Prof. Dr. Henning Scheich, Magdeburg

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Wie lernt der Mensch?
Lernen im Spannungsfeld von Neurobiologie und
Erziehungswissenschaften
Prof. Dr. Henning Scheich
Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich habe die dankbare Aufgabe, Ihren noch vorhandenen Lernhunger zu befriedigen und will das anhand wissenschaftlicher Daten tun, die in den letzten
Jahren vorwiegend im Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg erarbeitet wurden.
Meine Überlegungen zum Lernen schließen sich an die bereits heute mehrfach
gehörte Feststellung an, dass nicht nur im Medizinstudium eine erhebliche
Stoffüberfrachtung besteht und, dass man sowohl bei Lehr- als auch bei Lernstrategien darauf achten muss, dass bestimmte Regelhaftigkeiten, die für Lernprozesse im Gehirn existieren, berücksichtigt werden.
Es ist keineswegs so, dass das Credo der Fachdidaktik unumwunden gilt, dass
man etwas besser behalten würde, wenn man es besser versteht. Wir haben inzwischen in der Hirnforschung einige Zusammenhänge herausgefunden, die
zeigen, dass „Verstehen“ Hirnmechanismen involviert, die nicht in einem direkten Zusammenhang mit den Abspeichermechanismen stehen. Studium oder
die Bildung insgesamt ist ein ökonomisches Projekt, bei dem mit einem gewissen Aufwand möglichst ein optimaler Gewinn im Sinne von Reproduzierbar-
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keit und Anwendbarkeit erreicht werden soll.
Die Frage, wo das Gedächtnis im Gehirn lokalisiert ist, ist nicht mit einer bestimmten Region zu beantworten. Wir wissen seit langer Zeit, dass sich das
Langzeitgedächtnis im Kortex befindet. Ich lasse den Hippocampus als Übertragungsstation vom Kurzzeit- zum Langzeitgedächtnis dabei außen vor und
beschränke mich auf kortikale Mechanismen. PET-Bilder des menschlichen
Gehirnes zeigen, dass bestimmte Informationsinhalte je nach Kontext in sehr
unterschiedlichen kortikalen Regionen bearbeitet werden (Abb. 1).
Abb. 1: Lage kortikaler Aktivierungen beim Sprechen, Hören, Generieren oder Sehen von
Wörtern; modifiziert aus Raichle und Fox (1995).
Der Kortex ist in multiple Funktionsareale parzelliert. Semantische Inhalte als
Antwort auf bestimmte Reize müssen nicht an einem Ort verarbeitet werden.
Beim Hören eines Wortes ist neben dem Hörkortex auch das sensorische
Sprachareal (Wernicke Sprachzentrum) aktiv, beim Generieren von Wörtern
ist nicht nur das motorische Broca-Sprachzentrum aktiv, beim Nachsprechen
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von Wörtern benötigen wir neben dem motorischen auch den auditorischen
Kortex, und beim Lesen benötigen wir neben dem visuellen Kortex auch eine
Überleitung zum auditorischen Kortex. Es gibt somit bestimmte Lokalisationen,
die sich mit bestimmten Inhalten beschäftigen, kein Hirnareal funktioniert allein, sondern benötigt immer die Zusammenarbeit mit anderen Arealen. Was
an Information in einem Hirnareal verarbeitet wird, wird auch dort gespeichert.
Es gibt keinen allgemeinen Speicher im Kortex, wie wir ihn als Festplatte oder
USB-Stick aus der Computeranalogie kennen. Wir kennen inzwischen hunderte von Funktionsarealen aus den fMRT-Untersuchungen, die alle unterschiedliche Gedächtnisinhalte abspeichern können.
Beim Hören einer frequenzmodulierten Tonsequenz wird sich der linke Hörkortex aktivieren (Abb. 2, links). Wenn man das mit einer semantischen Zuordnung verknüpft, also eine kategorisierende Entscheidung verlangt, ob eine
Frequenzmodulation in der Tonhöhe nach oben oder nach unten geht, werden
im Kortex bestimmte Bedeutungsklassen gebildet, und die Aktivität wechselt
auf den Hörkortex der rechten Seite (Abb. 2, rechts).
Zuhören
L
Kategorisieren
R
L
R
Abb. 2: Aufgaben- und lernabhängige Gehirnaktivität; modifiziert nach Brechmann und
Scheich, Cerebral Cortex 15: 578-87, 2005.
Die Korrelation zwischen Leistung und dem Produkt aus Größe und Ausbreitung der Markierung des Hirngebietes besteht nur beim Kategorisieren und nur
im rechten Hörkortex und nicht beim einfachen Zuhören, sie weist jedoch ein
negatives Vorzeichen auf. Die roten Symbole in Abbildung 3 repräsentieren
3
einen Probanden, der zu Beginn der Studie schlecht abschnitt, aber nach Training bessere Leistungen bot.
Kategorisierungsaufgabe (Gestaltbildung)
T3 left
IWV
T3 right
IWV
10000
10000
8000
8000
6000
6000
4000
4000
2000
2000
0
0
0.0
1.0
2.0
3.0
d'
0.0
1.0
2.0
3.0
d'
Abb. 3: Vergleich der Korrelationen zwischen der Leistungsverbesserung (Abszissen, d’ nach
rechts anwachsend) und dem Produkt aus Größe und Ausbreitung der Markierung
des Hirngebietes (Ordinaten) beim Kategorisieren im linken (T3 left) und rechten
(T3 right) Hörkortex; modifiziert aus Brechmann et al., Cerebral Cortex 17: 2544-52,
2007.
Das negative Vorzeichen der Korrelation hat uns zunächst verwundert, es wurde inzwischen aber in vielen Studien reproduziert. Wir konnten feststellen, dass
durch das Lernen sich die Hirnaktivität auf einen ganz kleinen Bereich konzentriert, der dann eine besonders hohe Aktivität zeigt.
Bei sehr vielen leistungsorientierten Lernaufgaben kann man sehen, dass sich
die Aktivität auf die spezialisierten Neurone konzentriert. Damit stimmt die
früher immer wieder angeführte These, dass ein Nutzen von mehr Hirnabschnitten mit besserer Hirnleistung einhergeht, aus Sicht der modernen Erkenntnisse nicht mehr. Je besser man ist, desto weniger, dafür aber spezifischere Neurone werden aktiviert. Macht man dagegen viele Fehler, kommt es zu
einer weitreichenden, aber unspezifischen Aktivierung.
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Das eben Gesagte gilt aber nicht für alle Leistungen. Wenn wir jetzt dieselben
gehörten Tonmuster fortlaufend mit kurz vorher gehörten Tonmustern auf
Identität vergleichen, wird das Arbeitsgedächtnis beansprucht. Die Hirnaktivität wäre dann, wie beim reinen Zuhören, mehr links orientiert, und die Korrelation hat nun ein positives Vorzeichen. Je mehr Neuronen den Gedächtnisinhalt kurzzeitig festhalten, desto besser wird man. Im rechten Kortex, in dem
weniger Aktivierung gemessen wird, gibt es auch keine Korrelation mit der
Leistung (Abb. 4).
Arbeitsgedächtnisaufgabe
x=-51, y=-30, z=10
T3 left
IWV
T3 right
IWV
10000
10000
8000
8000
6000
6000
4000
4000
2000
2000
0
0
0.0
1.0
2.0
3.0
d'
0.0
1.0
2.0
3.0
d'
Leistungsverbesserung
Abb. 4: Vergleich von Lokalisation der Aktivität und Korrelation zwischen der Leistungsverbesserung (Abszissen) und dem Produkt aus Größe und Ausbreitung der Markierung des Hirngebietes (Ordinaten) bei einer Arbeitsgedächtnisaufgabe im linken
Kortex (linkes Diagramm) und im rechten Kortex (rechtes Diagramm); modifiziert
aus Brechmann et al., 2007.
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Diese Beispiele zeigen, dass jedes kortikale Areal in Lernprozesse involviert ist
und wir an den verschiedenen Stellen des Kortex Lernkorrelate nachweisen
können, die von der jeweiligen Lernaufgabe abhängig sind.
Lernen ist nach unserem heutigen Verständnis eine Funktion von Ensembles
von Neuronen, die miteinander kommunizieren. Die Kommunikationsleitungen können durch den Gebrauch (Übung, Wiederholung) verstärkt werden. In
einem Cartoon zur Auslösung von Feuer durch einen Blitz soll das veranschaulicht werden (Abb. 5).
Blitz
Assoziationsbildung
Wasser
Steine
Holz
Heu
Feuer
Gras
Induktive
Logik
Abb. 5: Modellvorstellung zur Bildung von Assoziationen und Rückkopplungen
Hinter diesen Überlegungen steht das Prinzip des synaptischen Gedächtnisses,
das von einer Ensemblebildung der Neuronen ausgeht (Abb. 6). Dabei repräsentiert die rote Zelle A einen Inhalt und hat mit vier blauen Zellen Kontakte.
Die grüne Zelle B, die einen etwas anderen Inhalt repräsentiert, hat mit drei
blauen Zellen Kontakte. Im Überlappungsbereich können die Zellen sowohl
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von A als auch von B aktiviert werden. Im synaptischen Gedächtnis werden Informationen in Ensembles von Neuronen gespeichert, die untereinander Synapsen bilden und kommunizieren können. Jedes einzelne Neuron verfügt über
eine große Zahl an Synapsen, die ihrerseits wieder mit Ko-Ensembles Kontakte
eingehen. Nach Überschlagsrechnungen ist dieses Verschaltungsprinzip auch
die Lösung für unser lebenslanges Lernen, denn die vorhandene Kapazität
reicht für die erforderlichen Speichervorgänge aus. Das funktioniert aber nur,
wenn die Verstärkung verschiedener Synapsen pro Neuron durch unterschiedliche Lernprozesse zeitlich gestaffelt und in vernünftigen Zeiträumen erfolgt.
Im Modell von Abbildung 6 würde ein gleichzeitiges Aktivieren von Neuron A
und Neuron B zu gestörtem Lernen führen, weil die blauen Neuronen im Überlappungsbereich widersprüchliche Informationen erhalten.
Abb. 6: Modell der Ensemblebildung von Neuronen beim synaptischen Gedächtnis
Das synaptische Gedächtnis ist ein sehr leistungsfähiges System. Es ist aber im
Prozess der Gedächtnisbildung durch Informationsüberfrachtung sehr störanfällig.
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Die Abbildung 7 zeigt zwei kortikale Sternzellen mit ihren synaptischen Fortsätzen auf den Dendriten (Spines). Die Zahl der Fortsätze nimmt mit dem Lernen ab. Das erscheint merkwürdig, ist aber ein wichtiger Selektionsprozess. In
der frühen Kindheit kommt es zu einem massiven und zum Teil zufälligen Aussprossen von Synapsen und der Bildung überzähliger synaptischer Kontakte.
Danach kommt es zu einer erfahrungsabhängigen Synapsenselektion, bei der
anhand von Aktivierbarkeit überprüft wird, welche Kommunikationsverbindungen Sinn machen. Diesen beim Tier beobachteten Vorgang gibt es auch
beim Menschen (Abb. 8). Wenn das Kind mit etwa 7,5 Monaten beginnt, sich
im Detail für seine Umwelt zu interessieren, nimmt die Zahl der Synapsen im
visuellen und im auditorischen Kortex ab. Im präfrontalen Kortex, in dem
mehr kognitive oder planerische Fähigkeiten gespeichert sind, beginnt dieser
Vorgang erst später.
Abb. 7: Erfahrungsabhängige Synapsenselektion, I: Tier mit Muttererfahrung, C: Tier ohne
Muttererfahrung; modifiziert aus Wallhäusser und Scheich, Dev. Brain Res. 91: 2944, 1987.
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Pubertät
3.5 Jahre
7.5 Monate
Geburt
Anzahl Synapsen / 100 µm3
70
60
50
40
30
Visueller Cortex
Auditorischer Cortex
Präfrontaler Cortex
20
10
0
100
200
500
1000
2000
5000
10000
Tage nach Empfängnis
Abb. 8: Die Synapsenselektion verläuft in Phasen; modifiziert nach Huttenlocher und Dabholkar (1997).
Die nach der Synapsenselektion übrig gebliebenen Synapsen zeigen Veränderungen, wie eine vermehrte Beladung mit Neurotransmittern, eine größere
Zahl von Mitochondrien, was bedeutet, dass Folgeaktivitäten beim GedächtnisRetrieval auf eine sehr leistungsfähige Struktur treffen. Der Informationsweg ist
damit, ähnlich wie eine Autobahn, gebahnt.
Ein Zwischenfazit an dieser Stelle fasst das bisher Dargestellte zusammen:
Lernprozesse bis zur Pubertät führen zur Abspeicherung von Informationen
und gleichzeitig zur Strukturierung des noch unfertigen Gehirns im Sinne von
später ausbaubaren Fähigkeiten. Die Strukturierung in der Hirnrinde hat ihren
Höhepunkt im Vorschul- und Grundschulbereich. Nach der Pubertät beschränken sich Umbauprozesse im Wesentlichen nur noch auf Verstärkung
oder Abschwächung vorhandener Synapsen.
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Welche Vorgänge spielen sich während dieses Strukturierungs- und Umbauprozesses ab und welche Störungen können dort eingreifen?
Neuronale Strukturen sind bei der Gedächtnisbildung elektrisch aktiv. Die
Neurophysiologie kennt das Prinzip der Langzeitpotenzierung (LTP) als ein
Modell der Gedächtnisformierung (Abb. 9). Dabei ist das Kurzzeitgedächtnis
ein eindeutig elektrisches Phänomen, denn es ist elektrisch störbar. Ein kleiner
Elektroschock kann jedes Kurzzeitgedächtnis löschen, eine Langzeitspeicherung dagegen nicht.
Das Kurzzeitgedächtnis hält nur für maximal wenige Stunden an. Unter ganz
bestimmten Umständen kann von diesem Kurzzeitgedächtnis ein Langzeitprozess ausgehen, der dann mit dem Umbau von Synapsen verbunden ist. Dafür
sind Genaktivierungen und Proteinsynthese erforderlich. Proteinsynthesehemmer können diesen Prozess stören.
Abb. 9: Modell der Langzeitpotenzierung mit sequentiellen Kurzzeitgedächtnisprozessen,
aber anschließend sich überlagernder Langzeitgedächtnisbildung
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Wenn wie in Abbildung 9 zwei Kurzzeitinhalte hintereinander geschaltet sind,
löst ein langfristiger Prozess die Proteinsynthese aus, die mindestens 24, meist
48 Stunden andauert. Sind nun dieselben Neurone mit verschiedenen Synapsen
involviert, überlagern sich die Umbauprozesse infolge der unterschiedlichen
Zeitdynamik.
Die Überlagerung ist das eigentliche Problem, welches die Gedächtnisbildung
stört. Wenn die Speichermengen räumlich sehr weit voneinander getrennt abgelegt werden, funktioniert die Gedächtnisbildung sehr gut. Will man aber hintereinander mit denselben Neuronen ähnliche Inhalte speichern, stößt das System an Grenzen.
Die Übertragung vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis folgt Auswahlprinzipien, die einer bewussten Kontrolle kaum zugänglich sind. Sie dauert mindestens 24 Stunden. Wir können die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, mit der Informationen in das Gedächtnis übertragen werden (emotionale und kognitive
Bewertung). Die Vertiefung von Information durch Wiederholung fördert die
Verankerung, dagegen stört eine Reizüberflutung sie massiv.
Wir wissen inzwischen, dass ein zeitliches Aufsplitten von Lehrinhalten in relativ kurze Sequenzen bessere Lernerfolge bringt als ein langer Unterrichtsblock
zu nur einem Thema (Abb. 10).
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Abb. 10: a) Bei Blockunterricht werden drei verschiedene Themen über eine jeweils lange
zusammenhängende Zeitspanne bearbeitet. Die Überfrachtung mit Informationen
stört entsprechend Abbildung 6 für jeden Block die Verankerung im Langzeitgedächtnis. Außerdem stören sich die verschiedenen Themen rückwirkend bei der
Verankerung, wenn sie nicht grundsätzlich verschiedene Inhalte haben (sog. retrograde Interferenz). b) Dagegen werden bei kürzeren Arbeitsperioden mit Themenwechsel alle Aufgaben besser verankert; modifiziert aus Robertson et al., Nature Rev. Neurosci. 5: 576-582, 2004.
Ein experimentelles Beispiel soll das belegen. Man erzählt Kindern zwei Märchen hintereinander und lässt sich die Inhalte nach 24 Stunden nacherzählen.
Die meisten Fehler werden beim ersten Märchen gemacht (Abb. 11). Das ist
nach der Synapsentheorie und den geschilderten Umbauprozessen auch gut
vorstellbar, denn der Beginn des Synapsenumbaus für die Gedächtnisinhalte
des ersten Märchens wird durch die neu zu formierenden Gedächtnisinhalte
des zweiten Märchens gestört.
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Abb. 11: Retrograde Interferenz bei Vorschulkindern: 2 Geschichten erzählen, Test nach 24
Stunden, modifiziert aus Howe, Dev. Psychol. 38: 3-14, 2002.
Eine Aufsplittung der Lerninhalte durch Pausen führt auch zu besseren Lernergebnissen. Bei Kindern wurde beim Zuordnen von Objekten zu sinnvollen Kategorien ein Blocklernen mit den Ergebnissen kurzer Lernphasen mit zwischengeschalteten Spielabschnitten verglichen. Die Fehlerrate war beim Blocklernen deutlich höher (Abb. 12).
Noch eindrücklicher ist ein Befund, der beim Lernen mathematischer Inhalte
erhoben werden konnte. Auch hier wurde die Genauigkeit der Ergebnisse beim
Blocklernen und zeitlich aufgesplittetem Lernen verglichen. Bei der Wiederholung nach einer Woche waren beide Gruppen noch etwa gleich gut, dagegen
zeigten sich bei einer Wiederholungsaufgabe nach vier Wochen massiv schlechtere Ergebnisse bei den Blocklernern (Abb. 13).
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Abb. 12: Mittelwerte und Standardabweichungen richtiger Antworten bei Blocklernen oder
aufgeplittetem Lernen; modifiziert aus Vlach et al., Cognition. 109: 163-7, 2008.
Abb. 13: Langzeitgedächtnis-Retention (Mathematikaufgaben) nach verteiltem und gehäuftem Lernen; modifiziert aus Commins et al., Behav. Brain Res. 139: 215-23, 2003.
Diese Daten sprechen vehement gegen die Blockkurse, die aus verschiedenen
Aspekten für viele immer wieder interessant sind. Aus der Sicht der Gedächtnisbildung und des reproduzierbaren Wissens sind solche Blockkurse, die einen
Sachverhalt sehr konzentriert darbieten, nicht sinnvoll. Die Idee, dass viel mehr
Assoziationen zu mehr Langzeitgedächtnis führt, ist falsch. Dies trifft nur zu,
wenn genügend Zeit zwischen den verschiedenen Assoziationsbildungen vergeht. Kurze Einheiten mit Pausen und Abwechslung sind die optimale Lern-
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form für das Langzeitgedächtnis. Das gilt auch für das (Wieder-)Lernen bei Patienten mit Hirnverletzungen oder -schädigungen.
Ein Fazit dieses Abschnittes lässt sich wie folgt formulieren: Die optimale Verankerung von Informationen im Langzeitgedächtnis erfordert
 begrenzte Informationsmenge pro Zeiteinheit
 inhaltliche Abwechslung bzw. Pausen
 Wiederholungen.
Diese Rezepte sind nicht neu. Heute kennen wir aber ihre neurobiologischen
Grundlagen und sollten unsere Lehrprogramme diesen Erkenntnissen anpassen.
Aus Zeitgründen kann ich zum internen Belohnungssystem und dem Neurotransmitter Dopamin und dessen Bedeutung für das Lernen nur einige Sätze
anführen. Neuigkeit und Verstehen bzw. Verhaltenserfolg im Umgang mit
Neuem aktivieren das Mittelhirn-Kortex-Dopamin-System. Wir wissen inzwischen auch, dass die Umbauprozesse an der Synapse bei der Gedächtnisbildung
unter der Kontrolle von Dopamin stehen. Damit hat Dopamin neben der motivationalen Komponente eine wichtige Funktion für die Gedächtnisbildung. Die
Dopaminsteuerung kann aber nur schwer pharmakologisch beeinflusst werden,
denn ein dauerhaft erhöhter Spiegel hat keine gedächtnisfördernde Wirkung.
Stimuliert man dagegen bei Mäusen die ventrale tegmentale Area (VTARegion) als natürliche Quelle des Dopamins mit phasischen elektrischen Reizen
bei Problemlösungen, kann man ein sogenanntes „Superlearning“ beobachten.
Den Einfluss von Dopamin auf die Abspeicherung von Informationen untersuchen wir derzeit in unserer Grundlagenforschung.
Vielen Dank!
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