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Einführung in die Plasmaphysik
Vorlesungsskript
K.- D. Harms, A. Stampa
Universität - Gesamthochschule Essen, WS 97/98
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Inhalt
KAPITEL A: Einleitung
Seite
1. Was ist Plasma?
a) Erste Näherung
b) Quasineutralität
α) Kraft bei Ladungstrennung
β) Debye - Abschirmung
γ) Plasmafrequenz
δ) Ladungstrennung durch thermische Energie
2. Geschichtliches
3. Entstehung von Plasmen
a) Plasmaerzeugung durch Teilchenstrahlen
b) Ionisationsgleichgewicht
4. Verschiedene Plasmen
a) Astrophysikalische Plasmen
b) Laborplasmen
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KAPITEL B: Einteilchenbewegung
1. Einleitung
2. Bewegung in homogenen, konstanten Feldern
a) Homogenes, konstantes Magnetfeld
b) E × B - Drift
2. Erhaltungssätze
a) Energieerhaltung
b) Inhomogene Felder mit Symmetrien, Impulserhaltungssätze
α) Lagrangefunktion
β)Translationssymmetrie
γ) Rotationssymmetrie
δ) Magnetische Flußfunktion
3. Magnetisches Moment
a) Magnetisches Moment des kreisenden Elektrons
b) Die adiabatische Invarianz von µa
c) Der magnetische Spiegel
4. Bewegung im inhomogenen Magnetfeld, Driftnäherung
a) Mittelung der Bewegungsgleichung
b) Energieerhaltungssatz
c) Driftgeschwindigkeiten
5. Teilcheneinschluß
a) Einleitung
b) Der axialsymmetrische Plasmatorus, Geometrie und Koordinaten
c) Plasma im rein toroidalen Feld
d) Torus mit toroidalem und poloidalem Feld
α) Die Felder
β) Die Flußfunktion
γ) Teilchenbahnen
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KAPITEL C: Das hydrodynamische Modell
1. Einleitung
2. Grundgleichungen
a) Bewegungsgleichung
b) Das Ohmsche Gesetz
c) Kontinuitätsgleichung
d) Maxwellgleichungen
3. Diffusion des Magnetfeldes
a) Diffusionsgleichung
b) Eindringtiefe
c) Magnetische Reynoldszahl
4. Gleichgewicht
a) Grundgleichungen
b) Magnetischer Druck
c) Einschluß eines zylindrischen Plasmas
d) Die Benett - Gleichung
e) Gleichgewicht im Torus
f) Instabilitäten
5. Anwendungen aus der Dynamik
a) Kompressions Alfvénwelle
b) Der MHD Generator
c) Der selbsterregte Dynamo
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KAPITEL D: Wellen im kalten, homogenen Plasma
1. Einleitung
a) Warum Plasmawellen?
2. Grundlagen
a) Maxwellgleichungen
b) Gleichgewicht
c) Linearisierung
d) Exponentialansatz
e) Bewegungsgleichung
f) Zusammenfassung
3. Wellen im magnetfeldfreien Plasma
a) Berechnung von j
b) Longitudinale Wellen
c) Transversale Wellen
4. Magnetisiertes Plasma
a) Berechnung von j
b) Gleichungssystem für die Komponenten von E
c) Der Spezalfall der Alfvénwellen
d) Allgemeine Dispersionsrelation
e) Polarisationsverhältnis
5. Ausbreitung senkrecht zu B
a) Die O - Welle
b) Die X - Welle
6. Ausbreitung parallel zu B
a) Plasmaschwingung
b) L - und R - Welle
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c) Der Faradayeffekt
d)Ausbreitung unter beliebigem Winkel zum Magnetfeld
7. Anwendungen
a) Reflexion in der Ionosphäre, (Radio Echolotung)
b) Diagnostik über den Brechungsindex
KAPITEL E: Atomare Prozesse
1. Einleitung
2. Wirkungsquerschnitte
3. Coulombstöße
a) Nullte Näherung
b) Stöße mit schwacher Ablenkung
4. Anwendungen
a) Runaway Elektronen
b) Relaxationszeiten
c) Elektrische Leitfähigkeit
d) Allgemeine Transportgleichung
e) Diffusion
5. Diagnostik durch Stoßprozesse
a) Einleitung
b) Strom - Spannungscharakteristik
6. Das Ionisationsgleichgewicht
a) Die Sahagleichung
b) Gleichgewichtsbegriffe
c) Anwendungen
KAPITEL F: Niedertemperaturplasmen
1. Einleitung
a) Was sind Niedertemperaturplasmen
b) Klassifikation
2. Die Townsendentladung
a) Einleitung
b) Die Charakteristik
c) Die Ladungsträgerbilanz
d) Das U3/2 - Gesetz
3. Die Glimmentladung
a) Phänomenologie
b) Mechanismus
c) Teilchenbilanzen
d) Änderung der Parameter
e) Ähnlichkeitsgesetze
f) Modifizierte Glimmentladungen
4. Der Lichtbogen
a) Charakterisierung
b) Bogentypen
c) spezielle Bögen
d) Elektrische Stabilisierung
e) Bogentheorie
f) Der unipolare Bogen
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5. Hochfrequenzplasmen
a) Einleitung
b) Das Problem der Energieeinkopplung
c) Induktive Plasmaquellen
d) Kapazitive Plasmaquellen
e) Mikrowellenentladung
KAPITEL G: Kinetische Theorie
1. Verteilungsfunktion
a) Definitionen
b) Momente der Verteilungsfunktion
c) Beispiel: Drucktensor bei Vorliegen einer Maxwellverteilung
2. Die kinetische Gleichung
a) Die Teilchenbilanz
b) Der Satz von Liouville
c) Boltzman - und Vlasov - Gleichung
3. Die Momentengleichungen
a) Kontinuitätsgleichung
b) Bewegungsgleichung
c) Der 5 - und der 13 - Momentenansatz
4. Die linearisierte Vlasov - Gleichung
a) Zeitunabhängige Vlasov - Gleichung
b) Die linearisierte Vlasov - Gleichung mit B0 = 0
c) Exponentialansatz
d) Die Dispersionsfunktion
e) Lösung von Gleichung (G.22)
f) Der Fall Im(ω) < 0 (Landaudämpfung)
g) Interpretation
h) Die Plasmadispersionsfunktion
KAPITEL H: Anhang
1. Eine analytische Lösung für eine Teilchenbahn im inhomogenen Magnetfeld
2. Kontrollierte Kernfusion
a) Einleitung
b) Kernphysikalische Grundlagen
c) Minimalkriterien
d) Techniken zum Plasmaeinschluß
3. Die Grad - Shafranov Gleichung
a) Einleitung
b) Die Flußfunktion Ψ und die Stromfunktion I
c) Zurückführen der Ströme und Felder auf Ψ und I
d) Die Gleichgewichtsgleichung
e) Axialsymmetrischer Einschluß ohne toroidalen Plasmastrom?
f ) Das Solovev - Gleichgewicht
4. Berechnung der Plasmaleitfähigkeit über den Fokker - Planck Stoßterm
a) Geschwindigkeits - Relaxationszeit
b) Zusammenhang von Relaxationszeit und Leitfähigkeit
c) Berechnung von faR
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KAPITEL A
Einleitung
1. Was ist Plasma?
a) Erste Näherung
Wenn man einen Körper erhitzt, durchläuft er nacheinander die Phasen fest, flüssig, gasförmig.
Bei weiterer Erhitzung fängt das Gas zu leuchten an, die Moleküle werden dissoziiert,
angeregt, schließlich ionisiert. Ein solches ionisierte Gas nennt man auch ein Plasma. Vielleicht
haben die alten Griechen bei ihren „Elementen“ Erde, Wasser, Luft an die drei
Aggregatzustände fest, flüssig, gasförmig gedacht. In diesem Zusammenhang bietet es sich an,
Plasma als den vierten Aggregatzustand zu bezeichnen (Feuer). Man muß allerdings bedenken,
daß der Begriff „Phasenübergang“, also der Übergang von einem in den anderen
Aggregatzustand in der Physik relativ fest umrissen ist: Es ändern sich bestimmte, einen Stoff
charakterisierende Parameter sprunghaft. Dies ist beim Übergang vom Gas in den
Plasmazustand nicht der Fall. Trotzdem hat ein genügend ionisiertes Gas ein qualitativ anderes
Verhalten als ein kaltes Gas. Dieses Verhalten hängt mit der Leitfähigkeit des Plasmas
zusammen: Es können Ströme fließen, die ein Magnetfeld erzeugen, das wiederum die
Teilchenbewegung beeinflußt.
In erster Näherung bezeichnen wir als Plasma also ein Gas, das geladene Teilchen enthält, die
sich merklich beeinflussen. Um die charakteristischen Eigenschaften eines Plasmas genauer zu
umreißen, muß man sie gegen die von einzelnen geladenen Teilchen abgrenzen. Der
Unterschied wird deutlich bei der Konstruktion eines Beschleunigers. Bei einem
Teilchenbeschleuniger wird das Vakuumfeld so ausgelegt, daß ein einzelnes Teilchen die
gewünschte Bahn durchläuft. Bei einem Plasmabeschleuniger ist dies nicht möglich. Im
Plasma, das beschleunigt werden soll, fließen Ströme, die das Vakuumfeld merklich verzerren.
Stellt man sich z.B. als Modell eine Flüssigkeit mit unendlicher Leitfähigkeit vor, so würde
•
wegen U = −Φ und U = 0 der Fluß erhalten bleiben, d.h. das Magnetfeld kann nicht in das
Plasma eindringen. Das Magnetfeld „verbiegt“ so, daß es außerhalb vom Plasma vorbeirutscht.
Diese Verbiegung beruht auf Zusatzfeldern, die durch die Ströme im Plasma erzeugt werden.
Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist der, daß in einem Fall das Vakuumfeld maßgebend
ist, im anderen das selbstkonsistente Feld, d.h. das Feld, das von den äußeren Strömen und der
Bewegung der Teilchen erzeugt wird, die wiederum vom Feld abhängt.
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b) Quasineutralität
α) Kraft bei Ladungstrennung
In einem Gas aus gleich vielen positiven und negativen Teilchen sorgen die elektrostatischen
Kräfte zwischen den Teilchen für einen Ausgleich der Ladungen. Um ein Bild von der Größe
dieser Kräfte zu bekommen, betrachten wir ein Plasma, in dem irgendwelche Größen sich nur
entlang einer Richtung ändern, dies sei die x-Richtung, im übrigen gilt
∂
∂
=
= 0.
∂y ∂z
Das Plasma hat eine geschichtete Struktur: innerhalb jeder Schicht sind alle physikalischen
Größen konstant, während sie von Schicht zu Schicht variieren dürfen. Die Ionen bilden einen
Hintergrund mit konstanter Teilchenzahldichte n. Im ungestörten Fall sei diese identisch mit
der Elektronendichte ne.
Abb. A.1: Eindimensionales Plasmamodell. Vor einem
festen, homogenen Ionenhintergrund bewegen sich die
Elektronen in x - Richtung, wobei sie in Schichten
angeordnet sind, die in der y - z Ebene liegen. Schichten
dürfen sich nicht überholen.
Die Elektronen sind aber beweglich, so daß ne im allgemeinen eine Funktion von x ist: ne(x).
Die Elektronen mögen an einer Stelle des unendlich ausgedehnten Plasmas um eine Strecke x
komprimiert werden, während die Ionen fest bleiben mögen. Wenn der die Kompression
verursachende Kolben im Gleichgewichtsfall bei x = 0 liegt, befindet sich nach der
Verschiebung um ∆x in dem vergrößerten Volumenteil eine Ladung
ne 0 ∆V = ne 0 A∆x
Wie sich die verschobenen Elektronen in x-Richtung verteilen, ist dabei völlig belanglos, wenn
nur darauf geachtet wird, daß sich verschobene Schichten nicht überholen. Die Feldstärke ist
nach dem Gaußschen Satz, da aus den Seitenflächen wegen der Symmetrie kein Fluß austritt
und im unendlichen das Feld E = 0 sein soll
ρ e n
AE(∆x) = ε = ε0 ∆x
0
0
7
e n
E(∆x) = ε0 ∆x
0
Beispiel:
A.1
n = 1014cm-3, ∆x = 1mm, 1/4πε0 = 9 109Vm/As, e0 = 1,6 10-19As
E = 4π9 ⋅ 10 9 ⋅ 1, 6 ⋅ 10 −19 ⋅ 10 20 ⋅ 10 −3 = 1, 6 ⋅ 10 9 V/m
Es wäre eine praktisch nicht realisierbare Feldstärke notwendig. Entsprechend gigantisch sind
die notwendigen Kräfte und Energien.
β) Debye-Abschirmung
Bringt man in ein Plasma eine zusätzliche Ladung, so verschieben sich die Ladungen des
Plasmas in der Umgebung so, daß in einer gewissen Entfernung das Störfeld abgeschirmt ist.
Die Strecke, auf der das Störfeld auf 0 abfällt, nennt man Debyelänge. Sie hängt von der
Temperatur der abschirmenden Teilchen ab. Die Lage ist ähnlich wie in der Erdatmosphäre.
Bei T = 0 würde die gesamte Atmosphäre am Erdboden liegen. Bei endlichem T ergibt sich
eine endliche Dicke der Atmosphäre aus den zwei entgegengesetzten Tendenzen:
Erdanziehung und Diffusion. Die Diffusion, die von der Temperatur abhängt, wirkt der
Erdanziehung entgegen. Um die Schichtdicke im Plasma zu ermitteln, greifen wir auf unser
obiges eindimensionales Problem zurück. Als Störung wird an der Stelle x = 0 ein bestimmtes
Potential ϕ0 angelegt. Es wird nach dem selbstkonsistenten Potentialverlauf ϕ(x) gefragt, der
sich ergibt, wenn sich die Elektronen frei in dem Potential, das sie selbst beeinflussen,
bewegen.
Ausgehend von den Maxwellschen Gleichungen hat man
e
divE = dE = (n i − n e ) ε 0
0
dx
dϕ
gradϕ =
= −E
dx
d2ϕ
e
nach Elimination von E ergibt sich die Poissongleichung: 2 = −(n i − n e ) ε 0
0
Die Teilchendichte in dem selbstkonsistenten Feld ist durch die Boltzmannformel gegeben
n e = ne −q e ϕ/kT
(qe = - e0 ist die Ladung des Elektrons )
8
d2ϕ
2
e
e n
= − ε 0 (n − ne e 0 ϕ/kT ) = − ε0 (1 − e e 0 ϕ/kT)
0
0
d2ϕ
e n
= − ε0 (1 − e e 0 ϕ/kT )
2
0
dx
Falls
e0ϕ
d 2 ϕ e 2 nϕ
<< 1, wird hieraus 2 = 0
ε 0 kT
kT
dx
ϕ = ϕ 0 e ±x/λ D
mit der Lösung
mit
(A.2)
λ 2D =
ε 0 kT
e 20 n
(A.3)
Bei x = ±∞ muß das Potential verschwinden. Dies schließt in jeder Halbebene eine der
Lösungen aus. Als Potentialverlauf ergibt sich
Abb. A.2: Der Potentialverlauf im Plasma in der
Umgebung einer Störung bei x = 0.
ϕ = ϕ 0 e − x /λD
λD ist die Debye-Länge. Eine Faustformel für die Debye-Länge ist
λD
T/K
cm = 6, 9 n/cm −3
In Bereichen L>>λD herrscht Neutralität. Damit man von einem Plasma sprechen kann, muß
L>>λD gelten, wobei L eine charakteristische Länge ist. Wenn keine kleinere Länge wichtig ist,
9
setzt man für L die Ausdehnung des Plasmas ein. Man sagt, das Plasma ist quasineutral und
meint damit, es können ne und ni in Randbezirken von der Ausdehnung der Debyelänge
verschieden sein oder in Bereichen L<<λD bei thermischen Fluktuationen des Plasmas. Da sehr
viele Teilchen vorliegen, kann bei einer prozentual geringen Abweichung von ne und ni ein
elektrisches Feld erzeugt werden. E-Felder und die damit verknüpften Ströme und B-Felder
spielen für die Plasmadynamik eine entscheidende Rolle, während die Abweichungen von ne
und ni keine Rolle spielen. In den meisten Fällen kann man die Plasmadynamik ohne
Betrachtung der Ladungsdichte behandeln. Die Ladungsdichte ergibt sich als letzter Schritt
ρ
aus der Poisson-Gleichung divE = ε . Die Schwierigkeit bei dem Begriff Quasineutralität
0
besteht darin, daß man in manchen Problemen ne = ni setzen darf, in anderen nicht.
γ) Plasmafrequenz
Nach A.1 erfahren aus der Gleichgewichtslage bewegte Elektronen eine elastische Kraft. Die
Bewegungsgleichung für ein solches Elektron ist
••
e2n
− ε0 ∆x = m e ∆ x
0
Es ergibt sich also eine harmonische Schwingung der Frequenz
ne 2
ω 2p = m ε0
e 0
(A4)
Man nennt diese Schwingung die Plasmaschwingung und ihre Frequenz die Plasmafrequenz.
δ) Ladungstrennung durch thermische Energie
Um die Entfernung abzuschätzen, über die aufgrund der thermischen Bewegung eine
Ladungstrennung erfolgen kann, setzen wir die Energie, die man für eine Trennung der
Ladungen um x benötigt, gleich der thermischen Energie
W q ≈ 1 F∆x = 1 eE∆x, E = ne
ε 0 ∆x
2
2
2
→ W q = ne ∆x 2
2ε 0
10
ε kT
Setzt man W q = 1 kT wird ∆x 2 = 0 2
2
Die thermische Bewegung kann also eine kurzzeitige Ladungstrennung über Distanzen der
Größe der Debyelänge erzeugen.
eϕ
<< 1 nicht erfüllt ist. Bei der
kT
Berechnung des Schichtpotentials oben muß also streng genommen die Poissongleichung (A2)
Man erkennt an dieser Abschätzung, daß die Näherung
exakt gelöst werden. Dies ist numerisch leicht möglich. Man normiert ϕ auf ϕ0 = kT/e:
ϕ´=ϕ/ϕ0 und x auf eine Größe x0 so, daß der Vorfaktor in der Poissongleichung 1 wird. Es
stellt sich heraus, daß für x0 die Debyelänge gewählt werden muß: x 0 =
ε 0 kT
e 20 n
Die Poissongleichung für dimensionslose Größen ϕ´ und x´= x/x0 heißt dann
d2ϕ/
/
= −  1 − e ϕ 
/2
dx
(A5)
Als Anfang für den ersten Rechenschritt nimmt man am besten die asymptotische Lösung
(eϕ << kT), die weit außerhalb des Maximums gilt. Die Rechnung zeigt, daß die Abweichung
von dieser Lösung von der asymptotischen im Maximum die Kurve etwa 20 % beträgt.
Man kann auch, ohne die numerische Rechnung im einzelnen durchzuführen, sehen, daß die
Halbwertsbreite von der Größenordnung der Debyelänge ist. Dazu stellen wir uns vor, wir
stellen die Lösung unserer Gleichung (A.5) graphisch dar und lesen die Halbwertsbreite x´1/2
ab. Die wahre Halbwertbreite ergibt sich dann wegen der Normierung x´ = x/x0 , x0 = λD , zu
x1/2 = x´1/2λD, unterscheidet sich also von der Debyelänge nur um einen konstanten Faktor.
Dieser wird, da unsere Ausgangsgleichung A3 keine anderen charakterischen Längen aufweist
von der Größenordnung 1 sein.
Abb. A.3: In dimensionslosen Koordinaten wird die Halbwertsbreite der Verteilung bei 1 liegen.
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Die Zeitdauer der Ladungstrennung durch thermische Bewegung schätzt man ab über
t=
ε 0 kT kT
/ m =
e
ne 2
ε0me
= ω1 .
p
ne 2
Die Bedingung, daß sich viele Teilchen in der Debye-Kugel befinden müssen, ist identisch mit
der Aussage, daß die Wechselwirkungsenergie zwischen den Teilchen klein ist, d.h. das die
Näherung eines idealen Gases gemacht werden kann.
1/3

Abstand zweier Teilchen: r 0 ≈  1
n
2
2 1/3
=e n
Wechselwirkungsenergie: E pot = e
4πε 0 r 0 4πε 0
2 1/3
n
e
aus E pot << 1 folgt dann
<< kT
4πε 0
Durch Potenzieren rechts und links um 3/2 erhält man
nλ 3D >> 1
Zusammenfassend kann man also sagen: Ein Plasma ist ein Gas, das geladene Teilchen
enthält, das quasineutral ist (L >> λD), kollektives Verhalten zeigt (νp >> νc) und viele
Teilchen in der Debyekugel enthält (nλD3 >> 1).
νp >> νc stellt sicher, daß Schwingungen mit der Plasmafrequenz (νp) nicht durch Stöße
(Stoßfrequenz νc) gedämpft werden.
2. Geschichtliches
Gilbert (1544 - 1603) erkannte die Leitfähigkeit von Flammen. Er zeigte experimentell, daß
ein geladener Körper über eine Flamme entladen, ein ungeladener über eine Flamme geladen
werden kann. Franklin (1706 - 1790) experimentierte mit atmosphärischer Ladung und zeigte,
daß ein Blitz physikalisch ein Funke ist. Faraday (1791 - 1867) entdeckte die Glimmentladung.
Er machte sich Gedanken über die Beeinflussung von Meeresströmungen durch das
Erdmagnetfeld. Alfvén (1942) gründete die kosmische Elektrodynamik. Der Name „Plasma“
wurde von Tonks und Langmuir 1928 eingeführt. Von Tonks und Langmuir stammt auch der
Begriff der Schicht am Plasmarand sowie die Methode der Diagnostik von Plasmadaten mit
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Hilfe von Sonden. Die Plasmaphysik hat einen starken Aufschwung, der im Jahre 1955
begann, erfahren, als die Forschung zur kontrollierten Kernfusion aus der Zensur entlassen
wurde. Sie wird bis heute im weltweiten Verband fortgeführt.
Abb. A.4: Plasmaerzeugung durch Elektronenstoß in
einer Entladungsröhre
3. Entstehung von Plasmen
Plasmen entstehen aus neutralen Gasen durch Stoßionisation: Beim Stoß eines Elektrons oder
Photons mit einem neutralen Atom entsteht ein geladener Kern und ein freies Elektron.
a) Plasmaerzeugung durch Teilchenstrahlen
Die ionisierenden Teilchen können als Strahlen in das Gas eintreten, z.B. als
Elektronenstrahlen, die aus einer Glühkathode austreten. Hierbei kommt es nicht so sehr auf
die hohe Energie der Elektronen als auf ihre große Stromdichte an. Man benutzt speziell
behandelte Elektroden, z.B. in der sogenannten Buckett-Source eine
Lanthan-Kathode.
Verbreitete Plasmen dieser Art sind Leuchtstofflampen. Man spricht dann auch von
unselbständigen Entladungen im Gegensatz zu den selbständigen, bei denen der
Elektronenstrom durch Bombardement der Elektroden durch die Entladung selbst erzeugt
wird. Beispiele sind der Lichtbogen, etwa der Kohlebogen, der für Projektionszwecke benutzt
wird, oder der Schweißbogen. Im Weltraum ist das Nordlicht ein Plasma, daß durch
Teilchenbeschuß der oberen Atmosphäre erzeugt wird. Die Quelle der Teilchen ist hier die
Sonne. HII Regionen sind Gebiete, die ionisierten Wasserstoff enthalten und in der Umgebung
von jungen Sternen liegen, die mit ihrer Strahlung das Plasma erzeugen. Da Licht mit der
Wellenlänge 1µm eine Photonenenergie von etwa 1 eV besitzt, Wasserstoff eine
Ionisierungsenergie von 13,5 eV, liegt die Wellenlänge der erforderlichen Strahlung im fernen
Ultraviolett.
b) Ionisationsgleichgewicht
Außer durch Strahlen kann ein Plasma durch Wärmezufuhr, etwa wie in einer Flamme, erzeugt
werden. Man hat dann Zusammenstöße durch die thermische Bewegung von Teilchen. Die
häufigsten ionisierenden Stöße im Plasma erfolgen durch Elektronen
←
e − + A → A + + 2e −
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Die Umkehrreaktion, bei der zwei Elektronen mit einem geladenen Teilchen zusammenstoßen
und ein neutrales Atom und ein freies Elektron ergeben, kommt im thermischen Gleichgewicht
genau so häufig vor wie die Stoßionisation. (Die Zweierstoß-Rekombination, an der nur ein
Elektron beteiligt ist, findet dagegen deutlich seltener statt, da es unwahrscheinlich ist, daß ein
Elektron genau den korrekten Impuls und die korrekte Energie mitbringt, die - wegen der
diskreten Energieniveaus von A - erforderlich ist).
dn 0
Die Ionisationsrate ist:
= C(T)n 0 n e,
dt
dn
die Rekominationsrate: i = C(T)n i n 2e
dt
dn
dn
Im thermischen Gleichgewicht muß gelten 0 = i daraus folgt: C(T)n 0 n e = C(T)n i n 2e
dt
dt
also:
nine
n 0 = S(T)
Abb. A.5: Zunahme des Ionisationsgrades mit der Temperatur nach der Sahagleichung
Diese Gleichung heißt die Saha-Formel. Die genaue Form von S(T) wird später (Kap. E)
abgeleitet. Für Abschätzungen kann - mit Vorsicht! - die Faustformel
neni
15 3/2 −E i /kT
n 0 = 2, 4 ⋅ 10 T e
(A6)
benutzt werden. Ei ist die Ionisierungsenergie des betrachteten Stoffes. In Gl. (A6) müssen die
Dichten in cm-3, die Elektronentemperatur in K gemessen werden. Qualitativ hängt der
Ionisationsgrad von T wie in Abb. A.5 dargestellt ab. Man beachte, daß schon für kT < Ei das
Gas praktisch vollständig ionisiert sein kann.
4. Verschiedene Plasmen
a) Astrophysikalische Plasmen
Die Welt besteht zum überwiegenden Teil aus Plasma. Sowohl die Sterne als auch der
zwischen den Sternen liegende Raum ist mit Plasma ausgefüllt, wobei die charakteristischen
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Parameter, wie Plasmadichte und -temperatur sich um viele Größenordnungen unterscheiden
können. Es ist klar, daß für die einzelnen Bereiche sehr unterschiedliche Plasmamodelle
erforderlich sind. Das gleiche gilt für die verschiedenen Bereiche in einem Stern und in seiner
Umgebung, z.B. für die Sonne hat man das Sonneninnere, die Konvektionszone, die
Photosphäre, Korona, den interplanetaren Raum. Von der Sonne geht ein kontinuierlicher
Teilchenstrom aus, überlagert von Eruptionsprodukten. Bei der Erdbahn hat der ruhige solare
Wind ungefähr eine Teilchendichte von ne = 10cm-3, eine Temperatur Ti = 105 K, eine
Debyelänge λD = 10m, eine freie Weglänge λ= 109 m. Durch Wechselwirkung dieses solaren
Windes mit dem Erdmagnetfeld entsteht eine Reihe interessanter Effekte: eine Stoßfront
(„stoßfreie Stoßwelle“) von der Erde aus in Richtung auf die Sonne zu; ein Schwanz in
Richtung von der Sonne fort, Gürtel mit hoher Teilchendichte in der Nähe der Erde (van
Allen-Gürtel) und Nordlichter. Kometenschwänze entstehen durch Wechselwirkung des
Sonnenwindes mit den Kometenkernen. Spezielle Probleme der Plasmaphysik gibt es im
Zusammenhang mit Pulsaren, Neutronensternen und bei der Erzeugung von Magnetfeldern.
b) Laborplasmen
Die häufigste Anwendung im Labor finden Flammen- und Gasentladungsplasmen. Flammen
erfüllen die Voraussetzungen für ein Plasma nur marginal. Sie werden vor allem in der Chemie
Abb. A.6: Stromrichtung im z- und ϑ−Pinch
angewandt. Gasentladungen sind vor allem Glimmentladungen und Bogenentladungen. Ihr
Verhalten ist meist durch einen Hintergrund von neutralem Gas bestimmt. Man nutzt entweder
ihr Leuchtvermögen aus wie in Lampen und Lasern, oder ihre hohe Temperatur und damit die
hohe Energie der Teilchen. Dies kann für chemische Prozesse vorteilhaft sein oder für
Oberflächenbehandlung, um z.B. ein besseres Eindringen der Teilchen in die Oberfläche zu
ermöglichen, wodurch die Haftung von Beschichtungen verbessert wird, oder Ätzung der
Oberfläche möglich wird.
Hochtemperaturplasmen erzeugt man mit elektrodenlosen Entladungen, z.B., indem durch
Induktion ein Strom erzeugt wird, der durch joulesche Wärme das Plasma aufheizt. Eine
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weitere Erhöhung der Temperatur kann durch den Pinch-Effekt erfolgen (Benett, 1938), z.B.
den Theta-Pinch,
in dem durch einen Wechselstrom in einer äußeren Spule ein Sekundärstrom im Plasma
erzeugt wird, der umgekehrte Richtung hat und deswegen vom Strom in der Spule abgestoßen
wird. Es ergibt sich eine rasche Kompression des Plasmas und damit verbunden eine
Aufheizung. Weil der primäre Strom in der azimuthalen Richtung fließt, die im
Amerikanischen mit ϑ bezeichnet wird, nennt man diese Anordnung Theta Pinch, im
Gegensatz zum z-Pinch, bei dem die Kompression durch sich anziehende Stromfäden erfolgt,
wobei der Strom in Achsenrichtung (z-Richtung) fließt. Sehr dichte Plasmen erzeugt man
durch Beschießen von Oberflächen mit intensiven Laserstrahlen. Extrem dichte Plasmen bildet
das Elektronengas in Festkörpern. Hier befindet man sich an der Grenze zu dem Gebiet, in
dem nicht mehr viele Teilchen in der Debyekugel vorhanden sind (nλD3 ~ 1). Außerdem
fangen Quanteneffekte an, wichtig zu werden ( h/ ω p ∼ kT). Bei Fusionsplasmen kommt man an
die Grenze, bei der relativistische Effekte anfangen, eine Rolle zu spielen (kT ~ mec2). In vielen
kosmischen Situationen, wie z.B. der Umgebung von Neutronensternen dominieren
relativistische Effekte.
16
KAPITEL B
Einteilchenbewegung
1. Einleitung
Plasmen verhalten sich außerordentlich komplex. Neben der bekannten verwickelten Dynamik
von Gasen hat man bei ihnen eine zusätzliche Verkomplizierung dadurch, daß zu den viskosen
Kräften in den Navier-Stokes Gleichungen die elektromagnetischen Kräfte durch die selbstkonsistenten Felder hinzutreten. Man ist daher in praktisch allen Fällen auf Näherungen angewiesen. In den folgenden zwei Kapiteln behandeln wir die wichtigsten Näherungen: die Einteilchennäherung und die Flüssigkeitstheorie, im Kapitel B also die Einteilchennäherung, d.h. die
Felder E(r,t) und B(r,t) werden als vorgegeben betrachtet. In ihnen bewegt sich ein geladenes
Teilchen der Masse ma und der Ladung qa. Der Teilchensortenindex a steht für Elektronen (e),
Ionen (i), Protonen (p), oder andere Teilchen. Die Aufgabe besteht darin, Geschwindigkeit
va(t) und Ort ra(t) des Teilchens bei gegebenen Anfangsbedingungen ra(0) = ro und va(0) = v0
zu berechnen.
Grundlage der Berechnungen sind die Bewegungsgleichungen
m d v a (t) = q a (E(r a (t), t) + v a (t) × B(r a (t), t))
dt
mit
(B.1)
d r (t) = v (t).
a
a
dt
2. Bewegung in homogenen, konstanten Feldern
a) Homogenes, konstantes Magnetfeld
Die Bewegungsgleichung wird für E = 0 und B = const
•
m a v a (t) = q a v a (t) × B
Das Koordinatensystem wird so gewählt, daß die z-Achse in Richtung B weist: B = Bez
(B > 0). Dann ist
qa B
•
v a (t) = m v a (t) × e z
a
Die Geschwindigkeit wird aufgeteilt in eine Komponente parallel und eine senkrecht zu B:
17
v a (t) = v az (t)e z + v a⊥ (t)
Dann folgt aus der Bewegungsgleichung für vaz
•
v az = 0 ⇒ v az =v 0z
z a (t) = z 0 +v 0z t
Die Bewegung wird vom Magnetfeld nicht beeinflußt.
Für die Komponente senkrecht zum Magnetfeld erhält man
qa B
•
v a⊥ = m v a⊥ × e z
a
Zur Abkürzung führt man die Zyklotron- oder Gyrationsfrequenz des Teilchens a im Magnetfeld B ein.
qa B
ω ca = m
a
(B.2)
Nach dieser Definition ist ωca stets positiv. Das Ladungsvorzeichen wird in einem Faktor
εi = +1 für Ionen und εe = -1 für Elektronen gepackt, also q a = ε a q a . Damit ergibt sich
•
v a⊥ = ε a ω ca v a⊥ × B
(B.3)
•
Indem man Gl. (B.3) nach t ableitet und rechts für v a⊥ den ursprünglichen Ausdruck einsetzt,
erhält man:
••
v a⊥ = ε a ω ca (ε a ω ca v a⊥ × e z ) × e z = −ω ca v a⊥
Dies ist eine Differentialgleichung von der Form einer Schwingungsgleichung, die mit dem
Ansatz
v a⊥ (t) = a cos ω ca t + b sin ω ca t
(B.4)
gelöst wird. a und b sind Vektoren, die sich aus den Anfangsbedingungen ergeben. Aus
Gl. (B.4) erhält man für t = 0
v 0⊥ = a ,
18
aus der Ableitung von Gl. (B.4)
•
v a⊥ (t) = −ω ca a sin ω ca t + ω ca b cos ω ca t
für t = 0 unter Verwendung von Gl. (B.3)
ε a ω ca v 0⊥ × e z = ω ca b
und damit für v a⊥
v a⊥ = v 0⊥ cos ω ca t + ε a v 0⊥ × e z sin ω ca t
(B.5)
v a⊥ = v 0⊥ , wie man durch skalare Multiplikation von v a⊥ mit sich selbst erkennt. (Man beachte, daß v 0⊥ × e z = v 0⊥ und v 0⊥ • (v 0⊥ × e z ) = 0 ). v 0⊥ rotiert also mit der Winkelgeschwindigkeit ωca. Die Bahn r a⊥ (t) wird durch Integration von Gl. (B.5) gewonnen.
t
v
ε v 0⊥ × e z
(−cos ω ca t + 1)
r a⊥ (t) = ∫ v a⊥ (t)dt = ω0⊥ sin ω ca t + a ω
ca
ca
0
v ×e v
v ×e
r a⊥ (t) = r a⊥ + ε a 0⊥ω z + ω0⊥ sin ω ca t − ε a 0⊥ω z ω ca cos ω ca t
ca
ca
ca
Für vz = 0 beschreibt das Teilchen eine Kreisbewegung um den Gyrationsmittelpunkt.
v
r ca = ω0⊥
ca
(B.6)
Das Vorzeichen bewirkt, daß bei positiven Teilchen der Umlaufsinn mit B eine Linksschraube,
bei negativen Teilchen, z.B. Elektronen eine Rechtsschraube bildet (Abb. B.1).
Abb. B.1: Der Umlaufsinn der Bahn von positiv bzw. negativ geladenen Teilchen im homogenen Magnetfeld
Für die Zyklotronfrequenz von Protonen erhält man
eB = 1, 60 ⋅ 10 −19 As Vs B = 0, 958 ⋅ 10 8 B s −1
ω cp = m
p
T
1, 67 ⋅ 10 −27 kg m 2 T
19
Um mit Hilfe von Gl. (B.6) einen typischen Gyrationsradius auszurechnen, benötigt man eine
charakteristische Geschwindigkeit der Teilchen im Plasma. Als mittlere Geschwindigkeit führt
man die thermische Geschwindigkeit der Teilchensorte a ein.
v th,a =
2kT a
ma
(B.7)
Hiermit wird der mittlere Gyrationsradius der Teilchensorte a
v th,a
r th,a = ω
ca
(B.8)
z.B. für Protonen
v th,p =
r th,p
2 ⋅ 1, 60 ⋅ 10 −19 VAs
1, 67 ⋅ 10 −27 kg
kT = 1, 38 ⋅ 10 4 kT m
eV
eV s
1, 38 ⋅ 10 4 kT/eV ms
=
= 1, 44 ⋅ 10 −4 kT T m
8
−1
eV B
0, 958 ⋅ 10 B/Ts
Um die obigen Faustformeln auf andere Teilchen übertragen zu können, benötigt man lediglich
die Abhängigkeit von der Masse:
v th,a ∼ m −1/2
a ,
ω ca ∼ m −1
a ,
r th,a ∼ m 1/2
Die Gesamtlösung für alle Komponenten von va, und ra heißt dann
v a (t) =v 0z e z + v 0⊥ cos ω ca t + ε a v 0⊥ e z sin ω ca t
v
v ×e
v ×e
r a (t) = r 0 + ε a 0⊥ω z +v 0z te z + ω0⊥ sin ω ca t − ε a 0⊥ω z cos ω ca t
Die gesamte Bewegung ist also die Überlagerung einer Kreisbewegung um das sogenannte
Gyrationszentrum, va,g(t), ra,g(t) und einer gleichförmigen, geradlinigen Bewegung des momentanen Gyrationszentrums (guiding center), Va, Ra(t).
v a (t) = V a + v a,g (t)
mit Va = v0zez
20
r a (t) = R a (t)+va,g (t)
mit R a (t) = r 0 + ε a
v 0⊥ × e z
ω ca + V a (t)
In vielen Situationen von Plasmen in komplizierterer Umgebung ist es einfacher, statt der detaillierten Bahn eines Teilchens nur die Bewegung des Führungszentrums zu betrachten. Im
allgemeinen bewegt sich dieses dann natürlich nicht mehr gleichförmig, geradlinig. Seine Bewegung kann aber häufig noch als Bewegung in einem effektiven Potential beschrieben werden. Man spricht dann von guiding center Näherung (s. Abschnitt B.4).
b) E × B - Drift
Es sei zusätzlich zu dem homogenen und konstanten Magnetfeld ein homogenes, konstantes
elektrisches Feld vorhanden mit E ⊥ B. Die Bewegungsgleichung lautet dann:
•
m a v a⊥ (t) = q a (E + v a (t) × B)
Dies ist eine inhomogene Differentialgleichung, deren homogener Anteil identisch mit der im
vorigen Abschnitt behandelten Differentialgleichung ist. Als Ansatz für die partikuläre Lösung
der inhomogenen Gleichung versucht man, wie üblich, eine Funktion, die sich wie die Inhomogenität verhält, d.h. hier
v a⊥,p = u = const.
mit u ⊥ B.
Einsetzen in Glchg. (B.9) ergibt
0 = q a (E + u × B)
Vektorielle Multiplikation mit B erlaubt u zu isolieren:
0 = E × B + (u × B) × B
= E × B − B2 u
u E = E ×2B
B
(B.10)
Die Gesamtlösung ist also Gl. (B.10) und die im Abschnitt a) gewonnene Lösung der homogenen Gleichung.
21
v a⊥ (t) = u E + a cos ω ca t + b sin ω ca t
Die Anfangsbedingungen können wie in Abschnitt a) eingearbeitet werden, z.B.
v 0⊥ = u + a
Die ganze Bewegung kann also wieder als Überlagerung einer Gyration va,g(t) und einer Bewegung des Gyrationszentrums aufgefaßt werden. Die Geschwindigkeit des Gyrationszentrums
ist auch hier konstant aber senkrecht zu E und B.
v a⊥ (t) = u E + v a,g (t)
v 0⊥ − u E
und die Geschwindigkeit des Führungszenω ca
trums durch Gl. (B.10) gegeben sind. uE nennt man die E × B Driftgeschwindigkeit. Sie ist die
wobei der Gyrationsradius jetzt durch
mittlere Geschwindigkeit der Teilchen. Nach der elektromagnetischen Theorie ist u genau die
Geschwindigkeit, mit der ein anderes Koordinatensystem sich gegenüber dem ursprünglichen
bewegen muß, damit E zu Null transformiert wird. Man beachte, daß die Driftgeschwindigkeit
unabhängig vom Ladungsvorzeichen der Teilchen ist, so daß hier in einem Plasma Elektronen
und Ionen in die gleiche Richtung driften.
Um die resultierende Form der Bahn zu veranschaulichen, betrachten wir Abb. B.2, wo die
Verhältnisse für ein positives Teilchen dargestellt sind. Wir nehmen an, das E-Feld bewirke eine kleine Störung der Bahn, so daß wir in nullter Näherung von der Kreisbahn ausgehen können. Solange v eine Komponente in Richtung E hat, nimmt v zu. Das ist in Abb. B.2/a in der
linken Hälfte der Kreisbahn der Fall. In der anderen Hälfte nimmt v wieder ab. Es erreicht den
maximalen Wert im oberen Umkehrpunkt, den minimalen im unteren Umkehrpunkt. D.h. v
und damit der Gyrationsradius ist in Abb. B.2/a in der oberen Hälfte des Kreises im Mittel größer als in der unteren. Setzt man einen oberen Halbkreis mit größerem Radius und einen unteren mit kleinerem Radius zusammen, ergibt sich die seitliche Drift. Bei einem negativ geladenem Teilchen ist sowohl die Kraftrichtung wie die Umlaufrichtung umgekehrt. Die Richtung
Abb. B.2: Zykloidenbahnen von negativen und positiven Teilchen in gekreuzten E- und B-Feldern.
22
der Drift ist daher gleich. Wie GL. (B.10) zeigt, ist die Driftgeschwindigkeit von der Teilchenart unabhängig.
Die Geometrie der Teilchenbahn hängt von v0⊥ ab. Z.B. erhält man für den Fall v0⊥ = uE eine
gerade Bahn.
Man kann die obige Betrachtung auf andere Kräfte ausdehnen, indem man die elektrostatische
Kraft durch diese Kraft, z.B. die Schwerkraft ersetzt.
qa E = Fa
Als Driftgeschwindigkeit erhält man
u F = q1 F ×2B
a B
Sie hat also für die Schwerkraft bei beiden Ladungsvorzeichen entgegengesetzte Richtung.
2. Erhaltungssätze
a) Energieerhaltung
Die folgenden Betrachtungen gelten für zeitlich konstante Felder, die räumlich inhomogen sein
dürfen.
E = E(r),
B = B(r)
Dann kann E als Gradient in einem elektrischen Potential dargestellt werden.
E(r) = ∇Φ(r)
Durch skalare Multiplikation der Bewegungsgleichung Gl. (B.1) mit va(t) erhält man
dr (t)
m a v a • d v a (t) = −q a ∇Φ(r a (t)) • a
d  1 m v 2  = −q d Φ(r (t))
a a 
a
a
dt  2
dt
23
und nach Integration mit den Abkürzungen
v a (t) =v a (t),
v 0 =v 0
1 m v 2 (t) + q Φ(r (t)) = 1 m v 2 + q Φ(r )
a a
a
a
a 0
a
0
2
2
D.h. die Entwicklung der kinetischen Energie ist durch das E-Feld gegeben. das B-Feld trägt
nicht zur kinetischen Energie bei, da die Lorentzkraft senkrecht auf v steht und somit keine
Arbeit leistet. Insbesondere bleibt für E = 0 die kinetische Energie konstant.
Aus dieser Bedingung folgt sofort, daß ein geladenes Teilchen in einem homogenen, konstanten Magnetfeld eine Kreisbewegung vollführt, wenn vz0 = 0. v ⊥a ist konstant und die Kraft
die hier nur die Lorentzkraft ist, steht immer senkrecht auf v⊥a(t). Dies sind genau die Verhältnisse bei einer Kreisbewegung. Die Gyrationsfrequenz und die Umlaufrichtung folgen dann sofort aus Gleichsetzen von Zentrifugal- und Lorentzkraft.
b) Inhomogene Felder mit Symmetrien, Impulserhaltungssätze
α) Lagrange - Funktion
Die Bewegungsgleichungen (B.1) lassen sich als Lagrange-Gleichungen schreiben, wobei die
Lagrange-Funktion gegeben ist durch
L(r, v, t) = m v 2 + qv • A(r, t) − qΦ(r, t)
2
(B.11)
A ist das Vektorpotential, aus dem sich B ergibt über
B(r, t) = ∇ × A(r, t)
Φ das elektrische Potential mit
E(r, t) = −∇Φ(r, t) −
∂
A(r, t)
∂t
Die Lagrangeschen Gleichungen erleichtern die Betrachtung in unterschiedlichen Koordinaten
wie kartesischen, Zylinder-, Kugel-, oder Toruskoordinaten. Für eine beliebige Koordinate u
lautet dann die Bewegungsgleichung
d ∂L = ∂L
dt ∂ u• ∂u
24
Falls insbesondere L nicht von u abhängt, folgt
d ∂L = 0,
dt ∂ u•
pu =
∂L
• = const
∂u
(B.12)
pu ist der zur Koordinate u kanonisch konjugierte Impuls. (B.12) besagt also, daß wenn die
Lagrange - Funktion von einer Koordinate nicht abhängt, der dazuzgehörige kanonische Impuls erhalten bleibt.
β) Translationssymmetrie
Es möge ein Magnetfeld vorliegen, das in Ebenen senkrecht zur x-Achse verläuft und in einer
solchen Ebene und in der Zeit konstant ist, aber von x abhängen darf. E wird zur Vereinfachung gleich 0 gesetzt (Abb. B.3).
Abb. B.3: Geometrie des Magnetfeldes im Beispiel
B(x) wird beschrieben durch ein Vektorpotential
 0
 0 


mit B =  −A /z (x)
A(x) =  A y (x) 


 /
 A z (x) 
 A y (x)
Die Lagrangefunktion hat die Form





L(vx, vy, vz, x) = (m/2)(vx2 + vy2 +vz2) + q(vyAy(x) + vzAz(x))
Da
∂L ∂L
=
=0
∂y ∂z
hat man entlang der Teilchenbahn als Konstante
∂L
= mvy + qA y (x)
∂v y
∂L
pz =
= mv z + qA z (x)
∂v
py =
25
γ) Rotationssymmetrie
Viele Plasmen zeigen Rotationssymmetrie wegen der Rotationssymmetrie der Ströme, die das
einschließende Magnetfeld erzeugen. Zur Beschreibung wählt man Zylinderkoordinaten, wobei
die z-Achse die Symmetrieachse bildet. Das Vektorpotential hat alle drei Komponenten, hängt
aber nicht von ϕ ab
A(r) = A r (r, z)e r + A ϕ (r, z)e ϕ + A z (r, z)e z
und
•
•
•
v =r e r + r ϕ e ϕ +z e z
Daraus ergibt sich die Lagrangefunktion
•
• 2 •2
• • •
•2
•
•
L  r, ϕ, z, r, z  = m  r + r 2 ϕ +z  + q  r A r (r, z) + r ϕ A ϕ (r, z)+z A z (r, z) 
2
Da ∂L = 0 , ist
∂ϕ
pϕ =
∂L
2 •
• = mr ϕ +qrA ϕ (r, z) = const
∂ϕ
(B.13)
entlang der Teilchenbahn.
δ) Magnetische Flußfunktion
In einem zylindersymmetrischen Plasma mit
B(r) = B r e r + B ϕ e ϕ + B z e z
∂
B r,ϕ,z = 0
∂ϕ
kann die Einführung der magnetischen Flußfunktion Ψ(r,z) sinnvoll sein. Diese ist definiert als
der Fluß des Magnetfeldes durch eine Kreisscheibe vom Radius r, deren Mittelpunkt bei z auf
der z-Achse liegt, und die senkrecht auf der z-Achse steht (Abb.B.4).
Ψ(r, z) = ∫
z / =z, r / ≤r
B(r / ) • dA / = ∫ rotA(r / ) • dA /
Nach dem Satz von Stokes kann man schreiben
Ψ(r, z) = ∫
r / =r
A(r / ) • dr /
26
Abb. B.4: Zur Definition der Flußfunktion
und mit dr = rdϕe ϕ
Ψ(r, z) = ∫
2π
0
rA ϕ (r, z)dϕ /
Ψ(r, z) = 2πrA ϕ (r, z)
Die Konstanz des azimutalen Impulses nach Gl. (B.13) hat dann die Form
•
p ϕ = mr 2 ϕ +
q
Ψ(r, z) = const.
2π
(B.14)
Wir werden dieses Ergebnis zur Erklärung der sogenannten Bananenbahnen im axialsymmetrischen Torus (Abschnitt B.4.b) benötigen.
3. Magnetisches Moment
Abb. B.5: Zur Definition des magnetischen Momentes eines kreisenden Elektrons
Das magnetische Moment eines Kreisstromes I, der eine Fläche A umfaßt, ist
µ a = IaAa
27
Für das gyrierende Teilchen setzen wir als Kreisstrom ein
Ia = −
qa
2π/ω
Das Minuszeichen rührt daher, daß ein gyrierendes Teilchen einen Umlaufsinn zeigt, der in jedem Fall bewirkt, daß das äußere Magnetfeld durch den Strom der Gyrationsbewegung abgeschwächt wird (s. Abschnitt B.1.b). Das magnetische Moment ist daher immer entgegengesetzt zu B ausgerichtet und das Plasma ist diamagnetisch. Mit der Fläche A = πrca2ez der Gyrationsbahn ergibt sich
qa B
(ω ca = m )
a
µ = − 1 q a ω ca r 2ca e z
2
v 2a⊥
1
= − q a ω ca 2 e z
2
ω ca
und mit Gl. (B.2)
2
m a v a⊥
µ = −1
ez
2 B
µa =
1
m v2
2 a a⊥
(B.15)
B
mit µa = -µaez
b) Die adiabatische Invarianz von µa
Bei einer Erhöhung von B in der Zeit wird sich durch Induktion auch v⊥2 erhöhen. Es zeigt
sich, wie im folgenden nachgewiesen wird, daß sich, wenn nur die Änderung des Magnetfeldes
langsam genug erfolgt, v⊥2 und B im gleichen Maße wachsen, so daß µa konstant bleibt. µa
bleibt allerdings nicht streng erhalten, sondern nur unter der Voraussetzung, daß B sich so
langsam ändert, daß die Teilchenbahn nur wenig von der Bahn im konstanten Magnetfeld abweicht (Abb. B.6)
2π ∂B
ω c ∂t << B
Abb. B.6: strenggenommen ist die Bahn im inhomogenen
Feld nicht geschlossen.
28
Man sagt, µa ist eine adiabatische Invariante. Zum Nachweis der adiabatischen Invarianz integriert man die Änderung von m v 2⊥ über eine Gyrationsperiode.
2
τc
∆  m v 2⊥  = ∫ d  m v 2⊥  dt
0 dt 2
2
τc
= ∫ mv ⊥ •
0
(τc = 2π/ωc)
dv ⊥
dt
dt
τc
= ∫ v ⊥ q(E(r) + v ⊥ × B)dt
τc
= ∫ E(r) • v ⊥ dt ≈ q a ∫ E • dr
(Die Integration erfolgt über die Teilchenbahn, wobei B als konstant angenommen wird.) Dieses Ergebnis läßt sich sofort interpretieren. Es besagt, daß die Änderung der kinetischen Energie der Gyration gleich der Arbeit des elektrischen Feldes am Teilchen ist.
E wird durch die Änderung von B induziert:
q a ∫ E • dr = q a ∫ rotE • dA = −q a ∫
∂B
• dA
∂
Wegen des Umlaufsinns bei der Gyration gilt
dA a = −ε a dAe z
daher wird
∆Bv 2⊥ 1 2 ∆B
∂B
∂B 2
1
∆B
2
−q ∫
• dA = q
πr ≈ q
πr = q ω = mv ⊥
c
2
∂t
∂t c
2πω c c 2
B
Insgesamt erhält man also
∆  m2 v 2⊥ 
m 2
v
2 ⊥
≈ ∆B
B
29
d.h. die relativen Änderungen von m v 2⊥ und B sind gleich, oder
2
µa =
m 2
v
2 ⊥
B
ändert sich über die Teilchenbahn in dieser Näherung nicht. Eine genauere Rechnung zeigt,
daß
∆µ a  ∆B  2
µa ∼  B 
Abb. B.7: Der Fluß innerhalb einer Teilchenbahn
bleibt gleich, wenn sich das umgebende Magnetfeld
ändert
Die Erhaltung des magnetischen Momentes ist gleichbedeutend mit der Erhaltung des magnetischen Flusses durch die Gyrationsbahn.
Φa =
Bπr 2ca
2
1
v 2⊥a
v 2⊥a m 2a 2πm a 2 m a v ⊥
= Bπ 2 = Bπ 2 2 =
= const.
B
ω ca
q B
q2
Bei Änderung des Magnetfeldes bleibt also die Anzahl der Feldlinien, die die Gyrationsbahn
durchsetzen, gleich.
c) Der magnetische Spiegel
α) Der Spiegeleffekt
Abb. B.8: Ein Teilchen gyriert in ein höheres Magnetfeld
hinein
Ein Teilchen, das sich in einem homogenen B Feld in ein Gebiet höherer Feldstärke hineinbewegt, erfährt auf seiner Bahn eine zeitliche Änderung des Magnetfeldes. Wenn die Bewegung
30
genügend langsam erfolgt, so daß die im vorigen Abschnitt gemachten Voraussetzungen erfüllt sind, bleibt das magnetische Moment µ des Teilchens auf seiner Bahn erhalten. An dem
Energiesatz unter der Verwendung der Definition von µ
m v 2 + m v 2 = m v 2 + µB = const.
2 // 2 ⊥ 2 //
erkennt man, daß v// mit wachsendem B abnehmen muß. Die Abnahme wird durch die axiale
Komponente der v × B Kraft erzeugt.
F z = q a v a⊥ B r
 ∂

= 0 , in dem sich das Teilchen in erster
 ∂ϕ

Näherung auf einer Kreisbahn mit dem momentanen Gyrationsradius rc bewegt (Abb. B.8), so
Nehmen wir ein zylindersymmetrisches Plasma an
kann man mit Hilfe von divB = 0 Br durch Bz ausdrücken. divB = 0 in Zylinderkoordinaten
gibt:
1 ∂ (rB ) + ∂ B = 0
r
z
r∂
∂
B r (r c ) = − r1
c
rc
∫0
rdr
∂B z
∂B
= − 1 rc z
∂z
2 ∂z
− q a 12 mv 2a⊥ ∂B z
∂B
F z = −q a v a⊥ 1 r c z =
ω ca
2 ∂z
∂z
F z = −µ a
∂B z
∂z
(B.16)
Die Kraftrichtung ist von der Teilchenart unabhängig, da qava⊥ unabhängig vom Ladungsvorzeichen ist. Das Teilchen erfährt also eine Beschleunigung, die entgegengesetzt zum Gradienten des Magnetfeldes gerichtet ist, d.h. für genügend großes Magnetfeld wird v// = 0 und kehrt
dann sein Vorzeichen um. Das Teilchen wird also reflektiert. Man nennt daher eine Magnetfeldkonfiguration wie in Abb. B.8 einen magnetischen Spiegel.
β) Der Verlustkegel
Die Gyration der Teilchen um das Magnetfeld ist die Grundlage von Plasmaeinschluß in magnetischen Feldern senkrecht zur Feldrichtung. In einem homogenen Feld können sich die
Teilchen parallel zu B frei bewegen, werden also nicht eingeschlossen. Der Spiegeleffekt
31
ermöglicht eine einfache Anordnung (Abb. B.9), die auch einen gewissen axialen Einschluß erlaubt. Man nennt eine Apparatur mit dieser Magnetfeldgeometrie eine Spiegelmaschine oder
eine magnetische Flasche.
Abb. B.9: Magnetische Flasche
Der axiale Einschluß ist allerdings nicht ideal, z.B. haben Teilchen, die keine senkrechte Geschwindigkeitskomponente besitzen, kein magnetisches Moment und verlassen daher das Magnetfeld ungehindert. Die genaue Grenze zwischen eingeschlossenen und nicht eingeschlossenen Teilchen wird durch folgende Überlegung ermittelt:
∂B
= 0 ist,
∂z
startet. Die Geschwindigkeit an dieser Stelle, v0, bilde einen Winkel ϑ mit B0. Das Teilchen
Wir betrachten ein Teilchen, das im Mittelbereich der magnetischen Flasche, wo
werde reflektiert bei B = B1, d.h. hier ist v1// = 0. Aus dem Energiesatz folgt
m v2 = m v2
2 0 2 1⊥
v 20
v 20⊥
=
m 2
v
2 1⊥
m 2
v
2 0⊥
Die linke Seite ist nach Definition 1/sin2ϑ, die rechte Seite kann mit Gl. (B.15) auf das magnetische Moment µ zurückgeführt werden, das für die gesamte Bahn konstant ist.
1 = µB 1 = B 1
sin 2 ϑ µB 0 B 0
sin 2 ϑ =
B0
B1
D.h. je kleiner ϑ ist, umso größer wird das Magnetfeld, an dem das Teilchen umkehrt, um so
tiefer dringt es also in den "Flaschenhals" ein. Es gibt einen Grenzwinkel ϑ*, der durch das maximale Feld der Flasche bestimmt ist.
B
sin 2 ϑ ∗ = 0
B max
32
Alle Teilchen, für die im Innern der Flasche ϑ < ϑ∗, entweichen aus der Flasche. Der Kegel mit
der Öffnung ϑ∗ heißt der Verlustkegel, B0/Bmax das Spiegelverhältnis (Abb. B.10).
Abb. B.10: Teilchen mit Geschwindigkeiten innerhalb
des Verlustkegels werden im Spiegel nicht zurückgehalten
Der Geschwindigkeitsraum wird innerhalb des Verlustkegels entvölkert. Die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion wird anisotrop. Im Rahmen der stoßfreien Theorie ergibt sich für alle
anderen Teilchen ein idealer Einschluß. Bei Berücksichtigung von Stößen erhält man sowohl
eine Diffusion quer zum Magnetfeld wie ein ständiges Auffüllen des Verlustkegels. Im Rahmen der kinetischen Theorie, die die zeitliche Entwicklung der Verteilungsfunktion beschreibt,
ergibt sich ein instabiles Verhalten. In Spiegelmaschinen zur Fusionsforschung haben sich die
axialen Verluste als unüberwindliches Hindernis erwiesen. Einen Vorteil bietet z.B. die gegenüber einem Torus einfachere Geometrie.
Die van-Allen Gürtel sind axialsymmetrische Flaschen im dipolartigen Magnetfeld der Erde
(Abb. B.11). Sie enthalten relativ hohe Teilchendichten.
Abb. B.11: Die Van-Allen Gürtel sind magnetische Flaschen im
Erdmagnetfeld
Fermi schlug einen Mechanismus vor, mit dem kosmische Teilchen auf die beobachteten hohen
Energien beschleunigt werden können: An zwei magnetischen Spiegeln, die aufeinander zulaufen, werden eingeschlossenen Teilchen reflektiert. Bei jeder Reflexion gewinnen sie Energie.
Ob der Fermimechanismus wirklich verantwortlich für die Beschleunigung der beobachteten
kosmischen Teilchen hoher Energie ist, ist nicht bekannt.
Abb. B.12: Der von Fermi vorgeschlagene Mechanismus zur
Beschleunigung kosmischer Teilchen über den Spiegeleffekt
33
4. Bewegung im inhomogenen Magnetfeld, Driftnäherung
Zur Lösung der Bewegungsgleichung im inhomogenen Magnetfeld
d v = q a v × B(r (t))
a
a
ma a
dt
ist man auf Näherungen angewiesen. Eine weit verbreitete Näherung ist die Driftnäherung.
Hier geht man davon aus, daß die Bewegung des Teilchens als Summe einer Gyrationsbewegung ra,g(t) mit r a,g (t) = r ca und einer Bewegung des Gyrationszentrums Ra(t) darstellen läßt:
r a (t) = R a (t) + r a,g (t)
v a (t) = V a (t) + v a,g (t)
(B.17)
Man berechnet Ra(t) und Va(t). Dies ist sinnvoll, solange die typischen räumlichen und zeitlichen Größen der Gyrationsbewegung rca und Tca = 2π/ωca klein sind im Verhältnis zu typischen
Größen des Plasmas L und Ta. L kann z.B. die charakteristische Länge für die OrtsabhängigL
.
keit von B(r) sein, Taeine charakteristische Zeit für die Änderung von Ra. z.B. T a =
Va
rca << L
Tca << Ta
a) Mittelung der Bewegungsgleichung
Mit dem Ansatz Gl. (B.17) wird die Bewegungsgleichung
•
q
•
V +v g = m (V + v g ) × B(R + r g ) .
Das Magnetfeld wird linearisiert
B(R + r g ) = B(R) + (r g • ∇)B(R)
( r g << L)
•
q
•
V +v g = m (V × v g ) × (B(R + (r g • ∇)B(R)))
q
= m [V × B(R) + v g × B(R) + V × (r g • ∇)B(R) + v g × (r g • ∇)B(R)]
Nach Gl. (B.5) wird die Gyrationsbahn beschrieben durch
v
v ×e
r g (t) = ω0⊥ sin ω c t − ε 0⊥ω z cos ω c t
(B.18)
34
Durch Festlegung der x-Achse in Richtung v0⊥ , v0⊥ex vereinfacht sich die Schreibweise
v
r g (t) = ω⊥ (e x sin ω c t + εe y cos ω c t)
c
Wegen Tc << T darf ωc (ebenso V und R) während einer Gyration als konstant angesehen werden. damit wird
•
•
v g (t) =r g (t) =v⊥ (e x cos ω c t − εe y sin ω c t)
•
v g (t) = −ω 2c r g (t)
Im zeitlichen Mittel über eine Gyrationsperiode wird
•
⟨r g (t)⟩ = ⟨v g (t)⟩ = v g (t) = 0
D.h. durch Mittelung heben sich aus Gl. (B.18) alle Terme, die linear in rg und vg sind fort:
•
q
V (t) = m [V × B(R) + ⟨v g × (r g • ∇)B(R)⟩]
Bei der Mittelung des letzten Termes auf der rechten Seite heben sich alle gemischten sin cos Terme fort, während
sin2 ωt = ⟨cos 2 ωt⟩ = 1
2
v 2⊥

∂
∂
ω c (e x cos ω c t − εe y sin ω c t) ×  sin ω c t ∂x + ε cos ω c t ∂y  B(R)
v2  ∂
∂
= 1 ε ω⊥ e x − e y
× B(R)
2 c  ∂y
∂x 
v2 
 ∂
∂ 
= − 1 ε ω⊥ e z × e x + e y
× B(R)
c

 ∂x
2
∂y  
mv 2
= − 1 ⊥ (e z × ∇) × B(R)
2 qB
µ
= −ε [∇(e z • B(R)) − e z ∇ • B(R)]
q
Der zweite Term verschwindet, damit bleibt für den ersten Term
µ
− q ∇B(R)
35
Die Bewegungsgleichung des Führungszentrums lautet damit insgesamt
•
V (t) = m1 [q a V a × B(R a ) − µ a ∇B(R a )]
a
(B.19)
Das Führungszentrum bewegt sich wie unter dem Einfluß einer effektiven Kraft, wobei der erste Term analog zur Lorentzkraft gebildet wird, der zweite ist der µ∇B - Term, der uns beim
Spiegeleffekt begegnet ist (B.16).
b) Energieerhaltungssatz
Der Energieerhaltungssatz für das Teilchen lautet streng
2
E a = const = 1 m a v a (t) 2 = 1 m a (V a + v ag ) = 1 m a (V 2a + 2V a • v ag + v 2ag )
2
2
2
Im zeitlichen Mittel ergibt sich daraus
Ea =
ma 2 ma 2 ma 2
V +
v =
V + µ a B(R a )
2 a 2 ⊥
2 a
Das Gyrationszentrum bewegt sich also wie ein freies Teilchen im Potential µaB(Ra). µaB(Ra)
nennt man daher das effektive Potential des entsprechenden Teilchens. Die dazugehörige Kraft
ist µ a ∇B(R a ) (s. Gl. (B.19)). Im Folgenden Abschnitt zeigt sich, daß Va⊥ in erster Ordnung
von rcak/L klein ist. d.h. in dieser Näherung ist V 2a ≈ V 2a// und aus dem Energiesatz läßt sich Va//
ermitteln.
V a// (R a ) = ± m2 (E a − µ a B(R a ))
a
c) Driftgeschwindigkeiten
Die Geschwindigkeit des Führungszentrums senkrecht zum Magnetfeld nennt man Driftgeschwindigkeit. Man teilt also Va auf in einen Anteil parallel und einen senkrecht zu B.
V a (t) = V a// e(R a (t) + V a⊥ )
wobei e(r) =
B(r)
der lokale Einheitsvektor in Richtung der Feldlinie ist.
B(r)
36
Einsetzen in Gl. (B.19) führt zu
•
•
•
V a// e + V a// e +V a⊥ = m1 [q a V a⊥ × B(R a ) − µ a ∇B(R a )]
a
•
•
qa
1V ≈ V
V
×
B
=
ω
V
>>
V
darf
a⊥
ca
a⊥
a⊥
a
a⊥ vernachlässigt werden. Der Term
ma
Ta
mit Va⊥ wird auf die linke Seite geschafft:
Wegen
•
•
q a V a⊥ × B(R a ) = µ a ∇B(R a ) + m a  V a// e + V a// e 
Die Gleichung wird mit B(Ra) vektoriell malgenommen. Die linke Seite ergibt dann
q a B × (V a⊥ × B) = q a B 2 V a⊥
•
Auf der rechten Seite wird unter Verwendung der Kettenregel e umgeschrieben:
•
•
e = d e(R a (t)) =  R a (t) • ∇  e(R a ) = (V a • ∇)e
dt
Also
q a B 2 V a⊥ = B × (µ a ∇B + m a Va// (V a • ∇)e)
Abschätzung von Va⊥ über den ersten Term rechts zeigt, wie oben erwähnt, daß Va⊥ ~ rca/L.
Daher ist (V a⊥ • ∇)e von zweiter Ordnung klein und wird vernachlässigt.
V a⊥ (R a ) =
1 B × µ ∇B + m V 2 (e • ∇)e
a a//
)
( a
qa B 2
(B.20)
Die Inhomogenität von B führt also zu einer Bewegung des Führungszentrums senkrecht zur
Magnetfeldrichtung. Die Drift setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, die im folgenden als
Gradient-B Drift und Zentrifugaldrift identifiziert werden.
α) Gradient-B Drift
Der erste Term in GL. (B.20) führt zur Gradient-B Drift
V a,∇B =
B × ∇(µ a B)
qaB2
37
Diese Formel kann man aus der früher abgeleiteten Formel für die Drift in einem homogenen
F ×B
Magnetfeld unter dem Einfluß einer äußeren Kraft (Gl. B.10) u a = a 2 gewinnen, indem
qaB
man dort Fa durch −∇(µ a B) ersetzt.
β) Zentrifugaldrift
Der zweite Term wird als Zentrifugaldrift identifiziert, d.h. die Drift, die unter dem Einfluß der
Zentrifugalkraft entsteht, die ein Teilchen bei der Bewegung entlang einer gekrümmten Feldlinie erfährt.
V a,z =
m a V 2a//
B × (e • ∇)e
qaB2
Abb. B.13: Geometrie bei der Zentrifugaldrift
Betrachtet man e als Funktion der Bogenlänge s entlang der Feldlinie, so ist nach Definition
des totalen Differentials
d.h.
de = (e • ∇)eds
(e • ∇)e = de
ds
Setzt man die geometrischen Verhältnisse von Abb. B.13 ein, erhält man
de = 1 de = 1  − R x  = − R x
ds R x dϕ R x  R x 
R 2x
(Rx ist der Vektor, der den Krümmungsradius der Feldlinie repräsentiert).
−m a V 2a// (e • ∇)e = m a V2a//
Rx
= F a,z
R 2x
ist also die Zentrifugalkraft. Die Formel für die Zentrifugaldrift kann also aus Gl. (B.10) gewonnen werden, indem man für die äußere Kraft die Zentrifugalkraft einsetzt.
38
V a,z =
F a,z × B
qaB2
Anstatt die Zentrifugalkraft über den Enheitsvektor e in Richtung B auszudrücken, kann man
sie auch direkt über B ausdrücken:
(e • ∇)e = 1 (e • ∇)B + B(e • ∇) 1
B
B
also
B × ((e • ∇)e) = 1 × ((e • ∇)B) = 12 B × ((B • ∇)B)
B
Damit wird die Zentrifugaldrift
V a,z =
m a V 2a//
B × ((B • ∇)B)
qaB4
5. Teilcheneinschluß
a) Einleitung
Eine der zentralen Aufgaben der Hochtemperatur-Plasmaphysik ist der möglichst lange Einschluß eines genügend dichten Plasmas. Der einfachste Einschluß ist der Trägheitseinschluß:
Auf grund ihrer trägen Masse bleiben Teilchen eine gewisse Zeit zusammen. Aufheizung muß
so schnell erfolgen, daß das Plasma während der Aufheizzeit praktisch nicht auseinanderfliegt.
Man heizt das Plasma mit Laserlicht oder eventuell mit Teilchenstrahlen auf. Plasmen mit
Trägheitseinschluß sind im allgemeinen sehr dicht und kurzlebig.
Einschluß mit Hilfe von statischen elektrischen Feldern ist grundsätzlich instabil (Satz von
Earnshaw). In zeitlich periodischen Feldern wird der Einschluß einzelner Teilchen in der Teilchenphysik erfolgreich praktiziert (s. Paul, Bonn), während Plasmaeinschluß in solchen Feldern praktisch nicht untersucht wird.
Der erfolgreichste Einschluß für Plasmen ist heute der magnetische Einschluß. Die einfachste
Geometrie wäre die Kugelgeometrie.
Abb. B.14: Magnetfeldlinien auf einer Kugelfläche haben mindestens einen Punkt, an dem das Magnetfeld verschwindet.
39
Da Magnetfeldlinien geschlossen sein müssen, sieht man sofort ein, daß die Kugeloberfläche,
auf der Magnetfeldlinien laufen, zwei Punkte hätten, an denen B gleich Null wäre, an denen also das Plasma entweichen könnte. Die einfachste magnetische Einschlußgeometrie ist also der
axialsymmetrische Torus.
b) Der axialsymmetrische Plasmatorus, Geometrie und Koordinaten
Die Torusgeometrie ist in Abb. B.15 skizziert. Ein Torus ist ein Ring mit großem Radius R
und kleinem Radius a. R/a heißt das Aspektverhältnis, das also die Schlankheit eines Torus angibt. Die toroidale Koordinate, d.h. die Koordinate, die auf dem großen Umfang läuft, heißt ϕ,
die poloidale entlang dem kleinen Umfang ω. Die Symmetrieachse wird als z-Achse von Zylinderkoordinaten gewählt. Der Ring liegt in der Ebene z = 0, die wir zuweilen auch die Äquatorebene nennen. Wir schreiben der Eindeutigkeit wegen für ϕ und ω oft auch die Indizes tor
und pol.
Abb. B.15: Die Geometrie am Plasmatorus
Im axialsymmetrischen Feld sind alle Größen von der toroidalen Koordinate unabhängig, in
Zylinderkoordinaten:
∂
∂
∂
Br =
Bϕ = Bz = 0
∂ϕ
∂ϕ
∂ϕ
c) Plasma im rein toroidalen Feld
Ein rein toroidales Feld wird am einfachsten durch einen geraden Stromfaden entlang der zAchse erzeugt. Das Feld ist dann
B=
µ0 I
2πr
also inhomogen. Das gleiche Verhalten hat man übrigens wegen des Ampereschen Gesetzes
∫ B • dr = µ 0 I
für alle axialsymmetrischen Spulenanordnungen, in denen der Strom außerhalb
des für den Einschluß betrachteten torusförmigen Bereiches fließt. Auf Grund der Gradient-B
40
Drift driften positive und negative Teilchen in entgegengesetzte Richtungen parallel (b.z.w.
antiparallel) zur z-Achse. An dieser Stelle muß die strenge Einteilchenbetrachtung verlassen
werden. Die Drift wird nämlich starke elektrische Felder aufbauen, die die Drift in z-Richtung
beenden. In diesem Zustand hat man gekreuzte E- und B- Felder, in denen Elektronen und Ionen in gleicher Richtung driften. Das Plasma verläßt in r-Richtung die magnetische Falle.
Abb. B.16: Im rein toroidalen Feld driften die Teilchen
unabhängig vom Ladungsvorzeichen nach aussen
d) Torus mit toroidalem und poloidalem Feld
α) Die Felder
Man kann den Plasmaverlust, der im rein toroidalen Feld auftritt, verhindern, indem man dem
toroidalen Feld ein poloidales überlagert. Das Gesamtfeld ist dann
B(r) = B tor (r) + B pol (r)
mit
B tor (r) = B tor (r)e tor
Bpol wird durch einen toroidalen Strom I im Plasma erzeugt. Die Feldlinien verlaufen schraubenförmig auf ineinandergeschachtelten torusförmigen magnetischen Flächen. Die Feldlinien
des poloidalen Anteils des Gesamtfeldes sind in Abb. B.17 skizziert.
Abb. B.17: Magnetische Flächen im axialsymmetrischen
Torus
41
Die Neigung der Feldlinien gegen die Torusrichtung ist normalerweise klein. Typischerweise
umläuft die Feldlinie bei einem Umlauf um den kleinen Umfang den großen Umfang drei mal.
Dies ist gleichbedeutend damit, daß Bpol << Btor
B pol
= 2πa = 1 a ≈ 1
3 ⋅ 2πR 3 R 10
B
B pol  2
B = B 2tor + B 2pol = B tor 1 + 
≈ B tor
 B tor 
Anschaulich bewirkt die Verschraubung der Feldlinie für den Teilcheneinschluß, daß die durch
die Gradient-B Drift entstandenen vertikalen E-Felder in toroidaler Richtung kurzgeschlossen
werden, denn dadurch, daß sich die geladenen Teilchen frei entlang dem Magnetfeld bewegen
können, ist ein Ladungsaustausch zwischen einem Gebiet, in dem sich an der "oberen" Seite
des Torus (d.h. in z-Richtung) z.B. positive Ladung angesammelt hat, und einem in toroidaler
Richtung versetztem Gebiet mit negativer Raumladung möglich, wenn durch beide Gebiete die
gleichen Feldlinien laufen (Abb. B.18).
Abb. B.18: Durch die Verschraubung des Magnetfeldes
können Raumladungen abgebaut werden
β) Die Flußfunktion
Nach Abschnitt B.2.b.δ war die Flußfunktion Ψ(r,z) als der magnetische Fluß definiert, der
durch einen Kreis geht, der in einer Ebene senkrecht zur z-Achse verläuft, der einen Radius r
besitzt und dessen Mittelpunkt auf der z-Achse liegt.
Ψ(r, z) = ∫ B • dA
Auf den oben definierten magnetischen Flächen ist Ψ konstant. Um dies zu zeigen, benötigt
man nur das poloidale Feld, da das toroidale Feld nicht zum Fluß beiträgt. Die Feldlinien des
poloidalen Feldes sind in Abb. B.17 skizziert. Da die Kreise zur Berechnung des magnetischen
Flusses auf einer magnetischen Oberfläche alle auf der gleichen poloidalen Feldlinie liegen,
enthalten sie die gleiche Anzahl poloidaler Feldlinien und durchsetzt sie der gleiche magnetische Fluß. Man nennt die magnetischen Flächen daher auch Flußflächen. Im Plasma wächst Ψ
42
in der Äquatorebene (bei geeigneter Richtung des toroidalen Stromes) mit wachsendem r bis
zur magnetischen Achse, d.h. bis zu der Flußfläche, die zu einem Kreis entartet ist, an. Betrachtet man also den gesamten poloidalen Querschnitt, so wächst Ψ von außen nach innen
und hat an der magnetischen Achse ein Maximum.
γ) Teilchenbahnen
Im folgendem wird die Bahn, die das Gyrationszentrum eines in einem axialsymmetrischen Torus gyrierenden Teilchens mit positiver Ladung (q > 0) qualitativ ermittelt. v⊥ und v// sind
Komponenten von v senkrecht und parallel zu B, wobei v// positiv oder negativ sein kann, jenachdem, ob v// parallel oder antiparallel zu B ausgerichtet ist. Wegen der Axialsymmetrie des
Feldes ist der verallgemeinerte Impuls in toroidaler Richtung pϕ konstant (s. B.2.b.δ).
•
p ϕ = mr 2 ϕ +
q
Ψ(r, z)
2π
•
In guter Näherung darf r ϕ=v ϕ durch v// ersetzt werden. Die Diskussion stützt sich also auf die
Formeln
i) B(r) =
ii) µ =
RB(R)
r
m 2
v
2 ⊥
B
= const
iii) v 2⊥ +v 2// = const
iv) p ϕ = mrv // +
q
Ψ = const.
2π
In Abb. B.19 ist die Projektion der Bahn in eine poloidale Ebene (ϕ = const) skizziert. Ein
Teilchen mit q > 0 starte in der Äquatorebene an der Außenseite der Flußfläche. Das Führungszentrum folgt in erster Näherung der magnetischen Feldlinie und damit nimmt r ab. Nach
Gl. i)
Abb. B.19: Die Bewegung des Gyrationszentrums in der
Projektion auf die poloidale Ebene für den Fall, daß das
Teilchen nicht in einem Spiegel reflektiert wird
43
wächst B, nach Gl. ii) wächst v⊥, nach Gl. iii) nimmt v// ab, nach Gl. iv) nimmt Ψ zu, d.h. das
Teilchen verbleibt nicht auf der anfänglich besetzten magnetischen Fläche, sondern verschiebt
sein Gyrationszentrum auf eine magnetische Fläche mit größerem Ψ, d.h. eine magnetische
Fläche, die näher an der magnetischen Achse liegt. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten:
1. Fall : v0// ist so groß, daß das Teilchen die Äquatioralebene innerhalb der magnetischen Achse mit v// > 0 erreicht. dann folgt es weiterhin der momentanen Feldlinie und beschreibt eine
zur Äquatorebene spiegelsymmetrische Bahn (Abb. B.19).
2.Fall: Das Teilchen wird vor Erreichen der Äquatorialebene gespiegelt. v// erhält also im Spiegelpunkt ein negatives Vorzeichen, r wächst, nach i) nimmt B ab, nach ii) nimmt v⊥2 ab und
nach iii wächst v//2 . v// nimmt aber ab, da es immer negativer wird. Das hat zur Folge, daß nach
iv) Ψ wächst. Das Teilchen nähert sich weiter der magnetischen Achse, es erreicht die
Äquatorialebene außerhalb der magnetischen Achse. Von da an wiederholt sich die Bahn spiegelbildlich zur Äquatorialebene, so daß insgesamt die Form einer Banane entsteht. Man spricht
von Bananenbahn (Abb. B.20).
Abb. B.20: Die Bahn eines eingefangenen Teilchens ähnelt
in der Projektion auf die poloidale Ebene einer Banane
Das inhomogene Feld bildet also Spiegel, in denen Teilchen mit genügend kleiner Anfangsgeschwindigkeit parallel zu B eingefangen werden. Bei dem Hin- ind Herlaufen zwischen den
Spiegeln ist die Bahn nicht gleich, da der Erhaltungssatz des verallgemeinerten Impulses (Gl.
iv) gilt, in dem v// vorzeichenbehaftet eingeht.
Die Bananenbahn hat einen Einfluß auf die Diffusion der Teilchen im Torus. Diese entsteht
durch Stöße von Teilchen untereinander. In einem homogenen Magnetfeld wird das Gyrationszentrum bei einem Stoß im Mittel um den Gyrationsradius versetzt.
44
Bei Vorliegen einer Bananenbahn beträgt die Versetzung eine Strecke, die durch die Dicke der
Bananenbahn gegeben ist. Die Diffusion erhöht sich dadurch. Man spricht in diesem Fall von
neoklassischer Diffusion.
45
KAPITEL C
Das Hydrodynamische Modell
1. Einleitung
Der konsequente Weg zur Entwicklung von Gleichungen, die das Verhalten von Plasma beschreiben, geht von der Einteilchenbewegung aus. Über statistische Methoden werden dann
Gleichungen für die makroskopischen Größen abgeleitet, d.h. für die Massendichte ρ(r,t), Ladungsdichte ρe(r,t), das Geschwindigkeitsfeld v(r,t), die Stromdichte j(r,t), das elektrische (E)
und magnetische (B) Feld. Alle diese Größen sind im allgemeinen orts- und zeitabhängig und
stellen geglättete Mittelwerte dar. Z.B. enthält das elektrische Feld einen stark schwankenden
Anteil, der sich durchaus in bestimmten Situationen bemerkbar macht, wie z.B. bei der Verbreiterung von Spektrallinien. Das makroskopische Feld stellt einen Mittelwert über diese
Schwankungen dar.
Im folgenden wird dieser Weg nicht beschritten. Statt dessen werden die Flüssigkeitsgleichungen intuitiv ausgehend von Kontinuumsvorstellungen hingeschrieben. Die resultierenden Gleichungen sind die Grundlage der Magnetohydrodynamik (MHD). Diese wird angewandt zur
Beschreibung der Bewegung flüssiger Metalle in magnetischen und elektrischen Feldern. Sie
liefert aber auch gute Ergebnisse bei der Betrachtung von Gleichgewicht und makroskopischen Instabilitäten im Plasma. Außerdem können langsame Wellenvorgänge behandelt werden. Im Plasma spielt im Gegensatz zur Situation in Flüssigmetallen im allgemeinen die Kompressibilität des Mediums eine Rolle. Ähnlich wie bei Gasströmungen kann man auch im Plasma bei nicht zu hohen Geschwindigkeiten die Kompression vernachlässigen. Bei der Betrachtung von Pinchexperimenten oder hydromagnetischen Wellen ist im allgemeinen die Komprimierbarkeit des Plasmas entscheidend.
Wie bei der Behandlung der Metalle berücksichtigt man in der MHD-Theorie in der Sromdichte nur den Elektronenstrom. Während man in Metallen die magnetischen Eigenschaften über
eine relative Permabilität µ r beschreibt, geht man in der MHD-Theorie von der Permabilität
des Vakuums aus ( µr =1) und beschreibt die magnetischen Eigenschaften über die Stromdichte im Plasma. Ähnliches gilt zumeist für εr.
2. Grundgleichungen
Die Grundgleichungen der MHD sind die Flüssigkeitsgleichungen, in denen die für Plasmen
charakteristischen elektromagnetischen Kräfte berücksichtigt werden. Für die elektromagnetischen Felder benötigt man die Maxwellgleichungen sowie verallgemeinerte Materialgleichungen wie das Ohmsche Gesetz.
a) Die Bewegungsgleichung
Wir betrachten ein Flüssigkeitselement ∆m, auf das die Kraft ∆F wirkt. Die Bewegungsgleichung dieses Flüssigkeitselementes ist dann
•
∆m v = ∆F
46
In Flüssigkeiten ist es sinnvoll, ∆m und ∆F auf das Volumen zu beziehen. Durch Differentiation erhält man dann
•
ρv=f
mit ρ = dm/dV (Massendichte) und f = dF/dV (Kraftdichte)
α) Die substantielle und die lokale Ableitung
Die Geschwindigkeit ist die des Flüssigkeitselementes, d.h. eines Paketes, das immer die glei•
chen Teilchen enthält. v ist daher die Beschleunigung, die dieses Paket auf seiner Bahn r(t) er•
fährt. Man nennt daher v= dv die substantielle Ableitung. Primär ist im allgemeinen das Gedt
•
schwindigkeitsfeld bekannt, wobei r (t) = v ist. Der Zusammenhang zwischen substantieller
∂v(r, t)
Ableitung und der lokalen Ableitung des Geschwindigkeitsfeldes
erhält man, indem
∂
man für r die Teilchenbahn r(t) einsetzt:
dv x (r(t), t) ∂v x ∂v x dx ∂v x dy ∂v x dz
=
+
+
+
∂t
∂x dt ∂y dt ∂z dt
dt
...
...
∂v
∂v
∂v
∂v
= x + x vx + x v y + x v z
∂t
∂x
∂y
∂z
...
...
dv = ∂v + (v • ∇)v
dt ∂t
β) Die Druckkräfte
Die wichtigsten Kräfte in der MHD sind die Druckkräfte fp und die magnetischen Kräfte fB.
Betrachtet man ein Volumenelement in kartesischen Koordinaten (Abb. C.1), so wird durch
den Druckunterschied an den beiden Stirnseiten z.B. in x-Richtung eine Gesamtkraft erzeugt
Abb. C.1: Zur Geometrie der Druckkräfte
F ges,x = p(x)∆y∆z − p(x + ∆x)∆y∆x
mit
p(x + ∆x) = p(x) +
F ges,x = −
∂p
∆x
∂
∂p
∆x∆y∆z
∂
wird hieraus
47
und als Vektor
f p = −∇p
γ) Die magnetischen Kräfte
Die magnetischen Kräfte haben ihren Ursprung in den Lorentzkräften auf die geladenen Teilchen, die sich im Magnetfeld bewegen. Die Strömungsgeschwindgkeit v ist im wesentlichen
durch die Geschwindigkeit der Ionen gegeben. Bewegen sich Ionen und Elektronen mit der
gleichen Geschwindigkeit v, so entstehen keine resultierenden Kräfte auf das Plasma, da sich
wegen der Ladungsneutralität Kräfte auf Ionen und Elektronen kompensieren. Haben Elektronen eine von der Strömungsgeschwingkeit abweichende Geschwindigkeit
v e,ges = v + v e
so fließt ein Strom durch die Flüssigkeit mit einer Stromdichte
j = qeneve
Pro Elektron ergibt sich eine Lorentzkraft
Fe = qe ve × B
und eine Kraftdichte
fe = ne qe ve × B
Die Kraftdichte wirkt zunächst auf die Elektronen, wird aber wegen der Ladungsneutralität
sofort auf die Ionen übertragen. Die magnetische Kraftdichte hat also die Form
fB = j × B
δ) Die Bewegungsgleichung in MHD-Näherung
Elektrostatische Kräfte spielen in der MHD-Näherung aufgrund der Quasineutralität keine
Rolle. Im Prinzip muß man viskose Kräfte mitnehmen. Wenn man dieses tut, gibt man ihnen
meist die Form, die sie in den Navier-Stokes Gleichungen haben.
f V = η∇ 2 v
In vielen Fällen läßt man die viskosen Kräfte weg. Die Bewegungsgleichungen haben dann die
Form
48
ρ 
∂v (v
+ • ∇)v  = −∇p + j × B
∂
(C.1)
Für B = 0 ergeben sich die Eulerschen Gleichungen.
b) Das Ohmsche Gesetz
α) Ohne Magnetfeld
Auch das ohmsche Gesetz muß auf lokale Größen umgeschrieben werden. Betrachtet man das
Volumenselement in Abb. C.2
Abb. C.2: Geometrie zum allgemeineren ohmschen Gesetzes
und greift zunächst die x-Richtung heraus, so wird aus ∆U = IR
j x = I = 1 ∆U
A
RA
1 l , wenn σ die Leitfähigkeit des Materials ist, wird
Da R = σ
A
j x = σ ∆U = σE x
∆
insgesamt
j = σE
β) Durch Bewegung des Schwerpunktes im B-Feld induziertes Ev
Dadurch, daß sich der Schwerpunkt der Flüssigkeit im Magnetfeld bewegt, wirkt auf Elektronen und Ionen eine entgegengesetzt gleiche Lorentzkraft
Fa = qa v × B
Die Ladungstrennung kommt zum Stillstand, wenn das entstehende Feld gleich der Lorentzkraft ist
F
Ev = q a = v × B
a
Diese Feldstärke muß bei einer Strömung der Flüssigkeit im Magnetfeld mit berücksichtigt
werden. Das Ohmsche Gesetz, das für die MHD im engeren Sinne maßgeblich ist, hat daher
die Form
49
j
σ =E+v×B
(C.2)
γ) Andere Terme
Bei der MHD im weiteren Sinne, d.h. unter Bedingungen, die in Flüssigmetallen im allgemeinen keine Rolle spielen, die aber im Plasma unter gewissen Voraussetzungen wichtig werden
können, treten auf der rechten Seite von Gl. (C.2) noch einige Terme hinzu. Dies sind der
Hall-Term, eine Feldstärke, die ein Strom, der über das Magnetfeld fließt, bewirkt
Fe = qe ve × B
n e qe v × B
F
EH = q e = ve × B = n q
= − n1e j × B
e
e e
e
Ein Term, der durch die Elektronenträgheit verursacht wird, und der bei Frequenzen, bei denen die Trägheit der Elektronen eine Rolle spielt, berücksichtigt werden muß
ET =
me •
j
ne 2
und ein Term, der die thermoelektrischen Effekte beschreibt.
1 ∇kT
E ϑ = − ne
e
Diese Terme sind befriedigender in einer Zweiflüssigkeitstheorie zu beschreiben, in der die Bewegung der Elektronen- und der Ionenflüssigkeit betrachtet wird, und in der die Elektronenund Ionenplasmafrequenz und relativistische Geschwindigkeiten berücksichtigt werden. Diese
Zweiflüssigkeitstheorie wird im folgenden Kapitel für den einfachen Fall des kalten, stoßfreien
Plasmas vorgestellt. In diesem Kapitel C beschränken wir uns auf die Flüssigkeitstheorie im
engeren Sinne.
c) Die Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung beschreibt die Massenerhaltung. Sie hat die gleiche Form wie in der
Hydrodynamik. Der Massenfluß durch ein Flächenelement ∆A ist gegeben durch
ρv • ∆A
der Massenverlust des Volumenelementes ∆V
−
∂m
= ∫ ρv • dA = ∫ div(ρv) • dV
∂
Durch Ableiten nach V wird daraus
50
−
∂ρ
= div(ρv)
∂t
(C.3)
Bei einer inkompressiblen Flüssigkeit ist ρ = ρ0 und damit div v = 0.
d) Die Maxwellgleichungen
Die Felder, Strom- und Ladungsdichten hängen über die Maxwellgleichungen miteinander zusammen. Wir benutzen sie in der Form
ρe
divE = ε
0
divB = 0
rotE = −
∂B
∂t
rotB = µ 0 j
•
Der Verschiebungsstrom 12 E kann, wenn die charakteristischen Geschwindigkeiten klein ge-
gen die Lichtgeschwindigkeit sind, ähnlich wie in elektrotechnischen Problemen fortgelassen
werden. Um dies zu zeigen, nehmen wir an, daß die typischen Phänomene durch einen Wellenansatz beschrieben werden können
B = B 0 e i(ωt−k•r)
E = E 0 e i(ωt−k•r)
•
Wir schätzen den Term 12 E gegen rot B ab:
c
1 E• ∼ ω E
2
2
•
Da rotE = −B wird kE ~ ωB, E ~ (ω/k)B
1 E• ∼ ω 2 B
2
2
Andererseits
rot B ~ kB
Der Verschiebungsstrom ist also zu vernachlässigen, wenn
51
ω2
2
<< k
ω2
<< 1
k2c2
2
 v  << 1
c
3. Die Diffusion des Magnetfeldes
a) Diffusionsgleichung
Wir betrachten zunächst ein ruhendes Plasma (bei einem bewegten transformieren wir in das
Schwerpunktsystem des Plasmas). Im Außenraum wird ein Magnetfeld angelegt, dessen Zeitverlauf an der Oberfläche des Körpers bekannt ist. Das Magnetfeld induziert aufgrund des Induktionsgesetzes ein elektrisches Feld
•
rotE = −B
das über das Ohmsche Gesetz
j = σE
(für v = 0)
einen Strom zur Folge hat, der über das Ampèresche Gesetz
rotB = µ 0 j
mit dem Magnetfeld verknüpft ist. j kann direkt über die letzte Gleichung eliminiert werden.
Zur Elimination von E muß einmal die Rotation gebildet werden. Man erhält dann eine Differentialgleichung für B
•
rotrotB = −µ 0 σ B .
Mit der Vektoridentität
rotrotB = ∇(∇ • B) − ∇ 2 B
und ∇ • B = 0 ergibt sich die Diffusionsgleichung
•
∇2B = µ0σ B
(C.4)
Diese ist analog aufgebaut zu anderen Diffusionsgleichungen, z.B. der Wärmediffusionsgleichung
52
•
T= κ∇ 2 T
Anmerkung:
Auch für ein bewegtes Plasma kann j und E wie oben eliminiert werden. Man erhält aus der
Bewegungsgleichung und dem allgemeinen Ohmschen Gesetz zwei Gleichungen für die Variablen B und v, die die Dynamik von leitfähigen Flüssigkeiten in Magnetfeldern beschreiben
ρ dv = −∇p + µ1 (rotB) × B
0
dt
(C.5)
1 rotrotB = −B• +rot(v × B)
µ0σ
(C.6)
b) Eindringtiefe
α) Geometrische Verhältnisse
Wir wollen im Folgenden die Diffusion eines Magnetfeldes mit Gl. (C.4), d.h. für ein Plasma,
das sich hier wie ein Metall verhält, berechnen. Eine einfache, im Labormaßstab realisierbare
Geometrie ist in Abb. C.3 gezeigt.
Abb. C3: Einfach zu realisierende Magnetfeldanordnung
Eine Spule umgibt das zylindrische Plasma. Wenn Endeffekte zu vernachlässigen sind, hat B
nur eine z-Komponente und j eine ϕ-Komponente. Alle Größen sind nur von r abhängig. Das
Plasma hat eine zylindrische Oberfläche bei r = R. Um die Algebra zu vereinfachen, betrachten
wir statt dessen eine ebene Geometrie (Abb. C.4), in der an Stelle der Zylinderkoordinaten
r, ϕ, z die kartesischen Koordinaten x, y, z treten. Wir haben also B =Bez, j = je
ϕ und
∂
∂
=
= 0 . Das Plasma hat eine ebene Oberfläche und erstreckt sich in den positiven x-Hal∂y ∂z
braum. Wir können uns die ebene Geometrie als Grenzfall der Zylindergeometrie für große R
vorstellen.
Abb. C.4: Die der Zylindergeometrie entsprechende ebene Geometrie
53
β) Der Skineffekt
Der Skineffekt ist die Lösung des Diffusionsproblems für den Fall, daß an der Plasma- (bzw.
Metall-) oberfläche ein Wechselfeld vorliegt. Diese Randbedingungen führen zu einer der wenigen analytischen Lösungen der Diffusionsgleichung. Wir setzen die in Abb. C.4 skizzierte
eindimensionale Geometrie mit
 0
B =  0

 B(x, t)
∂
∂
=
= 0,
∂y ∂z





voraus. Das Magnetfeld am Rande des Plasmas ist vorgegeben
B(0, t) = B 0 e iωt
Die Diffusionsgleichung hat dann die Form
•
d 2 B(x, t)
// (x,
(x, t)
=
B
σ
B
t)
=
µ
0
dx 2
Mit dem Ansatz
B(x, t) = B(x)e iωt
wird daraus
B(x, t) // = µ 0 σiωB(x)
mit dem Ansatz
B(x) = B 0 e αx
erhält man
α = ± µ 0 σω i
Die Amplitude wird B0 gesetzt, um die Randbedingung bei x = 0 zu erfüllen. Um bei x → ∞
kein unendliches Feld zu erhalten, muß das Vorzeichen vom Realteil von α negativ sein:
Re(α) < 0.
Die Lösung wird damit
i  ωt− µ 0 σω/2 x  − µo σω/2 x
B = B0e 
e
Der erste Faktor beschreibt eine Welle, die in das Plasma läuft, der zweite deren abnehmende
Amplitude. Die Amplitude nimmt exponentiell ab mit der Skintiefe d als 1/e Tiefe
d=
1
µ 0 σω/2
(C.7)
54
Für Kupfer gilt die Faustformel
d
mm =
66
ν/Hz
Ähnliche Erscheinungen spielen sich in den Eiskappen der Pole bezüglich der Wärmediffusion
ab. An der Oberfläche ist die Temperatur im Jahresrhythmus periodisch.
γ) Abschätzungsformel
Aus Dimensionsgründen muß der funktionale Zusammenhang zwischen Eindringtiefe l0 und
charakteristischer Frequenz ω0 oder Zeit t0 für alle möglichen Diffusionsprobleme eines Magnetfeldes in einem Plasma bis auf einen konstanten Faktor, von dem wir hoffen, daß er von
der Größenordnung 1 ist, die Form von Gl. (C.7) haben, z.B. für die Eindringzeit t0 bis zu einer Tiefe l0
(C.8)
t 0 = l 20 µ 0 σ
Die Abschätzformel Gl. (C.8) kann auf eine etwas allgemeinere Art gewonnen werden: Wir
schreiben die Diffusionsgleichung
∂B
∂2B
= µ0σ
∂t
∂x 2
dimensionslos, indem wir alle Größen auf charakteristische Größen des Experimentes beziehen
B/ = B ,
B
x / = xx ,
o
t/ = t
t0
Wählen wir für B0, x0 typische Werte des Experimentes, so ergibt sich t0 zwangsläufig aus der
Forderung, daß die Dimensionen der Diffusionsgleichung rechts und links gleich sind
B
B0
= µ0σ 0 ,
2
t0
l0
t 0 = l 20 µ 0 σ
Ersetzt man jetzt B, x und t durch ihre dimensionslosen Entsprechungen B’, x’, t’, so hat die
Diffusionsgleichung eine von Orts-, Zeitskalen und speziellen Konstanten freie Form
∂ 2 B / ∂B /
= /
∂x /2
∂t
Von dieser Form würde man auch für numerische Berechnungen ausgehen. Wir stellen uns
vor, wir hätten die dimensionslose Diffusionsgleichung gelöst. Für die Zeit, die das Magnetfeld
benötigt in eine Tiefe x' = 1 einzudringen, würde man vermutlich t' = 1 bis auf eine Konstante
55
der Größe 1 herausbekommen, da die Gleichung keine anderen Konstanten enthält. Umrechnen auf die ursprünglichen dimensionsbehafteten Größen führt sofort zu unserer Abschätzformel Gl. (C.8). Um diese für praktische Fälle anwenden zu können, benötigen wir eine Abschätzung für die Leitfähigkeit. Unter Vorgriff auf Kap. E setzen wir für ein Plasma der Temperatur Te (in eV) unabhängig von der Teilchendichte
3/2
σ
 T e  10 3
≈
1,
5
 eV 
Ω −1 m −1
(C.9)
δ) Beispiele
Für ein typisches Laborplasma mit Te = 100 eV und l0 = 0,01 m wird die Zeit, in der ein Magnetfeld das Plasma durchdringt
t E = µ 0 σl 20 = 4π ⋅ 10 −7 ⋅ 1, 5 ⋅ 10 6 ⋅ 10 −4 = 2 ⋅ 10 −4 = 2 ⋅ 10 −4 s
Wenn man Zeiten betrachtet, die kürzer als 100 µs sind, kann das Magnetfeld nicht durch das
Plasma diffundieren, umgekehrt kann das Plasma als im Magnetfeld eingeschlossen betrachtet
werden.
Bei einem großen Fusionsexperiment mit Te = 104 eV und l0 = 1 m ist diese Zeit 2 · 103 s. Beobachtet wird im Tokamak t0 ~ 0,1 s. Man kann daraus folgern, daß die Gl. (C.9) die Leitfähigkeit in einem Tokamakplasma nicht korrekt wiedergibt.
Bei einem Himmelskörper der Größe und Leitfähigkeit der Sonne kommt man auf Eindringzeiten, die der Größenordnung des Alters der Welt entsprechen. Man erkennt, daß die Frage, ob
ein Magnetfeld in einen Körper eindringt, von der gegenseitigen Größe von t0, l0, und σ abhängt. Bei sehr großen Objekten oder sehr kurzen Zeiten kann das Magnetfeld nicht durch ein
Plasma diffundieren, selbst wenn die Leitfähigkeit nicht besonders groß ist. Man kann ein Magnetfeld in ein Plasma bringen, indem man es in der Entstehungsphase anlegt, während die
Leitfähigkeit gering ist. Bei genügend hoher Leitfähigkeit ist das Plasma dann in das Magnetfeld "eingefroren" d.h. die Magnetfeldlinien können sich nicht über das Plasma bewegen.
c) Magnetische Reynoldszahl
Die Frage, wie weit ein Magnetfeld in einen Körper eindringt, wird durch die magnetische
Reynoldszahl Rm beschrieben. Rm ist eine dimensionslose Zahl, die gleich dem Quadrat des
Verhältnisses von typischer Länge der Anordnung zur Eindringtiefe ist. Setzt man z.B. die
Formel für den Skineffekt voraus, so ist
R m = µ 0 σωl 2o
(C.10)
Bei einer Strömung eines Plasmas in einem Magnetfeld mit der Geschwindigkeit v = l0/t0 hat
man
56
R m =vl 0 µ 0 σ
Man gelangt zu der Reynoldszahl in der Hydrodynamik, indem man
µ0σ = 1
η/ρ
setzt. η ist die Viskosität und η/ρ die kinematische Viskosität. Eine andere mit der obigen Definition Gl. (C.10) identische Interpretation der magnetischen Reynoldszahl besagt, daß sie das
Verhältnis vom Magnetfeld durch Ströme im Plasma zum Vakuumfeld angibt. Abb. C.5 zeigt
z.B. ein magnetisches Dipolfeld, das von einem Plasma angeströmt wird. Im oberen Fall ist
Rm << 1, d.h. das Magnetfeld bleibt das Vakuumfeld, unten ist Rm ~ 1, d.h. das Magnetfeld
wird verzerrt.
Abb. C.5: Bei Rm << 1(oben) bleibt das Vakuumfeld
ungestört. Bei Rm >> 1 (unten) verursachen Ströme im
Plasma eine starke Verzerrung des Vakuumfeldes.
Wenn man die Magnetfeldlinien in Abb. C.5 durch Isothermen in einer Flüssigkeitsströmung
ersetzt, übernimmt die Piclet Zahl die Rolle der magnetischen Reynoldszahl. Bei Rm>> 1 findet keine Diffusion statt. Die Materie ist an das Magnetfeld gebunden. Man sagt, das Magnetfeld ist eingefroren. Eine Flußröhre, d,h, eine Röhre, deren Oberfläche aus Magnetfeldlinien
gebildet wird, enthält immer die gleichen Teilchen. Dies ist ein Ergebnis, das wir schon im Einteilchenmodell im stoßfreien Fall gewonnen hatten.
Abb. C.6: Eine Flußröhre ist eine röhrenförmige Fläche, deren Mantel
Feldlinien bilden. Die Flußröhre enthält bei unendlicher Leitfähigkeit
immer die gleichen Teilchen.
Man kann also in diesem Fall aus der Bewegung des Plasmas auf die Verformung des Magnetfeldes schließen oder umgekehrt. Z.B. wird bei Eruptionen der Sonnenoberfläche Magnetfeld
Abb. C.7: Ein Plasmaball
wird aus der Sonnenoberfläche ausgestoßen.
57
mit dem Plasma mitgerissen. Die Feldlinien dehnen sich wie Gummibänder und reißen schließlich ab, so daß sich ihre Topologie ändert (reconnection).
4. Gleichgewicht
a) Grundgleichungen
Um Plasma durch Magnetfelder einzuschließen, muß zunächst einmal die Diffusion genügend
klein sein, d.h. die Leitfähigkeit genügend groß. Darüber hinaus muß ein Gleichgewicht zwischen den Druckkräften des Plasmas und den magnetischen Kräften herrschen. Im Falle des
Gleichgewichts ruht das Plasma, und alle Zeitableitungen verschwinden. Mit den Voraussetzungen
v = 0, σ = ∞,
∂
=0
∂
bleiben von den Grundgleichungen der MHD, Gl. (C.1) - (C.3) und den Maxwellgleichungen
übrig
j × B = ∇p
(C.11)
rotB = µ 0 j
Dies sind die Grundgleichungen für den magnetischen Einschluß. Alle grundlegenden theoretischen und numerischen Untersuchungen basieren auf diesen Gleichungen. In der Gleichgewichtstheorie für den Tokamak entwickelt man aus ihnen eine Differentialgleichung für die
Flußfunktion Ψ (r, z)
D(Ψ(r, z)) = 0
wobei D ein Differentialoperator ist. Diese Gleichung ist die Grad-Shafranov-Gleichung.
Durch skalare Multiplikation der ersten Gleichung nacheinander mit j und B erkennt man, daß
sowohl j wie B senkrecht auf ∇p stehen. In einem Plasma im Gleichgewicht wird der Druck
von innen nach außen abnehmen. ∇p steht senkrecht auf den Flächen konstanten Drucks, j und
B liegen also in den Flächen konstanten Drucks. Da die Flächen, die die Magnetfeldlinien enthalten, identisch mit unseren im vorigen Kapitel definierten Flußflächen sind, folgt, daß auf
den Flußflächen der Strom fließt, die magnetischen Feldlinien liegen und der Plasmadruck
konstant ist. (Abb. C.8)
Abb. C.8: Auf den Flußflächen ist der Druck konstant,
und auf ihnen laufen Magnetfelder und Stromdichtevektoren
58
In typischen Einschlußexperimenten ist am Rand der Plasmadruck p = 0.
b) Magnetischer Druck
α) Fragestellung
Die j x B Kraft in einem Plasma läßt sich im Gleichgewicht alleine aus dem Magnetfeldverlauf
ausrechnen. Dazu setzt man die erste Gleichung von Gl. (C.11) in die zweite ein, man erhält
∇p + µ1 (B × rotB) = 0
0
Wir folgern, daß µ1 (B × rotB) wie ∇p eine Kraftdichte darstellt. Weiter unten werden wir se0
hen, daß man diesen Term durch Vektorumformungen in die Form
=
∇P
=
bringen kann. P ist ein Tensor, der die Dimension eines Druckes hat, und heißt Tensor des
magnetischen Druckes. Wir machen uns die Form und die Bedeutung des Drucktensors an eindimensionalen Problemen klar.
β) Eindimensionales ebenes Problem
Die betrachtete Geometrie ist wieder die von Abb. C.4, die hier in Abb. C.10 wiederholt wird:
Abb. C.10: Der magnetische Druck an einer ebenen
Plasmaoberfläche
 0 
B =  0 
 
B 
Es gilt
∂
∂
=
= 0,
∂y ∂z
und daher
 ∂x∂   0


rotB =  0  ×  0

 
 0  B
  0
 =  −∂B
  ∂x
 
  0
 0   0

B × rotB =  0  ×  − ∂B
   ∂x
B   0





  B ∂B
  ∂x
 = 0
 
  0
 B2

 ∂ 2
 =  0
 ∂x 

 0





Man kann also, wie oben für den allgemeinen Fall behauptet, in der Gleichgewichtsgleichung
den Term, der das Magnetfeld enthält, als Gradient eines Druckes schreiben
59
∂p ∂ B 2
+
∂x ∂x 2µ 0
2
pm = B
2µ 0
(C.12)
pm heißt der magnetische Druck.
γ) Der Drucktensor
Wir suchen einen Tensor P, für den gilt
=
−j×B= µ1 B × rotB = ∇ P
0
Zur Umformung des B x rot B Terms gehen wir von der Vektoridentität aus
B × (∇ × B) = 1 ∇B 2 − (B • ∇)B
2
Der zweite Term auf der rechten Seite wird umgeformt mit
∇ • (BB) = B(∇ • B) + (B • ∇)B
Der erste Term rechts fällt wegen ∇ • B = 0 fort. BB ist ein Tensorprodukt in Matrizen darstellbar durch
 Bx By Bz 

 Bx  
BB =  B y 


 Bz 
 B x B x B xB y B x B z 

=  B y B x B y B y B y B z 


 B z B x B zB y B z B z 
Damit ist die Aufgabe, den Gradienten vorzuziehen erreicht
1
1 1 2

µ 0 B × rotB = µ 0  2 ∇B − ∇ • (BB) 
Der erste Term in der Klammer muß lediglich mit der Einheitsmatrix multipliziert werden. Der
Drucktensor hat dann die Form:
 p + 1  1B2 − B2 
− µ10 B x B z
− µ10 B x B y
µ0  2


= 
P= 
− µ10 B y B x
p + µ10  12 B 2 − B 2y 
− µ10 B y B z


− µ10 B z B x
− µ10 B z B y
p + µ10  12 B 2 − B 2z 








Durch Einführen eines lokalen Koordinatensystems, dessen z-Achse mit der Magnetfeldrichtung zusammenfällt, vereinfacht sich der Tensor
60
 p + 2µ1 B 2
0
0
0

1
0
p + 2µ 0 B 2
0
P= 

0
0
p − 2µ1 0 B 2

=





C.13
Durch Multiplizieren mit einem Flächenelement und Gradientenbildung erhält man die Kraft in
Richtung der Flächennormalen. Man erkennt, daß senkrecht zur Magnetfeldrichtung (x und yRichtung) zum thermischen Druck ein Druck hinzukommt, in Magnetfeldrichtung (z-Richtung)
ein Druck abgezogen wird. Man kann sich diese zusätzlichen Terme als Seitendruck und
Längszug der Feldlinie vorstellen.
c) Einschluß eines zylindrischen Plasmas
Abb. C.11: Die Geometrie des zylindrischen Plasmas. a
ist der Plasmaradius, r die laufende Koordinate
α) Druckgleichgewicht
In Zylindergeometrie (Abb. C.11) gehen wir analog vor wie in ebener Geometrie. Um der
Feldgeometrie im Tokamak nahe zu kommen, lassen wir Bϕ ≠ 0, Bz ≠ 0 zu
∂
∂
=
= 0,
∂ϕ ∂z
 0 
B =  B ϕ 


 Bz 

 e r ” ∂r∂ ” 0   0

  −∂B 
rotB =  e ϕ 0 B ϕ  =  ∂r z 

  1∂

 e z 0 B z   r ∂r rB ϕ 
Die Matrixschreibweise des rot - Operators in Zylinderkoordinaten ist nicht ernst zu nehmen,
es handelt sich lediglich um eine Gedächtnisstütze.
  B ϕ 1r ∂ rB ϕ + B z ∂ B z
 0   0
∂r
∂r
∂

 


 B ϕ  ×  − ∂r B z  = 
0

 
 
 B z   1r ∂r∂ rB ϕ  
0
Die Gleichung für das Druckgleichgewicht lautet also
∂  ∂
1  ∂
1 2
µ 0 B ϕ ∂ B ϕ + r Bϕ + B z ∂ B z  + ∂ p = 0





61
1  ∂ 1 2 ∂ 1 2 1 2 ∂
µ 0  ∂r 2 B ϕ + ∂r 2 B z + r B ϕ  + ∂r p = 0
Bϕ und Bz sind Funktionen des Radius.
a
Man integriert über die Querschnittsfläche (∫
0
r 2 drdϕ) und führt eine partielle Integration
durch. Als Resultat ergibt sich eine Gleichung für das Druckgleichgewicht
B z (r) 2
B ϕ (a) 2 B z (a) 2
+
=
+ ⟨p⟩
2µ 0
2µ 0
2µ 0
(C.14)
Auf der linken Seite steht der Magnetfelddruck des gesamten Magnetfeldes am Plasmarand.
Rechts steht der Mittelwert über den Querschnitt, z.B.
∫ 0 B 2z (r)rdrdϕ
a
B z (r)
2
=
π
2
Bemerkenswert ist, daß das poloidale Feld im Plasma keinen Beitrag liefert.
β) Der Parameter β
Bei Gültigkeit von Gl. C.14 definiert man
β=
⟨p⟩
B 2a /2µ 0
wobei B 2a = B 2ϕ (a) + B 2z (a). Nach C.14 ist dann
β=1−
⟨B 2z (r)⟩
B 2a
β = 1 heißt also ⟨B 2z (r)⟩ = 0 . Das Plasma ist frei von Magnetfeld. Der magnetische Druck
wirkt in der äußersten Randschicht. (Abb. C.12 oben)
Abb. C.12: Bei β = 1 enthält ein Plasma im Gleichgewicht
kein Magnetfeld, bei β << 1 ist das Magnetfeld innerhalb des
Plasmas fast so stark wie außerhalb
β << 1 heißt, daß der innere Magnetfelddruck fast gleich dem äußeren ist. Bei vorgegebenem
Plasmadruck <p> wird Ba am kleinsten bei β = 1. Da bei großen Einschlußexperimenten die
62
Herstellung des äußeren Magnetfeldes ein erheblicher Kostenfaktor ist, strebt man aus ökonomischen Gründen ein möglichst großes β an. Andererseits unterstützt ein inneres Magnetfeld
die Stabilität (s. Abschnitt f). Da das Stabilitätsproblem zunächst das gravierendste Problem
ist, haben alle aktuellen Einschlußexperimente ein β im Prozentbereich.
γ) Die kompensierte Schleife
Die kompensierte Schleife erlaubt es, aus dem Signal von Spulen, die außerhalb des Plasmas
angebracht sind, auf den mittleren Plasmadruck zu schließen und damit, wenn die Dichte bekannt ist, auf die Temperatur. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Gleichgewichts. Man
mißt B2a und <B2z(r)> und bestimmt mit Hilfe von Gl. (C.14) den Druck.
Die Schwierigkeit besteht darin, daß in den meisten Experimenten β sehr klein ist, und sich daher die Magnetfelder am Plasmarand und im Innern nur wenig unterscheiden. Man macht daher eine Differenzmessung. Die Spulen werden so ausgelegt, daß die Signale ohne Gegenwart
des Plasmas gleich groß und entgegengesetzt sind. Wenn β << 1, ist das Differenzsignal proportional zu nT.
Abb. C.13: Bei geeigneter Abstimmung der Flächen A1 und
A2 ist das Signal der kompensierten Schleife proportional
zum Plasmadruck.
d) Die Benett-Gleichung
(Benett 1934)
In einer zylindrischen Anordnung, in der Strom in z-Richtung fließt, (Abb. C.11), wird das einschließende Magnetfeld alleine durch den im Plasma fließenden Strom erzeugt. Solche Anordnungen sind üblich zur Plasmaerzeugung, z.B. der Lichtbogen oder der z-Pinch. Man kann erwarten, daß sich ein Gleichgewicht einstellt zwischen Magnetfelddruck und Plasmadruck, so
daß man durch Vorgabe des Stroms das erreichbare n · Tausrechnen kann (Benett Gleichgewicht).
Abb. C.14: Wenn das Magnetfeld eines axialen Stromes das Plasma einschließt, kann man aus der Stromstärke den Plasmadruck ausrechnen
Die Gleichgewichtsbedingung lautet hier
B 2ϕa
= nkT
2µ 0
63
Das Amperesche Gesetz besagt
B ϕa =
d.h.
µ0I
2πa
µ0 2
I = nkT
π2 2
kT =
µ0
I2
8π(nπa 2 )
nπa2 ist die Teilchendichte pro Länge, die sogenannte Liniendichte. Für einen Strom von
I = 105 A und eine Liniendichte nπa2 = 1019m-1 erhält man eine Temperatur von T = 25·106 K.
Ströme von 105 A sind durch Kondensatorentladungen leicht zu erzeugen. Das Problem liegt
in der mangelnden Stabilität des Plasmafadens (s. Abschnitt f).
e) Gleichgewicht im Torus
Man behandelt getrennt das Gleichgewicht bezüglich kleinen (a) und großen (R) Radius.
Abb. C.15: Kleiner und großer Radius im Torus
Bezüglich kleinem Radius kann man in erster Näherung die Betrachtungen am Zylinder übertragen. Für ein typisches β = 0,1 ergibt sich aus der Gleichgewichtsbedingung
B 2a
= 10nkT = 20n e kT
2µ 0
für typische Werte ne = 1020 m-3 und T = 108 K benötigt man B ~ 3 T. In JET hat das Toroidal2
5
feld eine Stärke von 3,4 T. Dies entspricht einem Druck von B
µ 0 = 3 ⋅ 10 Pa ≈ 3bar . Damit
verbunden sind gewaltige Probleme, nicht nur der Stromversorgung, sondern auch der Festigkeit. Bei JET enthält die Toroidalfeldspule 380 t Kupfer, der Eisenkern des Transformators
zur Induzierung des toroidalen Stroms wiegt 1500 t. Die Leistung zur Speisung der Toroidalfeld - Spulen beträgt 250 MW.
Ein Plasmaring würde sich ohne weitere Maßnahmen ausdehnen. Jeder Stromring erfährt aufgrund der Tatsache, daß innen der Magnetfelddruck größer als außen ist, eine radial nach außen wirkende Kraft. In die gleiche Richtung wirken die thermischen Kräfte. Man fügt daher
dem Experiment neben den Toroidalfeldspulen und den Spulen zur Induzierung des toroidalen
Stromes (OH-Feld Trafo) ein Spulensystem zu, das ein Feld parallel zur z-Achse erzeugt (B⊥ Feldspulen) . Die Richtung und Stärke muß so bemessen werden, daß zusammen mit dem
64
toroidalen Strom eine j x B - Kraft erzeugt wird, die den nach außen gerichteten Kräften das
Gleichgewicht hält. Bei heutigen Großexperimenten wird die Lage des Plasmas in r - Richtung
zeitabhängig gemessen und die Stromstärke der B⊥-Spulen so nachgeregelt, daß die gewünschte Lage des Plasmas eingehalten wird.
Abb. C16: Spulensysteme im Tokamak
f) Instabilitäten
Das Gleichgewichtsproblem in Plasmaexperimenten wird im allgemeinen beherrscht. Schwierigkeiten bereitet die Neigung eines eingeschlossenen Plasmas zu Instabilitäten. Unter einer Instabilität versteht man eine Situation, bei der das System, wenn es einer kleinen Störung ausgesetzt wird, nicht in die Ausgangssituation zurückkehrt, sondern immer weiter von ihr abweicht. Man unterscheidet im Plasma zwischen Makroinstabilitäten, bei denen das Plasma auf
Verformungen der Plasmasäule instabil reagiert, und Mikroinstabilitäten, bei denen eine Störung der Verteilungsfunktion anwächst. Instabilitäten enden meist in einem Verlust des Plasmas. Im folgenden werden qualitativ einige typische Instabilitäten einer Plasmasäule
besprochen.
α) "Sausage"-Instabilität
Abb. C.17: In der z - Pinch Geometrie wächst eine
Einschnürung der Plasmasäule bis das Plasma zerfällt.
Bei einer Plasmasäule, durch die ein axialer Strom fließt, erhöht sich der Magnetfelddruck am
Plasmarand, wenn dieser an einer Stelle eingeschnürt wird. Die Einschnürung wächst also und
das Plasma zerfällt wie eine Kette von Würsten, daher "Sausage"-Instabilität. Das Plasma kann
durch ein inneres Magnetfeld Bz stabilisiert werden. Wegen der Flußkonstanz ist dann
Abb. C.18: Auch eine Krümmung der Plasmasäule wächst
65
Bzr2 = const, d.h. das innere Feld geht mit B i ∼ 12 das äußere mit B a ∼ 1r , so daß bei einer Einr
schnürung der innere Magnetfelddruck stärker zunimmt als der äußere.
β) Kink-Instabilität
Bei einer Krümmung einer Plasmasäule erhält man - wie in Abb. C.18 veranschaulicht - eine
Erhöhung des Magnetfeldes an der Innenseite des Knicks. D.h. auch hier verstärkt sich der Effekt selbst. Ähnlich wie bei der Sausage-Instabilität wirkt ein inneres Feld stabilisierend. Man
erkennt, daß ein z - Pinch außerordentlich instabil ist und eine Verschraubung der Feldlinien,
wie wir sie vom axialsymmetrischen Torus her kennen, stabilisierend wirkt.
Bei der Kompression einer Plasmasäule durch ein äußeres Magnetfeld liegt eine ähnliche Situation vor wie bei der von Flüssigkeiten her bekannten Rayleigh-Taylor Instabilität, die auftritt, wenn man über eine relativ leichte Flüssigkeit eine schwere schichtet. Eine zylindrische
Säule verformt sich dann sternförmig. Man nennt auch diese Instabilität Rayleigh-Taylor
Instabilität.
Abb. C.19: Querschnitt eines Plasmas mit Rayleigh - Taylor Instabilität
5. Anwendungen aus der Dynamik
a) Kompressions Alfvén-Welle
Als Anwendung eines dynamischen Vorgangs, bei dem beide Gleichungen (C.5) und (C.6) wesentlich sind, wird die Kompressions-Alfvén betrachtet. Eine systematische Behandlung der
Plasmawellen erfolgt im nächsten Kapitel.
α) Geometrie
Es gibt zwei Typen von Alfvénwellen: die Kompressions- und die Scherwelle. Im Labor regt
man sie in zylindrischer Geometrie wie in Abb. C.20 an:
Abb. C.20: Anregungsgeometrie für die Kompressions- und die Scherwelle.
Zur Vereinfachung der Algebra gehen wir wieder auf ebene Geometrie über (Abb. C.21)
66
Abb. C21: Die Richtungen der Störungen
B´ und j in der Kompressionswelle (oben)
und in der Scherwelle (unten)
Die Kompressionswelle läuft senkrecht zu B. Die Teilchenbewegungen besitzen eine Komponente in Ausbreitungsrichtung der Welle. Die Welle ist daher mit Dichteschwankungen verbunden. Die Scherwelle läuft parallel zu B0. Teilchen machen eine seitliche Bewegung, die keine Dichteschwankungen mit sich bringen. Wir setzen also für die Kompressionswelle voraus
∂
∂
=
= 0,
∂y ∂z
 0
B =  0

 B(x)





Die Druckkräfte seien gegenüber den magnetischen Kräften vernachlässigbar.
∇p << j × B
Diesen Grenzfall nennt man die kalte Theorie. Ferner sei, σ → ∞ , d.h. eine Dämpfung der
Welle wird nicht betrachtet.
β) Grundgleichungen
Die Ausgangsgleichungen sind das Amperesche Gesetz, das mit dem Ohmschen Gesetz wird:
∂B
= rot(v × B)
∂t
(C.15)
und die Euler-Gleichung
ρ 
∂v (v
+ • ∇)v  = j × B = µ1 rotB × B
0
∂t
(C.16)
B(x) und v(x) sind nur von x abhängig.
γ) Linearisierung
Die Ausgangsgleichungen sind nicht linear. Wir können also eine einfache Lösung nur erwarten, wenn wir linearisieren, d.h. wir betrachten alle Größen als zusammengesetzt aus einem
orts- und zeitunabhängigen Teil und einem viel kleineren zeitlich veränderlichen Teil, dessen
x,t - Abhängigkeit es zu berechnen gilt.
67
B = B 0 + εB(x, t)
(εB << B 0 )
ρ = ρ 0 + ερ(x, t)
...
v=
εv(x, t)
v0 = 0, da die Flüssigkeit im Mittel ruhen soll. Gl. C.15 wird dann z.B.
ε
∂B
= εrot(v × B 0 ) + ε 2 rot(v × B)
∂t
Terme mit ε2 werden weggelassen. Die Grundgleichungen haben also die Form
C.15
∂B
= rot(v × B 0 )
∂t
C.16
ρ0
∂v 1 (rotB)
=
× B0
∂t µ 0
δ) Wellengleichung
In Komponenten
 ∂x∂   0


rotB =  0  ×  0

 
 0  B
  0
 =  −∂B
  ∂x
 
  0
 0
 ∂
rotB × B 0 =  − ∂x B

 0
  0
 
 × 0
 
  B0





  −B 0 ∂x∂ B
 =
 
0
 
 
0





Aus der zweiten Gleichung folgt, daß ∂v und da v keine konstanten Terme enthalten soll auch
∂t
v nur eine r-Komponente besitzt:
v   0
(v × B 0 ) =  0  ×  0
  
 0   B0
Damit werden die Gleichungen
(C.15):
∂B
∂
= −B 0 v
∂t
∂x
(C.16):
ρ0
∂v
∂B
= − µ1 B 0
0
∂t
∂x
0
  0  
 =
 =
0
  −vB 0  
 
 
∂
  0   −B 0 ∂x v





68
Durch Ableitung der ersten nach t, der zweiten nach x wird v´ eliminiert
2
∂2B B0 ∂2B
=
∂t 2 µ 0 ρ ∂x 2
Es ergibt sich also eine Wellengleichung für eine dispersionsfreie Welle, die in x-Richtung
(senkrecht zum Magnetfeld) mit einer Phasengeschwindigkeit
vA =
B 20
µ0 ρ
der sogenannten Alfvéngeschwindigkeit läuft. Aus der Kontinuitätsgleichung
•
ρ +div(ρv) = 0
•
ρ +ρ 0
∂v
=0
∂x
∂v
≠ 0 , daß die Dichte sich zeitlich ändert. Es handelt sich also um eine Kompressi∂x
onswelle. Den Ausbreitungsmechanismus veranschaulichen wir uns mit der Schallwelle. Den
Schalldruck nimmt hier der magnetische Druck ein.
folgt, da
b) Der MHD Generator
Abb. C.22: Im MHD - Generator fließt eine leitfähige
Flüssigkeit durch ein Magnetfeld. Seitlich kann Strom
abgenommen werden.
Wir gehen von homogenen E und B-Feldern und durch äußeren Druck vorgegebener Strömungsgeschwindigkeit aus. Die Betriebsbedingungen hängen von der Belastung im äußeren
Stromkreis ab. Für endliche Leitfähigkeit sind im stationären Fall die Grundgleichungen
j
σ = E+v×B
ρ(v • ∇)v = −∇p + j × B
rotB = µ 0 j
69
Im Leerlauf (j = 0) erhält man das Raumladungsfeld E aus der ersten Gleichung.
E+v×B = 0
den notwendigen Druckgradienten aus der zweiten:
(v • ∇)v = −∇p
Für Kurzschluß wird E = 0.
j
σ = v×B
ergibt den Kurzschlußstrom. Die zweite Gleichung liefert wieder den notwendigen Druckgradienten. Der MHD Generator dient zur Direktumwandlung von mechanischer Energie in
elektrische.
c) Der selbsterregte Dynamo
α) Dynamogleichung
Man nimmt an, daß das Erdmagnetfeld durch die Konvektionsströmung des leitfähigen Magmas im Erdinneren erzeugt wird. Wie eine magnetohydrodynamische Strömung aussehen muß,
damit sie ein Magnetfeld erzeugt, behandelt das Dynamoproblem. Die wesentliche Grundgleichung ist das Ohmsche Gesetz
j
σ = E+v×B
∂B
= 0 im stationären
Man bildet hiervon die Rotation, setzt j = µ1 rotB ein und beachtet, daß
0
∂t
Zustand. Die Grundgleichung hat dann die Form
1 2
µ 0 σ ∇ B + rot(v × B) = 0
Man nennt dies die Dynomogleichuung. Sie erlaubt bei gegebenem v B auszurechnen. Eine
einfache Geometrie für einen rückgekoppelten Dynamo zeigt Abb. C.23. Er beruht auf dem
Prinzip des MHD Generators.
Abb. C.23: Eine mögliche Anordnung für einen
selbsterregten Dynamo
70
Das Prinzip des Erddynamos ist heute im wesentlichen verstanden. Wichtig ist die spiralige
Struktur des Geschwindigkeitsfeldes unter dem Einfluß der Corioliskraft. Interessant ist, daß
selbsterregte Dynamos ein Anfangsfeld benötigen, das sie dann verstärken. Das Anfangsfeld
kann auf sehr kleinen Schwankungen beruhen. Wenn ein Dynamo erlischt, hängt die entstehende Feldrichtung also vom Zufall ab.
Abb. C.24: Die Konvektionszellen im Erdinnern entfalten unter dem Einfluß der Erddrehung eine spiralförmige Bewegung, die für den Erddynamo entscheidende
Vorraussetzung darstellt
Das Dynamoproblem hat sich lange einer Lösung entzogen, da es eine Reihe von negativen
Aussagen zur Existenz des Dynamos gibt. Eine solche ist der Satz von Cowling, der besagt,
daß es keinen homogenen, axialsymmetrischen Dynamo gibt. Wir geben einen Beweis für den
Sonderfall Bϕ = 0. Wir nehmen also an, es gäbe einen zur z-Achse symmetrischen Dynamo mit
Bϕ = 0. Dann ist
 Br 
B =  0  ,


 Bz 
 0 
j =  j ϕ  ,


 0 
 0 
E =  E ϕ 


 0 
Da ∂B = 0 sein soll und für ein elektrostatisches Feld Eϕ,εs = 0 gilt, ist E = 0 und
∂t
j = σv × B
Die zylindersymmetrische Magnetfeldkonfiguration (Abb. C.25) muß aber eine "Seele" besitzen, um die B zirkuliert.
Abb. C.25: Ein zylindersymmetrisches Feld ohne toroidale Komponente zirkuliert um eine magnetische
Achse, an der B = 0 gilt.
An dieser ist B = 0 und j ≠ 0. Dies führt zu einem Widerspruch zu j = σv x B, denn wenn
B = 0 ist, ist nach dieser Gleichung j = 0 für beliebiges v.
71
KAPITEL D
Wellen im homogenen, kalten Plasma
1. Einleitung
a) Warum Plasmawellen?
Es gehört zu den charakteristischen Eigenschaften eines Plasmas, sehr verschiedenen Wellentypen Ausbreitung zu ermöglichen. Diese unterscheiden sich in ihren Polarisationseigenschaften und ihren Dispersionsbeziehungen. Da Plasmen aufgrund eines überlagerten Magnetfeldes
im allgemeinen anisotrop sind und da die Bewegung der unterschiedlichen Teilchensorten und
die E- und B- Felder der Welle alle möglichen Richtungen relativ zur Ausbreitungsrichtung
der Welle und zum überlagerten Magnetfeld einnehmen können, bieten Plasmawellen ein interessantes Feld zum Studium von Wellenphänomenen.
Neben der Möglichkeit Wellenphysik zu treiben, bieten Wellen in Plasmen eine Reihe von Anwendungen. Die wichtigsten sind Heizung, Diagnostik und Erzeugung von Gleichströmen.
Hierüber wird im Abschnitt 7 nach der theoretischen Behandlung der Wellen im kalten Plasma
berichtet.
Bei dem theoretischen Modell gehen wir von dem einfachsten Fall aus: einem homogenen, kalten Plasma ohne Stöße. D.h. die im vorigen Kapitel zugelassene endliche Leitfähigkeit und der
endliche Druck wird wieder fallen gelassen. Dafür wird das im vorigen Kapitel eingeführte
Flüssigkeitsmodell verfeinert, indem die Bewegung von Elektronen- und Ionenflüssigkeit untersucht wird und vor allem die Beschränkung auf langsame Vorgänge fallengelassen wird, so
daß auch Wellen mit Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit und mit Frequenzen in der Nähe der Plasmafrequenz erfaßt werden können. Nur lineare Wellen werden
behandelt, d.h. wir gehen von einem ruhenden Hintergrundplasma aus und fragen, wie sich eine kleine Störung ausbreitet.
2. Grundlagen
a) Maxwell - Gleichungen
Die Felder, die Strom- und die Ladungsdichte werden verknüpft durch die Maxwell - Gleichungen, jetzt unter Einbeziehung des Verschiebungsstromes
∂
rotB(r, t) = µ 0 j(r, t) + 12 E(r, t)
∂t
∂
rotE(r, t) = − B(r, t)
∂t
(D.1)
72
divB(r, t) = 0
divE(r, t) = ε1 ρ el (r, t)
0
Eine der zentralen Fragen wird sich darauf konzentrieren, wie man j(r,t) durch E(r,t) ausdrücken kann.
Die Strom- und Ladungsdichten lassen sich durch Teilchendichten na(r,t) und Teilchengeschwindigkeiten va(r,t) ausdrücken
ρ el (r, t) = Σ q a n a (r, t)
(D.2)
j(r, t) = Σ q a n a (r, t)v a (r, t)
(D.3)
a
a
Die letzte Gleichung gilt auch im heißen Plasma, wenn man für va(r,t) die mittlere Geschwindigkeit der Teilchensorte a nimmt.
b) Gleichgewicht
Die Gleichgewichtsgrößen sollen nach Voraussetzung unabhängig von Ort und Zeit sein. Sie
werden mit dem Index 0 gekennzeichnet. Außerdem sollen im Gleichgewicht alle Teilchen ruhen, d.h. va0 = 0 und damit ja0= 0 und kein elektrisches Feld vorliegen, d.h. E0 = 0 und damit
ρel,0 = 0. Wegen der verschwindenden Raumladungsdichte folgt aus Gl. (D.3) als
Nebenbedingung
Σa q a n a0 = 0
c) Linearisierung
Die Gleichungen lassen sich linearisieren, indem die Störungen in der Welle, n´a, B´, v a, E, j,
ρel als von erster Ordnung klein angesehen werden
n a (r, t) = n a0 + n /a (r, t)
B(r, t) = B 0 + B / (r, t)
und alle Terme, die quadratisch (oder mit höherer Potenz) in kleinen Größen sind, vernachlässigt werden.
73
Z.B. wird Gl. (D.3)
j(r, t) = Σ q a n a0 v a (r, t)
a
d) Exponentialansatz
Wir suchen von vornherein ebene harmonische Wellen als Lösungen, d.h. alle Störungen verhalten sich wie
ρ el (r, t) = ρ el cos (k • r − ωt + ϕ)
wobei wir beliebige Lösungen aus diesen nach dem Satz von Fourier zusammensetzen. k ist
der Wellenvektor. Er steht senkrecht auf den Flächen gleicher Phase. Die Wellenlänge ergibt
sich aus |k| = 2π/λ. Wir beschreiben Wellen durch einen Exponentialansatz
ρ el (r, t) = Re(ρ el e i(k•r−ωt+ϕ) )
Die Phasenverschiebung ϕ kann dann durch eine komplexe Amplitude dargestellt werden.
ρ el = ρ el e iϕ
Wie üblich lassen wir aus Bequemlichkeit in der Schreibweise die Realteilbildung fort, so daß
jetzt der Wellenansatz lautet
ρ el (r, t) = ρ el e i(k•r−ωt)
(D.4)
E(r, t) = Ee i(k•r−ωt)
Wir müssen allerdings beachten, daß
i) in allen quadratischen Termen wie |E(r,t)|2, E(r, t) × B(r, t) usw. der reelle Wert der einzelnen Faktoren eingesetzt werden muß.
ii) Bei Vektoren die Phasen von Komponenten verschieden sein können und damit die
Verhältnisse der Komponenten komplex ausfallen können. Dies ist z.B. bei zirkularer Polarisation der Fall.
∂
und ∇ ergibt sich kein Problem, da Ableitungen und Realteilbildung
∂t
vertauschbar sind. Wegen des bekannten räumlich zeitlichen Verhaltens der Störung (Gl. D.4)
Bei Ableitungen wie
kann man die Ableitungen sofort bilden.
74
∂
E(r, t) = −iωE(r, t)
∂t
divE = ik • E(r, t)
rotE = ik × E(r, t)
gradϕ(r, t) = ikϕ(r, t)
Aus den Grundgleichungen folgt damit für die Amplituden der Störungen
ik × B / = µ 0 j −
iω
E
c2
ik × E = iωB /
j = Σ q a n a0 v a
ik • B / = 0 ( Diese Gleichung folgt hier aus dem Induktionsgesetz)
ik • E= ε1 ρ el
0
ρel kommt nur in der letzten Gleichung vor. Diese erlaubt also ρel zu bestimmen, wenn alle anderen Größen bekannt sind. B´ läßt sich eliminieren, indem man das Induktionsgesetz mit k
vektoriell multipliziert und k × B / in das Amperesche Gesetz einsetzt
ω
k × (k × E) = ωk×B / =ω  −iµ 0 j − 2 E 

c 
iω
c 2 × (k × E) = − ε j − ω 2 E
0
(D.5)
e) Bewegungsgleichung
Die Bewegungsgleichung eines Teilchens der Sorte a im gestörten Plasma lautet dann
ma
dv a (t)
= q a [E(r a (t), t) + v a (t) × (B 0 + B / (r(t), t))]
dt
dv
Die Linearisierung führt zu einer Reihe von Vereinfachungen: Die substantielle Ableitung a
∂
kann durch die lokale Ableitung
ersetzt werden. (Der Unterschied zwischen beiden
∂
75
Ableitungen ist ein quadratischer Term.) Die elektrische Feldstärke an der Bahn des Teilchens
E(r a (t), t) kann durch die Feldstärke an der Ruheposition des Teilchens r ersetzt werden, da
das Teilchen in der Umgebung dieser Ruhelage Oszillationen kleiner Amplitude ausführt. Aus
dem gleichen Grund kann die Geschwindigkeit entlang der Bahn va(t) durch die Geschwindigkeit an der Ruheposition va(r,t) ersetzt werden. Bei diesen Ersetzungen geht die Annahme eines kalten Plasmas ein. Die Bewegungsgleichung hat dann die Form
qa
∂ (r,
v a t) = m [E(r, t) + v a (r, t) × B 0 ]
a
∂t
Berücksichtigt man den Exponentialansatz für alle Störungen, wird hieraus
qa
−iωv a = m (E + v a × B 0 )
a
f) Zusammenfassung
Die Ausgangsgleichungen für alle weitere Diskussion sind also
iω
c 2 k × (k × E) = − ε j − ω 2 E
(D.6)
j = Σ n a0 q a v a
(D.7)
qa
v a = ωi m (E + v a × B 0 )
a
(D.8)
0
a
Nehmen wir an, es gelingt, j durch E auszudrücken, so wird Gl. (D.6) ein homogenes Gleichungssystem zur Bestimmung der Komponenten von E. Aus E ergibt sich B´ und ρel über
1k×E
B/ = ω
(D.9)
ρ el = iε 0 k•E
(D.10)
3. Wellen im magnetfeldfreien Plasma
a) Berechnung von j
Magnetfeldfrei heißt B0 = 0. Damit wird nach Gl. (D.6), (D.7)
qa
v a = ωi m E
76
qa
iε
j = Σ n a0 q a ωi m E = ω0
a
n a0 q 2a
Σa ε 0 m a E
Als Abkürzung wird analog zur in Kapitel A definierten Plasmafrequenz (s. Gl. (A.4)), die sich
dort nur auf die Elektronen bezog, die Plasmafrequenz für jede Teilchensorte eingeführt.
n a0 q 2
ω 2pa = ε m a
0 a
(D.11)
Als Plasmafrequenz allgemein definiert man
ω 2p = Σ ω 2pa ≈ ω 2pe
a
Der Zusammenhang zwischen j und E hat dann die Form
iε
j = ω0 ω 2p E
Gleichung (D.6) wird damit
iω iε
c 2 k × (k × E) = − ε ω0 ω 2p E − ω 2 E
0
c 2 k × (k × E) = (ω 2p − ω 2 )E
(D.12)
b) Longitudinale Wellen
Im Spezialfall E//k wird k × E = 0 und aus Gl. (D.12) folgt 0 = (ωp2 - ω2)E. Da E ≠ 0 sein soll,
muß die Klammer verschwinden. Hieraus ergibt sich die Dispersionsbeziehung
ω = ωp
Aus Gl. (D.9) folgt, daß B´ = 0. Mit der Störung ist kein oszillierendes Magnetfeld verbunden.
E ist also als Gradient eines Potentials darstellbar. Man nennt diese Welle daher elektrostatisch. Aus Gl. (D.10) folgt, daß die elektrische Raumladungsdichte nicht verschwindet. Die
Größen va, j, und E oszillieren in Ausbreitungsrichtung. Die Welle ist longitudinal. Die Frequenz ist gleich der Plasmafrequenz. Damit ist die Gruppengeschwindigkeit
77
vg =
dω
=0
dk
Störungen der Ladungsdichte werden nicht weitertransportiert. Dies hat zur Folge, daß Störungen an einen bestimmten Ort gebunden sind. Es handelt sich um lokale Schwingungen mit
der Plasmafrequenz.
c) Transversale Wellen
Bei diesen besitzt E keine Komponente in k - Richtung. Gl. (D.12) wird
c 2 [(k • E)k − k 2 E] = (ω 2p − ω 2 )E
c 2 (k • E)k = (ω 2p + k 2 − ω 2 )E
Da nach Voraussetzung k • E = 0, muß auch die Klammer auf der rechten Seite verschwinden,
und die Dispersionsrelation wird
(D.13)
ω 2 = ω 2p + k 2 c 2
Da nach Gleichung (D.9) jetzt auch B ≠ 0 , handelt es sich um eine elektromagnetische Welle
mit einer Polarisation, wie sie uns von elektromagnetischen Wellen im Vakuum her bekannt
ist. Während sich eine elektromagnetische Welle im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, hängt hier die Geschwindigkeit von der Frequenz ab. Die Dispersionsbeziehung ist in
Abb. D.1 dargestellt. Bei hohen Frequenzen geht die transversale Welle in die elektromagnetische Welle der Optik über.
Abb. D.1: Die Dispersionsrelation der elektromagnetischen Welle im Plasma. Die gestrichelte Linie gibt die
Dispersionsrelation im Vakuum wieder.
Diskussion
Aus der Dispersionsrelation der transversalen Welle (Gl. D.13) folgt sofort, daß ihre Phasengeschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit
78
v ph =
ωp
ω
= c2 + 2 > c
k
k
2
und damit der Brechungsindex
n = vc = kc
ω
ph
kleiner als eins ist. Die Gruppengeschwindigkeit v g = ∂ω ergibt sich aus der Differentiation
∂k
der Dispersionsrelation
2ω
dω
= 2kc 2 ,
dk
ω dω
⋅
= c2
k dk
ist also stets kleiner als c, wie von der Relativitätstheorie gefordert. Der Brechungsindex hängt
von ω ab:
2 2
ω 2p
n 2 = k c2 = 1 − 2
ω
ω
Man erkennt, daß n und damit k verschwinden, wenn ω gegen ωp geht. Allgemein heißt eine
Frequenz, bei der n2 eine Nullstelle (mit Vorzeichenwechsel) besitzt, eine Abschneidefrequenz
oder Cut-Off Frequenz. Etwas laxer sagt man auch, elektromagnetische Wellen im Plasma haben bei der Plasmafrequenz einen Cut-Off. Nur für ω > ωp sind n2 und damit k2 größer null.
Man sagt, hier propagiert die Welle. Für ω < ωp wird k rein imaginär: k = iκ . Der Exponent in
Gleichung D.4 wird reell e ikx = e −κx . Die Störungen klingen räumlich exponentiell ab. Man
sagt, die Welle ist evaneszent.
Kritischer Blick auf die Näherungsannahmen
Die Annahme eines kalten Plasmas ist bei der Betrachtung der Wellen gerechtfertigt, solange
v th,a =
2k B T
ω
m a << k
Da ω/k > c ist diese Bedingung im nichtrelativistischen Plasma gut erfüllt. Weil in der Nähe
der Cut-Off Frequenz k gegen null geht, geht hier ω/k gegen unendlich und der Cut-Off macht
für diese Bedingung keine Probleme. Dagegen ist die Annahme eines homogenen Plasmas
79
eine schlechte Näherung, da die Wellenlänge gegen unendlich geht und damit größer wird als
jedes Plasma endlicher Größe.
4. Magnetisiertes Plasma
a) Berechnung von j
Der Rechengang ist im Grund der gleiche wie im unmagnetisierten Plasma, nur die Algebra ist
wesentlich verwickelter, da für B 0 ≠ 0 der v × B - Term im Bewegungsgesetz (Gl. D.9) nicht
fortfällt
qa
v a = ωi m (E + v a × B)
a
Das Koordinatensystem wird so gelegt, daß die z - Achse in Richtung des statischen Magnetfeldes weist
B 0 = B0ez
Zur Abkürzung der Schreibweise wird die Zyklotronfrequenz eingeführt
qaB0
ε a ω ca = m
a
Die Bewegungsgleichung hat dann die Form
qa
v a = ωi  m E + ε a ω ca v a × e z 
a
Die Bewegung in z - Richtung bleibt vom Magnetfeld unbeeinflußt
qa
v az = ωi m E z
a
während für die Bewegung in einer Ebene senkrecht zum Magnetfeld bleibt:
qa
v a⊥ = ωi  m E ⊥ + ε a ω ca v a⊥ × e z 
a
Man multipliziert vektoriell mit ez und setzt in die Ausgangsgleichung ein
qa
v a⊥ × e z = ωi  m E ⊥ × e z − ε a ω ca v a⊥ 
80
qa
qa
v a⊥ = ωi  m E ⊥ + ε a ω ca ωi  m E ⊥ × e z − ε a ω ca v a⊥  
a
 a

=
qa
ω 2ca
ε ω
v + ωi m  E ⊥ + i aω ca E ⊥ × e z 
2 a⊥
a
ω
Dies kann nach va⊥ aufgelöst werden
qa
ε a ω ca
(ω 2 − ω 2ca )v a⊥ = iω m a  E ⊥ + i ω E ⊥ × e z 
und mit der ergänzten z-Komponente in den Ausdruck für die Stromdichte (Gl. D.7) eingesetzt werden.
j = Σ n a0 q a va
a
n a0 q 2
n a0 q 2
ε ω
= iω Σ m a 2 1 2  E ⊥ + i aω ca E ⊥ × e z  + ωi Σ m a E z e
a ω −ω
a
a
a
ca
ω 2pa 
ω 2pa


ε a ω ca

j = iωε 0  Σ 2
E + i ω E⊥ × ez  + Σ ω E zez 
2  ⊥
2
a
 a ω − ω ca

b) Gleichungssystem für die Komponenten von E
Wie im magnetfeldfreien Fall wird nun j in Gleichung (D.6) eingesetzt
iω
c 2 k × (k × E) = − ε j − ω 2 E
0
Führt man noch einen Brechungsindexvektor
n = ck
ω
ein, so wird aus Gl. D.6
−n × (n × E) = E + ε iω j
0
ω 2pa
2
2
a ω − ω ca
= E⊥ + Ezez − Σ
(D.14)
2
 E + ε a ω ca E × e  − ω pa E e
⊥
z
2 z z
ω
 ⊥
 Σ
a ω
Die Vorfaktoren der drei Terme werden abgekürzt
81
ω 2pa
S = 1−Σ
ω 2 − ω 2ca
2
ω 2pa
ε ω
ε a ω ω pa
D = Σ aω ca 2
=
Σ
ω − ω 2ca a ω ca ω 2 − ω 2ca
a
a
P = 1−Σ
a
(D.15)
ω 2pa
ω2
Die Gleichsetzung in D.15 kann folgendermaßen gezeigt werden
ω 2pa
n a0 q 2a m a
ε
=
ε
a
a
Σa ω ca Σa ε 0 m a q a B 0 = ε 01B 0
Σa n a0 q a = 0
Man kann also ohne Schaden diesen Term hinzuaddieren
ω 2pa
ω 2pa 
ε ω
D = Σ  aω ca 2
+
ε
aω• ω 
ca 
ω − ω 2ca
a 
ε a ω 2pa


=Σ
(ω 2ca + ω 2 − ω 2ca ) 
2
2

a  ω(ω − ω ca )ω ca
ω
= Σ εa ω
a
ω 2pa
ca
ω 2 − ω 2ca
Mit diesen Abkürzungen wird aus Gl. (D.14)
−n × (n × E) = SE ⊥ − iDE ⊥ × e z + Pe z E z
 S −iD 0   E x
=  iD S 0   E y


 0 0 P   Ez
Den Tensor





→  S −iD 0 
→ 
ε =  iD S 0 


 0 0 P 
nennt man den Dielektrizitätstensor. Zur Vereinfachung legt man neben der z-Achse auch die
x-Achse fest, und zwar in die Ebene, die durch n und ez aufgespannt wird. n (und damit der
Ausbreitungsvektor k ) hat eine x- und eine z-Komponente
82
n = nxex + nzez
Die linke Seite wird dann
n × (n × E) = (n • E)n − n 2 E
 Ex 
 nx 


2
2
= (n x E x + n z E z )  0  − (n x + n y )  E y 




 nz 
 Ez 
 −n 2z 0 n x n z
=  0 −n 2 0

 n x n z 0 −n 2x
  Ex 
 E 
 y 


  Ez 
Insgesamt wird Gl. (D.14) hiermit
 S − n 2z −iD n x n z

0
 iD S − n 2

 nxnz
0 P − n 2x
  Ex 
 E  =0
 y 


  Ez 
Führt man den Winkel ϑ ein, unter dem sich die Welle gegenüber der Magnetfeldrichtung ausbreitet, so ist
n x = n sin ϑ,
n z = n cos ϑ
Damit erhält das homogene Gleichungssystem die Form
 S − n 2 cos 2 ϑ −iD n 2 sin ϑ cos ϑ

iD
S − n2
0

 2
2
P − n sin2 ϑ
 n sin ϑ cos ϑ 0
  Ex 


  Ey  = 0


  Ez 
(D.16)
Die Lösbarkeitsbedingung, nämlich das Verschwinden der Determinante der Koeffizientenmatrix, führt zur Dispersionsrelation. Da die Verhältnisse der Komponenten i.a. komplex sind,
muß man mit Phasenverschiebungen zwischen den Komponenten rechnen.
c) Der Spezialfall der Alfvénwellen
Bevor die Dispersionsbeziehung allgemeiner diskutiert wird, sollen im folgenden die Spezialfälle der Alfvénwellen behandelt werden. Wir werden dabei die Ergebnisse, die mit der
83
magnetohydrodynamischen Theorie gewonnen wurden, mit dem Zweiflüssigkeitsbild reproduzieren, darüber hinaus lassen wir einige Einschränkungen fallen, wie die damals gemachte Forderung, daß sich die Welle nur senkrecht zum Magnetfeld ausbreitet. Es wird sich zeigen, daß
man zu den magnetohydrodynamischen Wellen gelangt, wenn man nicht zu große Frequenzen
zuläßt. Im folgenden Abschnitt d) lassen wir dann die Einschränkung kleiner Frequenzen fallen und können somit ermitteln, wie sich die Alfvénwellen dann verändern.
Man gelangt zu der im vorigen Kapitel gewonnenen Dispersionsbeziehung und zu den Polarisationseigenschaften der Kompressions Alfvénwelle, wenn man fordert
ω 2pi /ω 2ci >> 1, ω << ω ci
Wir betrachten zur Vereinfachung ein Plasma mit nur einer Ionensorte mit der Ladung qi = e.
Die Größen S,P,D nach Gl. (D.15) vereinfachen sich zu
S ≈ 1+Σ
a
ω 2pa
ω 2ca
≈
ω 2pi
ω 2ci
2
2
ε a ω ω pa
ω ω pi
D ≈ −Σ ω
≈ −ω
ca ω 2
ci ω 2
a
ca
ci
P≈−
ω 2pa
ω2
Für kleine Frequenzen (ω → 0 ) gehen D gegen Null und P gegen unendlich. Näherungsweise
wird die Grundgleichung also
 S − n 2z
0 n xn z

 0 S − n2 0

0
−∞
 nxnz
  Ex 
 E  =0
 y 


  Ez 
Es folgt sofort Ez = 0 aus der dritten Zeile des Gleichungssystems. Vergleich der ersten beiden
Zeilen führt zu der Aussage, daß, wenn z.B. E y ≠ 0 , S - n2 = 0 sein muß. S - nz2 ist dann im allgemeinen, d.h. wenn man den Sonderfall der Ausbreitung in z-Richtung ausschließt, ungleich
null und daher Ex = 0 (nach der ersten Zeile). Die Dispersionsrelation lautet dann
n2 = S
84
Dies ist gleichbedeutend mit
ω
=
k
c2
S
Diesen Fall werden wir als die Kompressionswelle identifizieren. Im zweiten Fall setzen wir Ex
ungleich null. Dann folgt Ey = 0 und damit S - nz = 0. Die Dispersionsrelation lautet damit
ck 2 cos 2 ϑ = S beziehungsweise ω =
k
ω2
c 2 cos ϑ
S
Dieser Wellentyp wird sich als Scheralfvénwelle entpuppen. Die charakteristische Geschwindigkeit
c 2 ergibt sich aus der Definition von S.
S
2
2 2
2 2 2
c 2 = c ω ci = c e B 0 ε 0 m i = c 2 ε B 0
0n m
i0 i
S
ω 2pi
m 2i n i0 e 2
c2 =
S
B 20
µ 0 ρ0 = VA
Sie heißt die Alfvéngeschwindigkeit. Um die Polarisationseigenschaften zu ermitteln,werden
die Störungen des Magnetfeldes B´ und die Geschwindigkeiten der Teilchen va⊥ berechnet. Im
zweiten Fall hat man
1 k × E ≈ 1 k×E
B=ω
⊥
ω
v a⊥ ≈
(Ez = 0)
 iω  
ε ω
E ⊥ + i aω ca E ⊥ × e z 
2

 −ω ca 
Der zweite Term ist wegen der Voraussetzung ωci >> ω viel größer als der erste, so daß dieser
vernachlässigt wird.
qa
v a⊥ ≈ m ε a ω1 E ⊥ × e z = 12 E ⊥ × B 0
a
ca
B0
Man kann va⊥ als E × B - Driftgeschwindigkeit interpretieren.
Im ersten Fall E = Eyey wird
85
 −k z E y

 = 1
 ω 0



 kxEy
 kx   0
1
B = ω  0  ×  E y

 
 kz   0
v a⊥ =





E⊥
ex
B0
B´ und va⊥ liegen in der xz - Ebene. Da auch k in der xz - Ebene liegt und, wenn man wieder
den Sonderfall k parallel zu ez ausschließt, eine x - Komponente hat, gibt es eine Teilchenbewegung in Richtung der Wellenausbreitung und damit eine Kompression. Mit den Teilchen
wird auch das Magnetfeld komprimiert. Der Fall E = Eyey beschreibt daher eine Kompressionswelle. Ihre Phasengeschwindigkeit ist unabhängig von der Ausbreitungsrichtung ω/k = VA.
Im zweiten Fall mit E = Exex wird
 kr   Er
1
B = ω  0  ×  0

 
 kz   0
v a⊥ = −

 0
 = 1
 ω  k zE z



 0





Ex
ey
B0
Die Dispersionsbeziehung lautet
ω
= V A cos ϑ
k
Hier liegen B´ und va⊥ senkrecht zur xz-Ebene. Damit hat va⊥ keinen Komponente in Ausbreitungsrichtung und es findet daher keine Kompression statt. Diese Welle heißt die langsame,
torsionelle oder Scheralfvénwelle.
d) Allgemeine Dispersionsrelation
Die allgemeine Dispersionsrelation erhält man aus der Lösbarkeitsbedingung des linearen Gleichungssystems Gl. (D.16). Nullsetzen der Determinante der Koeffizienten führt zu
2
2
2
(S − n 2 )(S − n 2 cos 2 ϑ)  P − n 2 sin ϑ  − (S − n 2 )  n 4 sin ϑ cos 2 ϑ  − D 2  P − n 2 sin ϑ 
= (S − n 2 )  PS − Sn 2 sin 2 ϑ − Pn 2 cos 2 ϑ + n 4 sin 2 ϑ cos 2 ϑ − n 4 sin 2 ϑ cos 2 ϑ  − D 2  P − n 2 sin 2 ϑ 
n 4  S sin 2 ϑ + P cos 2 ϑ  − n 2  PS(1 + cos 2 ϑ) + (S 2 − D 2 )sin 2 ϑ + P(S 2 − D 2 ) = 0
(D.17)
86
Die Gleichung ist quadratisch in n2, d.h. für eine gegebene Frequenz ω und Ausbreitungsrichtung ϑ gibt es maximal zwei propagierende Wellen. Es gibt Bedingungen, bei denen n2 < 0 mit
einer evaneszenten Welle. Eine andere Form der Dispersionsbeziehung ergibt sich, wenn man
Gl. (D.17) nach ϑ auflöst. Zur Vereinfachung kürzt man ab:
R = S + D, L = S - D
Es ist also in Gl. (D.17) zu ersetzen:
S = (R + L)/2,
D = (R - L)/2,
RL = S2 - D2
n 4  S sin 2 ϑ + P cos2 ϑ  − n 2  PS  sin 2 ϑ + 2 cos 2 ϑ  + RL sin 2 ϑ  + PRL  sin 2 ϑ + cos 2 ϑ  = 0


sin 2 ϑ[n 4 S − n 2 (PS + RL) + PRL] + cos 2 ϑP(n 4 − 2Sn 2 + RL) = 0
sin 2 ϑ(n 2 S − RL)(n 2 − P) + cos 2 ϑP(n 2 − R)(n 2 − L) = 0
tan 2 ϑ = −
P(n 2 − R)(n 2 − L)
(n 2 S − RL)(n 2 − P)
(D.18)
e) Polarisationsverhältnis
Aus der mittleren Zeile des Gleichungssystems (D.16) erhält man sofort das Verhältnis der
Komponenten des elektrischen Feldes in der Ebene senkrecht zu B d.h. man erhält E⊥
iDE x + (S − n 2 )E y = 0
p=
iE x n 2 − S
=
Ey
D
p heißt das Polarisationsverhältnis. Zur Diskussion betrachten wir E⊥(r,t) für ein festes r, z.B.
r = 0. Wir nehmen an, Ex sei reell, dann ist
E x (0, t) = Re(E x e −iωt ) = E x cos ωt
Ex
−iωt 
E y (0, t) = Re(E y e −iωt ) = Re  1
p iE x e  = p sin ωt
87
Für p > 0 ist alsoE⊥ rechts - für p < 0 links - elliptisch polarisiert in Bezug auf die
Magnetfeldrichtung.
5. Ausbreitung senkrecht zu B0
Für ϑ = π/2 wird tanϑ unendlich, d.h. der Nenner in Gl. (D.18) muß verschwinden.
(n 2 − P)(n 2 S − RL) = 0
Die zwei Lösungen kann man sofort hinschreiben, indem man die einzelnen Klammern null
setzt. Man erhält die Dispersionsrelationen für zwei Wellentypen ("Moden"): die O- und die
X- Welle.
a)Die O - Welle
Nullsetzen des ersten Faktors ergibt die Dispersionsrelation der O - Welle (ordinary wave).
Zurückgreifen auf die Definitionen von n und P führt zu
2
k2c2 = 1 − ωp
ω2
ω2
ω 2 = ω 2p + k 2 c 2
also zu der Dispersionsrelation der bereits behandelten elektromagnetischen Welle im magnetfeldfreien Fall. Das statische Magnetfeld hat deswegen keinen Einfluß, weil die geladenen Teilchen sich parallel zu ihm bewegen, wie die Betrachtung der Polarisationseigenschaften zeigen.
Die Polarisation bezüglich E ergibt sich aus dem Gleichungssystem (D.16), das sich für ϑ =
π/2 reduziert auf
 S −iD
0

2
0
 iD S − n

0 P − n2
 0
  Ex 
 E  =0
 y 


  Ez 
Für P - n2 = 0 kann Ez beliebig sein. Die Gleichungen für Ex und Ey führen dann zu einer Lösbarkeitsbedingung, die im allgemeinen mit P - n2 = 0 nicht verträglich ist. D.h. in der O - Mode
ist E z ≠ 0 , Ex = Ey = 0. Die Polarisation bezüglich va resultiert dann aus der Bestimmungsgleichung für va.
b) Die X - Welle
Nullsetzen des zweiten Faktors führt zu der Dispersionrelation
n 2 = RL
S
88
Jetzt ist die Lösbarkeitsbedingung für Ex und Ey automatisch erfüllt. Wir können also Ex und
Ey ungleich null setzen. P - n2 ist dann i. a. ungleich null und Ez muß gleich null gesetzt
werden.
α) Berechnung von R und L
Da R = S + D und L = S - D, können die Ergebnisse zusammengefaßt werden, wobei im folgenden das obere Vorzeichen für R, das untere für L gilt
R, L = 1 − Σ
a
= 1±Σ
a
= 1+Σ
a
ω 2pa
ω
± Σ εa ω
ω 2pa
ca ω 2 − ω 2
ω 2 − ω 2ca a
ca
2
ω pa
εa
ω ca ω 2 − ω 2 (ω + ε a ω ca )
ω 2pa
1
ω ca ω ca ± ε a ω
Für ein Plasma mit einer Ionensorte vereinfacht sich dieser Ansatz. Jetzt wird statt qi e
geschrieben.
ω 2pi n i0 e 2 m i n e0 e 2 m e ω 2pe
ω ci = ε 0 m i eB 0 = ε 0 m e eB 0 = ω ce
(D.19)
ω 2pi 1
ω 2pe
R = 1 − ω ω −1ω + ω
ce
ci ω + ω ci
ce
ω 2pe  1
= 1 + ω  ω − ω + 1 
ce
ce
ω +ω
ω 2pe
ω ce + ω ci
=1+ ω
ce (ω ce − ω)(ω ci + ω)
unter Verwendung von Gl. (D.19)
ω 2pe + ω 2pi
R=1+
(ω ce − ω)(ω ci + ω)
ω 2pe + ω 2pi
L=1+
(ω ce + ω)(ω ci − ω)
(D.20)
89
Abb. D.2: Die Funktionen R und L.
β) Cut - Off - Frequenzen
R und L haben qualitativ den in Abb. D.2 skizzierten Verlauf. R und L haben Pole bei ωce bzw.
ωci und Nullstellen bei ωc2 bzw. ωc1. Die Nullstelle von R ergibt sich aus
−ω 2 + ω(ω ce − ω ci ) + ω ci ω ce + ω 2p = 0
wegen ω ci << ω ce
ω 2 − ωω ce = ω 2p + ω ci ω ce
ω c2 = 1 ω ce + ω 2p + 1 ω 2ce
2
4
ω c1 = − 1 ω ce + ω 2p + 1 ω 2ce
2
4
Da im Zähler der Dispersionsrelation der X - Welle das Produkt RL steht, sind ωc1 und ωc2 Cut
- Off Frequenzen. Diese sind unabhängig vom Winkel ϑ, unter dem sich die Welle ausbreitet
γ) Resonanzfrequenzen
Von einer Resonanz spricht man, wenn n2 und damit k2 gegen unendlich gehen. Zur Ermittlung
der Resonanzfrequenzen der X - Mode diskutieren wir 1/n2.
1 = S = 1R + L = 11 + 1 
2L R
n 2 RL 2 RL
In Abb. D.3 wird die Funktion 1  1 + 1  und die Lage ihrer Nullstellen graphisch aus den be2 L R
kannten Funktionen L(ω), R(ω) (Abb D.2) ermittelt.
Es gibt zwei Resonanzfrequenzen, die man Lower Hybrid (ωLH) und Upper Hybrid (ωUH)
nennt. Rechnerisch ergeben sie sich aus S = 0
ω 2pi
ω 2pe
1− 2
−
=0
ω − ω 2ce ω 2 − ω 2ci
Nach einiger Algebra unter Ausnutzung der Bedingung me << mi erhält man
90
ω 2UH = ω 2pe + ω 2ce
Abb. D.3: Die Funktion 1/n2(ω) wird aus den bekannten
Funktionen
1/L(ω)
und
1/R(ω)
gewonnen.
ω 2LH =
ω 2pi
1+
ω 2pe
ω 2ce
Die sich aus Abb. D.3 ergebende Dispersionsrelation ω(k) ist in Abb. D.4 dargestellt.
Abb. D.4: Die Dispersionsrelation der X - Welle
91
Für bestimmte Frequenzbereiche ist n2 > 0. Die Welle kann sich in diesen "pass - bands" ausbreiten. Dazwischen liegen Bänder, in denen n2 < 0, d.h. die Welle evaneszent ist. Der unterste
Zweig geht für kleine Frequenzen in die Kompressions Alfvénwelle über.
6. Ausbreitung parallel zu B0
Für ϑ = 0 hat das Gleichungssystem für die Komponenten von E, Gl. (D.18) die Form
 S − n 2 −iD 0   E x


 iD S − n 2 0   E y


0 P   Ez
 0

 =0



(D.21)
Die Lösbarkeitsbedingung
P(n 2 − L)(n 2 − R) = 0
zerfällt in drei Faktoren und führt daher zu drei Moden
a) Plasmaschwingung
ω 2p
P = 0 heißt 1 − 2 = 0 ist eine Lösung für E⊥ = 0, E z ≠ 0 . Diese Mode ist also die uns schon
ω
bekannte Plasmaschwingung bei ω = ωp.
b) L - und R - Welle
Für Ez = 0, E ⊥ ≠ 0 hat man die L - und R - Welle mit den Dispersionsbeziehungen n2 = L und
n2 = R. Um mit Hilfe von Gl (D.21) die Polarisation z.B. für die L - Welle zu ermitteln, beachte man, daß für n2 = L
S − n 2 = 1 (R + L) = 1 (R − L) = D
2
2
Damit ist das Polarisationsverhältnis
p=
iE x n 2 − S
=
= − D = −1
Ey
D
D
E⊥(t) ist links zirkular polarisiert. Analog ist für n2 = R p = +1, d.h. bei der R - Welle ist E⊥(t)
rechts zirkular polarisiert. Die Dispersionsrelation für ein Plasma mit einer Ionensorte lautet
nach Gl. (D.20) für die links - (nL) und rechts - (nR) zirkular polarisierte Welle
92
2
n L,R
=1+
ω 2pe
(ω ce ± ω)(ω ci + ω)
Abb.D.5: Die Dispersionsrelationen der L - Welle (links), und der R - Welle (rechts)
Die Dispersionsrelationen lassen sich qualitativ wieder aus den Darstellungen von L(ω) und
R(ω) ermitteln.
In der Nähe der Ionenzyklotronfrequenz (ω ∼ ωci) folgt aus n2 = L
ω 2pi
ω 2pe
ω 2pe
k2c2 ≈ 1 +
≈
=
(ω ce ω ci )(ω ci − ω) ω ce (ω ci − ω) ω ci (ω ci − ω)
ω 2ci
und damit
ω ci − ω ≈ ω 2pi
ω ci
2 2
Die Dispersionsbeziehungen vereinfachen sich dann zu
ω 2pi 

ω = ω ci  1 − 2 2 
k c 

(Ionenzyklotronwelle)
ω 2pe 

ω = ω ce  1 − 2 2 

k c 
(Elektronenzyklotronwelle)
Resonanz liegt vor, wenn das E - Feld mit der gleichen Frequenz und dem gleichen Umlaufsinn rotiert wie die Teilchen.
Schlußbemerkungen
i) Wir hatten gesehen, daß in der Nähe des Cut - Offs Näherungsannahmen zusammenbrechen.
Ähnliches gilt auch in der Nähe einer Resonanz. Hier geht k gegen unendlich und damit die
Wellenlänge gegen null, d.h. die Näherung des homogenen Plasmas ist gut erfüllt. Andererseits
93
geht ω/k gegen null, d.h. die Phasengeschwindigkeit wird irgendwann kleiner als die thermische Geschwindigkeit. Die Voraussetzung eines kalten Plasmas ist dann nicht mehr
gerechtfertigt.
ii) Im kalten Plasma ruhen die Teilchen im ungestörten Fall. Im warmen Plasma führen sie aufgrund ihrer thermischen Bewegung eine Gyration um das Magnetfeld aus. Wenn die Gyrationsfrequenz gleich der Rotationsfrequenz des Feldes ist, hat man Resonanz, d.h. Teilchen können Energie aus dem Wellenfeld aufnehmen. Dies ist der Fall, wenn in einem im Gyrationszentrum mitbewegten Koordinatensystem die dort erfahrene Frequenz, d.h. die dopplerverschobene Frequenz der Welle gleich der Gyrationsfrequenz ist.
ω − k z v z ≈ ω ci
Dieser Effekt wird zur Heizung von Ionen in der Ionenzyklotronheizung (ICRH) oder der
Elektronen in der Elektronenzyklotronheizung (ECRH) ausgenutzt.
iii) Die "heiße" Theorie liefert für die Zyklotronwellen einen komplexen Dielektrizitätstensor,
aus dem man die Dämpfung der Welle und damit die Energieabsorption ablesen kann. Der Effekt ist besonders stark in der Nähe der Resonanzfrequenzen.
c) Der Faradayeffekt
Mit Faradayeffekt wird die Drehung der Polarisationsebene in bestimmten Medien bezeichnet,
denen in Ausbreitungsrichtung der Welle ein Magnetfeld überlagert ist. Dieser z.B. für Glas als
Medium bekannte Effekt wird auch im Plasma beobachtet. Wir betrachten dazu eine linearpolarisierte Welle mit ω >> ωce, ωpe und damit auch ω sei viel größer als ωc2. Sie durchlaufe ein
zylindrisches, magnetisiertes kaltes Plasma der Länge a.
Abb. D.6: Zur Geometrie des Faradayeffektes, rechts in Draufsicht.
Für die R - Welle gilt in diesem Fall
ω 2pe
ω 2pe
k 2R c 2
=
R
=
1
−
≈
1
−
(ω − ω ce )(ω + ω ci )
(ω − ω ce )ω
ω2
ω 2pe
ω
kR ≈ c 1 −
(ω − ω ce )ω
94
ω 2pe

ω
1
kR ≈ c 1 −

2 (ω − ω ce )ω 

(D.22)
ω 2pe

ω
kL ≈ c 1 − 1

(ω
)ω
+
ω
2


ce
entsprechend
Am Anfang des Zylinders sei E in y - Richtung
 0 
E(0, t) =   e −iωt
E 
Das linear polarisierte Feld läßt sich auffassen als Überlagerung einer R - und einer L - Welle
  −iE  −iωt  iE  −iωt 
E(0, t) = 1  
e + 
e 
2  E 
 E 

An der Stelle x = a hat E(a.t) die Form


 iE  i(k R a−ωt)  −iE  i(k L a−ωt) 

1
E(a, t) =  
+
e
e

2  E 
 E 



 −iE  −i 1 (k L −kR )a 
1
i  12 (k L +k R )a−ωt    iE  i 12 (k L −k R )a
= e
+

e
e 2

2
E
E






Mit den Abkürzungen
1 (k + k ) = k
L
R
2
1 (k − k )a = ∆ϕ
L
R
(mittleres k)
wird daraus
  iE  i∆ϕ  −iE  −i∆ϕ  i(ka−ωt)
E(a, t) = 1  
e + 
e
e
2  E 
 E 

 iEi sin ∆ϕ  i(ka−ωt)
=
e
 E cos ∆ϕ 
95
 −sin ∆ϕ  i(ka−ωt)
E(a, t) = E 
e
 cos ∆ϕ 
Abb. D.7: Der E - Vektor der Welle ist nach Durchlaufen des Plasmas
gegenüber der ursprünglichen Richtung gedreht.
Man hat also nach Durchlaufen des Zylinders wieder eine linearpolarisierte Welle, die praktisch die gleiche Wellenlänge wie die ursprüngliche Welle hat, deren Polarisationsebene um
den Winkel -∆ϕ gegen die ursprüngliche Richtung gedreht ist. Den Drehwinkel ermitteln wir
unter Zurhilfenahme von Gl. (D.22)
2
ω  ω pe 
k L − k R = c  − 1 ω   1
− ω −1ω 
ce
 2
 ω + ω ce
2
2
ω ce ω pe
ω ω pe 2ω
= c 1 ω 2 ce 2 =
2
ω − ω ce c(ω 2 − ω 2ce )
∆ϕ =
aω ce ω pe
2c ω 2
2
Die Drehung ist also der Länge der durchstrahlten Strecke, dem Magnetfeld (B0 ~ ωce) und der
Dichte (ne0 ~ωpe2) proportional. Durch Messung des Winkels ∆ϕ, um den die Polarisationsebene gedreht wird, läßt sich bei bekanntem B0 die Gleichgewichtsdichte ne0 bestimmen, oder
umgekehrt bei bekanntem ne0 das Magnetfeld.
d) Ausbreitung unter beliebigem Winkel zum Magnetfeld
α) wave normal Flächen
Das anisotrope Verhalten der unterschiedlichen Wellen wird durch ein Polardiagramm veranschaulicht, in dem die Phasengeschwindigkeit vph(k) als radiale Variable für die verschiedenen
Richtungen der Ausbreitung zum Magnetfeld aufgetragen wird. Als Magnetfeldrichtung wird
i.a. die Richtung senkrecht nach oben angenommen. Bei den Alfvénwellen z.B. sind die Phasengeschwindigkeiten gegeben durch
ω
= VA
k
ω
= V A cos ϑ
k
für die Kompressionswelle
für die Torsionswelle
96
Die Wellennormalenflächen sind in Abb. D.8 dargestellt. Die Kompressionswelle hat als Wellennormalenfläche eine Kugel, da ihre Phasengeschwindigkeit unabhängig von der Ausbreitungsrichtung ist. Die Torsionswelle hat eine lemniskoide Wellennormalenfläche, die immer innerhalb der Kugel liegt. Man erkennt sofort, daß die Scherwelle für alle Richtungen langsamer
ist als die Kompressionswelle.
Abb. D.8: Die Wellennormalenflächen der Alfvénwellen. Die
kugelförmige Fläche gehört der schnellen Welle
Auch für andere Wellenmoden erhält man typischerweise ellipsoidale oder lemniskoidale Oberflächen, wobei die Funktionen, die die Oberflächen beschreiben, durchaus von der einfachen
Form, die sie bei den Alfvénwellen besitzen, abweichen können. Erstreckt sich die Lemniskate
entlang der z - Achse, erhält man eine hantelförmige Fläche, bei Erstreckung entlang der x oder y - Achse eine ringförmige (Abb. D.9).
Abb. D.9: Ein hantelförmiges und ein ringförmiges Lemniskoid, wie sie als Wellennormalenflächen vorkommen.
Die Lemniskate kann einen Grenzwinkel besitzen, inner - (oder außer-)halb dessen Ausbreitung überhaupt nur möglich ist. Die Wellennormalenflächen erlauben eine gewisse Klassifizierung der Wellenmoden. Hierbei werden alle Wellen, die sich in einem Parameterbereich aufhalten, in dem sich die Topologie der Wellennormalenfläche nicht ändert, einem bestimmten Wellentyp zugeordnet. Die Topologie ändert sich beim Überschreiten von Resonanzen und Cut Offs. Man muß jedoch beachten, daß sich in der Nähe von Resonanzen oder Cut - Offs die
Dispersions- und Polarisationseigenschaften einer Welle oft drastisch ändern, so daß es sinnvoller ist, diese Bereiche herauszunehmen und ihnen gesonderte Wellentypen zuzuordnen, wie
wir es bereits bei den Zyklotronwellen getan haben.
97
β) Die Gruppengeschwindigkeit
Bei anisotropen Medien ist k im allgemeinen nicht gleich der Strahlrichtung. Die Strahlrichtung identifiziert man sinnvollerweise mit der Richtung der Gruppengeschwindigkeit, vg. vg
und vph haben unterschiedliche Richtungen. Dies läßt sich am einfachsten an der Scheralfvénwelle demonstrieren. Die Gruppengeschwindigkeit erhält man aus der Dispersionsbeziehung,
indem man diese als Funktion von kx, ky und kz differenziert:
v gx =
∂ω
∂k x
v gy =
∂ω
∂k y
v gz =
∂ω
∂k
Da ω =VAcosϑ =VAkz, hat die Gruppengeschwindigkeit unabhängig von der Richtung des
k - Vektors immer die Richtung des Magnetfeldes und den Betrag VA.
γ) Das CMA - Diagramm
Eine übersichtliche Darstellung der verschiedenen Wellenmoden im kalten Plasma bietet das
CMA - Diagramm nach Clemmow, Mullaly (1955) und Allis (1959). Im CMA - Diagramm
trägt man als Abszisse ωp2/ω2 oder die Dichte, als Ordinate ωc/ω oder das Magnetfeld auf. Die
Resonanzen oder Cut - Offs stellen sich in dieser Ebene als Kurven dar, z.B. sind ω = ωce und
ω =ωci Geraden, parallel zur Abszisse, ω = ωpe eine Gerade parallel zur Ordinate (s. Abb.
D.10). Diese Kurven unterteilen die ne-B0 - Fläche in 12 Teilflächen. Innerhalb einer Teilfläche
bleibt die Topologie der Wellennormalenfläche unverändert. Die Form der Wellennormalenflächen wird angedeutet, wobei man sie als Rotationskörper verstehen muß, die durch Rotation
der angegebenen Kurve um die B0 - Achse erzeugt werden. Im allgemeinen gibt es in jedem
Gebiet zwei solcher Flächen, die einer schnellen und einer langsamen Welle entsprechen.
Abb. D.10: Eine Systematik der Wellen im kalten Plasma
ermöglicht das CMA - Diagramm.
98
Einige der Wellenflächen entfallen, da die zugehörigen Wellen evaneszent sind. Die R - und L
- Welle mit ihrer Ausbreitung parallel zum Magnetfeld sowie die O - und X - Welle senkrecht
zum Magnetfeld sind angedeutet.
7. Anwendungen
a) Reflexion elektromagnetischer Wellen in der Ionosphäre (Radio Echolotung)
(s. Walter Kertz: Einführung in die Geophysik II, BI, S 35)
Abb. D.11: Bestimmung der Elektronendichte in der
Ionosphäre mit hilfe von Radarechos.
Ein kurzzeitiger Puls der Frequenz ω wird vertikal nach oben abgestrahlt. Die Plasmadichte in
der Ionosphäre ist inhomogen ne0(z), d.h. die Plasmafrequenz ist ortsabhängig
e 2 n e0 (z)
ω 2p (z) = ε m
0 e
Den Einfluß des Erdmagnetfeldes kann man vernachlässigen, so daß die Dispersionsbeziehung
für elektromagnetische Wellen Gl. (D.13) den Vorgang beschreibt. Nimmt man an, daß die
Dispersionsbeziehung lokal gültig ist, kann das Ergebnis für ein homogenes Plasma verwendet
werden.
n 2 (z) = 1 −
ω 2p (z)
ω2
Solange ωp2 < ω2 propagiert das Wellenpaket. An der Schicht, an der ω2 = ωp2(z), wird es reflektiert. Durch Laufzeitmessung kann also die Höhe der Cut - Off Schicht gemessen werden
e 2 n (h)
ω 2p (h) = ε e0
= ω2
0me
99
ε0me 2
ω
e2
n e0 (h) =
(D.23)
Hierbei muß berücksichtigt werden, daß sich die Geschwindigkeit auf der Laufstrecke ändert
∆z
∆t = ∆z
v = n(z)c
t(h) = 2 ∫
h
0
dz
cn(z)
1 ct(ω) = h
∫0
2
1
1−
ω 2p (z)
dz = h / (ω)
ω2
h´ ist die scheinbare Höhe, d.h. die Höhe, die herauskommt, wenn man die Geschwindigkeit
gleich c setzen würde. Man variiert ω und rechnet aus der gemessenen Laufzeit t(ω) die Wahre Höhe h aus. Die Meßergebnisse zeigen das in Abb. D.12 abgebildete Verhalten.
Abb. D.12: Die effektive Höhe in Abhängigkeit von der
Frequenz der ausgesandten Strahlung
Die Spitzen bei fF1 = 2,9 MHz und fF2 = 4,7 MHz deuten an, daß die Funktion ωp2(z) dort ein
∂ω 2p
= 0). In diesem Fall divergiert das Integral. Die Dichte an dieser Stelle erMaximum hat (
∂
gibt sich aus Gl.(D.23). Man beobachtet insgesamt drei solcher Schichten
E - Schicht:
ne0 = 105/cm3
F1 - Schicht:
neo = 2,6 1015/cm3
F2 - Schicht:
neo = 5 1015/cm3
Insgesamt ergibt sich für die Elektronendichte in Abhängigkeit von der Höhe die in Abb. D.13
dargestellte Funktion.
100
Abb.D.13: Die aus den Messergebnissen (Abb. D.12)
resultierende Ionendichteverteilunge in der Ionosphäre.
b) Diagnostik über den Brechungsindex
α) Einleitung
Die im Folgendem besprochenen Methoden haben gemeinsam, daß eine elektromagnetische
Welle von außen in das Plasma gestrahlt wird. Das Plasma modifiziert den Verlauf der Wellenfronten. Dies erlaubt wiederum Rückschlüsse auf Plasmaeigenschaften. Die verschiedenen
Verfahren unterscheiden sich darin, wie sich der Brechungsindex senkrecht zur Strahlrichtung
ändert. Wie im Beispiel der Ionosphäre ist das Plasma i.a. inhomogen und man muß davon
ausgehen, daß die Gleichung für den Brechungsindex, die ja für ein homogenes Plasma abgeleitet wurde, lokal gültig ist. Effekte an Oberflächen dürfen das Ergebnis nicht verfälschen.
Abb. D.14: Bei allen Messungen am Brechungsindex
geht es darum, aus der Verzerrung der Wellenfronten
beim Durchgang durch ein Plasma Informationen über
das Plasma zu gewinnen.
Wir stellen uns vor, das Plasma werde in einer ebenen Geometrie durchstrahlt. Die Änderung
des Brechungsindexes in einer Richtung senkrecht zur anfänglichen Ausbreitungsrichtung (x)
sei gering. n(x) kann in eine Taylorreihe entwickelt werden.
2
n(x) = n 0 + dn ∆x + 1 d n2 ∆x 2 + ...
2
dx
Wenn nur der erste Term maßgeblich ist, d.h. n = n0, findet keine seitliche Ablenkung des
Strahles statt, Der Strahl erfährt eine Phasenverschiebung. Methoden, die die Phasenverschiebung ausnutzen, bezeichnet man als Interferometrie.
101
Der zweite Term dn ∆x führt zu einer Strahlablenkung. Methoden, die die Gradienten von
dx
Brechungsindizes ausnutzen, nennt man Schlierenverfahren.
2
Der dritte Term 1 d n2 ∆x 2 führt zu einer Krümmung der Wellenfront und damit zu einer Lin2
senwirkung. Methoden, die die Fokussierung (bzw. Defokussierung) des Strahls durch das
Plasma ausnutzen, heißen Schattenverfahren.
β) Interferometrie
Den typischen Aufbau zeigt Abb D.15.
Abb. D.15: Typischer Aufbau einer interferometrischen Messung.
Man spaltet die eingestrahlte Welle mit einem Strahlteiler auf, führt einen Strahl durch das
Plasma, den anderen als Referenzstrahl am Plasma vorbei und bringt beide zur Interferenz. Die
resultierende Amplitude |Em | wird gemessen. Diese ergibt sich aus dem Zeigerdiagramm der
komplexen Amplitude der Welle, die das Plasma durchlaufen hat, Ep, und der Amplitude der
Referenzwelle Er und hängt vom Phasenwinkel zwischen beiden Wellen ab (Abb. D.16)
Abb. D.16: Die komplexen Amplituden von Referenzwelle
und durch das Plasma gelaufener Welle werden zur Amplitude der gemessenen Welle addiert.
Der in Abb. D.15 gezeigte Aufbau heißt Mach - Zehnder Interferometer. Im optischen Bereich
benutzt man teil- und vollreflektierende Spiegel und zur Detektion Photomaterial oder Diodenarrays. Im Mikrowellengebiet treten an Stelle der teilreflektierenden Spiegel Richtkoppler
oder Drahtgitter, der Strahl wird außerhalb vom Plasma durch Hohlleiter geführt. Als Oszillatoren dienen Röhren (Klystron, Karzinotron) oder heute im zunehmenden Maße Halbleiteroszillatoren (Gun - oder Impatdioden), als Detektoren Dioden. Zur raumaufgelösten Messung
muß an verschiedenen radialen Positionen gemessen werden und durch numerische
102
Umkehrung der entstandenen Integralgleichung nach dem Abelschen Verfahren, im Laborjargon kurz "Entabeln" genannt, ortsaufgelöste Werte ermittelt werden. In der Humanmedizin
nennt man diese Methoden Tomographie.
Die Phasendifferenz ∆φ ergibt sich aus dem Gangunterschied, d.h. dem Unterschied an optischem Weg mit und ohne Plasma
L
∫ 0 n(z)dz − L = (n − 1)L
L ist die durchstrahlte Länge des Plasmas, n der über den Weg im Plasma gemittelte Brechungsindex. Die Phasendifferenz wird dann
∆φ (n − 1)L
=
2π
λ
Der Brechungsindex n ergibt sich aus der Formel (D.13)
 ωp 2  ,
n = ck
=
1
−
ω
ω 
n e2
ω 2p = me ε
e 0
Führt man die Cut - Off Dichte ein, d.h. die Elektronendichte, bei der die Frequenz des Oszillators ω gleich der Plasmafrequenz ist
n e2
ω 2 = mc ε
e 0
so wird daraus
n
n = 1 − ne
c
(D.24)
Messungen sind nur möglich im Dichtebereich, in dem die elektromagnetische Welle propagiert, ne < nc. Für nc gilt die Faustformel
13
ne
= 10 2
−3
cm
(λ/cm)
(D.25)
103
Gl. (D.24) kann auch im magnetisierten Plasma angewandt werden, wenn man den E - Vektor
der elektromagnetischen Welle parallel zum statischen Magnetfeld ausrichtet. Mit Gl. (D.24)
wird die Phasenverschiebung


n
∆φ = 2πL  1 − n e − 1 
c
λ 

(D.26)
Die Methode gestattet es also mit gewissen Einschränkungen aus dem gemessenen Phasenwinkel die Elektronendichte im Plasma zu messen.
Bei der Auswahl der Oszillatorfrequenz relativ zur Plasmafrequenz gibt es zwei Grenzfälle
ω >> ω p ,
also n e << n c
Dann kann die Wurzel entwickelt werden
n≈1−
ne
2n
n
∆φ = − πL n e
λ c
Die Phasenverschiebung ist proportional zur Dichte. Strahlablenkung spielt keine Rolle, da n
ungefähr eins ist. Hohe Frequenzen bedeuten kleine Wellenlängen und da man z.B. nach der
Theorie des Gaußschen Strahls bestenfalls bis auf Foki der Größe der Wellenlänge fokussieren
kann, ergibt sich eine gute Raumauflösung. Der Nachteil besteht darin, daß Änderungen der
gemessenen Feldstärke und damit die Meßsignale klein sind.
Die größte Empfindlichkeit liegt vor, wenn die Oszillatorfrequenz in der Nähe der Plasmafrequenz d.h. die Dichte in der Nähe der Cut - Off Dichte liegt. Hier muß man u. U. Strahlablenkung und schlechte Raumauflösung in kauf nehmen.
Zur Auswahl der günstigsten Wellenlänge für eine gegebene Plasmadichte dient also die
Faustformel (D.25), die in Abb. D.17 graphisch dargestellt ist.
Abb. D.17: Cut - Off Dichte in Abhängigkeit von der
Wellenlänge
104
γ) Mikrowelleninterferometer
Da die meisten Laborplasmen eine Dichte von unter - häufig um Zehnerpotenzen unterhalb 1017/cm3 besitzen, benutzt man meistens Wellenlängen über 1mm, d.h. im Mikrowellenbereich.
Bei der Mikrowelleninterferometrie mißt man meistens mit einem einzelnen Detektor an einem
Plasma, das nur eine kurze Lebensdauer hat. Man mißt also über einen Strahl gemittelt den
zeitlichen Verlauf der Phasenverschiebung und damit der Plasmadichte. Gehen wir von einem
zeitlichen Verlauf der Plasmadichte wie in Abb.D.18 aus, die die Cut - Off Dichte während eines Zeitabschnittes während der Lebensdauer des Plasmas überschreitet, so nimmt der Brechungsindex von n = 1 anfangend ab und erreicht bei ne = nc null. Während dieser Zeit werden
verschiedene Maxima und Minima von Interferenzen durchlaufen. Während der Zeit, in der die
Plasmadichte die Cut - Off Dichte überschreitet, wird alle Strahlung reflektiert, d.h. es wird
kein Signal beobachtet. Die Amplituden der Interferenzstreifen nehmen zum Cut - Off hin ab,
da die Dämpfung der Welle durch Stöße wichtiger wird. Nehmen wir an, am Beginn der Plasmaentladung bei ne = 0 sei ∆φ = 0, so ergibt Gl. (D.26) für ne = nc ∆φ = - 2πL/λ. Es werden also L/λ volle Perioden bis zum Cut - Off durchlaufen.
Abb. D.18: Zeitlicher Verlauf der Elektronendichte im
Plasma (oben), des Brechungsindexes (Mitte) und des
Signals am Detektor (unten) bei einer interferometrischen Messung.
δ) Optische Interferometer
Die kritische Dichte, die einer Wellenlänge von λ ≈ 500nm entspricht, ist von der Größenordnung der Festkörperdichte. Lasererzeugte Plasmen können diese Dichten haben und daher
kann für lasererzeugte Plasmen optische Interferometrie interessant sein. Man muß dann mit
Strahlablenkung rechnen. Fusionsplasmen haben typische Dichten n e ≈ 10 14 cm −3 . Hier ist
n/nc ~ 10-8 und optische Interferometrie ist hier nicht einsetzbar. In Lichtbögen und Pinchentladungen mit Dichten 1016 < ne < 1018 wird optische Interferometrie angewandt. Die Signale sind
zwar klein, aber man hat keine Strahlablenkung und eine hohe Raumauflösung. Durch
105
Benutzung von flächenhaften Detektoren kann über einen gesamten Plasmaquerschnitt gemessen werden. Der Aufbau ist i.a. sehr aufwendig, da Fenster bis auf Bruchteile von λ genau geschliffen sein müssen und thermische Längenänderungen oder sonstige mechanische Störungen
klein gehalten werden müssen. Man kann die Empfindlichkeit durch Verwendung eines Laserinterferometers erhöhen, wenn man das Plasma in den Laserresonator bringt (Abb. D.19).
Bei Veränderung des Brechungsindexes verstimmt der Laser. Die Intensität der austretenden
Strahlung reagiert sehr empfindlich auf Verstimmung.
Abb. D.19: Beim Laserinterferometer befindet sich
das Medium innerhalb der Laserkavität
ε) Strahlablenkung
Die Ablenkung in einem seitlichen Dichtegradienten ergibt sich aus dem Satz von Malus, der
besagt, daß die optischen Wege zwischen zwei Wellenfronten gleich lang sind. Aus Abb. D.20
lesen wir ab:
Abb. D.20: In einem seitlichen Dichtegradienten
wird ein Lichtstrahl abgelenkt
Ln + ∆z = L  n + dn b 
dx
Lb dn = ∆z
dx
für kleine Winkel
tan α = ∆z = L dN
b
dx
Der Ablenkungswinkel ist also dem Gradienten des Brechungsindex proportional. Für einen
empfindlichen Aufbau verwendet man einen Strahl mit gaußförmigem Intensitätsprofil und fokussiert ihn so auf eine Spaltblende, daß sich der Spalt am Wendepunkt des Profils in dessen
Flanke befindet. Die Intensität hinter dem Spalt ist dann dem Ablenkwinkel proportional (Abb.
D.21, 22).
106
Abb. D.21: Aufbau zur Strahlablenkung
Abb. D.22: Wenn man einen Spalt in dem steilsten Teil
der Flanke des Lichtstrahles aufstellt, ist die durchgehende Lichtintensität ein empfindliches Maß für die
Strahlablenkung
Ein klassischer Aufbau, der es gestattet, ein Gesamtbild der Schlieren zu erhalten, ist der
Schlierenaufbau nach Töpler. Dieser besteht aus einer Hand in Hand Abbildung. Das Licht der
Lichtquelle, das durch einen Spalt seitlich begrenzt wird, wird auf einen Spalt abgebildet. Mit
einer zweiten Optik wird das Objekt auf die Detektorebene abgebildet. Man erhält also in jedem Fall ein Bild des Objektes. Wenn der Strahl an einer Stelle des Objektes abgelenkt wird,
kommt dieses Licht nicht durch den Zwischenspalt. Diese Stelle erscheint in der Detektorebene dunkel (Abb. D.23).
Abb. D.23: Hand in Hand Abbildung beim
Schlierenverfahren
η) Schattenverfahren
Abb. D.24 zeigt einen einfachen Aufbau für das Schattenverfahren. An den Stellen des Plas2
mas, an denen d n ≠ 0 , wirkt das Plasma wie eine zusätzliche Linse. Die Schärfe des Bildes
2
der Lichtquelle und damit die Helligkeit in der Detektorebene ändern sich.
Abb. D.24: Im Schattenverfahren wirkt das Plasma als zusätzliche Linse
107
KAPITEL E
Atomare Prozesse
1. Einleitung
In den magnetohydrodynamischen Gleichungen stehen Stoffkonstanten, die zur Beschreibu
der Transporteigenschaften eines Plasmas erforderlich sind wie σ,η,κ. Diese müssen aus ei
Betrachtung der Stoßprozesse gewonnen werden. Im vollionisierten Plasma sind dies ela
sche Stöße zwischen geladenen Teilchen wie Elektronen und Ionen. Im Niedertemperaturp
ma wird im allgemeinen der gesamte Entladungsmechanismus durch Stöße von gelade
Teilchen mit Atomen und Molekülen und mit der Wand bestimmt. Da die Wahrscheinlichk
der verschiedenen Prozesse vom Anregungszustand der Teilchen, im folgenden gekennzei
net durch den Index m,n, abhängt, ist die Beschreibung im allgemeinen verwickelt. Bei der
nisation z.B. spielen folgende Prozesse eine Rolle:
Elektronenstoß:
Photoionisation:
Autoionisation:
e + A n → A +m + 2e
hν + A n → A +n + e
A nm → A +ik + e
(Anm symbolisiert ein Atom, in dem zwei Elektronen gleichzeitig angeregt sind.)
Ionisation durch metastabile Atome A met + B → A + B + + e
Ein metastabiles Atom befindet sich in einem angeregten Zustand, für den ein Strahlungsüb
gang in einen tieferen Zustand verboten ist. In einem Stoß kann die Anregungsenergie an
Stoßpartner abgegeben werden.
Wenn man sich für den Ionisierungsgrad in einem Plasma interessiert, muß man im allgemei
Falle die Wahrscheinlichkeiten für alle beteiligten Prozesse kennen. Wir befassen uns dahe
diesem Kapitel auch mit dem Ionisationsgrad von Plasmen. Zum Glück gibt es Situationen
denen auch ohne detaillierte Kenntnis der Ionisationswahrscheinlichkeiten Aussagen über d
Ionisierungsgrad gemacht werden können, nämlich, wenn man sich nicht zu weit vom ther
schen Gleichgewicht entfernt. Die Gleichgewichtsbegriffe werden im Abschnitt E.5 behande
Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Anregung von Atomen. In einem Stoß- Strahlungsm
dell etwa zur Berechnung der Intensität einer Spektrallinie werden im Prinzip die Wahrsche
lichkeiten für alle relevanten Übergänge benötigt.
Die Häufigkeit atomarer Prozesse hängt außer von den Eigenschaften der Stoßparameter v
den Teilchendichten und -geschwindigkeiten ab. Um eine Größe zu haben, die im wesentlic
die Atomeigenschaften charakterisiert, führt man den Begriff des Wirkungsquerschnittes
108
D.h. man ordnet jedem Prozeß einen Kugelradius r0 zu, den kugelförmige Stoßpartner ha
müßten, damit sie genau so häufig stoßen, wie der betrachtete Prozeß stattfindet. πr02 ist d
der entsprechende Wirkungsquerschnitt.
2. Wirkungsquerschnitte
a) Stoß von Kugeln
Abb. E.1: Zur Definition des Stoßquerschnittes
In ein Volumen mit n Feldteilchen pro Volumeneinheit, die eine Querschnittsfläche v
σ = πr02 aufweisen, tritt ein Strahl von N0 fremden, punktförmigen Teilchen in x-Richtung
Die Strahlteilchen werden wie starre Kugeln gestreut. Nach einem Streuvorgang geht das
streute Teilchen dem Strahl verloren. An der Stelle x sind noch N(x) Strahlteilchen vorhand
Aus den Feldteilchen wird ein Bereich dx herausgegriffen, der so schmal ist, daß in ihm Me
fachstreuungen keine Rolle spielen. Von den N(x) Teilchen, die die Strecke dx und das Vo
men Adx durchlaufen, wird ein Prozentsatz herausgestreut, der dem Verhältnis der durch
Feldteilchen verdeckten Fläche nσAdx zur Gesamtfläche entspricht.
dN = NAdxσ = nσdx
A
dx
nσdx ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Teilchen auf der Strecke dx gestreut werden. D
abnimmt, schreibt man
dN = -N(x) nσdx
(E.1)
mit der Lösung
N(x) = N0e-nσx
N(x) ist die Anzahl der Teilchen, die bis x nicht gestreut wurden.
(E.2)
109
N(x) −nσx
e
ist daher die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, bis x noch nicht gestr
N0
worden zu sein.
p(x) =
Die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, das bei x = 0 eintritt, genau zwischen x und x + dx
stoßen, ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit, bis x noch keinen Zusammenstoß erlitten
haben, p(x), und der Wahrscheinlichkeit, in dx zu stoßen, nσdx
W(x)dx = p(x) ⋅ nσdx
Den Mittelwert ⟨x⟩ = ∫ xW(x)dx über all diese Längen freien Fluges nennt man die fr
Weglänge
∞
λ = ∫ xnσe −nσx dx
0
Das Integral wird durch partielle Integration mit u = x und v´=e-nσx gelöst und ergibt
1
λ = nσ
Für ein Strahlteilchen mit der Geschwindigkeit v ist die freie Flugzeit
1
tc = λ
v = nσv
und die Stroßfrequenz νc = 1/tc
ν c = nvσ
Die obige Betrachtung über Stoß von Kugeln kann völlig analog auf einen beliebigen Pro
übertragen werden, indem man statt von einem Teilchen, das einen Stoß erleidet, von ein
Teilchen spricht, das eine bestimmte Reaktion macht. Bekommt man in der Strahlanordnu
einen exponentiellen Abfall, z.B. für die Teilchen, die noch nicht reagiert haben
N(x) = N 0 e −kx
so ist, wie ein Vergleich mit Gl. (E.2) zeigt, die auf ein Teilchen bezogene Größe κ/n der W
kungsquerschnitt der Reaktion. κ/n hat die Dimension einer Fläche.
110
Daten über Wirkungsquerschnitte, die für die Plasmaphysik wichtig sind, findet man z.B
Sandborn C.Brown: Basic Data of Plasmaphysics, John Wiley and Sons, oder Bates: Ato
and Molecular Processes.
Wirkungsquerschnitte sind im allgemeinen von der Relativgeschwindigkeit der Reaktionsp
ner abhängig. Abb. E.2 zeigt als Beispiel den typischen Verlauf eines Ionisierungsquerschn
durch Elektronenstoß, d.h.
Anzahl der ionisierenden Elektronen = nσ dx
i
Gesamtzahl der Elektronen
Abb. E.2: Typische Abhängigkeit eines Ionisierungsquerschnittes von der Stoßenergie
Für manche Probleme interessiert der differentielle Streuquerschnitt, d.h. die Wahrscheinli
keit für Streuung in den Raumwinkel dΩ
dN = σ dΩndx
diff
3. Coulombstöße
a) Nullte Näherung
Der Begriff des Coulomb-Stoßquerschnitts ist wegen der langen Reichweite der Coulombk
te etwas problematisch. Wir betrachten ein einzelnes Elektron, das an einem ruhenden Ion
der Ladung Ze vorbeifliegt (Abb. E.3)
Abb. E.3: Keplerbahn eines geladenen Teilchens beim
Stoß. r0 ist der Stoßparameter
Die Ablenkung ϑ hängt vom Stoßparameter r0 nach der Rutherfordschen Streuformel ab.
111
r0 =
Ze 2
4πε 0 12 mv 2 sin2 ϑ
(E.3)
D.h nimmt mit wachsendem r0 kontinuierlich ab. Eine Möglichkeit, einen Streuquerschnitt
definieren, besteht darin, für ϑ einen beliebigen, aber festen Wert einzusetzen. Dann ergibt s
aus (E.3) sofort der Querschnitt pr02. Dieser ist bis auf einen konstanten Faktor in allen w
sentlichen Abhängigkeiten gleich dem, der aus einer aufwendigen kinetischen Rechnu
stammt (L. Spitzer Jr.)
Im folgenden umgehen wir die Rutherfordschen Streuformel und schätzen den Streuqu
schnitt mit einem groben Verfahren ab.
Wir ersetzen die wirkliche Bahn durch eine gerade Bahn, die mit konstanter Geschwindigk
durchlaufen wird. Die seitlich auf die Bahn wirkende Kraft hat einen glockenförmigen ze
chen Verlauf. Wir ersetzen ihn durch einen rechteckigen Verlauf mit einer konstanten Kraft
die während einer Zeit wirkt, die etwa der Halbwertsbreite der Kurve entspricht. F0 ist
Kraft bei größter Annäherung
Abb. E.4: Bei der gröbsten Abschätzung wird der tatsächliche Verlauf der Kraft beim Vorbeiflug durch eine
Rechteckfunktion angenähert.
2
F 0 = Ze 2
4πε 0 r 0
Die Zeitdauer t ist durch die Flugzeit über die Distanz 2r0 gegeben, da die halbe Kraft
r = 2 r 0 wirkt. (s. Abb. E.4)
2r
t = v0
Der senkrecht zur Bahn des stoßenden Teilchens übertragene Impuls ist dann
∆(mv ⊥ ) = F 0 t =
Ze 2
2πε 0 r 0 v
112
Wir fordern jetzt von einem Stoß, daß ∆(mv ⊥ ) gleich dem Anfangsimpuls des Teilchens e
lang seiner Bahn ist, was einer Ablenkung um 90° entspricht.
∆(mv ⊥ ) = mv =
Ze 2
2πε 0 r 0 v
r0 =
Ze 2
2πε 0 mv 2
Als Radius des so definierten Stoßquerschnitts ergibt sich der gleiche Wert wie bei Rutherf
- streuung um ϑ = 90°. Der Streuquerschnitt ist daher
σ c = πr 20 =
πZ 2 e 2
∼ 14
2 2
v
(2πε 0 mv )
Die Abhängigkeit σ ~ 1/v4 hängt also damit zusammen, daß r ~ 1/v2. Hierin stecken zwei F
toren ~ 1/v: einmal geht die Aufenthaltsdauer des Störteilchens im Bereich des Coulombfel
mit 1/v und dann wird bei dem gleichen seitlichen Impulsübertrag die Ablenkung um so k
ner, je größer der Anfangsimpuls ist.Die Stoßfrequenz geht mit ν c = vσ ∼ 13 in einem th
v
1
2
−3/2
mv
=
kT
mischen Plasma mit
geht.ν c ∼ T .
2
b) Stöße mit schwacher Ablenkung
Es zeigt sich, daß die obige Abschätzung zwar die Abhängigkeit der Stoßzahl von T un
korrekt wiedergibt, auch die Größen im Vorfaktor richtig beschreibt - dies kann wichtig s
wenn man Angaben aus der Literatur, die in fremden Einheiten angegeben sind, auf die
bräuchlichen SI-Einheiten umrechnen will - aber den Absolutwert falsch angibt. Der Gru
hierfür liegt daran, daß die Annahme, 90° Stöße seien die wichtigsten im Plasma, nicht zutr
Die Stöße mit großen Stoßparametern bewirken zwar kleine Impulsänderungen, aber da
sind sie häufiger. Im folgenden wird daher die Auswirkung der Kleinwinkelstöße untersucht
Zur Definition des Stoßquerschnitts, in diesem Fall gehen wir vom Billardkugelmodell aus
(E.1) aus:
dN = −Nnσdx
113
und ersetzen N durch den Impuls parallel zur Bahn
d(mv // ) = −(mv // )nσdx
(E.4)
Zur Berechnung des Impulsübertrages senkrecht zur Bahn kann mit guter Näherung von ein
geraden Bahn ausgegangen werden.
Abb. E.5: Berechnung der seitlich wirkenden Kraft
Nach Abb. E.5 ist
2
F⊥ r0
= r , mit F = Ze 2 ergibt sich
F
4πε 0 r
2 r
F ⊥ = Ze 03
4πε 0 r
und mit
r=
r 20
2


+ v t = r 0 1 +  rvt 
0


1/2
2 2
2
1
F ⊥ = Ze
3/2
4πε 0 r 0 
vt 2 
1
+
)
(
r0 

Die seitliche Impulsänderung ergibt sich hieraus:
∆(mv ⊥ ) = ∫
+∞
−∞
∞
F ⊥ dt = 2 ∫ F ⊥ dt
2
= 2Ze 2
4πε 0 r 0
0
∞
∫0
dt
 1 + ( rvt0 ) 2 


Das Integral kann mit der Substitution
vt
r 0 = ξ,
r
dt = v0 dξ
dimensionslos gemacht werden.
3/2
114
∆v ⊥ =
∞
dξ
Ze 2
∫
3/2
0
2πε 0 mr 0 v
(1 + ξ 2 )
(E.5)
Das Integral ergibt 1.
Abb. E.6: Es kommt letztenendes auf die Änderung des
Impulses in Bewegungsrichtung an.
Benötigt wird ∆v // . Hierzu beachten wir, daß wegen des Energieerhaltungssatzes nach d
Vorbeiflug die Bahngeschwindigkeit v gleich der Anfangsgeschwindigkeit ist. Nach Abb.
ergibt sich

∆v 2 
∆v // = v - v // = v− v − ∆v 2⊥ ≈ v − v 1 − 1  v ⊥ 


2
Dies in Gl. E.4 eingesetzt, ergibt:
Ze 2 
∆v // =  πε
m
0
2
1
8v 3 r 20
(E.6)
Um v // beim Vorbeiflug an vielen Teilchen zu berechnen, wird ∆v mit der Wahrscheinlichk
dW multipliziert, mit der bei n Feldteilchen pro Volumen ein Vorbeiflug zwischen r und r +
vorkommt. Diese ist gleich dem Produkt der Gesamtzahl der Teilchen in dem betrachteten V
lumen nAdx (A = Querschnittsfläche des Volumens), und dem Flächenverhältnis rdrdϕ und
dW =
nAdxrdrdϕ
A
Abb. E.7: Die Wahrscheinlichkeit, genau in dieses F
chenelement zu treffen, berechnet sich aus dem Fläche
verhältnis rdrdϕ zur Gesamtfläche.
Damit wird Gl. E.6
115
dv // = −∫
r max
r min
Ze 2 
∆v // dW = ndx2π  πε
m
2
0
1
8v3
r max
∫r
min
1 dr
r
Dies ist bis auf den Faktor nv // dx = nvdx der in Gl. E.4 definierte Stoßquerschnitt.
2
2
σ =  εZem   1 4  ln Λ
 4πv 
0
(E.7)
Gl. E.7 beschreibt im wesentlichen den Stoßquerschnitt für Coulombstöße nach Spitzer.
lnΛ = lnrmax/rmin ist der Coulomblogarithmus. Für r max → ∞ und r min → 0 divergiert das Erg
nis. Man nimmt zum Abschneiden des Integrales für rmin den Abstand kleinster Annäheru
wenn die gesamte Energie in potentielle Energie umgesetzt worden ist und für rmax
Debyelänge:
r min :
r max :
1 mv 2 = Ze 2
2
4πε 0 r min
ε 0 kT
λ D = r max =
ne 2
Wie Tabelle I zeigt, ist lnΛ nicht sehr empfindlich von den Plasmaparametern abhängig,
daß man für Abschätzungen häufig lnΛ =10 setzt.
Tabelle I
T/eV
n/m-3
lnΛ
0,2
1015
9,1
2
1017
10,2
100
1019
13,7
104
1021
16
Fusionsrektor
103
1027
6,8
Laserplasma
typisch für
Q - Maschine
vollionisiertes Laborplasma
Für die freie Weglänge erhält man damit
4 ε m
 0  1
λ = 4πv
n  2  ln Λ
2
116
und für die Stoßfrequenz
2
2
ν c = v = n 3  εZem  ln Λ
0
λ 4πv
(E.8)
Dieser Ausdruck ist bis auf den dimensionslosen Faktor lnΛ identisch mit dem in nullter Näh
rung gewonnen.
4. Anwendungen
a) Runaway Elektronen
Liegt an einem Plasma ein elektrisches Feld E, so bewegen sich die Elektronen mit einer Dr
geschwindigkeit vD gegenüber den Ionen. Im Gleichgewichtsfall ist die Reibungskraft fR gle
der antreibenden Kraft -eE. Die Reibungskraft ist durch den Impulsverlust pro Zeit gegeb
d.h.
f R = ν ce m e v D
Um die Elektronen-Ionen Stoßfrequenz nach Gl. E.8 νce zu berechnen, muß man die Rela
geschwindigkeit zwischen Elektronen und Ionen vc kennen. Hier unterscheiden sich 2 Fälle:
Ist die Driftgeschwindigkeit vD sehr viel kleiner als die thermische Geschwindigkeit
Elektronen
vD<<vth,
ist die Relativgeschwindigkeit praktisch durch die thermische Geschwindigkeit der Elektro
bestimmt vc = vth. Damit ist νce = const und fR =νce mevD proportional zur Driftgeschwindigk
Im andern Extremfall vD >> vth ist die Relativgeschwindigkeit durch die Driftgeschwindigk
bestimmt
vc = vD
νc ~ 1/vD3
und die Reibungskraft nimmt mit 1/vD2 ab. Insgesamt ergibt sich für die Reibungskraft ein V
halten wie in Abb. E.8.
117
Abb. E.8: Der Reibungswiderstand nimmt bei hohen
Driftgeschwindigkeiten ab, so daß eine instabile Situation entsteht: Die Elektronen werden im elektrischen
Feld kontinuierlich beschleunigt.
Für vD >> vth liegt ein instabiles Verhalten vor: je größer die Geschwindigkeit wird, desto k
ner wird die Reibungskraft, wodurch ein weiterer Geschwindigkeitszuwachs begünstigt w
In einem realen Plasma wird die Geschwindigkeit durch einen Prozeß, der durch die insta
Situation entsteht, begrenzt. Hier ist es die Anfachung von elektrostatischen Fluktuation
Man kann sich diesen Prozeß als die Umkehrung der Teilchenbeschleunigung durch We
vorstellen: Energie geht aus gerichteter Energie eines Teilchenstrahls in Wellenenergie über
b) Relaxationszeiten
Schießt man einen Teilchenstrahl in ein Plasma, so wird er durch Stöße abgebremst und e
lich thermalisiert. Bei konstanter Reibungskraft wird sich für die Relativgeschwindigkeit e
abfallende e-Funktion ergeben. Die Zeitkonstante dieser e-Funktion ist die Relaxationsz
Allgemeiner gesprochen, ist die Relaxationszeit die Zeit, die ein System braucht, um aus ei
kleinen Abweichung aus dem Gleichgewicht in die Gleichgewichtssituation zurückzukehr
Die Abweichung vom Gleichgewicht kann eine Ausbeulung der Verteilungsfunktion sein,
im obigen Fall, eine Abweichung der Maxwellverteilungen parallel und senkrecht zum M
gnetfeld oder zwischen den Temperaturen verschiedener Teilchensorten. Im folgenden wo
wir die Relaxationszeiten für die Einstellung einer Maxwellverteilung einer Teilchensorte o
zwischen Elektronen und Ionen abschätzen, indem wir annehmen, hierfür sei der Coulom
Stoßquerschnitt maßgeblich. Wir haben bisher Stöße der Elektronen mit räumlich festlieg
den Ionen betrachtet. Um die Ergebnisse auf Stöße zwischen Teilchen der Sorte a mit Teilc
der Sorte b zu verallgemeinern, gehen wir von dem Stoßquerschnitt Gl. E.8 aus
2
2
σ ab =  εZem  1 4 ln Λ
0 a
4πv a
und ersetzen ma durch die reduzierte Masse
118
mamb
m a + mb
Für va wird die relevante Relativgeschwindigkeit vrel eingesetzt. Zur Vereinfachung wird v
m ab =
dem Fall Ta = Tb = T, d.h. ½ mava2 = ½ mbvb2 = kT ausgegangen. Da hier nur die Verhältnisse
verschiedenen Relaxationszeiten interessieren, werden alle Faktoren außer der Masse und
Geschwindigkeit in einer Proportionalitätskonstante C zusammengefaßt. Der Stoßquersch
ist dann
σ∼
1
µ 2 v 4rel
Für die Relaxationszeiten ist der Bruchteil der bei einem Stoß übertragenen Energie wichtig
K=
E übertr
E
=
2µ 2
2m a m b
=
(m a + m b ) 2 m a m b
Die freie Flugzeit ist dann
t ab = ν1 = nσ 1 v = C 1 µ 2 v3rel
ab
ab rel
Die Zeit für Energieübertragung
τ ab =
t ab
= C 2 m a m b v 3rel
K
Daraus erhält man für Elektronen-Elektronenstöße mit ma = mb = me und vrel = vc = C3/me1/2
τ ee = C
m 2e
= Cm 1/2
e
3/2
me
für Ionen-Ionen Stöße mit ma = mb = mi und vrel = vi = C3/mi1/2
τ ii = Cm 1/2
i
für Elektronen-Ionen Stöße mit ma = me und mb = mi und vrel = ve = C3/me1/2
τ ei = C
memi
mi
= C 1/2
3/2
me
me
119
für Ionen-Elektronen Stöße mit ma = mi und mb = me und vrel = ve
τ ie = τ ei
Hieraus ergibt sich für ein H-Plasma
τ ii
τ ee =
mi
m e = 40
τ ei m i
τ ee = m e = 1840
Man erkennt, daß die Elektronen am wenigsten Zeit benötigen, um eine Maxwellsche G
schwindigkeitsverteilung aufzubauen, es folgen die Ionen, wohingegen die Zeit für die Eins
lung gleicher Elektronen- und Ionentemperatur deutlich länger ist. Dies ist der Grund da
daß man häufig zwar den einzelnen Teilchensorten eine Temperatur zuordnen kann, die d
allerdings für Elektronen und Ionen unterschiedlich ausfällt. Der Unterschied ist um so klei
je größer der Druck ist, da häufige Stöße den Temperaturausgleich fördern.
In Gasentladungen (s. folgendes Kapitel), besonders bei niedrigen Drucken wird die Ener
aus dem äußeren Feld meist zunächst auf die Elektronen übertragen. Daher findet man h
häufig Te > Ti . Es gibt Experimente, bei denen die Energie primär auf die Ionen übertra
wird, z.B. bei Heizung mit Alfvénwellen, da hier die kinetische Energie im wesentlichen
Schwingungsenergie der Ionen ist. Dann kann T i> Te gelten. Wegen der langsamen Relax
onszeiten der Ionen untereinander stellt sich häufig nur für kleine Geschwindigkeiten e
Maxwellverteilung ein. Zuweilen wird beobachtet, daß bei hohen Energien (im „Maxwellsc
Schwanz“) zu viele Teilchen vorliegen.
c) Elektrische Leitfähigkeit
Die elektrische Leitfähigkeit σ = 1/ρ wird aus der oben berechneten Stoßfrequenz abgelei
indem die Bewegung eines Elektrons im elektrischen Feld unter dem Einfluß von Stößen
trachtet wird.
Zwischen den Stößen gilt die Bewegungsgleichung
dv
me e = qeE
dt
qeE
v e =v e0 + m t
e
120
Bei der Mittelung über viele Stöße wird die Anfangsgeschwindigkeit nach dem Stoß
⟨v e0 ⟩ = 0
und die freie Flugzeit durch die Stoßfrequenz gegeben
⟨t⟩ = ν1
ce
Damit erhält man für die Driftgeschwindigkeit
qe
v D = ⟨v e ⟩ = ν m E .
ce e
qa
µa = ν m
nennt man die Beweglichkeit der Teilchensorte a. Wegen der Massenabhängigkeit ist die B
weglichkeit der Ionen im allgemeinen kleiner als die der Elektronen. Durch Vergleich mit
1 E und der Stromdichte j = nq ⟨v ⟩, ergibt s
Definition des spezifischen Widerstandes j = ρ
e e
für ρ
ρ=
ν ce m e vm e σ
= 2
ne 2
e
wenn σ der Stoßquerschnitt für Elektronen-Ionen Stöße ist. Mit Gl. E.7 erhält man die
Spitzer-Formel
ρ=
Z 2 e 2 m 1/2
e ln Λ
(E.9)
ε 20 4π(2kT) 3/2
d) Allgemeine Transportgleichung
α) Grundbegriffe
Über die Vorstellung, daß mit Stößen gewisse physikalische Größen übertragen werden,
sen sich Transportvorgänge wie Wärmeleitung, Viskosität und Diffusion in gleicher Weise
handeln. Wir betrachten dazu eine physikalische Größe G, die an die Teilchen gebunden
wie innere Energie, Teilchenzahl oder Impuls. Sie soll sich in einer Dimension x ändern, so d
121
G = G(x) ist. Die Volumendichte dieser Größe wird g genannt: g = G/V, die Größe pro T
chen g: γ = g/n, der Fluß der Größe in Richtung xG : Φ G = ∂G .
A∂t
Nimmt man G = 3/2 NkT, so wird g = 3/2 nkT, γ = 3/2 kT und ΦW ist der Wärmestrom
Fläche.
Nimmt man für G die Teilchenzahl G = N, so wird g = n, γ = 1, ΦD = nv ist
Diffusionsstrom.
Nimmt man für G = Nmvz den Gesamtimpuls senkrecht zur Richtung, in der sich vz ändert,
wird g = nmvz, γ = mvz
Φp =
F z ∂p z
=
A A∂x
Fz/A ist die Scherspannung senkrecht zu x. Obige Gleichung ist identisch mit dem Newt
schen Ansatz der Viskosität.
β) Transportgleichung
Der Transport der Größe G erfolgt über Stöße. Z.B. dadurch, daß Teilchen in einem Geb
mit hoher Temperatur stoßen, besitzen sie im Mittel die Energie, die dieser hohen Tempera
entspricht. Kommen sie nun in ein Gebiet mit kleinerer Temperatur, können sie durch Stö
ihre höhere Energie an Teilchen mit kleinerer Energie übertragen. Dadurch wandert ther
sche Energie von einer Stelle zur anderen. Wenn Teilchen in einem Raumbereich überha
nicht stoßen, kann es nach diesem Bild keinen Temperaturgradienten geben.
Abb. E.9: Das Teilchen befindet sich bei x = 0 brin
aber die Transportgrößen bei x = λ, bzw bei x = -λ mit.
Ein Teilchen überträgt bei einem Stoß bei x = 0 die Größe G, die es im letzten Stoß aufgeno
men hat, also im Abstand der freien Weglänge λ. Entwickelt man γ(x) um x = 0 mit dx = λ,
hält man
∂γ
∂x
∂γ
γ(+λ) = γ(0) + λ
∂
γ(−λ) = γ(0) − λ
122
In einem isotropen Gas ist der Teilchenstrom der Teilchen, die von links kommen, dem Bet
ge nach 1/6 nvth ebenso derjenige, der von rechts kommenden Teilchen. Diese bringen un
schiedlich viel der Größe γ mit, wodurch bei x = 0 ein Gesamtstrom in x-Richtung resultiert
∂γ
Φ G (0) = 1 nv th γ(−λ) − 1 nv th γ(+λ) = 1 λnv th
∂x
6
6
3
Damit wird die Transportgleichung
∂g
Φ G = − 1 λv th
∂x
3
(E.10)
∂g
durch ∇g ersetzt werden. Die freie
∂x
Weglänge λ wird durch den Stoßquerschnitt ausgedrückt:
Bei Abhängigkeit von mehreren Ortsvariablen muß
λ = 1/nσ,
wobei man im vollionisierten Plasma den Coulombquerschnitt (Gl. E.7) einsetzt, im Gasen
dungsplasma ist meist der Stoßquerschnitt für Stöße mit dem Hintergrundgas maßgeblich.
Um den Wärmeleitungskoeffizienten zu berechnen, setzt man g = 3/2 nkT, damit wird Gl.
E.10:
∂kT
Φ W = − 1 vλn 3
3
2 ∂x
mit
κ = 1 vλn
2
für ein vollionisiertes Plasma ergibt sich mit Gl. E.7 κ ∼v 5 ∼ T 5/2 unabhängig von n.
e) Diffusion
Die Plasmaparameter in einer Entladung werden primär durch das Gleichgewicht von T
chen- (und damit Energie-)verlusten und -nachlieferungen bestimmt. Die Teilchenverluste
folgen meist durch Diffusion. Daher ist Diffusion eines der zentralen Themen
Plasmaphysik.
123
Die Diffusionsformel aus dem letzten Abschnitt beschreibt das Verhalten neutraler Teilch
Im Plasma kommt durch die unterschiedliche Beweglichkeit der Ladungsträger mit entgeg
gesetztem Ladungsvorzeichen eine Kopplung der Teilchen durch elektrische Felder hin
Durch die Anwesenheit von Magnetfeldern ändert sich die Diffusionsgeschwindigkeit we
drastisch. Wir behandeln im folgenden zunächst den einfachsten, allerdings auch in
Plasmaphysik am wenigsten relevanten Fall: ungeladene Teilchen.
α) Eine Teilchensorte ohne Ladung
In der allgemeinen Transportgleichung wird g = n gesetzt. Aus Gl. E.10 ergibt sich dann
den Teilchenstrom
Φ D = − 1 λv∇n = −D∇n
3
(E.11) (1. Ficksches Gesetz)
Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung
∂n
+ ∇(nv) = 0
∂t
und Φ D = nv läßt sich hieraus eine Diffusionsgleichung für n alleine herleiten:
∂n
= D∇ 2 n
∂t
(E.12) (2. Ficksches Gesetz)
Diese Diffusionsgleichung haben wir bei der Magnetfelddiffusion (Kap. C.3) kennengele
Das Skalierungsgesetz der Lösungen wird wie dort
l2 = Dt
Die Diffusionskonstante erhält man aus Gl. E.11
D = 1/3 λv
Ersetzt man λ = νv und 1 m a v 2 = kT wird hieraus:
2
(E.13)
124
D = 2 mkT
3 a ν ca
Mit der Definition der Beweglichkeit
qa
µa = ν m
erhält man
D = 2 qkT
3 a µa
(E.14)
D
und die Einsteinsche Beziehung µ a = kT
qa
a
β) Die Ambipolare Diffusion
Im Niedertemperaturplasma ist die Stoßfrequenz νca im wesentlichen durch das Hintergru
gas bestimmt und damit konstant. Im vollionisierten Plasma ist
νei ~ me-1/2
µ e = ν em ∼ 11/2
ce e
m
In jedem Fall haben die Elektronen die größere Beweglichkeit und verlassen das Plasma
erst. Es baut sich ein elektrisches Feld auf, das die Elektronen zurückhält und die Ionen
schleunigt. Im stationären Zustand verlassen gleich viele positive und negative Teilchen
Zeit das Plasma. Die Diffusionsgeschwindigkeit ist dann im wesentlichen durch die schwere
Ionen bestimmt. Dieser Mechanismus heißt ambipolare Diffusion.
Um den effektiven Diffusionskoeffizienten zu berechnen, gehen wir davon aus, daß der T
chenstrom einer Sorte sowohl vom elektrischen Feld wie durch den Dichtegradient anget
ben wird. Da nach Definition der Beweglichkeit v a = ε a µ a E , ist der Anteil des durch
elektrische Feld angetriebenen Teilchenstroms
nv a = nε a µ a E
d.h. insgesamt
Φ i = µ i nE − D i ∇n
Φ e = −µ e nE − D e ∇n
125
mit Φi = Φe kann man E eliminieren
E=
D i − D e ∇n
µi + µe n
In die Gleichung für Φi eingesetzt, ergibt sich
Φ i = µi
mit
DA =
Di − De
∇n − D i ∇n = −D A ∇n
µi + µe
µiDe + µeDi
µi + µe
µi
D
D
für µe >> µi wird hieraus D A = µ D e + D i und wegen µ e = µ i
e
e
i
DA = 2Di
DA ist der Koeffizient für ambipolare Diffusion. Er ist etwa doppelt so groß wie der einfa
Diffusionskoeffizient für Ionen.
γ) Diffusion von Elektronen im homogenen Magnetfeld
Einteilchenbetrachtung
Im homogenen Magnetfeld vollführen die Elektronen eine Gyrationsbewegung. Durch ei
Stoß springt das Gyrationszentrum an einen Ort, der im Mittel vom ursprünglichen Ort
Entfernung des Gyrationsradius hat.
s = r ce =
vm e
eB
Abb. E.10: Bei einem Stoß wird das Gyrationszentrum
versetzt.
Bei vielen Stößen vollführt das Gyrationszentrum einen ‘random walk’ mit der Schrittweit
Bei 2 Schritten ist der zurückgelegte Weg nach dem Kosinussatz
126
s 2 = s 2 + s 2 + 2s 2 cos ϕ = 2s 2 (1 + cos ϕ)
Abb. E.11: Zwei Schritte der Schrittweite s bringen den
random walker um l weiter.
im Mittel ⟨l 2 ⟩ = 2s 2 , bei N Schritten l2 = Ns2. Die Anzahl der Schritte N ist durch die Stoß
quenz gegeben N = νcet. Damit erhält man für den zurückgelegten Weg
vm 2
l 2 =  e  ν ce t
eB
Vergleich mit der Diffusionsgleichung in der einfachsten Form zeigt, daß
D=
v 2 m 2e
2kTm
ν = 2 2 e ν ce
2 2 ce
e B
e B
der Diffusionskoeffizient ist.
Flüssigkeitsbetrachtung
Abb. E.12: Im Flüssigkeitsmodell wird der azimutale
Strom durch die Teilchen, die das axiale Feld kreuzen,
angetrieben
Zu praktisch dem gleichen Ergebnis kommt man mit einer Flüssigkeitsbetrachtung. Wir stell
uns ein in zylindrischer Geometrie eingeschlossenes Plasma vor.
Die Gleichung für das Druckgleichgewicht besagt dann
j × B = ∇pin Komponenten: j ⋅ B =
∂
nkT
∂
127
Das Ohmsche Gesetz
j = σv × B in Komponenten: j = −σv⋅B
Wegen der Zylindersymmetrie kann es in azimuthaler Richtung kein elektrisches Feld geben
ist die radiale Geschwindigkeit der Elektronen. Elimination von j führt zu
−σnB 2 = kT
∂
n
∂
∂
nv = Φ = − nkT2 n
σ ∂r
Damit wird der Diffusionskoeffizient D = nkT2
σ
Führt man die Leitfähigkeit σ auf die Stoßfrequenz zurück
2
σ = νnem
ce e
so ergibt sich für D bis auf einen Faktor 2 der obige für die Einteilchenbewegung abgeleit
Wert:
D=
kTm e
2
2
ν ce
Während bei neutralen Teilchen (oder geladenen Teilchen, die sich parallel zum Magnetf
bewegen,) die Diffusion durch Stöße behindert wird, wird sie bei geladenen Teilchen im M
gnetfeld senkrecht zur Magnetfeldrichtung gefördert. Das Bild des „random walk“ läßt erk
nen, daß die Diffusion mit der Schrittweite wächst. Senkrecht zum Magnetfeld diffundieren
schwereren Teilchen wegen ihres größeren Gyrationsradius daher schneller als die leichten.
Tokamak ist die Schrittweite durch die charakteristische Dicke einer Bananenbahn gegeb
Man spricht dann von neoklassischer Diffusion (Pfirsch-Schlüter-Bereich)
δ) Bohmdiffusion
Nach der klassischen Theorie würde man eine Diffusion von ~ 1/B2 erwarten. Es gibt exp
mentelle Beobachtungen, daß häufig statt dessen D wie 1/B skaliert. Eine solche Skalieru
128
hätte katastrophale Folgen für die Fusionsforschung, da eine Erhöhung des Magnetfeldes ni
den erwarteten Fortschritt im Einschluß bringt: Erste Beobachtungen stammen von Boh
Massey und Burhop am Lichtbogen. Sie leiteten aus ihren Messungen für D ab:
D ⊥ = 1 kT
16 eB
Diffusion mit dieser Diffusionskonstanten ist die sogenannte Bohmdiffusion. Man kommt zu
einer Formel vom Typ der Bohmdiffusion, wenn durch Feldfluktuationen eine E×B Drift erfolgt. Der Teilchenfluß ist dann
Φ⊥ = n E
B
Die typische Feldstärke E ∼
eϕ kT
∼
R
R
Φ ⊥ ∼ n kT ≈ ∇n kT
R eB
eB
In den heutigen Großexperimenten werden Einschlußzeiten beobachtet, die bis zu 100 Boh
zeiten betragen.
5. Diagnostik durch Stoßprozesse
a) Einleitung
Bei Gasen nutzt man die Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit und der Viskosität bei ge
gend kleinen Drucken aus, um den Gasdruck zu messen. Im vollionisierten Plasma ist κ und
proportional T5/2 und σ ~ T3/2. Es liegt also nahe, auch Plasmadaten über Transporteigensch
ten zu messen. Dem steht entgegen, daß die Stoßfrequenzen sehr empfindlich von Fluktua
nen abhängen, deren Größe man schwer abschätzen kann. Sehr gute Ergebnisse erhält m
über Stöße mit strahlenden Atomen, die zu einer Verbreiterung der Spektrallinien führen.
Dichtemessung aus der Breite von Spektrallinien ist eine der Standard Diagnostiken.
b) Strom- Spannungscharakteristik
Man könnte vermuten, daß sich die Leitfähigkeit σ über die Messung einer Strom Spannungscharakteristik des Plasmas bestimmen ließe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Legt m
nämlich zwischen zwei Elektroden, die in ein Plasma eintauchen, eine Spannung, so fällt die
gesamte Spannung an der Schicht in unmittelbarer Umgebung der Elektroden ab, während d
größte Teil des Plasmakörpers feldfrei bleibt. Die Schicht hat eine typische Dicke der Debye
länge λD. Da in vielen Plasmen die freie Weglänge größer als die Debyelänge ist, spielen Stö
129
für den Vorgang praktisch keine Rolle und man kann aus solchen Messungen daher keine A
sagen über Stoßzeiten erwarten.
Die Strecke Plasma - Elektrode wirkt statt dessen wie ein Gegenfeld-Spektrometer, das es e
laubt, Verteilungsfunktionen zu messen. Hierfür werden Messungen der Strom-Spannungsc
rakteristik verwendet. Die entsprechende Anordnung heißt Langmuirsonde.
Abb. E.13: Langmuirsonde in einer Entladungsröhre
Die übliche Anordnung besteht aus einer Sonde in Form einer feinen Drahtspitze, die ins P
ma eingeführt wird. Die andere Elektrode ist entweder eine Elektrode der plasmaerzeugend
Entladung oder das metallische Entladungsgefäß. Die äußere Spannung U setzt sich aus ein
nicht sehr gut vorhersagbaren Teil VP, dem Plasmapotential in unmittelbarer Umgebung
Sonde und dem Potentialabfall über der Schicht VS zusammen: U = VP + VS
Abb. E.14: Die Sondencharakteristik. I0e, I0i, Elektronen
und Ionen Sättigungsstrom, Vp Plasmapotential, Vfl Floa
ting Potential. Der Lineare Anstieg unterhalb von Vp is
das Elektronen Anlaufgebiet.
Wählt man U so, daß der Gesamtstrom verschwindet (I = 0), so laden wegen ihrer größe
Mobilität die Elektronen die Sonde negativ auf. Im stationären Zustand verlassen gleich v
Elektronen und Ionen das Plasma in Richtung Sonde. Das entstehende Potential heißt
Floating Potential. Das Floating Potential ist das Potential, das ein Metallstückchen annim
das frei in das Plasma gelegt wird. Es behindert den Elektronenfluß zur Sonde. Zwischen S
de und Plasma entsteht ein Gebiet mit positiver Raumladung. Diese Raumladungsschicht
eine Dicke von der Größenordnung der Debyelänge. Wir nehmen an, daß es eine Schichtgr
ze gibt, an der das neutrale Plasma beginnt. Beim Floating Potential verläßt ein Ionenstrom
I 0i = 1 nevth A
4
130
das Plasma (A = Sondenfläche), d.h. alle Ionen, die den Plasmarand verlassen, tragen mit ih
thermischen Geschwindigkeit zu diesem Strom bei. Der Faktor ¼ stammt aus der Integrat
über die Maxwellverteilung. Der Elektronenstrom ist gleich groß und entgegengesetzt. Erni
rigt man U weiter, so behindert man die Elektronen mehr und mehr, bis bei genügend klei
Spannung nur noch die Ionen die Sonde erreichen. Der Strom ist dann der Ionensä
gungsstrom I0i. Entsprechend gibt es bei positiven Spannungen den Elektronensättigungstro
I 0e = − 1 env the A
4
Im Zwischengebiet, dem Elektronenanlaufgebiet, wird von Vfl ausgehend die Gegenspannu
für Elektronen mehr und mehr abgebaut. Bei VP hat die Sonde das gleiche Potential wie
umgebende Plasma. Dann ist VS = 0. Bei weiterer Erhöhung von U kehrt VS das Vorzeic
um, und der Ionenstrom in Richtung Sonde wird behindert. Wenn praktisch keine Ionen m
die Sonde erreichen, fließt der Elektronensättigungsstrom. Der Elektronensättigungsstrom
laubt, bei bekannter Temperatur, ne zu bestimmen. Im Elektronenanlaufgebiet ist der Elekt
nenstrom bei Vorliegen einer Maxwellverteilung
I e = I 0e e eVs /kT
und der Sondenstrom
I = I oi + I 0e e eVs /kT
Man kann also durch Anpassen der Charakteristik an die Meßwerte Te bestimmen. Bei Nic
vorliegen einer Maxwellverteilung kann man die Verteilungsfunktion ermitteln.
6. Das Ionisationsgleichgewicht
a) Die Sahagleichung
α) Boltzmannformel
Die Formel für das Ionisationsgleichgewicht wurde unabhängig voneinander von Mech N
Saha (1920) und Eggert (1919) entdeckt. Saha wandte die Formel erstmals bei der Sterna
lyse an. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich der Saha-Formel zu nähern: über die Boltzmann S
tistik und über die Gibbsfunktion. Wir beschreiten den einfachen Weg über
Boltzmannstatistik.
131
Für nicht entartete Zustände der Energie En, Em ergibt sich nach Boltzmann für das Verhäl
der Besetzungszahlen im thermischen Gleichgewicht
N n e −E n /kT
=
N m e −E m /kT
Bezieht man Nn auf die Gesamtzahl der Teilchen in den verschiedenen Energiezuständen
N=
∞
Σ Nm
m=1
erhält man
−E n /kT
Nn
= ∞e −E /kT
N Σ = e m
Bei g-fach entarteten Zuständen
g n e −E n /kT
g n e −E n /kT
Nn
=
=
,
N Σ g m e −E m /kT
Z(T)
wobei Z(T) die Zustandssumme des Atoms ist (partition function). Zu ihrer Berechnung m
sen alle Zustände des Atoms bekannt sein und eine geeignete Abbruchbedingung für die
endliche Reihe eingeführt werden, da diese im allgemeinen divergiert. Das statistische Gewi
gn ist in den meisten Atomen durch die Anzahl der Drehimpulszustände gegeben
g n = 2J n + 1
bei Wasserstoff durch gn = 2n2.
β) Anwendung der Boltzmannformel auf das Ionisationsgleichgewicht
Abb. E.15: Wie man die Boltzmannformel auf freie Elektronen anwendet
132
Um den Ionisationsgrad zu bestimmen, wendet man die Boltzmannformel auf ein Elektron
das so weit angeregt worden ist, daß es eine positive Energie ½ mv2 relativ zur Ionisierun
grenze hat
dn e g e −E/kT
n0 = g 0 e
ge ist die Anzahl der Zustände des freien Elektrons zwischen E und E + dE. Wir setzen
gleich der Anzahl der Zellen von der Größe h3 im Phasenvolumen dp3 dV.
ge = 2
dp x dp y dp z dV
dp 3 dV
=
2
h3
h3
Der Faktor 2 berücksichtigt die beiden Spinzustände des Elektrons. Da über dp3 dV integr
werden soll, muß E durch p ausgedrückt werden:
E = E i + 1 (p 2x + p 2y + p 2z )
2m
1  2
2
2 
−  E i + 2m
dn e
2
 p x +p y +p z   /kT

=
e
dp x dp y dp z ∆V
n0 g 0 h 3
Zuerst wird über die pi integriert mit der Substitution
x2 =
p 2x
,
2kTm
Berücksichtigt man daß
+∞
2xdx =
2p x dp x
,
2kTm
∫ −∞ e −x dx =
2
dx =
dp x
2kTm
π , wird
ne
3/2 −E i /kT
2
∆V
n 0 = g 0 h 3 (2πmkT) e
Das Volumen V muß so groß gewählt werden, daß es gerade ein Ion enthält. Wählt man
größer, überlappen sich die Bereiche von Elektronen, die von verschiedenen Ionen stamm
und man zählt Zustände mehrfach, um umgekehrten Fall werden bestimmte Zustände ni
mitgezählt.
ni∆V = 1
133
Damit ergibt sich die Gleichgewichtsformel für ein Ion mit einem gi-fach entarte
Grundzustand:
g i (2πmkT) 3/2 −E i /kT
neni
=
2
e
n0
g0
h3
Zählt man alle Zustände des r- und r + 1 fach ionisierten Atoms, so müssen die statistisc
Gewichte durch die Zustandssummen ersetzt werden. Damit ergibt sich die allgemeine Fo
der Sahagleichung:
n e n r+1 2Z r+1 (2πmkT)
nr = Zr
h3
3/2
e −E r /kT
Die Ionisierungsenergie des r-fach ionisierten Atoms Er ist im Plasma gegenüber dem Wert
Einzelatoms erniedrigt.
E r = E r0 − ∆E r
Dies liegt daran, daß ein Einzelatom bei der Ionisierungsenergie einen unendlich großen Ra
us hat. Im Plasma ist der Radius auf den Debyeradius beschränkt. Die Bedingung re = λD
gibt den Wert der Ionisierungsenergie für ein Atom im Plasma. (re ist hier der Radius der El
tronenbahn im Atom, bei dem das Elektron gerade noch als gebunden betrachtet wer
kann.)
b) Gleichgewichtsbegriffe
α) Vollständiges thermisches Gleichgewicht (CTE complete thermodynamic equilibrium)
Eine Temperatur ist zunächst nur für das thermische Gleichgewicht definiert. Im thermisc
Gleichgewicht haben die Teilchen eine Maxwellverteilung, die für alle Teilchensorten du
die gleiche Temperatur gekennzeichnet ist. Die Niveaus der Atome sind nach der Boltzma
formel besetzt, der Ionisierungsgrad wird durch die Sahagleichung beschrieben. Die Strahlu
folgt dem Planckschen Strahlungsgesetz. Das Plasma muß bis zur Wand konstante Tempera
haben. Plasma und Wandtemperatur sind gleich.
134
Im thermischen Gleichgewicht herrscht detailliertes Gleichgewicht, d.h. jeder Prozeß ist
häufig wie sein Umkehrprozeß, z.B. wird die Stoßionisation
e + A → A + + 2e
durch die Dreierstoßrekombination
2e + A + → e + A
aufgewogen, die Photoionisation durch die Photorekombination
←
hν → A + e
Wenn dies nicht immer der Fall wäre, so daß z.B. ein Atom im thermischen Gleichgewi
hauptsächlich durch Stöße ionisiert wird und durch Photoprozesse rekombiniert, könnte m
sich ein System denken, bei dem die Querschnitte für Ionisation oder Photorekombination
abhängig voneinander verändert werden können. Stellen wir uns vor, der Photorekombin
onsquerschnitt würde reduziert. Dann hätte man mehr Ionisation als Rekombination und m
würde Energie in die Ionisation pumpen, was nach dem 2. Hauptsatz nicht möglich ist, w
man vom Gleichgewicht ausgeht.
Im realen Plasma liegt eher in seltenen Ausnahmefällen das Plancksche Strahlungsgesetz v
Unterschiedliche Teilchensorten haben häufig unterschiedliche Temperatur, das Plasma ist
homogen und häufig beobachtet man Abweichungen von der Boltzmannformel oder der
hagleichung. Es werden daher Gleichgewichtsbegriffe eingeführt, die den Grad der Abw
chung vom thermischen Gleichgewicht charakterisieren.
β) Lokales thermisches Gleichgewicht (LTE)
Lokales thermisches Gleichgewicht liegt vor, wenn die Besetzung der Energieniveaus nach
Boltzmannformel erfolgt, der Ionisierungsgrad durch die Sahagleichung, aber das Strahlun
feld nicht durch die Planckformel beschrieben wird und das Plasma nicht homogen ist. Di
Bedingungen können vorliegen, wenn die Übergangsraten durch Strahlung sehr viel selte
sind als die durch Stöße. Innerhalb der Stoßprozesse gilt dann das detaillierte Gleichgewi
wie im thermischen Gleichgewicht. Die Stoßprozesse sorgen daher für Besetzungszahlen u
135
einen Ionisationsgrad wie im thermischen Gleichgewicht. Wegen der Inhomogenität des P
mas muß man voraussetzen, daß die Äquipartitionszeiten sehr viel kürzer sind als typische D
fusionszeiten, damit sich bei der Diffusion der Teilchen genügend rasch die lokale Tempera
einstellt.
γ) Partielles lokales thermisches Gleichgewicht (PLTE)
Die Bedingungen sind wie im LTE, aber die Boltzmannformel gilt nicht für alle Niveaus.
für die höheren Niveaus die Stoßquerschnitte größer sind als für die tiefer gelegenen, werd
die höheren nach wie vor durch Stöße bestimmt, und hier gilt die Boltzmannformel. U.U. k
man eine Hauptquantenzahl n = nc angeben, ab der mit Boltzmannverteilung zu rechnen
Bei den niedrigeren Niveaus hingegen sind Strahlungsübergänge nicht zu vernachlässigen.
Sahaformel wird als gültig vorausgesetzt.
δ) Coronagleichgewicht
Bei kleiner werdender Teilchendichte wird zunächst das Gleichgewicht zwischen Elektron
stoß, Ionisation und Dreierstoßrekombination gestört, da bei der Dreierstoßrekombination d
Teilchen zusammentreffen müssen, was bei kleineren Dichten schneller unwahrscheinlich w
Im Extremfall geschieht die Ionisation durch Elektronenstoß, die Rekombination durch Pho
nenprozesse. Dieser Zustand ist typisch für die Sonnencorona und wird deshalb Coronaglei
gewicht genannt. Für eine bestimmte Teilchensorte läßt sich der Ionisationsgrad hinschreibe
ni
n 0 = S(T)
S(T) ist von der Teilchenart abhängig. Für alle Situationen, die nicht den Extremfällen v
LTE und Coronagleichgewicht angehören, wendet man Stoß-Strahlungsmodelle an, d.h. m
schreibt für vorgegebene Elektronentemperatur alle Ratengleichungen für Strahlungs- u
Stoßübergänge hin. Dafür müssen die Querschnitte σik(Te) bekannt sein. Man löst nach
Unbekannten auf.
c) Anwendungen
Die Bestimmung von ne und Te aus der Absolutmessung der Linienintensität bei Vorliegen v
LTE.
136
Man mißt die gesamte Leistung, die innerhalb einer Spektrallinie von allen Atomen in ein
Volumen nach allen Seiten ausgestrahlt wird
I=∫
+∞
−∞
I ν dνdΩ
in Watt. Dies ist möglich, indem man die Intensität mit der eines Strahlers bekannter Intens
wie Kohlebogen oder Hohlraum bekannter Temperatur vergleicht. Bei Vorhandensein v
LTE gelten dann folgende Gleichungen
I = N 1 A 12 hν = n 1 A 12 hνV
n1 ist die Teilchendichte für Teilchen im oberen Niveau, A12 ist die Einsteinsche Übergan
wahrscheinlichkeit und muß bekannt sein. (Wenn alles übrige bekannt ist, kann man
bestimmen.)
Die Boltzmanngleichung
n 1 g 1 −E 1 /kT
n0 = Z0 e
Die Sahaformel
n 2e
n 0 = S(T)
Man benötigt eine weitere Gleichung. In einer Entladung bei Atmosphärendruck ist dies
Zustandsgleichung
p = (n e + n i + n 0 )kT
Da ni = ne, hat man 4 Unbekannte T, ne, n0, n1, die sich aus den 4 Gleichungen ermitt
lassen.
Im allgemeineren Fall, in dem die Erniedrigung der Ionisierungsenergie E mit berücksich
werden muß, löst man in einem ersten Iterationsschritt das Gleichungssystem für ∆E = 0,
mittelt hieraus ne und kann dann in einem zweiten Schritt die Korrektur ∆E(ne) der Ioni
rungsenergie mit berücksichtigen.
137
KAPITEL F
Niedertemperaturplasmen
1. Einleitung
a) Was sind Niedertemperaturplasmen?
Niedertemperaturplasmen haben Temperaturen T < 5eV, typischerweise von der Größenordnung 1eV. In der Mehrzahl der Fälle liegt nur ein geringer Ionisationsgrad vor, d.h. die Bewegung der Teilchen wird durch Stöße mit dem Hintergrundgas bestimmt. Für die Dynamik
spielt eine große Zahl von atomaren Stoßprozessen wie Dissoziation, Ionisation, Anregung
und die entsprechenden Umkehrprozesse eine entscheidende Rolle. Diese Plasmen werden
auch als technische Plasmen oder Gasentladungen bezeichnet, ihre Physik als Gaselektronik.
Grundlegende zusammenfassende Arbeiten findet man im Handbuch der Physik (Hrg. Flügge)
in den Bänden XXI und XXII.
Die Niedertemperaturplasmen sind für die gesamte Plasmaphysik wichtig, da sie naturgemäß
geschichtlich zuerst bekannt und untersucht wurden und sich daher viele Begriffe an ihnen gebildet haben. Die ersten Beobachtungen über eine endliche Leitfähigkeit der Luft wurden im
Zusammenhang mit den elektrostatischen Versuchen, die im 17. und 18. Jahrhundert in Mode
waren, berichtet. Der erste kontinuierliche Lichtbogen wurde 1808 von Ritter betrieben. In der
Folgezeit entwickelten sich zahllose Anwendungen. Der Lichtbogen wurde als lichtstarke
Quelle für Beleuchtung entdeckt. Das Ende dieser Entwicklung ist vielleicht der Beck-Bogen,
der mit Stromstärken bis 1500 A und Lichtleistungen bis 2 · 105 cd/cm2 für die Flugabwehr
eingesetzt wurde. Lichttechnik ist ein klassischer Bereich der Gasentladungsphysik. Mit ihrer
Hilfe wurden Neonröhren, Quecksilberdampflampen, Hochdrucklampen entwickelt. Heute
kommen Entladungen in Lasern hinzu.
In der chemischen Industrie werden Gasentladungen im großen Umfang zur Realisierung chemischer Prozesse eingesetzt, z.B. Lichtbögen in der Azethylenherstellung oder der Entsorgung
von chemischem Müll. Auch in der Fusionsforschung spielen Niedertemperaturplasmen eine
Rolle, z.B. bei der Beschreibung der Anfangsphase (Zündung des Plasmas), bei Entladungen,
zur Reinigung der Wand und in der Plasma-Wand-Schicht. Ein Beispiel sind die unipolaren
Bögen (Abschnitt 4f).
138
In neuerer Zeit gewinnt die Niedertemperaturplasmaphysik einen ungeahnten Aufschwung
durch neuartige Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung wie Ätzen, Beschichten, Härten
mit Hilfe von Plasmen.
b) Klassifikation
Man klassifiziert Entladungen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. In thermischen Entladungen zeigen die Plasmen lokales thermisches Gleichgewicht oder partielles lokales thermisches Gleichgewicht. Zu ihnen gehört der Lichtbogen, bei p ≥ 1bar und das Plasma von speziellen Hochfrequenzentladungen (z.B. der Helikonentladung). Nichtthermische Plasmen haben
meist eine deutlich höhere Elektronentemperatur als Temperatur der schweren Teilchen. Außerdem kann die Verteilungsfunktion nichtmaxwellsche Anteile enthalten. Typische Vertreter
sind Glimmentladungen und Lichtbögen bei kleinem Druck.
Entladungen können stationär oder nichtstationär brennen. Bei Wechselstromentladungen und
manchen Funken entsteht die Nichtstationarität durch das Zeitverhalten der Spannungsquelle.
Wechselstromentladungen sehr hoher Frequenz, die man Hochfrequenz-, Radiofrequenz- oder
Mikrowellenentladungen nennt (HF, RF, MW), werden als stationär betrachtet. Andere Entladungen sind vom Mechanismus her instationär. Ein Beispiel ist der Kathodenfleck des
Vakuumbogens.
Ein wichtiges Unterscheidungskriterium für Gasentladungen besteht in dem Mechanismus, der
für die Nachlieferung der Ladungsträgers sorgt, die laufend der Entladung verloren gehen. Ladungsträger können durch eine äußere Energiequelle erzeugt werden, z.B. durch Bestrahlung
wie in Zählrohren und Ionisationskammern oder durch die Entladung selbst. Im ersten Fall
spricht man von unselbständiger Entladung, im zweiten von selbständiger Entladung. Bei der
selbständigen Entladung kann Elektronenauslösung durch Teilchenbeschuß der Elektrode wie
bei der selbständigen Townsendentladung oder zusätzlich durch Photonen wie bei der Glimmentladung oder Thermoemission wie beim Lichtbogen der wesentliche Mechanismus sein.
Unsere Haupteinteilung der verschiedenen Entladungen erfolgt nach dem Verlauf der Strom Spannungscharakteristik. Wir stellen uns dazu eine stationäre Gleichstromentladung in einem
Glasrohr von etwa 2 cm Durchmesser und 50 cm Länge vor. Das Gefäß soll mit einigen mb
Argon gefüllt sein.
Abb. F.1: Aufbau für eine Entladung. Die im nächsten
Bild gezeigte Charakteristik könnte mit einer derartigen
139
In unserem Gedankenexperiment erlaubt es die Energieversorgung, einen bestimmten Strom
im Bereich von 10-20 - 104 A einzustellen. Die sich dann in Abhängigkeit vom Strom einstellende Spannung ist in Abb. F.2 skizziert. Es zeichnen sich deutlich drei Plateaus ab, die die drei
Hauptentladungstypen kennzeichnen: die Townsendentladung, die Glimmentladung und die
Bogenentladung. Die Übergangsgebiete zwischen den Plateaus werden als Sonderformen diesen drei Haupttypen zugeschlagen, die wir im folgenden behandeln.
Abb. F.2: Einteilung der verschiedenen Entladungen nach ihrer Charakteristik
2. Die Townsendentladung
a) Einleitung
Die Townsendentladung ist eine Dunkelentladung, im Strombereich unter 10-4 A. Bei kleinen
Strömen (I ≤ 10-8 A) ist sie unselbständig, d.h. man muß Ladungsträger z.B. durch Bestrahlung der Kathode erzeugen. Im höheren Druckbereich ist sie selbständig. Ladungsträger werden im Volumen durch Stoß von Elektronen (α- Prozeß) oder Ionen (β-Prozeß) mit Neutralteilchen erzeugt, oder durch Stoß von Ionen mit der Kathode (γ-Prozeß). Die Townsendentladung bestimmt das Verhalten von Ionisationskammern und ähnlichen Detektoren für
Strahlung und das Verhalten der meisten Entladungen in der Anfangsphase. Die Bedeutung für
die Gasentladungsphysik liegt darin, daß man mit ihrer Hilfe das Ionisierungsvermögen, d.h.
die Townsendkoeffizienten α, β, γ bestimmen kann.
b) Die Charakteristik
Die Townsendentladung unterscheidet sich von der Glimmentladung dadurch, daß bei ihr
Raumladungen keine Rolle spielen, d.h. das Potential steigt linear mit der axialen Koordinate
(x): ϕ(x) = Ex.
140
Wir setzen voraus, die Elektronenemission der Kathode sei von außen, etwa durch Bestrahlung, vorgegeben
j em = eγ p S
(S sei der Strahlungsstrom des eingestrahlten Lichtes)
Ein Teil der freigesetzten Elektronen diffundiert zurück zur Kathode
j diff = − 1 nev th
4
Der Faktor ¼ stammt von Integration über die Winkelkoordinaten
d.h.
j = j em + j diff = eγ p S − 1 nev th
4
n läßt sich über die Beweglichkeit eliminieren
j = env D = enµE
j
j = eγ p S − 1 v th
4 µE
j=
eγ p SE
v
E + 4µth
für E << vth /4µ, d.h. vth /4 >> vD wird j ~ E für E >> vth /4 wird j konstant. Dies ist der Sättigungsbereich. In ihm ist die Stromstärke proportional zur Lichtintensität. Oberhalb des Sättigungsbereiches geht die Entladung in eine selbständige Entladung über. Der Strom muß durch
den äußeren Kreis vorgegeben werden.
Abb. F.3: Charakteristik der Townsend Entladung
c) Die Ladungsträgerbilanz
141
Bei der selbständigen Entladung müssen die der Entladung verlorengehenden Elektronen
durch die Entladung nachgeliefert werden. Wenn man von den Verlusten durch radiale Abwanderung von Ladungsträgern absieht, muß jedes Elektron, daß an der Kathode austritt, dafür sorgen, daß während der Zeit, in der es zur Anode wandert, genau ein Elektron an der Kathode ausgelöst wird. Primär erzeugt jedes Elektron auf der Strecke dx αdx Elektronen-Ionen
Paare durch Stoß mit neutralen Atomen (α-Prozeß). Jedes Ion erzeugt β Elektronen - Ionen
Paare, wobei β oft gegenüber α vernachlässigt werden kann. An der Kathode werden dann im
wesentlichen durch Ionenstoß pro Ion γi Elektronen ausgelöst.
dne = neαdx
dni = niβdx
(F.1)
dne/ = niγι
α, β, γ heißen die Townsendkoeffizienten, α, β das differentielle Ionisierungsvermögen von
Elektronen und Ionen.
Jedes Elektron, das an der Kathode startet, führt nach Gl. (F1) - wenn man nur den α-Prozeß
berücksichtigt - zu eαd Elektronen an der Anode (d: Abstand Kathode - Anode). Da an der
Anode nur Elektronen eintreten, ist dies mal e0 die Stromstärke der Entladung.
i = e αd
i0
Über Messung der Stromstärke in Abhängigkeit von der Länge der Entladungsstrecke läßt
sich also α bestimmen. Die Stromstärke ist nach den Kirchhoffschen Gesetzen über die ganze
Entladungsstrecke gleich groß, d.h. an der Anode tragen die Elektronen den ganzen Strom, an
der Kathode Elektronen und Ionen.
Die Anzahl der auf der Strecke d erzeugten Elektronen - Ionen Paare ist ed - 1. (Das erste
Elektron wird nicht mitgezählt). Diese lösen γ i (e αd − 1) Sekundärelektronen an der Kathode
aus. Im Gleichgewicht muß also gelten:
γ i (e αd − 1) = 1
Primäreffekte nennt man die Ladungsträgererzeugung durch die Elektronen auf ihrem Weg
durch die Entladung. Auslösung durch andere Teilchen sind Sekundäreffekte. Dazu gehören:
142
Auslösung von Elektronen durch
metastabile Atome (γm ) , Photonen (γp ), Neutrale (γn ),
Desorption, d.h. Ablösung von Oberflächenbelegungen,
Chemische Erosion,
Zerstäubung (sputtering),
Rückstreuung.
Teilchen können auch in das Kristallgitter einer Wand eingefügt werden.
d) Das U3/2 - Gesetz
Bei Stromstärken im Bereich von 1 mA ändert sich die Entladungsform, was sich in einem Abknicken der Charakteristik bemerkbar macht. Im Unterschied zur Townsendentladung spielen
jetzt Raumladungen eine Rolle. Um das Entstehen der Raumladung zu illustrieren, wird im folgenden der einfachste Fall berechnet: die stoßfreie Bewegung von Elektronen in ihrem selbstkonsistenten Feld.
∂ϕ
= 0 . Diese Bedin∂x
gungen dienen nur der Vereinfachung und können auch fallengelassen werden. Die PoissonWir nehmen an, die Teilchen starten bei x = 0 mit v = 0 und bei x = 0 sei
Gleichung, die Definition von j und der Energiesatz ergeben
∇ 2 ϕ = − ne
ε ,
0
j = −nev,
− eϕ + 1 mv 2 = 0
2
Man eliminiert n mit der zweiten Gleichung v mit dem Energiesatz
d2ϕ
j
j
= vε =
= jϕ −1/2 ⋅ C
2
0
dx
ε 0 2eϕ/m
Durch Multiplikation mit
dϕ
dx
erhält man
dϕ d 2 ϕ
dϕ
= Cjϕ −1/2
2
dx
dx
2
2
dϕ
1
 dϕ  = 2 dϕ d ϕ
d
Man beachte, daß d
und ϕ 1/2 = ϕ −1/2
2
dx
2
dx
dx dx
dx  dx 
Damit wird (F.2):
(F.2)
143
2
d 1  dϕ  = 2Cj d ϕ 1/2
dx 2  dx 
dx
Man kann sofort einmal integrieren. Mit der Vereinfachung
 dϕ 
 dx 
=
= 0 erhält man
2
 dϕ 
= 4Cjϕ 1/2 + C
 dx 
dϕ
mit der Voraussetzung  
 dx 
= 0 wird C = 0 .
=
dϕ
= ± 4Cj ϕ 1/4
dx
U dϕ
∫ 0 ϕ 1/4 = 4Cj d
4 U 3/4 = 4Cj d
3
j ∼ U 3/2
Abb. F.4: Charakteristik einer Elektronenröhre
Eine Charakteristik mit I ~ U3/2 ist typisch für Elektronenröhren bei kleineren Stromstärken.
3. Die Glimmentladung
a) Phänomenologie
Die Entladungsform mit Stromstärken im Bereich von mA, in dem die Spannung unabhängig
von der Stromstärke ist (s. Abb. F.2) nennt man Glimmentladung. Die angrenzenden Bereiche
mit kleinerer Stromstärke und fallender Charakteristik nennt man subnormale Glimmentladung
mit größeren Stromstärken und steigender Charakteristik die anomale Glimmentladung.
Die Entladungsstrecke der Glimmentladung gliedert sich in mehrere dunkle und leuchtende
Zonen (Abb. F.5), mit einem typischen Verhalten der Feldstärke und damit der Raumladung
b) Mechanismus
144
Abb. F.5: Die verschiedenen Zonen in einer
Glimmentladung: (1): Astonscher Dunkelraum,
(2): Kathodisches Glimmlicht, (3): Hittorfscher
D.R., (4): Glimmsaum, (5): Faradayscher D.R.,
(6): positive Säule, (7): anodischer D.R., (8):
Abb. F.6: Potential-, Feldstärke-, Teilchendichte-,
Stromdichteverteilungen in der Glimmentladung
Um die Entstehung der Dunkelräume zu verstehen, betrachten wir die Abhängigkeit des Wirkungsquerschnittes für Elektronenstoßanregung in Abhängigkeit von der Energie Abb. F.7
Oberhalb einer Energie Wan steigt der Querschnitt steil an und nimmt nach einem Maximum bei
Wmax wieder ab. Ähnlich ist der Verlauf des Ionisationsquerschnittes, meistens etwas flacher
zu höheren Energien abfallend. Ein Dunkelraum liegt vor, wenn die Elektronenenergie Wel <
Wmax oder Wel > Wmax ist.
Abb. F.7: Abhängigkeit der Wirkungsquerschnitte für
Ionisation (Wion ) und Anregung (Wan ) von der Energie
des stoßenden Elektrons
Die Elektronen werden an der Kathode durch Sekundärionenemission oder Photoemission
ausgelöst. Sie werden in dem der Kathode vorgelagerten Raumladungsfeld sehr stark beschleunigt. Im Astonschen Dunkelraum (1) reicht ihre Energie noch nicht zur Anregung aus
(Wel < Wan). An der Stelle, an der Wan erreicht wird, beginnt das kathodische Glimmlicht (2).
145
Es kann vorkommen, daß sich der Dunkelraum und das kathodische Glimmlicht schwächer
werdend wiederholen. Diese Wiederholung wird von Elektronen hervorgerufen, die bei der ersten Anregung ihre Energie verloren haben. Wenn die Elektronen das Optimum der Anregung
verlassen, weil sie zu schnell werden, nimmt das Leuchten wieder ab, und es folgt der kathodische oder Hittorfsche Dunkelraum. In ihm hat man aber günstige Verhältnisse für Ionisierung.
Es werden Elektronen-Ionen Paare erzeugt. Die Ionen wandern aufgrund ihrer kleineren Beweglichkeit langsam zur Kathode hin ab und bilden dort eine positive Raumladungszone, die
zusammen mit der Elektronendichte für die Feldstärke vor der Kathode und damit für die Beschleunigung der Elektronen sorgt. Die Elektronendichte nimmt zum Ende des Hittorfschen
Dunkelraums zu, die Feldstärken ab, so daß die Elektronen durch Stöße allmählich langsamer
werden. Wenn Wel ≈ Wmax erreicht wird, entsteht der Glimmsaum (4). Im Glimmsaum leuchtet
die Entladung am hellsten und hier liegt die höchste Elektronentemperatur vor. Daß die Elektronen im Glimmsaum abgebremst werden, erkennt man daran, daß die Linien, die höheren
Anregungsenergien entsprechen, näher an der Kathode liegen als die mit niedrigeren Anregungsenergien. Am Ende des nächsten Dunkelraums, des Faraday-Dunkelraums ist es umgekehrt, d.h. die Elektronen werden erneut beschleunigt. Allerdings gewinnen sie jetzt aufgrund
der vielen Stöße Energie der statistischen Bewegung. Im Faradayschen Dunkelraum (5) ist also wieder Wel < Wan.
Am Ende des Faradayschen Dunkelraums beginnt die positive Säule (6), die sich durch konstante Feldstärke, Leuchtdichte und Temperatur auszeichnet. Die positive Säule kann periodisch gestreift sein. Die Streifen wandern häufig schnell. Die Elektronendichte ist gleich der
Ionendichte, so daß hier typische Plasmaeigenschaften zu erwarten sind. Direkt vor der Anode
sammeln sich die Elektronen und ihre Raumladungsschicht verursacht den Anodenfall mit dem
anodischen Dunkelraum (7), der häufig durch das anodische Glimmlicht begrenzt wird.
Die Glimmentladung hat eine konstante Spannung bei sich ändernder Stromstärke. Bei Erhöhung der Stromstärke erhöht sich die Fläche des Ansatzpunktes auf der Elektrode, die Stromdichte bleibt konstant. Dies liegt daran, daß die Stromdichte für die Elektronenreproduktion
maßgeblich ist. Sie pendelt sich so ein, daß die Elektronenproduktion optimal ist. Wenn dann
der Strom erhöht wird, erhöht sie sich in den Außenbezirken, wo j bisher unter dem für die
Entladung optimalen Wert lag. Dadurch kommt j in dieser Zone in den optimalen Bereich. Die
Außenzonen übernehmen also den zusätzlich benötigten Strom und die übrigen Gebiete brauchen den optimalen Bereich nicht zu verlassen.
c) Teilchenbilanzen
146
Wie in der Townsendentladung muß jedes an der Kathode startende Elektron für einen Nachfolger sorgen. Wie in der Townsendentladung geschieht dies über die Ionen, die auf die Kathode prallen. Im Gegensatz zur Townsendentladung spielt aber außerdem der äußere Photoeffekt eine dominierende Rolle. Die Ionisation in der positiven Säule kompensiert die radialen Teilchenverluste durch ambipolare Diffusion. Die Ionisation im Anodenfall kompensiert die
Abwanderung der Ionen zur Kathode. Die Glimmentladung wurde theoretisch von Schottky
beschrieben.
d) Änderung der Parameter
Bei Verringerung des Druckes wächst die Ausdehnung des Hittorfschen Dunkelraums d.
Wenn die Grenze des Glimmsaumes die Anode erreicht, erlischt die Entladung oder läßt sich
nur mit sehr stark erhöhter Spannung weiter betreiben. Dieser Zustand der Entladung ist die
behinderte Entladung. Umgekehrt wird d bei Druckerhöhung kleiner. Bei Drucken über 100
mbar kontrahiert die Säule.
Bei Verlängerung oder Verkürzung der Entladungsstrecke ändert sich nur die positive Säule
entsprechend. Auch hier kann die Entladung bestehen, solange der Hittorfsche Dunkelraum
vollständig vorhanden ist. Bei Verlängerung der Säule benötigt man eine geringfügig höhere
Spannung. Im übrigen ist der Verlängerung keine Grenze gesetzt.
e) Ähnlichkeitsgesetze
Die Beobachtung, daß p•d etwa konstant ist, läßt vermuten, daß es für den Vergleich von unterschiedlichen Anordnungen günstig ist, p•d als Variable einzuführen. Die Begründung hierfür
und für weitere reduzierte Variable liefern Ähnlichkeitsbetrachtungen.
Zwei Anordnungen sind geometrisch ähnlich, wenn alle Längen der einen durch Multiplikation
der Längen der entsprechenden anderen Anordnung mit einem mit einem konstanten Faktor
hervorgehen L2 = aL1
Abb. F.8: Zwei geometrisch ähnliche Entladungen
Neben der Ähnlichkeit der Ausmaße der Apparatur wird man die Ähnlichkeit der für die Entladung relevanten Längen fordern. Dies sind bei Gasentladungen die freie Weglänge λ2 = aλ in
der Hochtemperaturplasmaphysik die Debyelänge und der Gyrationsradius.
147
Die Transformation der übrigen Plasmaparameter ergibt sich daraus mehr oder weniger
zwangsläufig oder aus der Gültigkeit gewisser Gesetzmäßigkeiten, die für diese Entladung relevant sind. U.U. kann man Parameter auch konstant lassen. In Gasentladungen wird meistens
die Spannung, die Temperatur und der Strom konstant gelassen. Die Konstanz der Spannung
ergibt sich aus der Konstanz der Ionisierungspotentiale, da man an den Atomdaten wenig verändern kann. Mit den Energien ist zweckmäßigerweise auch die Temperatur konstant. Die
Konstanz des Stroms ergibt sich dann für Gasentladungen aus der Transformation der freien
Weglänge λ ∼ d ergibt λ = 1/nσ
n∼1
d
und über p ~ nT p ∼ 1
d
d.h
p • d = const
wie aus den Beobachtungen abgeleitet. Da V = const und V/d = E folgt E ~ 1/d und E ~ p
E = const
p
Da j ~ I/d2 ~ Ip2 , ist
j
= const
p2
p• d, E/p und j/p2 sind daher häufig benutzte Parameter in Gasentladungen.
Ein Beispiel zeigt Abb. F.9 in der die Zündspannung eines Gases in Abhängigkeit vom Druck
dargestellt ist.
Man erkennt, daß es für die Zündspannung ein Optimum in der Teilchendichte gibt. Für kleinere Dichten als das Optimum sind Stöße zu selten, für größere Dichten erreichen die Teilchen
nicht genügend Energie, um ionisieren zu können.
148
Abb. F.9: Die Darstellung der Zündspannung in Abhängigkeit vom Druck in Parametern, die unabhängig von individuellen Eigenschaften der Entladung sind.
Spielt das Magnetfeld für den Mechanismus eine Rolle, wird man fordern, daß der Gyrationsradius rc ~ d ist, d.h. da rc ~ 1/B, B• d = const.
Bei einer Übertragung der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem Erdmagnetfeld auf Labormaßstab müßte d um den Faktor 107 verkleinert werden, d.h. B von ungefähr 10-5 Ta auf
102 - 103 Ta erhöht werden!
Fordert man zusätzlich, daß die Debye-Länge wie d skaliert, so gilt nach der Definition der
Debyelänge
λD ∼
T ∼ d,
n
n ∼ 1,
d
→T∼d
d.h. man kommt in einen Widerspruch zu der anfänglichen Forderung T = const. Derartige Widersprüche sind typisch für Ähnlichkeitsbetrachtungen. In solchen Fällen muß man dann überlegen, welcher Forderung man mehr Gewicht beilegen möchte. Gewisse Situationen bleiben
auch nichttransformierbar.
f) Modifizierte Glimmentladungen
α) Behinderte Entladung
Wie bereits besprochen, geht die normale Glimmentladung in die behinderte Entladung über,
wenn der Hittorfsche Dunkelraum die Länge der gesamten Entladungsstrecke erreicht. Die behinderte Entladung benötigt höhere Feldstärken, ist daher besonders geeignet für Situationen,
in denen höhere Feldstärken erwünscht sind, etwa zur Erzeugung des Starkeffektes. Da die
Länge des Hittorfschen Dunkelraums von der Größenordnung der freien Weglänge ist, eignet
sich die behinderte Entladung zur Erzeugung von Teilchenstrahlen. Historisch sind die Eigenschaften von Elektronen und Ionen an solchen Strahlen untersucht worden. Dabei bezeichnen
Kathodenstrahlen Elektronen, Kanalstrahlen Ionen.
β) Entladungen, die durch enge Röhren brennen, werden durch Oberflächeneffekte dominiert.
Die intensive Kühlung an der Außenfläche bewirkt, daß die Energiedichte im Innern
149
vergrößert werden kann. Dies wird für Spektrallampen ausgenutzt. Typische Vertreter sind
Geißlerrohre.
Abb. F.10: Aufbau und Funktionsprinzip einer Hohlkathodenentladung
γ) Eine für die Spektroskopie wichtige Abwandlung der Glimmentladung ist die Hohlkathodenentladung nach Schueler. Ihr Prinzip wird an Abb. F.10 erläutert. Da bei Kippung der Kathode die Kathodenphänomene mit der Kathode fest verbunden sind, kann man bei einer Anordnung mit 2 Kathoden, die sich gegenüberstehen, erreichen, daß die Glimmsäume der beiden
Kathoden räumlich zusammenfallen. Bei der Hohlkathode ist die Kathode zylinderförmig und
der Glimmsaum liegt in der Achse des Zylinders. Da der Beitrag aller Teilflächen der Kathode
in der Achse zusammenfällt, ist die Stromdichte hier maximal und damit die Leuchterscheinung besonders hell. Die Hohlkathode wird als Spektrallampe für schwer verdampfbare Metalle gebaut, wobei das gewünschte Metall als Kathodenmaterial verwendet wird. Durch Sekundäreffekte werden bei der Hohlkathode nicht nur Elektronen, sondern auch Ionen aus der Kathodenoberfläche ausgelöst.
δ) In der Sprayentladung oder dielektrisch behinderten Entladung ist die Kathode mit einem
Isolationsmaterial überzogen. Sie wird z.B. zur Ozonerzeugung eingesetzt.
4. Der Lichtbogen
a) Charakterisierung
In der allgemeinen Charakteristik (Abb. F.2) schließt sich an den Bereich der anomalen Glimmentladung bei Stromstärken von Ampère oder mehr ein Bereich mit fallender Charakteristik
an. Die benötigte Spannung wird deutlich kleiner als in Glimmentladungen. Der dazugehörige
Entladungstyp ist die Bogenentladung. Das Absinken der Spannung deutet darauf hin, daß
jetzt ein effektiverer Mechanismus der Ladungsträgererzeugung einsetzt. Die auf die Kathode
auftreffenden Ionen deponieren so viel Energie, daß die Kathode bis zum Glühen oder bis zur
lokalen Verflüssigung und Verdampfung aufgeheizt wird und Elektronen thermisch emittiert.
150
Neben der Thermoemission spielt die Feldemission eine wichtige Rolle. Das Hintergrundgas
kann Elektronentemperatur erreichen. Man kann häufig mit lokalem oder partiellem lokalen
Gleichgewicht rechnen. Gasströmungen werden wichtig. Die nach oben gekrümmte Säule des
zwischen zwei waagerechten Elektroden brennenden Lichtbogens entsteht durch eine durch
die Erwärmung des Gases im Bogen angetriebene Konvektionsströmung. Übliche Spannungen
liegen bei 5 - 50 V Ströme bei einigen Ampère. Es werden Lichtbögen mit Strömen bis einigen
kA betrieben.
Abb. F.11: Der Ausdruck "Bogen" stammt von der durch
Konvektion nach oben gebogenen Plasmasäule
b) Bogentypen
Bögen unterscheidet man nach dem Elektrodenmaterial in Kohlebögen und Metallbögen, wobei der Quecksilberbogen eine Sonderstellung einnimmt. Die Bogensäule kann freibrennend
sein oder stabilisiert werden, z.B. wandstabilisiert, wenn der Bogen gezwungen wird, durch einen Kanal zu brennen oder wirbelstabilisiert, wenn die Säule von einem Gas oder Flüssigkeitswirbel umgeben ist. Das Medium, in dem der Bogen brennt, kann ein Fremdgas sein oder der
Dampf aus den Elektroden. Eine Sonderform des Metalldampfbogens ist der Vakuumbogen,
der im Vakuum gezündet wird, aber im Metalldampf brennt. Hierzu gehört auch der unipolare
Bogen (s. Abschn. f). Wie bei der Glimmentladung gibt es Bögen, die wegen einer instationären Energieversorgung, z.B. einer Kondensatorentladung instationär brennen und solche, die
vom Mechanismus her instationär sind, wie z.B. Abreißbogen, bei denen der Bogenansatz auf
den Elektroden bis zum Abreißen des Bogens läuft, um lokale Erosionen zu vermeiden.
c) Spezielle Bögen
α) Der frei brennende Niederstrom Kohlebogen
Dieser Bogen wird noch häufig für Beleuchtung bei Demonstrationen eingesetzt. Er brennt typischerweise bei 10 A, 50 V. Der Kathodenkrater des Kohlebogens ist sehr genau vermessen
und wird als Normalstrahler benutzt. Bei einer Stromstärke von 7 - 8 A strahlt er wie ein
schwarzer Körper der Temperatur T = 3900 K und eines Emissionsgrades 0,8 im sichtbaren
Spektralbereich. Die Säulentemperatur beträgt etwa 6000 K. Die Elektroden werden durch
chemische Prozesse, z.B. die Bildung von CO2 und CN2 chemisch abgetragen.
151
Für große Lichtausbeute werden frei brennende Kohlebögen mit Stromstärken von 1000 2000 A betrieben. Der Bogen mit der größten Lichtausbeute (73 %, bei 2 . 105 cd/cm2) ist der
Beckbogen. Bei ihm sind die Elektroden mit einem Docht aus Oxyden der seltenen Erden, z.B.
Cer, versehen.
β) Wandstabilisierte Kohlebogen
Der Kaskadenbogen nach Maecker brennt durch einen Kanal, von 3 - 10 mm Durchmesser
und 5 - 10 cm Länge, der aus wassergekühlten Kupferplatten gebildet wird. Um Stromtransport neben dem Kanal durch die Kupferplatten zu unterbinden, sind diese gegeneinander
isoliert.
Abb. F.12: Der Kaskadenbogen
Durch die Kühlung der Außenzonen erreicht man dort eine Herabsetzung der elektrischen
Leitfähigkeit, so daß sich der Strom auf die Kanalachse konzentriert. Im Gegensatz zum frei
brennenden Bogen, bei dem eine Stromerhöhung zu einer Aufweitung der Säule führt, ergibt
sich hier eine Temperaturerhöhung. Man erreicht Temperaturen bis 25 000 K, die nur durch
die Kühlmöglichkeit des Kanals begrenzt sind. Typische Stromstärken sind 100 - 500 A. Der
Bogen eignet sich besonders zur Untersuchung von Gasen bei diesen Temperaturen. Das Gas
wird meistens tangential in der Mitte des Kanals eingeblasen und verläßt den Kanal frei strömend bei den Elektroden. Durch das Gas kann eine Wirbelstabilisierung erreicht werden.
Eine effektivere Kühlung und damit höhere Achsentemperaturen erzielt man im Gerdien-Bogen. Hier wird in einem Quarzrohr ein Wasserwirbel erzeugt, mit einem Wirbelkanal in der
Mitte, durch den der Bogen brennt. Medium sind die Dissoziationsprodukte von Wasser. In
einem solchen Bogen wurde bisher die höchste überhaupt in einem Lichtbogen erzeugte Temperatur gemessen (50 000 K).
Der Wälzbogen brennt in einem Rohr, das während des Betriebes um seine Achse gedreht
wird. Mit dieser Methode lassen sich sehr lange zylindrische Bogensäulen von bis 1 m Länge
152
herstellen, die gewisse Bedeutung bei Untersuchungen zur Physik des Bogenmechanismus
hatten.
Abb. F.13: Der Gerdien Bogen
γ) Frei brennende Metallbögen
Abb. F.14: Der Pfundbogen
Der Pfundbogen ist ein frei brennender Eisenbogen, der zwischen senkrecht sehenden Elektroden brennt (Abb. F.14). In einer Vertiefung der Kathode liegt ein Eisenstückchen, das beim
Betrieb des Bogens zu einer Kugel schmilzt und verdampft. Typische Stromstärken sind 6 A,
Spannungen 80 V. Da das Eisenspektrum sehr viele Linien besitzt, die sich gleichmäßig über
den sichtbaren Spektralbereich und die Nachbarbereiche erstrecken, eignet es sich als
Wellenlängenstandard.
Ein für die Anwendung wichtiger Vertreter des frei brennenden Metallbogens ist der Schweißbogen für das Elektroschweißen. Bezüglich der Anode ist es ein Metalldampfbogen, der in
dem Dampf des zu bearbeitenden Metalls brennt, bezüglich der Kathode ein Gasbogen. Man
verwendet ein Edelgas (meist das Billige Argon), um chemische Prozesse mit dem Oxyd der
Luft zu vermeiden.
δ) Eingeschlossene Metallbögen
Eingeschlossene Bögen werden als Lampen eingesetzt. Diese verwenden meist Netzspannung
und können von Watt bis Kilowatt Leistung aufweisen. Häufig wird der Bogen in einem Edelgas zur Vermeidung von Erosion betrieben. Vertreter sind die Höhensonne (Hg-Bogen), Hg
Höchstdrucklampe (30 - 40 bar Hg) und die Xe Hochdrucklampe.
d) Elektrische Stabilisierung
153
Da ein Lichtbogen eine fallende Charakteristik hat, ist er, wie jedes andere Bauelement mit fallender Charakteristik instabil. Daß dem so ist und man durch Vorschaltung eines Widerstandes
Stabilität erzwingen kann, wird im folgenden gezeigt:
Abb. F.15: Ersatzschaltbild zur Betrachtung
der
Stabilität
des
Ar-
beitspunktes. Ohne Streuinduktivität ist
die Diskussion nicht möglich.
Wir gehen vom Ersatzschaltbild Abb. F.15 aus. UQ ist eine ideale Spannungsquelle, R der Innenwiderstand und ein im Kreis zugeschalteter Vorwiderstand. L die Streuinduktivität des
Kreises. Das Strom- Spannungsverhalten des Bogens wird durch die Charakteristik UB(I)
beschrieben.
•
Im Gleichgewichtsfall (I= 0 ) gilt
U Q = IR + U B (I)
U B (I) = U Q − IR
Die Funktion der rechten Seite ist die Arbeitsgerade, die in das U/I Diagramm Abb. F.15 eingetragen ist. Ihr Schnittpunkt mit der Charakteristik UB(I) ergibt den Arbeitspunkt
U0 = Ua - I0R
(F.3)
Um das Zeitverhalten bei einer Störung am Arbeitspunkt zu berechnen, wird die Charakteristik
um U0, I0 linearisiert.
U B (I) = U 0 + U∆I
dU
mitU =  B  und I = I 0 + ∆I
dI I 0
Die Maschengleichung des vollständigen Kreises ergibt dann
154
•
U Q = (I 0 + ∆I)R + L∆ I +U 0 + U∆I
Man erkennt, daß die Einführung einer Induktivität notwendig ist, um überhaupt eine Zeitabhängigkeit der Störung I in die Gleichung zu bekommen. Berücksichtigung von (F.3) vereinfacht zu
•
0 = ∆IR + L∆ I +U 0 + U∆I
•
∆ I = − R + U ∆I
L
−(R+U)/Lt
∆I = ∆I 0 e
Der Kreis ist stabil, wenn eine Störung wieder von selbst verschwindet, also wenn R + U > 0
Der Vorwiderstand muß also so groß sein, daß er den Abfall der Charakteristik überkompensiert. Diese Verhältnisse sind in Abb. F.16 dargestellt.
Abb. F.16: Die Gesamtspannung ergibt sich aus Spannung über dem Bogen und über dem Vorwiderstand
Der Bogen ist stabil, wenn die Gesamtspannung Uges= IR + UB(I) eine steigende Charakteristik
wie ein Ohmscher Widerstand hat. Oder anders ausgedrückt, wenn die Arbeitsgerade stärker
fällt als die Charakteristik (Abb. F.17)
Abb. F.17: Wenn die Arbeitsgerade stärker fällt als
die Charakteristik, brennt der Bogen stabil
155
Abb. F.18: Die Potentialverteilung über die Bogenachse
legt die Unterteilung der Säule in drei Abschnitte nahe
e) Bogentheorie
α) Einleitung
Der Potentialverlauf über die Entladungsstrecke eines Bogens zeigt typischerweise den in Abb.
F.18 gezeigten Verlauf mit einem Kathodenfall, Anodenfall und einem schwächeren Anstieg
in der Säule. Der unterschiedliche Anstieg des Potentials wird durch unterschiedliche Mechanismen verursacht. Es gibt demgemäß eine Theorie des Kathodenfalls, des Anodenfalls und
der Säule. Die Theorie der Säule liefert die besten Vergleiche mit Experimenten. Deshalb wird
im folgenden einiges dazu gesagt. Kernsätze der Theorie sind das Steenbecksche Minimalprinzip und die Elenbaas-Hellerschen Differenzialgleichungen.
β) Steenbecksches Minimalprinzip
Abb. F.19: Beim Steenbeckschen Minimalprinzip wird
angenommen, daß der Strom und die Temperatur am
Rand konstant bleiben.
Das Steenbecksche Minimalprinzip sagt aus, daß ein Lichtbogen bei konstantem Strom und
konstanter Temperatur am Rand, denjenigen Zustand einnehmen wird, bei dem die Spannung
minimal ist. Wenn also nach einer Theorie verschiedene Moden vorhergesagt werden, die sich
in der Spannung unterscheiden, wird die Mode der Realität entsprechen, bei der die Spannung
minimal ist. Dieser Satz ist zunächst als Erfahrungssatz anzusehen. Er hängt aber zusammen
mit einem allgemeineren Satz der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse, der besagt, daß
ein offenes System, d.h. ein System, in dem dauernd Energie zugeführt und gleich viel abgeführt wird, den Zustand einnimmt, bei dem die Entropieerzeugung minimal ist.
Nach der Definition der Entropie ist
TdS = dQ
156
Die Leistung der erzeugten Wärme ist aber durch UI gegeben
dQ
= UI
dt
Damit wird der Entropiestrom Θ S durch die Oberfläche des Bogens bei R
Θ S = UI
TR
wo TR die als konstant angenommene Temperatur der Oberfläche der Bogensäule bei r = R ist.
Man erkennt, daß für I und TR = const aus δU = 0, δΘS = 0 folgt und umgekehrt.
γ) Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung
Die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung beschreibt die Energiebilanz der Säule in radialer Richtung. Die im Zentrum sekündlich erzeugte Energie ist UI. Diese wird im einfachsten
Fall durch Wärmeleitung abgeführt, wobei der Wärmestrom gegeben ist durch die
Wärmeleitungsgleichung
Φ W = −κ dT
dr
d.h.
(κ ist der Wärmeleitungskoeffizient)
IU = −2πrlκ dT
dr
dT
IE = −2πrκ
dr
Wird die Energie nur im Zentrum zugeführt, so ergibt sich aus einem gemessenen Temperaturverlauf sofort κ(T)
Abb. F. 20: Das radiale Temperaturprofil der Bogensäule bei einem Edelgas und einem dissoziierendem Gas
Bei einem Edelgas ist κ(T) monoton, da Dissoziation keine Rolle spielt. T(r) hat dann etwa
den in Abb. 20 skizzierten Verlauf. Da wo T(r) steil ist, ist κ(T) klein, wo T(r) flach ist, groß.
157
Durch Dissoziation erhöht sich κ drastisch. Daher zeigen Schultern im T(r)-Profil eines zweiatomigen Moleküls an, wo die Dissoziation bevorzugt stattfindet.
In einer allgemeineren Form heißt die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung
div[κ(T)gradT] − S(T) + Ej = 0
Man erkennt durch Integration über das gesamte Volumen, daß für S(T) = 0 das frühere Ergebnis reprodziert wird. S(T) bezeichnet die Strahlungsverluste. Im allgemeinsten Fall müssen
auch Verluste durch Strömungen berücksichtigt werden.
Abb. F.21: Das Kanalmodell
Die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung und das Steenbecksche Prinzip finden eine einfache Anwendung im Kanalmodell. Hier nimmt man an, es existiere ein homogener innerer Bezirk, der Kanal mit konstanter Temperatur TK und damit konstanter Leitfähigkeit σ(TK). Sein
Radius ρ wird als freier Parameter gelassen Außerhalb
ist σ = 0 und die gesamte im Kanal
deponierte Leistung wird durch Wärmeleitung abgeführt. Das System wird also durch die
Gleichungen beschrieben
I = πρ 2 j = πρ 2 σ(T K)E
IE = −2πrκ(T) dT
dr
d.h.
ρ
dr = − TK 2πκ(T)dT
∫
∫ R IE r
T
I, κ(T) und σ(T) werden als bekannt vorausgesetzt. Um die unbekannten E, TK und ρ zu berechnen, benötigt man noch eine dritte Gleichung. Hierfür verwendet man das Steenbecksche
Minimalprinzip in der Form
∂E
=0
∂ρ
158
Damit lassen sich die unbekannten ausrechnen.
f. Der unipolare Bogen
Abb. F.22: Der Unipolarbogen ist ein Stromwirbel in der
Nähe einer Wand
α) Was ist der unipolare Bogen?
Die Bezeichnung „unipolarer“ Bogen ist etwas provokativ. Selbstverständlich hat der „unipolare“ Bogen zwei Pole wie jeder elektrische Verbraucher. Es gibt zwar elektrische Entladungen, bei denen nur ein Pol bekannt ist, wie etwa beim Elmsfeuer. Dies ist hier aber nicht gemeint. Beim unipolaren Bogen liegen lediglich Kathode und Anode auf dem gleichen metallischen Wandelement: Aus einem winzigen Kathodenfleck treten Elektronen aus der Wand aus
und kehren in seiner Umgebung auf die Wand zurück. Die Energie stammt aus einem Hintergrundplasma, das im Kontakt mit dem Wandelement steht.
Die Vermutung, daß dieser Prozeß eine ganz normale Erscheinungsform ist, stammt von Robson und Thonemann, die damit Erosionsspuren auf der Wand des Fusionsexperimentes Zeta
erklärten. Robson und Thonemann (1956) gaben einen Mechanismus für Unipolarbögen an
und führten die ersten Simulationsversuche durch. Aus diesen Untersuchungen weiß man, daß
Unipolarbögen zu einer erheblichen Wanderosion in Fusionsmaschinen führen können.
Zur Erklärung der Funktionsweise des Unipolarbogens benötigt man zwei Grundkonzepte der
Plasmaphysik: Die Langmuirschicht und den Vakuumbogen.
β) Was treibt den Unipolarbogen?
Tritt ein metallisches Wandelement, das mit keinem anderen Bauteil elektrisch verbunden ist,
mit einem Plasma in Wechselwirkung, so wird es wegen der größeren Beweglichkeit der Elektronen gegenüber den Ionen negativ gegenüber dem Plasma aufgeladen. Das negative Potential stellt sich so ein, daß so viele Elektronen zurückgehalten werden, das gleich viel negative
und positive Ladungen pro Zeitintervall auf die Wand treffen. Dieses Potential heißt Floating
Potential ϕfl. Die Stromdichte der Ionen erreicht den Sättigungswert, d.h. alle Ionen, die thermisch aus der Plasmaoberfläche austreten, erreichen die Wand:
j i = nev ith = ne kT
mi
159
Die Anzahl der Elektronen, die das Gegenfeld überwinden können, wird durch einen Boltzmannfaktor gegeben. Der Elektronenstrom ist deswegen
j e = j e0 = −nev eth e −eϕ fl/kT
Aus der Gleichgewichtsbedingung je + ji = 0 erhält man die Größe des Floating Potentials.
mi
ϕ fl = kT
e ln m e
Eine genauere Betrachtung führt zu
mi
ϕ fl = kT
e ln 2πm
Im Wasserstoff ergibt sich ein Floating Potential , das in Volt etwa dem Dreifachen der Temperatur in eV entspricht. Bei genügend hoher Temperatur wird die Potentialdifferenz größer
als die zur Zündung eines Vakuumbogens erforderliche Spannung. Der eigentliche Zündmechanismus ist nicht sehr gut bekannt. Man vermutet eine Vorentladung an Mikrospitzen.
Experimente sprechen für die Beteiligung dielektrischer Schichten. Die Bogenspannung ist
kleiner als das Floating Potential. Daher wird in der Umgebung des Bogenansatzes das Potential des Plasmas gegenüber der Wand abgesenkt, was dazu führt, daß in der Umgebung mehr
Elektronen auf die Wand fallen, als dem Gleichgewichtzustand entspricht. Der Teilchenstrom
bei einem Potential ϕ ist dort
i e = nv the e −eϕ/kT
Der Gesamtstrom
I = A(j i + j e ) = A(j e0 + j e ) = Anev the (e −eϕ fl/kT − e −eϕ/kT)
Die Verhältnisse sind qualitativ in Abb. F.23 dargestellt.
(F.4)
160
Abb. F.23: Potentialabsenkung (oberste Spur), Stromdichte der Elektronen und Ionen (Mitte), und Gesamtstrom (unten) in der Umgebung des Kathodenflecks des Unipolarbogens.
Spur b) zeigt die erhöhte Elektronenemission im Bereich des Kathodenflecks (jew). Der Ionenstrom bleibt praktisch ungestört (jip). a) Zeigt die Absenkung des Potentials der Schichtgrenze
gegenüber dem Gleichgewichtswert ϕfl. Diesem Verlauf folgt in etwa der Elektronenstrom aus
dem Plasma (mit negativem Vorzeichen). Der Gesamtstrom jeW + jip + jep (Spur d) zeigt das
in Abb. F.22 geforderte Muster eines Stromwirbels, d.h. einen negativen Strom - vom Plasma
zur Wand gerechnet - in den Außenbezirken und einen positiven Strom im Innern.
Damit ein solcher Bogen also existieren kann, muß das Floating Potential und deshalb die
Temperatur noch hoch genug sein, um Zündung zu ermöglichen. Die Zündspannung hängt
vom Wandmaterial und seiner Oberflächenbeschaffenheit ab, und liegt im Bereich von 50 V.
Außerdem muß nach Gl. (F4) ein genügend großes Produkt An vth vorliegen. Gl. (F.4) gibt
auch die U/I Charakteristik der effektiven Spannungsquelle an. Man erkennt, daß es sich um
eine
fallende
Charakteristik
handelt
ähnlich
wie
bei einer
Spannungsquelle
mit
Innenwiderstand.
γ) Der Kathodenfleck
Der Mechanismus des Kathodenflecks ist der gleiche wie beim Vakuumbogen: Dicht über der
Kathode liegt ein winziger Plasmaball, der aus dem Dampf der Kathode besteht. Dieser hat einen oder mehrere Fußpunkte, die in einem Krater auf der Kathode enden. Der Krater wird mit
Teilchen bombardiert, so daß hier das Material geschmolzen ist. Wenn der Krater eine gewisse
Größe erreicht hat, erlischt der Fußpunkt und ein neuer Kanal zündet vom Plasmaball zur Kathode. In einem parallel zur Oberfläche ausgerichteten Magnetfeld wandert der Plasmaball umgekehrt zur j × B - Richtung (retrogerade Bewegung).
161
Im Krater herrschen exotische Bedingungen:
Radius:
1µm
Dichte des Plasmas:
ne = 1018cm-3
Temperatur:
Te = 1 eV
Energieumsatz:
P/V = 1012 W/cm3
Feldstärke:
E = 106 V/cm
Stromdichte:
j = 108 A/cm2
Lebensdauer:
te = 10 ns
162
5. Hochfrequenzplasmen
a) Einleitung
Benutzt man für die Energieversorgung einer Entladung eine Wechselspannung, so wird sich
die Entladung bei Frequenzen, die wesentlich kleiner sind als die typischen reziproken Einstellzeiten, nicht wesentlich von der entsprechenden Gleichstromentladung unterscheiden. Bei sehr
hohen Frequenzen beobachtet man neue Entladungstypen. Man spricht dann von Hochfrequenz - (HF), Radiofrequenz - (RF), oder Mikrowellenentladungen (MW). Die anwendbaren
Frequenzen liegen bei den RF Entladungen im Prinzip zwischen 10 kHz und 100 MHz, bei den
Mikrowellenentladungen zwischen 1GHz und 300 GHz. Durch die Bedürfnisse der Kommunikationstechnik sind die tatsächlich zur Verfügung stehenden Frequenzen allerdings stark
eingeschränkt. Für RF - Plasmen ist die am häufigsten verwandte Frequenz 13,56 MHz, im
Bereich der Mikrowellenplasmen 2,45 GHz.
Nach der Technik der Energieeinkopplung unterscheidet man zwischen induktiven, kapazitiven und quasioptischen Entladungen (Abb. F.24).
Abb. F.24: Induktive, kapazitive und
quasioptische HF - Entladungen
Der Aufbau einer induktiven Entladung entspricht dem eines Transformators: Die Hochfrequenzquelle speist die Primärwicklung, das Plasma übernimmt die Funktion der Sekundärwicklung. Wir haben dieses Prinzip schon im Thetapinch und bei der Einkopplung des toroidalen Stromes im Tokamak kennengelernt. Der Grundtypus der kapazitiven Entladung ist ein
Kondensator, dessen Platten mit einer Hochfrequenzspannung gespeist werden. Die Geometrie
entspricht also im Prinzip der einer Glimmentladung. Der Grundtyp einer quasioptischen Entladung ist die Mikrowellenentladung.
In allen drei Fällen kann man ohne Kontakt zwischen Plasma und Elektroden oder zumindest
mit einem stark reduzierten Kontakt auskommen. Bei der induktiven und der quasioptischen
Entladung ist diese Aussage evident. Sie können in Glas- oder Quarzgefäßen ohne Elektroden
betrieben werden. Bei der kapazitiven Entladung werden im stoßfreien, stationären Fall alle
geladenen Teilchen eine sinusförmige Schwingung vollführen. In einer Anfangsphase werden
Teilchen, die die Wand berühren, aus dem Plasma entfernt, so daß die Teilchen, die keinen
Wandkontakt hatten, auch in Zukunft keinen haben werden. Bei Anwesenheit von Stößen
163
werden Teilchen zu den Elektroden diffundieren. Der Kontakt des Plasmas mit den Elektroden
entspricht also dem Plasma - Wand Kontakt in den anderen Entladungen. Dadurch, daß γ Prozesse (s. Kap. F.2) für die Aufrechterhaltung der Entladung nicht erforderlich sind, können
in Hochfrequenzentladungen Elektrodenerosion und die damit verbundene Verunreinigung des
Plasmas gegenüber Gleichspannungsentladungen deutlich reduziert werden. Diese Tatsache
rechtfertigt bei industriellen Verfahren den zusätzlichen Aufwand der Hochfrequenzentladungen gegen über Gleichspannungsentladungen. Zu dem höheren apparativen Aufwand kommt
noch die i.a. geringere Effektivität: Auch HF - Generatoren benötigen ja zunächst eine Gleichstromversorgung. D.h. zu den Verlusten in der Gleichstromversorgung treten bei HF - Entladungen die Verluste des Oszillators hinzu.
Die Leistung, die der Oszillator bereitstellt, soll möglichst effektiv auf die geladenen Teilchen
übertragen werden. Mit diesem Problem der Ankopplung befaßt sich der nächste Abschnitt.
Die Energie im Plasma liegt dann zunächst in Form gerichteter kinetischer Energie der Teilchen vor. Um eine Temperaturerhöhung zu bewirken, muß die gerichtete Energie etwa durch
Stöße dissipiert werden, d.h. in eine mehr oder weniger isotrope Maxwellverteilung überführt
werden. In manchen Anwendungen wie der Beschichtung von Oberflächen benötigt man hohe
gerichtete Energien.
b) Das Problem der Energieeinkopplung
α) Anpassung des Senders
Die optimale Energieeinkopplung ist zunächst ein elektrotechnisches Problem. Jeder Oszillator
benötigt einen ganz bestimmten Arbeitswiderstand Rs um seine maximale Leistung abgeben zu
können. Stellt man den Oszillator als ideale Spannungsquelle mit in Serie geschaltetem Innenwiderstand Ri dar, so ist Rs = Ri. Die Leistung wird letztendlich durch eine Antenne an das
Plasma übertragen, wobei die Antenne je nach Entladungstypus eine Spule, ein Kondensator
oder ein Mikrowellenhorn sein kann. Wenn die Impedanz der Antenne mit Plasma, Zp bekannt
ist, kann ein Anpassungsglied konstruiert werden, das für die gegebene Frequenz Zp auf den
Arbeitswiderstand des Osszillators anpaßt.
Abb. F.25: Ein Anpassungsnetzwerk, um die Plasmaimpedanz Zp an den Arbeitswiderstand des Senders anzupassen
164
Abb. F.25 zeigt ein typisches Beispiel eines Anpassungsgliedes für den Radiofrequenzbereich.
In diesem Fall wird der ohmsche Anteil von Zp hochtransformiert. Man versteht die Funktion
sofort über das Verhalten eines Parallelschwingkreises in Resonanz mit Verlustwiderstand
Re(Zp). Im Mikrowellenbereich benutzt man Hohlleiterelemente, die die Funktion von C und L
haben. Das Anpassungsglied kann stets aus Blindelementen gebildet werden. Falls man
voraussetzt, daß L und C reine Blindelemente sind, folgt, daß die gesamte vom Sender abgegebene Leistung im Plasma verbraucht wird. Das Problem der Anpassung von Sender und Zp
besteht darin, daß die Komponenten des Anpassungsgliedes nicht verlustfrei sind, und man daher den Anteil der Blindleistung im Anpassungsglied und in der Antenne mit Plasma möglichst
gering halten muß. Ideal ist also ein reelles Zp mit Zp = Rs.
β) Die Einkopplung ins Plasma
Ein Maß für die Güte der Übertragung der von der Antenne angebotenen Energiedichte u in
das Plasma ist die Energieübertragungsfrequenz ν*, definiert durch
P = umax ν*
Wobei P die ans Plasma abgegebene Leistungsdichte und umax die Amplitude der Energiedichte
in der Antenne ist. Im Einteilchenmodell ist die Leistung, die ein Teilchen der Ladung e im stationären Fall im Mittel aus einem elektrostatischen Feld E0 aufnimmt
p 1 = eE 0 v d
wobei vd die Driftgeschwindigkeit des Teilchens ist. Setzt man die Driftgeschwindigkeit ein
eE
v d = ν m0
(s. Kap. E.4.c), und rechnet auf alle Teilchen pro Volumen um, so erhält man
nee2E2
P = nep1 = ν m 0
c e
n e2
Mit der Energiedichte u max = 1 ε 0 E 20 und der Elektronenplasmafrequenz ω 2pe = ε em erhält
2
man
2ω 2pe
P = u max ν oder P = u max ν∗
165
Die Energieübertragungsfrequenz ist
2ω 2pe
ν∗= ν
c
(F.5)
ν* ist interessanterweise hier umgekehrt proportional zur Stoßfrequenz.
Im allgemeinen Fall, d.h. bei Berücksichtigung von kollektiven Effekten, der Bewegung im
Magnetfeld u.Ä. ist ν* besonders groß, wenn die Frequenz des äußeren Kreises mit charakteristischen Frequenzen des Plasmas in Resonanz tritt. Es kann sich dabei um charakteristische
Frequenzen handeln, die mit den Plasmaparametern verbunden sind, wie der Elektronen- oder
Ionenzyklotronfrequenz der unteren oder oberen Hybridfrequenz. Die Heizmethoden heißen
dann entsprechend Elektronen - oder Ionenzyklotronheizung (ECRH, ICRH) oder untere Hybridheizung (UHH). Es kann sich aber auch um Eigenresonanzen der Plasmasäule bezüglich
bestimmter Plasmawellen handeln. Man spricht dann von geometrischen Resonanzen. Geometrische Resonanzen können Plasmaresonanzen völlig überdecken.
Für ein unmagnetisiertes Plasma mit ωpi << ω << ωpe lassen sich die kollektiven Effekte in erster Näherung über das Flüssigkeitsmodell berücksichtigen. Bei genügend kleiner Leitfähigkeit
dringt das Feld vollkommen ein aber es wird wenig Energie dissipiert. Bei hoher Leitfähigkeit
ist die Energiedissipation pro Volumen groß, aber der Skineffekt sorgt dafür, daß das Volumen, in dem Energie dissipiert wird, mit steigender Leitfähigkeit abnimmt, so daß insgesamt
die Energiedeposition im Plasma wieder abnimmt. Es gibt ein Optimum der Leitfähigkeit, bei
der die Skintiefe etwa gleich dem Plasmaradius ist. Bei Abschätzungen dieser Art ist Vorsicht
geboten, da wie oben ausgeführt für die gesamte Energieübertragung vom Sender zum Plasma
die Eigenschaften des Senders wie sein Innenwiderstand entscheidend eingehen.
c) Induktive Plasmaquellen
Unter den industriell genutzten induktiven Plasmaquellen sollen zwei hervorgehoben werden:
Die induktive Fackelentladung und der induktive Parallelplattenreaktor.
α) Die Fackelentladung
Abb. F.26 zeigt einen typischen Aufbau. Fackelentladungen werden mit Leistungen bis in den
100kW Bereich betrieben. Sie können bei 10 mbar bis 10 bar arbeiten. Häufig angewandter
Arbeitsdruck ist Atmosphärendruck. Gastemperaturen bis 2 eV sind üblich. Die Plasmadaten
166
Abb.
E.26:
Aufbau
einer
Fackelentladung
sind also vergleichbar mit denen in Lichtbögen. Dadurch, daß keine Elektroden benötigt werden, erreicht man längere Standzeiten und geringere Plasmaverunreinigung. Unbequem ist die
Tatsache, daß Fackelentladungen i.a. nicht selbst zünden und daher eine besondere Zündmaßnahme benötigen. Fackelentladungen sind in der Industrie beliebt, da die technische Ausrüstung von Induktionsöfen her bekannt ist.
β) Der induktive Parallelplattenreaktor
Der Aufbau des induktiven Parallelplattenreaktrors ist in Abb. F.27 skizziert.
Abb. F.27: Aufbau eines induktiven Parallelplattenreaktors. Die Spule ist schneckenförmig auf der Oberseite
des Entladungsgefäßes angeordnet
Die Geometrie des Plasmas ist der des kapazitiven Parallelplattenreaktors angenähert, um über
eine große Fläche möglichst homogene Plasmaparameter zu erhalten. Leistungen bis 2kW werden Angewandt. Bei kleineren Gasdichten als in der kapazitiven Quelle erzielt man höhere
Elektronendichten.
d) Kapazitive RF Plasmaquellen
α) Einleitung
Die am häufigsten industriell genutzte kapazitive RF Plasmaquelle ist der Parallelplattenreaktor (Abb. F.28).
Abb. F.28: Anordnung für den kapazitiven Parallelplatten
reaktor
167
Um an dieser Apparatur gewonnene Erkenntnisse vergleichen zu können, wurde auf einer der
jährlich von der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft abgehaltenen Konferenzen für
Gaselektronik (Gaseous Electronics Conference, GEC) eine gewisse Normung dieser Plasmaquelle vorgenommen. Die genormte Zelle, die in vielen Labors untersucht wird, wird GEC
Referenzzelle genannt. Die folgenden Erörterungen beziehen sich im wesentlichen auf die Verhältnisse in der GEC Zelle, d.h. auf ein relativ homogenes Plasma ohne Magnetfeld bei Frequenzen unterhalb der Elektronenplasmafrequenz und einer Skintiefe, die größer als die Plasmadicke ist.
Es gibt eine Reihe von Abwandlungen dieser Quelle. Z.B. kann ein Magnetfeld angewandt
werden, etwa ein rotierendes Magnetfeld, um das Plasma in Rotation zu versetzen und so die
mittlere Homogenität zu verbessern. Ein Magnetfeld von Festmagneten am Kondensatorrand
kann den Einschluß positiv beeinflussen. Im Extremfall kann ein statisches homogenes Magnetfeld überlagert werden, um die Zyklotronresonanz einer Teilchensorte zur Heizung auszunutzen. Neben der Parallelplattengeometrie werden auch alle möglichen anderen Elektrodenanordnungen eingesetzt.
β) Die Potentialverhältnisse
Gehen wir von einer völlig symmetrischen Anordnung mit gleich großen Elektroden und Mittelerdung der Stromversorgung aus (Abb. F.29), so wird das Plasma im Plasmakörper (bulk)
Abb. F.29: Die Potentialverteilung einer
völlig symmetrischen Anordnung
das Potential 0 besitzen. In den Schichten vor den Elektroden geht dann das Potential auf den
Wert, den der Sender vorgibt. D.h. die in Abb. F.29 durchgezogene Potentialverteilung gilt für
das maximale positive Potential an der linken Elektrode, die gestrichelte Kurve für eine Situation mit einer Phasenverschiebung π d.h. zu einem Zeitpunkt, bei dem die rechte Elektrode das
maximale Potential besitzt. Eine Erdung an einer anderen Stelle, etwa an einer Elektrode ändert an dem relativen Verlauf des Potentials im Prinzip nichts, sondern legt nur den Nullpunkt
anders fest. In praxi ist es nicht gleichgültig, wo die Erdung vorgenommen wird, da das Vakuumgefäß aus verschiedenen Gründen im allgemeinen geerdet wird. Die zusätzliche Fläche des
Vakuumgefäßes wirkt wie eine Vergrößerung der Fläche der geerdeten Elektrode. Als Modell
zur Beschreibung der Potentialverteilung wird auf den Mechanismus der Langmuirschicht
168
zurückgegriffen (s. Kap. E.5.b). Die symmetrische Situation entspricht einer Doppelsonde. Die
Strom - Spannungscharakteristik läßt sich ermitteln, indem man zwei Schichten der Langmuirsonde mit umgekehrter Polarität hintereinanderschaltet. Das Ergebnis ist in Abb. F.30 skizziert. Die Charakteristik ist symmetrisch. Der Sättigungsstrom ist jetzt für beide Stromrichtungen durch den Ionensättigungsstrom gegeben. I s = 1 An e v thi . Bei ungleichen Flächen A2 > A1
4
Abb. 30: Die Strom - Spannungscharakteristik eines völlig symmetrisch betriebenen Kondensators ist die einer
symmetrischen Doppelsonde
wird auch der Ionensättigungsstrom, der durch die Fläche A2 begrenzt wird, größer. Für
A 2 v the
=
erreicht man an A2 den Elektronensättigungsstrom und die Charakteristik geht in die
A 1 vthi
der Langmuirsonde über. Koppelt man einen Entladungskondensator mit ungleichen Flächen
kapazitiv an die RF Versorgung an, so müssen sich die Potentialverhältnisse so einstellen, daß
der Strom im zeitlichen Mittel verschwindet, da der Koppelkondensator für Gleichstromanteile
undurchlässig ist. Die Form des Stromsignals läßt sich aus dem bekannten (z.B. sinusförmigen) Spannungssignal mit Hilfe der U/I Charakteristik konstruieren (Abb. F.31). Wegen der
jetzt unsymmetrischen Charakteristik ist das Stromsignal nicht mehr sinusförmig.
Abb. F.30: Aus dem Spannungsverlauf am Kondensator,
hier mit der Zeitachse nach unten, läßt sich mit Hilfe der
Strom - Spannungscharakteristik der Stromverlauf konstruieren. Die Potentialverhältnisse am Kondensator stellen sich bei kapazitiver Ankopplung so ein, daß die Gesamtfläche zwischen Ic(t) und der t - Achse über eine Periode verschwindet.
Der Entladungskondensator wird sich in einer Einschwingzeit solange aufladen, d.h. die Charakteristik wird sich in Abb. F.31 solange in Richtung der U - Achse verschieben, bis im stationären Zustand <I> = 0 erfüllt ist. D.h. es entsteht eine Gleichspannung am
169
Entladungskondensator und damit am Plasma gegenüber Erde. Dieser Mechanismus ist als automatische Vorspannungseinstellung (Bias) von nichtlinearen elektronischen Bauelementen
wie Elektronenröhren her bekannt. Der Bias hat für die Anwendung der RF - Plasmen zur
Oberflächenbehandlung eine überragende Bedeutung, da hierdurch den Teilchen, die auf die
Oberfläche auftreffen, eine gerichtete Energie erteilt wird. Dadurch haften Schichten fester
und geätzte Kanäle können steilere Wände erhalten.
γ) Heizung
Bei der Heizung der kapazitiven Entladung unterscheidet man zwischen zwei Mechanismen:
Der ohmschen Heizung und der Schichtheizung. Die ohmsche Heizung ist im wesentlichen im
Plasmakörper (bulk) maßgeblich. Hier kann man von einem räumlich konstanten, zeitlich oszillierenden E - Feld kleiner Feldstärke ausgehen. Unter den hier vorausgesetzten Bedingungen
eines magnetfeldfreien Plasmas geringer Dichte und großer Eindringtiefe bei Frequenzen ωpi <
ω < ωpe kann man sich mit einem eindimensionalen Einteilchenmodell einen Überblick über
den Mechanismus verschaffen.
Die Bewegungsgleichung eines Elektrons in Feldrichtung lautet dann
2
m e d 2x + m e ν c dx = eE 0 e iωt
dt
νc ist die Elektronen Stoßfrequenz, unter den betrachteten Bedingungen also die Frequenz der
Stöße der Elektronen mit dem Neutralteilchenhintergrund. Die stationäre Lösung ergibt sich
durch den Ansatz
∼x = ∼
ae iωt
1
∼x = eE
iωt
m e −ω 2 + iων e
und
•
iω
eE
∼
v =∼
x=m
e iωt
e −ω 2 + iων
c
wobei die Tilde andeutet, daß man es mit komplexen Größen zu tun hat. Die mittlere Leistung,
die auf ein Elektron übertragen wird, ergibt sich aus
∼
1 Re(v
∼ ) ⋅ Re  F
 
2
∼
= 1 Re  ∼
v ∗ F 
2
170
∼
mit der Kraft pro Elektron F = eE 0 e iωt . Diese Beziehung läßt sich leicht durch Ausschreiben
der komplexen Größen verifizieren, etwa ∼
v= (v r + iv i )(cos ωt + i sin ωt), usw. Die mittlere Leistung auf ne Elektronen pro Volumen ist dann
⟨P ⟩ =
ne 2 E 20
νc
2
2m e (ω + ν 2c )
In der Schicht ist die Feldstärke sehr viel größer als im Plasmakörper und auf einen kleinen
Volumenbereich beschränkt. Hier ist die oben angewandte Näherung, insbesondere die Annahme eines homogenen E - Feldes, nicht gerechtfertigt. Adäquater ist eine Wellennäherung. Ein
Teilchen, das aus dem Plasma in die solitäre Welle gelangt, erleidet einen Stoß. Da die Schicht
eine positive Raumladung enthält, wird ein Elektron in das Plasma zurückreflektiert. Bei der
Reflexion gewinnt das Teilchen Energie, wenn die Welle auf das Teilchen zu läuft und verliert
Energie, wenn die Welle die gleiche Bewegungsrichtung wie das Teilchen hat. Die Anzahl der
Teilchen, die mit der Welle wechselwirken, ist allerdings für beide Fälle unterschiedlich: Wenn
die Welle auf die Teilchen zu läuft, trifft sie mehr Teilchen als im umgekehrten Fall, wodurch
insgesamt ein Energiegewinn zu verzeichnen ist. Eine ähnliche Diskussion wird bei der
Landaudämpfung geführt (Kap. G.4.f). Die Schichtheizung führt zu einer Elektronenpopulation mit einer höheren Energie als die ohmsche Heizung. Wegen der kleinen Teilchendichten
stellt sich keine Maxwellverteilung ein. Das Vorliegen einer nicht maxwellschen Elektronenverteilungsfunktion ist typisch für kapazitive RF - Entladungen.
e) Mikrowellenentladung
Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen zwischen 1mm und 30cm. Die
für technische Plasmaquellen am häufigsten verwandte Frequenz ist 2,45 GHz (λ = 12,24cm).
Da diese Frequenz auch für Mikrowellenherde benutzt wird, sind Komponenten billig verfügbar. Die Wellenlängen liegen im Bereich der Abmessungen typischer Plasmagefäße, daher
kann man geometrische Resonanzen zur effektiveren Einkopplung der Energie ausnutzen.
Wird ein homogenes Plasma benötigt, sind Eigenresonanzen eher unerwünscht und erfordern
u. U. zusätzliche Maßnahmen, um zu erreichen, daß das zu bearbeitende Material dem Plasma
gleichmäßig ausgesetzt wird. Typische Leistungen liegen im Bereich von 100W bis einigen Kilowatt, typische Gasdrucke zwischen 1Pa und Atmosphärendruck. Bei Überlagerung eines
Magnetfeldes und Ausnutzung der Elektronenzyklotronresonanz kann Zündung bei extrem
niedrigen Drucken (10-6 Pa) erreicht werden. Die Temperaturen und Elektronendichten sind
i.a. höher als in RF - Entladungen (Te bis 15 eV, ne bis 1018 m-3 ).
171
Die einfachste Methode zur Einkopplung der Mikrowellenleistung besteht darin, das Plasmagefäß durch den Hohlleiter zu führen. Meistens liegt dann die Welle in der Grundmode vor
und die Anpassung regelt sich i.a. automatisch. Es ist allerdings auch möglich, über Fenster
aus Quarz oder Keramik die Mikrowellen einzustrahlen und höhere Moden des Resonators
auszunutzen. Die Zündbedingungen kann man ähnlich wie bei den Gleichstromentladungen in
einem E - p Diagramm darstellen. Man erhält in Abhängigkeit von der Diffusionskonstanten
als Parameter Kurven, die der Paschenkurve (Abb. F.9) ähneln, d.h. die bei einem bestimmten
Druck ein Minimum der Zündfeldstärke besitzen. Die Situation ohne Magnetfeld wird durch
drei dimensionslose Parameter charakterisiert:
E/p, pλ, λ/Λ
wobei Λ die charakteristische Diffusionslänge und λ die Vakuumwellenlänge der Mikrowellenstrahlung ist.
Die Energieaufnahme kann nicht mehr wie bei den RF - Plasmen mit der Einteilchennäherung
behandelt werden. Man verwendet das Modell des kalten Plasmas wie in Kap. D, und berücksichtigt zusätzlich Stöße. Im Bereich der Mikrowellenentladungen werden Fragen der Wellenausbreitung wichtig. Der Wellenpfad kann gekrümmt verlaufen, bestimmte Plasmabereiche
sind u.U. für einen Wellentyp nicht erreichbar, es gibt die Möglichkeit Oberflächenwellen anzuregen und so das Plasma nur in den Randzonen zu heizen, Wellentypen können ineinander
umgewandelt werden, usw.. Die entsprechenen Techniken und Modelle sind im wesentlichen
in der Fusionsforschung entwickelt worden.
172
KAPITEL G
Kinetische Theorie
1. Verteilungsfunktion
Bisher wurde die thermische Bewegung der Teilchen nur sehr pauschal berücksichtigt, indem
etwa allen Teilchen einer Sorte die gleiche Geschwindigkeit vth zugeordnet wurde. In der kalten Theorie war der thermische Anteil dieser Geschwindigkeit sogar Null. Im folgenden geht
es darum, die detaillierte Form der Verteilungsfunktion zu berücksichtigen. In vielen Fällen
wird man eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung voraussetzen dürfen. Eine Aufgabe
der kinetischen Theorie wäre zu zeigen, daß sich im thermischen Gleichgewicht eine Maxwellverteilung ausbildet. Interessant sind aber auch Verteilungsfunktionen, die von der maxwellschen abweichen, wie etwa die in Abb. G.1 dargestellte. Wenn wir uns vorstellen, dies sei die
Verteilungsfunktion für die Geschwindigkeiten von Kraftfahrzeugen auf einer Autobahn, können wir katastrophale Folgen vorhersehen. In einem Plasma wäre eine Situation mit einer Verteilungsfunktion wie in Abb G.1, d.h. ein Strom von Teilchen in einem ruhenden Plasma instabil. Die kinetische Theorie berechnet die zeitliche Entwicklung von Verteilungsfunktionen.
Abb. G.1: Diese Verteilungsfunktion beschreibt einen
Teilchenstrahl in einem Hintergrund von ruhenden
Teilchen
a) Definitionen
Abb. G.2: Die Verteilungsfunktion gibt die Anzahl der
Teilchen in einem Volumenelement des Phasenraumes an.
In der Umgebung eines Punktes r im Plasma sei ein Volumenelement dxdydz = d3r definiert,
das genügend Teilchen enthält, so daß man diese nach Geschwindigkeiten sortieren kann. Die
Gesamtzahl der Teilchen der Sorte a, die sich innerhalb x und x + dx, y und y + dy und z und z
173
+ dz aufhalten und deren Geschwindigkeit zwischen vx und vx + dvx usw. liegt, nennt man die
Verteilungsfunktion f. Sie hängt von den drei Ortskoordinaten, den drei Geschwindigkeitskoordinaten und der Zeit ab. Der sechsdimensionale Raum d3rd3v heißt der Phasenraum (µ Raum)
dn a (r, v, t) = f a (r, v, t)d 3 vd 3 r
b) Momente der Verteilungsfunktion
Die kinetische Theorie liefert eine Differentialgleichung für das Verhalten der Verteilungsfunktion, die Boltzmannfunktion. Um aus dieser auf das makroskopische Verhalten des Plasmas
rückschließen zu können, müssen Mittelwerte bestimmter Größen bezüglich der Verteilungsfunktion gebildet werden. So ergibt sich z.B. die räumliche Anzahldichte durch Integration
über den gesamten Geschwindigkeitsraum
n a (r, t) = ∫ f a (r, v, t)d 3 v
(G.1)
und damit die elektrische Ladungsdichte
ρ el (r, t) = Σ q a n a (r, t) = Σ q a ∫ f a (r, v, t)d 3 v
(G.2)
a
Die relative Häufigkeit der Teilchen in d3v mit einer Geschwindigkeit bei v bezogen auf die gesamte Teilchenzahl ist
f a (r, v, t)d 3 rd 3 v
= 1 f a (r, v, t)d 3 v
3
3
d r ∫ f a (r, v, t)d v n a (r, t)
(G.3)
Hiermit wird die mittlere Geschwindigkeit
v a (r, t) =
1
vf a (r, v, t)d 3 v
n a (r, t) ∫
(G.4)
Der Beitrag der Teilchen der Sorte a mit Geschwindigkeiten in d3v bei v zur Stromdichte ist
dj a (r, t) =
q a f a (r, v, t)d 3 vAv∆t
= q a vfa (r, v, t)d 3 v
∆tA
174
Abb. G.3: Zur Berechnung der Stromdichte
Damit wird die Stromdichte, die die Teilchen der Sorte a erzeugen
j a (r, t) = q a ∫ vf a (r, v, t)d 3 v
Und die gesamte Stromdichte durch alle Teilchen mit Gleichung (G.4):
j(r, t) = Σ q a n a (r, t)v a (r, t) = Σ q a ∫ vf a (r, v, t)d 3 v
a
(G.5)
a
Die Strömungsgeschwindigkeit, d.h. die die Geschwindigkeit des Schwerpunktes wird
v=
Σ a m a ∫ vf a (r, v, t)d 3 v
Σ a m a ∫ f a (r, v, t)d 3 v
Die Integrale in den Gleichungen (G.1) bis (G.5), die Mittelwerte verschiedener Größen bezüglich der Verteilungsfunktion angeben, nennt man die Momente der Verteilungsfunktion.
Der Druck auf eine Fläche dA ist gleich dem Impulsfluß durch diese Fläche. Für den thermischen Druck interessiert dabei nur der Impulsfluß, der durch die Bewegung im Schwerpunktsystem einer Flüssigkeit herrscht
m a (v − v a (r, t)) i
(i,j bezeichnen die Koordinaten z.B. x,y,z) Der übertragene Impuls braucht dabei nicht die
Richtung der Geschwindigkeit zu haben, die den Teilchenfluß bestimmt. Z.B. wird bei viskoser
Strömung in einem Strömungsfeld mit einer Geschwindigkeit in y - Richtung, die sich entlang
x ändert, durch die thermische Bewegung in x - Richtung ein Impuls übertragen, der in y Richtung zeigt. Der Impulsfluß des statistischen Anteils der Bewegung hat die Form:
P a,ij (r, t) = m a ∫ (v − v a (r, t)) i (v − v a (r, t)) j f a (r, v, t)d 3 v
(G.6)
175
Der Druck wird also durch einen Tensor dargestellt
 Pa,xx P a,xy P a,xz
P a =  Pa,yx P a,yy P a,yz

 P a,zx P a,zy P a,zz
=





Die Kraft erhält man durch skalare Multiplikation mit dem Flächenelement
=
dF =P •dA
Bei einem isotropen Druck hat der Tensor nur untereinander gleiche Diagonalelemente. Die
Kraft steht in diesem Fall immer senkrecht zu dA. Die Elemente außerhalb der Diagonalen geben die Scherkräfte an. Die Kraft, die durch die Umgebung auf ein Volumenelement ausgeübt
wird, ist dann
=
F p = −∫ P •dA
Auf jede Zeile dieser Vektorgleichung läßt sich der Gaußsche Satz anwenden
=
F p = −∫ div P dV
Die Kraftdichte ist also


f p = −∇ P = − 


=
∂
P
∂x xx
∂
P
∂x xy
∂
P
∂x xz
+ ∂y∂ P yx + ∂z∂ P zx 

+ ∂y∂ P yy + ∂z∂ P zy 

+ ∂y∂ P yz + ∂z∂ P zz 
Der Drucktensor ist nach Definition symmetrisch, d.h. Pxy = Pyx. Um einen Zusammenhang mit
der Temperatur herzustellen, bildet man seine Spur
P a,xx + P a,yy + P a,zz = m a ∫ (v − v a (r, t)) 2 f a (r, v, t)d 3 v

= 2n a (r, t)  1
 n a (r, t)
∫
ma
(v − v a (r, t)) 2 f a (r, v, t)d 3 v 
2

176
Der Ausdruck in eckigen Klammern ist der Mittelwert der Energie des statistischen Anteils der
Teilchenbewegung der Teilchen a. Dieser kann im Gleichgewicht 3 kT a (r, t) gesetzt werden.
2
Im Nichtgleichgewicht wird die kinetische Temperatur der Komponente a über diese Beziehung definiert.
3 n (r, t)kT (r, t) = m a (v − v (r, t)) 2 f (r, v, t)d 3 v
a
a
a
a
∫ 2
2
(G.7)
Nach der Definition ist also
1
(P a,xx + P a,yy + P a,zz ) = n a (r, t)kT a (r, t) = p a (r, t)
3
wobei pa(r,t) der Partialdruck der Teilchensorte a ist.
c) Beispiel: Drucktensor bei Vorliegen einer Maxwellverteilung
In einem homogenen, ruhenden Gleichgewichtsplasma liegt eine Maxwellverteilung vor.
f aM (v) =
n a −v2 /V2a
e
3/2 3
π Va
(G.8)
2kT
V 2a = m a .
a
Da das Plasma ruhen soll, ist va = 0.
mit
n a − v 2x +v2y +v2z  /V2a 3
e
d v
π 3/2 V 3
+∞
+∞
2 2
2 2
n a m a +∞ 2 −v2x /V2a
= 3/2
v e
dv x ∫ v 2x e −vy /Va dv y ∫ v 2x e −vz /Va dvz
3 ∫ −∞ x
−∞
−∞
π V
P a,xx = m a ∫v x v x
Unter Benutzung der bekannten Integralformeln
+∞
∫ −∞ e −γx dx =
+∞
2
π
γ
+∞
∫ −∞ x 2 e −γx dx = − dγ ∫ −∞ e −γx dx = − dγ
wird daraus
2
d
2
d
π =1 π
γ
2 γ 3/2
177
P a,xx =
nama 1
π V 3a π Va π V a = 1 n a m a V 2a = n a kT a = P a,yy = P a,zz
3/2 3 2
2
π V
P a,xy =
nama
π 3/2 V 3a
+∞
∫ −∞ vx e −v /V dvx (...) = 0 = P a.xz = P a,yz
2
x
2
a
Der Drucktensor hat also nur gleiche Diagonalelemente:
=
=
P a = n a kT a  1 
(G.9)
=
wobei  1  die Einheitsmatrix ist.
2. Kinetische Gleichungen
a) Die Teilchenbilanz
Abb. G.4: Die Bewegung eines Volumenelementes im
Phasenraum in der Zeit dt unter dem Einfluß einer Kraft
Wir betrachten ein Volumenelement d3rd3v im Phasenraum in der Umgebung r, v. Die Teilchen in diesem Volumenelement werden sich in der Zeit dt an eine andere Stelle (r/,v /) bewegen. wenn keine äußeren Kräfte vorliegen, wird sich jedes Teilchen in Abb. G.4 waagerecht
bewegen, und wenn dt nicht zu groß ist,wird sich ein neues Volumenelement d3r´d3v´ in der
Umgebung von r´v´ ergeben, in dem alle Teilchen enthalten sind. Bei Vorliegen einer Kraft
werden alle Teilchen in d3rd3v eine etwa gleiche Beschleunigung erfahren, so daß man ebenfalls erwarten kann, daß es ein neues Volumenelement d3r´d3v´ gibt, das genau die ursprünglichen Teilchen enthält. Diese Überlegung ist nur richtig, solange die Kräfte einigermaßen glatt
verlaufen. Stöße können Teilchen aus dem Volumen herausbefördern. Stöße müssen also gesondert betrachtet werden.
Die Teilchenbilanz für die Volumina d3rd3v und d3r´d3v´ schreibt sich also
f a (r / , v / , t / )d 6 (r / , v / ) = f a (r, v, t)d 6 (r, v) + dN a,coll
Für den Stoßterm macht man den Ansatz
178
∂f a 
dN a,coll = d 6 (r, v)dt 
 ∂t  coll
So daß die Teilchenbilanz die Form hat
∂f a 
f a (r / , v / , t / )d 6 (r / , v / ) − f a (r, v, t)d 6 (r, v) = d 6 (r, v)dt 
 ∂t  coll
(G.10)
b) Satz von Liouville
Der Übergang von (r,v) nach (r´,v´) läßt sich als Substitution auffassen. Dafür gilt die für Integrale von mehreren Variablen übliche Substitutionsregel.
d 6 (r / , v / ) =
∂(r / , v / ) 6
d (r, v)
∂(r, v)
Wobei die Jakobideterminante die Form hat
∂x /
∂x
∂y /
∂x
∂(r , v )
=
∂(r, v)
/
/
∂x /
∂y
∂y /
∂y
...
...
∂x /
∂v z
∂y /
∂v z
... ... ... ...
∂v /z
∂x
∂v /z
∂y
...
 ∂x i 
 ∂x j 
/
 ∂vi 
 ∂x j 
/
=
∂v /z
∂v z
 ∂x i 
 ∂vj 
/
 ∂vi 
 ∂vj 
/
Der Zusammenhang zwischen r´ und r (b.z.w. zwischen v´ und v) wird hier durch die zeitliche
Entwicklung von r b.z.w. v gegeben
r / = r + vdt,
d.h. x /i = x i +v i dt
v / = v + m1 Fa (r, v, )dt,
a
d.h. v /i = v i + m1 F ai dt
a
wobei Fa die Kräfte auf Teilchen a beschreibt. Wir berücksichtigen, daß r und v unabhängige
Variable sind.
∂x /i
= δ ij ,
∂x j
∂x /i
= δ ij dt
∂v j
∂v /i
∂F ai
= m1
dt,
a
∂x j
∂x j
∂v /i
∂Fai
= δ ij + m1
dt
a
∂v j
∂v j
179
Für Kräfte auf geladene Teilchen gilt dabei
∂F ai
=0
∂v
z.B.
∂F ax
∂
=
q a (E x (r, t) + [v × B(r, t)] x ) = 0
∂v
∂v
Damit hat die Jakobideterminante die Form
1
0
∂(r / , v / )
0
=
∂(r, v)
∗
∗
∗
0
1
0
∗
∗
∗
0
0
1
∗
∗
∗
dt
0
0
1
∗
∗
0
dt
0
∗
1
∗
0
0
dt
∗
∗
1
1
1
dt
1
=
1
dt
1
1
wobei * einen Term von der Größenordnung dt symbolisiert. Nach dem Entwicklungssatz ergibt sich die Determinante als Summe von Termen aikalm...anv, wobei alle Permutationen mit
unterschiedlichem ersten Index (ebenso solche mit unterschiedlichem zweiten Index) durchlaufen werden. Unter diesen Permutationen ist die Hauptdiagonale, die 1 ergibt. Sobald man zwei
Zeilen oder Spalten vertauscht,verschwinden zwei Einsen und zwei Terme der Größenordnung
dt kommen in das Produkt. Man erhält also insgesamt
∂(r / , v / )
= 1 +  Glieder ∼ (dt) 2 
∂(r, v)
d.h. in linearer Ordnung ist die Jakobideterminante 1: d 6 (r / , v / ) = d 6 (r, v) . Die Punkte im Phasenraum verhalten sich wie eine inkompressibele Flüssigkeit.
c) Boltzmann - und Vlasov - Gleichung
α) Die Boltzmann - Gleichung
Mit Gleichung (G.10) und dem Liouvilleschen Satz gilt
∂f a 
f a (r / , v / , t / ) − f a (r, v, t) = 
 ∂t  coll
Durch lineare Entwicklung von fa(r´,v´,t´) um t erhält man
f a (r / , v / , t / ) = f a  r + vdt, v + m1 F a dt, t + dt 
a
180
3
= f a (r, v, t) + Σ
i=1
d.h.
∂f a 3 ∂f a
+ vi
+ m1
a
∂t Σ
∂x
i
i=1
3
∂fa
∂f a 1
∂f a
v i dt + Σ
F ai dt +
dt
m
a
∂x i
∂t
i=1 ∂v i
∂f
∂f
a
a
F ai
=
Σ
 coll

∂v
∂t
i
i=1
3
Zur Abkürzung setzt man
 ∂/∂x 
∂


 ∂/∂y  = ∇ r = ,
∂r


 ∂/∂z 
 ∂/∂v x 
∂


 ∂/∂v y  = ∇ v =
∂v


 ∂/∂v z 
Die Kräfte werden auf die selbstkonsistenten Felder zurückgeführt:
F a = q a (E + v × B)
Damit erhält man die Boltzmann - Gleichung
∂f a
∂f a q a
∂f a  ∂f a 
+v•
+ m (E(r, t) + v × B(r, t)) •
=
a
∂t
∂r
∂v  ∂t  coll
(G.11)
Die eigentlichen Probleme bietet der Stoßterm.
β) Die Vlasov - Gleichung
Vernachlässigt man in der Boltzmann - Gleichung (G.11) die Stöße, erhält man als Sonderfall
die Vlasov - Gleichung.
∂f a
∂f a q a
∂f a
+v•
+ m (E(r, t) + v × B(r, t)) •
=0
a
∂t
∂r
∂v
(G.12)
γ) Die Fokker - Planck - (b.z.w. Landau -) Gleichung
Die Focker - Planck Form des Stoßtermes geht auf den Boltzmannschen Stoßterm zurück,
der für die Verhältnisse in einem einkomponentigen Gas entwickelt wurde:
 ∂f 
 ∂t 
Hierin sind:
= ∫ d 3 v / ∫ dΩσ diff (Ω) v − v / (f(v 1 )f(v /1 ) − f(v)f(v / ))
v, v´ die Geschwindigkeiten der Stoßpartner vor dem Stoß,
181
v1, v1´ die Geschwindigkeiten der Stoßpartner nach dem Stoß,
dΩ der Raumwinkel, in den gestreut wird,
σdiff der differentielle Wirkungsquerschnitt für den Stoß,
Um zum Landau - Stoßterm zu gelangen, wird der Boltzmann - Stoßterm mit Hilfe des differentiellen Wirkungsquerschnittes für Coulombstöße hingeschrieben. Wegen der Divergenz des
Integrals wird dieses wie im Kapitel E.3 bei r = λD abgeschnitten. Als Erleichterung gegenüber
den Voraussetzungen für den Boltzmannterm ergibt sich, daß die Teichen bei Coulombstößen
in der überwiegenden Zahl kleine Ablenkungswinkel erfahren. Dies ermöglicht eine Entwicklung der Verteilungsfunktionen der beiden Stoßpartner a und b. Die Rechnung wird hier nicht
vorgeführt, sondern nur das Ergebnis angegeben:
2
/
/
 1 ∂f a (v)
∂
1 f (v) ∂f b (v ) 
3 /∂ v −v
/
d
v
•
f
v
−
b( )
mb a
∂v∂v
 m a ∂v
∂v ∫
∂v / 
 ∂f a 
= 1
 ∂t  coll m a
Σ C ab
mit
qaqb  2
C ab = 2π 
ln Λ ab
 4πε 0 
b
Λ ab = λ D
4πε 0 m a m b 1
qaqb ma + mb nanb
(G.13)
∫ ∫ (v − v / )f aM(v)f bM(v / )d 3 vd 3 v/
Man erkennt, daß Λab = Λba und damit Cab = Cba
∂2 v − v/
Der Ausdruck
in Gleichung (G.13) hat explizit die Form
∂v∂v /
∂
∂
v − v/ =
∂v i
∂v i
∂
v − v/ =
∂v i ∂v j
2
3
Σ
k=1
/
/
1 2( v i − v i ) = v i − v i
/ 2
−
v
=
v
( k
k)
2 v − v/
v − v/
δ ij v − v / −
v i −v /i
v−v /
v − v/
(v i − v i )
/
2
2
v − v / δ ij − (v i − v /i )(v j − v j/ )
 ∂2 v − v/ 
=
3
 ∂v∂v  ij
v − v/
(G.14)
Das System der Landaugleichungen wird durch Maxwellverteilungen mit Ta = Tb = T gelöst,
wie im folgenden gezeigt wird. Die Klammer im Integranden von Gl. (G.13) ist dann
182
/
1 ∂f aM (v) f v / − 1 f (v) ∂f bM (v )
(
)
bM
aM
m a ∂v
mb
∂v /
 /


= m1 − 2v2 f aM (v)f bM (v / ) + m1  2v2  f aM (v)f bM (v / )
a V 
bV 
a
b
1
/
/
= (v − v )f aM (v)f bM (v )
kT
Der Integrand von G.13 enthält also mit (G.14) den Term
/ 2
δ ij − (v i − v /i )  v j − v /j 
3 v−v
3
 ∂2 v − v/

 v − v/ 
• (v − v / ) = Σ e i Σ
 j j
/ 3
 ∂v∂v /
 i i=1 j=1
v−v
2
2
v − v /  vi − v/j  − (v i − v /i ) v − v /
3
= Σ ei
3
i=1
v − v/
=0
Das Integral in (G.13) verschwindet also, und damit der Stoßterm. Die linke Seite von Gleichung (G.11) geht für E = 0 und B = B0 = const über in
qa
∂f aM q a
 −2v 
m a (v × B 0 ) • ∂v = m a (v × B 0 ) •  V 2  f aM (v) = 0
a
Die Maxwellverteilungen f aM (v) mit T = Ta lösen also das System der Landaugleichungen.
Eine Ableitung der Landauformel findet sich in: Kerson, Huang: Statistische Mechanik, Kap.
III, oder S. Chapman, T.G. Cowling: The Mathematical Theory of Nonuniform Gases, 1939.
Kap. III. Eine Schwäche dieser Theorie für ihre Anwendung auf Plasmen besteht darin, daß sie
auf der Näherung von Zweierstößen beruht. Eine Verallgemeinerung stellt die BBGKY Theorie dar, (nach Bogoliubov, Born, Green, Kirkwood, Yvon), die auf einer Statistik im 6N dimensionalen Phasenraum beruht. (s. Ta - Youm Wu: Kinetic Equations of Gas and Plasmas,
1966)
3. Die Momentengleichungen
Die interessierenden makroskopischen Variablen wie Dichte, mittlere Geschwindigkeit und
Temperatur können aus den Momenten der Verteilungsfunktion ausgerechnet werden, wenn
diese bekannt ist.
Die ersten Momente der Verteilungsfunktion sind
n a (r, t) = ∫ f a (r, v, t)d 3 v
183
va =
1
v i f a (r, v, t)d 3 v
n a (r, t) ∫
P a,ij = ρ a,m ⟨v i vj ⟩ a = m a ∫v i v j f a (r, v, t)d 3 v
E a,ijk (r, t) = ρ a,m ⟨v i , v j , v k ⟩ = m a ∫v i v j vk f a (r, v, t)d 3 v
Im Prinzip ergibt sich die Verteilungsfunktion aus der Boltzmann - Gleichung (G.11), allerdings ist die Lösung der Boltzmanngleichung nicht allgemein möglich und in jedem konkreten
Fall schwierig. Es ist auch nicht unbedingt notwendig, sie zu lösen, da man durch Multiplikation der Boltzmann - Gleichung mit v, vv,.. u.s.w. direkt Differentialgleichungen für die Momente erhält, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird. Diese Differentialgleichungen entsprechen den Grundgleichungen der Flüssigkeitstheorie.
a) Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung ergibt sich aus der direkten Integration der kinetischen Gleichung
(G.11) über d3v
 ∂f a + v • ∂f a + q a (E + v × B) • ∂f a  d 3 v=  ∂f a  d 3 v

∫  ∂t  coll
∂r m a
∂v 
∫  ∂t
∫ f ad3v
ist die Teilchendichte, so daß die rechte Seite die Änderung der Teilchendichte durch
Stöße ist. Stöße ändern aber den Ort der Teilchen nicht, so daß die rechte Seite verschwindet.
 ∂f a 
∫  ∂t  coll d3 v
Diese Bedingung wird z.B. vom Landau - Stoßterm (G.13)erfüllt. Die linke Seite wird Term
für Term untersucht:
*∫
∂f a 3
∂
∂
d v = ∫ f a (r, v, t)d 3 v = n a (r, t)
∂t
∂t
∂t
* ∫v•
∂f a 3
d v=
∂r
* ∫ (E + v × B) •
(s. (G.1))
Σj ∂x∂ j vjf a d 3 v = ∂r∂ • ∫ v fa (r, v, t)d3 v = ∂r∂ • (n a (r, t)v a (r, t))
∂f a 3
d v=
∂v
3
∂f
 E + (v × B)  a d 3 v
Σ
j
∫
 j
∂vj
j=1
184
3
=Σ∫
j=1
∂ 
E j + (v × B) j  f a  d 3 v = 0
∂v j  
da f a → 0 für v → ∞ . Damit erhält man die Kontinuitätsgleichung in der Form
∂ (r,
∂
n a t) + • (n a (r, t)v a (r, t)) = 0
∂t
∂r
(G.15)
Eine andere Form ergibt sich, indem man auf den zweiten Term die Produktregel anwendet.
∂n a  ∂n a 
∂
+
• va + na • va = 0
∂t  ∂r 
∂r
 ∂ + v (r, t) • ∂  n (r, t) + n (r, t) ∂ • v (r, t) = 0
a
a
a
a
 ∂t
∂r 
∂r
Die Kontinuitätsgleichung für die elektrische Ladung ergibt sich aus Multiplikation von Gl
(G.15) mit qa.
∂ (r,
∂
ρ el t) + • j(r, t) = 0
∂t
∂r
b) Bewegungsgleichung
Die Bewegungsgleichung ist die Transportgleichung für den Impuls. Sie ergibt sich also aus
Multiplikation der kinetischen Gleichung (G.11) mit v und Integration über v.
 ∂f a + v • ∂f a + q a (E + v × B) • ∂f a  d 3 v = v  ∂f a  d 3 v

∫  ∂t  coll
∂r m a
∂v 
∫ v  ∂t
Die Summanden werden wieder einzeln betrachtet.
*∫ v
∂f a 3
∂n
∂v
∂
∂
d v = ∫ vf a d 3 v = (n a v) = v a a + n a a
∂t
∂t
∂t
∂t
∂t
∂f a 3
∂f a
∂
d v = Σ Σ ∫ e ivi vj d 3 v = Σ e i
vi vjf a d 3 v
∂r
∂x j
∂x j ∫
i j
i,j
∂
=Σe
[(vi − vai )(vj − v aj) + v i vaj + vj v ai − v ai v aj ]f a d 3 v
∫
∂x
j
i,j
∂  1
= Σ ei
P a,ij + n a v a,i v a.j + n a va,j v a.i − n a v ai v aj 

∂x j  m a
i,j
* ∫ vv •
185
∂  1
P a.ij + n a v a,i v a,j 
m
a


∂x
j
i,j


∂
∂
∂
= Σ e i  m1
P a.ij + v ai (n a v a,j ) + n a v a,j v a.i 
a ∂x j
∂x
∂x
j
j
i,j


=
∂
∂
∂
= m1
•P a + v a • (n a v a ) + n a  v a •  v a
a ∂r
∂r
∂r
=Σe
∂f a 3
∂f a 3
d v = Σ e ∫v i  E j + (v × B) j 
d v
∂v
∂v j
i,j
∂ 
= Σ e i ∫v i
E j + (v × B) j  f a  d 3 v



∂v
i
i,j
 ∂  

v i  E j + (v × B) j  f a  − δ ij  E j + (v × B) j  f a  d 3 v
= Σ ei∫ 

i,j
 ∂v j




3
= Σ e i δ ij ∫  E j + (v × B) j  f a d v = −Σ e j  n a E j + n a (v × B) j 
ij
j
= −(n a E + n a (v a × B))
*∫ v • (E + v × B)
Insgesamt hat diese Momentengleichung damit die Form
va
qa
∂n a
∂v
∂
∂ =
∂
+ n a a + m1
•P a + v a • (n a v a ) + n a  v •  v a − n a m (E + v × B)
a
a
∂r
∂t
∂t
∂r
∂r
∂f a 

=∫v
d3v
 ∂t  coll
Nach Multiplikation mit ma unter Berücksichtigung von Gl (G.15) erhält man die Bewegungsgleichung einer Teilchensorte
∂f a 
∂
∂ =
∂
m a n a  + v a •  v a = − •P a + q a n a (E + v a × B) + m a ∫ v 
d3v
 ∂t  coll
∂r
∂r
∂t
(G.16)
Der erste Term beschreibt Massendichte mal Beschleunigung, der zweite die Dichte der
Druckkraft, der dritte die Dichte der elektromagnetischen Kraft, der fünfte die Reibungskraft,
alles zunächst für eine Teilchensorte a. Die Bewegungsgleichung für das gesamte Plasma erhält man durch Summation über alle Teilchensorten. Dabei fällt der Reibungsterm wegen actio
= reactio heraus.
=
Σa m a n a  ∂t∂ + v a • ∂r∂  v a = − ∂r∂ •P +ρ el E + j × B
c) Der 5 - und der 13 - Momenteansatz
Das Problem bei der Bildung der Momente der Boltzmann - Gleichung besteht darin, daß das
System der Gleichungen der makroskopischen Größen nicht abgeschlossen ist. D.h. jede der
186
Gleichungen, die man durch Multiplikation von (G.11) mit v, vv, u.s.w. erhält, enthält wegen
∂f a
des Terms v •
in der Boltzmann - Gleichung ein Moment, das in dem bis dahin gewonne∂r
nen Satz von Gleichungen noch nicht auftauchte. Man muß daher die Hierarchie dieser Gleichungen abbrechen, indem man eine vereinfachende Annahme über das höchste Moment
macht. Es gibt im wesentlichen zwei Näherungsansätze: die 5 und die 13 Momentenmethode.
α) Die 5 - Momentenmethode
Bei der 5 - Momentenmethode nimmt man an, daß die Stöße so zahlreich sind, daß die Verteilungsfunktion näherungsweise maxwellsch ist.
f a (r, v, t) =
n a (r, t)
3/2 3 (r,
π V
e −(v−v a (r,t))/Va (r,t)
2
t)
Damit wird Gl. (G.16)
∂
∂
∂
m a n a  + v •  v a = − (n a kT a ) + q a n a (E + v a × B) + f a,R
∂r
∂r
∂t
(G.18)
Man erhält mit der Temperatur - Transportgleichung ein abgeschlossenen System von Gleichungen für n a (r, t), v a (r, t), T a (r, t) . Insgesamt ergeben sich pro Teilchensorte 5 Gleichungen, die über Reibungsterme gekoppelt sind. Man kann aus diesen die Bewegungsgleichung und das Ohmsche Gesetz in der MHD - Näherung ableiten.
β) Die 13 - Momentenmethode
Bei dieser Methode soll die Anisotropie von fa im Geschwindigkeitsraum mitberücksichtigt
werden. Man macht den Ansatz
f a (r, v, t) =
mit
n a −W2a /V2a 
e
1 + da
3/2 3
π Va


• W a  W 2a − 5 V 2a  + Σ Π a,ij W a,i W a,j 
2

i,j
W a = v − v a (r, t)
Nach Grad (1949) ergibt sich
Πa =
1  P= − p 1= 
a 
a
V 2a p a 
die Wärmestromdichte.)
(p a = n a kT a ) , d a = 4 1 4 q a
5 pa Va
(q a = ∫ W a
ma 2 3
W f a d v ist
2 a
187
4. Die Linearisierte Vlasov - Gleichung
Als Anwendungsbeispiel der Vlasov - Gleichung wird der Einfluß einer endlichen Temperatur
auf die Ausbreitung elektrostatischer Wellen im homogenen, magnetfeldfreien Plasma betrachtet. Ausgangspunkt für die Betrachtungen ist die Vlasov - Gleichung ( G.12). Die Verteilungsfunktion soll von r, v, t abhängen.
∂f a
∂f a q a
∂f a
+v•
+ m (E(r, t) + v × B(r, t)) •
=0
a
∂t
∂r
∂v
a) Zeitunabhängige Vlasov - Gleichung
Um die Welle beschreiben zu können, muß zunächst die Gleichgewichtssituation beschrieben
werden. Hier soll das Plasma räumlch homogen sein, ruhen und die Verteilungsfunktion nicht
von der Zeit abhängen. Die Vlasov - Gleichung für diese Verteilungsfunktion fa0(r, v) lautet
dann
v•
∂f a0 q a
∂f a0
+ m (E 0 (r) + v × B 0 (r)) •
=0
a
∂r
∂v
Weil das Plasma räumlich homogen und ruhend sein soll, gilt hier speziell
∂f a0
= 0,
∂r
E0 = 0
Das statische Magnetfeld B0 wird vorläufig noch mitgenommen. Es bleibt von der Vlasov Gleichung
v × B0 •
∂f a0
=0 .
∂
Die allgemeine Lösung ist eine beliebige Funktion g, die von den Geschwindigkeitskomponenten parallel und senkrecht zum Magnetfeld abhängt.
f a0 (v) = g(v ⊥ , v// )
Der Gradient ist eine Linearkombination von einem Vektor senkrecht, und einem parallel zu B
188
∂f a0
∂g v ⊥ ∂g
=
+
e //
∂v ⊥ v ⊥ ∂v
∂v
außerdem steht er senkrecht zu v ⊥ × B 0 = v × B 0 .
Im magnetfeldfreien Fall ist fao(v) sogar eine beliebige Funktion. Stöße erzwingen eine
Maxwellverteilung.
b) Die linearisierte Vlasov - Gleichung mit B0 = 0
Wie in der Theorie der Plasmawellen (Kapitel D) soll die Welle eine kleine Störung an der
Gleichgewichtssituation verursachen, d.h. für die Verteilungsfunktion wird ein Störungsansatz
gemacht:
f(r, v, t) = f a0 (v) + f a1 (r, v, t)
wobei fa1, ebenso E(r,t) und B(r,t) klein von erster Ordnung sein sollen. Geht man mit diesem
Ansatz in die Vlasov - Gleichung ein, so wird daraus
∂f a1
∂f a1 q a
∂f a0 q a
∂f a0
+v•
+ m (E(r, t) + v × B(r, t)) •
+ m (E(r, t) + v × B(r, t)) •
=0
a
a
∂t
∂r
∂v
∂v
Der letzte additive Term auf der linken Seite ist von zweiter Ordnung und wird daher vernachlässigt. Die linearisierte Gleichung hat also die Gestalt.
∂f a1
∂f a1
∂f a0
qa
+v•
= − m (E(r, t) + v × B(r, t)) •
a
∂t
∂r
∂v
(G.18)
c) Exponentialansatz
Im folgenden schränken wir uns auf die Geometrie elektrostatischer Wellen ein, d.h. E liegt in
Richtung von k. In der Welle wird kein Magnetfeld erzeugt. Für die Störungen wird ein Exponentialansatz gemacht.
E(r, t) = Ee i(k•r−ωt)
ρ el (r, t) = ρ 0 e i(k•r−ωt)
f a1 (r, v, t) = f a1 (v)e i(k•r−ωt)
189
Geht man mit diesem Ansatz in die linearisierte Gleichung (G.18) ein, ergibt sich
qa
∂f a0
(−iω + ik • v)f a1 (v) = − m E •
a
∂v
qa
∂f a0
1
f a1 (v) = i m
E•
a k•v−ω
∂v
Diese Lösung ist nicht ganz unproblematisch, da fa1 eine kleine Größe sein soll, der Nenner auf
der rechten Seite aber unter Umständen gegen Null geht, so daß man Zweifel hegen kann, ob
die rechte Seite ebenfalls immer klein bleibt. Die Ladungsdichte des Hintergrundplasmas verschwindet, die in der Welle ergibt sich aus Mittelung über die Verteilungsfunktion.
q2
ρ el = Σ q a ∫ f a1 (v)d 3 v = iΣ ma
a
a
E•
a ∫ k•v−ω
1
∂f a0 3
d v
∂v
Das Koordinatensystem wird so gelegt, daß die x - Richtung mit der Richtung der Wellenausbreitung zusammenfällt. Dann ist k = kex und E = Eex
q2
ρ el = i Σ ma
a ∫
a
1 E ∂f a0 d 3 v = iE
kv x − ω ∂v x
k
Σa
q 2a
ma
∂f a0
∫ vx − ω/k ∂vx d 3 v
1
Die Integration über vy und vz ist sofort durchführbar. Zur Vereinfachung der Schreibweise definiert man ein Fa0(vx):
+∞
+∞
∫ −∞ ∫ −∞ f a0 (v x , v y , v z )dvy dvz = n a0 F a0 (vx )
(G.19)
Die Definition ist so, daß ∫ F a0 (v x )dv x = 1 . Für die Ladungsdichte erhält man damit
ρ el = iE
k
Σa
n a0 q 2a
ma
+∞
∫ −∞
F /a0 (v x )
dv x
v x − ω/k
(G.20)
Man beachte, daß das Integral divergiert, wenn ω reell ist. Daher wird ein komplexes ω
angenommen
ω = ω r + iγ
γ soll genügend klein sein. Es zeigt sich, daß man nur vernünftige Ergebnisse erhält, wenn
γ > 0. Der Exponentialansatz führt dann zu einer exponentiell anwachsenden Welle. Eine solche Situation nennt man eine Mikroinstabilität.
190
d) Die Dispersionsrelation
Gleichung (G.20) beschreibt die Ladungsdichte, die eine elektrostatische Welle erzeugt. Andererseits erzeugen Ladungsdichten wiederum E - Felder. Diese Felder, die aus der Poissongleichung folgen, müssen mit den ursprünglichen Feldern der Welle identisch sein (Selbstkonsistenzbedingung). Die Poisson - Gleichung lautet:
divE(r, t) = ε1 ρ el (r, t)
0
Für die Amplituden folgt daraus
ikE = ε1 ρ el = iE
0
k
ω 2pa

E1 − Σ 2

a k
+∞
∫ −∞
q n
Σa εa0 ma0a
+∞
∫ −∞
F /a0 (v x )
dv x
v x − ω/k
F /a0 (v x )

dv x  = 0
v x − ω/k

Man definiert die Dielektrizitätsfunktion
ω 2pa

ε(ω, k) =  1 − Σ 2

a k
+∞
∫ −∞
F /a0 (v x )

dv x 
v x − ω/k

mit der Nebenbedingung Im(ω) > 0. Da in der Welle
(G.21)
E ≠ 0 gelten soll, folgt die
Dispersionsrelation
ε(ω, k) = 0
(G.22)
e) Lösung von Gleichung (G.22)
α) Diskussion von Fa0(vx)
Nach Gleichg. (G.19) gilt ∫ f a0 (v)d 3 v = n a0 ∫
und damit
+∞
−∞
F a0 (vx )dv x = n ao
+∞
∫ −∞ F a0 (vx )dvx = 1
+∞
∫ −∞
+∞
v x f a0 (v)d 3 v = n a0 ∫ vx F a0 (v x )dv x = 0
−∞
191
Da die mittlere Geschwindigkeit als 0 vorausgesetzt wurde
+∞
∫ −∞
1 m v 2 f (v)d 3 v = n +∞ 1 m v 2 F (v )dv = 1 n kT
a x a0
a0 ∫
a x a0 x
x
a0
a
−∞ 2
2
2
+∞
∫ −∞ v2x Fa0 (vx )dvx =
kT a 1 2
ma = 2 Va
β) Die Berechnung des Integrals in Gleichg. (G.21)
Es wird eine Lösung in der Nähe der Lösung der kalten Theorie gesucht, d.h. zur Vereinfachung wird angenommen
ωr
>> V a ,
k
0 < γ < ωr
Die Situation ist in Abb. G.5 dargestellt.
Abb. G.5: Bereiche, die zum Integral beitragen
Die Hauptbeiträge zum Integral in Gl. (G.21) werden aus den Bereichen in der Umgebung von
|vx| < Va und vx ~ ωr/k stammen:
+∞
∫ −∞
+ω r /k+δ F /a0 (v x )
+3Va F /a0 (v x )
F /a0 (v x )
dv x ≈ ∫
dv x + ∫
dv x
−3Va v x − ω/k
−ω r /k−δ v x − ω/k
v x − ω/k
(G.23)
Die Zahl 3 in den Grenzen des ersten Integrals ist zunächst willkürlich. Es soll nur angedeutet
werden, daß ein Bereich erfaßt werden soll, in dem der Integrand deutlich von null verschieden ist. Im ersten Integral auf der rechten Seite wird zunächst der Faktor -k/ω vor das Integral
gezogen, der Nenner einer Taylorentwicklung unterzogen und dann partiell integriert
+3Va
∫ −3V
a
/
F /a0 (v x )
k +3Va F a0 (vx ) dv
dv x = − ω
∫ −3Va 1 − kvx /ω x
v x − ω/k
192
2 2
3 3
k +3Va F (v )  1 + kv x + k vx + k v x  dv
≈ −ω
∫ −3Va a0 x  ω ω 2 ω3  x
k +∞ F (v )  k + 2 k 2 v + 3 k 3 v 2  dv
≈ −ω
∫ −∞ a0 x  ω ω 2 x ω 3 x  x
2 
k2 V2 
= − k 2 1 + 3 2a
2 ω 
ω 
Für den Schritt von der vorletzten zur letzten Zeile wurden die Formeln aus dem letzten Abschnitt verwendet.
Zur Berechnung des zweiten Integrals nutzt man die Tatsache aus, daß sich Fa0 und damit seine Ableitung über den Bereich des Integrals wenig ändern, so daß man Fa0/ als Konstante vor
das Integral ziehen kann.
+ω r /k+δ
∫ −ω /k−δ
r
+ω r /k+δ
F/a0 (v x )
ω
1 dv
dv x = F /a0  r  ∫
x
vx − ω/k
k −ω r /k−δ v x − ω/k
Durch die Substitution v x − ω r /k = u erhält man
F /a0 ∫
+δ
−δ
1 du = F/ −δ u + iγ/k du
a0 ∫
−δ u 2 + γ 2 /k 2
u − iγ/k
= iF /ao ∫
+δ
−δ
γ/k
du
u + γ 2 /k 2
2
Der Realteil fällt weg, da er ungerade ist. Durch die Substitution ku
γ = w und der Bedingung,
daß γ > 0 und klein ist, folgt
+∞
dw = iπF /  ω r 
iF /a0 ∫
ao 
−∞
k 
+ 2
Das gesamte Integral hat also die Gestalt
+∞
∫ −∞
2 
F /a0 (v x )
k2 V2 
ω
dv x = − k 2 1 + 3 2 a + iπF /ao  r 


2
v x − ω/k
k
ω
ω
γ) Berechnung von ω
Die Dispersionsrelation Gleichg. (G.22) hat also die Gestalt
193
ε(k, ω) ≈ 1 − Σ
a
2
ω 2pa  k 2 
3 k 2 Va  + iπF /  ω r   = 0
1
+


a0 
k 
2 ω2 
k2  ω2 
ω 2pa  
k2 V2 
ω2
ω 
= 1 − Σ 2  1 + 3 2 a + iπ 2 F /a0   


2 ω
k 
k
a ω 
Man erkennt, daß in nullter Näherung, d.h. für Va = 0 das Ergebnis der kalten Theorie reproduziert wird.
Die Auflösung der Dispersionsrelation nach ω erfolgt mit einem Störungsansatz. Die Korrekturen der kalten Theorie werden als klein vorausgesetzt. Das bedeutet, daß man in ihnen das ω
durch das der kalten Theorie ersetzen kann: ω = ωp . Außerdem wird der Ionenterm, der wegen ωpe2 >> ωpi 2 viel kleiner als der Elektronenterm ist, vernachlässigt.
ω =
2
ω 2p
ω 2p /  ω p  

k 2 V2e
3
+ iπ 2 F e0   
1 +
2 ω 2p
k 
k

ω 2p

ωp 
k 2 V2
ω = ω p  1 + 3 2 e + iπ 2 F /eo   
2 k
4 ωp
k 

(G.24)
Im Gegensatz zur kalten Theorie zeigt die Welle hier Dispersion. Man beachte, daß der Imagiωp
närteil explizit abzulesen ist. Wegen der Forderung Im(ω) > 0 muß F /e0   > 0 gefordert
k
werden. Die gesamte Verteilungsfunktion muß also im Flügel einen Bereich mit positiver Steigung besitzen. Da sie im Unendlichen verschwinden muß, hat die Verteilungsfunktion qualitativ die in Abb. G.6 dargestellte Gestalt. Wegen des positiven Imaginärteils wächst die Wellenamplitude exponentiell an. Die Situation beschreibt also eine Mikroinstabilität. Man nennt sie
Bump on the tail instability oder Zweistrominstabilität.
194
f) Der Fall Im(ω) < 0 (Landaudämpfung)
Abb. G.6: Eine positive Steigung bei ωp /k bedeutet,
daß zwei Gruppen von Teilchen mit unterschiedlicher
mittlerer Geschwindigkeit vorliegen.
Würde man die selbe Rechnung wie oben mit γ < 0 durchführen, würde sich ergeben:
ω r /k+δ
∫ ω /k−δ
r
F /ao
ω
dv x = −iπF /ao  r 
vx − ω/k
k
Dann würde für die Dispersionsrelation folgen
ω 2p

ωp 
k 2 V2
ω = ω p  1 + 3 2 e − i π 2 F /eo   
2k
4 ωp
k 

ωp
Diese Gleichung wäre falsch, da aus γ < 0 auch hier folgern würde F /ao   > 0, im Widerk
spruch zum obigen Ergebnis. Eine sorgfältigere Theorie ist die Landautheorie. Sie wird hier
nicht vorgeführt. In ihr führt man eine Laplace Transformation der Wellengleichung durch.
Dadurch transformiert man die Differentialgleichung in eine algebraische Gleichung, die sich
leicht lösen läßt. Bei der Rücktransformation in den t - Raum kommen funktionentheoretische
Argumente ins Spiel. Man benötigt die analytische Fortsetzung der Funktion ε(k,ω). Man beachte, daß die Funktionen
I + (ω) = ∫
und
I − (ω) = ∫
+∞
−∞
+∞
−∞
F /a0
dv
v − ω/k
für Im(ω) > 0
F /a0
dv
v − ω/k
für Im(ω) < 0
analytische Funktionen in der oberen, bzw. unteren Halbebene sind, I- allerdings nicht die analytische Fortsetzung von I+ ist, denn
ω
lim I ± (ω p + iγ) = ±iπF /a0  r 
k
γ→0
195
ω
Es folgt, daß I − (ω) + 2πiF /a0   die analytische Fortsetzung von I+ (ω) in die untere ω - Halk
bebene ist, da sie analytisch ist und beide Funktionen auf der Grenzfläche gleich sind. Voraussetzung ist, daß die Verteilungsfunktion analytisch ist. Es folgt, daß Gleichg. (G.24) auch für
ωp
Im(ω) gültig bleibt. D.h. wenn F /eo   < 0, sind die Plasmawellen gedämpft mit der
k
Dämpfungsrate
ωp
ωp
γ = ω p π 2 F /eo  
k
2k
2
Diese Dämpfung heißt Landaudämpfung. Die Welle wird also gedämpft, obwohl Stöße vernachlässigt wurden. Bei Vorliegen einer Maxwellverteilung
F e0 (v x ) =
wird
F /e0 (v x ) = −
1 e −v2x /V2e
π Ve
2v x −v2x /V2e
e
π V 3e
mit vx = ωp/k erhält man für die Dämpfungskonstane
3
γ
 ω p  e −(ω p /kVe ) 2
=
π
ωp
 kV e 
(Voraussetzung war
ωp
>> 1 )
kV e
g) Interpretation
Zur Interpretation betrachten wir eine elektrostatische Welle mit der Phasengeschwindigkeit
ω/k. Ein Elektron möge sich in Richtung der Wellenausbreitung mit einer Geschwindigkeit bewegen, die in der Nähe der Phasengeschwindigkeit der Welle liegt (s. Abb. G.7).
Abb. G.7: Teilchen, die sich anfangs bei (1) aufhalten
und langsamer als die Welle sind, gelangen in den Bereich der Welle, in dem E nach links zeigt. Sie werden
beschleunigt.
196
Elektronen mit einer Geschwindigkeit dicht unter der Phasengeschwindigkeit v = ω − δ gewink
nen Energie, wenn sie sich anfangs bei (1) Abb. G.7 aufhalten, da hier die Richtung von E zu
einer Beschleunigung führt. Elektronen, die sich anfangs bei (2) aufhalten verlieren Energie.
Die beschleunigten Teilchen sind allerdings der Beschleunigung länger ausgesetzt als die gebremsten der Verzögerung ausgesetzt sind. Im Mittel leistet die Welle Arbeit an den Teilchen.
Die Teilchen gewinnen durch Wellenreiten Energie.
ω
− δ verlieren
k
im Mittel nach der gleichen Argumentation Energie. Ob die Welle insgesamt gedämpft oder
Teilchen mit einer Geschwindigkeit dicht über dir Phasengeschwindigkeit v =
angefacht wird, hängt davon ab, ob die Teilchen mit kleinerer oder die mit größerer Geschwindigkeit zahlreicher sind.
ω
ω
ω
Aus F e0  − δ  > F e0  + δ  folgt, daß F /e0   < 0 . Die Welle leistet in diesem Falle Arbeit
k
k
k
und verliert damit Energie, d.h. sie wird gedämpft, während in dem umgekehrten Fall
ω
ω
ω
F e0  − δ  < F e0  + δ  folgt, daß F /e0   > 0. Hier wird die Welle angefacht. Der Imagik
k
k
närteil der Frequenz ist größer als Null. Diese Situation entspricht der Zweistrominstabilität.
h) Die Plasmadispersionsfunktion
Die Dispersionsrelation der elektrostatischen Welle Gleichg. (G.21) läßt sich einfacher schreiben, wenn man die Plasmadispersionsfunktion einführt. Diese erhält man aus dem Integral in
Gleichg. (G.23), wenn man für die Verteilungsfunktion die Maxwellverteilung einführt. Durch
partielle Integration erhält man
I=∫
+∞
−∞
+∞ F a0 (v)
F /a0 (v)
F a0 (v)  +∞
dv = 
+
dv
∫
v-ω/k
v-ω/k  −∞ −∞ (v-ω/k) 2
Der erste Term rechts verschwindet, da die Verteilungsfunktion im Unendlichen verschwinden
muß. Wählt man speziell als Verteilungsfunktion eine Maxwellverteilung
F a0 (v) =
I=
1
π Va
1 e −v2 /V2a
π Va
+∞
∫ −∞
e −v /Va dv
(v-ω/k) 2
2
2
197
Zunächst wird v/Va = u substituiert
I=
dann
1
π V 2a
e −u
du
(u − ω/kV a ) 2
+∞
2
∫ −∞
ω
= z , wobei z eine komplexe Variable ist, da ω komplex ist.
kV a
I=
1
π V 2a
e −u du = 1 d 1
V 2a dz π
(u − z) 2
+∞
2
∫ −∞
+∞
∫ −∞
e −u du
u−z
2
Man nennt
Z(z) = 1
π
+∞
∫ −∞
e −u du
u−z
2
mit der Nebenbedingung Im(Z) > 0 die Plasmadispersionsfunktion oder die Funktion von
Fried und Conte. Nach Gleichg. (G.21) lautet dann die Dispersionsrelation der elektrostatischen Welle
ε(k, ω) = 1 − Σ
a
ω 2pe /  ω 
=0
Z
k 2 V 2a  kV a 
Für konkrete Rechnungen ist oft eine andere Form geeigneter:
Z(z) = −2e −z
2
∫
z
e t dt + i π e −z
2
2
198
KAPITEL H
Anhang
1. Eine analytische Lösung für eine Teilchenbahn im inhomogenen
Magnetfeld
Es gibt nur wenige Beispiele, in denen eine Teilchenbahn für ein geladenes Teilchen im inhomogenen Magnetfeld analytisch gelöst werden kann. Ein solches Beispiel wird im folgenden
durchgerechnet.
Das Magnetfeld soll in z - Richtung weisen und nur von der Koordinate x abhängen, und zwar
in folgender Form:
B z (x) = B 0 e x/L
B(r) = B z (x)e z
Abb. H.1: Verlauf des Magnetfeldes
B0 und L sind Konstanten. B läßt sich dann durch die y - Komponente des Vektorpotentials
ausdrücken.
B z (x) = A /y (x)
mit
A y (x) = B 0 Le x/L
Das Teilchen möge auf der x - Achse mit einer Anfangsgeschwindigkeit in der y - Richtung
starten, d. h. die Teilchenbahn liegt in der xy - Ebene.
v0x = v0z = 0, x0 = y0 = 0. x0 wird später festgelegt. v0y = εav⊥. Das Vorzeichen in der Anfangsgeschwindigkeit sorgt dafür, daß sich die Bewegung in einem beschränkten Intervall in
199
Abb. H.2: Das Teilchen startet auf der x - Achse mit einer Geschwindigkeit v0y.
Richtung x abspielt. Wegen der Unabhängigkeit des Magnetfeldes von y ist die y - Komponente des verallgemeinerten Impulses konstant.
mv y (t) + qA y (x(t)) = mv 0y + qA y (x 0 )
Diese Gleichung wird nach vy aufgelöst, wobei v0y durch v⊥ ersetzt wird, das aufgrund des
Energieerhaltungssatzes konstant bleibt, und Ay(x) durch den expliziten Ausdruck.
q
v y (t) = ε a v ⊥ + ε a m B 0 L(e x0 /L − e x(t)/L )
ω
v y (t) = ε a v ⊥  1 + v c L(e x 0 /L − e x(t)/L ) 
⊥
q B0
v⊥
m . Zur Abkürzung wird α = ω c L gesetzt. α ist das Verhältnis von Gyrationsradius zu charakteristischer Länge für die Änderung des Magnetfeldes, L.
mit ω c =
1 e x0 /L − a x(t)/L 
v y (t) = εv ⊥  1 + α
(
)
vy ergibt sich dann aus der Energieerhaltung
v 2x +v 2y =v 2⊥
(H.1)
2
1 e x0 /L − e x/L  2 = v ⊥ −2αe x 0 /L − e 2x 0 /L + 2α + 2e x 0 /L e x/L − e 2x/L
v 2x =v 2⊥ 1 −  1 + α
(
(
)
[
)
]


α2
Dieser Ausdruck läßt sich vereinfachen, indem man x0 so wählt, daß
e 2x 0 /L + 2αe x 0 /L = 1
200
d.h.
e x 0 /L = −α + 1 + α 2
Man verliert hierdurch nicht an Allgemeinheit. Da x0 von dem frei wählbaren Parameter v0y abhängt, und die Wahl der Lage der y - Achse willkürlich ist, bleiben zwei Freiheitsgrade.
Damit wird
v
v x = ± α⊥ e x/L −e −2x/L + 2 1 + α 2 e −x/L − 1
Durch Trennung der Variablen wird die Aufgabe auf eine Integration zurückgeführt:
/
e x /Ldx /
x
∫0
−e −2x /L + 2 1 + α 2 e −x /L − 1
/
/
v
= ± α⊥ t = ω c Lt
Zur Vereinfachung des Integrals wird zunächst substituiert:
u = e −x/L mit e −x/L dx = −Ldu
e −x/L
∫e
−x 0 /L
−Ldu
−u 2 + 2 1 + α 2 u − 1
= ω c Lt
In der Wurzel wird die quadratische Ergänzung gebildet, die untere Grenze wird mit der Defi1
= α + 1 + α 2 , und die Grenzen werden
nition von α umgeschrieben: e −x 0 /L =
2
−α + 1 + α
vertauscht
α+ 1+α 2
∫e
−x/L
du
2
−  u − 1 + α 2  + 1 + α 2 − 1
=∫
α+ 1+α 2
e −x/L
1
α du
1 −  α1  u − 1 + α 2  
1  u − 1 + α 2  erhält das Integral die Form
Mit der Substitution w = α


∫
1
1  −x/L
−
α e
1+α 2 
1
dw = ω c t
1 + w2
2
= ωct
201
und läßt sich integrieren
−arcsin  α1  e −x/L − 1 + α 2   + arcsin 1 = ω c t


1


−x/L
2 
arcsin α  e
− 1 + α  = π − ωct

 2
e x/L =
1
1 + α + α cos (ω c t)
2
Aus dem Energiesatz (Gl (H.1)) läßt sich vy berechnen
v y (t)


1
1  −α + 1 + α 2 −
= εv ⊥  1 + α


1 + α 2 + α cos ω c t  


2
2
2
2

1 −α 1 + α + 1 + α − α cos ω c t + α 1 + α cos ω c t − 1 
= εv ⊥  1 + α



1 + α 2 + α cos ω c t

− 1 + α 2 + α − α cos ω c t + 1 + α 2 cos ω c t 
= εv ⊥  1 +



1 + α 2 + α cos ω c t
2
2
1 + α + α cos ω c t − 1 + α + α − α cos ω c t + 1 + α 2 cos ω c t
= εv ⊥
1 + α 2 + α cos ω c t
2
α + 1 + α cos ω c t
= εv ⊥
1 + α 2 + α cos ω c t
α 2 + 1 + α 2  α cos ω c t + 1 + α 2  − (1 + α 2 )
εv ⊥
= α
1 + α 2 + α cos ω c t

εv 
1
v y (t) = α⊥  1 + α 2 −


1 + α 2 + α cos ω c t 
Die Geschwindigkeit in y - Richtung unterscheidet sich von der in x - Richtung durch den konstanten additiven Term. Dies hat zur Folge, daß, während die Bahn bezüglich der x - Richtung
2π hat
periodisch, also geschlossen ist, sie in y - Richtung fortschreitet. In einer Periode T c = ω
das Teilchen die Strecke ∆y zurückgelegt.
202
Abb. H.3: Die Bahn hat Ähnlichkeit mit einer
Zykloide
=∫
∆y
2π/ω c
v y (t)dt

εv 
2π − 2π/ω c
1
= α⊥  1 + α 2 ω
dt

∫0
c

1 + α 2 + α cos ω c t 

εv ⊥  2π
1
2 π
2
1
+
α
−
dϕ


∫
α ωc
ωc 0

1 + α 2 + α cos ϕ 
Das Integral ergibt genau π, ist also unabhängig von α. Insgesamt ergibt sich also
εv
∆y = α⊥ T c  1 + α 2 − 1 
und die mittlere Geschwindigkeit in y - Richtung, d.h. die Driftgeschwindigkeit
uD =
∆y εv ⊥ 
εv
α2
= α  1 + α 2 − 1  = α⊥
Tc
1 + 1 + α2
=
εv 2⊥
ω c L  1 + 1 + α 2 
für α2 << 1, d.h. rc << L wird hieraus
v2
uD = 1 εv ⊥
2 ωcL
Diese Geschwindigkeit ergibt sich als gleich mit dem aus der Driftnäherung gewonnenen Wert.
Der recht verwickelte Rechengang bei diesem speziell wegen seiner Einfachheit bei der Bearbeitung ausgesuchten Problem läßt erahnen, daß es völlig hoffnungslos ist, nach einer allgemeinen Lösung für das inhomogene Problem zu suchen. Man ist daher auf Näherungsverfahren wie z.B. die Driftnäherung angewiesen.
203
2. Kontrollierte Kernfusion
a) Einleitung
Das Ziel der Forschung zur kontrollierten Kernfusion ist der Bau eines Reaktors, in dem durch
Fusion der Wasserstoffisotope zu Helium Energie gewonnen wird. Dies ist möglich, da die
Bindungsenergie pro Nukleon (BE) in Abhängigkeit von der Kernladungszahl ein Maximum
bei Kernladungszahlen von etwa 25 (d.h. bei dem Element Eisen) aufweist. Durch Kernspaltung gewinnt man Energie dadurch, daß der Beitrag durch elektrostatische Abstoßung von
Elementen hoher Kernladungszahl zu solchen mittlerer Kernladungszahl kleiner wird, bei Fusion dadurch, daß der Oberflächenbeitrag bei größeren Kernen kleiner wird. (Aus dem gleichen
Grund wachsen Wassertröpfchen im Nebel!)
Abb. H.5: Die Bindungsenergie pro Nukleon in Abhängigkeit von der Kernladungszahl
b) Kernphysikalische Grundlagen
α) Fusionsreaktionen
Von den zahlreichen möglichen Fusionsreaktionen werden im folgenden die für die Energiegewinnung wichtigsten aufgezählt:
D + D → Τ(1,01 MeV) + p(3,02 MeV)
→ He3(0,83 MeV) + n(2,45 MeV)
Diese beiden Kanäle sind im thermischen Plasma etwa gleich häufig
D + T → He4(3,5 MeV) + n(14,1 MeV)
D + He3
→ He4(0,6 MeV) + p(14,1 MeV)
T + T → He4 + 2n + 11,3 MeV
p, D, und T sind die drei Isotope des Wasserstoffs mit den Massenzahlen 1,2 und 3. Tritium
zerfällt über den β - Zerfall mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren. Es kommt natürlich in der
Atmosphäre vor, wo es durch kosmische Strahlung gebildet wird. Für die Anwendung als
Energielieferant müßte man es in einer Brutreaktion herstellen. Deuterium ist mit einem
204
Massenprozentsatz von 17ppm = 0,017 Promille im natürlichen Wasser vorhanden und billig
extrahierbar.
Als Brutreaktionen für Tritium kommen in frage:
n + Li6 → He4 + T + 4,8 MeV
n+Li7 → He4 + T + n´ - 7,47 MeV
Ein mit Tritium arbeitender Reaktor wird also Litium als Primärbrennstoff verbrauchen.
Es gibt außer den hier angeführten Fusionsreaktionen noch einige exotische wie solche, die eine bestimmte Polarisierung der Stoßpartner benötigen, oder die Myonen katalysierte Fusion.
Diese werden aber zur Zeit nicht ernsthaft verfolgt.
β) Querschnitte
Abb. H.5: Das Potential eines Wasserstoffkerns in Abhängigkeit des Stoßpartners gleicht einem Vulkankrater
Wegen der elektrostatischen Abstoßung der Kerne müssen die Stoßpartner vor dem Stoß genügend kinetische Energie aufweisen. Klassisch muß die Potentialschwelle überwunden werden, die das Coulombpotential am Kernradius annimmt. Dies sind etwa 280 keV, was einer
Temperatur von 2,8 109 K entspricht. In Wirklichkeit wird die Schwelle durchtunnelt und es
gibt eine merkliche Reaktionsrate bei kleineren Energien. Die Reaktionswahrscheinlichkeit
drückt man über den Wirkungsquerschnitt σ aus (s. Kap. E). Die Stoßfrequenz eines Teilchens
der Geschwindigkeit v mit einem Gas aus n Feldteilchen pro Volumen ist ν = σvn. Die Notwendigkeit hoher Energie der reagierenden Teilchen schlägt sich in der Temperaturabhängigkeit der Ratenkoeffizienten <σv> nieder (Abb. H.6). <σv> steigt in dem interessierenden
205
Bereich exponentiell mit der Temperatur, wobei die Werte für die DT Reaktion bei sehr viel
Abb. H.6: Die Ratenkoeffizienten der wichtigsten Fusionsreaktionen der Wasserstoffisotope
kleineren Temperaturen merkliche Größe annehmen als für die DD Reaktion. In der ersten Generation von Reaktoren wird daher mit Sicherheit die DT Reaktion ausgenutzt.
Die Coulombquerschnitte sind wesentlich größer als die Querschnitte für Fusion. Dies bedeutet, daß jeder Reaktionspartner im Mittel eine ganze Reihe (~20) von Coulombstößen erleidet, bevor er eine Fusionsreaktion auslöst. In einem Experiment, in dem ein Teilchenstrahl etwa aus einem Beschleuniger auf ein Target geschossen wird, führt das dazu, daß jedes Strahlteilchen seine Energie durch Coulombstöße abgegeben hat, bevor es eine Chance für Fusion
bekommt. Der Ausweg ist ein thermisches Plasma, in dem die Energie der Stoßpartner erhalten bleibt. Alle Versuche zur Kernfusion gehen daher von einem thermischen Plasma aus.
c) Minimalkriterien
α) Zündtemperatur
Abb. H.7: Zur Definition der Zündtemperatur
Betrachtet man die Energiedichte im Plasma in Abhängigkeit von der Temperatur, so stellt
man fest, daß sowohl die Leistungsdichte durch Kernreaktionen wie die durch Bremsstrahlung
mit der Temperatur steigen. Die Leistungsdichte durch Fusionsreaktionen steigt allerdings
206
schneller als die durch Bremsstrahlung, so daß bei einer gewissen Temperatur Tz beide Werte
gleich sind. Tz nennt man die Zündtemperatur. Für T > Tz wird mehr Fusionsleistung frei als
Bremsstrahlung verloren geht. Für die DT Reaktion liegt Tz bei etwa 5keV. Ein etwas besseres
Kriterium verlangt, daß die durch die He - Teilchen freigesetzte Energie (α - Heizung) die
Verluste aufwiegt.
β) Das Lawsonkriterium
Eine grobe Abschätzung der Leistungsbilanz führt zu einem Kriterium für die Mindestgröße
von nτ, wobei n die Elektronendichte, τ die Energieeinschlußzeit ist, also die Zeit, in der ein
wesentlicher Teil der Energie des Plasmas verlorengeht.
Die thermische Energiedichte ist
W = 3nkT = A(T)n
Leistungsdichte der Bremsstrahlung
PB = αn2T1/2 = B(T)n2
Leistungsdichte Fusionsreaktionen
PR = n2<σv>Q/4 = C(T)n2
(Der Exponent bei n gibt die Anzahl der beteiligten Teilchen wieder, wie in der Ableitung des
Massenwirkungsgesetzes im ersten Kapitel gezeigt. Bei PR ist Q die Reaktionsrate pro Stoß.
Da die Anzahl der Deuterium bzw. Tritiumkerne (1/2)n ist, ergibt sich ein Faktor 1/4.)
Wenn man sich vorstellt, daß eine gewisse thermische Energie aufgebracht werden muß, und
über die Einschlußzeit τ eine Bremsstrahlungsleistung aufrecht erhalten wird, daß diese Energie zuzüglich der Reaktionsenergie, die über die Zeit τ angefallen ist, mit einem Wirkungsgrad
η zurückgewonnen werden kann, so ergibt sich folgende Energiebilanz:
aufgewandte Energie:
W + PBτ
zurückgewonnene Energie:
η(W + PB + PRτ)
An + Bn2τ = η(An + Bn2τ + Cn2τ)
nτ(B - ηB - ηC) < (η - 1)A
neτ >
A
η
C−B
1−η
=
3kT
− αT 1/2
η ⟨σv⟩Q
1−η 4
Die Funktion (nτ) = f(T) ist in Abb. H.7 dargestellt. Sie hat ein Minimum bei etwa T = 20 keV.
Für η = 0,3 erhält man die Bedingung
n e τ > 10 20 sm −3
207
Diese Bedingung nennt man Lawson Kriterium. Wegen der zusätzlichen Verluste und dem
notwendigen Energieüberschuß bei Energieerzeugung wird ein höherer Grenzwert anzusetzen
sein.
Abb. H.8: Das Produkt nτ muß einen Mindestwert
übersteigen
d) Techniken zum Plasmaeinschluß
α) Einleitung
Das Lawsonkriterium besagt, daß Dichte mal Einschlußzeit einen gewissen Wert übersteigen
muß. Im Prinzip hat man einen Parameter zur freien Wahl. Es zeigt sich jedoch, daß nur zwei
Grenzfälle praktikabel sind:
i. Die Dichte ist oberhalb der Festkörperdichte. Die Einschlußzeit kann dann so kurz gewählt
werden, daß während der Aufheizphase die Teilchen aufgrund ihrer Massenträgheit nicht auseinanderfliegen. Dieses Gebiet ist das des Trägheitseinschlusses. Die Leistung zur Aufheizung
wird zumeist von Lasern aufgebracht.
ii. Das zweite Gebiet ist das des magnetischen Einschlusses. Hier ist die Dichte so klein, daß
bei der erforderlichen Temperatur ein Plasmadruck entsteht, der mit handhabbaren Magnetfeldern (B < 10T) aufgefangen werden kann.
β) Trägheitseinschluß
Trägheitseinschluß bedeutet t ~ r/vtherm , wobei t die Experimentdauer, r der Plasmaradius,
vtherm die thermische Geschwindigkeit bei Fusionsbedingungen ist. Das Lawsonkriterium besagt
t ~ 1/n. Daraus folgt, daß r ~ 1/n und der Energieinhalt des Plasmas Wtherm ~ r3n ~ 1/n2 geht.
Man erkennt, daß man möglichst hohe Teilchendichten n erreichen muß, um mit wenig Energie für die Heizung auszukommen. Mit der aufzuwendenden Energie ist übrigens auch die abgegebene Energie verknüpft, da man bei der Zündung beide Energien gleich groß hat. Bei einer Temperatur von 20 keV und ne = 1027 m-3 ergibt sich mit den obigen Formeln r = 0,01m
208
und Wtherm = 1010J. Dieser Energiewert überschreitet alles, was von Lasern aufbringbar ist oder
in einem Reaktor handbar ist, um Größenordnungen. Man muß daher die Ausgangssubstanz,
z.B. ein Kügelchen von festem Wasserstoff, über Festkörperdichte komprimieren. Bei ne =
1030m-3 erhält man r = 10µm und WT = 104 Joule und gelangt damit in die Größenordnung von
Laserenergien. Die Kompression um den Faktor 103 soll bei der Laserfusion durch die Strahlung selbst erfolgen. Theoretisch ist dies durch den Strahlungsdruck möglich, aber bisher nicht
realisiert.
Ein Fusionsreaktor auf der Grundlage der Laserfusion hat folgende Vorteile:
i. Es ist kein kompliziertes Magnetsystem erforderlich.
ii. Es ist keine Brennstoffumwälzung im Plasma notwendig.
iii. Es sind kleinere Kraftwerkseinheiten möglich.
Die Probleme:
i. Ausreichende Kompression wurde bisher nicht erreicht.
ii. Laser mit erforderlichem Wirkungsgrad, Leistung, Wellenlänge und Zuverlässigkeit
stehen nicht zur Verfügung. Der Puls müßte, um Kompression zu erreichen, einen bestimmten Zeitverlauf im Pikosekundenbereich haben.
iii. Die Belastung der optischen Komponenten ist schwer beherrschbar.
γ) Magnetischer Einschluß
Die ersten Fusionsexperimente nutzten den Pincheffekt aus. Mit einer Abwandlung des z Pinch, dem Plasmafokus, kann tatsächlich in verhältnismäßig kleinen Apparaturen ein Plasma
mit Fusionstemperaturen und - dichten erzeugt werden. Der Plasmafokus ist sogar als alternative
Neutronenquelle
in
Betracht
gezogen
worden.
Die
Neutronen
entstammen
Fusionsreaktionen. Für die Extrapolation zum Energie liefernden Reaktor sind Pinchexperimente nicht geeignet, da sie äußerst instabil sind und da sie keine vollkommenen Plasmafallen
darstellen, d.h. daß sie inhärent ähnlich wie die Spiegelmaschinen räumliche Gebiete aufweisen, an denen das Plasma austreten kann.
Die einfachste vollkommene Plasmafalle ist der axialsymmetrische Torus. Maschinen, die auf
ihm aufbauen, heißen Tokamaks. Der axialsymmetrische Torus benötigt einen im Plasma fließenden toroidalen Strom (s. Kap. H.3). Will man ohne einen derartigen Strom auskommen,
muß man von der Axialsymmetrie abweichen. Entsprechende Maschinen heißen Stellerator.
209
Stabilität des Tokamak
Stabilität und Gleichgewicht wird im Tokamak im wesentlichen beherrscht. Wir hatten gesehen, daß der reine z - Pinch instabil ist und sich durch ein überlagertes B - Feld in Achsenrichtung stabilisieren läßt. Dieses Verhalten läßt sich auf den Tokamak übertragen: Wenn der toroidale Strom eine gewisse Grenze überschreitet, wird der Tokamak instabil (daher der Name:
Maschine mit maximalem Strom). Die Grenze wird durch die Kruskal Shafranov Bedingung
gegeben, die besagt, daß eine Magnetfeldlinie bei einmaliger Umrundung des großen Umfangs
weniger als einmal den kleinen Umfang umlaufen darf. Die ganzzahligen Werte 1,2 und 3 für
dieses Verhältnis der Umläufe führen zu Instabilitäten. Geschlossene Flußröhren oder Inseln
sondern einen Teil des Plasmas vom Hintergrund ab und führen zu einer Verselbständigung
dieses Teilplasmas, was häufig in Instabilitäten endet.
Neben dieser Hauptinstabilität des Plasmas im Torus gibt es eine Reihe anderer Instabilitäten,
die entweder zu einem schnellen vollständigen Verlust des Plasmas führen können (Disruptions) oder sich selbst stabilisieren und zu regelmäßigen Oszillationen führen (Sägezahnschwingungen). Die Mechanismen sind nicht immer hinreichend geklärt.
Das Problem der Heizung im Tokamak
Der Tokamak wird durch ohmsche Heizung durch den toroidalen Strom auf eine Temperatur
von etwa 1keV geheizt. Da die Leitfähigkeit mit der Temperatur steigt, wird die Heizung mit
steigender Temperatur ineffektiver. Um die Temperatur über 1keV anzuheben, müssen zusätzliche Methoden zur Plasmaheizung angewandt werden. Von den verschiedenen Heizmethoden
haben sich zwei als praktikabel herausgebildet:
i. Die Heizung mit Neutralteilchenstrahlen
ii. Wellenheizung
Bei der Neutralteilchenheizung werden geladene Teilchen beschleunigt, in Umladungszellen
neutralisiert, als Neutralteilchen durch das Magnetfeld geschleust und im Plasma wieder ionisiert. Sie bringen ihre kinetische Energie ins Plasma ein, die dann thermalisiert werden muß.
Bei der Wellenheizung nutzt man aus, daß Wellen auch bei hoher Leitfähigkeit des Mediums
ihre Felder in das Plasmainnere transportieren können (Was im Festkörper der Skineffekt verhindert). Durch verschiedene resonante Effekte im Plasma, z.B. die Elektronen- oder Ionenzyklotronfrequenz, kann Energie auf Plasmateilchen übertragen werden.
210
Das Wandproblem
Die Belastung der ersten Wand durch Strahlung und Teilchenbeschuß führt zur Freisetzung
von Atomen aus der Wand. Diese haben gewöhnlich eine hohe Kernladungszahl Z, was zu einer erhöhten Abstrahlung von Bremsstrahlung führt und zu einer Erhöhten Energieaufnahme
durch diese Teilchen bei ihrer Z fachen Ionisation. Diese Verunreinigungsatome führen also zu
einer Erniedrigung der Temperatur, außerdem dadurch, daß sie die Plasmaleitfähigkeit herabsetzen, zu einer Erniedrigung der Einschlußzeit. Bei einem Reaktor ergibt sich darüberhinaus
das Problem der Lebensdauer der Wand im Langzeitbetrieb. Im schlimmsten Fall wird bei
Plasmakontakt die erste Wand zerstört. Das einfachste Verfahren, den Wandkontakt zu reduzieren, ist die Einführung einer Blende, die den Plasmaradius begrenzt. Dadurch ist der Wandkontakt zwar nicht vermieden aber an einer definierten Stelle. Die Blende kann so konstruiert
werden, daß sie der Belastung standhält, oder bei Beschädigung ausgebaut werden kann. Diese Blende heißt Limiter. Bei den modernen Experimenten berührt der Limiter den Plasmarand
nur über eine kleine Distanz in poloidaler bzw toroidaler Richtung.
Ein magnetischer Limiter oder Divertor ist eine Magnetfeldkonfiguration, bei der Magnetfeldlinien, die den Plasmarand umgeben, an einer Stelle aus dem Entladungsgefäß herausgezogen
und in eine Pumpkammer geführt werden, wo die entlang dem Magnetfeld fließenden Teilchen
auf einer Prallplatte neutralisiert werden. Verunreinigungen, die in die Randzone gelangen,
Abb. H.9: Poloidale Magnetfeldkonfiguration beim
Divertor
können so abgepumpt werden. Eine ähnliche Vorrichtung soll bei einem Reaktor zur Abführung der bei der Fusion entstandenen α - Teilchen verwendet werden.
Eine Erhebliche Verbesserung bezüglich der Plasmaverunreinigung konnte durch eine Beschichtung der Wand mit niedrig Z Materialien wie Kohlenstoff, Bor oder Beryllium erreicht
werden. Den Verunreinigungsgrad mißt man an einer gemittelten Kernladungszahl Zeff. Während frühere Experimente typischerweise Zeff ~ 5 aufwiesen, erreicht man in heutigen Zeff ~ 1,2,
wodurch Temperaturen bis 20 keV ermöglicht werden. Nach einer Betriebszeit von 1 - 2 Sekunden steigt der Verunreinigungsgrad und das Plasma kühlt ab.
211
3. Die Grad - Shafranov Gleichung
a) Einleitung
Die Grad - Shafranov Gleichung ist eine Differentialgleichung für die Flußfunktion Ψ(r,z) im
MHD Gleichgewicht. Sie gestattet es bei Berücksichtigung der geeigneten Randbedingungen
die Form und Lage der Flußflächen Ψ(r,z) = const. für eine axialsymmetrische Konfiguration
im Gleichgewicht zu berechnen.
Ausgangspunkt sind die Grundgleichungen für den magnetischen Einschluß
j × B = ∇p
rotB = µ 0 j
divB = 0
Da Axialsymmetrie vorliegen soll, sind alle Größen nur von r und z abhängig. Um die Beziehung divB = 0 auszunutzen, wird der Ansatz B = rota gemacht, worin a das Vektorpotential
∂
ist. Mit
= 0 hat man
∂ϕ
Br = −
Bϕ =
∂
aϕ
∂z
∂
∂
a r − az
∂z
∂r
∂
B z = 1r ra ϕ
∂r
Die Komponenten von B und damit auch die von j können durch die zwei Variabeln Bϕ und aϕ
ausgedrückt werden.
b) Die Flußfunktion Ψ(r,z) und die Stromfunktion I(r,z)
Abb. H.10: Das r und z im Argument der Flußfunktion
bezieht sich auf Radius eines Kreises auf der Flußfläche
und Lage seines Mittelpunktes
212
Ψ(r,z) ist, wie wir gelernt haben, der gesamte Fluß des Magnetfeldes, der durch einen Kreis
mit festem r geht, dessen Mittelpunkt auf der z - Achse bei z liegt.
r
r
Ψ(r, z) = ∫ B z dA = 2π ∫ B z rdr
Entsprechend definiert man die Stromfunktion I(r,z) als den Gesamtstrom durch diesen Kreis
r
r
I(r, z) = ∫ j z dA = 2π ∫ j z rdr
c) Zurückführen der Felder und Ströme auf Ψ und I
Die Grundgleichungen des Gleichgewichts werden nun umgeschrieben, indem j und B durch
Ψ und I ausgedrückt werden. Da alle Größen durch aϕ und Bϕ ausgedrückt werden können,
werden zunächst aϕ und Bϕ aus I und Ψ berechnet. Aus der Definition von Ψ erhält man
r
Ψ = ∫ rota • dA = ∫ a • ds = 2πra ϕ
Die Integration wird über den durch r und z definierten Kreis ausgeführt. Analog ergibt sich
füt I:
r
µ 0 I = ∫ rotB • dA = 2πrB ϕ
Die gewünschten Beziehungen sind also
a ϕ = 1 Ψ(r, z)
2πr
Bϕ =
µ0
I(r, z)
2πr
Aus der Definition des Vektorpotentials erhält man
Br = −
∂a ϕ
∂Ψ
=− 1
∂z
2πr ∂z
213
∂
∂Ψ
B z = 1r ra ϕ = 1
2πr ∂r
∂r
Aus rotB = µ0j ergibt sich dann
µ0jr = −
µ0jϕ =
µ 0 ∂I
∂
Bϕ = −
∂z
2πr ∂z
∂I
jr = − 1
2πr ∂z
∂
∂
∂ 2 Ψ 1 ∂ 1 ∂Ψ
1  ∂ 2 Ψ + r ∂ 1 ∂Ψ 
Br − Bz = − 1
−
=
−
∂z
∂r
∂r r ∂r 
2πr ∂ 2 2π ∂r r ∂r
2πr  ∂ 2
Mit dem Differentialoperator D =
∂2
∂ ∂
+ r 1r
wird hieraus
∂r ∂r
∂ 2
µ 0 j ϕ = − 1 DΨ
2πr
(H. 2)
µ0 ∂
∂
µ 0 j z = 1r rB ϕ =
I
∂r
2πr ∂r
∂
µ0jz = 1
I
2πr ∂r
d) Die Gleichgewichtsgleichung
Die gewonnenen Beziehungen für B und j werden in die Gleichgewichtsbeziehung j × B = ∇p
eingesetzt. Die linke Seite ergibt
r Komponente:
j ϕ B z − j zB ϕ = −
µ 0 ∂I
∂Ψ
1
DΨ
−
I
∂r 4π 2 r 2 ∂r
µ 0 4π 2 r 2
z Komponente:
j r B ϕ − j ϕB r = −
µ 0 ∂I
∂Ψ
I − 1
DΨ
4π 2 r 2 ∂z µ 0 4πr 2 ∂z
Definiert man den zweidimensionalen Gradienten



∂
∂r
∂
∂z

 =∇

214
so lassen sich die beiden Gleichungen der Gleichgewichtsbeziehung zu einer Vektorgleichung
zusammenfassen.
− 12 2  µ1 DΨ∇Ψ + µ 0 I∇I  = ∇p
0
4π r
Jeder Flußfläche kann ein bestimmter Wert der Funktionen Ψ, I und p zugeordnet werden.
Daher lassen sich I und p auch als Funktionen von Ψ auffassen.
I = I(Ψ), p = p(Ψ)
∇I = dI ∇Ψ,
dΨ
und damit
∇p =
dp
∇Ψ
dΨ
Dies in die vorher gewonnene Form der Gleichgewichtsbedingung eingesetzt ergibt nach Multiplikation mit -4πr2µ0 die Grad - Shafranov - Gleichung.
dp
−DΨ∇Ψ − µ 20 I dI ∇Ψ = 4π 2 r 2 µ 0
∇Ψ
dΨ
dΨ
dp
DΨ + µ 20 I dI = −4π 2 r 2 µ 0
∇Ψ
dΨ
dΨ
DΨ = A(Ψ)r 2 + B(Ψ)
mit A(Ψ) = −4π 2 µ 0
dp
dΨ
und
B(Ψ) = µ 20 I dI
dΨ
A(Ψ) und B(Ψ) sind willkürliche Funktionen, die die Verteilung von p und j auf die Flußflächen angeben. Diese Funktionen folgen nicht aus der Theorie, sondern sind willkürlich wählbar. Die Willkürlichkeit rührt daher, daß alle Dissipationsprozesse, die letztendlich die Verteilungen bestimmen, vernachlässigt wurden. Man beachte, daß es nicht ungewöhnlich ist, daß in
Problemen mit partiellen Differentialgleichungen willkürliche Funktionen auftauchen, wie z. B.
in der Lösung der Wellengleichung. Wenn man A(Ψ) und B(Ψ) angibt, läßt sich die Grad Shafranov - Gleichung mit geeigneten Randbedingungen lösen. A(Ψ) und B(Ψ) bestimmen die
215
Profilform von p(r,z), B(r,z), und j(r,z). Das Verfahren funktioniert deshalb, weil die Lage und
Form des Plasmas, die gleich der Form der Flußflächen ist, bei vorgegebenen äußeren Strömen
nicht sehr empfindlich von der genauen Form der Profile abhängt. Man kann also irgendein mit
Beobachtungen konsistentes Druck - und Stromprofil wählen und erhält in erster Näherung die
Lage des Plasmas. Die Lösung der Grad - Shafranov - Gleichung erfolgt im allgemeinen mit
speziellen Computercodes. Es gibt eine analytische Lösung der Grad - Shafranov - Gleichung
für eine spezielle Wahl von A und B, das Solovev - Gleichgewicht, das im übernächsten Abschnitt kurz behandelt wird.
e) Axialsymmetrischer Einschlusses ohne toroidalen Strom im Plasma ?
Die linke Seite der Grad - Shafranov - Gleichung ist identisch mit -2πrjϕ . Es folgt für jϕ = 0
B(Ψ)/A(Ψ) = -r2
In diesem Fall ist Ψ also nur eine Funktion von r. Für konstantes Ψ ist also auch r konstant,
d.h. die Flußflächen sind Zylinderflächen und ergeben keine toroidale Einschlußkonfiguration.
f) Das Solovev - Gleichgewicht
Wählt man speziell nach Solovev
A = const., B = 0
wird die Grad - Shafranov Gleichung
 ∂ 2 − 1 ∂ + ∂ 2  Ψ = Ar 2 .
 ∂ 2 r ∂r ∂ 2 
Wie man leicht nachprüft, wird diese Gleichung durch Ψ = ar2 + br4 +cz2r2 gelöst, wenn 8b +
2c = A ist. Zur besseren Interpretation schreibt man diese Funktion in der Form
2
Ψ = Ψ 0 r 4 (2R 2 − r 2 − α 2 z 2 )
Für r = R und z = 0 wird Ψ = Ψ0. Ψ0 ist also der Wert der Flußfunktion auf der Seele des Torus. Ψ = 0 ist einen spezielle Flußfläche, die ellipsoidale Form hat, wobei α = 1 den Sonderfall
216
einer Kugel darstellt. Innerhalb dieser "Seperatrix" schließen sich alle Flußflächen, denn Ψ = 0
heißt, daß innerhalb dieser Fläche der positive Fluß gleich dem negativen ist. In der Umgebung
Abb. H.11: Die Flußflächen der Solovev Lösung der Grad Shafranov - Gleichung für α = 1.
der Seele bei r = R und z = 0 haben die poloidalen Schnitte der Flußfläche die Form von Ellipsen mit dem Sonderfall α = 1, bei dem sich Kreise ergeben.
Jede Flußfläche kann als Plasmaoberfläche aufgefaßt werden. Man wählt die Integrationskonstante so, daß an der Plasmaoberfläche p = 0 wird. Außerhalb der Plasmaoberfläche gilt die
gleiche Differentialgleichung wie innerhalb, aber mit jϕ = 0. Die Solovev Lösung ist auf das
Plasmainnere beschränkt.
217
4. Berechnung der Plasmaleitfähigkeit über den Fokker - Planck
Stoßterm.
a) Geschwindigkeits - Relaxationszeit
Ausgangspunkt ist die Bewegungsgleichung für eine Teilchensorte in der 5 - Momentennäherung (Gl. (G.18)):
∂
∂
∂
m a n a  + v a •  v a = − (n a kT) + n a q a (E + v × B) + f a,R .
∂r
∂r
∂t
Diese wird angewandt auf den Spezialfall eines homogenen, magnetfeldfreien Plasmas (B = 0)
mit einer Sorte einfach geladener Ionen (qi = e, ni = ne). Dann vereinfacht sich diese Gleichung
zu
d v (t) − q a E = 1 f
a
ma
n a m a a,R
dt
(H.19)
Für kleine Relativgeschwindigkeiten zwischen Elektronen und Ionen (ve - vi ) wird die Reibungskraft proportional zur Relativgeschwindigkeit sein
1
1
n a m a f R = − τ ei (v e − v i )
(H.20)
τei ist die Elektronen - Geschwindigkeitsrelaxationszeit, d.h. die charakteristische Zeit nach der
die Geschwindigkeit ve0 - vi durch Elektronen - Ionen Stöße abklingt. Dies erkennt man an Gl.
(H.19) für E = 0 und vi = const. Dafür gilt nämlich
d v (t) = 1 (v − v )
e
i
τ ei e
dt
mit der Lösung
v e (t) = v i + (v e − v i )e −t/τ ei
b) Zusammenhang von Relaxationszeit und Leitfähigkeit
Gleichung (H.19) wird für E ≠ 0 für die beiden Teilchensorten
d v (t) + e E = 1 f
e
me
n e m e e,R
dt
218
d v (t) − e E = − 1 f
i
mi
n i m i e,R
dt
Wegen actio = rectio sind die Reibungskräfte gleich. Durch Substitution beider Gleichungen
erhält man
d (v − v ) +  1 + 1  eE = 1  1 + 1  f
e
i
n e  m e m i  e,R
 me mi 
dt
Durch Einführen der reduzierten Masse
m ab =
ma m b
m +m
und der Definition von τei (Gl. H.20) wird hieraus
d (v − v ) + e E = − 1 m e (v − v )
e
i
i
m ei
τ ei m i e
dt
Für Zeiten t >> τei verschwindet der erste Term (s. letzte Gleichung im vorigen Abschnitt)
(v e − v i ) = − me τ ei E
e
da
n ee2
j = −n e ev e + n i ev i = −n e e(v e − v i ) = m
τ ei E = σE
e
nee2
σ= m
τ ei
e
folgt
(H.21)
c) Berechnung von fa,R
α)fa,R wird durch den Fokker - Planck Stoßterm ausgedrückt
Die Berechnung von σ erfolgt also über τei und die von τei über die Reibungskraft Gleichung
(H.20) mit Hilfe des Fokker - Planck - Stoßterms. Die Dichte der auf die a - Komponente wirkenden Reibungskraft ist (s. Gl. G16)
∂f a 
f a,R = m a ∫ v 
 ∂t 
d3v
∂ 2 v − v /  1 ∂f a
∂f b
∂
3 /
= Σ C ab ∫ d vv • ∫ d v
• m
f b (v / ) − m1 f a (v) / 
a
b

∂v
∂vv
∂v
∂v 
b
3
219
Der Term unter der Summe wird mit fab abgekürzt, so daß f a,R = Σ f ab . Außerdem wird das
b
zweite Integral vorübergehend mit (I) abgekürzt.
3 /∂
(I) = ∫ d v
2
v − v /  1 ∂f a
∂f b
• m
f b (v / ) − m1 f a (v) / 
a
b

∂vv
∂v
∂v 
fab kann vereinfacht werden:
f ab = C ab Σ e i ∫ d 3 vv i
i,j
∂ (I)
∂v i j
 ∂ 

= C ab Σ e i ∫ d 3 v 
v i (I) j  − δ ij (I) j 

∂v
i,j
 j

= −C ab Σ e i ∫ d 3 v(I) i
i
= −C ab ∫ d 3 v(I)
f ab = −C ab ∫ d 3 v∫ d 3 v /
∂ 2 v − v /  1 ∂f a
∂f b
• m
f b (v / ) − m1 f a (v) / 
a
b

∂vv
∂v
∂v 
(H.22)
Durch Vertauschen der Indizes ab und der Substitution v → v / kann man zeigen, daß
f ab = −f ab und daher faa = 0, und damit
f ab = 0 .
Σa f a,R = Σ
a,b
β) fab in der 5 - Momentennäherung
In der 5 - Momentennäherung werden die Verteilungsfunktionen als maxwellsch angenommen
f a (v) =
f b (v / ) =
n a −(v−v a ) 2 /V2a
e
3/2 3
π V
n b −(v / −v b ) 2 /V2b
e
π 3/2 V 3b
Die Temperaturen sollen gleich sein: Ta = Tb = T. Dann wird die Klammer im Integranden
von Gl. (H.22)
220
1 ∂f a f / − 1 f (v) ∂f b =  −2 v − v a + 2 v / − v b  f (v)f /
b (v )
 a
m a ∂v b (v ) m b a ∂v /  m a V 2
m b V 2b 
a
= 1 (−(v − v / ) + v a − v b )f a (v)f b (v / )
kT
Beachtet man außerdem (s. Abschnitt 2.c.β), daß
∂2 v − v/
• (v − v / ) = 0
∂v∂v
erhält man aus Gl. (H.22)
f ab = −C ab ∫ d 3 v∫ d 3 v /
∂2 v − v/
f a (v)f b (v / ) • (v a − v b ) 1
∂v∂v
kT
(va - vb) steht als Faktor vor dem Integral. Im Grenzfall kleiner Relativgeschwindigkeiten würde also ein Term va - vb innerhalb des Integrals zu Termen führen, die von 2. Ordnung klein
sind. In den Verteilungsfunktionen fa und fb unter dem Integral wird deshalb va = vb = 0
gesetzt.
f ab
C
n n
= − ab 3 a 3 b 3
kT π V a V b
∂ 2 v − v / −v2 /V2a −v/2/V2
b • (v − v )
a
b
∫ d vd v ∂v∂v / e
3
3 /
=
Das Integral wird mit I abgekürzt. Die folgende Rechnung konzentriert sich dann auf dieses
Integral.
f ab = −
C ab n a n b =
I •(v a − v b )
kT π 3 V 3a V 3
=
γ) I ist bis auf einen Faktor gleich der Einheitsmatrix
Nach Gleichung (G.14) gilt

3 /
I ij = ∫ d v∫ d v  1 / δ ij −
 v−v

Man erkennt, daß für i ≠ j
3
/ 
/ 
(v i − v i )  v j − v j   2 2 /2 2
−v /Va −v /Vb
e
/ 3

v−v

(H.23)
221
∫ d v∫ d
3
3 /
v
/ 
/
(v i − v i )  v j − v j 
v−v
3
e −v
2 /V2 −v /2 /V2
a
b
=0
Es bleiben also nur die Diagonalelemente übrig
v
3 /( i
I ij = δ ij ∫ d vd v
3
− v/i )
v−v
2
/ 3
e −v
2 /V2 −v /2 /V2
a
b
Die verbleibenden Elemente mit unterschiedlichem i sind alle gleich. Daher kann man schreiben
/ 2
v−v
2 2
/2 2
I ij = 1 δ ij ∫ d 3 v∫ d 3 v /
e −v /Va −v /Vb
3
/
3
v−v
1
1 δ e −v2 /V2a −v/2 /V2b
= ∫ d 3 v∫ d 3 v /
/ 3 ij
v−v
=
=
2 2
/2 2
I = 2 1 ∫ d 3 v∫ d 3 v/ 1 / e −v /Va −v /Vb
3
v−v
In Gl (H.23) kann also der Vektor (va - vb) mit der Einheitsmatrix ausmultipliziert werden
f ab = −
C ab n a n b
(v a − v b ) 2 I
3
3
3
3
kT π V a Vb
(H.24)
Worin I das verbleibende Integral ist
I = ∫ d 3 v∫ d 3 v /
1 e −v2 /V2a −v/2 /V2b
v − v/
δ) Berechnung von I
Zur Berechnung des Integrals wird substituiert u = v´ - v, d.h. v´ = v + u. Zur Abkürzung wird
außerdem gesetzt 1/Va2 = α, 1/Vb2 = β. Damit schreibt sich das Integral
2
2
I = ∫ d 3 v∫ d 3 u 1u e −αv −β(v+u)
2
2
= ∫ d 3 u 1u e −βu ∫ d 3 ve −(α+β)v −2β•v
222
+∞
−(α+β)  v 2x +v 2y +v 2z  −2β(u xv x +u y v y +u z v z )
2
= ∫ d 3 u 1u e −βu ∫ ∫ ∫ dv x dv y dvz e
−∞
Das Integral läßt sich also für jede der Integrationsvariable ausrechnen, z.B. für dvx:
+∞
+∞
∫ −∞ e −(α+β)v −2βu v dvx = ∫ −∞ e
2
x
x x
−(α+β) v 2x +2βu x v x /(α+β)
dv x
=∫
+∞
−∞
e −(α+β)(vx +βu x /(α+β)) dv x e β u x /(α+β)
2
2 2
π e β2 u 2x /(α+β)
α+β
Für das Integral über alle drei Komponenten ergibt sich damit
∫ d ve
3
−(α+β)v 2 −2βu•v
 π 
=
α + β
2
π 
I = ∫ d u 1u e −βu
α + β
3
3/2
e
+β2  u 2x +u 2y +u 2z  /(α+β)
3/2
e +β
2 u 2 /(α+β)
3/2
∞
2
 π 
4π ∫ ue −αβu /(α+β) du
0
α + β
3/2
α
+ β ∞ −x 2
 π 
=
4π
xe dx
α + β
αβ ∫ 0
=
Das Integral ergibt den Wert 1/2. Insgesamt erhält man also
5/2
αβ
π 5/2 V 3a V 3b
I = 2 π 3/2
=2
α+β
(αβ)
V 2a + V 2b
ε) Ergebnisse
Durch Einsetzen von I in die Gleichung (H.24) erhält man
f ab
π 5/2 V 3a V 3b
C ab n a n b
C n n v − vb
4
(v a − v b )
=−
= − 4 1 ab a b a
3
3
3
kT π V a V b
kT
3 V2 + V2
3 π
V 2a + V 2b
a
b
223
Eine genauere Rechnung zeigt, daß die Korrekturen durch Glieder höherer Ordnung von der
Größenordnung
(v a − v b ) 2 /(V 2a + V 2b )
sind. Damit erhält man, wenn man die Korrekturterme höherer Ordnung vernachlässigt, und
die thermische Geschwindigkeiten durch T ausdrückt
V 2a + V2b = 2kT  m1 + m1  =
a
b
2kT
m ab
C ab n a n b m a m b
(v a − v b )
f ab = − 4 1
3 2π
(kT) 3/2
Verallgemeinert man die Gleichung (H.20) zu
1
1 f =−
1 (v − v )
ab
a
b
Σ
n a m a f a,R = Σ
n
τ
ama
ab
b
b
so liest man für die Relaxationszeit ab
1
4 1 C ab n b m ab
τ ab = 3 2π (kT) 3/2 m a
Nach der Definition von Cab (s. Abschnitt c.β) war
2
C ab
qaqb 
= 2π 
ln Λ ab
 4πε 0 
Damit folgt für die Relaxationszeit
2
m ab n b
1 = 4 2π  q a q b  ln Λ
ab m
τ ab 3
 4πε 0 
a (kT) 3/2
224
Die Formel für die Leitfähigkeit nach Spitzer ergibt sich hieraus, wenn man den Sonderfall des
Zweikomponentenplasmas mit qi = e und ni = ne betrachtet.
Dann ergibt sich für die
Relaxationszeit
n e τ ei 3 1  4πε 0 
2
me = 4
2π  e 
2
1
(kT) 3/2
m e ln Λ
und für die Leitfähigkeit nach Gl. (H.21)
nee2
σ= m
τ ei
e
(4πε 0 ) 2 (kT) 3/2
σ= 3 1
4 2π
m e ln Λ
e2
Die Leitfähigkeit ist nur über lnΛ schwach von der Dichte abhängig im übrigen proportional
zu T3/2. Im folgenden erzeugen wir eine zugeschnittene Größengleichung, in der σ zahlenmäßig in 1/(Ωm) aus T* in eV berechnet wird. Bei einem Vergleich mit anderen Quellen, z.B. unserer Formel C.9 sollte man beachten, daß unterschiedliche Werte für lnΛ zugrundegelegt sein
können. Mit
lnΛ =10, 1/4πε0 = 9 109 VmA-1 s-1, k = 1,38 10-23 JK-1, 1K = 1,16 104 eV, e = 1,60 10-19 As,
me = 9,11 10-31 kg,
erhält man als Vorfaktor 103
Die gewünschte Faustformel hat dann die Form
σ ≅ 10 3 T ∗3/2 1
Ωm
T* ist die Temperatur in eV. Durch Berücksichtigung der Wärmestromdichten im Ansatz für
fa(v), fb(v´) ergibt sich eine Modifikation des Vorfaktors um einen Faktor 1,98. Damit erhält
man die endgültige Spitzer - Formel
σ = 2 ⋅ 10 3 T ∗3/2 1
Ωm
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