Vorlesung 4

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Literatur zu geometrischen Konstruktionen
◮
Hadlock, Charles Robert, Field theory and its classical
problems. Carus Mathematical Monographs, 19. Mathematical
Association of America, Washington, D.C., 1978.
◮
F. Klein. Vorträge über ausgewählte Fragen der
Elementargeometrie, auf der Homeseite der Vorlesung.
◮
http://did.mat.uni-bayreuth.de/studium/seminar/antike/suess/unmoeglich.html
◮
Bieberbach, Ludwig Theorie der geometrischen Konstruktionen.
Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete der exakten
Wissenschaften. Mathematische Reihe, Band 13. Verlag Birkhäuser,
Basel, 1952.
Satz 11 – Wiederh. Angenommen n = q · p, wobei ggT (q, p) = 1,
p ≥ 3, q ≥ 3. Dann gilt: Ein reguläres n−Eck ist g.d. konstruierbar, wenn
die regulären q− und p−Ecke konstruierbar sind.
km
, wobei p1 , ..., pm ∈ N verschiedene
Folgerung Sei n = p1k1 ...pm
Primzahlen sind (Primfaktorzerlegung; Hausaufgabe 2 Blatt 2). Dann
gilt: Reguläres n-Eck ist g.d. kostruierbar, wenn jedes reguläre piki -Eck
konstruierbar ist (nach Definition betrachten wir 2−Eck als
konstruierbar).
Lemma 5 (vrgl. mit Hausaufgabe 2 Blatt 2) Sei p eine Primzahl. Es
.
.
.
gilt: p : q1 · q2 , so p : q1 oder p : q2 .
mod p
Beweis. Nach Voraussetzung ist [q1 · q2 ] = [q1 ] · [q2 ] = 0 in Zp . Da
mod p
Zp \ {[0]} nach Satz 4 eine Gruppe bzgl. · ist (weil (Zp , ·, +) ein
Körper ist, ist [q1 ] = 0 oder [q2 ] = 0.
km
Beweis der Folgerung. Nach Lemma 5 ist p1k1 teilerfremd mit p2k2 ...pm
k1
km
Dann ist nach Satz 11 p1 ...pm -Eck g.d. konstruierbar, wenn
km
p2k2 ...pm
-Eck und p1k1 konstruierbar sind. Wir wiederholen die
km
Argumentation (jetzt für p2k2 ...pm
-Eck) und bekommen, dass
k2
km
km
-Eck und p2k2
p2 ...pm -Eck g.d. konstruierbar ist, wenn p3k3 ...pm
konstruierbar sind, u.s.w.
Zusammenfassung und Satz von Gauß
Satz 9 Eine Zahl a ∈ R ist genau dann konstruierbar, wenn a enthalten
ist in einer iterierten quadratischen Erweiterung von Q.
Satz 10 Reguläres n-Eck ist g.d. konstruierbar, wenn die Zahl cos( 2π
n )
konstruierbar ist.
km
-Eck (s.d. pi verschiedene
Folgerung aus Satz 11 Ein reguläres p1k1 ...pm
Primzahlen sind) ist g.d. konstruierbar, wenn alle regulären piki −Ecke
konstruierbar sind.
Bemerkung Reguläre 2k -Ecke sind konstruierbar. Ferner gilt: ist ein
reguläres n-Eck konstruierbar, so ist auch das reguläre 2n-Eck
konstruierbar
km
-Eck (s.d. pi verschiedene Primzahlen sind)
Fazit Ein reguläres p1k1 ...pm
ist g.d. konstruierbar, wenn für jedes ungerade pi die Zahl cos( 2π/piki )
in einer iterierten quadratischen Erweiterung von Q liegt.
Satz 12 (Gauss 1796 =⇒“, Wantzel 1830 ⇐=“); ohne Beweis
”
”
Sei p > 2 eine Primzahl. Dann liegt die Zahl cos 2π/p k (wobei k ≥ 1)
g.d. in einer iterierten quadratischen Erweiterung von Q, wenn ki = 1
k
und p = 22 + 1 mit k ∈ N ∪ {0} sind.
Def. 12 Die Primzahlen der Form p = 22k + 1 mit k ∈ N ∪ {0} heißen
Fermatsche ( Prim)zahlen
Satz von Gauss in der geometrischen Sprache.
Satz 12 (Gauss 1796 =⇒“, Wantzel 1830 ⇐=“) Ein reguläres
”
”
n-Eck (n ∈ N, n ≥ 3) ist genau dann konstruierbar, wenn die ungeraden
k
Primfaktoren von n verschiedene Primzahlen der Form 22 + 1 mit
k ∈ N ∪ {0} sind.
Bsp. Reguläres 5-Eck und reguläres 17-Eck sind konstruierbar
2
(Weil 5 = 22 + 1, 17 = 22 + 1)
Bsp. Reguläres 7-Eck und reguläres 9-Eck sind nicht konstruierbar
k
(Weil die Zahlen der Form 22 + 1 gleich 3, 5, 17, 257, 65537, sind. 7 ist
2
also nicht dabei. Weil 9 = 3 und k = 2 6= 1 ist. )
Bsp. Die Zahlen 3, 5, 17, 257, 65537 sind Primzahlen,die
3, 5, 17, 257, 65537− Ecke sind also konstruierbar:
Ein gewisser Oswald Hermes verwendete 10 Jahre seines Lebens darauf,
die Konstruktion des regulären 65537-Ecks zu beschreiben. Sein
Manuskript wurde in einem Koffer in der Universität Göttingen deponiert;
dort liegt es heute noch.
Es ist nicht bekannt, ob es weitere Fermatsche Primzahlen gibt. Die
5
Zahl 22 + 1 ist jedenfalls keine Primzahl, denn Euler hat für sie den
Primfaktor 641 gefunden.
Tabelle: welche n−Ecke sind konstuierbar.
k ∈ N≥3
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Ist k−Eck konstruierbar?
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Nein
Ja
Ja
k ∈ N≥17
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
Ist k−Eck konstruierbar?
Ja
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Plan für Heute
Wir werden
1. Unmöglichkeit der Konstruktion von 7−Eck und 9−Eck beweisen
2. Unmöglichkeit von 3 anderen klassischen Konstruktionsproblemen
besprechen:
◮
die Dreiteilung des Winkels beweisen,
◮
die Verdoppelung des Würfels (Delisches
Problem) beweisen
◮
und die Quadratur des Kreises (nur)
besprechen.
Vorbereitungssätze
Frage Wie beweist man, dass eine Zahl nicht in einer iterierten
quadratischen Erweiterung von Q liegt?
Def. 13 Eine kubische Gleichung x 3 + lx 2 + mx + n = 0 heißt
irreduzibel, wenn die Koeffizienten l, m, n rational sind, aber keine Lösung
der Gleichung rational ist.
Satz 13 Ist die Zahl x Lösung einer irreduziblen kubischen Gleichung
x 3 + lx 2 + mx + n = 0,
so liegt x nicht in einer iterierten quadratischen Erweiterung von Q.
Def. vor dem Beweis Liegt y in einem Körper, der durch k-malige
quadratische Erweiterung aus Q entsteht, so sagen wir, y sei auf dem
Niveau k.
√
Bsp. 1/2 ist auf dem Niveau 0, 1 + 3 ist auf dem Niveau 1.
(1)
Widerspuchsbeweis. Angenommen, eine Lösung der Gleichung (1) läge
in einer iterierten quadratischen Erweiterung von Q. Sei x1 die Lösung
von (1), die auf√dem kleinstem Niveau k ist. Da x1 6∈ Q, ist k ≥ 1.Es gilt
also x1 = a + b s mit geeigneten Zahlen a, b, s auf dem Niveau k − 1.
Wir √setzen dies√ in (1) ein√und erhalten
(a + b s)3 + l(a + b s)2 + m(a + b s) + n =
√
3
2
2
2
2
3
(a + 3ab s + a l + b sl + ma + n) + (3a b + b s + 2abl + bm) s = 0.
|
{z
} |
{z
}
A auf dem Niveau k − 1
√ B auf dem Niveau k − 1
√
Ist A 6= 0 6= B, so ist s auf dem Niveau k − 1 (weil s = −A/B ist,
und deswegen nach Satz 7 auf dem Niveau k − 1 liegen muss), also ist x1
nach Satz 7 auf dem Niveau k − 1, was den Voraussetzungen√
widerspricht. Dann ist A = B = 0, und deswegen x2 := a − b s auch
eine Nullstelle der Gleichung (1), denn es ist
x23 + lx22 + mx2 + n
√
= (a3 + 3ab 2 s + a2 l + b 2 sl + ma + n) − (3a2 b + b 3 s + 2abl + bm) s = 0.
Nach Satzgruppe von Viëta ist die Summe der drei Nullstellen von (1)
gleich −l, also ist −l − 2a ebenfalls eine Nullstelle. Sie ist auf dem
Niveau k − 1. Das ist ein Widerspruch.
Folgerung Um zu beweisen, dass eine Zahl nicht konstruierbar ist,
können wir zeigen, dass die Zahl eine Nullstelle einer irreduziblen
kubischen Gleichung ist.
Satz 14 Sei x 3 + lx 2 + mx + n = 0 eine kubische Gleichung s.d.
l, m, n ∈ Z. Dann gilt:
Diese Gleichung ist g.d. irreduzibel, wenn sie keine ganzzahlige
Lösung hat.
Beweis. =⇒“ ist offensichtlich: ist die Gleichung irreduzibel, so
”
sind nach Def.13 die Lösungen irrational.
Widerspuchsbeweis in ⇐=“ Angenommen, die Gleichung ist
”
nicht irreduzibel, obwohl keine Lösung ganzahlig ist. Dann gibt es
eine rationale Lösung x = r /s, wobei r , s ∈ Z. OBdA ist
ggT (r , s) = 1. Einsetzen in die Gleichung ergibt
r 3 = −s(lr 2 + smr + ns 2 ). Ist |s| > 1, so hat s einen Primfaktor p.
Dieser muss auch Primfaktor von r 3 sein, und damit von r , ein
Widerspruch. Also ist s = 1 und daher x ganzzahlige Lösung, im
Widerspruch zur Voraussetzung.
Reguläres 7-Eck ist nicht konstruierbar
Nach Satz 10 müssen wir zeigen, dass cos(2π/7) in keiner iterierten
quadratischen Erweiterung von Q liegt. Nach Beobachtung aus der
2π
Vorlesung 4,ist e 7 i = cos(2π/7) + i sin(2π/7) eine Lösung der Gleichung
z 6 + z 5 + ... + 1 = 0
(1).
Für die Zahl y := z + z1 gilt daher
y 3 + y 2 − 2y − 1 = 0,
(2)
wie sich sofort durch Einsetzen in (1) und Umformung ergibt. Dann ist
y1 := z1 +
2π
1
= e i2π/7 + e −i2π/7 = 2 cos
z1
7
eine Lösung von (2). Wäre nun das reguläre 7-Eck konstruierbar, so wäre
die Zahl cos 2π
7 konstruierbar. Nach Satz 4 liegt y1 dann in einer
iterierten quadratischen Erweiterung von Q.Nach Satz 13 folgt daraus,
daß die Gleichung (2) nicht irreduzibel ist,sie hat also nach Satz 14 eine
ganzzahlige Lösung. Die Lösungen von (2) sind neben 2 cos 2π
7 noch die
6π
und
2
cos
(die
man
genauso
findet).Keine
davon ist
Zahlen 2 cos 4π
7
7
ganzzahlig. Das ist ein Widerspruch.
Dreiteilung des Winkels
Dieses klassische Problem der griechischen Geometrie fragt, ob man einen beliebigen Winkel mit Hilfe
von Zirkel und Lineal allein, in drei gleiche Abschnitte teilen kann. Wir werden zeigen, dass diese Aufgabe unlösbar ist (= nicht für alle Winkel lösbar ist).
Einige spezielle Winkel lassen sich jedoch sehr wohl
in drei gleiche Abschnitte teilen.
• Dreiteilung des 135◦ -Winkels ist möglich, weil 135 : 3 = 45 und Winkel
45◦ konstruierbar ist.
• Dreiteilung des 90◦ -Winkels ist ebenfalls möglich, weil 90 : 3 = 30, und
Winkel 30◦ ist konstruierbar mit Hilfe von Winkelhalbierenden des
regelmässigen Dreiecks.
• Dreiteilung des 45◦ -Winkels ist ebenfalls möglich, weil 45 : 3 = 15, und
Winkel 15◦ ist konstruierbar mit Hilfe von Winkelhalbierenden des
Winkels 30◦ .
Problem: Kann man einen beliebigen gegebenen Winkel mit Zirkel und
Lineal dreiteilen?
Antwort: Nein.
Wäre die Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal lösbar,so wäre
insbesondere der Winkel π/9 konstruierbar, damit wäre cos(π/9)
konstruierbar. Wegen der Identität
cos 3θ = cos 2θ cos θ − sin 2θ sin θ =
(2cos 2 θ − 1)cosθ − 2 sin2 θ cos θ= 4 cos3 θ − 3 cos θ
und wegen cos π3 = 1/2 genügt die Zahl c = 2 cos π9 der Gleichung
c 3 − 3c − 1 = 0.
Diese Gleichung hat keine ganzzahligen Lösungen(denn jede Lösung x
erfüllt x(x 2 − 3) = 1,aber x = ±1 ist keine Lösung).Nach Satz 14 ist die
Gleichung dann irreduzibel,und deswegen ist nach Satz 13 die Zahl
cos(π/9) nicht konstruierbar. Die Unlösbarkeit der Winkeldreiteilung ist
damit gezeigt.Zugleich ist mit diesem Beweis gezeigt, daß das reguläre
9-Eck nicht konstruierbar ist.
Verdoppelung des Würfels (Delisches Problem)
(Konstruktion eines Würfels mit dem doppelten Volumen eines
vorgegebenen Würfels)
Der Sage nach wurde die Stadt Delos einmal von
einer Seuche heimgesucht. Die Bewohner befragten
ein Orakel und erhielten den Rat, einen ihrer Altäre
zu verdoppeln. Plato interpretierte den Orakelspruch
so, dass der würfelförmige Altar durch einen Würfel
mit doppeltem Volumen ersetzt werden sollte. Er erklärte, Gott wolle die Griechen beschämen, weil sie
das Studium der Mathematik vernachlässigt hätten.
Gezeichnet von Gericke Helmut
Daher ist die Verdopplung des Würfels auch als De”
lisches Problem“ bekannt.
Wäre es lösbar, so √
könnte man aus einer Strecke der Länge √
1 eine
Strecke der Länge 3 2 konstruieren. Nach Satz 8√liegt dann 3 2 in einer
iterierten quadratischen Erweiterung von Q. Da 3 2 eine Lösung der
kubischen Gleichung
x3 − 2 = 0
und diese nach Satz 14 irreduzibel ist,ist das ein Widerspruch zu Satz 13.
Quadratur des Kreises (ohne Beweis)
Aufgabe:Mit Lineal und Zirkel aus einem gegebenen Kreis ein
Quadrat mit demselben Flächeninhalt zu konstruieren.
Satz (Lindemann 1882) Das ist unmöglich
Beweisidee: Wir müssen zeigen,daß die Zahl π in keiner iterierten
quadratischen Erweiterung von Q liegt. Dies folgt daraus,
◮
daß π transzendent ist (=Nullstelle von keinem Polynom mit
rationellen Koeffizienten),
◮
jede konstruierbare Zahl algebraisch (=nicht tranzendent) ist.
Mit diesem Nachweis wurde das Problem der Quadratur des Kreises
endgültig erledigt. Wir werden diese Aussage nicht beweisen.
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