Präsentation zum Vortrag

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KLIMA MACHT FLUCHT?
Lokale Manifestationen eines
globalen Diskurses am Beispiel
humanitärer Organisationen in
Westafrika.
Vortrag im Rahmen des artec-Kolloquiums „Forschungswerkstatt“
20.01. 2010
Dipl. Geogr. Johannes Herbeck
Quelle: Flyer der Petra-Kelly-Stiftung München 2009
Gliederung
Einleitende Gedanken
1.
1.
2.
Die Diskussion zu „Umweltmigration“
Die Rolle von Organisationen
2. Dissertationsprojekt
1.
Westafrika im Klimawandel
2.
Fragestellung und Studiendesign
3. Erste Ergebnisse – humanitäre Organisationen in
Westafrika und der Klimawandel
Der Diskurs zu „Umweltmigration“
y Begriff geprägt von El-Hinnawi (1985), der einen
bereits bestehenden Begriff popularisiert und in den
allgemeinen UN-Wortschatz einfließen lässt
{
„Environmental refugees are people who have been forced
to leave their traditional habitats, temporarily or
permanently, because of a marked environmental
disruption (natural and/or triggered by people) that
jeopardized their existence and/or seriously affected the
quality of their life.“ (El-Hinnawi 1985: 4.)
y In der Folge entstehen Diskussionen über einzelne
Aspekte des neu entdeckten Phänomens
Wesentliche Diskussionslinien I
y Klassifizierungsversuche:
Freiwilligkeit vs. Zwang zur Migration
{ Dauerhafte vs. temporär begrenzte Migration
{ Ursprungsereignis (disruptive vs. slow-onset degradation,
aber auch: „natürliche“ vs. „menschengemachte“
Fluchtauslöser)
{ Internationale vs. Binnenmigration
{
Klassifizierung v. Umweltflucht
Quelle: Bates 2002, 470
Wesentliche Diskussionslinien II
y Diskussion über das Ausmaß der zu erwartenden
Migration
{
{
Quantifizierungsversuche als wesentlicher Anspruch vieler
Veröffentlichungen
Höchst unterschiedliche Vorhersagen:
Bereits 1995 existieren 25 Mio. Umweltflüchtlinge, Verdoppelung
bis 2050 und Anwachsen bis zu 200 Mio. bei ungebremsten
Klimawandel (Myers/Kent 1995)
Ù UNFCCC/IPCC: Ähnliche Zahlen im TAR (2001); 150 Mio. bis
2050
Ù Alleine 2008: 20 Mio. Flüchtlinge durch klimabedingte
Katastrophen (OCHA/Norwegian Refugee Council 2009)
Ù UNU 2008: 200 Mio. bis 2100
Ù Bis zu einer Milliarde in 2050 (Christian Aid 2007)
Ù
Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat, 1999-2008
Source: UNHCR 2009, p. 7
Wesentliche Diskussionslinien III.
y Breit geführte Diskussion über Charakter der
Verbindung zwischen Umweltfaktoren und
Migration/Flucht
y Polarisierung in Vertreter der „maximalist“ und
„minimalist view“ (Suhrke 1994):
{
{
Maximalist view: Umweltveränderungen wirken sich direkt auf
verändertes Migrationsverhalten aus und resultieren in einer
Zunahme vom Migration
Minimalist view: Migrationsentscheidungen sind nur vor dem
Hintergrund politischer, sozialer und wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen zu verstehen, Umweltfaktoren alleine
sind kein hinreichender analytischer Zugang zum Verstehen
von Migrationsentscheidungen
Kritik am „maximalist writing“
“The term environmental refugee is simplistic, onesided and misleading. It implies a monocausality that
very rarely exists in practice“
(Castles 2002, 5)
“(…) although environmental degradation and
catastrophe may be important factors in the decision
to migrate, and issues of concern in their own right,
their conceptualisation as a primary cause of forced
displacement is unhelpful and unsound
intellectually, and unnecessary in practical terms.”
(Black 2001, 1)
Kritik am „maximalist writing“
y Verkennt Kontexte von Migrationsentscheidungen
und komplexe Entscheidungsprozesse
y Revitalisierung von Push-Pull-Modellen in der
Migrationsforschung, gleichzeitig mangelnde
Theoretisierung von Mensch-Umwelt-Beziehungen
Æ Forderung (z.B. in Carr 2005): Konvergenz von
neueren Ansätzen in der Migrationsforschung mit
Politischer Ökologie
Eine Politische Ökologie der Migration?
Aus der Konvergenz der beiden Literaturen ergeben
sich mind. 3 Forschungsschwerpunkte:
1.
Politische Ökonomie v. Umweltflucht
2. Mikropolitik von Migrationsentscheidungen
3. Internationale Organisationen als „Discourse
broker“?
Humanitäre Organisationen als
„discourse broker“?
y Organisationen als wichtige Akteure auf einer Meso-
Ebene der Analyse
y Verankerung in verschiedenen Diskursebenen, Teil
des „Science-policy-interface“
y Schaltstellen der Wissensproduktion und –
kommunikation, gleichzeitig wesentlich beteiligt an
der policy-Formulierung und Implementation
Die Rolle von humanitären Organisationen in der
Diskussion zu Umweltflucht
y Studien zu Umweltmigration/Umweltflucht
zum großen Teil initiiert von humanitären
Organisationen
y Dabei z.T. deutliche Unterschiede in der
Positionierung
y Gleichzeitig aber auch gemeinsame
Initiativen, Agenda Setting in der
internationalen Klimapolitik
Beispiel: IASC Task Force on Climate Change
y Existiert seit Juni 2009
y Aufgaben:
{ “facilitating IASC agencies to effectively advocate on issues of
common concern regarding the potential humanitarian
impacts of climate change to the UNFCCC process and other
relevant for a”
{ “promoting strong communication and media outreach to
highlight the humanitarian consequences of climate change
(…)“
{ “Identify opportunities, where appropriate, for increased interagency analysis on the consequences of climate change for
humanitarian action” (IASC 2009, 2)
IASC task force in Kopenhagen
y Starke Präsenz der IASC-Mitglieder auf den
Verhandlungen in Kopenhagen, Organisation des
„humanitarian day“ auf der COP 15
y Bereits im Vorfeld: gemeinsame Eingabe der
beteiligten Organisationen an das UNFCCC-Büro:
„The many millions forcibly displaced by sudden and
slow-onset disasters will be particularly vulnerable,
requiring substantial humanitarian assistance and
protection. (…) We stand steady to advice the parties
to the UNFCCC on potential solutions for these
concerns to be adressed in the Copenhagen
agreement.“ (IASC 2009)
Westafrika als Referenzregion
Quelle: http://ochaonline.un.org/ocha2008/images/west-africa-map.gif
Westafrika im Klimawandel
„Insbesondere in Afrika verstärkt der Klimawandel
bestehende Umwelt- und Entwicklungsprobleme, die
schon vorher zu Flucht und Migration geführt haben.
Daher wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der
Migrationsdruck weiter erhöhen und die Anzahl der
Flüchtlinge zunehmen.“
(Jacobeit/Methmann 2007, S. 26)
Westafrika im Klimawandel II.
y Afrika insgesamt als besonders vom Klimawandel
y
y
y
y
betroffener Kontinent
Prognostizierte Erwärmung: 3-4° K bis 2100 (1,5 mal
höher als der globale Durchschnitt)
Westafrika: 1,2-1,3° bis 2039 (Jung 2006)
Niederschlagsentwicklung unklar, jedoch vermutlich
Verstärkung der bisherigen Niederschlagsvariabilität
Meeresspiegelanstieg betrifft insbesondere urbane
Gebiete an der westafrikanischen Küste, die sich in
jüngster Zeit rapide verdichten
Meeresspiegelanstieg
Meeresspiegelanstieg
Quelle: Dasgupta 2007
Migration in Westafrika
y Westafrika als „most mobile part of Africa“ (De Haas
2007, 8)
y Westafrikanische Gesellschaften traditionell von
unterschiedlichen Migrationsformen (häufig
saisonal) geprägt, die gerade auch Reaktionen auf
klimatische Variabilität darstellt
y In jüngster Zeit: Migrationsmuster verändern sich,
inter-regionale, internationale und interkontinentale
Migration gewinnt an Bedeutung (Konseiga 2005)
Dissertationsprojekt:
„Klimaflucht“ aus der Perspektive
humanitärer Organisationen in
Westafrika
Foto: J. Herbeck 2009
Studiendesign
Hauptfragen:
Welche Rolle spielen humanitäre Organisationen für die
Interpretation der sozialen Folgen des Klimawandels in
Westafrika? Inwiefern geben die Organisationen ihr lokales
Wissen an die übergeordnete Diskursebene weiter?
Lässt sich ein „diskursgenerierendes Milieu“ unterschiedlicher Organisationen identifizieren, die gemeinsam an der
Interpretation des übergeordneten Diskurses und der evtl.
beobachtbaren Veränderungen von Migrationsmustern
in Westafrika beteiligt sind?
Hauptorganisationen im Bereich
Flüchtlinge/Migration (Senegal-Westafrika)
Transnationale
Körperschaften
Internationale NGOs
Lokale Organisationen
Erste Erkenntnisse –
Wandel in humanitären Organisationen
y Klimawandel als zukünftige Herausforderung der
humanitären Arbeit in Westafrika wird
durchgängig anerkannt
y Breit geführte Diskussion zu Implikationen des
Klimawandels für die eigene Arbeit
y Dabei allerdings auffallend hohes
Abstraktionsniveau, selten unterfüttert durch
eigene Beobachtungen
y Vereinzelte Bestrebungen, die Zusammenhänge
zwischen Klimawandel und Flucht/Migration oder
Konflikt durch eigene Projekte besser zu verstehen
Erste Erkenntnisse –
Wandel in humanitären Organisationen
y Aber: häufig kritische Reflexion über behauptete
direkte Zusammenhänge!
y Große Skepsis hinsichtlich der europäischen
Reaktionen auf veränderte Migrationsmuster
y Versuche, der Sicherheitsrahmung des Klimawandels
eine stärkere Berücksichtigung von
Menschenrechtsfragen entgegenzustellen
Æ Organisation einer Konferenz im Juni in Dakar zu
Menschenrechtsimplikationen des Klimawandels,
konzertierte Aktion der großen internationalen
NGOs und versch. UN-Organe
Ausblick
y Weitere Erhebungen in Genf im Frühjahr
y Versuch, die neuesten Entwicklungen auf politisch-
administrativer Ebene zu erfassen
y Gleichzeitig: Informationsflüsse zwischen Zentralen
der Organisationen und den regionalen Vertretungen
y Weitere Interviews in Dakar im Herbst
Danke!
Securitization allgemein
y Betrachtung von Problemfeldern aus primär sicher-
heitspolitischem Blickwinkel
y Sicherheit dabei nicht nur als Analyserahmen,
sondern auch als Problemlösungshorizont
y Sicherheitspolitische Antworten gewinnen
gegenüber anderen normativen Zielsetzungen (z.B.
Verteilungsgerechtigkeit) an Dominanz
Securitization des Klimawandels
Die EU-Sicherheitspolitik im Klimawandel I
y Klare Anerkennung des Bedrohungspotentials des
Klimawandels für die internationale Sicherheit
y Regionale Schwerpunkte werden v.a. in Afrika, dem
Nahen und Mittleren Osten, Süd- und Zentralasien,
Lateinamerika und der Arktis gesehen
y Sicherheitsrisiken aber nicht nur für die direkt
betroffenen Regionen, sondern es geht auch und
gerade „um politische Risiken und
Sicherheitsrisiken, die europäische Interessen
unmittelbar berühren.“ (EU 2008)
Die EU-Sicherheitspolitik im Klimawandel II
Dominierende Mechanismen der Destabilisierung und
Sicherheitsbedrohung
Ressourcenkonflikte
Wirtschaftliche Schäden und Risiken von Küstenstädten und
kritischen Infrastrukturen
Landverlust und Grenzstreitigkeiten
Umweltbedingte Migration
Fragilität und Radikalisierung
Spannungen aufgrund der Energieversorgung
Druck auf die internationale Ordnungspolitik
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