Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl 4. Versuch Aktives Tiefpaßfilter 1. und 2. Ordnung Durchführung Seite H - 9 1) Filter 1. Ordnung Eingangssignale von Verstärkern sind häufig mit hochfrequenten Störsignalen behaftet, die mit Tiefpaßfiltern unterdrückt werden können. Die Übertragungsfunktion A(j ) ergibt sich analog zu der des invertierenden Verstärkers zu: A j Für Ua Rf Ue R1 1 j C f Rf 1 = 0 hat das Filter die Gleichspannungsverstärkung Ao Amplitudengang (Betragsfunktion des Bode-Diagramms) lautet: A j Rf R1 1 1 H-1 2 R2f C 2f Rf R1 . Der Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Die obere Grenzfrequenz ( go bzw. VerstärkungsabfalI auf den Wert: fgo) des Filters ist gegeben durch den Ao A fgo 2 A o = Betrag der Übertragungsfunktion bei f =0 A fgo = Betrag der Übertragungsfunktion bei f = fgo Es gilt also: Rf A go Ao R1 Rf 2 2 R1 1 1 2 go C 2f R 2f ; Daraus folgt: 1 go C f Rf und f go 2 1 C f Rf und somit eine Abnahme der Verstärkung von -20 db/Dekade oder 6 db/Oktave für f>>fgo. Der Phasenverlauf der Übertragungsfunktion (Phasengang) ergibt sich zu: arctan C f Rf acrtan 1 H-2 C f Rf 180 ° Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Man erhält für f = 0 eine Phasenverschiebung von -180°, die für ansteigende Frequenzen bis auf -270° zunimmt. auf dem Oszilloskop können zunächst natürlich + 180° von -180° nicht unterschieden werden. Erst die weiteren Phasenmessungen bei höheren Frequenzen ergeben dann eine eindeutige Aussage. Die Funktion der Schaltung kann man in einfacher Weise verstehen, wenn man sie als einen invertierenden Verstärker betrachtet, bei dem der Widerstand Rn durch die Parallelschaltung von Rf und Cf ersetzt wurde. Der Gesamtwiderstand dieser Parallelschaltung wird nun mit steigender Frequenz immer kleiner, da der kapazitive Widerstand des Kondersators abnimmt. Damit geht die Verstärkung ebenfalls zurück und man erhält das gewünschte Tiefpaßverhalten. Legt man an den Eingang des Tiefpasses ein nichtsinusförmiges Signal an (z.B.: eine Rechteckspannung), so kann man mit Hilfe der Übertragungsfunktion nicht direkt die Antwortfunktion {Ua(t)} berechnen, da diese ja nur für sinusförmige Eingangsspannungen abgeleitet wurde. Es bieten sich hier grundsätzlich zwei Lösungsmöglichkeiten an: 1) Man zerlegt die nichtsinusförmige periodische Eingangsspannung in eine Reihe von sinusförmigen Spannungen (FOURIER-ZERLEGUNG) und berechnet für jede dieser Spannungen die Antwortfunktion. Die Addition aller Antwortfunktionen liefert dann das gewünschte Ergebnis. 2) Man stellt die Differentialgleichung des Systems auf und versucht diese zu lösen. Man erhält damit direkt Ua(t). Bei komplizierten Netzwerken ist es jedoch oft schwierig die Lösungen der zugehörigen Differentialgleichung zu finden. Diese zweite Lösungsmöglichkeit wollen wir im Folgenden näher betrachten. Als Eingangsspannung wollen wir eine sich von Null auf Ue sprunghaft ändernde Spannung wählen. H-3 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Es gilt: i1 Mit i1 ief Ue R1 iRF ; 0 (Knotenpunktgleichung) ief dU a Cf dt iRf ; Ua Rf eingesetzt erhält man: Ue Cf R1 dU a Ua dt Rf 0 Diese Differentialgleichung hat folgende Lösung: t Ua t mit U o Ue Rf R1 ; C f Rf Uo 1 1 go e 1 2 f go ist gerade die Zeit bei der die Ausgangsspannung Ua(t) auf 63 % des Endwertes angestiegen ist und wird als Zeitkonstante bezeichnet. Für f >> fg o oder T (Periodendauer) << kann der Strom iCr im Vergleich zum kapazitiven Strom iCf vernachlässigt werden, da der kapazitive Widerstand Xc jetzt klein gegenüber dem Ohm'schen Widerstand Rf ist. Die Differentialgleichung vereinfacht sich jetzt mit iRf = 0 zu: Ue R1 Cf dU a dt 0 Diese Differentialgleichung kann aber jetzt für "beliebige" Eingangsspannungen Ue(t) gelöst werden. H-4 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Die Lösung lautet jetzt: 1 C f R1 Ua t U e t dt Uao Ua o ist dabei der Startwert der Spannung bei t = 0. Legt man am Eingang eine rechteckförmige Spannung Ue mit T << an, so erhält man am Ausgang: Ua t 1 R1 C f t U e dt .mit 0 0 t T und Uao = 0 4 Die maximale Ausgangsspannung erhält man erstmals für Sie hat den Wert: U a max t T . 4 1 T Ue R1 C r 4 2) Filter 2. Ordnung Ein Tiefpaßfilter 2. Ordnung kann im einfachsten Fall aus zwei in Reihe geschalteten Tiefpässen 1. Ordnung aufgebaut werden. H-5 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Die Übertragungsfunktion des Gesamtfilters erhält man durch Produktbildung der Übertragungsfunktionen der Einzelfilter. Dies ist immer der Fall, wenn man die einzelnen Stufen als entkoppelt betrachten kann. Bei aktiven Filterstufen trifft das praktisch immer zu, da hier der Ausgangswiderstand einer Filterstufe in der Regel wesentlich kleiner ist als der Eingangswiderstand der nächstfolgenden Stufe und somit keine Beeinflussung des Ausgangssignales der Filterstufe erfolgt. Die Übertragungsfunktion lautet damit: A j A1 j Rf A2 j oder: R1 2 A j Rf R 2 1 1 j C f Rf 1 2 1 1 j C f Rf 2 Die Grenzfrequenz jeder Einzelstufe beträgt: f go 2 1 Rf C f Jede Stufe dämpft bei fgo um -3 db. Die Gesamtdämpfung ist also: 2 (-3 dB) = -6dB Als Grenzfrequenz wird jedoch die Frequenz betrachtet, bei der insgesamt ein Abfall des H-6 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Betrages der Übertragungsfunktion von -3 dB vorhanden ist. 3 dB (Siehe dazu Abb. 8.) R 2f A j 1 2 Go A j0 R 2 1 1 2 . 1 1 j Go C f Rf 2 R 2f R1 Dabei bedeuten A (j Go = Grenzfrequenz des Gesamtfilters. ) = Betrag der Übertragungsfunktion bei der Grenzfrequenz des Gesamtfilters Go A o = A (j 0) = Betrag der Übergangsfunktion bei =0 Nach dem Einsetzen von: 1 go Rf C f (Grenzfrequenz der Einzelstufe) erhält man nach Auflösung der Gleichung: Go 2 1 go Die Grenzfrequenz des Gesamtfilters ist also kleiner als die der einzelnen Filterstufen. Der Abfall der Übertragungsfunktion für f >> fGo erfolgt jetzt mit 2 * 20 dB/Dekade oder 2 * 6 dB/Oktave. Die Übertragungsfunktion hat ein Nennerpolynom 2. Ordnung mit rellen negativen Lösungen für j . Ein derartiges Filter wird als sogenanntes „kritisches Filter" H-7 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl bezeichnet, da man als Antwort (Ausgangsspannung) auf eine sich sprungförmig ändernde Eingangsspannung gerade noch kein Überschwingen über den stationären Endwert erhält. (Siehe Abb. 10.) Hat ein Tiefpaßfilter 2. Ordnung im Nennerpolynom komplexe Lösungen für j mit negativem Realteil, so ist die Übertragungsfunktion etwas verschieden von der bisher betrachteten (siehe Abb. 9). Die Übertragungsfunktion läßt sich jetzt nach verschiedenen Gesichtspunkten optimieren. Man unterscheidet folgende Filtertypen: a) BUTTERWORTH-FILTER Der Betrag der Übergangsfunktion verläuft im Durchlaßbereich möglichst lange horizontal und knickt erst kurz vor Go scharf ab. Die Sprungantwort zeigt beträchtliches Überschwingen (Abb. 9). b) TSCHEBYSCHEFF -FILTER Im Durchlaßbereich besitzt der Betrag der Übertragungsfunktion eine Welligkeit konstanter Amplitude, oberhalb der Grenzfrequenz fällt sie noch stärker ab als beim Butterworth-Filter (Abb. 9). Die Sprungantwort zeigt sehr großes Überschwingen. c) BESSEL-FILTER Im Durchlaßbereich ist dieses Filter auf eine möglichst konstante Gruppenlaufzeit optimiert. (Siehe dazu Versuch 6; Allpaß.) Dieses entspricht einem optimalen Übertragungsverhalten für Signale die nicht sinusförmig sind. (z.B.: Rechtecks- oder Dreiecksspannungen.) Oberhalb der Grenzfrequenz knickt die Übertragungsfunktion nicht so stark wie bei den beiden anderen Filtertypen ab (Abb. 9). Für die genannten Filtertypen ist eine schaltungstechnische Realisierung beispielsweise in |1| näher erläutert. Die Reihenschaltung von 2 Filtern 1. Ordnung ergibt immer nur ein sogenanntes "kritisches" Filter. H-8 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Kurve 1: Tiefpaß mit kritischer Dämpfung. Kurve 2: Bessel-Tiefpaß. Kurve 3: ButterworthTiefpaß. Kurve 4: Tschebyscheff-Tiefpaß mit 3 dB Welligkeit . Kurve 1: Tiefpaß mit kritischer Dämpfung. Kurve 2: Bessel-Tiefpaß. Kurve 3: ButterworthTiefpaß. Kurve 4: Tschebyscheff-Tiefpaß mit 0,5 dB Welligkeit. Kurve 5: TschebyscheffTiefpaß mit 3 dB Welligkeit. 3. Versuchsdurchiührung 3.1 Zunächst wird der Operationsverstärker nach Abb. 11 beschaltet. R1 = Rf= 10 k Die Gleichspannungsverstärkung lAI wird damit Rf R1 1 . Für Cf keine Elektrolytkondensatoren verwenden, da deren Leckströme eine Fehlerquelle darstellen! H-9 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Wählen Sie jetzt eine Grenzfrequenz von fg 0 = 10 000 Hz durch Dimensionierung von Cf und messen Sie die Amplituden von Ausgangsspannung Ua und Eingangsspannung Ue von 10 Hz bis 100 KHz (Zweikanal-Oszillograph mißt sie gleichzeitig!) Dabei kann auch der Phasenunterschied zwischen Ua und Ue bei jedem Meßpunkt aus dem Abstand zweier gleichartiger Nulldurchgänge bestimmt werden. Die Meßwerte sind anschließend in ein Bodediagramm einzutragen. Bestimmen Sie fg o aus dem Diagramm! Ebenso wird die Dämpfung pro Dekade graphisch bestimmt. (mit Ue = 1 V Amplitude.) 3.2 Als nächstes ist ein Filter 2. Ordnung durch Hintereinanderschalten von 2 gleichen Filtern 1. Ordnung (nach Abb. 7) aufzubauen. Dann sind alle Messungen wie bei 3.1 nach Abb. 11 zu wiederholen und in die graphische Darstellung einzutragen. Auch fg 0 und die Dämpfung pro Dekade sind neu zu bestimmen. 3.3 Der dritte Versuch dient der Verwendung als Integrator. Der Versuch wird an einem Filter 1. Ordnung durchgefuhrt. So kann eine Rechteckspannung (Generator) in eine Dreiecksspannung umgeformt werden (1. Integration) und eine Dreiecksspannung in eine nahezu sinusfömlige Ausgangsspannung (aneinandergereihte Parabelbögen (2. Integration)). Man verwende als Eingangsspannung das Rechteck-Signal des Generators mit 1,5 V Amplitude. Betrachten Sie das Ausgangssignal zunächst bei 1 KHz und dann bei 10 KHz. (Nach der 1. Integration). Welches C müssen Sie wählen, wenn Sie bei 10 KHz eine annehmbare Dreieckspannung erhalten wollen? (C = 10 * Cf oder C = 0,1 * Cf?) H - 10 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Ersetzen Sie jetzt Cf durch den neuen Wert und messen Sie Ue und Ua und fuhren Sie rechnerisch den Nachweis der folgenden Integration durch: Ua 1 R1 C f U e dt Uao Anhang zur PC – Simulation Um die Gleichwertigkeit der Betrachtung des Übertragungsverhaltens eines Tiefpasses im Ua(t) und im Frequenzraum Ue( ) Ua( ) nachzuprüfen, kann man wie Zeitraum Ue(t) folgt vorgehen. Es ist allerdings zu beachten, daß sich die Ausgangsspannung Ua(t) aus der Lösung der entsprechenden Differentialgleichung des Übertragungsgliedes mit der Eingangsspannung Ue(t) berechnet und die Ausgangsspannung Ua( ) aus der Multiplikation der Eingangsspannung Ue( ) mit der Übertragungsfunktion Aj( ). Ist die Eingangsspannung Ue(t) nicht sinusförmig so kann sie nach Fourier als eine unendliche Reihe von sinusförmigen Spannungen dargestellt werden. Im weiteren soll dies an einer rechteckförmigen Eingangsspannung gezeigt werden. Für eine rechteckförmige Eingangsspannung wie sie nachfolgend dargestellt ist erhält man folgende Reihe: Die einzelnen sinusförmigen Eingangsspannungen werden nun mit der Übertragungsfunktion Aj( ) multipliziert und ergeben entsprechende sinusförmige Ausgangsspannungen. Die Summe dieser Ausgangsspannungen ergibt jetzt die Übertragung einer nichtsinusförmigen Eingangsspannung (im vorliegenden Beispiel eine Rechteckspannung). In der Praxis muss die unendliche Reihe je nach Genauigkeitsanforderung natürlich nach dem n-ten Glied abgebrochen werden. Versuch: H - 11 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Das genannte Verfahren kann Mithilfe einer Computersimulation anschaulich dargestellt werden. Dazu muss das Programm "versuch 4.vi" unter "Lab View" aufgerufen werden. Man erhält wie auf der folgenden Seite dargestellt eine grafische Bedien- und Anzeigenoberfläche. Zunächst muss das Programm durch Anklicken (linke Maustaste) des entsprechende Icons (am Bildrand oben links) gestartet werden. Links sieht man jetzt die Darstellung einer Rechteckspannung die aus der Grundwelle und den ersten 5 Oberwellen zusammengesetzt ist. Jede dieser sinusförmigen Spannungen wird jetzt mit der normierten Übertragungsfunktion A(j ) multipliziert und ergibt eine Ausgangsspannung mit geänderter Amplitude und Phase. Die Summe dieser sinusförmigen Ausgangsspannungen ergibt die Ausgangsspannung des Tiefpasses. Mit der Definition der normierten Frequenz = / o ( o=Grenzfrequenz) Erhält man für <<1 proportionales Übertragungsverhalten und für >>1 die Integration der Eingangsspannung. Für ~ 1 erhält man eine Mischung aus beiden Grenzfällen. Mit der Schaltfläche „Frequ. Einstellung" kann mit der linken Maustaste jetzt die normierte Frequenz im Bereich von 0,01 bis 10 eingestellt werden. Dabei kann die Änderung der Amplitude der sinusförmigen Ausgangsspannungen, sowie deren Summe als Funktion von . Beobachtet werden. Mit der Schaltfläche „Periodenzahl Einstellung" können eine oder mehrere Perioden der Ein- und Ausgangsspannung dargestellt werden. H - 12 Fachhochschule München – Fachbereich 06 – Feinwerktechnik / Physikalische Technik Praktikum der Analogelektronik Prof. Dr. Richard Schulz – Prof Dr. Erich Vogl Bildschirmdarstellung des „Lab View“ Programms: H - 13