VON ARISTOTELES ZU GALILEI UND NEWTON Die Entdeckung

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VON ARISTOTELES
ZU GALILEI UND NEWTON
Die Entdeckung der
Grundgesetze der Mechanik
Wolfgang Steiner
FH OÖ, Fakultät für Technik und Umweltwissenschaften
Was man mit Mechanik
alles berechnen kann …
Wer die Bewegung nicht kennt,
kennt die Natur nicht.
(Aristoteles, Physik III 1)
Raumsonde Mars-Odyssee
Mehrkörpersimulationen
DIE WISSENSCHAFT DER KINETIK
(Heutiges) Ziel: Bewegungen von Körpern sollen vorausberechnet werden.
1300
1500
Newton
Descartes
Bradwardine
Buridanus
(Impetustheorie)
Avempace
Philoponus
Aristotelische Bewegungslehre
1684
Neuzeit
Mittelalter
Antike
Aristoteles
Physik
1000
Galilei
550 n.Chr.
Avicenna
322 v. Chr.
Moderne
Kinetik
Literatur:
Aristoteles, Physik, Bücher I-VIII.
A. C. Crombie, Von Augustinus bis Galilei. Die Emanzipation der
Naturwissenschaft.
H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes.
I. Newton, Philiosophiae NaturalisPrincipia Mathematica.
L. Russo, Die vergessene Revolution oder die Wiedergeburt des
antiken Wissens.
Grundfrage: Was ist die Ursache einer Bewegung?
2 Experimente – 2 Arten von Ursachen:
1. Wurf eines Körpers: Der Werfer verursacht die Bewegung!
 Ursache wird nur am Beginn
der Bewegung wirksam.
2. Freier Fall: Die Schwerkraft verursacht die Bewegung!
 Ursache ist während der
ganzen Bewegung wirksam.
Die Bewegungslehre von Aristoteles (384 – 322 v. Chr.)
Bewegung (kinesis-κίνησις, metabole-μεταβολή) =
Übergang von Möglichkeit (dynamis) zu Wirklichkeit (energeia).
Dies erfordert die ständige Präsenz einer (Ziel-) Ursache.
„Alles, was bewegt wird, muss durch etwas bewegt werden“ (Aristoteles, Physik VII)
Anfangsursache als Begründung einer Bewegung nicht ausreichend!
innere Ursachen (natürlich)
Bsp: fallender Stein, aufsteigende Luft
Bewegungsursachen
äußere Ursachen (erzwungen)
Bsp: geworfener Stein
Das Aristotelische „Bewegungsgesetz“ für Ortsveränderung:
Treibende Kraft (P)
Geschwindigkeit (v) =
Widerstandskraft (R)
 Wirkung ist proportional zur Ursache
 Doppelte Treibende Kraft: doppelte Geschwindigkeit
 Doppelte Widerstandskraft: halbe Geschwindigkeit
Probleme:
1. Wenn v = P / R, dann ergibt sich für jedes Verhältnis P / R eine
Geschwindigkeit, also auch für R > P. Ein Körper kann sich aber nicht
bewegen, wenn der Widerstand größer als die treibende Kraft ist.
2. Wenn die treibende Kraft und der Widerstand konstant sind, so
müsste auch die Geschwindigkeit konstant sein. Warum beschleunigt
dann ein fallender Körper?
Vielleicht das Grundproblem:
3. Wenn die Bewegungsursache ständig wirken muss, welche
äußere Ursache hält dann einen Pfeil in Bewegung, nachdem er
sich von der Bogensehne getrennt hat?
„Antiperistasis“
Dazu zwei antike Lösungsvorschläge:
(a) Der Pfeil wird von Luftwirbel angetrieben,
die sich an der Pfeilspitze bilden, zum Pfeilschaft zurückströmen und dann von hinten
„anschieben“. (Platon)
(b) Der Bogen überträgt die bewegende Kraft an die Luft. (Aristoteles)
Ohne Luft wäre daher gar keine Bewegung möglich!
Johannes Philoponus
(Christl. Philosoph aus Alexandria, 6. Jhd.):
Die einen Pfeil bewegende Kraft stammt nicht von der Luft,
sondern wird dem Pfeil direkt von der Sehne mitgegeben. Die
Kraft, die den Pfeil antreibt, steckt also in ihm. Sie ist aber nur
„geliehen“ und geht wieder verloren (auch im Vakuum!).
Avicenna (Persischer Arzt und Philosoph, 980 – 1037):
Die dem Pfeil durch die Sehne mitgegebene Kraft („geborgte
Kraft“) wird nur durch den Widerstand im Medium behindert.
Im „leeren Raum“ kommt eine Bewegung nie zum Stillstand.
Avempace (Arabisch-spanischer Philosoph, 12. Jhd.):
Nicht v = P/R ist das korrekte Bewegungsgesetz, sondern v = P – R.
Andernfalls würde im leeren Raum v unendlich, da dann R = 0.
→ Ableitung eines allg. Gesetzes aus abstrahierten Verhältnissen!
 Kritik durch Averroes u. Albertus Magnus: Die wirkliche Welt ist das Konkrete.
 Verteidiger: Thomas von Aquin, Duns Scotus, Roger Bacon, Galilei
Thomas Bradwardine (1295 – 1349, Oxford) :
Die Geschwindigkeit v ist nicht proportional zum Verhältnis P/R.
Statt dessen muss das Verhältnis P/R zum Verdoppeln der
Geschwindigkeit quadriert werden. Zum Halbieren muss die
Wurzel aus P/R gezogen werden.
In moderner Sprache: v = Log(P/R). Damit ist v=0 für P=R. Bis ins
16. Jhd. wurde dies als korrektes Bewegungsgesetz angesehen.
→ Das „Warum“ wird langsam durch das „Wie“ ersetzt!
Johannes Buridanus († nach 1358, Paris):
Durch einen Beweger wird einem Körper ein Impetus (=Impuls)
eingeprägt. Er ist das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit.
Ein schwerer Körper kann mehr Impetus aufnehmen als ein
leichter. Der Impetus kann durch Schwerkraft vermehrt werden
oder durch Widerstandskräfte abnehmen.
Erklärung des frei fallenden Körpers:
Körper erhält durch Schwerkraft eine Geschwindigkeit – Dabei
entsteht Impetus – Dieser Impetus treibt den Körper zusätzlich
an – Der Körper beschleunigt und erhält noch größeren Impetus.
 Impetus ist zugleich Ursache und Wirkung!
Wilhelm von Ockham (1288-1347):
„... das, was nach der Trennung des bewegten
Körpers vom ursprünglichen Werfer derart zu
bewegen vermag, [ist] der Körper aus sich selbst...“
„… die Ortsveränderung ist keine neue Wirkung im Sinne einer
realen Wirkung…, weil sie nichts anders ist als die Tatsache, dass der
bewegte Körper an verschiedenen Stellen im Raum ist…“
„Bewegung ist keine Sache, die in sich grundverschieden ist von dem
bleibenden Körper, weil es unsinnig ist, viele Wesenheiten in
Anspruch zu nehmen, wenn man mit wenigen auskommen kann…“
Abkehr vom Grundsatz: Alles was sich bewegt, wird von etwas bewegt.
Der Wendepunkt:
Galileo Galilei (1564-1642)
Neue (alte) Forschungsmethoden:
1. Kombination aus Experiment und Mathematik (Archimedes)
2. Pragmatismus: Frage nach dem „Wie“, nicht nach dem „Warum“
tritt in den Vordergrund. (Nominalismus/Ockham)
3. Reduktion und Abstraktion: Zerlegen in Einzelprobleme und
Vernachlässigung von Störeffekten wie Reibung. Schaffen einer
idealen „Laborwirklichkeit“. (Platonismus)
Hauptziel: Verteidigung des Kopernikanischen Weltmodells durch
eine neue Bewegungslehre. (Konflikt mit Kirche)
Trägheitsgesetz von Galilei:
Trägheit = Widerstand gegen Änderung der Geschwindigkeit.
Ohne Kraft behält ein Körper seine Geschwindigkeit bei.
Kräftefreie Bewegung im Großen ist die Kreisbewegung
Galileis Erklärung
der Bewegung von
Himmelskörpern
durch das Trägheitsgesetz.
„Impeto“ ist Wirkung und nicht Ursache von Bewegung.
Problem des Trägheitsgesetzes von Galilei:
Die Keplerschen Gesetze
1. Gesetz:
Die Planeten umlaufen die Sonne auf elliptischen Bahnen. In einem der Brennpunkte
dieser Ellipsen befindet sich die Sonne.
Johannes Kepler (1571-1630)
2. Gesetz:
Die Linie von der Sonne zu einem
Planeten überstreicht in gleichen
Zeiten gleiche Flächen.
Planet
3. Gesetz:
Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier
Planeten verhalten sich zueinander so wie
die Kuben der großen Halbachsen ihrer
Bahnellipsen.
Sonne
Keine Erklärung der Planetenbewegung durch Trägheitsgesetz allein!
Der Durchbruch:
Isaac Newton (1643 – 1727)
Trägheitsgesetz gilt nicht für kreisförmige, sondern für geradlinige Bewegungen!
Erstes Bewegungsgesetz (Axiom):
Ein Körper, auf den keine Kraft einwirkt, verharrt im Zustand der
Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung auf geradliniger Bahn.
Zweites Bewegungsgesetz (Axiom):
Die Änderung des Impulses (= Masse mal Geschwindigkeitsvektor)
ist gleich der Summe aller einwirkenden Kräfte.
Erklärung der Planetenbewegungen durch Gravitationskraft
∆𝑠
Zeitpunkt 2
Zeitpunkt 1
∆𝐼
𝐼 = 𝑚𝑣
∆𝐼
∆𝐼
𝑟
𝐼 = 𝑚𝑣
𝑟
Richtungsänderung des Impulses
hin zum Kreismittelpunkt!
∆𝐼 𝑚𝑣
=
∆𝑠
𝑟
𝑚𝑣
∆𝐼 =
∆𝑠
𝑟
Der Weg ∆𝑠 entspricht bei kleinem
Zeitintervall der roten Verschiebung
∆𝐼 𝑚𝑣 ∆𝑠 𝑚𝑣 2
𝐹=
=
=
∆𝑡
𝑟 ∆𝑡
𝑟
Erklärung der Planetenbewegungen durch Gravitationskraft
𝑚
𝑣
𝐹
Bewegt sich ein Körper mit der Geschwindigkeit 𝑣 auf einer Kreisbahn mit dem Radius 𝑟
um die Erde, so wirkt auf ihn die zum Erdmittelpunkt gerichtete Gravitationskraft
𝑟
𝑚𝑣 2
𝐹=
𝑟
Es ist die gleiche Kraft, die alle Körper auf der Erdoberfläche nach unten zieht!
Auf Erdoberfläche:
𝐹 = 𝑚𝑔; 𝑔 = 9,81m/s2
𝑟 = 𝑅𝐸 ; 𝑅𝐸 = 6380 km
𝑚𝑣 2
𝑚𝑔 =
𝑅𝐸
𝑣=
𝑔𝑅𝐸 = 7,9 km/s
Das Gravitationsgesetz von Newton
𝑚
𝑣
𝐹
3. Keplersches Gesetz:
Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier
Planeten verhalten sich zueinander so
wie die Kuben der großen Halbachsen
ihrer Bahnellipsen.
𝑟
𝑇2 = 𝑘 𝑟3
𝑚𝑣 2
𝐹=
𝑟
𝑟 2𝜋
𝑣=
𝑇
𝑚 𝑟 2 4𝜋 2 𝑚 4𝜋 2
𝑚 𝑟 2 4𝜋 2
=
𝐹=
3 = 𝑟2 𝑘
2
𝑟
𝑘𝑟
𝑟 𝑇
𝑚
𝐹 = 2𝜇
𝑟
Was kommt nach Newton ?
Leonhard Euler (1707-1783):
Beschreibung der Rotationsbewegungen von Körpern
Albert Einstein (1879-1955):
Relativitätstheorie erfordert eine Korrektur der
Bewegungsgesetze von Newton für Geschwindigkeiten nahe
der Lichtgeschwindigkeit (c = 300000 km/s!)
Werner Heisenberg (1901-1976):
Bewegungsgesetze von Newton gelten nicht bei sehr kleinen
Objekten (Elementarteilchen). Ort und Impuls eines Teilchens
können nicht zugleich bestimmt werden.
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