TIERGESUNDHEIT Fremdkörper: Magnete vorbeugend eingeben Metallteile aus dem Futtermischwagen oder feine Drähte aus alten Reifen sorgen bei Kühen für massive Verletzungen des Vormagens. Über neue Gefahren berichtet Dr. Georg Teepker von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. E igentlich könnte man davon ausgehen, dass Fremdkörper bei Kühen heute keine Rolle mehr spielen, schließlich werden Stacheldrähte kaum noch eingesetzt und viele Erntemaschinen sind mit Metalldetektoren ausgestattet. Spitze Reststücke und Drahtschlaufen von Stacheldraht waren früher eine der häufigsten Ursachen für massive Schädigungen des Vormagens von Kühen. Doch weit gefehlt: Fremdkörper spielen auch heute immer noch eine große Rolle und verursachen nach wie vor hohe wirtschaftliche Schäden in den Betrieben. Immer wieder berichten Landwirte und Tierärzte von akuten Erkrankungen durch Fremdkörper bei Milchkühen, seltener bei Jungrindern. Gelegentlich sind gleich mehrere Tiere eines Bestandes gleichzeitig betroffen. Zwar verläuft nicht jeder Fall akut, aber man kann davon ausgehen, dass ein beachtlicher Teil der Fremdkörper unentdeckt bleibt und so zu schweren Folgeerkrankungen und Leistungsdepressionen führt. So weisen nach einer Untersuchung in der Schweiz 10 % aller Schlachtkühe mehr oder weniger starke Verletzungen und Veränderungen im Bauchraum auf, die auf einen Fremdkörper zurückzuführen sind. R16 top agrar 1/2008 Da Rinder schnell große Mengen an Raufutter aufnehmen und es dabei kaum zerkleinern, werden Fremdkörper einfach mit abgeschluckt. Sie gelangen aufgrund ihres Gewichtes in den Netzmagen, wo sie aufgrund seiner sackartigen Form meist liegen bleiben. Spitze Gegenstände verletzen die Schleimhaut Die kräftigen Kontraktionen der Muskulatur des Netzmagens können dazu führen, dass sich spitze, metallische Fremdkörper wie z. B. Metallsplitter, Drahtstücke, Nägel, Haarnadeln in der wabenartig strukturierten Schleimhaut verfangen. Die Folge ist eine Entzündung, die die Fresslust des Tieres deutlich einschränkt. Der Fremdkörper löst sich häufig wieder aus der Schleimhaut, so dass sich die Krankheitssymptome bessern – bis zum nächsten Einstechen! Die Magenwand wird wiederholt verletzt und der Fremdkörper bohrt sich immer tiefer in die Magenwand ein. So „schaukelt“ sich die Er- krankung hoch: Die Entzündung und die Schmerzen werden heftiger, die Kuh verweigert die Futteraufnahme, bekommt Fieber und die Milchleistung fällt abrupt. Tiere mit Fremdkörper knirschen häufig mit den Zähnen und stehen mit gestrecktem Hals und Kopf da. Im schlimmsten Fall wird die Haubenwand durchstoßen und der Fremdkörper kann andere Organe wie Herz, Lunge oder Milz verletzen. Wenn der Inhalt des Vormagens austritt, ist eine massive Entzündung der Bauchhöhle vorprogrammiert, diese Tiere verenden meist. Tiere bei denen Fremdkörper bereits starke Verletzungen verursacht haben, stehen aufgrund der starken Schmerzen mit aufgezogenem Bauch und gekrümmtem Rücken da. Sie bewegen sich nur widerwillig und legen sich ungern ab. Sie verweigern in der Regel die Futteraufnahme, der Pansen ist oft gebläht. Eine schnelle Diagnose und Behandlung durch den Tierarzt ist unbedingt erforderlich. Bei leichten Verletzungen bleiben Fremdkörper als Ursache für eine verminderte Übers. 1: Fremdkörper: Wo lauern die Gefahren? Was? Woher? Nägel, Schrauben • Reparaturen im Stall • Verloren Drahtstücke, Krampen • (alte) Weidezäune • Altreifen Metallsplitter Plastik • Reparaturen im Stall oder Futterlager • Aus Schrotmühlen, Futterleitungen u. a. • Futtermischwagen, Entnahmegerät • Bindegarn, Bindenetze, Folienreste Was tun? • Sorgfältig arbeiten • Keine Nägel u. a. in die Taschen stecken! • Nichts im Gras liegenlassen • Kontrolle der Zäune • Kaputte Reifen aussortieren • Mit den Reifen von der Anschnittfläche fern bleiben • Futter abschirmen • Regelmäßige Wartung • Magnetabscheider reinigen • Frühzeitige Erneuerung defekter Teile, keine Steine • Aus dem Bereich der Tiere entfernen Viele Kleinteile im betrieblichen Alltag können schnell zu Fremdkörpern werden. Um Schäden durch Fremdkörper zu vermeiden, geben immer mehr Betriebe schon vorsorglich einen Magneten ein. Fotos: Buchen, Gasteiner, Holsteg (2), Luft, Privat (2), Teepker, Uni Zürich Fresslust, Verdauungsstörungen und Leistungsabfall häufig unentdeckt. Um einen Verdacht auf einen Fremdkörper zu erhärten, kann man folgenden Test durchführen: Wird die Haut am Widerrist am Ende des Einatmens hoch gezogen, biegt das Tier mit einem Fremdkörper den Rücken nach unten. Der Tierarzt kann zur Diagnose auch einen Metalldetektor oder das Ultraschallgerät einsetzen. Was kommt als Ursache in Frage? Tiere mit Fremdkörper drücken beim Rückengriff die Wirbelsäule nach unten. Betroffene Tiere stehen meist mit aufgezogenem Bauch und gekrümmtem Rücken da. Die häufigsten Quellen für Fremdkörper im Futter sind (Übersicht 1): ■ spitze Eisenteile wie Nägel, Krampen, Metallsplitter, abgebrochene Schrauben oder Drahtstücke, die zum Beispiel von Reparaturarbeiten im Stall herrühren oder einfach aus der Jacken- oder Hosentasche gefallen sind; ■ Funkenflug bei Arbeiten mit dem Winkelschleifer in der Nähe des Futters; ■ Metallteile, die bei der Silageernte ins Futter gelangen: Beim Exakthäcksler bieten Metalldetektoren zwar einen relativen Schutz, beim Ladewagen und bei Ballenpressen rutschen dagegen gerade kleine, und damit potenziell gefährliche, Metallteile durch, die dann mit dem Futter oder dem Stroh eingefahren werden; ■ Drähte, die zum Abbinden von Futter- Fremdkörperbedingtes Geschwür im Netzmagen. top agrar 1/2008 R 17 TIERGESUNDHEIT eingesetzt werden. Kaputte Reifen müssen daher unbedingt aussortiert werden. Zudem sollten die Altreifen bei der Futterentnahme stets seitlich oder nach hinten vom Silo entfernt werden, damit die Drahtstücke nicht in die Nähe der Anschnittfläche gelangen können; ■ Plastikschnüre und Plastiknetze aus Ballenpressen sowie Reste von Silofolien wirken ebenfalls als Fremdkörper: Der „Plastikmüll“ verklumpt sich in den Vormägen des Rindes zu einem Knäuel und kann zu Fressunlust und Pansenblähungen führen. Die Heilungsrate liegt beim Einsatz von Käfigmagneten bei ca. 80 %. Nägel und Schrauben können schnell aus der Overalltasche ins Futter fallen. Metallteile aus abgenutzten Messern sind mittlerweile eine häufige Gefahrenquelle. säcken verwendet werden: Sie werden in Schrotmühlen oder Quetschen zerkleinert und die spitzen Teile können dann gleich von mehreren Tieren aufgenommen werden. ■ Metallsplitter von stark abgenutzten Sieben in der Schrotmühle, aus alten Futterleitungen oder Kraftfutterboxen; ■ Metallteile aus abgenutzten Futtermischwagen; ■ Stark verbrauchte Messer an den Entnahmegeräten für Silagen; ■ Feine, sehr spitze Drähte aus Altreifen, die zur Abdeckung von Silomieten Vorsorglich Magnete eingeben? Nach wie vor ist bei der Diagnose „Fremdkörper“, neben einer allgemeinen Therapie mit Antibiotika sowie entzündungshemmenden und stoffwechselstabilisierenden Medikamenten, die Eingabe eines Käfigmagneten die Methode der Wahl. Übersicht 2 bietet eine Auswahl der am Markt verfügbaren Magneten. Der Magnet hat die Form eines Bolus und wird über den Schlund in die Haube eingegeben. Dort bleibt er aufgrund seines Gewichts (ca.150 g) zeitlebens liegen. Metallische Fremdkörper werden vom Magneten angezogen und auf diese Weise schadlos gemacht, allerdings unter der Voraussetzung, dass sich der Fremdkörper noch aus der Wand des Netzmagens Übersicht 2: Auswahl am Markt verfügbarer Käfigmagnete1) Typ Käfigmagnet grün Dauerkraft CAP-Super-II Power-Mag 5 Bovimini Bovivet Mag II Magnete Dauerkraft Prophylaxe-2 Käfigmagnet blau Hersteller 1. Fa. Kerbl 2. Fa. Kruuse 3. Fa. WDT 4. Fa. Schippers 1. Fa. Kerbl 2. Fa. Medvet 3. Fa. WDT Fa. Lehnecke Fa. Kruuse Fa. Kruuse Fa. Medvet Fa. VmP Merkmale zur Prophylaxe, beständiges ABS-Käfig Spez. Käfig, Aktiv-FerritMagnet-System, zur Prophylaxe u. Therapie 5 zirkuläre Magneten, Stahlkern spezieller Magmit runden Kapnet für Kälber pen, zur Prophylaxe u. Therapie besonders hohe Magnetkraft speziell zur Prophylaxe zur Prophylaxe und Therapie Maße (mm) 10 x 25 x 40 35 x 35 x100 85 mm lang 25 x 100 35 x 100 100 x 35 101 x 35 Preis o. MwSt. in E 1. 2,50/Stück 1. 7,80/Stück 2. keine Angabe 2. 5,60/Stück 29,80/10 Stück 3. keine Angabe 3. keine Angabe 4. 2,90/Stück keine Angabe keine Angabe 2,00/Stück 1) 0,85 – 1/Stück, je nach Abnahmemenge von top agrar zusammengestellt Einige Hersteller bieten Käfigmagnete speziell zur Prophylaxe von Fremdkörpern an. Die meisten eignen sich aber sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapie. R18 top agrar 1/2008 Mareike Lölfer aus Steinfurt: Heinz Schlattmann aus Steinfurt: „Wir geben mittlerweile konsequent bei jedem Rind vorsorglich einen Käfigmagneten ein. Damit sind wir auf der sicheren Seite, denn es gibt im Betrieb einfach viele Kleinteile, die man mit bloßem Auge nicht sieht. Sie schwächen das Tier und können zu schweren Folgeerkrankungen führen.“ „Da wir mit dem Ladewagen silieren, gab es in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit Fremdkörpern. Deshalb bekommen bei uns alle Tiere zwei bis drei Wochen vor der ersten Kalbung zur Prophylaxe einen Käfigmagneten eingesetzt. Die Magnete kosten ca. 3 E. Diese Investition rechnet sich.“ löst. In einer wissenschaftlichen Untersuchung konnte der Fremdkörper durch den Magnet bei 53 von 100 Kühen erfasst und gezogen werden. Andere Studien haben eine Erfolgsaussicht von 85 % erbracht. Da die Heilungsaussichten vom Zeitpunkt der Eingabe abhängen, gehen immer mehr Betriebe dazu über, allen Kühen vorsorglich einen Magneten einzugeben und nicht erst bei Verdacht auf einen Fremdkörper. Oft erfolgt die Eingabe des Magneten bereits bei tragenden Färsen. Vergleichbar mit einer Impfung oder Versicherung muss jeder Betrieb seine eigene Bewertung des Risikos für eine Fremdkörpererkrankung vornehmen. Bei Kosten zwischen 3 und 5 E je Magnet kann diese prophylaktische Maßnahme aber wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein. Bei nicht magnetischen Fremdkörpern wie z. B. Dosenverschlüssen aus Aluminium oder Kunststoffen ist der Magnet unwirksam. Wir halten fest Metallische Fremdkörper stellen eine große Gesundheitsgefährdung für Rinder dar. Neben der akuten Erkrankung entstehen verstärkt auch durch nicht entdeckte Fremdkörper große Schäden, indem die Leistung des Tieres geschwächt wird. Während früher vielfach Teile von Stacheldraht als Fremdkörper in Frage kamen, sind es heute Metallteile aus Futtermischwagen und Entnahmegeräten. Eine wichtige Gefahrenquelle sind auch spitze Drähte aus Altreifen, die zur Siloabdeckung benutzt werden. Die prophylaktische Eingabe von Käfigmagneten bei allen Tieren kann in Betrieben mit häufigen Fremdkörper-Problemen empfohlen werden. Trotzdem muss bei der Futterbergung und Futtervorlage natürlich sehr sorgfältig gearbeitet werden, um das Risiko für Fremdkörper zu reduzieren. top agrar 1/2008 R19