58 4 Technische Systeme mit typischen Nichtlinearitäten 4.1 Feder-Masse-Systeme mit nichtlinearen Reibungs- und Federcharakteristika 4.1.1 Fallende Kugel Eine starre Kugel der Masse m falle auf einen nachgiebigen Untergrund und werde von diesem zurückgefedert. Der 1. Schritt: Das Schema dieses Systems zeigt Abb. 4.3. m G h0 s, v h Anschlag c Abb. 4.3 Starre Kugel fällt auf nachgiebigen Untergrund (Schema) Der 2. bis 5. Schritt: Das System hat dieselbe Struktur wie das in Abb. 3.5, da ebenfalls eine Masse m einer der Energiespeicher ist. In die Kräftebilanz gehen hier allerdings die Gewichtskraft G = m ⋅ g (g … Erdbeschleunigung), die Kraft des Luftwiderstandes FLW und die erst beim Auftreffen der Kugel auf den Untergrund wirksam werdende Kraft des Anschlages FAn ein: FB = G − FLW − FAn mit G = m ⋅ g . (4.1) Ein weiterer Unterschied sind die beiden aus nichtlinearen Beziehungen ermittelbaren Kräfte FLW und FAn. Der Luftwiderstand eines bewegten Körpers wächst nicht linear, sondern in erster Näherung quadratisch mit der Geschwindigkeit, die Kraft FLW wird in Richtung der Geschwindigkeit angegeben (berücksichtigt durch die Vorzeichen-Funktion sign(v ) ). Dass sie der Bewegung entgegengerichtet ist, wird im Blockschaltbild durch die negative Rückwirkung deutlich: 4.1 Feder-Masse-Systeme mit nichtlinearen Reibungs- und Federcharakteristika FLW ≈ k ⋅ v 2 ⋅ sign(v ) . 59 (4.2) Der Anschlag wird als lineare Feder definiert, die allerdings nur in einem bestimmten Bereich des Weges s wirkt: ⎧0 für s < h0 FAn = ⎨ ⎩c ⋅ (s − h0 ) für s ≥ h0 . (4.3) Die Materialdämpfung des Anschlages wird vernachlässigt. Nicht im Modell berücksichtigt wird auch, dass die Anschlagkraft infolge der wachsenden Kontaktfläche zwischen Kugel und Anschlag nicht proportional mit der Erhöhung der Eindringtiefe wächst. Das Blockschaltbild zeigt Abb. 4.4, es ist dem in Abb. 3.7 ähnlich. G FB - FLW 1 ms v f(v) 1 s h s - h0 FAn h0 Abb. 4.4 Blockschaltbild des Beispiels „Kugel fällt auf Untergrund“ Die Funktionen in den Gln. (4.2) und (4.3) sind in Anhang A, Tabelle A.5, aufgenommen worden, da sie oft benötigt werden. Ein Zahlenbeispiel. Fällt die Kugel (sie habe die Anfangsgeschwindigkeit null) auf einen nachgiebigen Untergrund mit vernachlässigbarer Materialdämpfung, wird sie wieder nach oben beschleunigt und erreicht einen Umkehrpunkt unterhalb der Startposition. Dieser Punkt ist abhängig vom Luftwiderstand. • Von folgenden Kenngrößen und Übertragungsfaktoren wird ausgegangen: – – – – – m = 0,1 kg, G = 1 N, h0 = 0,1 m, c = 10000 N/m, k = 0,25 N (s/m)2. Anmerkungen: • Die Erdbeschleunigung wird mit g ≈ 10 m / s 2 angesetzt, damit ist G = m ⋅ g = 10 m / s 2 ⋅ 0,1 kg = 1 kg ⋅ m / s 2 = 1 N . 60 4 Technische Systeme mit typischen Nichtlinearitäten • Die Masse m muss im Simulations-Blockschaltbild die Dimension N ⋅ s 2 / m haben. Die Umrechnung ist einfach, da 1 N = 1 kg m/s2 ist: 0,1 kg = 0,1 kg ⋅ 1N N ⋅ s2 = 0 , 1 . m 1 kg m / s 2 Eine Simulation auf der Basis des Blockschaltbildes in Abb. 4.4 führt zu den Signalverläufen in Abb. 4.5. 0,1 m 0,05 0 h -0,05 0 0,2 0,4 0,6 0,8 0,6 0,8 s 1 0,6 0,8 s 1 s 1 t 1,5 m/s 0 0 v 0,2 0,4 t -1,5 40 N FAn 0 0 0,2 0,4 t Abb. 4.5 Fallende Kugel, Signalverläufe. h … Höhe der Kugel über dem Untergrund, v … Geschwindigkeit, FAn … Aufprallkraft Die Verifizierung dieser Verläufe kann für die erste Phase überschläglich an Hand der Leistungen vorgenommen werden. Bei vernachlässigter Luftreibung ist im Moment des Aufpralls die potentielle Energie vollständig in kinetische überführt worden (s. Tabelle 2.4): 2 m ⎛ dh ⎞ m ⋅ ⎜ ⎟ = ⋅ h& 2 = G ⋅ h . 2 ⎝ dt ⎠ 2 Damit ist zu diesem Zeitpunkt 4.1 Feder-Masse-Systeme mit nichtlinearen Reibungs- und Federcharakteristika 61 2G⋅h 2 ⋅ 1 N ⋅ 0,1 m m =− ≈ −1,4 . h& = − m s 0,1N s 2 / m Die Zeit, die bis zum ersten Auftreffen der Kugel vergeht, kann m. H. der Erdbeschleunigung ermittelt werden: Aus h& = − g ⋅ t ergibt sich t= h& − 1,4 m / s = = 0,14 s . − g − 10 m / s 2 Die Eindringtiefe nach dem ersten Auftreffen ist ebenfalls m. H. einer Leistungsgleichung abschätzbar (s. Tabelle 2.4). Es ist m &2 c 2 ⋅h = ⋅h 2 2 und damit h = h& ⋅ m c = −1,4 m / s ⋅ 0,1 N s 2 / m ≈ −4,4 ⋅ 10 − 3 m . 10000 N / m Die Multiplikation von h = 4,4 ⋅ 10-3 m mit der Federkonstante c des Anschlages ergibt die maximale Anschlagskraft: FAn ≈ 44 N. Diese Werte entstehen bei der Simulation annähernd auch. Die Unterschiede resultieren aus dem im Modell berücksichtigten Luftwiderstand. Es sei darauf hingewiesen, dass die Vernachlässigung der Materialdämpfung im dargestellten Zeitbereich des Vorganges keinen merklichen Einfluss auf die Signalverläufe hat. Sichtbar wird der Einfluss, wenn die Amplituden kleiner werden. Ein exakteres Modell eines Anschlages wird in Abschn. 4.1.3 hergeleitet. 4.1.2 Feder-Masse-System mit unterschiedlichen Reibkraftmodellen Die Reibung zwischen bewegten Körpern ist ein kompliziertes Phänomen. Es umfasst elastische und plastische Deformationen von Oberflächenbereichen der kontaktierenden Körper. In den Modellen des dynamischen Verhaltens technischer