunächst erfolgreich, dann Infektion. Gläubiger Calvinist. Diderot als Atheist am Zarenhof. Eulers Gottesbeweis: a + bn = nx fl Gott existiert. Bis zum Tode produktiv. Oft mit einem Enkel auf dem Schoß. Hunderte von Publikationen unter Mithilfe von Assistenten. Kopfrechnen und Gedächtnis phänomenal. Das Rechnen fällt ihm so leicht wie anderen das Atmen. (F. Arago) 1783 Schlaganfall, Tod Größter Mathematiker des 18. Jhd. Einer der fruchtbarsten Mathematiker aller Zeiten. Sein Werk füllt 70 große Bände. Arbeiten aufgestapelt. Bei Bedarf gedruckt. Oft die Ergänzungen vor den Originalen. Johann Bernoulli, der keineswegs unter mangelndem Selbstbewußtsein litt, über Euler: mathematicorum princeps d'Alembert: Ce diable d'homme Königsberger Brückenproblem (1741): Ist es möglich, alle sieben Brücken über den Pregel zu passieren, ohne eine mehrfach zu benutzen? (Geometrie der Lage, von Leibniz inspiriert) Eulerscher Polyedersatz Ecken + Flächen = Kanten + 2 (Descartes' Entdeckung nochmals entdeckt) Bsp.: Tetraeder: 4 + 4 = 6 + 2, Würfel: 8 + 6 = 12 + 2 Beweiskizze am Tetraeder: 1) Figur öffnen, eine Fläche entfernen. Für die verbliebenen Elemente gilt: E + F' - K = 1. 2) Alle mehrseitigen Flächen in Dreiecke zerlegen. Bei jeder Abtrennung eines Dreiecks wachsen K und F' gleichzeitig um 1. 100 E bleibt konstant. F' - K = const 3) Alle an die Öffnung anstoßenden Dreiecke öffnen. Jeweils ein F und ein K verschwinden. F' - K = const. 4) Alle freien Kanten entfernen. Jeweils ein E und ein K verschwinden. E - K = const. 5) Es bleibt am Ende ein Punkt. E + F' - K = 1 + 0 - 0 = 1 richtig (für konvexe Polyeder) Griechisch-Lateinische Quadrate Alle Kombinationen A1, A2, A3, B1, B2, B3, C1, C2, C3 müssen vorkommen! Griechisch-Lateinisches 6ÿ6-Quadrat weder gefunden, noch Nichtexistenz beweisen können. (In der preußischen Armee sechs Waffengattungen und sechs militärische Ränge.) Allgemeine Untersuchung: Es gibt GL-Quadrate für jede ungerade Basis und für jede durch 4 teilbare Basis. Unbekannt bleiben die Basen 2n + 2 = {2, 6, 10, ...} Griechisch-Lateinisches 2ÿ2-Quadrat existiert nicht. fl Euler vermutete: (2n + 2) - GL-Quadrate existieren nicht. Gaston Tarry 1900: alle 6ÿ6-Quadrate durchmustert: Vermutung stimmt. 1959 GL-Quadrat zur Basis 22 konstruiert. Später bewiesen: außer zur Basis 2 und zur Basis 6 existieren alle. Bezeichnungen am Dreieck 101 1739 Kettenbruchentwicklung von π 1740 eiϕ = cosϕ + isinϕ eiπ/2 = i eiπ = -1 ei3π/2 = -i ei2π = 1 zu Johann Bernoullis Behauptung ln(x) = ln(-x): (ix)4 = (x)4 ⇒ ln(ix)4 = ln(x)4 ⇒ 4ln(ix) = 4ln(x) aber Johann B. habe selbst gefunden: ln(i) = iπ/2 andererseits: ln(xÿ(-1)) = ln(x/(-1)) ⇒ ln(x) + ln(-1) = ln(x) - ln(-1) ⇒ ln(-1) = - ln(-1) Euler erkennt: Der Logarithmus negativer Zahlen ist unendlich vieldeutig i(π+n2π) e = -1 fl ln(-1) = i(π+n2π) mit n œ Ÿ ∑2f/∑x∑y = ∑2f/∑y∑x Kürzeste Linien auf sphärischen und beliebigen Oberflächen Viele bestimmte und unbestimmte Integrale berechnet. Meister der Substitution. Erstes Eulersches Integral n! für alle reellen Zahlen verallgemeinert: Zweites Eulersches Integral Γ(n+1) = = n! Γ(x+1) = xΓ(x) = 102 Regula Caeci (Regel des Blinden) bei unvollständiger Information Bsp.: Ein Bauer kauft 100 Stück Vieh zu 100 Rthl. Ein Schwein kostet 7/2 Rthl, eine Ziege 4/3 Rthl, ein Schaf 1/2 Rthl. Wieviel kauft er von jeder Sorte? x + y + z = 100 21x + 8y + 3z = 600 18x + 5y = 300 y = 60 - 18x/5 18x/5 ∈ Õ fl x/5 ∈ {1/18, 1/9, 1/6, 1/3, 1/2, 1, 2, 3, 4, 5,...} x ∈ Õ fl x/5 ∈ {1/18, 1/9, 1/6, 1/3, 1/2, 1, 2, 3, 4, 5,...} y > 0 fl x/5 ∈ {1/18, 1/9, 1/6, 1/3, 1/2, 1, 2, 3, 4, 5,...} x ∈ {5, 10 , 15} y = 24, z = 66 Die Bezeichnungen π, e und i eingeführt (π erstmals benutzt von W. Jones, 1706. Euler hatte seit 1734 p für Perimeter = Umfang benutzt.) Divergente Reihen bedenkenlos eingesetzt: 1 1− x = x0 + x1 + x2 + x3 + ... 1 = (-1) 0 + (-1)1 + (-1)2 + (-1)3 + ... 1 − ( −1) = 1 - 1 + 1 - 1 + - ... = ½ 1 = 1 + 2 + 4 + 8 + ... = -1 1− 2 mit Wallis angenommen: 1/3 < 1/2 < 1/1 < 1/0 < 1/-1 Zetafunktion Ausgehend von der Reihe für sinx die Reihe der inversen Quadrate summiert (Leibniz und die Bernoullis hatten es vergeblich versucht) 1 + 1/22 + 1/32 + 1/42 + ... = π2/6 103 1 + 1/24 + 1/34 + 1/44 + ... = π4/90 ... n 1-2n + 2-2 + 3-2n +... = π-2n 2-2n-1 Bn /(2n)! Reihenwert für ungerade Potenzen: bislang noch nicht gefunden. ζ(-1) = 1 + 2 + 3 + 4 + ... = -1/12 1 für alle x mit |x| < 1 1+ x −1 −1 + 2 x − 3 x 2 + −... = (1 + x )2 1 − x + x 2 − x 3 + −... = 1 − 2 x + 3 x 2 − +... = 1 (1 + x )2 1 − 2 + 3 − +... = 1 für x = 1 4 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + ... = 1 − 2 + 3 − 4 + 5 − 6 + −... + 4 + 8 + 12 + ... = 1 − 2 + 3 − 4 + 5 − 6 + −... +4 ⋅ (1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + ...) −3 ⋅ (1 + 2 + 3 + 4 + ...) = 1 − 2 + 3 − 4 + −... = (1 + x ∞ x x2 x3 ) = 1 + + + + ... = e x ∞ 1! 2! 3! Zahlentheoretische Funktionen τ(n): Anzahl der Teiler von n aus [1, n] σ(n): Summe der Teiler von n aus [1, n] φ(n): Anzahl der zu n teilerfremden Zahlen incl. 1 Bsp: φ(5) = 4, nämlich die Anzahl der Zahlen {1, 2, 3, 4} φ(p) = p - 1, nämlich die Anzahl der Zahlen {1, 2, 3, ..., p - 1}, für p PZ φ(4) = 2, nämlich die Anzahl der Zahlen {1, 3} φ(4)ÿφ(5) = φ(20) {1, 3, 7, 9, 11, 13, 17, 19} Fermat: ap-1 ª 1 (mod p), falls a und n teilerfremd Euler: sind a und n teilerfremd, so gilt aφ(n) ª 1 (mod n) 1737 Summe der Kehrwerte der Primzahlen Σ1/p divergiert fl Anzahl der Primzahlen ist unendlich. fl Die PZ liegen dichter als die Quadratzahlen, da Σ1/n2 konvergiert. 104 1 4 Die Anzahl der Primzahlen p < N ist ungefähr lnlnN Primzahlfolge: n(n+1) + 41 liefert PZ für n = 0 bis n = 39 Begründer der Variationsrechnung (nach Vorarbeiten der Bernoullis): Für welche Funktion y wird extremal? Die Variation verschwindet im Extremum. fl Partielle integration: An den Grenzen ist dy = 0. dy ist beliebig fl Euler-Lagrangesche DGL: J.L. Lagrange: ÛL(x, p)dt = Û(Wkin - Wpot)dt = (Wirkung) wird extremal. Vermutung: Für xn benötigt man mindestens n Summanden für die Form: a2 + b2 = x2 a3 + b3 + c3 = y3 a4 + b4 + c4 + d4 = z4 105 32 +42 = 52 33 + 43 + 53 = 63 (geht nicht so weiter) Die Vermutung ist falsch: 275 + 845 + 1105 + 1335 = 1445 N. Elkies, 1988: 26824404 +153656394 + 187967604 = 206156734 und es gibt unendlich viele Gegenbeispiele 1749 nach siebenjährigen Mühe bewiesen: Zerlegung einer Primzahl der Form 4n + 1 in zwei Quadrate ist stets und nur auf eine Weise möglich: 5 = 22 + 12 13 = 32 + 22 17 = 42 + 12 Primzahlen der Form 4n -1 besitzen diese Eigenschaft nicht: 3, 7, 11. 1732 Fermatsche Primzahl faktorisiert: 5 22 + 1 = 4294967297 = 641ÿ6700417 Die Zahl kann auf zwei Weisen zerlegt werden, ist also nicht prim: 2 (216) + 12 = 622642 + 204492 106 Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855) Der dreijährige Carl Friedrich korrigierte seinen Vater bei der Lohnabrechnung. Rechnen vor dem Sprechen gelernt. Mit neun Jahren: 1 + 2 + 3 + ... + 100 100 + 99 + 98 + ... + 1 101 + 101 + 101 + ...+ 101 = 10100 1 + 2 + 3 + ... + n = n(n+1)/2 Pauca sed matura Disquisitiones Arithmeticae (1801) Zahlentheorie Modulo-Arithmetik Satz von Fermat Satz von Wilson Quadratische Gleichungen Quadratische Formen Primzahltests Kreisteilung Konstruktion des 17-Eck Algebra Methode der kleinsten Quadrate Fehlerfortpflanzungsgesetz Osterformel Eliminationsverfahren Nichteuklidische Geometrie Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra Krümmung (1/r) Elliptische Integrale Arithmetisch-geometrisches Mittel: a0, b0 > 0 an+1 = (an + bn)/2 bn+1 = \/anbn 107 Wiederauffindung des Ceres Kirchhoffsche Gesetze Erdvermessung Erdmagnetfeld Telegraph Heliotrop Direktor der Göttinger Sternwarte Er vermaß ein durch den Brocken, den Hohen Hagen und den Inselberg gebildetes Dreieck, dessen Seiten 69, 85 und 107 km maßen. ∫ d R div A( R) = ∫ d 3 V 2 R ⋅ A( R) ∂V Komplexe Zahlenebene Gedenkmünze "Mathematicorum Principi“ 108 Augustin Louis Cauchy (1789 - 1857) Tätigkeit als Ingenieur ab 1816 Professor in Frankreich und Italien Mit etwa 800 Abhandlungen ungewöhnlich produktiver und vielseitiger Mathematiker Cauchy-Kriterium Quotientenkriterium Wurzelkriterium Reihenverdichtung Konvergenzradius Diagonalverfahren Ableitung und Integral als Grenzwert Theorie komplexer Funktionen Potentielles Verständnis des Grenzwertes: Wenn die Werte, die eine Variable annimmt, unbeschränkt einem festem Wert zustreben, so dass sie schließlich von ihm so wenig abweichen wie man will, so wird derselbe der Grenzwert aller anderen genannt. Irrationale Zahlen lassen sich als Grenzwerte von Folgen rationaler Zahlen definieren. 109 7. Transzendente Zahlen Algebraische Zahlen sind Nullstellen oder Wurzeln von Polynomen, d. h. Lösungen der zugehörigen algebraischen Gleichungen P(x) = a0 + a1x1 + a2x2 + ... + anxn = 0 mit ganzzahligen Koeffizienten aν und nichtnegativen ganzen Exponenten ν. Der größte Exponent n heißt Grad des Polynoms P. Beispiele für algebraische Zahlen sind 2+x=0 fl x = –2 2 – 3x = 0 fl x = 2/3 2 – x2 = 0 fl x1 = – 2 , x2 = 2 1 – x3 = 0 fl 3 3 1 1 x1 = 1 , x2 = –2 - i 2 , x3 = –2 + i 2 2 – x3 = 0 fl x= 3 2 , x2 = 3 3 1 2 (–2 – i 2 ) , x3 = 3 3 1 2 (–2 + i 2 ) mit der Abkürzung i = ◊(–1). Die ganzen und die rationalen Zahlen gehören als Untermenge zu den algebraischen Zahlen in derselben Weise, wie die ganzen Zahlen eine Untermenge der rationalen Zahlen sind. Der Grad einer algebraischen Zahl α ist der Grad ihres Minimalpolynoms *, des Polynoms von kleinstem Grade, das die Wurzel α besitzt (s. Kasten: Beweis des Satzes von LIOUVILLE, S. 89). Bis auf einen konstanten Faktor ist das Minimalpolynom einer algebraischen Zahl eindeutig bestimmt. Eine nicht algebraische Zahl heißt transzendent. Der Grad einer rationalen Zahl ist n = 1. Der Grad der Quadratwurzel aus einer Primzahl ist n = 2. Der Grad der Kubikwurzel aus einer Primzahl ist n = 3. Eine transzendente Zahl ist nicht Wurzel eines Polynoms, das per Definition immer einen endlichen Grad besitzt, sondern Wert einer unendlichen Reihe (s. Kapitel II). Wir haben rationale Zahlen mit unendlich vielen periodischen und irrationale Zahlen mit unendlich vielen nichtperiodischen Dezimalstellen kennengelernt. Nun aber stehen wir vor der Notwendigkeit, das Unendliche schon bei der Erzeugung einer Zahl zu akzeptieren. Die Möglichkeit dazu besteht allerdings für jede Zahl, wie schon die geometrische Reihe zur Erzeugung der Zahl 1 = 1/2 + 1/4 + 1/8 + ... zeigt. Ein Irrationalitätsbeweis für die Zahl α zeigt, dass α nicht Wurzel eines Polynoms vom ersten Grade n = 1 ist, denn mit P(α) = a0 + a1α = 0 wäre α = –a0/a1 eine rationale Zahl. Im Gegensatz zu 2 – x3 ist 1 – x3 = (1 + x + x2)(1 – x) kein Minimalpolynom, da es sich in Polynome mit ganzzahligen Koeffizienten aufspalten lässt. Deswegen treten unter den Wurzeln von 1 – x3 keine Kubikwurzeln auf. * 110 Ein Transzendenzbeweis für die Zahl α ist viel schwieriger zu führen, denn er muss zeigen, dass α nicht Wurzel eines Polynoms von endlichem Grade n < ¶ ist. Obwohl die rationalen Zahlen jeden Punkt der Zahlengeraden zu bedecken scheinen, gibt es weitere, die algebraischen irrationalen Zahlen. Obwohl die algebraischen Zahlen jeden Punkt der Zahlengeraden zu bedecken scheinen, gibt es weitere, die transzendenten Zahlen. Alle transzendenten Zahlen sind Irrationalzahlen. Sie gehören also als Untermenge zur Menge der irrationalen Zahlen, die wiederum eine Untermenge der reellen Zahlen ist. Joseph Liouville (1809 – 1882 ), seit 1833 Professor in Paris, bekannt vor allem durch den Liouvilleschen Satz zur Konstanz des Phasenvolumens, konnte 1844 zeigen, dass transzendente Zahlen existieren. Er bewies den heute nach ihm benannten Satz von Liouville: Ist α ist eine algebraische Irrationalzahl vom Grade n, so besitzt die Gleichung α− u 1 < n +1 v v (1) nur endlich viele rationale Lösungen u/v. 1. Beispiel: Ist α = m œ Ÿ eine ganze Zahl, so ist n = 1, doch sogar für beliebiges n œ Ù besitzt (1) nur eine Lösung: m− u 1 < n +1 fl |mvn+1 – uvn| < 1 v v Der Absolutbetrag ist eine nichtnegative ganze Zahl < 1, weil m, u, v œ Ÿ. Da bleibt nur die Null. u |mv – u|ÿvn = 0 fl =m v Letzteres folgt wegen v ≠ 0. 2. Beispiel: Ist α = p/q eine positive rationale Zahl, so ist n = 1. Ungleichung (1) p u 1 − < 2 q v v kann – außer von Brüchen u/v = α – nur von Brüchen mit Nenner v § q erfüllt werden, und davon gibt es in der Nähe von p/q nur endlich viele. Für v > q erhalten wir nämlich mit p, q, u, v œ Ù, p u pv − qu 1 1 − = ≥ > 2 . q v qv qv v Für negative rationale Zahlen gilt dasselbe. 3. Beispiel: Für α = ◊2 = 1,414... ist n = 2. (1) besitzt für v = 2 nur eine Lösung. 111 ..., 2− 1 1 > 3, 2 2 2− 2 1 > , 2 23 2− 3 1 < , 2 23 2− 4 1 > , ... 2 23 Für α = ◊2 und v = 10 besitzt (1) überhaupt keine Lösung. ..., 2− 13 1 > 3, 10 10 2− 14 1 > 3, 10 10 2− 15 1 > 3, 10 10 2− 16 1 > 3 , ... 10 10 Beweis des Satzes von Liouville Die algebraische Irrationalzahl α besitzt den Grad n, wenn es kein Polynom von kleinerem Grade als n gibt, dessen Wurzel α ist. Das Polynom P(x) vom kleinsten Grade n mit der Wurzel α heißt Minimalpolynom von α. Es besitzt keine rationale Nullstelle u/v, denn andernfalls könnte P(x) durch den zugehörigen Linearfaktor (x – u/v) dividiert werden, und es ergäbe sich als Quotient ein Polynom Q(x) kleineren Grades, das aber ebenfalls die Wurzel α besäße. Also ist der Wert des Minimalpolynoms von α für ein rationales Argument x = u/v immer von Null verschieden. a v n + a1uv n -1 + ...+ anu n u u un 1 0 ≠ P( ) = a0 + a1 + ... + an n = 0 ≥ n n v v v v v (2) Letzteres folgt, weil der Zähler ganzzahlig ist, aber nicht verschwindet. Nach dem Mittelwertsatz gibt es zwischen der Nullstelle α und dem größeren (oder kleineren) rationalen Abszissenwert u/v eine Stelle x, α < x < u/v, an der die Funktion P(x) dieselbe Steigung besitzt wie die Sekante von der Nullstelle zum Funktionswert P(u/v) an der Stelle u/v. Diese Steigung P'(x) ist endlich und kann daher durch eine endliche Konstante C abgeschätzt werden. Mit P(α) = 0 folgt u P( ) v = P '( x) ≤ C u α− v (3) Setzen wir (2) in (3) ein, so ergibt sich (für v > 0) 1 u ≤ α − ⋅C . n v v (4) Ungleichung (4) und Forderung (1) führen auf 1 u 1 ≤ α − < n +1 n C ⋅v v v und damit werden die (in jedem Falle als positiv voraussetzbaren) Nenner v, die Forderung (1) erfüllen können, durch die Konstante C in der Ungleichung v<C 112 beschränkt. Die Forderung (1) kann nur von Brüchen erfüllt werden, deren Werte in der Nähe der Irrationalzahl α liegen und deren Nenner nicht größer als C sind. Das sind nur endlich viele; q. e. d. Joseph Liouville hat aber nicht nur seinen Satz bewiesen, sondern auch gezeigt, dass es Zahlen α gibt, für die (1) unendlich viele Lösungen u/v besitzt, die somit keine algebraischen Irrationalzahlen sein können. Eine von ihnen ist die Liouvillesche Zahl ∞ 1 , ν! ν = 1 10 τ =∑ Grenzwert einer Folge von Partialsummen: τ1 = 0,1; τ2 = 0,11; τ3 = 0,110001; ... . Die ersten Stellen, an denen Einsen auftreten, sind: τ = 0,110001000...0001000...0001000...0001000... 12 6 24 120 720 Die Zahl τ ist nicht periodisch, also ist sie irrational. u Für jedes n œ Ù existiert nun eine rationale Zahl mit v > 1 als Lösung von (1). Der v Exponent n+1 wird im Folgenden aus Bequemlichkeitsgründen durch m ersetzt. τ− u 1 < m v v Wählen wir als Rationalzahl u/v = τ3 3 τ3 = ∑10-ν! = 0,110001 = ν=1 110001 1000000 mit dem Nenner v = 106, so erhalten wir für n = 2, also n+1 ª m = 3: ∞ 3 1 1 1 + 120 +… ≤ 24 10 10 (106 )3 ν=1 ν=1 Für m = 4 finden wir die Lösung u/v = τ4, weil 120 > 24ÿ4 und die weiteren Exponenten so groß werden, dass die betreffenden Stammbrüche keine Rolle mehr spielen. Für beliebiges m finden wir die Lösung τm, weil 10m! der Hauptnenner von τm ist und τ − τ3 = ∑10- ν! - ∑10-ν! = |τ – τm| = 10-(m+1)! + 10-(m+2)! + 10-(m+3)! + ... < 10-m!m. Auf diese Weise ergeben sich unendlich viele Lösungen von (1). ∞ 1 , ∑ ν! ν=1 10 ∞ 1 , ∑ ν! ν=1 2 ∞ ∞ 1 1 , ν! ∑ 2 ν! ∑ 22 ν=1 10 ν=1 10 und ähnlich aufgebaute Zahlen sind Liouvillesche Zahlen. 10 und 2 dienen hier lediglich als konkrete Beispiele; sie können durch beliebige natürliche Zahlen ¥ 2 ersetzt werden. 113 Charles Hermite (1822 – 1901), ebenfalls ein französischer Mathematiker, bewies 1873 dass auch die Zahl e transzendent ist. a0 + a1e + a2e2 +...+ anen ≠ 0 Carl Louis Ferdinand von Lindemann (1852 – 1939) zeigte 1882, gestützt auf den Hermiteschen Beweis, dass die Gleichung β1eα1 + ... + βneαn = 0 für verschiedene algebraische Zahlen α1, ..., αn und algebraische Zahlen β1, ..., βn ≠ 0 und natürliche Zahlen n keine Lösung besitzt. Aus der Gleichung eiπ + 1 = 0 (sie wäre für rein algebraischen Exponenten wie i und 0 nicht möglich) folgt damit die Transzendenz der Zahl π. a0 + a1π + a2π2 +...+ anπn ≠ 0 Ein Polynom kreuzt die Abszisse niemals bei x = e oder x = π. Das uralte Problem der Kreisquadratur war damit 1882 endgültig erledigt. In einem Vortrag zählte David Hilbert derweil im Jahre 1900 die 23 wichtigsten mathematischen Probleme auf; an siebenter Stelle erwähnte er den Transzendenzbeweis für 2√2 und ähnliche Zahlen. Dem russischen Mathematiker Alexander Gelfand (1906 – 1968) und dem deutschen Mathematiker Theodor Schneider (1911 – 1988) gelang 1934 unabhängig voneinander dieser Beweis – eine ebenso merkwürdige Parallelität wie im Falle der Entdeckung des Periodensystems. 114 8. Transfinite Mengenlehre Eine Bijektion ist eine eins-zu-eins-Abbildung. Das bekannteste Beispiel ist der Walzertanz. Wenn eine Gruppe von Damen und eine Gruppe von Herren sich beim Walzer so arrangieren können, dass jeder Tänzer genau eine Tänzerin und jede Tänzerin genau einen Tänzer hat, also niemand übrig bleibt, dann haben wir eine Bijektion zwischen den Mengen von Damen und Herren. Eine solche Bijektion sagt uns, dass die beteiligten Mengen genau gleichviel Elemente besitzen, jedenfalls solange die Mengen endlich sind. In der Mengenlehre geht man heute davon aus, dass die Existenz einer Bijektion auch bei unendlichen Mengen die Gleichheit der Elementzahl beweist, was zu einigen Paradoxien führt. Eine bijektive Abbildung zwischen ganzen Zahlen und geraden Zahlen, n ¨ 2n, zeigt demnach, dass es genau so viele gerade Zahlen wie ganze Zahlen gibt. 1 2 2 4 3 6 4 8 5 10 6 12 7 14 8 16 9 18 ... ... Galilei zeigte mit der Methode, dass es genau so viele Quadratzahlen wie natürliche Zahlen gibt, n ¨ n2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ... 1 4 9 16 25 36 49 64 81 ... Bernard Bolzano (1781 – 1848), tschechischer Theologe, Philosoph und Mathematiker, der Schöpfer des Begriffs "Menge", nimmt eine entgegengesetzte Position ein. In seinem Buch Die Paradoxien des Unendlichen beschreibt er eine bijektive Abbildung der Form y = kx, die zwischen allen Punkten von zwei verschieden langen Geraden stattfindet (s. Abbildung). Die Geraden, so argumentiert er, enthalten sicher verschiedene Mengen von Punkten. Eine Bijektion zwischen unendlichen Mengen impliziert also nicht die gleiche Elementzahl der beteiligten Mengen. Bolzano hält das aktual Unendliche für existent und unterscheidet sogar verschieden große Unendlichkeiten. Ein Beweis für das aktual Unendliche ist mein Gedanke an einen wahren Satz, und zwar, dass ich daran denke, dass ich daran denke, ... Als Beispiele für das aktual Unendliche nennt Bolzano außerdem Gottes unendlich große Kraft, Güte, Weisheit, die Menge der Zahlen, die Menge der Punkte von Linie, Fläche, Körper, Raum und Zeitspanne, die Anzahl der Stellen von ◊2, die Menge aller Kugeln oder aller Tetraeder. Es gibt verschiedene Grade des Unendlichen. Wir können die Menge aller Kreislinien und die Menge aller Kreisdurchmesser vergleichen und finden, dass es zu jedem Kreis unendlich viele Durchmesser gibt. Manche Mengen bilden sogar endliche Zahlenverhältnisse miteinander: Die Menge aller Kreislinien und aller Kreisflächen sind gleich. Mittelpunkte und Brennpunkte aller Ellipsen verhalten sich wie 1:2. Es gibt auch unterschiedliche Qualitäten des Unendlichen. Ein Intervall ist in Hinsicht auf die enthaltenen Punkte unendlich, in Hinsicht auf die Länge nicht. Eine Menge von Elementen einer bestimmten Art heißt unendlich, wenn jede endliche Menge von Elementen dieser Art nur als Teil von ihr erscheint. Ein Beispiel ist die Menge der natürlichen Zahlen. Ein bekanntes Beispiel für das paradoxe Ergebnis einer Bijektion mit unendlichen Mengen liefert "Hilberts Hotel", das nach oben unendlich ist. Auch wenn das Hotel vollständig belegt ist, kann noch ein neuer Gast aufgenommen werden, denn jeder der vorhandenen Gäste wird gebeten, ein Zimmer weiterzuziehen, wodurch Zimmer Nr. 1 frei wird. Selbst unendlich viele Gäste finden noch Platz, weil alle Zimmer mit ungerader Nummer frei werden, wenn jeder schon vorhandene Gast seine Zimmernummer verdoppelt. Zur Reinigung des ganzen Hotels genügt übrigens eine einzige Putzfrau, die allerdings sehr tüchtig sein muss, denn sie reinigt das erste Zimmer zwar in einer halben Stunde, für das zweite Zimmer hat sie aber nur eine Viertelstunde Zeit. Wenn sie jedes Zimmer in der halben Zeit des vorhergehenden schafft, so ist sie nach einer Stunde mit allen Zimmern fertig. Aber das hat nichts mit Bijektionen zwischen unendlichen Mengen zu tun. Georg Cantor (1845 – 1918) Professor in Halle, gilt als Begründer der transfiniten Mengenlehre. Er definiert jede Menge, die in eine Bijektion mit der Menge Ù der natürlichen Zahlen gebracht werden kann, als eine abzählbar unendliche Menge und schreibt ihr die "Mächtigkeit" oder "Kardinalzahl" ¡0 (Aleph-null) zu. Die Menge aller geraden Zahlen und die Menge aller Quadratzahlen sind abzählbar unendliche Mengen. Sie alle besitzen dieselbe Mächtigkeit. Ihre Kardinalzahl, durch Absolutstriche bezeichnet, ist |{gerade Zahlen}| = |{Quadratzahlen}| = ¡0. GEORG CANTOR Eine unendliche Menge ist daran erkennbar, dass sie in eine Bijektion mit einer ihrer Teilmengen gebracht werden kann, wie in den obigen oder der folgenden Tabelle gezeigt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ... 100 200 300 400 500 600 700 800 900 ... Es gibt demnach genau so viele durch 100 teilbare natürliche Zahlen wie natürliche Zahlen überhaupt. Die Menge – aller rationalen Zahlen besitzt dieselbe Mächtigkeit wie die Menge Ù aller natürlichen Zahlen, weil eine Bijektion – ¨ Ù erzeugt werden kann. Wie das Schema zeigt, können alle rationalen Zahlen – sogar mehrfach – in einer Folge angeordnet, also mit den natürlichen Zahlen nummeriert werden. Daher ist |–| § |Ù| = ¡0. Die erste Spalte der Tabelle zeigt aber Ù Õ – und folglich |–| ¥ |Ù| = ¡0. Beide Ungleichungen zusammengenommen ergeben |–| = |Ù| = ¡0, obwohl die rationalen Zahlen dicht liegen – zwischen p und q liegt immer eine weitere (p+q)/2 – und daher zwischen zwei natürlichen Zahlen unendlich viele rationale Zahlen liegen. Das Schema wird auch als Cantors erstes Diagonalverfahren oder als Cauchysches Diagonalverfahren bezeichnet, weil Cauchy es in anderem Zusammenhang erstmals angewendet hat. 1873 bewies Richard Dedekind sogar die Abzählbarkeit der Menge aller algebraischen Zahlen. Er ging vom Fundamentalsatz der Algebra aus, wonach ein Polynom n-ten Grades maximal n verschiedene Wurzeln besitzt. Die Polynome P(x) = a0 + a1x1 + a2x2 + ... + anxn und damit auch die Gleichungen P(x) = 0 können mit Hilfe ihres Index J = |a0| + |a1| + |a2| +...+ |an| + n nummeriert werden. Für J = 1 ergibt sich noch keine algebraische Zahl, weil die Gleichung 1x0 = 0 ebenso wie 0x1 = 0 oder 0x0 = 1 keine (eindeutige) Lösung besitzt. J Gleichungen algebraische Zahlen 2 1x1 = 0 0 3 1x2 = 0, 2x1 = 0, 1x1 ± 1 = 0 0 0 ±1 4 1x3 = 0, 2x2 = 0, 3x1 = 0, 1x2 ± 1 = 0, 2x1 ± 1 = 0, 1x1 ± 2 = 0 0 0 0 ±1, ±i ±1/2 ±2 ... ................................ Alle Polynome mit einem bestimmten Index J können in einer Folge angeordnet werden, alle Lösungen einer Polynomgleichung in einer endlichen Folge, also können alle Lösungen von Polynomgleichungen in einer Folge dargestellt, d. h. nummeriert werden. Die algebraischen Zahlen sind damit abzählbar. Die Kardinalzahl ¡0 ist für Cantor eine aktuale Zahl. Wiederholt spricht er von der unendlichen Menge der endlichen (natürlichen) Zahlen. Das bringt einige Paradoxa mit sich. In Laurence Sternes (1713 – 1768) Geschichte des Lebens von Tristram Shandy verfasst der Held seine Autobiographie so pedantisch, dass er zur Beschreibung eines Tages ein ganzes Jahr benötigt. In endlicher Zeit fällt er immer weiter hinter die Gegenwart zurück. Wenn aber das Unendliche aktual existiert, so kann er fertig werden, denn die Menge seiner Tage und die Menge seiner Jahre besitzen dieselbe Mächtigkeit ¡0; jedem Tag kann somit ein Jahr zugeordnet werden. Cantors zweites Diagonalverfahren basiert, wie man aus Briefen weiß, auf einer Idee von Paul Du Bois-Reymond (1831 – 1889). Das Verfahren zeigt – und das ist wohl cantors originäre Leistung – für die meisten Mathematiker überzeugend, dass die Mächtigkeit der Menge — aller reellen Zahlen größer ist als ¡0. Der Beweis erfolgt durch Widerspruch. Man nimmt an, dass alle reellen Zahlen in einer Liste aufgeschrieben werden können. Die Zeilen sind mit natürlichen Zahlen n nummeriert. Die Annahme, wäre sie richtig, würde zeigen, dass eine Bijektion — ¨ Ù existiert. Die folgende Tabelle soll alle reellen Zahlen r aus dem Intervall (0,1] = {r | 0 < r § 1} in einer beliebigen Reihenfolge enthalten. n 1 2 3 4 5 ... r(n) 0,000111199999... 0,123456789123... 0,555555555555... 0,789789789789... 0,010101010101... ... Erhöht man jede Diagonalziffer, das ist die n-te Stelle der n-ten reellen Zahl, um 1 (oder vermindert sie um 1, wenn die Diagonalziffer eine Acht oder eine Neun ist), und fügt die veränderten Ziffern zusammen, so ergibt sich die Zahl 0,13681... . Sie ist in der Liste nicht enthalten, weil sie sich von jeder reellen Zahl r(n) in der Liste an mindestens einer, nämlich der nten Stelle unterscheidet. Die Annahme einer vollständigen Liste war also falsch. Schon die reellen Zahlen aus dem Intervall (0,1] lassen sich nicht auflisten. Damit gibt es eine Menge mit einer Kardinalzahl |—| > ¡0, die größer als das gewöhnliche Unendliche ¡0 ist. Dieser Beweis wird auch als Cantors Beweis für die Existenz transzendenter Zahlen angesehen, denn da die algebraischen Zahlen abzählbar sind, müssen die meisten (fast alle) reellen Zahlen transzendent sein. Ein zweiter Beweis dazu macht Gebrauch von der Potenzmenge P(Ù) der natürlichen Zahlen. Die Potenzmenge P(M) einer Menge M besteht aus allen Kombinationen ihrer Elemente einschließlich der in jeder Menge enthaltenen leeren Menge { } = «. Sei z. B. M = {a, b}, so ist P(M) = P({a, b}) = {{ }, {a}, {b}, {a, b}}. P(M) besitzt also vier Elemente, die alle Teilmengen von M sind. Ist |M| die Kardinalzahl der Menge M, so ist die Kardinalzahl der Potenzmenge |P(M)| = 2|M|. Dies ist leicht zu sehen. Wenn man zu einer Menge M ein Element m hinzufügt, so verdoppelt sich die Menge aller Teilmengen, |P(M » {m})| = 2|P(M)|, weil das zusätzliche Element m zu jeder Teilmenge einmal hinzugefügt werden muss und einmal nicht hinzugefügt werden darf, um alle Kombinationsmöglichkeiten zu erschöpfen. Die Potenzmenge einer Menge mit nur einem Element {a} ist {{ }, {a}}; sie besitzt 21 Elemente. Immer wenn ein Element hinzugefügt wird, verdoppelt sich die Anzahl der Elemente der Potenzmenge. Der Anstieg ist gewaltig: Eine Menge M mit drei Elementen besitzt die Kardinalzahl |M| = |{a, b, c}| = 3, |P(M)| = 23 = 8, |P(P(M))| = 28 = 256, |P(P(P(M)))| = 2256 º 1077. Der Beweis von G. Hessenberg zeigt nun, dass die Potenzmenge P(Ù) aller natürlichen Zahlen Ù, die gleichmächtig mit der Menge — aller reellen Zahlen ist, nicht dieselbe Mächtigkeit wie Ù besitzt. |—| = |P(Ù)| = 2¡0 > ¡ 0 Zum Beweis gehen wir vom Gegenteil aus und nehmen an, dass es eine Bijektion zwischen Ù und P(Ù) gibt, etwa so wie zwischen den Tagen und Jahren des Tristram Shandy. Dann werden manche natürlichen Zahlen auf Mengen abgebildet, welche diese Zahlen enthalten, in einem willkürlich gewählten Beispiel 1 Ø {1}, 4 Ø {1, 2, 3, 4}, 15 Ø {alle ungeraden Zahlen}, ..., andere werden auf Mengen abgebildet, welche sie nicht enthalten, z. B. 5 Ø {2}, 8 Ø {2, 3, 4}, 17 Ø {alle geraden Zahlen}, ... . Die Menge N aller dieser letzteren Zahlen n, die auf Teilmengen Mn abgebildet werden, in denen sie selbst nicht enthalten sind, N = {n | n Ø Mn ⁄ n – Mn} ist auch eine Untermenge der natürlichen Zahlen, N Œ Ù, und deswegen ein Element der Potenzmenge von Ù. Diese Menge kann aber nicht zur Abbildung gehören, denn es gibt keine natürliche Zahl n0, die darauf abgebildet werden könnte. Wäre n0 œ N, so würde n0 auf eine Menge abgebildet, in welcher n0 enthalten ist, und dürfte nicht in der Menge N enthalten sein, für die eben dies nicht gilt. Würde n0 dagegen aus N herausgenommen, so müsste n0 zu N gehören. Das Dilemma ist unauflöslich. Es gibt demzufolge eine transfinite Zahl aktual abzählbar unendlich ¡0, die durch eine andere transfinite Zahl aktual überabzählbar unendlich 2¡0 übertroffen wird. Durch analoge Beweise kann gezeigt werden, dass eine nicht abbrechende, also unendliche Folge von transfiniten Kardinalzahlen, von einander übertreffenden aktualen Unendlichkeiten entsteht ¡ ¡0 < 2¡0 < 22 0 < ... . Für das Rechnen mit dem aktual Unendlichen gilt, wenn n eine natürliche Zahl ist, ¡0 + n = ¡0 + ¡0 = ¡0 + ¡0 + ... + ¡0 = ¡0ÿ¡0 = ¡0 ¡0ÿ¡0ÿÿÿ¡0 = ¡0n = ¡0 aber im Gegensatz zum potentiell Unendlichen der Analysis ist ¡0 < 2¡0. Cantor fand noch ein weiteres erstaunliches Ergebnis. Er bewies nämlich, dass ein Quadrat nicht mehr Punkte besitzt als eine seiner Seiten. Das führt unmittelbar zu der Aussage, dass der ganze Weltraum mathematisch betrachtet nicht mehr Punkte besitzt als ein beliebig kleines lineares Intervall. Cantor schrieb darüber: "Je le vois, mais je ne le crois pas." (Ich sehe es, doch kann ich es nicht glauben.) Schon im 14. Jahrhundert zog Albert von Sachsen (1316 – 1390) in seinem Buch Questiones subtilissime in libros de celo et mundi den ähnlichen Schluss, dass ein unendlich langer Holzbalken genau so viele Punkte besitzt wie der gesamte dreidimensionale Raum. Eine Bijektion zwischen dem positiven reellen Zahlenstrahl [c, ¶) ohne das Intervall (0, c) und diesem Intervall selbst erzeugt man durch die Abbildung x Ø c2/x (vgl. die Inversion für c = 1 auf S. 47). Dass die Kardinalzahl der Punkte des Quadrates [0, 1]2 nicht größer ist als die Kardinalzahl der Punkte des Intervalls [0, 1], erkennt man folgendermaßen: Seien die Koordinaten x = 0,x1x2x3... und y = 0,y1y2y3... eines Punktes (x | y) œ [0, 1]2 gegeben. Durch Vereinigung der Dezimalstellen der Koordinaten nach dem Schema 0,x1y1x2y2x3y3... (oder einem ähnlichen) erfolgt eine Abbildung aller Punkte des Quadrates in das lineare Intervall (s. Zeichnung). Zahlenbeispiel: Der Punkt des Einheitsquadrates (x | y) = (0,111 | 0,222) wird abgebildet auf den Punkt des Einheitsintervalls 0,121212. Die gewählte Relation ist allerdings nicht bijektiv (ja nicht einmal eine Abbildung), da wegen der Identität der Koordinatendarstellungen x = 0,1000... = 0,0999... (vgl. S. 23) die Vereinigung mit einer beliebigen y-Koordinate nur auf einen Punkt des linearen Intervalls führen dürfte, nicht aber wie hier auf zwei, 0,1y10y20y30y4... und 0,0y19y29y39y4..., die sich deutlich unterscheiden. Eine bijektive Abbildung könnte man mit Hilfe von Kettenbrüchen (S. 30) erzeugen, und das hat Cantor auch demonstriert. Die bijektive Abbildung von allen Punkten eines zweidimensionalen Raumes auf alle Punkte eines Intervalls kann leicht auf höhere Dimensionszahlen erweitert oder mehrmals hintereinandergeschaltet ausgeführt werden. Damit könnten alle Koordinatenquadrupel des gesamten vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums unseres Universums auf eine Strecke von einem Zentimeter Länge (um wenigstens von der Bildmenge eine Vorstellung zu ermöglichen) projiziert werden. Die transfinite Mengenlehre ist eine Theorie, die zahlreiche Paradoxa auf dem Gebiet der Logik kreiert hat. Schon Cantor hatte das erkannt. In einem Brief an Dedekind schrieb er 1899, dass das System aller Alephs inkonsistent ist, also keine Menge bildet. Es gibt auch keine Menge aller Mengen, denn sie müsste ihre Potenzmenge umfassen, was, wie wir oben gesehen haben, unmöglich ist. Das Problem wurde öffentlich bekannt, als Earl Bertrand Russell (1872 – 1970) Mitautor des Standardwerkes der mathematischen Logik Principia Mathematica, 1903 die Frage aufwarf und verneinen musste, ob die Menge {X | X – X} aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, existieren könne. Das Russellsche Paradoxon ist zum besseren Verständnis auch in populäre Formen gekleidet worden: Ein Barbier in einem kleinen Dorf rasiert alle Männer, die sich nicht selbst rasieren. Wer rasiert den (männlichen und also mit einem Bart ausgestatteten) Barbier? Rasiert er sich nicht selbst, so muss er sich rasieren, tut er das, so darf er es nicht. Die Mengenfolge der endlichen Anfangsabschnitte natürlicher Zahlen {1} {1, 2} {1, 2, 3} ... {1, 2, 3, ..., n} ... ist potentiell unendlich, indem jede natürliche Anzahl überschritten wird: Zu jedem endlichen Anfangsabschnitte {1, 2, 3, ..., n} existiert ein größerer Anfangsabschnitt {1, 2, 3, ..., n, n+1}, aber eine aktual unendliche Menge Ù = {1, 2, 3, ...} der Kardinalzahl ¡0 > n für alle n œ Ù ergibt sich nicht. Die gesamte, nicht mehr vermehrbare Menge Ù wird in keiner Zeile erreicht. Wie jede andere Zeile müsste sie sich durch irgendein Merkmal von allen darüber stehenden endlichen Anfangsabschnitten unterscheiden. Um eine natürliche Zahl kann es sich dabei aber nicht handeln, denn alle sind in den endlichen Anfangsabschnitten bereits "verbraucht". Aufgrund des Konstruktionsprinzip der Inklusionsmonotonie (jede Zeile enthält alle Zahlen aus den vorhergehenden Zeilen)) befinden sich alle Zahlen, die in der Folge vorhanden sind, in einer einzigen Zeile. Die aktual unendliche Menge Ù befindet sich aber in keiner Zeile. Die logische Inkonsistenz des aktualen Unendlichkeitsbegriffs wird auch anhand der folgenden Mengenfolge deutlich: Jeder nichtleere endliche Anfangsabschnitt der positiven geraden Zahlen {2} {2, 4} {2, 4, 6} ... {2, 4, 6, ..., 2n} ... enthält eine Zahl, die größer ist als die Kardinalzahl |{2, 4, 6, ..., 2n}| = n des Anfangsabschnitts. Wir sehen sogar, dass mindestens die Hälfte aller enthaltenen geraden Zahlen die Kardinalzahl n übertreffen. Die Kardinalzahl aller geraden Zahlen ¡0 soll jedoch alle von ihr gezählten geraden Zahlen übertreffen. Was für gerade Zahlen sollten das wohl sein, die einen der oben angegebenen Anfangsabschnitte soweit auffüllen, dass die Anzahl der Elemente größer wird als jede als Element darin enthaltene Zahl? Es ist anzumerken, dass jede gerade Zahl in einem endlichen Abschnitt enthalten sein kann. Es ist weiterhin anzumerken, dass eine Eigenschaft, die für alle Elemente einer abzählbaren Menge mit Hilfe von vollständiger Induktion bewiesen werden kann, für eben alle Elemente dieser Menge gilt. Die Behauptung, dass Ù aus der unendlichen Mengenvereinigung {1} » {2} » {3} » ... = Ù resultiert, führt zu folgender Konsequenz: Geben wir die Zahl 1 in ein Reservoir, sodann die Zahl 2, sodann die Zahl 3 und fahren unbegrenzt so fort, indem wir z. B. die Geisterstunde nutzend um 0:00 Uhr beginnen, um 0:30 Uhr den zweiten Schritt ausführen, um 0:45 Uhr den dritten usw., dann enthält das Reservoir nach unendlich vielen Schritten, Schlag 1:00 Uhr, den Grenzwert der Mengenfolge, die Menge aller natürlichen Zahlen. Aber diese Behauptung hat auch eine andere Konsequenz: Geben wir um 0:00 Uhr die Zahlen 1 bis 10 in das Reservoir und entnehmen sogleich wieder die Zahl 1, um 0:30 Uhr geben wir die Zahlen 11 bis 20 in das Reservoir und entnehmen sogleich wieder die Zahl 2, um 0:45 Uhr geben wir die Zahlen 21 bis 30 in das Reservoir und entnehmen sogleich wieder die Zahl 3 usw., dann enthält das Reservoir nach unendlich vielen Schritten um 1:00 Uhr nichts, denn von jeder natürlichen Zahl kann der Zeitpunkt angegeben werden, zu dem sie wieder entnommen wurde. Die letztere Überlegung ist offensichtlich falsch, denn die Anzahl der Zahlen im Reservoir wächst in jedem Schritt um 9 und nimmt niemals ab. Und was noch deutlicher den Fehler aufzeigt, ist dies: Würden wir statt der Zahlen 1, 2, 3, ... die Zahlen 10, 20, 30, ... entnehmen, so enthielte das Reservoir um 1:00 Uhr unendlich viele Zahlen, nämlich alle nicht durch 10 teilbaren natürlichen Zahlen. Das Ergebnis eines Prozesses darf aber nicht von Bezeichnungswillkür abhängen. Wir sehen, dass die Annahme vollendeter Unendlichkeiten zu unmathematischen Absonderlichkeiten führt. Wenn es aber keine vollendete Unendlichkeit gibt, dann kann eine vollendete Unendlichkeit auch nicht übertroffen werden. Wäre Cantors zweites Diagonalverfahren logisch konsistent, so wäre damit nun ein Widerspruch erzeugt, doch ist das Verfahren fehlerhaft, wie sogleich gezeigt wird. Das Cantorsche Verfahren beruht darauf, dass die Diagonalzahl der Liste "realisiert" – nicht nur ihr Grenzwert angestrebt – wird, dass also tatsächlich eine aktual unendliche Ziffernfolge dargestellt wird, die in keinem der unendlich vielen Listeneinträge sonst realisiert ist. Da es sich um einen Unmöglichkeitsbeweis handelt (es soll gezeigt werden, dass keine Liste ihre Diagonalzahl enthalten kann), muss er für jede Form der Liste und jedes Ersetzungsverfahren gelten. Wir können daher eine bestimmte Liste und ein bestimmtes Verfahren auswählen, um das Versagen der Methode zu demonstrieren. Wählen wir die folgende Liste aus, so finden wir, dass der durch Änderung der ersten n Diagonalziffern erzeugte Anfangsabschnitt der Diagonalzahl immer schon in der folgenden Zeile der Liste enthalten ist. n 1 2 3 4 ... r(n) 0,0000000000... 0,1000000000... 0,1100000000... 0,1110000000... ... Wenn hier nämlich die Diagonalziffer 0 durch 1 ersetzt wird, so ist die bis zur n-ten Stelle erzeugte Diagonalzahl in der Zeile n + 1 enthalten. n 1 2 3 4 ... r(n) 0,1000000000... 0,1100000000... 0,1110000000... 0,1111000000... ... In der Diagonale können niemals mehr Einsen stehen als in jeder Zeile. Die Folge der Zeileneinträge r(n) enthält ihren Grenzwert 0,111... nicht, weil er zu keiner endlichen Zahl n gehört. Als Diagonalzahl muss dieser Grenzwert aber "realisiert" werden, weil die Menge der Listeneinträge "fertig" ist. Doch wenn sich dieser Fall bei der Konstruktion der Diagonale ereignen kann, obwohl jede Zeile mit einer endlichen Zahl nummeriert ist, so kann er sich auch bereits bei der Konstruktion der Liste ereignen, die ja genau so breit wie lang ist. Wie sollte man die Behauptung rechtfertigen, dass die Liste 0,111... nicht als Eintrag enthalten kann, die Diagonale aber doch? Wie sollte man die Behauptung rechtfertigen, man könne eine Liste mit ¡0 Zeilen aber keine Ziffernfolge mit ¡0 Ziffern 1 erzeugen? Wenn es bei ¡0 Versuchen in ¡0 Zeilen nicht gelingt, wann dann? Enthält also die Diagonale die Zahl 0,111..., so ist 0,111... auch in der Liste enthalten. Ist die Menge der Listeneinträge dagegen nicht aktual unendlich, so ist auch die Diagonalzahl niemals fertig. In beiden Fällen ist die Diagonalzahl bereits als Eintrag in der Liste enthalten. Zwischen zwei verschiedenen reellen Zahlen r1 und r2 > r1 lässt sich immer eine rationale Zahl q finden. r1 < q < r2 Andernfalls wären die Zahlen r1 und r2 nicht verschieden, sondern ein und dieselbe. Da die rationalen Zahlen abzählbar sind, ist die Menge der von ihnen gebildeten Intervalle ebenfalls abzählbar. (Diese Intervalle können zwar nicht angegeben werden, jedoch können alle Intervallgrenzen angegeben werden – und die Anerkennung nicht konstruierbarer Dinge ist der klassischen Mathematik in der Regel ja nicht fremd.) Wo liegen aber die überzähligen irrationalen Zahlen? Sie können nur zwischen den rationale Zahlen liegen. Um überabzählbar viele irrationale Zahlen unterzubringen, müsste mindestens ein Intervall mit überabzählbar vielen irrationalen Zahlen ohne zwischenliegende Rationalzahl existieren. Es gibt aber nicht einmal zwei unmittelbar benachbarte irrationalen Zahlen. Alle reellen Zahlen des Intervalls [0, 1] können so als Grenzwerte von Binärzahlen in Form eines Baumdiagramms dargestellt werden. Da für jede Ziffer zwei Möglichkeiten bestehen, bi = 0 oder 1, verdoppelt sich die Anzahl der als verschieden erkennbaren Anfangsabschnitte der reellen Zahlen des Intervalls mit jeder Ebene. Ebene Baumdiagramm 0 0. / \ 1 0 1 / \ / \ 2 0 10 1 ... ... Die Stellen, an denen sich Ziffern befinden, bezeichnet man als Knoten. Die unendlich lange Darstellung einer reellen Zahl als Binärfolge wie z. B. 0,000... oder 0,010101... (wo die Pünktchen tatsächlich durch Ziffern ersetzt sind) heißt Pfad. Die Zahl aller Knoten im gesamten Baumdiagramm ist abzählbar unendlich, denn die Abzählung kann nach dem einfachen Schema erfolgen: K0 / \ K1 K2 / \ / \ K3 K4 K5 K6 / K7 ... Die Anzahl aller Pfade entspricht der Anzahl aller reellen Zahlen des Intervalls [0, 1] und diese ist nach der Mengenlehre überabzählbar. Die Anzahl der Pfadabschnitte auf jeder Ebene ist aber identisch mit der Anzahl der Knoten auf dieser Ebene. Und wie man aus dem Grundelement des Binären Baums | K / \ unschwer erkennt, kann ein Pfadabschnitt sich nur dann teilen, wenn ein Knoten vorhanden ist. Die Anzahl der unterscheidbaren Pfadabschnitte kann demnach nur um 1 größer als die Anzahl der Knoten sein. Die Gültigkeit dieser Feststellung wird auf keiner Ebene des Baumdiagramms aufgehoben. Die Entstehung von mehr Pfaden als Knoten ist damit auf jeder endlichen Ebene ausgeschlossen. – Und andere Ebenen gibt es nicht. Das zeigt sich auch in dem Bei-Spiel "Wir erobern den Binären Baum". Ziel des Spiels ist es, alle Pfade des Binären Baums zu markieren. Die Berechtigung zur Markierung eines Pfades erkauft sich der Spieler, indem er dem Bankhalter einen Knoten bezahlt. Dafür darf er einen unendlichen Pfad wie 0,000... markieren und alle Knoten, aus denen dieser Pfad besteht, einheimsen, hier also K0, K1, K3, K7, ... Nun darf er für jeden Knoten, den er dem Bankhalter übergibt, einen weiteren Pfad markieren und dessen Knoten, soweit sie noch nicht markiert waren, zu seinem Guthaben schlagen. Das Spiel endet, wenn der Spieler bankrott ist, weil er keine Knoten mehr besitzt, um Pfadmarkierungsrechte zu kaufen, oder wenn er alle Pfade markiert hat. Wächst die Spielgeschwindigkeit bei zunehmender Routine des Spielers immer weiter an (Beginn um 0:00 Uhr, Fortsetzung um 0:30 Uhr, 0:45 Uhr usw.), so endet das Spiel Schlag 1:00 Uhr mit dem Sieg des Spielers, weil nur abzählbar unendlich viele Knoten existieren, die von Pfaden bedeckt werden können. Wenn kein unüberdeckter Knoten mehr vorhanden ist, so kann auch kein weiterer Pfad mehr konstruiert werden, denn zu jedem Knoten führt nur genau ein einziger Anfangsabschnitt. Folglich müssen alle zu Knoten führenden Anfangsabschnitte und damit auch alle allein aus (unendlich vielen) Anfangsabschnitten bestehenden Pfade bereits konstruiert worden sein. Der Binäre Baum kann aber auch systematisch konstruiert werden, indem in jedem Schritt ein Knoten hinzugefügt wird. Das ergibt eine Folge von Konfigurationen B(n): B(0) B(1) B(2) B(3) B(4) B(5) 0. 0. / 0. / \ 0 1 0. / \ 0 1 0. / \ 0 1 /\ 01 0. / \ 0 1 /\ / 01 0 0 / 0 ... Wieder um 1:00 Uhr sind nach abzählbar unendlich vielen Schritten alle Knoten vorhanden. Aufgrund der Struktur des Binären Baums wird aber in keinem Schritt mehr als ein unendlicher Pfad fertig. (Selbstverständlich wird in keinem Schritt ein unendlicher Pfad fertig, aber das spricht nicht gegen unser Bei-Spiel, sondern allein gegen die Annahme, dass das Unendliche überhaupt fertig werden könnte.) Da von jedem Knoten eines unendlichen Pfades bekannt ist, in welchem Schritt B(n) seine Konstruktion erfolgt, wird jeder Anfangsabschnitt des unendlichen Pfades konstruiert. Mehr als die Konstruktion jedes Anfangsabschnittes kann nicht gefordert werden, denn ein unendlicher Pfad ist nicht mehr als die Vereinigung aller seiner Anfangsabschnitte. Mit der Folge der B(n) werden alle unendlichen Pfade des Binären Baums und damit alle unendlichen Binärfolgen der reellen Zahlendarstellungen des Einheitsintervalls konstruiert, und es zeigt sich, dass die Menge nicht mächtiger als abzählbar unendlich ist. Aber auch wenn man die reellen Zahlen nicht als unendliche Binärfolgen betrachtet, sondern als deren Grenzwerte, die nicht im Binären Baum enthalten sind, so bleibt die Mächtigkeit der Menge dieser Grenzwerte doch abzählbar, denn mit dem Binären Baum werden alle unendlichen Binärfolgen konstruiert, und jede kann gegen maximal einen Grenzwert konvergieren. Existenz und Realität Schon Dedekind hatte die Frage aufgeworfen, ob die durch Alephs bezeichneten Mengen überhaupt konsistent seien, und vermutet, dass sich die Inkonsistenz vielleicht nur noch nicht bemerkbar gemacht habe. Die Existenz endlicher Mengen – von Cantor in einer Replik an Dedekind als ebenfalls unbeweisbar bezeichnet – und damit die Existenz natürlicher Zahlen – ist unvergleichlich sicherer. Es gibt grundsätzliche zwei Möglichkeiten, natürliche Zahlen zu realisieren, nämlich einmal durch Mengen von notwendig quantisierten Gegenständen, und zum andern durch Ziffernsysteme. So ist die Zahl 3 in der Menge {Sonne, Erde, Mond} und in vielen anderen Mengen realisiert, die Zahl 4 in den vier Ecken oder den vier Seiten eines Vierecks, die Zahl 11 in den Spielern einer Fußballmannschaft oder den Stufen einer elfstufigen Treppe. (Notabene: Es geht hier nicht um eine tautologische Definition von Zahlen, sondern um ihre Realisation, ihre Verwirklichung.) Die Zahl 4711 auf diese Weise zu realisieren, wäre zumindest unübersichtlich. Deswegen wird sie durch vier Mengen, deren Elemente in einer Wert-Relation stehen (10 Rechte gelten so viel wie ein Linkes) und mit 4, 7, 1, 1 Elementen ausgestattet sind, realisiert. Die Mengen werden gewöhnlich statt durch Gegenstände (wie Rechensteine, Münzen, Striche oder Kleckse) durch allgemein akzeptierte Abkürzungen realisiert: durch Ziffern. Mit Hilfe dieser außerordentlich nützlichen kulturellen Errungenschaft können nun auch Nachkommastellen von reellen Zahlen realisiert werden – allerdings nur endlich viele. Die Realisierung einer irrationalen Zahl in Form der vollständigen Folge ihrer Dezimalstellen – mit Bleistift und Papier oder auf irgendeine andere Art – ist auszuschließen (auch in Gedanken, denn diese sind an Materie gebunden und ohne Materie nicht denkbar). Das geht aus folgender Überlegung hervor: Im gesamten Kosmos existieren ca. 1080 Protonen und aus Gründen der Ladungsneutralität auch nicht mehr Elektronen. Doch selbst wenn wir unter Einschluss aller Quarks, Leptonen und Austauschteilchen sowie der dunklen Materie die viel zu große Zahl von Z = 10100 spinbehafteten Teilchen annehmen und dazu eine überlegene Zivilisation, die unter Verwendung einer geringen Menge dieser Teilchen in der Lage ist, alle anderen so zu organisieren und zu überschauen, dass jedes durch seine Spineinstellung eine Binärziffer (bit), 0 oder 1, repräsentiert und alle zusammen eine einzige Zahl darstellen: Die Realisierung einer irrationalen Zahl in Form einer Darstellung als Bitfolge misslänge. Oder sollten wir in einer selbst für Endzeitverhältnisse (die nicht das Ende der Zeiten bedeuten) kühnen Spekulation das gegenwärtig 1080 m3 betragende Volumen des Universums in 10365 Elementarzellen mit einer minimalen Kantenlänge von 10-95 m einteilen (die Wellenlänge eines Photons, das die gesamte Energie des Universums in sich vereinigt (s. S. 54) – also sicher die kleinste Länge, der irgendeine physikalische Bedeutung beizumessen wäre), um durch Einordnung der Teilchen in die Elementarzellen mehr Spielraum für die Zahlendarstellung zu erzielen? Sollten wir warten, bis das Volumen des Universums auf 101000 m3 angewachsen sein wird? Natürlich können wir Photonen oder Neutrinos nicht in eine der Elementarzellen einsperren; dafür stehen allenfalls die 1080 Elektronen und Protonen zur Verfügung (falls letztere dann noch existieren), und es ist leicht einzusehen, dass die Zahl der Möglichkeiten, 1080 nicht unterscheidbare Teilchen auf 101285 Zellen aufzuteilen, eine endliche ist (die sich nach einer einfachen Formel für Binomialkoeffizienten berechnen lässt) – und das bliebe sie natürlich auch, wenn 101000.000 individuell unterscheidbare Teilchen und 101000.000.000 Elementarzellen zur Verfügung ständen. Wäre das Universum aber doch aktual unendlich groß und mit aktual unendlich vielen Teilchen ausgestattet? Die Situation bliebe unverändert, denn die endliche Lichtgeschwindigkeit als Grenzgeschwindigkeit für jeden Informationsübertrag würde die Kommunikation "in Ewigkeit" auf endliche Bereiche begrenzen. Eine Technologie, die sich darüber hinwegsetzen könnte, wäre zu Zeitreisen befähigt und hätte uns sicher schon besucht, wenn es sie je geben hätte oder gegeben würde (nicht nur Sprachprobleme dieser Art wären mit Zeitreisen verbunden). Als Fazit bleibt unverändert und unter allen Umständen – denkbaren wie undenkbaren: In der Ziffernfolge irrationaler Zahlen kann das Unendliche niemals aktual existieren. Anhang 1: π π = 3,1415926... U A=r∗ 2 Die Kreisquadratur, also die Berechnung der Kreisfläche mit Hilfe rationaler oder geometrisch darstellbarer irrationaler Zahlen wie 2, wurde im 5. Jhd. v. Chr. aktuell und war schon 414 so populär, dass der Komödiendichter Aristophanes in der Komödie Die Vögel von Kreisquadratoren als von Leuten spricht, die das Unmögliche versuchen. Anaxagoras (500 – 428) – laut Plutarch befand er sich im Gefängnis – und Hippokrates von Chios (ca. 450 v. Chr.) gehörten zu den ersten, die es betrachteten. Es gibt grundsätzlich mehrere Wege, das Problem anzugehen. Eine bewegungsgeometrische Methode fand schon Dinostratus um 400 v. Chr. mit Hilfe der sogenannten Quadratrix, einer Kurve die wahrscheinlich Hippias von Elis um 420 v. Chr. konstruiert hatte. Die Quadratrix Q entsteht aus der Menge der Schnittpunkte, wenn sich die obere Seite a des Einheitsquadrates mit konstanter Geschwindigkeit bis zur Basis absenkt, während gleichzeitig der Radius r mit konstanter Geschwindigkeit den Viertelkreis K um O aus der Senkrechten in die Basis beschreibt. Die Quadratrix teilt die Strecke 2/π von der Basis ab. Bei einer Reihendarstellung der Zahl π, wie der von Gregory und Leibniz, Vieta oder Euler, spricht man auch von arithmetischer Kreisquadratur. Die seinerzeit beste Näherung fand Archimedes (287 – 212), indem er ein 96-Eck in einen Kreis einbeschrieb und ein anderes umbeschrieb (S. 34): 3 + 1/7 > π > 3 + 10/71 Der Chinese Tsu Ch’ung-Chih (430 – 501) gab im fünften Jahrhundert den noch erheblich genaueren Wert π = 355/113 = 3,1415929... an, den sein Landsmann Liu Hwuy aber im siebenten Jahrhundert schon wieder vergessen hatte. Er benutzte die heute noch gebräuchliche Näherung π = 157/50 = 3,14. Allerdings übertraf er damit immer noch den Vertreter der mathematisch sonst sehr gewandten Inder, Brahmgupta, der um dieselbe Zeit π = √10 = 3,16... für exakt hielt. Ludolph van Ceulen (d.h. von Köln, 1540 – 1610) berechnete in einer lebenslangen Arbeit nach der archimedischen Methode 35 Stellen, weshalb man π ihm zu Ehren auch Ludolphs Zahl nannte. Derartige Leistungen steigerten sich, und heute, im Zeitalter der Computer, kennt man viele hundert Millionen Stellen. Weil Lorbeer damit nicht mehr zu ernten ist, verlegen sich manche auf das Auswendiglernen der (soweit bisher bekannt) normal, d. h. rein zufällig und gleichmäßig, verteilten Ziffern. So sagte Rajan Mahadevan 1981 in knapp vier Stunden 31812 Stellen der Zahl π aus dem Gedächtnis auf. Hideaki Tomoyori brauchte 1987 über 17 Stunden, brachte es aber auf 40000 Stellen. Kreisquadraturen im eigentlichen Sinne sind aber alle oben genannten Methoden nicht, denn darunter versteht man eine im Prinzip exakte geometrische Konstruktion, bei der nach Platon (427 – 348) außer dem Zeichenstift lediglich ein Zirkel und ein Lineal ohne Markierungen verwendet werden dürfen. Seit 1755 nahm die französische Akademie der Wissenschaften keine Arbeiten zur Kreisquadratur mehr an. Johann Heinrich Lambert (1728 – 1777) zeigte 1761, dass π keine rationale Zahl sein kann, aber noch im selben Jahrhundert "fanden" drei Amateure unabhängig voneinander den rationalen Wert π = 4ÿ(31/35)2 = 3,137959... . Und 1897 passierte die Gesetzesvorlage Bill 246 das Parlament im US-Bundesstaat Indiana, womit der lakonische biblische Wert π = 3,0 wieder eingeführt werden sollte, um überflüssige Rechenarbeit wegzurationalisieren. Sie scheiterte erst im Senat. Ägypter: Ahmosis, 2. Jtd. v.Chr.: π/4 = (8/9)2 fl π = 3,16... Babylonier: 2. Jtd. v.Chr.: π = 3 + 1/8 = 3,125 Juden: 5. Jhd. v.Chr.: π = 3 Die Zierde von Salomons Tempel (1000 v.Chr) war ein "gegossenes Meer, ruhend auf 12 Rindern" 10 Ellen weit, 5 Ellen hoch, mit einer Schnur ringsum 30 Ellen lang. [Bibel, 1. Könige 7,23 und II. Chronik 4,2] Griechen: Archimedes (287 - 212): π = 22/7 = 3,1428... Chinesen: Tsu Ch’ung-Chih (430 - 501) fand den erstaunlich genauen Wert: π = 355/113 = 3,1415929... den aber Liu hwuy (im 7. Jhd.) schon wieder vergessen hatte: π = 157/50 = 3,14 Inder: Brahmagupta (7. Jhd.): π = √10 = 3,16... Mittelalter: Rückfall in die Barbarei Michael Psellus, Byzanz, 11. Jhd. π = ◊8 = 2,828... Franco von Lüttich, 11. Jhd. π = (9/5)2 = 3,24 Adrian Metius (1585):π = 355/113 = 3,1415929... wiederentdeckt Rechenleistungen Ludolph van Ceulen (Köln) hatte 1596 p auf 20 Stellen berechnet, gegen Ende seines Lebens: 35 Stellen Ø Ludolphs Zahl Isaac Newton (1642 - 1727) berechnete 15 Stellen 1665 zum Zeitvertreib Abraham Sharp, Anfang 18 Jhd. 71 Stellen Sherwin 72 Stellen Machin (1680 - 1752), berechnete 100 Stellen in 1706 Leonhard Euler (1707 – 1783) berechnete in wenigen Stunden 20 Stellen Lamy: 127 Stellen John Dase (1824 - 1861), Rechengenie, multiplizierte innerhalb von Stunden hundertstellige Zahlen im Kopf, berechnete 205 Stellen William Shanks (1812 - 1882) produzierte 607 Stellen, davon 527 richtige, später (1853) 707 Stellen, aber falsch jenseits der 527. Der Fehler wurde erst 1945 erkannt, als D.F. Ferguson 530 Stellen berechnete. Letzte Berechnung mit Papier und Bleistift. 1947 berechnete Ferguson 808 Stellen mit einem Tischrechner. 1949 ENIAC (Electronic Numerical Integrator And Computer): 2037 Stellen in 70 Stunden 1957 10000 Stellen, von denen aber wegen Maschinenfehlers nur 7480 richtig waren 1958 IBM 704: 10.000 Stellen in 100 Minuten 1961 IBM 7090: 100.000 Stellen in 9 Stunden 1973 CDC 7600: 1 Mio. Stellen in weniger als 1 Tag 1985 Symbolics 3670: 17 Mio. Stellen 1986 CRAY-2: 29 Mio Stellen in weniger als 28 Stunden 1987 100 Mio. 1995 6.442.450.000 Stellen, Yasumasa Kanada, Univ. Tokyo, in 116 Stunden 1999 206.158.430.000 Stellen, Takahashi und Kanada auf Hitachi SR8000, Univ. Tokyo Die Ziffern scheinen normal verteilt, π scheint eine normale Zahl zu sein. Anhang 2: Fermats großer Satz Euler bewies mittels descente infinie (wie vermutlich Fermat selbst) a4 + b4 ∫ c4 Gäbe es eine Lösung mit natürlichen Zahlen a1, b1, c1, so gäbe es auch eine Lösung mit kleineren natürlichen Zahlen a2, b2, c2 usw. 1753 erweiterte Euler mittels komplexer Zahlen den Beweis auf a3 + b3 ∫ c3 Damit gilt er auch für alle Zahlen n, die den Faktor 3 oder 4 enthalten: Bsp: (a2)4 + (b2)4 ∫ (c2)4 ⇒ a8 + b8 ∫ c8 (a5)3 + (b5)3 ∫ (c5)3 ⇒ a15 + b15 ∫ c15 also: n = 3, 6, 9, 12, 15, ... sowie 4, 8, 12, 16, 20, ... erledigt aber: Primzahlen 5, 7, ...? Sophie Germain (als Monsieur Le Blanc Studium an der École Polytechnique und Briefwechsel mit Gauss): für PZ mit n ∈ œ und 2n+1 ∈ œ z.B. 3, 5, 11, ... ist an + bn = cn nur möglich, wenn a, b oder c Vielfaches von n ist. (1815) S. Germain darauf basierend: Ausschluß von n = 5 Legendre, Dirichlet (1825) Dirichlet (20 Jahre). Beweis zunächst mangelhaft, von Legendre (70 Jahre) vervollständigt. L. Dirichlet n = 7 Lamé, Lebesgue (1840) G. Lamé, Preis der frz. Akademie wurde für den vollständigen Beweis ausgesetzt: 3000 Francs und Goldmedaille. Cauchy und Lamé waren 1847 überzeugt davon, den Beweis binnen weniger Monate zu vollenden. Versiegelte Umschläge zur Wahrung von Prioritätsansprüchen. Voraussetzung: Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung (Hauptsatz der Zahlentheorie), z. B. 10 = 2ÿ5 Kummer: Die Eindeutigkeit Komplexen nicht gewährleistet. der Primfaktorzerlegung ist im 2 10 = (1 + 3i)ÿ(1 - 3i) = 1 - 9i 2 10 = (3 + i)ÿ(3 - i) = 9 - i Kummer: Beweis für alle n < 100, nämlich alle regulären Primzahlen überhaupt (d.h. p teilt die Nenner von gewissen Bernoullischen Zahlen) sowie die irregulären PZ 37, 59, 67 < 100 E.E. Kummer 1857 Kummer erhält Goldmedaille und 3000 Francs von der frz. Akademie, ohne sich darum beworben zu haben. Beweise für größere n: immer wieder auf andere Art Wolfskehl: Liebe, Selbstmord, Planung. Kurz vor dem Freitod eine kleine Lücke in Kummers Beweis gefunden und geschlossen. 100000 Goldmark (ca. 2,5 Mio DM) testamentarisch ausgesetzt (1950 noch 7600 DM wert) für den Beweis des Satzes bis zum 23. 9. 2007. Wolfskehl Königliche Gesellschaft zu Göttingen treuhänderisch tätig. Ankündigung in allen Zeitungen. Jährlich in allen mathematischen Zeitungen veröffentlicht (bis diese sich weigerten). Enormer Rechenaufwand, dank Computereinsatz bewältigt nach Weltkrieg II: Beweis für n < 1000 1966: Beweis für n < 4001 1976: Beweis für n < 125.000 zuletzt Beweis für n < 4.000.000 alles vergeblich, denn: vgl. Fermatsche Primzahlvermutung oder 31, 331, 3.331, 33.331, 333.331, 3.333.331, 33.333.331 ∈ œ aber 333.333.331 = 17ÿ19607843 1983 G. Faltings, differentialgeometrischer Beweis: Es gibt nur eine endliche Zahl von Lösungen von an + bn = cn für n > 2 1988 Y. Miyaoka, differentialgeometrischer Beweis: Es gibt gar keine Lösungen von an + bn = cn für n > 2 (Beweis leider falsch) Elliptische Kurven: y2 = x3 + ax2 + bx + c (Diophantische Gleichungen) y2 = x3 - 2 besitzt nur eine ganzzahlige Lösung: 52 = 33 - 2 (Fermat) Anzahl der Lösungen i.a. nicht bekannt. Daher Suche in endlichen Zahlengruppen: Für n = 5: 2 + 3= 0; 4 + 3 = 2; 3 + 3 = 1 x3 - x2 = y2 + y besitzt 4 Lösungen (x, y) in der Gruppe n = 5: 03 - 02 = 02 + 0 03 - 02 = 42 + 4 13 - 12 = 02 + 0 13 - 12 = 42 + 4 L-Folge: Anzahl der Lösungen einer Elliptischen Gleichung in der n-Gruppe x3 - x2 = y2 + y besitzt die L-Folge: L1 = 1 L2 = 4 L3 = 4 L4 = 8 L5 = 4 ... = DNS der Elliptischen Gleichungen Modulformen: Abbildungen hoher Symmetrie im hyperbolischen Raum (4 Dimensionen, 2 davon komplex) auf die Riemann-Sphäre. z Ø az + b mit Imz > 0 und ad - bc = 1 cz + d Grundelemente, von 1 bis ¶ durchnumeriert, ergeben die M-Folgen: M1, M2, M3, ... = DNS der Modulformen 1955 Taniyama-Shimura-Vermutung: Jede Elliptische Gleichung besitzt eine zugehörige Modulform mit gleicher Folge. Elliptische Gleichungen und Modulformen sind identische Gebilde (wie Algebra und Geometrie oder Magnetismus und Elektrizität). Lösungen auf dem einen Gebiet gelten auch für das andere. 1984 G. Frey: Besäße An + Bn = Cn mit n > 2 eine Lösung, so könnte man daraus y2 = x3 + (An - Bn)x2 - AnBn erzeugen. Dieser Elliptischen Gleichung ließe sich keine Modulform zuordnen. Y. Taniyama fl G. Shimura Entweder ist die Taniyama-Shimura-Vermutung falsch oder Fermats großer Satz ist richtig. 1993 Wiles: Beweis der Taniyama-Shimura-Vermutung Mit 10 Jahren auf Fermat gestoßen. Doktorarbeit über Elliptische Gleichungen. 7 Jahre lang am Beweis gearbeitet, 100 Druck-Seiten. Zeile für Zeile geprüft von 6 Experten in monatelanger Arbeit, in ständigem e-mail-Kontakt mit Wiles. 23.8.1993 Anfrage nach Detail: "Irgendwann im September wurde mir klar, daß hier ein elementarer Fehler lag." A. Wiles 20 1994 Gegenbeispiel zu Fermats Satz mit einem Exponenten n > 10 gefunden (aber e-mail vom 1. April) 1995 Endgültiger Beweis 1997 Wolfskehlpreis: 70.000 DM von Euler-Spoiler N. Elkies Literatur W. Burkert: Weisheit und Wissenschaft, 1962 M. Cantor: Geschichte der Mathematik I, Teubner 1894 M. Cantor: Geschichte der Mathematik II, Teubner 1900 M. Cantor: Geschichte der Mathematik III, Teubner 1901 C.W. Ceram: Götter, Gräber und Gelehrte, rororo Sachbuch, 1972 E. Colerus: Von Pythagoras bis Hilbert, rororo Sachbuch, 1969 Euklid: Die Elemente, Harri Deutsch, 1996 I. Frenzel: Descartes, Fischer, 1960 W. Henne: Mathematik der Alten Ägypter, Nachrichten und Berichte der FHA, Oktober 1991, S. 14 ff W. Henne: Reihen bei den Alten Ägyptern, Nachrichten und Berichte der FHA, Dezember 1993, S. 13 ff F. Heer: Leibniz, Fischer, 1958 A. Hermann: Lexikon der Geschichte der Physik, Aulis, 1987 H. Kinder, W. Hilgemann: dtv-Atlas zur Weltgeschichte H. Kracke: Mathe-musische Knobelisken, Dümmler, Bonn, 1982 H.W. Müller et al.: Echnaton, Nofretete, Tutanchamun, Roemer-Pelizaeus-Museum, Hildesheim, 1976 W. Rutherford: Pythagoras, Aquarian Press Wellingborough 1984 I. Schneider: Isaac Newton, Beck, 1988 E. Schrödinger: Die Natur und die Griechen, rororo 1956 E. Schwenk: Mein Name ist Becquerel, dtv, 1993 S. Singh: Fermats Letzter Satz, dtv, München, 2000 D. Speiser: Die Streitschriften von Jacob und Johann Bernoulli, Birkhäuser, Basel, 1991 A. Weil: Zahlentheorie, Birkhäuser, 1992 H. Wussing: Mathematik in der Antike, Teubner 1962