Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik

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Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik
Praktikum der Analogelektronik
Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl
7. Versuch
Aufbau eines Verstärkers zur Messung von Elektrokardiogrammen
Prof. Dr. R Schulz
(Durchführung Seite K-8)
Literatur:
[1]
J. Pätzold, H. Kresse
Handbook ofElectromedicine
Siemens AG, John Wiley & Sons
[2]
Thews Vaupel
Vegetative Physilogie
2. Auflage, Springer Verlag
[3]
J. Eichmeier
Medizinische Elektronik
2. Auflage, Springer Verlag
Grundlagen der Elektrokardiographie
Unter einem Elektrokardiogramm (EKG) versteht man die zeitaufgelöste Messung von
Spannungen, zwischen verschiedenen Punkten an der Hautoberfläche einer
Versuchsperson, die durch die Herztätigkeit verursacht werden. Die Pumptätigkeit des
Herzens besteht vereinfacht ausgedruckt aus einem regelmäßigen Zusammenziehen und
Wiedererschlaffen des Herzmuskels. Eine erregte Herzmuskelfaser ist an ihrer
Zelloberfläche gegenüber einer unerregten Faser elektronegativ. Während des
Erregungsablaufes entstehen daher in der Herzmuskulatur Potentialdifferenzen zwischen
den erregten und den unerregten Zellen. Da das Herz in leitende Medien eingebettet ist
fließen in seiner Umgebung Ströme. Diese verursachen an der Körperoberfläche
Spannungen die von definierten Oberflächenpunkten als Elektrokardiogramm (EKG)
gemessen werden können. Die Form des EKG ist vom Erregungsablauf im Herzen und
von der Lage der Aufnahmeelektroden abhängig. In der Literatur wird allgemein die Lage
der Elektroden als Ableitungsform und die Messung der Spannungen als Ableitung
bezeichnet. Die charakteristischen Spannungsverläufe des EKG lassen sich am besten
für die Ableitung zwischen dem rechten Arm und dem linken Bein (Standardableitung II
nach Einthoven) erläutern. Abb. 1 zeigt ein normales auf diese Weise abgeleitetes EKG.
Man erkennt darin Zacken und Wellen mit positiver oder negativer Ausschlagsrichtung,
die mit den Buchstaben P bis U bezeichnet werden. Den Abstand zwischen zwei Zacken,
in dem die EKG-Kurve auf der Nullinie verläuft, charakterisiert man als Strecke oder
Segment. Zacken und Strecken werden zu Intervallen zusammengefaßt, deren zeitliches
Korrelat man als Dauer bezeichnet. Das Intervall zwischen zwei R-Zacken entspricht der
Dauer einer Herzperiode aus der sich die Pulsfrequenz P. (Herzschläge / Min.) errechnen
läßt. Sie ergibt sich zu:
Ps
60
T RR
[Herzschläge/Min.]
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TRR = Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden R-Zacken
Bedeutung der einzelnen EKG-Abschnitte
Die Zacken und Wellen des EKG stehen in Beziehung zum Erregungsablauf im Herzen,
Der sogenannte Vorhofteil beginnt mit der P-Welle; sie ist Ausdruck der
Erregungsausbreitung in den Vorhöfen.
Im Bereich der PQ-Strecke ist die gesamte Vorhofmuskulatur gleichmäßig erregt, so daß
keine Potentialdifferenzen (Spannungen) innerhalb des Vorhofmyokards vorliegen. Die
Erregungsruckbildung des Vorhof myokards wird vom Beginn des Kammerteils überdeckt.
Das PQ-Intervall entspricht der sogenannten Überleitungszeit, das heißt, der Dauer vom
Beginn der Vorhoferregung bis zum Beginn der Kammererregung. Es dauert
normalerweise 0,12 bis 0,18 Sekunden. Der Kammerteil reicht vom Beginn der Q-Zacke
bis zum Ende der U-Welle. Die QRS-Gruppe entsteht durch die Erregungsausbreitung in
den beiden Ventrikeln. Die anschließende ST -Strecke zeigt durch ihren Nullinienverlauf
an, daß während dieser Zeit alle Abschnitte des Ventrikel myokards gleichmäßig erregt
sind, Die T -Welle kennzeichnet schließlich die Erregungsruckbildung in den Ventrikeln.
Gelegentlich tritt in Anschluß an die T-Welle noch eine U-Welle auf, deren Bedeutung
noch unklar ist. ST-Strecke, T-Welle und U-Welle bilden zusammen den sogenannten
Kammerendteil.
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Ableitung der EKG-Spannungen
Die
von
der
Körperoberfläche
abgeleiteten
EKG-Spannungen
liegen
größenordnungsmäßig im Bereich von mV und müssen für die Registrierung
entsprechend verstärkt werden. Nach der Anordnung der Ableiteelektroden unterscheidet
man bipolare und unipolare Ableitungen. Bei der bipolaren Ableitung wird die Spannung
zwischen zwei Punkten der Körperoberfläche registriert. Bei der unipolaren Ableitung
registriert man die Spannung zwischen einer differenten Elektrode auf der
Körperoberfläche und einer indifferenten, nahezu potentialkonstanten Bezugselektrode,
die man durch Zusammenschluß mehrerer Ableitstellen erhält. In der medizinischen
Diagnostik werden mehrere standardisierte bi- und unipolare Ableitungsverfahren
verwendet. [1] [2] [3]
Standardableitungen nach Einthoven
Als bipolares Verfahren wurde bereits die Standardableitung II nach Einthoven erwähnt.
Bei dieser Ableitung wird am rechten Unterarm und am linken Bein jeweils eine Elektrode
befestigt und deren Spannungsdifferenz gemessen. Durch hinzufügen einer weiteren
Elektrode am rechten Unterarm ergeben sich dann noch zwei weitere
Standardableitungen (Abb. 2). In (Abb. 1) ist ein typisches EKG-Signal dargestellt, wie
man es bei einer Standardableitung II erhält.
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Unipolare Brustwandableitungen nach Wilson
Bei diesen EKG-Ableitungen werden sechs Elektroden an genau festgelegten Punkten
der Thoraxwand angebracht (Abb. 3). Sie werden als differente Elektroden bezeichnet.
Als gemeinsame (indifferente) Elektrode dient der Zusammenschluß der drei
Extremitätenelektroden über Widerstände von jeweils 5 K . Die sechs Ableitungsformen
nach Wilson werden mit V1 bis V6 bezeichnet. Infolge der größeren Herznähe der
Elektroden sind die Amplituden im EKG größer als bei den Standardableitungen nach
Einthoven. In der Literatur [1, 2, 3] sind noch weitere Ableitungen beschrieben, die bei
bestimmten pathologischen Formen des EKG Vorteile bringen.
Anforderungen an einen EKG. Verstärker
Die gemessenen Spannungen an der Thoraxwand z.B. V1, V6 liegen bei maximal 1 mV (RZacke) und an den Extremitäten bei einigen 100 V. Diesen Spannungen überlagert ist
ein Netzbrumm (50 Hz) von 5 -10 mV, der kapazitiv über elektrische Geräte,
Versorgungsleitungen, Beleuchtung etc. ebenfalls in den Verstärker eingekoppelt wird.
Der hohe Netzbrumm hängt auch mit dem praktikumsbedingten offenen Aufbau der
Schaltung und den vielen sich im Raum befindlichen Geräten zusammen. Diesen
Spannungen überlagert ist eine Gleichspannung im Bereich bis 300 mV. Sie kommt als
Kontaktspannung zwischen den Elektroden und der Hautoberfläche zustande. Sie tritt
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auch auf, wenn für alle Elektroden gleiche Materialien verwendet werden und rührt dann
beispielsweise von verschiedenen Säurekonzentrationen an den einzelnen Hautstellen
her (galvanisches Element).
Aufgabe der Verstärkerschaltung ist es nun sowohl die Gleichspannung als auch den
Netzbrumm auszufiltern ohne die spektralen Anteile des EKG zu verfälschen. Das EKGSignal muß dann noch um einen Faktor 1000 bis 2000 verstärkt werden. Mit den im
Praktikum zur Verfügung stehenden Mitteln (2 Operationsverstärker und offener
Schaltungsaufbau) wird folgende Schaltung gwählt.
Stufe I der Schaltung ist ein Hochpaß und dient zur Abtrennung des
Gleichspannungsanteils vom Meßsignal. Um die sehr kleinen vorkommenden Frequenzen
um 1 Hz noch sicher zu übertragen, wird die Grenzfrequenz auf ca. 0,2 Hz festgelegt. Der
Innenwiderstand
der
menschlichen
Haut,
zwischen
den
Elektroden
(Generatorwiderstand), liegt im 10 bis 100 K Bereich. Der Eingangswiderstand der
Schaltung (R1 = 8 M ) wird deshalb hochohmig gewählt, um die abgeleiteten Spannungen
nicht durch elektrische Belastung zu verfälschen. Die Übertragungsfunktion des
Hochpasses 1. Ordnung lautet:
A j
R1
1
R1
mit
1
j
C1
fo
1
2 R1 C1
Stufe II der Schaltung stellt ohne den Kondensator C2 einen nichtinvertierenden
Verstärker dar, der die Aufgabe hat, das Meßsignal auf einige V zu verstärken. In der
vorliegenden Schaltung wurde die Verstärkung Ao zu:
Ao 1
R2
R3
1501 gewählt.
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Da die überlagerte Brummspannung (50 Hz) ebenfalls um den Faktor 1501 verstärkt wird,
was unter Umständen zur Übersteuerung der Verstärkerstufe fuhrt, ist der Kondensator C2
vorgesehen, um mit dem Widerstand R2 als Tiefpaß 1. Ordnung zu wirken. Die
Übertragungsfunktion der Stufe II lautet:
A j
II
Rx
mit
R3
1
R2
Rx
R2
1
j C2
1
j C2
Rx wird durch die Parallelschaltung von R2 und C2 gebildet.
Einsetzen von Rx und Umformen ergibt:
A J
R2
R3 1
1
II
1
R2 j
C2
Bis auf den Summanden 1 ist dies die Übertragungsfunktion eines Tiefpasses 1. Ordnung
mit der Gleichspannungsverstärkung:
Ao
R2
R3
und der Grenzfrequenz:
fo
1
2 R2 C2
R2
1
1 kann die 1 in der Übertragungsfunktion vernachlässigt
R3 1 R2 j C2
werden. Dies gilt bis zu einer Frequenz f:
Für
f
1
2 R3 C2
Diese Bedingung ist bei den gegebenen Bauelementen bis in den kHz Bereich erfüllt. Eine
Abweichung der Stufe II vom Tiefpaßverhalten ist deshalb bei Arbeitsfrequenzen im HzBereich zu vernachlässigen.
Stufe III stellt ein Tiefpaßfilter 2. Ordnung mit Mehrfachgegenkopplung dar. Dies ist eine
Standardschaltung wie sie beispielsweise in (Tietze Schenk Halbleiterschaltungstechnik,
Springer Verlag) näher beschrieben ist. Mit ihr läßt sich jeder gewünschte Filtertyp durch
geeignete Dimensionierung der Bauelemente realisieren. Die Übertragungsfunktion lautet:
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A j
R4
R5
III
1 C3 R4
R4 R6
R5
R6
j
C3 C4 R4 R6
j
2
Durch Koeffizientenvergleich mit der allgemeinen Übertragungsfunktion erhält man:
R4
a12 C 24 4 C 3 C 4 b1 1
4 f o C3C4
a1 C 4
R4
Ao
R5
R6
Ao
b1
4
2
2
o
F C3 C4 R4
Damit R4 einen reellen Wert ergibt muß noch die Bedingung:
C4
C3
4 b1 1
a
Ao
2
1
erfüllt sein.
C4
sollte dabei nicht viel größer sein als durch die obige Bedingung
C3
vorgegeben ist. Die Koeffizienten a1 und b1 hängen von der Art des gewählten Filtertyps
(Bessei, Butterworth ...) ab und sind aus entsprechenden Tabellen z.B.: Tietze Schenk zu
entnehmen.
Das Verhältnis von
Folgende Kriterien sind für die Auswahl des Filtertyps maßgebend: Möglichst steiler Abfall
der Verstärkung für Frequenzen über der Grenzfrequenz, um das Störsignal (50 Hz)
gegenüber dem Nutzsignal genügend stark zu dämpfen.
Geringes Überschwingen bei der Sprungantwort des Filters, um eine möglichst geringe
VerfäIschung des Nutzsignals zu erhalten.
Grundsätzlich lassen sich beide Bedingungen mit einem kritischen Filter 6. oder 8.
Ordnung und einer Grenzfrequenz von beispielsweise 30 Hz gut erfüllen. Dies bedingt
jedoch einen großen schaltungstechnischen Aufwand, der im Rahmen des Praktikums
nicht zu realisieren ist. Als Kompromiß wird im Praktikum ein Butterworthfilter 3. Ordnung
verwendet. Es besteht aus dem Typ 1. Ordnung der Stufe II und aus dem
nachgeschalteten Typ 2. Ordnung der Stufe Ill. Dieser Filtertyp hat bei geringem
Überschwingen (ca. 5%) eine relativ gute Sperrdämpfung. Als Grenzfrequenz des Filters
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werden 10Hz gewählt, um wegen der geringen Ordnung des Filters eine ausreichende
Sperrdämpfung bei 50 Hz zu erhalten.
Versuchsdurchführung
Dimensionieren Sie die Stufe I, II und III entsprechend den folgenden Kriterien:
Stufe I : fo = 0,2 Hz; R1 = 8 M
Stufe II: fo = 10 Hz; Ao = 1500; R2 = 1,5 M
Stufe III: fo = 10 Hz; Ao = -1
a1 = 1,0000; b1 = 1,0000 (Butterworthkoeffizient für ein Filter 3.
Ordnung) C3 = 10 nF
Berechnen Sie mit den Dimensionierungsgleichungen (siehe Beschreibung der einzelnen
Stufen) fehlende Werte der weiteren Bauelemente. Schließen Sie die beiden Elektroden
durch Aufeinanderlegen kurz und messen Sie die Ausgangsspannung der Stufe III. Sie
sollte zwischen + 2 V liegen und keine zeitlichen Änderungen aufweisen. Legen Sie die
Elektroden nach Überprüfung durch den Praktikumsleiter am Brustkorb der
Versuchsperson an den Punkten V1 und V6 an. Schalten Sie das Oszilloskop auf 2-Kanal
und Speicherbetrieb Ablenkrate 0,5 s/cm; Spannung 1 -2 V/Div. Es dauert jetzt einige
Sekunden (Zeitkonstante der Stufe I) bis der Verstärker seinen Arbeitspunkt erreicht hat.
Während der Messung darf sich die Versuchsperson nicht bewegen, da sonst erhebliche
Störspannungen auf der Haut infolge der Muskelpotentiale erfolgen. Auch die
umgebenden Personen dürfen sich während der Messung nicht bewegen, da auch hier
Störspannungen induziert werden.
Die genannten Anschlußpunkte ergeben wegen ihrer Herznähe relativ hohe
Spannungswerte und damit ein gutes Verhältnis von Signal- zu Störspannung. (Abb. 4).
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Die gleiche Messung kann auch mit der Standardableitung II nach Einthoven
vorgenommen werden. Sie liefert jedoch ein kleineres Signal und damit einen höheren
Anteil von Netzstörungen (50 Hz) (Abb. 5).
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Bestimmen Sie aus dem Abstand der R-Zacken die aktuelle Pulsfrequenz in Ruhe und
nach 10 rasch aufeinander folgenden Kniebeugen.
Abschließend sei bemerkt, daß die erhaltenen Meßergebnisse überwiegend qualitativen
Charakter haben, da es sich bei der Elektrodenanordnung V1 und V6 eigentlich um die
Differenz zweier unipolarer Messungen nach Wilson handelt. Außerdem werden durch die
niedrig gewählte Grenzfrequenz des Filters, die spektralen Anteile des EKG, die über der
Grenzfrequenz liegen, gedämpft. Die markanten Kurvenpunkte eines EKG wie P-Welle,
QRS-Gruppe, T -Welle usw. sind jedoch gut erkennbar. Vergleiche dazu die Abbildung 1
mit Abbildung 4 und Abbildung 5.
K - 10
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