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Zentrum für Medizinische Ethik
MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN
Heft 152
GESUNDHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSMÜNDIGKEIT
IN DER ISLAMISCHEN TRADITION
Ilhan Ilkilic
3. Auflage März 2005
Ilhan Ilkilic, Dr. med./TR, Dr. phil., M.A., studierte Medizin, Philosophie und Islamwissenschaften. Er ist seit Januar 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Medizinische
Ethik des philosophischen Instituts an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts "Kulturübergreifende Bioethik".
Diese Arbeit ist im Rahmen des DFG-Projekts „Kulturübergreifende Bioethik“, Teilprojekt
Gesundheitsmündigkeit [DFG: Sa402/4-1], entstanden.
Herausgeber:
Prof. Dr. med. Burkard May
Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass
Zentrum für Medizinische Ethik Bochum
Ruhr-Universität
Gebäude GA 3/53
44780 Bochum
TEL (0234) 32-22749/50
FAX +49 234 3214-598
Email: [email protected]
Internet: http://www.medizinethik-bochum.de
Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des
ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren
verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor.
© Ilhan Ilkilic
1. Auflage April 2004; 2. Auflage Januar 2005; 3. Auflage März 2005
Schutzgebühr:
Bankverbindung:
€ 6,00
Sparkasse Bochum
Kto.Nr. 133 189 035
BLZ: 430 500 01
GESUNDHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSMÜNDIGKEIT
IN DER ISLAMISCHEN TRADITION
Ilhan Ilkilic
Die vielfältigen Gesundheitsbilder in den Kulturtraditionen und mit diesen Bildern
verbundene Umgangsformen zeigen uns, dass die Gesundheit stets ein Urphänomen in der
Kulturgeschichte des Menschen war. Wie viele andere Traditionen bietet auch die islamische
Geschichte eine reiche Literatur über diese Themen. Im vorliegenden Beitrag werden
Gesundheitsbilder der islamischen Tradition skizziert und die damit verbundenen
umfangreichen hygienischen und diätetischen Maßnahmen zu Erhaltung der Gesundheit
behandelt. Es werden auch Wechselwirkungen zwischen dem islamischen Menschenbild und
Gesundheitsmündigkeit dargestellt. Anschließend wird die Bedeutung dieses Kulturerbes für
heutige Gesundheitsprobleme in einer globalen Welt diskutiert. Im Anhang befinden sich die
wichtigsten klassischen Texte der islamischen Tradition über das Gesundheitsverständnis und
die Gesundheitsmündigkeit.
I. GESUNDHEITSBILDER IN DER ISLAMISCHEN TRADITION
Der Heidelberger Medizinhistoriker Heinrich Schipperges unterstreicht in seinem
Buch „Gesundheit und Gesellschaft“ den philologischen Zusammenhang zwischen den
Begriffen Gesundheit und Islam: „Wir haben zu berücksichtigen, dass der Islam die einzige
Hochreligion ist, die das Wort „Gesundheit“ bereits in ihrem Titel trägt und damit diesen
Zentralbegriff zum Fundament der Weltanschauung und Lebenshaltung gemacht hat. ‚s l m’ =
‚salam’ bedeutet: ein rundum Wohlsein an Leib, Seele und Geist, das Heile eben. Die
Reflexivform von salam ist islam, die Ganzhingabe an das Heile. Wer sich zu diesem Heil
bekennt, ist ein ‚muslim’“[Schipperges 2003: 25]
Das arabische Wort sihha bedeutet Gesundheit, aber auch Hygiene, Richtigkeit,
Wahrheit, Authentizität, Fehlerlosigkeit und Rechtsgültigkeit. Die Anwendung dieses positiv
besetzten Wortes beschränkt sich keinesfalls auf den Gesundheitsbereich, sondern findet auch
in den Natur- und Geisteswissenschaften, aber auch in verschiedenen Lebensbereichen
unterschiedliche Gebrauchsformen. Ein ähnlicher Sinngehalt und Nutzungsbereich desselben
Wortes gilt auch für die persische und türkische Sprache. Neben diesem Wort wird im
modernen Türkischen das Wort sağlık verwendet, was Gesundheit, Wohlbefinden und
Unversehrtheit bedeutet.
1
1.1 Islamische Hauptquellen
Gesundheit und Krankheit werden in den islamischen Hauptquellen oft über ihre
lexikalische Bedeutung hinausgehend angewandt. Der Begriff Krankheit (mara±) kommt im
Koran mehrmals mit einem metaphorischen Sinngehalt vor. Der koranische Ausdruck
„Krankheit in den Herzen“, in dem auch das menschliche Organ Herz mit metaphorischer
Bedeutung erscheint, deutet auf Heuchelei, Unglaube und Zweifel an Gottes Existenz hin.
Diese Übertragung des Begriffsinhalts basiert auf ein vorhandenes Verständnis von
Gesundheit und Krankheit, nämlich, dass Gesundheit ein vorzüglicher und wünschenswerter
Zustand und Krankheit ein von diesem Befinden abweichender und somit zu vermeidender
Zustand ist.
Auch wenn der Ausgangspunkt der lexikalischen und metaphorischen Bedeutung des
Begriffs Krankheit in diesen Versen ein nicht wünschenswerter Zustand ist, so ist die
koranische Beurteilung dieser beiden Zustände unterschiedlich, d.h. ein kranker Mensch und
ein an Gottes Existenz zweifelnder Mensch sind nach koranischer Auffassung anders zu
bewerten. Während der erste Krankheitsbegriff, der des Unglaubens oder der Heuchelei, mit
der göttlichen Ermahnung und der Verdammnis in Zusammenhang steht, ist der zweite
Begriff Krankheit als solcher immer mit dem Trost und der Barmherzigkeit Gottes verbunden.
„Er weiß, dass es unter euch Kranke geben würde.“ [Sure d.h. Korankapitel 73/20] Die
Kranken sollen keine Gewissensnöte haben, wenn sie ihren, von Gott auferlegten religiösen
und sozialen Pflichten nicht nachkommen können. „... Gott will für euch Erleichterung, Er
will für euch nicht Erschwernis.“ [Sure 2/185]
Der kausale Nexus zwischen Gott und Heilwirkung wird in einem anderen Vers durch
die Aussage des Propheten Abraham deutlich: „Wenn ich krank bin, so heilt er mich“ [Sure
26/80]. Parallel dazu wird Gott vom Propheten Muhammed sowohl für die Krankheit als auch
für die Heilung erste Ursächlichkeit zugeschrieben. „Gott hat keine Krankheit auf die Erde
herabgesandt, ohne zugleich auch für das entsprechende Heilmittel zu sorgen.“ [Æa½Í½ alBu¿ārī 1991: 396]
Im menschlichen Leben werden Gesundheit und Krankheit als sich abwechselnde
Zustände verstanden. In diesem Kontinuum verändern sich der menschliche Leib, aber auch
soziale Bedingungen. Der folgende Hadith (Prophetenausspruch) zählt nicht nur diese
Zustände auf, sondern impliziert unter diesen eine Bewertung. „Nutze fünf (Zustände) vor
fünf (Zuständen): (Nutze) dein Leben vor deinem Tod, (nutze) deine Gesundheit vor deiner
Krankheit, (nutze) deine Freizeit vor deiner Geschäftigkeit, (nutze) deine Jugend vor deinem
2
Greisenalter und (nutze) deinen Wohlstand vor deiner Armut.“ [Al-Bayhaqī 1344-1355] Die
Erstgenannten sind vorzüglicher und deshalb zu bewahren, auch wenn dies aufgrund der
menschlichen Natur nicht immer möglich ist. In einem anderen Hadith lesen wir „Nimm von
deiner Gesundheit für deine Krankheit und von deinem Leben für deinen Tod“ [Æa½Í½ alBu¿āryy 1996:636, Nr. 6416] Nach der prophetischen Empfehlung soll gesundes Leben,
welches dem Menschen gewisse freie Räume schafft, nützlich verbracht werden. Der Inhalt
dieser
Nützlichkeit
wird
wiederum
verständlicherweise
nach
den
islamischen
Wertvorstellungen bestimmt.
1.2 Medizinische Werke
Die auch den Griechen und Indern bekannte Humorallehre diente in der islamischen
Tradition lange Zeit als Grundlage für die Gesundheitslehre. Laut dieser Theorie wurde die
aufgenommene und verflüssigte Nahrung durch einen Stoffwechselprozess in vier
Kardinalsäfte verwandelt: Das Blut (dam), der Schleim (bal™am), die gelbe Galle (al-mirra
aÈ-Èafra) und die schwarze Galle (al-mirra as-saudÁ’) [Ullmann 1970: 97]. Eine
harmonische Mischung dieser Säfte verleiht dem Menschen Gesundheit. Eine Störung
dagegen versteht sich als Ursache einer Krankheit. Der Charakter der Krankheit entspricht der
Qualität dieser Säfte und ihren Beziehungen zueinander. Der Mensch gewinnt im Laufe der
Zeit durch seine humorale Anlage und Umwelt ein bestimmtes Temperament, wie z.B.
sanguinisches, phlegmatisches, cholerisches und melancholisches. Diese spielen wiederum
bei der Entstehung einer Krankheit eine Rolle. Ist der Mensch melancholisch, so kann er
leicht von der Krankheit der Melancholie betroffen werden [Ullmann 1970: 98]. Ein wichtiger
Punkt ist, dass weder die Kardinalsäfte, noch die Qualitäten die Erstursache des Lebens sind.
Sie sind lediglich Mittel, die den Lebensnachweis in Erscheinung bringen [Nasr 1976: 160].
In den medizinischen Werken der islamischen Tradition erlangt die metaphorische
Bedeutung von Gesundheit und Krankheit keine zentrale Bedeutung wie in den theologischen
Hauptquellen. Vielmehr wird Gesundheit als körperliches und seelisches Wohlbefinden
verstanden und als höchstes Gut bewertet. ‘Alī b. Sahl Rabban aÔ-Óabari (gest. n. Chr. 855)
leitet in seinem Werk Firdaus al-¼ikma (Paradies der Weisheit), welches zu den frühesten
und umfangreichsten medizinischen Werken der islamischen Tradition gehört, den Sinn und
die Bedeutung der Gesundheit aus der menschlichen Natur ab. Der universale Charakter der
nützlichen Handlung liegt dieser Idee zugrunde. „Das Gute und den Großmut zu loben und
die Leute, die danach handeln, auszuzeichnen, ist eine Sache, über die sich alle Völker einig
sind. Wer das Wohl der Menschen erstrebt, ist gut.“ [Rabban aÔ-Óabari 1953: 7] Da für das
3
menschliche Wohlbefinden ein gesunder Zustand von zentraler Bedeutung ist, braucht jeder
Mensch seiner Natur nach medizinische Vorsorge und Fürsorge. Diese können wiederum von
der medizinischen Wissenschaft, „die jeder Mensch zu jeder Zeit braucht und die von
Angehörigen jeden Glaubens gelobt wird“ [Rabban aÔ-Óabari 1953: 7], gewährleistet
werden.
Kosmologie,
Naturphilosophie,
Leib-Seele-Probleme,
Embryologie,
Anatomie,
Physiologie, Medizinethik und gesundheitserhaltende Maßnahmen sind Themenbereiche in
seinen medizinischen Werken. Diese Schriften können als Konglomerat aus der indischen,
babylonischen, persischen und griechischen Medizin betrachtet werden, die uns schon relativ
früh medizinische Ansätze mit interkulturellen und kulturhistorischen Dimensionen liefern.
Sie beinhalten neben Therapievorschlägen für behandelnde Ärzte und Empfehlungen an
Medizinstudenten auch Ratschläge für Patienten. „Dem Kranken dürfen vier Dinge nicht
fehlen: ein kundiger, barmherziger, geeigneter Arzt von erfolgversprechendem Aussehen. Der
Kranke soll dem Arzt gehorchen, seine Diätvorschriften und seine Behandlung geduldig
ertragen. Der Diener soll sich zu ihm liebevoll verhalten, geduldig ihm gegenüber sein und
dem Arzt Gehorsam erweisen. Die Arznei soll für seine Krankheit passend sein, ...“ [Rabban
aÔ-Óabari 1950: 16] Wir finden in seinen Schriften auch nützliche hygienische und
diätetische Empfehlungen für gesunde Laien. So soll jemand, der sich an einem Ort
niederlassen will, folgende Dinge beachten. „So heißt es, dass ein Mann nicht in einem Lande
wohnen solle, in dem nicht folgende vier Dinge vorhanden seien: ein gerechter König,
fließendes Wasser, ein geeigneter kundiger Arzt und Heilmittel.“ Dieser Topos als
Empfehlung an einen Laien bezüglich seiner Gesundheitsvorsorge begegnet uns auch in
vielen anderen Epochen und Kulturen [z.B. bei . Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 74].
Die Gesundheit ist bei Is½Áq b. ‘AlÍ ar-Ruhāwī, Arzt und Kenner der hippokratischen
und galenischen Werke aus dem 9. Jahrhundert, ein natürliches Phänomen des Körpers und
höchstes Gut für den Menschen [Ar-Ruhāwī 1985: 70b]. An das Gedankengut antiker
Autoren anlehnend erklärt er die Gesundheit mit den Grundlagen der Humoralphysiologie als
normalen Zustand des Körpers und vollständige Funktion der Organe. Am Anfang befinden
sich in ar-RuhÁwÍs Buch Adab aÔ-ÓabÍb 1 zahlreiche Argumentationen über die Legitimität
und die Wichtigkeit des ärztlichen Berufes [Ilkilic 2001]. In Anlehnung an Aristoteles'
Forderungen an den Charakter eines Herrschers, der nach Aristoteles vernünftig, gelehrt, und
bedächtig sein sollte, vergleicht ar-Ruhawi den Arzt, den er den „Herrscher der Seelen und
1
Eine detaillierte Untersuchung über dieses Werk und dessen Bedeutung für die Patientenethik in der
islamischen Tradition wurde von Raphaela Veit und Ilhan Ilkilic vorbereitet und wird demnächst in dieser Reihe
veröffentlicht.
4
Körper” [Ar-Ruhāwī 1985: 8] nennt, mit dem Herrscher (eines Staates). Beide “Herrschaften”
sind von den Pflichten her vergleichbar; dennoch muss sich der Arzt verstärkt um eine,
seinem Beruf angemessene Ethik und Wissenschaft bemühen, da das Umgehen mit Seelen
und Körpern noch mehr Verantwortung erfordert, als die bloße Verwaltung von Besitz, wie
etwa im Falle des Staatsherrschers. Denn „die Körper und die Seelen sind wertvoller als der
Besitz” [Ar-Ruhāwī 1985: 8]. Ziel der ärztlichen Kunst nach ar-RuhÁwÍ ist die Erhaltung
von Gesundheit und die Heilung von Kranken. Da die medizinische Kunst die Gesundheit
erhält, sichert und stärkt, verdient sie bei ar-RuhÁwÍ den Rang, die edelste aller Künste
(ašrafu aÈ-ÈinÁþi) zu sein. Deren Zugehörigkeit zu den ältesten Wissenschaften bekräftigt
diese Geltung [Ar-Ruhāwī 1985: 154]. Die Grundursache von Heilung und Krankheit ist Gott,
und der Arzt vermittelt diese Heilung durch seine medizinische Kompetenz an Patienten. Von
daher ist die medizinische Kunst ein Geschenk Gottes.
‘Alī ibn Ri±wān (gest. 1061 oder 1068), der Leibarzt des Fatimidenkalifen al-Muntasir
(reg. 1036-94), subsumiert in seinem Werk aÔ-Ôatarruq biÔ-Ôibb ilā s-sa‘āda (Der Weg
zur Glückseligkeit durch den ärztlichen Beruf), ähnlich wie ar-Ruhāwī, die Zielsetzungen der
Medizin unter zwei Gesichtspunkten, nämlich der Erhaltung der Gesundheit und der Heilung
der Krankheit. Der nach diesen Zielen strebende Arzt benötigt philosophische Erkenntnisse,
Sichbefassen mit der Weisheit und Übung von Gerechtigkeit, Großmut sowie Redlichkeit
[‘Alī ibn Ri±wān 1982: 38]. Das menschliche Glück kann ihm zufolge nur durch das
„theoretische und praktische Philosophieren“ erreicht werden und ist für die Ausübung des
ärztlichen Berufs unerlässlich. Aus diesem Grund soll die ärztliche Ausbildung zum größten
Teil aus dem Studium der Philosophie bestehen. Er macht eine konsequente Unterscheidung
zwischen dem Arzt mit (Óabīb) und ohne Philosophiestudium (MutaÔabbib) [Vgl. Schacht
and Meyerhof 1937: S. 77].
‘Alī ibn Ri±wāns Philosophenarzt begegnet uns auch in den Schriften anderer Autoren
der islamischen Tradition, bei denen die Einflussnahme der griechischen Medizin
unverkennbar ist. Dieser Arzttypus bleibt jedoch bei vielen Autoren keinesfalls kritiklos. Abū
Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ (gest. 1058), Zeitgenosse von ‘Alī ibn Ri±wān, stammt aus der berühmten
Arztfamilie Ba¿tīÊū‘ und gehört zur siebten Ärzte-Generation. Als Kenner der griechischen
Werke kontert er diese Meinung und fordert eine Trennung von Medizin und Philosophie. Es
„tritt uns hier eine neue Einstellung entgegen, die Wahrheit nur auf Grund kontrollierter
Evidenz, und nicht auf der Grundlage der traditionellen Philosophie anzuerkennen.“ [KleinFranke bei Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ 1986: 21]. Nach seiner Ansicht sollen die jungen Ärzte
am Krankenbett und nicht in philosophischen Vorlesungen ausgebildet werden. In seiner
5
Gesundheitslehre stehen Leib und Seele sehr eng zueinander und sind durch
psychosomatische Ansätze geprägt. Ein Gesundheitszustand ist erst dann möglich, wenn
sowohl der Körper und die Seele sich in ihrer „natürlichen Ordnung“ befinden. Ein
Abweichen von diesem natürlichen Zustand bedeutet Krankheit. „Der Mensch gehört in das
Reich der Lebewesen, besteht aus einer Seele und einem Körper, wobei die Seele den Körper
in ihre Dienste nimmt, durch ihn wirkt und aus ihm heraus ihre Kräfte enthüllt. Es ist
offenbar, dass der Körper des Menschen den Gegenstand aus verschiedenen Richtungen
bemühen muss und dass sie sich um die Erhaltung seiner Gesundheit und seines Wohls
bemüht.“ [Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ 1986: 58]
Er widerspricht dem platonischen Dualismus und vertritt die Meinung, dass die
Seelenheilkunde nicht zur Philosophie, sondern zum Tätigkeitsbereich der Medizin gehört.
Auch anders als Galen vertritt er die Meinung, dass der menschliche Körper nicht gesund
bleiben kann, wenn die Seele von einer Krankheit befallen wird. Er beschreibt eindrucksvoll
in seinem Werk „Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers“ [Abū Sa‘īd
Ibn Ba¿tīÊū‘ 1986] am Beispiel der Liebe, wo morphologische Veränderungen und
Dysfunktionen am Körper durch eine Einflussnahme auf das Wesen der Seele entstehen
können. Diesen gesundheitsstörenden Gegebenheiten sollen aber nicht mit philosophischen
Spekulationen, sondern mit medizinischen Erkenntnissen analysiert und therapiert werden.
Mit seinem Gesundheitsbegriff und Leib-Seele-Verhältnis in seinem medizinischen Denken
ist Ibn Ba¿tīÊū‘ „viel weiter als die griechische Medizin gegangen, indem er die seelische
Ursache körperlicher Krankheiten feststellte, und umgekehrt folgerte, dass jede seelische
Krankheit auch eine körperliche Krankheit sei. Ibn Ba¿tīÊū‘ teilte daher die Therapie in eine
somatische und eine psychische auf, die er beide zum Aufgabenbereich des Arztes rechnete.“
[Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīsū‘ 1986: 34]
Knapp 200 Jahre nach Rabban aÔ-Óabari spricht Æā‘id ibn al-¼asan in seinem
Werk KitÁb at-TašwÍq aÔ-ÓibbÍ (Die Wachrufung der Sehnsucht nach der Medizin)
ähnlich wie er von einem interkulturellen und interreligiösen Konsens bezüglich der
Wichtigkeit der Heilkunst. „Immer waren die Völker sich einig, und es stimmen die
Zeugnisse durch richtige Analogie und fortdauernde Erfahrungen überein in den Vorzügen
der Heilkunst, ihrer Erhabenheit sowie dem [zwingenden] Bedürfnis der Menschen nach ihr.
Dies beweisen die religiösen Gesetze, verschieden wie sie sind, und die Glaubensrichtungen,
feststehend wie sie sind.“[Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 71] Bei der Erklärung von der
Wichtigkeit der Gesundheit greift Æā‘id ibn al-¼asan auf einen oft als Prophetenausspruch
tradierten Satz zurück. „Die Wissenschaft besteht aus zwei Wissenschaften, nämlich der
6
Wissenschaft von den Körpern (d.h. Medizin) und von den Religionen.“ [Æā‘id ibn al-¼asan
1968: 71] 2 Dass die Medizin in diesem Satz vor den Wissenschaften der Religion genannt
worden ist, habe seine Gründe. Für das Studium der Religionswissenschaften, sowie die
Religions- und Berufsausübung ist eine gesunde körperliche und seelische Konstitution von
zentraler Bedeutung, was nicht nur für medizinische Laien sondern auch für Ärzte gilt.
Deswegen obliegt es dem Arzt, genauso auf seine eigene Gesundheit zu achten, wie auf die
Gesundheit der anderen. „Wenn es dem Arzt nicht gelungen ist, seine Gesundheit zu
bewahren und seine Krankheit loszuwerden, so liegt es nahe, dass er andere nicht heilen
kann.“ [Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 99] Bei der Wiederherstellung der Gesundheit arbeitet der
Arzt im Dienste der Natur, deren Heilkraft wiederum von Gott kommt. „Die Heilerin der
Krankheit [ist] die Natur, die Gott der Erhabene beauftragt hat, die beseelten Körper gesund
zu erhalten, ihre Zustände zu verbessern und ihre Beschwerden zu heilen. Der Arzt ist nur ein
Diener der Natur.“ [Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 108]
1.3 Mystische Tradition
Der von den Medizinern und Theologen vertretene Ansatz, welcher Gesundheit als
erforderlichen Zustand für die Durchführung der religiösen, familiären und sozialen
Verpflichtungen und damit als ein hohes Gut erklärt, wird in dieser Tradition relativiert.
Dabei dachte man an den möglichen negativen Einfluss der Gesundheit auf das GottMenschen-Verhältnis. Eine Einstellung, die nicht nur allein in der islamischen Mystik zu
finden ist. In dem ältesten Medizinbuch des christlichen Abendlandes, dem berühmten
Lorscher Kodex, wird dieser, über die funktionale Wertung von Gesundheit hinausgehende
Blickwinkel, deutlich: „Gar heilsam (salubris) ist eine Krankheit, wenn sie das Herz des
Menschen in seiner Verhärtung aufbricht, und äußerst verderblich (valde perniciosa) ist eine
Gesundheit, wenn sie den Menschen in seinem unseligen Trott nur dazu verführt, weiter
seinen Lüsten zu frönen.“[Schipperges 2003: 32] Schon sehr viel früher nennt Heraklit in
einem Fragment Vorteile der Krankheit. „Krankheit(serfahrung) macht Gesundheit angenehm
und gut, Hunger Sättigung, Ermüdung das Ausruhen“ [Schipperges 1985: 81]
Bei al-Ghazzālī (gest. 1111), einem der einflussreichsten Gelehrten des islamischen
Mittelalters, erlangt die Medizin als dem menschlichen Wohlbefinden dienende Wissenschaft
einen hohen Wert. Das Studieren und Praktizieren der Medizin in seiner Klassifikation der
Wissenschaften erklärt er in seinem Hauptwerk i½yā’ ‘ulūm ad-dīn als eine religiöse Pflicht
2
Von wem diese Klassifikation stammt, ist umstritten. Dieser Satz kann vom Propheten Muhammad oder von
seinem Schwiegersohn ‘Alī ibn Abī Óālib oder aber vom Rechtsgelehrten Schafi`i sein [Elgood 1962:124 u.
Bürgel 1991:181].
7
(far± kifÁyah kollektive Pflicht, (d.h.) als wichtige islamische Verpflichtung gegenüber Gott,
welche durch die Folgeleistung einiger Personen andere entlasten würde) [Al-Ghazzālī 1933:
15]. Im selben Werk konstatiert er jedoch, dass die Gesundheit beim Menschen das Gefühl
der Bedürfnislosigkeit und somit auch sogar der Überheblichkeit gegenüber Gott fördern
könne. Der Mensch erlebt durch seine Krankheit seine Schwäche, Machtlosigkeit und erkennt
Grenzen des Menschseins. Dieser Zustand könnte eine Gelegenheit geben, seine Beziehung
zum Schöpfer zu stärken. Er zitiert in seinem Hauptwerk I½yā’ die Geschichte Pharaos für
die Rechtfertigung seiner Sichtweise. „Jemand hat gesagt: ‚Pharao hat nur deshalb Ich bin
euer höchster Herr [Sure 79/24] gesagt, weil er so lange gesund gewesen ist. Denn
vierhundert Jahre lang hat bei ihm kein Kopf wehgetan und kein Leib Fieber gehabt und keine
Ader gepocht. Darum hat er sich die Gottesherrlichkeit angemaßt. Wenn ihn jeden Tag das
halbseitige Kopfweh gepackt hätte, hätte es ihn davon abgehalten, sich unpassend
aufzuführen, erst recht davon, sich die Gottesherrlichkeit anzumaßen.’“ [Al-Ghazzālī 1984:
618-619]
Er nennt im Kapitel tawakkul (Gottvertrauen) desselben Werkes sechs Argumente,
durch die eine Therapieablehnung legitimierbar sei. Daraus leitet er aber nicht ab, dass diese
Haltung für alle Muslime und in allen Umständen eine empfehlenswerte ist. Eine
Therapieverweigerung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die in der mystischen Tradition
vorzufindenden spezifischen Intentionen vorliegen, diese aber eher als eine „Einstellung der
geistigen Elite“ gelten. Al-Ghazzālī möchte vielmehr in seiner Argumentationsweise auch
diese Positionen innerhalb des muslimischen Verhaltensspektrums angehörend wissen, und
sie nicht ausschließen. „Da nun die Krankheit viele Vorteile mit sich bringt, vertreten manche
die Meinung, man sollte nichts unternehmen, wodurch diese aufgehoben wird, weil sie darin
für sich einen Gewinn sehen, nicht, weil sie es als Verlust erachten, wenn man sich einer
Behandlung unterzieht. Wie könnte es auch ein Verlust sein, wo doch der Prophet es getan
hat!“ [Al-Ghazzālī 1984: 618-619]
II. HYGIENE
Die Reinheit wird in einem Prophetenspruch zum zentralen Begriff des islamischen
Glaubens erklärt. „Die Reinheit macht die Hälfte des [islamischen] Glaubens aus.“ [Canan
1991, Bd. 10: 309] Auch wenn in diesem Hadith nicht eindeutig ist, ob mit dem Begriff
Reinheit hygienische Sauberkeit oder religiös-moralische Vollkommenheit gemeint ist, so
beinhalten die Auslegungen in den klassischen Werken zu diesem Hadith beide Inhalte. Diese
Interpretationsweise wird im al-Ghazzālīs Kommentar deutlich: „Es ist unwahrscheinlich,
8
dass mit diesem Prophetenspruch nur die äußerliche Reinigung mit Wasser gemeint ist, wobei
die Zerstörung des Seelischen und sein Verbleiben in Schmutz und Unrat nicht aufgehoben
werden. Keineswegs!“ [Al-Ghazzālī 1933, 1:94] Er verknüpft in seiner Auslegung beide
Formen der Reinheit und kategorisiert sie in vier Stufen: „Die Sauberkeit hat nämlich vier
Stufen: Die erste Stufe ist die Reinigung des Äußeren von Schmutz und Ausscheidungen, die
zweite besteht darin, seine Glieder von frevelhaftem und sündhaftem Tun fernzuhalten, die
dritte Stufe ist das Freiwerden des Herzens von Unsittlichkeit, die vierte Stufe ist das
Freiwerden des Herzens von allem anderen außer Gott, dem Erhabenen. Diese vierte Stufe ist
die Reinigung nach Art der Propheten und der wahrhaft Frommen. Die Reinigung macht in
jedem Falle den halben Wert dessen [z.B. ein Pflichtgebet] aus, was man nach ihr verrichtet.“
[Al-Ghazzali 1933, 1:94] Diese von Ghazzālī aufgezählten Stufen beschreiben eigentlich den
idealen seelischen Reifeprozess eines Muslims. Reinheit und Sauberkeit im physischen Sinne
stellen hier vielmehr ein Spiegelbild des Seelischen dar, auch wenn beide nicht
gleichzustellen sind. Beide sind für ein vorbildhaftes muslimisches Leben erforderlich, aber
voneinander nicht absolut abhängig. Sich distanzieren von religiös-moralischen verwerflichen
Handlungen fängt erst in der physischen Welt an und ist als seelische Vorbereitungsphase zu
betrachten.
Leib und Seele bilden in der islamischen Anthropologie die Gesamtheit des Menschen.
Nach diesem monotheistischen und auch holistischen Menschenbild ist es nicht überraschend,
wenn religiöser Heilauftrag und hygienische Bestimmungen im selben Koranvers vorkommen
[Opitz 1904; Nabavi 1967; Rahman 1989]. „Der du dich zugedeckt hast, steh auf und warne,
und preise die Größe deines Herrn, und reinige deine Kleider, und entferne dich von der
Unreinheit.“ [Sure 74/1-5] Weitere koranische Angaben und die Praxis des Propheten
Muhammed sorgen dafür, dass hygienische Maßnahmen ein untrennbarer Teil der
muslimischen Glaubenspraxis werden. Die Verrichtung eines Pflichtgebets, welches als
Entfaltung der muslimischen Identität verstanden wird, setzt bestimmte rituelle Waschungen
voraus. In der ersten Hauptquelle des Islam lesen wir dazu: „O ihr, die ihr glaubt, wenn ihr
euch zum Gebet hinstellt, so wascht (vorher) euer Gesicht und eure Hände bis zu den
Ellbogen und streicht euch über den Kopf, und (wascht) eure Füße bis zu den Knöcheln. Und
wenn ihr sexuell verunreinigt seid, dann reinigt euch. (...) Gott will euch keine Bedrängnis
auferlegen, sondern Er will euch rein machen und seine Gnade an euch vollenden, auf dass ihr
dankbar seid.“ [Sure 5/6]
Basierend auf klassischen Quellen unterscheidet man bis heute im Alltag eines
Muslims zwei Arten von Waschungen mit rituellem Charakter: Die Ganz- und die
9
Teilkörperwaschung. Die Ganzkörperwaschung (arab. Ghusl) umfasst die Reinigung des
gesamten Körpers durch ein Vollbad. Sie wird nach der Menstruation, dem Wochenbett, dem
Geschlechtsverkehr, dem Samenerguss im Schlaf oder oft vor dem Freitagsgebet und je nach
Bedarf durchgeführt. Bei der rituellen Teilkörperwaschung (arab. Wudu), die vor einem
Pflichtgebet stattfindet, werden Hände, Mund- und Nasenhöhlen, Gesicht, Arme bis über die
Ellenbogen sowie Füße bis über die Knöchel unter fließendem Wasser gewaschen. Vor einem
Pflichtgebet wird sie nach Stuhlgang, nach dem Wasser lassen, bei Blähungen oder nach
Austritt jeglicher Substanzen aus dem Körper, wie Blut oder Eiter, wiederholt. Diese
Regelungen werden in Details in den verschiedenen Rechtsschulen unterschiedlich geregelt.
In der Gegenwart gibt es Ansichten, die diese mit religiösen Gebeten verbundenen
Waschungen allein aus hygienischen Gesichtspunkten verstehen wollen. So der persische
Arzt Abolghassem Foruzan in seiner medizinischen Dissertation im Jahr 1965: „Aber die
vorgeschriebenen Waschungen haben im Islam keinen symbolhaften oder irgendwie
zwielichtigen Sinn mehr. Sie sind rein hygienisch zu werten: Sauberkeit gehört zur
Körperpflege, deshalb ist sauberes Auftreten selbstverständliches Gebot des Anstandes schon
gegenüber den Mitmenschen – wie viel mehr gegenüber Gott! Hierauf beruht das Gebot, sich
vor dem Gebet zu waschen.“ [Forouzan 1965: 40] Foruzan erkennt zwar das Alte Testament
als Quelle für die Reinigungsvorschriften des Islam an, vertritt aber die Ansicht, dass die im
Judentum stark vertretene mystische Einheit der Begriffe „rein“ und „heilig“ im Islam
aufgehoben
sei.
Trotz
klar
nachweisbarer
Verwandtschaft
der
islamischen
Reinigungsvorschriften mit dem Alten Testament sind substantielle Unterschiede und
Weiterentwicklungen festzustellen. „Hier handelt es sich also nicht nur um eine
Verbesserung, sondern um eine umwälzende Neuerung gegenüber den Vorschriften des Alten
Testaments. Denn die Erkenntnis, dass die neuen Mittel tatsächlich eine reinigende – modern
gesprochen bakterizide – Wirkung besitzen, konnte sich nur auf scharfsinnige und gut
durchdachte Beobachtungen und Erkenntnisse stützen, die gestatteten, auf das Wesentliche,
d.h. also auf die in diesem Zusammenhang bedeutungsvolle Seite ihres Wesens, vorzustoßen
und unnötige Komplizierungen zu vermeiden.“ [Forouzan 1965: 41]
Wie Foruzans Position gibt es in der gegenwärtigen Diskussion zahlreiche Ansätze,
die hygienische aber auch andere Vorschriften der islamischen Hauptquellen ausdrücklich aus
einer naturwissenschaftlichen Perspektive sehen und verstehen wollen. Ob in der Entstehung
dieser Positionen eine apologetische Gesinnung eine Rolle spielen könnte, bleibt
dahingestellt. Die Recherche der klassischen Quellen und der für Laien geschriebenen
Literatur (z.B. Ilmihal-Bücher) zeigt jedenfalls, dass die religiöse und gesundheitliche
10
Dimension nicht klar voneinander zu trennen sind. Nach der holistischen Struktur des
islamischen Glaubens sind sie eher als sich gegenseitig einschließende, aber nicht
ausschließende Komponente zu verstehen.
Ilmihal (Wissenschaft des alltäglichen Zustands) ist eine seit dem 16. Jahrhundert vor
allem im türkisch-islamischen Kulturraum weit verbreitete spezifische Literaturgattung, die
einen
muslimischen
Laien
mit
einer
einfachen
Sprache
über
die
islamischen
Glaubensprinzipien und –praxis informiert. Im Rahmen unseres Forschungsprojektes 3 wurden
zehn Ilmihal-Bücher nach ihren Informationen über Gesundheitsförderung untersucht, und es
konnte dabei festgestellt werden, dass alle Bücher ein spezielles Kapitel oder einen Abschnitt
für Hygiene behandeln. Offensichtlicher Grund dafür sind die schon erwähnten hygienischen
Maßnahmen in der muslimischen Glaubenspraxis. Interessanterweise werden in einigen dieser
Bücher Waschungen mit dem Wasser mit der metaphorischen Reinigung der Organe in
Verbindung gebracht, so dass die Grenzen zwischen hygienischer Reinigung und religiösspiritueller Reinheit fließend werden [Canan 1991, Bd. 10:403-445].
Diese und andere zahlreichen Reinigungsvorschriften als ein Teil des muslimischen
Lebensstils haben auch schon sehr früh das architektonische Gesicht der muslimischen Städte
verändert. Ein kleines Badezimmer oder ein Duschraum gehörte zu jedem Haus. Schon seit
Umaiyyaden (7.-8. Jh.) sind die öffentlichen Badehäuser ein Bestandteil des muslimischen
Stadtbildes geworden. Oft wurden sie in unmittelbarer Nähe von großen Moscheen, wo das
Zentrum des gesellschaftlichen Lebens stattfindet, gebaut. Der legendere Architekt Mimar
Sinan (1490-1588) baute etwa 40 Hamams (türkische Bäder) im osmanischen Reich, von
denen einige bis heute existieren und noch so benutzt werden, wie es der damalige Bauzweck
vorsah. Der berühmte Reisende Evliya Çelebi (1611-1684?) berichtet in seinem
mehrbändigen Hauptwerk Seyahatname (Reiseberichte) von 14.838 öffentlichen und privaten
Hamams in Istanbul im 17. Jahrhundert. Der Hamam wird nicht nur für die körperliche
Reinigung benutzt, sondern dient auch zur gesundheitlichen Vor- und Fürsorge. Die feuchte
Wärme hat einen angenehmen, beruhigenden Effekt, lockert verkrampfte Muskeln, hilft bei
rheumatischen Beschwerden und regt das Immunsystem an. Die Hamams bieten sich auch
heute für geistig-seelische Erholung, aber auch als soziale Treffpunkte an, wo
freundschaftliche Beziehungen gepflegt werden und traditionelle Feiern stattfinden
[Klinghard 1927; Grotzfeld 1970, Sourdel-Thomine and Louis 1971, Schultz 1986].
Zusätzlich zu diesen hygienischen Bestimmungen, die wir oft in einer kombinierten
Form mit einem Gebet oder religiösen Dimension finden, gibt es in der sog.
3
DFG-Projekt „Kulturübergeifende Bioethik“ [DFG: Sa402/4-1]
11
Prophetenmedizin (Ôibb an-nabÍ oder aÔ-Ôibb an-nabawÍ), aber auch in der
medizinischen Literatur zahlreiche hygienische Bestimmungen und Empfehlungen. Im
folgenden Hadith werden beispielsweise einige hygienische Maßnahmen zur Natur des
Menschen gehörend erklärt. “Die menschliche Natur erfordert fünferlei: Die (männliche)
Beschneidung, das Rasieren der Schamhaare, das Stutzen des Schnurrbarts, das Schneiden der
Nägel und das Entfernen der Haare unter den Achselhöhlen.” [Æa½Í½ al-Bu¿āryy 1996:569
Nr. 5891] Einen unverkennbaren Wert erlangt in diesen Hadithen die Mundhygiene, so dass
der Prophet sie beinahe als eine religiöse Vorschrift erklärte. „Wäre es keine Härte für meine
Umma [Muslime] gewesen, hätte ich ihnen zur [religiösen] Pflicht gemacht, dass sie den
Siwak 4 vor jedem Gebet zu benutzen.“ [Æa½Í½ al-Bu¿āryy 1996:153-154, Nr. 0887] Ein
anderer Hadith beinhaltet Empfehlungen für das richtige Gesundheitsverhalten in einem
Epidemiefall: „Wenn ihr hört, dass die Pest in einem Land ausgebrochen ist, dann geht nicht
in dieses Land. Und bricht sie in einem Land aus, wo ihr euch aufhaltet, dann bleibt da!“
[Æa½Í½ al-Bu¿ÁrÍ 1991:399] Es gibt auch weitere Hadithen, die mehr eine ästhetische als
gesundheitliche Dimension haben. So hat der Prophet Muhammed ausdrücklich davon
abgeraten, nach dem Knoblauch- und Zwiebelgenuss in die Moschee zu gehen [Æa½Í½ alBu¿āryy 1996:147, Nr. 0853]. Im Koran, in den Hadithwerken und in der medizinischen
Literatur werden auch Sexualhygiene betreffende Maßnahmen nicht außer Acht gelassen. So
ist Beischlaf während der Menstruation der Frau, Analverkehr oder Geschlechtsverkehr mit
den Tieren untersagt [Æa½Í½ al-Bu¿āryy 1996:421].
Weitere hygienische Empfehlungen sind in den zahlreichen medizinischen Werken
vorhanden. Ibn Sinās (latinisiert Avicenna, gest. 1037) Abhandlung K. Daf‘ al-ma±ārr alkullīya ‘ani l-abdān al-insānīya (die Abwehr der allgemeinen Schädigungen vom
menschlichen Körper), die Schrift K. ¼ifã al-badan (Bewahrung des Körpers [bzw. der
Gesundheit]) von Fa¿r ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1209), Ibn al-MuÔrān’s (gest. 1191)
bedeutenstes Werk K. Bustān al-aÔibbā’ wa rau±at al-alibbā’ (Der Garten der Ärzte und die
Aue der Klugen), das medizinische Hauptwerk Kitāb al-Kullīyāt von Ibn RuÊd (latinisiert
Averroes, gest. 1198) sind nur einige Titel [vgl. Ullmann 1970: 190-198].
Unter den hygienischen Bestimmungen ist sicherlich auch die männliche
Beschneidung (arab. ¾itān) als eines der wichtigsten religiösen Rituale für einen
muslimischen Jungen in seiner Kindheit, aufzuzählen. Obwohl die auf den Propheten
Abraham zurückgeführte Beschneidung im Koran explizit nicht genannt wird, gibt es
4
Siwāk bzw. Miswāk ist ein weichfasriges Ästlein aus gleichnamigem Baum. Der Prophet Muhammed benutzte
es wegen seinem wohlriehenden Duft, zum Zähneputzen. Bis heute ist diese Empfehlung unter Muslimen in
Gebrauch.
12
zahlreiche Prophetenaussprüche, die darauf hinweisen. Beschneidung bedeutet die
Entfernung der Vorhaut (Präputium) des männlichen Glieds, so dass die Eichel des Penis
völlig entblößt ist. Über den angemessenen Zeitpunkt für die Beschneidung des Knaben
gibt es in den Rechtschulen unterschiedliche Meinungen. Sie kann vom siebten Tag nach
der Geburt bis zur Volljährigkeit stattfinden. Sowohl für den Beschneidungstermin als
auch die Art und Weise der Feierlichkeiten vor und nach der Beschneidung sind ebenso
geographische, soziokulturelle und finanzielle Bedingungen entscheidend.
Im Gegensatz zur männlichen leicht verheilenden, nicht weiter beeinträchtigenden
Beschneidung, ist die Mädchenbeschneidung (bekannt auch als „Female Genital
Mutilation“ (FGM): weibliche Genitalverstümmelung) ein erheblicher Eingriff in die
körperliche Unversehrtheit und mit Schmerzen und nachhaltigen körperlichen sowie
seelischen Beschwerden verbunden. Wird sie unter mangelhaften hygienischen
Bedingungen durchgeführt, kann sie Verblutungen und gefährliche Infektionen
verursachen, die bis zum Tode führen. Die Mädchenbeschneidung wird in der islamischen
Welt als eine eher geographisch und traditionell bedingte Sitte ohne jegliche religiöse
Verbindlichkeit gesehen und abgelehnt [Vgl. Rahman 1987: 120–121; Canan 1991, Bd. 7:
532; Anees 1989: 57–60 und Krawietz 1999: 13-18]. Die Mädchenbeschneidung ist den
Türken beispielsweise unbekannt, sie wird jedoch in Ost- und Westafrika und bei
Angehörigen der Süd-Sahara-Völker sowohl von Muslimen und als auch von Christen
praktiziert.
III. DIÄTETIK
Ähnlich wie hygienische Maßnahmen finden wir auch zahlreiche diätetische
Regelungen in den Hauptquellen des islamischen Glaubens. Die Existenz der vielfältigen
Pflanzen und Tieren auf der Welt resultiert aus der Barmherzigkeit Gottes und sie stehen mit
ihrem Nahrungswert sowie ihrer Heilungskraft für die Menschen zur Verfügung. Der Mensch
soll mit diesen Mitgeschöpfen einen verantwortlichen Umgang pflegen und gegenüber Gott
eine dankbare Haltung einnehmen. „Und er ist es, der Gärten mit Spalieren und ohne Spaliere
entstehen lässt, sowie die Palmen und das Getreide verschiedener Erntesorten, und die Ölund Granatapfelbäume, die einander ähnlich und unähnlich sind. Esst von ihren Früchten,
wenn sie Früchte tragen und entrichtet am Tag ihrer Ernte, was als Rechtpflicht darauf steht,
aber seid nicht maßlos – Er liebt ja die Maßlosen nicht.“ [Sure 6/141 und Sure 2/172 sowie
Sure 5/88] In anderem Vers lesen wir: „Einen Grund zum Nachdenken habt ihr in den
Herdentieren. Wir geben euch von dem, was in ihrem Leib zwischen Kot und Blut ist, zu
trinken, reine Milch, bekömmlich für die, die (sie) trinken.“ [Sure 16/66]
13
Der Koran macht auch auf den gesundheitsfördernden Charakter einiger
Naturprodukte im göttlichen Schöpfungssystem aufmerksam. „Und dein Herr hat der Biene
eingegeben: ‚Nimm die Häuser in den Bergen, in den Bäumen und in den Spalieren. Dann iss
von allen Früchten, wandle auf den Wegen deines Herrn, die (dir) leicht gemacht sind.’ Aus
ihren Leibern kommt ein Trank [Honig] von verschiedenen Arten, in dem Heilung für die
Menschen ist. Darin ist ein Zeichen für Leute, die nachdenken.“[Sure 16/68-69] Im Ausdruck
‚dein Herr hat der Biene eingegeben’ findet sich das arabische Wort wa½y, [Izutsu 1964:
156] was auch der Terminus für die prophetische Offenbarung ist. In seiner Auslegung dieser
Stelle weist der türkishce Korankommentator Yazır (gest. 1942) darauf hin, dass es sich nur
um eine Inspiration handele, die Gott der Biene als spezifische Naturanlage (fıtrat-ı mahsusa)
eingegeben hat [Yazır 1971: 3108]. Die Biene hat weder eine Entscheidungskraft beim
Produzieren des Honigs, noch ist ihr dessen Heilwirkung bewusst. Der weitere Sinngehalt
dieser Verse ist, dass Gott dem Menschen innerhalb natürlicher Grenzen Heilung in Form von
Heilmitteln, in diesem Fall Honig, zukommen lässt; diese (Natur-)Gesetzlichkeit bezeichnet
man als „Gewohnheit Gottes“ (sunnat AllÁh). Derselbe Begriff für die medizinische Heilung
kommt auch in einem anderen Kontext, nämlich bei der Beschreibung der koranischen
Heilfunktion für die Muslime vor. „Sprich: Er (der Koran) ist denjenigen, die glauben, eine
Rechtleitung und eine Heilung.“ [Sure 41/44]
Eine andere Gruppe von Versen beinhalten Speiseregelungen bzw. Abstinenzgebote
von bestimmten Nahrungen wie Schweinefleisch- und Alkoholverbot. „Sie fragen dich nach
dem Wein und dem Glücksspiel. Sprich: In ihnen liegt eine große Sünde und auch vielfacher
Nutzen für die Menschen. Aber die Sünde in ihnen ist größer als der Nutzen.“ [Sure 2/219
und Sure 5/90] Nicht nur die Art des Tieres sondern auch die Erlangungsart des Fleisches zu
Nahrungszwecken ist für einen Muslim wichtig. „Verboten ist euch Verendetes, Blut,
Schweinefleisch und das, worüber ein anderer als Gott angerufen worden ist, und Ersticktes,
Erschlagenes, Gestürztes, Gestoßenes und das, was ein wildes Tier angefressen hat –
ausgenommen das, was ihr schächtet –, und das, was auf Opfersteinen geschlachtet worden
ist.“ [Sure 5/3] Basierend auf diese und andere Verse und Prophetenaussprüche ist im Laufe
der Zeit ein Katalog zu den Tieren, welche zum Verzehr erlaubt bzw. nicht erlaubt sind,
entstanden. Danach sind vierbeinige wiederkäuende Tiere wie Rinder, Schafe, Ziegen,
Kamele und Rehe erlaubt. Meerestiere gelten im Allgemeinen erlaubt, auch wenn es unter den
Rechtsschulen einige Unterschiede gibt. Nicht erlaubt sind die Tiere, die Krallen und
Reißzähne haben wie Wölfe, Katzen, Hunde, Bären, Tiger, Geier, und auch ekelerregende
Tiere wie Ratten, Läuse und Schnecken. Die Einschränkung von Fleischverzehr von
14
bestimmten Tieren gelten jedoch nicht in Ausnahmefällen, wo z.B. Tod wegen Hunger droht.
„Wenn aber einer aus Hunger gezwungen wird, ohne zu einer Sünde hinzuneigen, so ist Gott
voller Vergebung und barmherzig [Sure 5/3].
Bezüglich der Speisevorschriften sind mit der vorislamischen arabischen Kultur und
der jüdischen Tradition zahlreiche Ähnlichkeiten und Unterschiede sowie Modifikationen
festzustellen. Alkohol und Schweinefleisch gehörte selbstverständlich zur arabischen Küche
in der vorislamischen Zeit. Der Opferkult im Tempel von Mekka war damals bei den
heidnischen Arabern eine gängige Praxis, wo für die Götter geopferte Tiere nicht verzehrt
werden durften. Der Koran beinhaltet zwar das Tieropfer als Dankopfer, distanziert sich
jedoch von Zweck und Durchführungsform dieser Praxis. Ein Tier darf nicht im Namen eines
Götzen oder einer anderen Person geschlachtet werden [Vgl. Ilkilic 2003A u. 2003B]. Auch
das Fleisch des Opfertieres bleibt nicht unverzehrt im Tempel, sondern kommt dem
Menschen für Nahrungszwecke zugute. Diese und weitere diätetische Regelungen haben
vielleicht mit dem christlichen Glauben wenig, aber mit dem jüdischen einiges gemeinsam.
Hierfür ist das Schweinefleischverbot ein markantes Beispiel. Trotz mehrerer Ähnlichkeiten
ist es jedoch unangemessen, die Diätetik sowie die zentralen Begriffe wie „rein“ und „unrein“
der beiden Religionskulturen zu identifizieren.
Im Laufe der Zeit ist in der islamischen Tradition mit den koranischen Maximen und
der Praxis des Propheten ein Verhaltenskodex beim Essen entstanden, welcher bis heute von
den praktizierenden Muslimen realisiert wird [Rasul 2000]. Zu den Grundzügen dieser
Esskultur gehört, dass man mit dem Essen, erst nachdem man sich die Hände gewaschen hat
und den Namen Gottes über dem Essen (Bismillah: Im Namen Gottes) ausgesagt hat, beginnt.
Man isst mit der rechten Hand und beendet das Essen mit den Worten „Elhamdülillah“ (Jeder
Dank gebührt Gott). Nach dem Essen werden die Hände und der Mund gewaschen.
Gemeinsame Mahlzeiten mit den Freunden, Bekannten und Armen, maßvolles Essen sowie
mit dem Essen aufzuhören, bevor man richtig satt ist, gehören ebenso zur Esskultur der
prophetischen Tradition [Æa½Í½ al-Bu¿ārī 1991: 377-389].
Neben diesen Speisevorschriften und dem Verhaltenskodex beim Essen und Trinken
erlangt Diätetik als gesunde Ernährung und Lebensführung einen äußerst wichtigen Platz in
der Medizin der islamischen Tradition. Sicherlich beruht ihre Wichtigkeit auf der
Humoralphysiologie und –pathologie, die als Grundlage der damaligen Medizin galten. Nach
der Humorallehre wird die aufgenommene Nahrung in vier Körpersäfte umgewandelt und
umgebaut. Da die Gesundheit – wie bereits erwähnt – von einer optimalen und ausgewogenen
Mischung dieser Körpersäfte abhängig ist, ist die Erhaltung und Wiedererlangung der
15
Gesundheit nur durch eine angemessene Ernährung möglich. Die Pflanzen, Tierprodukte und
das Tierfleisch haben ihre eigenen Qualitäten wie warm, kalt, feucht und deswegen sollen
diese bei der Ernährung berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen sind bei der Ernährung
auch Temperamente der gesunden und kranken Menschen (Sanguiniker, Phlegmatiker,
Melankoliker und Choleriker), klimatische und geographische Bedingungen des Wohnortes,
der Jahreszeiten sowie der Eigenschaften einer Krankheit. Ein exemplarisches Beispiel für
diese Aspekte stellt das Werk „Über die Vorbeugung der körperlichen Krankheiten in
Ägypten“ von ‘Alī ibn Ri±wān (998-1068) dar. Er nennt in seinem Werk all diese genannten
Aspekte
und
beschreibt
Gesundheitsmaßnahmen
in
bezug
auf
den
spezifischen
geographischen Ort Ägyptens. Am Anfang seines Buches schreibt er, dass er dieses Buch
sowohl für die einheimischen Professionellen als auch Laien, aber auch für die Menschen die
aus dem Ausland nach Ägypten gekommen sind, geschrieben hat. Er möchte mit seinem
Werk den Menschen grundsätzliche Informationen über die Erhaltung und Wiedererlangung
der Gesundheit liefern [‘Alī ibn Ri±wān 1984].
Aufgrund dieser Medizintheorie war die Diätetik nicht nur für Gesundheitsvorsorge,
sondern auch für Gesundheitsfürsorge wichtig. Die Behandlung bestimmter Krankheiten
folgte dann nach den Qualitäten der Nahrungen mit dem Ziel, Ausgleich und Harmonisierung
der Körpersäfte zu schaffen. Die Diätetik wird somit mit Arzneien und chirurgischen
Eingriffen ein Bestandteil der medizinische Behandlung. Sie bekommt sogar den Vorrang
unter den Therapiemethoden. So spricht Æā‘id ibn al-¼asan von einer gewissen Hierarchie in
der Therapie, die in der Medizingeschichte auch bei vielen anderen Autoritäten wieder zu
finden ist: „Wenn er [der Arzt] mit Nahrungsmitteln heilen kann, so muss er Drogen meiden,
und wenn er mit Drogen heilen kann, muss er das Operationsmesser meiden, es sei denn, dass
es unbedingt notwendig ist.“[Æā‘id ibn al-¼asan 1968B:103] Eine Behandlungsstrategie, die
auch in der heutigen Medizin Anerkennung verdient.
Wegen dieser zentralen Bedeutung der Diätetik ist es nicht verwunderlich, dass ein
Teil der medizinischen Bücher aus diätetischen Maßnahmen besteht. Uns ist eine
umfangreiche Liste von Medizinwerken mit diesem Themenbereich bekannt. Abū Zakarīyā’
Yū½annā Ibn Māsawaih’s (gest. 857) K. Daf‘ ma±ārr al-a™ªiya (Die Abwehr der Schäden,
die aus der Nahrungsmittel entstehen); K. al- a™ªiya (Buch der Nahrungsmittel) von ¼unain
Ibn Is½āq (gest. 873), K. Quwā l-a™ªiya (Die Kräfte der Nahrungsmittel) des ‘Ìsā ibn Māssa
al-BaÈri, K. Daf‘ma±ārr al-a™ªiya Die (Abwehr der Schäden, die aus der Nahrungsmittel
entstehen) von Zakarīyā’ ar-Rāzī (gest. 925), das vielleicht umfangreichste Diätetikwerk K.
16
al- a™ªiya (Buch der Nahrungsmittel) von Ishāq ibn Sulaimān al-Isrā’īlī (gest. 932) sind nur
einige Musterbeispiele [Ullmann 1970: 199-203].
Bemerkenswert ist es, dass die Diätetik innerhalb der anderen medizinischen Bereiche
aus der Laienperspektive eine besondere Bedeutung hat. Innere Medizin, Anatomie,
Chirurgie, Ophthalmologie, Orthopädie sind professionelle Fächer, deren Erlernen mit dem
Studium der klassischen philosophisch-medizinischen Werke und dem Praktizieren bei einem
guten Lehrer verbunden sind. Da „die [medizinische] Kunst lang und das Leben kurz ist“ –
um mit Hippokrates zu formulieren – und diese Kunst bestimmte menschliche
Charaktereigenschaften erfordert, ist sie eine Sache der Profession und nicht für jedermann
geeignet. Diätetik dagegen als gesunde Ernährung und Lebensführung betrifft jeden, weil kein
Mensch Essen und Trinken entbehren kann. Nicht zuletzt deswegen wurden in den
klassischen Diätetikschriften vom Verfasser Laienaspekte berücksichtigt. Eine der
berühmtesten Werke dieser Literaturgattung ist sicherlich das arabische Werk „Taqwīm alsihha“ (Tabellarische Übersicht der Gesundheit) von Ibn Butlan (gest. 1066). Im europäischen
Mittelalter gehörte dieses Werk mit dem Titel „Tacuinum sanitatis“ zu den vielgelesenen und
hochgeschätzten Texten. Eine neue Blüte erlebte dieses Werk im 16. Jahrhundert als es von
Michael Herr, einem Arzt und Schriftsteller, ins Deutsche übersetzt wurde. Nicht nur
Nahrungsmittel und Speisen, sondern auch Wohnen, Jahreszeiten, Wetter, Sport, Musik,
Beischlaf, Schlafwandel werden in diesem Werk thematisiert [Zotter 1988; vgl. Anhang].
IV. DIE PROPHETISCHE MEDIZIN (Óibb an-Nabī)
Die prophetische Medizin (Ôibb an-nabÍ oder aÔ-Ôibb an-nabawÍ) umfasst die
Empfehlungen und Praktiken des Propheten Muhammad zur Bedeutung der Gesundheit und
Krankheit, Vorbeugungsmaßnahmen gegen Krankheiten und Hygienemaßnahmen sowie
Heilung bestimmter Leiden. Einige Hadithe beinhalten Ratschläge für ein gesundes Leben,
wie mäßiges Essen, Trinken, Schlafen, Sexualleben etc. Andere thematisieren hygienische
Maßnahmen wie Waschen der Hände und Nahrungsmittel vor dem Essen, Sauberkeit der
Kleidung, Zahnpflege und die Beschneidung der Knaben. Die Heilwirkung von Antimon,
Datteln, Henna, Honig, Knoblauch, Kürbis, Milch, Olivenöl für bestimmte Krankheiten sind
Gegenstand weitere Prophetenaussprüche [Rasslan 1934:35-39; Al-Ğauzīya 1994:205-293
u.a.]. Diese Hadithe über die Medizin und die Kranken erschienen zuerst in den bereits
genannten Hadithsammlungen als einzelne Kapitel. Später wurden separate Bücher über die
17
Prophetenmedizin erstellt, 5 die mehr Hadithe enthalten als in diesen einzelnen Kapiteln. Das
älteste uns bekannte Óibb an-NabÍ-Werk stammt von þAlÍ ar-Ri±Á (gest. 818) und wurde in
der Art eines Berichts an den abbasidischen Kalifen al-MaÿmÚn (reg. 813-833) verfasst, der
wegen seines großen Interesses an Medizin, Naturwissenschaften und Philosophie viele
Werke aus anderen Sprachen ins Arabische übertragen ließ.
Da mehrere Überlieferungen bereits oben in entsprechenden Abschnitten genannt sind,
wird hier nur die theologische, aktuelle und praktische Bedeutung dieser Hadithen für eine
gesunde
Lebensführung
eines
Muslims
diskutiert
werden.
Die
Entscheidungen,
Empfehlungen und Unterlassungen des Propheten Muhammed sind nach dem Koran die
zweite wichtigste Normquelle für einen Muslim und haben für seine Handlungen einen
bindenden Charakter. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie weit diese
Verbindlichkeit reicht. Gelten die Entscheidungen des Propheten nur bei Glaubensfragen und
Grundpflichten, wie z.B. dem Fasten, dem täglichen Gebet, der Pilgerfahrt nach Mekka, der
Armensteuer etc. oder können sie auch in anderen Bereichen des Alltags, wie der
Therapiewahl bei bestimmten Krankheiten, maßgeblich sein? Wenden wir diese Fragestellung
speziell auf die Therapieentscheidung an, so kann folgende Frage formuliert werden: Welche
Handlungsmöglichkeiten gibt es für einen Muslim, wenn für eine Erkrankung in der säkularen
Medizin und in der prophetischen Medizin jeweils unterschiedliche Therapiearten existieren?
Diese Frage wurde in der islamischen Geistesgeschichte erörtert, wenn auch meist in
anderem Zusammenhang. Zu dieser Debatte können hauptsächlich zwei Grundpositionen
aufgeführt werden: Die erste plädiert bis zu einem bestimmten Grad für die Verbindlichkeit
dieser Hadithe und schreibt ihnen intrinsischen Wert zu. Das Hauptargument dieser Position
basiert auf den Koranversen, welche die Entscheidungen und Empfehlungen des Propheten
als verbindliche Handlungsnormen für die Muslime deklarieren [Sure 4/80, Sure 4/13, Sure
4/14 u. a.]. „Und er (Muhammad) spricht nicht aus (persönlicher) Neigung. Es ist nichts
anderes als eine inspirierte Offenbarung.“[Sure 53/3-4] Diese und ähnliche Verse betonen die
Wahrhaftigkeit des Propheten Muhammad und schreiben seiner Rede eine Beziehung zu Gott
zu. Da der Prophet in seiner Rede nicht lügen kann und nicht ohne göttliche Inspiration ist,
haben auch seine Aussagen über die Medizin unbedingte Geltung. Auch innerhalb dieser
Position existieren unterschiedliche Ansichten. Angefangen von der Ansicht darüber, dass es
Aufgabe der modernen Naturwissenschaften sei, den wissenschaftlichen Wert der Hadithe zu
untersuchen und zu belegen, um sie in den Dienst der Menschheit zu stellen, bis hin zu der
5
Eine umfangreiche Liste über die gedruckten erhaltenen und nicht erhaltenen Óibb an-NabawÍ-Bücher
befindet sich unter anderem in folgenden Werken: Canan 1991, Bd. 11: 249-250; Elgood 1962: 40 ff.; Karabulut
1994: S. 10; Ullmann 1970:185-189; Recep 1969:4-13.
18
Ansicht derer, die das Praktizieren der Hadithe in den Rang einer gottesdienstlichen Handlung
stellen.
Ibn Qayyim al-¹auzÍya (gest. 1350) gilt als einer der klassischen Vertreter dieser
Position. Am Anfang seines Werkes aÔ-Óibb an-NabawÍ erwähnt er seine Absicht, die
sogar berühmten Ärzten verborgene Weisheit der prophetischen Medizin zu ermitteln [AlĞauzīya 1994: 5]. Er klassifiziert die Krankheiten, nennt die Grundprinzipien der Medizin
und die prophetische Methodik bei der Krankheitstherapie. Beachtenswert ist, dass er die
Therapiemethoden der Hadithe mit dem damals gültigen Wissensstand der Medizin
interpretiert. Bei seinen Auslegungen zitiert er Galen, Rhazes und Avicenna. Überdies legt er
großen Wert auf den ärztlichen Ratschlag, auf den Arztbesuch sowie die Wahl eines
erfahrenen Arztes im Krankheitsfall [Al-Ğauzīya 1994: 96].
Die Argumentation der anderen Position, die den verbindlichen Charakter der
prophetischen Medizin bezweifelt, beinhaltet zwei Begründungsebenen. Zunächst erstreckt
sich der Zweck des Prophetentums nicht auf die Vermittlung fachspezifischer Kenntnisse.
Vielmehr liegt die Aufgabe darin, den Menschen die Gottesbotschaft zu verkünden und aus
dieser Botschaft ableitbare Glaubensprinzipien und deren praktische Implikationen
aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang äußerte sich der berühmte Historiker und Philosoph
Ibn KhaldÚn (gest. 1406) in seinem geschichtsphilosophischen Hauptwerk Muqaddima
folgendermaßen: „Muhammad was sent to teach us the religious law. He was not sent to teach
us medicine or any other ordinary matter.“[Ibn Khaldûn 1967: 150] Um diese Position zu
stärken, wurde in der Argumentation oft ein Hadith angeführt, in dem der Prophet den
Medinensern von der traditionell durchgeführten Art der Dattelbestäubung abriet. Als
daraufhin kaum Früchte geerntet werden konnten, nahm der Prophet seinen Rat mit folgenden
Worten zurück: „Ich bin nur ein Mensch; wenn ich euch in religiösen Angelegenheiten etwas
auftrage, so haltet euch daran, wenn ich jedoch nur meine Ansicht [in weltlichen Dingen?]
äußere, so bin ich nur ein Mensch [der irren kann].“ [Muslim o.J., Kitāb al-Fa±ā’il, Nr. 2362]
Der Islam führte in vielen Bereichen des damaligen gesellschaftlichen Lebens, sei es
auf der Glaubens-, sei es auf der Handlungsebene, grundlegende Veränderungen herbei.
Deshalb waren die Muslime sowohl in religiösen als auch in praktischen Sachverhalten des
Lebens motiviert, den Rat des Propheten Muhammad zu erfragen und seinen Empfehlungen
zu folgen. In obigem Hadith hatte jedoch sein Rat bezüglich einer ihm neuen Angelegenheit
(er selber entstammte der mekkanischen Kaufmannsgesellschaft und besaß nicht die
fachspezifischen Kenntnisse des Okulierens) einen Schaden hervorgerufen. Deswegen betonte
er nach der Missernte, dass seine Empfehlungen in Bereichen, wo experimentelle Erfahrung
19
oder wissenschaftliche Kenntnisse eine Voraussetzung seien, keinen verbindlichen Charakter
hätten und dass er sich als Mensch durchaus irren könne.
Das „Dattel-Hadith“ und ähnliche Hadithe haben in den Debatten moderner HadithKommentare eine wichtige Bedeutung. Der zeitgenössische Hadithwissenschaftler Canan
plädiert im Kommentar zu diesem Hadith für eine inhaltliche Klassifikation der Hadithe, die
deren Verbindlichkeit für den Muslim differenziert, z.B. je nachdem, ob sie religiöse oder rein
weltliche Aussagen treffen [Canan 1991, Bd. 11]. Dabei macht jedoch Kırbaşoğlu darauf
aufmerksam, dass die Fehler des Propheten auf rein säkulare Lebensbereiche begrenzt sind.
Eine auf solche Irrtümer gestützte Folgerung, dem Propheten auch beim Verkünden der
grundlegenden Prinzipien des Islam Fehler zuzuschreiben, ist hingegen mit den
Grundprinzipien des Islam nicht vereinbar [Kırbaşoğlu, 1993:304].
Die zweite Ebene dieser Position konzentriert sich auf die die damalige Volksmedizin
betreffenden Hadithe. Die Mehrheit der Hadithe, die bestimmte Therapien empfehlen,
stimmen mit den Rezepten der damaligen Volksmedizin überein [Ibn Khaldun 1967:150].
Deswegen sollen diese Hadithe als Weitergabe der damals vorhandenen und durch Erfahrung
bewährten Heilmittel oder medizinischen Praktiken verstanden werden. Nicht auszuschließen
ist, dass innerhalb der Freundschaft zwischen dem Propheten Muhammad und dem in
Gundischapur 6 ausgebildeten Arzt HarÍÝ bin Kalada ein Wissensaustausch stattgefunden
hat.
Diese Diskussionen dauern auf unterschiedlichen Ebenen bis heute an. Die Bücher
über die Prophetenmedizin genießen unter den muslimischen Laien ein hohes Ansehen, was
mit Wichtigkeit des behandelten Themas, aber auch prophetischem Ursprung und nicht
zuletzt finanziellen Vorteilen zusammenhängen könnte. Neben klassischen Werken werden
heute
vorwiegend
von
Theologen
aber
auch
muslimischen
Ärzte,
Werke
über
Prophetenmedizin herausgegeben. Das zweibändige türkische Buch von Ali Karabulut,
Theologe und Bibliothekar, gehört zu diesen Werken und genießt großes Interesse unter den
Laien.
In
diesem
Werk
befindet
sich
eine
umfangreiche
Sammlung
von
Prophetenaussprüchen über die Medizin, die auch nach aktuellen medizinischen
Erkenntnissen kommentiert sind [Karabulut 1994]. Es gibt auch Internetseiten, die
Gesundheitsinformationen an Laien bieten und zugleich Prophetenmedizin thematisieren
[http://www.saglikvakfi.org.tr].
6
In Gundischapur befand sich eine der damals berühmtesten Ärzteschulen.
20
V. AUSGEWOGENHEIT (i‘tidāl), MÄSSIGKEIT UND DIE SECHS NICHTNATÜRLICHEN DINGE (sex res non naturalis)
Im Koran lesen wir, dass der Mensch nach einem bestimmten Maß geschaffen und mit
besten göttlichen Weisungen versehen wurde. Er ist auch mit den notwendigen
Körperorganen und seelischen Fähigkeiten erstattet. „Wir haben doch den Menschen nach
[bestem und] schönstem Maß geschaffen.“ [Sure 95/4] Der in bester Form geschaffene
Mensch soll alle seine Lebenseinheiten nach bestimmten Kriterien gestalten. „Seid nicht
maßlos, Er [Gott] liebt ja die Maßlosen nicht.“ [Sure 6/141] Der mittlere Weg zwischen zwei
Extremen zeichnet sich als Hauptmaß in allen Lebensbereichen eines Muslims, in der
Versorgung eines Bedürftigen, aber auch im diätetischen Bereich. „Und die, die, wenn sie
spenden, weder verschwenderisch noch zurückhaltend sind, sondern die Mitte dazwischen
halten.“ [Sure 25/67] „Esst und trinkt, aber seid nicht maßlos. Er liebt ja die Maßlosen nicht.“
[Sure 7/31]
Dass das Vermeiden von beiden Extremen auch zu den religiösen Grundpflichten
zählt, zeigt die folgende Überlieferung eindrucksvoll. „Drei Männer begaben sich zu den
Wohnungen der Frauen des Propheten, um sich nach den gottesdienstlichen Handlungen des
Propheten zu erkundigen. Nachdem ihnen die entsprechende Auskunft erteilt worden war,
hatten sie den Eindruck, dass seine Art des Gottesdienstes recht bescheiden sei, und sie
sagten: „Was sind wir nur im Vergleich zum Propheten, dem alle seine vergangenen und
zukünftigen Verfehlungen vergeben wurden!“ Eine von ihnen sagte. „Ich werde von jetzt an
jede Nacht beten!“ Der zweite sagte: „Ich werde immer fasten, und das Fasten niemals
brechen!“ Der dritte sagte: „Ich werde mich von den Frauen fernhalten und niemals heiraten!“
Da trat der Gesandte Gottes zu ihnen und sagte: „Habt ihr das gerade gesagt? Bei Gott, ich
fürchte Gott mehr als ihr! Ich bin frommer als ihr! Und dennoch: Ich faste und breche das
Fasten, ich bete und schlafe doch in der Nacht, und ich bin mit einigen Frauen verheiratet! Ich
sagte euch: wer mein Tun nicht für rechtens hält, der gehört nicht zu meiner Gefolgschaft!“
[Æa½Í½ al-Bu¿ÁrÍ 1991:326] Ebenso in Sure 5 Vers 67: „O ihr, die ihr glaubt, erklärt nicht
für verboten die köstlichen Dinge, die Gott euch erlaubt hat, und begeht keine Übertretungen.
Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen.“ [Sure 5/67]
Neben diesen islamischen Hauptquellen wird eine Lebensführung in Mitte und Maß in
medizinischen Werken der islamischen Tradition als wichtigstes Prinzip deklariert. Sicherlich
ist diese zentrale Bedeutung auf die bereits genannte medizinische Humoraltheorie
zurückzuführen. Da ein gesunder Zustand von der Ausgewogenheit der Körpersäfte und diese
wiederum von anderen Faktoren abhängen, so kann eine körperlich-seelische Harmonie mit
21
entsprechender Lebensführung hergestellt bzw. bewahrt werden. Dabei spielen sex res non
naturales (sechs nichtnatürlichen Lebensbedingungen), Licht und Luft, Essen und Trinken,
Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen, Absonderungen und Gemütsbewegungen eine
zentrale Rolle. In zahlreichen medizinischen Büchern sind sie detailliert beschrieben, so dass
sie hier nicht nochmal ausführlich behandelt werden sollen [Bürgel 1967; und vgl. klassische
Texte im Anhang]. Es ist zu unterstreichen, dass die Maßnahmen in diesen Lebensbereichen
nicht als optionale Angelegenheiten anzusehen sind. Sie sind ein Bestandteil der theoretischen
und praktischen Medizin, und jeder, der wieder gesund werden will oder gesund bleiben will,
soll auf sie achten. Diese wichtigen Erkenntnisse sind wiederum entweder durch Ärzte oder
zugängliche Literatur zu erlangen.
VI. VERMITTLUNG DER GESUNDHEITSINFORMATIONEN IM MODERNEN
ZEITALTER
In den behandelten klassischen Werken wird die Erhaltung der Gesundheit und die
damit verbundenen Kenntnisse über die sechs nicht natürlichen Dinge als Bestandteil der
Medizin
und
einer
gesundheitliche
Lebensführung
betrachtet.
Diese
Gesundheitsinformationen finden wir in Medizinbüchern, die eher für Fachleute geschrieben
sind, aber auch in der Volksliteratur wie „1001 Nacht“ oder in für Laien geschriebenen
Werken über Prophetenmedizin [Vgl. Anhang]. In der Vergangenheit war eine weitere
Vermittlungsart dieser Informationen sicherlich die mündliche Überlieferung innerhalb eines
intensiven Gemeinschaftslebens, worüber wir jedoch wenig wissen. Diese Informations- und
Erfahrungsvermittlungen haben allerdings nicht nur in geschlossenen Gesellschaften, sondern
auch auf interkultureller bzw. interreligiöser Ebene z.B. während der Kreuzzüge
stattgefunden.
In der Gegenwart haben sich der wissenschaftliche Inhalt, aber auch Art und Weise
dieser Vermittlungen verändert. Neue Studien zeigen, dass das Internet in den
Industrieländern sehr häufig genutzt wird, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren
[Sass 2004B, Schröder 2003 und www.Health-Literacy.org]. Eine ähnliche Nutzungsintensität
ist zur Zeit in den muslimischen Ländern wegen der begrenzten Zugangsmöglichkeiten und
der hohen Kosten nicht zu finden. 20 Millionen in den EU-Ländern lebende Muslime und der
sich rapide verbreitende Zugriff auf das Internet in den muslimischen Ländern signalisieren
jedoch, dass die Nutzungsfrequenz dieses Mediums in absehbarer Zeit sehr schnell steigen
wird.
22
Es sind bereits in den muslimischen Ländern zahlreiche Internetseiten über Gesundheit
und Krankheit vorhanden und sie werden auch in nicht zu unterschätzender Frequenz benutzt.
Eine Recherche und Besichtigung dieser Gesundheitsinformationen für muslimische Laien
auf türkischen, persischen, arabischen und englischen Internetseiten ergibt das folgende Bild:
Diese Seiten sind von offiziellen Institutionen, Fachleuten, Selbsthilfegruppen oder
Privatpersonen erstellt. Die von Behörden initiierten Websites sind oft bürokratisch
strukturiert und leisten kaum einen Beitrag zur gesundheitlichen Aufklärung. Die
Gesundheitsthemen sind auf den Seiten, die von Pharmakonzernen, privaten Krankenhäusern
oder Arztpraxen finanziert oder herausgegeben werden, didaktisch und inhaltlich deutlich
besser aufgearbeitet. Es ist jedoch wichtig zu wissen, ob diese Seiten mit dem Ziel, eine
Serviceleistung zu erbringen oder Gewinnmaximierung zu erzielen, herausgegeben werden.
Dieses aber aus dem Inhalt der Seite zu erkennen, würde einen Laien überfordern.
Wirtschaftlicher Profit hat für die Websites der Selbsthilfegruppen sicherlich nicht oberste
Priorität.
Diese
Seiten
beinhalten
hilfreiche
Grundinformationen
und
wichtige
Kontaktadressen über bestimmte Krankheiten. Sie bieten auch oft die Möglichkeit für einen
interaktiven Erfahrungsaustausch mit Betroffenen. Da diese Seiten oft von Personen
herausgegeben werden, die von einer Krankheit direkt oder indirekt betroffen sind, decken sie
leider nur einen Bereich ab. Aus diesem Grund sind Kriterien wie etwa wissenschaftliche
Kompetenz und Funktion des Initiators kritisch zu überprüfen [zu detaillierten Informationen
über diese Webseiten vgl. www.Health-Literacy.org]
Dass diese Websites sich mehrheitlich auf Vermittlung (natur)-wissenschaftlicher
Informationen konzentrieren, ist vielleicht nicht zuletzt auf die Profession der Initiatoren und
deren Zielsetzungen zurückzuführen. Gesundheits- und Krankheitsbegriff im eigenen Wertund Weltbild, damit verbundene gesundheitliche Selbstverantwortung sowie mögliche
Implikationen einer Gesundheitsmündigkeit sind auf diesen Seiten kaum thematisiert. Nur an
wenigen Stellen wird die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit für einen Muslim
behandelt. Auf einer türkischen Website werden die Gedanken eines Sufimeisters über
Gesundheit und Krankheit zitiert. Auf einer anderen arabischen Internetseite, die
naturwissenschaftliche Informationen über Krebs behandelt, werden einige relevante
Koranverse für Patienten zitiert.
Im Allgemeinen bleibt festzuhalten, dass die Entwicklung dieser Seiten als ein Prozess
zu verstehen ist. Nicht nur die möglichen Chancen, sondern auch die Grenzen und Gefahren
dieses Mediums sollen in diesem Prozess genau festgestellt und die Nutzung des Internets
23
unter bestimmten Bedingungen und Kriterien laiengerecht verwirklicht bzw. optimiert
werden.
VII. DAS ISLAMISCHE MENSCHENBILD UND DIE BEDEUTUNG DER
GESUNDHEIT
Nach islamischem Menschenbild erlangt der Mensch unter seinen Mitgeschöpfen die
höchste Stellung bei Gott und ist auf der Erde ‚Stellvertreter Gottes’ (khalīfa). Da der Islam
lexikalisch die Ergebung des Menschen in den Willen Gottes bedeutet, ist Muslimsein mit
einer Lebensführung nach islamischen Normen und Wertvorstellungen verbunden [Yazır
1971: 3934]. Dem Koran zufolge wurde der Mensch in idealer Gestalt erschaffen und mit
vielen Gottesgaben versehen [Vgl. Sure 95/4, Sure 32/9, Sure 67/23 u. Sure 82/7-8]. Die
Gesundheit zählt dabei zu den wichtigsten Gottesgaben und wird als ein hohes Gut
verstanden.
Das Verständnis von Gesundheit als Gottesgabe und ein anvertrautes Gut bietet sich
gleichzeitig
als
ein
Ausgangspunkt
für
die
Begründung
einer
gesundheitlichen
Selbstverantwortung. Der Mensch ist Inhaber und Nutznießer seines Körpers, Gott hingegen
sein Eigentümer. Es obliegt dem Menschen in seinem Leben, rechtmäßig und verantwortlich
damit umzugehen. Ebenso wie der verschwenderische Umgang mit eigenem Hab und Gut ist
auch das verantwortungslose Verhalten gegenüber dem Körper nicht wünschenswert. Diese
aus dem Gottesgabeverständnis abgeleitete Verantwortung für die eigene Gesundheit
impliziert für den Muslim bestimmte Handlungen wie diätetische und hygienische
Maßnahmen für eine gesunde Lebensführung und medizinische Interventionen in einem
Krankheitsfall. Denn der Muslim hat im Jenseits über seinen Umgang mit dem eigenen
Körper Rechenschaft abzulegen.
Eine weitere Bedeutung der Gesundheit kristallisiert sich auf der praktischen und auch
pragmatischen Ebene. Der islamische Glaube ist sehr eng mit einer aus diesem Glauben
resultierenden Lebenspraxis verbunden. Glaube und Praxis sind eine untrennbare Einheit, so
dass das Wohlgefallen Gottes als Hauptziel des Muslims erst mit einem auf islamischen
Handlungsnormen basierenden Habitus möglich wird. Die Erfüllung der sozialen und
ethischen Verpflichtungen sowie religiöse Grundpflichten sind für die Entfaltung des
Muslimseins von zentraler Bedeutung. Die Verwirklichung mehrerer dieser Verpflichtungen
hängen aber wiederum von einem gesunden körperlichen und seelischen Zustand ab. Auf
dieser Ebene kann die Gesundheit pragmatisch gesehen als ein Mittel zum Zweck betrachtet
werden, wonach ihm ein mittelbarer Wert zukommt.
24
Diese hypothetische Wertzuschreibung ist jedoch nicht so zu verstehen, dass die
Gesundheit nur deswegen wertvoll ist, weil sie als Mittel zum Zweck dient. Es gibt auch
andere Beurteilungen, die die Gesundheit allein deswegen für wertvoll erklären, weil sie ein
dem menschlichen Wohlbefinden dienendes Phänomen ist. Dieser Bewertung wird in den
Fällen, wo islamische Grundpflichten und therapeutischen Maßnahmen konfligieren,
deutlicher. Solche Abwägungen sind sogar in der ersten Hauptquelle des Islam zu lesen. In
einigen Koranversen werden Zustände thematisiert, wo zwei Güter, nämlich Gesundheit als
das menschliche Wohlbefinden förderndes Phänomen und Fasten als eine religiöse
Grundpflicht untereinander konfligieren [Sure 2/184-185]. Die Barmherzigkeit Gottes macht
in so einem Konfliktfall die Gesundheit bzw. Verminderung des körperlichen Leidens stark.
Auch Reisende, Stillende, Menstruierende und Schwangere sind von der Fastenpflicht
ausgenommen, weil das Fasten ihren Körper zusätzlich belasten könnte. „... Gott will für
euch Erleichterung, Er will für euch nicht Erschwernis.“
Die dargestellten Bewertungen der Gesundheit deuten zwar darauf hin, dass ein
gesunder Zustand wünschenswert und mit einer erforderlichen Lebensführung zu erstreben
ist, machen aber daraus keineswegs ein absolutes Gut. Die Gesundheit ist nicht die Quelle der
Normen und Wertvorstellungen, sondern ein Gut unter anderen Gütern, welches in einem
Güterkonflikt durch Normenkodex und Wertvorstellungen beurteilt wird. Dieser Aspekt hat
für die moralischen Argumente die Konsequenz, dass man ein Leben nur durch
„Gesundheitsgrad“ oder „Krankheitsgrad“ nicht bewerten kann, geschweige denn als
„lebenswert“ oder „lebensunwert“ beurteilen kann.
ZUSAMMENFASSUNG
Im
vorliegenden
Beitrag
wurde
versucht
ein
Quintessenz
über
das
Gesundheitsverständnis in der islamischen Tradition zu geben und die damit verbundenen
hygienischen und diätetischen Regeln für eine gesunde Lebensführung sowie dem Laien
empfohlene Verhaltensweisen in einem Krankheitszustand zu skizzieren. Auch wenn aus
diesen klassischen Werken keineswegs ein einheitlicher Gesundheitsbegriff abzuleiten ist, so
kann doch behauptet werden, dass die Gesundheit durchweg als ein hohes Gut angesehen
wird. Dieses hohe Gut ist so zentral, so dass die Medizin - im Kontrast zu Gegenwart - in
erster Linie nicht für die Heilung der Krankheiten, sondern für die Bewahrung der Gesundheit
zuständig war. Das Gesundsein ist oft ein Leben in Mitte und Maß, das sich im diätetischen
Schema der sechs nichtnatürlichen Lebensbedingungen (sex res non naturales), nämlich dem
Lebensmuster von Licht und Luft, Speise und Trank, Bewegung und Ruhe, Schlafen und
25
Wachen, den Absonderungen und den Gemütsbewegungen niedergeschlagen hat. Die
Gesundheit ist ein hohes aber kein absolutes Gut. Sie erlangt ihre Wertzuschreibung durch
Glaubensbegriffe wie Leib als Gottesgabe und damit verbundene Verantwortung gegenüber
dem Schöpfer, Gesundheit als erforderlicher Zustand für die Erfüllung der sozialen und
religiösen Grundpflichten und nicht zuletzt durch ihren Beitrag zum Wohlbefinden des
Menschen, dem edelsten Geschöpf Gottes.
Welche Rolle kann dieses kulturelle Erbe heute bei der Bewältigung der vielfältigen
Gesundheitsprobleme von mehr als eine Milliarde Muslimen in einer globalen Welt
übernehmen? Diese Fragestellung beinhaltet mehrere Ebenen. Aus der medizinhistorischen
Perspektive kann nach heutiger Relevanz und Gültigkeit der alten hygienischen und
diätetischen
Maßnahmen
sowie
medizinischen
Interventionen
in
bestimmten
Krankheitssituationen gefragt werden. Auch wenn es darüber keine umfangreichen
wissenschaftlichen Studien gibt, kann dennoch behauptet werden, dass einige Therapieformen
noch heute medizinisch wirksam sind und in manchen Bereichen praktiziert werden. Viele
andere dagegen haben sich als wirkungslos, ja sogar in bestimmten Krankheitsfällen schädlich
erwiesen. Da das medizinische Wissen und die Praxis sich in einem ständigen Wandel
befinden, kann ein Teil der damaligen medizinischen Erkenntnisse und Praktiken längst für
überholt gelten, was aber auch für die heutige aktuelle Medizin gilt. Nicht die konkreten
medizinischen Praktiken, sondern bestimmte Prinzipien für eine gesunde Lebensführung wie
Maßhalten und Vermeidung von beiden Extremen in den aufgezählten Lebensbereichen – als
ein Urprinzip der Medizin mit ihren interkulturellen und interreligiösen Charakter – haben
heute noch ihre Gültigkeit.
Aus medizinethischem Gesichtspunkt ist die Bedeutung dieser reichen medizinischen
Tradition für die Gesundheitsmündigkeit wichtig. Die möglichen Wechselwirkungen
zwischen gesundheitlicher Verantwortung und islamischem Menschenbild und einigen
Glaubensprinzipien wurden oben bereits behandelt. Eine weitere Fragestellung wäre die
Bedeutung
dieser
Verantwortung
bei
der
Rekonstruktion
einer
zeitgemäßen
Gesundheitsmündigkeit [Hartmann 2003, Sass 2003 u. 2004A]. Gesundheitsmündigkeit als
eine auf gesundheitliche Verantwortung basierende Kompetenz, welche dem Individuum für
sein Verhalten in Gesundheitsangelegenheiten eine Abwägung unter gegebenen Umständen
mit Berücksichtigung eigener Präferenzen eine Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit
verleiht und daraus eine persönliche Einstellung und Haltung zur Erhaltung und
Wiedererlangung eigener Gesundheit entstehen lässt, hat bis jetzt in der aktuellen
innerislamischen Diskussion ihren verdienten Platz nicht gefunden.
26
Auf die gesundheitliche Selbstverantwortung basierende Gesundheitsmündigkeit kann
nicht auf eine Motivation reduziert werden, die den Muslim nur der, von den Medizinern
hinsichtlich nach dem letzten Stand der Naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ärztlicher
Erfahrung vorgeschlagenen Handlungsoption zustimmen lässt. Sie beinhaltet vielmehr das
Verarbeiten der von Experten – in diesem Falle von Ärzten – gegebenen Informationen, und
eine Abwägung nach individuellen muslimischen Wertvorstellungen für eine verantwortbare
Entscheidung. Deswegen verlangt sie von den Laien, sich sowohl in seinem gesunden als
auch kranken Zustand mit der Frage „was bedeutet für mich Gesundheit und Krankheit?“
auseinanderzusetzen.
Gesundheitsmündigkeit konzentriert sich nicht nur auf eigene Gesundheit, sondern
trägt bei, dass das Individuum sich mit den gesundheitlichen Folgen eigener Handlungen für
die Gesellschaft sowohl auf medizinischer Ebene (z.B. richtiges Verhalten bei einer
ansteckenden Krankheit, AIDS, Hepatitis, SARS) als auch auf ökonomischer Ebene
(finanzielle Folgen eigener Handlung für Solidargemeinschaft) auseinandersetzt. Eine aus
eigenen kulturellen Wurzeln stammende Gesundheitsmündigkeit wird sicherlich nicht die
endgültige Lösung der ganzen vielfältigen Gesundheitsprobleme in der muslimischen Welt
und in den wertpluralen Gesellschaften wie Deutschland zu sein. Sie kann aber zumindest
eine Grundlage für die Lösungsansätze anbieten.
27
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erschienenen Ausgabe 1533, Graz
30
ANHANG
(KLASSISCHE TEXTE)
31
‘Alī Ibn Sahl Rabban aÔ-Óabarī (810-855)
Kitāb ¼ifã aÈ-Æi½½a (Über die Erhaltung der Gesundheit) ( ’ )
Im Namen Gottes des barmherzigen Allerbarmers, Herr mache es leicht und hilf, oh
Gütiger! Der weise Meister Abū ‘Alī Ibn Rabban lehrt: Die Güte lässt die Liebe gedeihen,
und wer den Gütigen liebt, der dankt ihm, und wer ihm dankt, der wird ständig geehrt und
verlängert sein Dasein. [...]
Wenn die Ursachen für die Gesundheit des Nützlichste sind, worauf hingewiesen und
wonach gehandelt werden muss im Diesseits, dann gibt es keinen Weg dazu und auch
zum Jenseits, außer durch die Kraft. Es gibt aber keine Kraft außer durch die Gesundheit
und keine Gesundheit außer durch das Gleichgewicht der vier Mischungen. Deren
Gleichgewicht hat Gott zu Weg und Ursache gemacht. (S. 21) [...]
Dir Gelehrten aller Menschenrassen waren sich einig, dass Gott die Gesundheit als einen
der Gründe für die Fortdauer des Lebens geschaffen hat und nicht das süße, üppige Leben.
Das rechte Maß darin ist einer der Gründe für die Fortdauer des Lebens und verhilft dazu
mit dem Willen Gottes des Erhabenen. Die Gelehrten sind sich darin einig, (S. 22) dass
der Mensch aus gegensätzlichen Mischungen geschaffen wurde und Nahrung und
Getränke benötigt. Wenn ihm diese fehlen, geht er zugrunde, und wenn er allzu viel oder
allzu wenig davon nimmt, hinterlässt dies ihm Krankheiten und Schwächezustände. Wenn
er dabei maßvoll verfährt, nützt es ihm und stärkt seinen Körper. Ihre Meinungen stimmen
alle überein, dass wer das Maß in der Nahrungsaufnahme oder in Hungern, in Wachen
oder Schlafen, Bewegung oder Ruhe, in Abführen, Aderlass oder ausschweifendem
Geschlechtsverkehr überschreitet, dieser nicht sicher davor ist, dass Krankheiten entstehen
und plötzliche Schäden auftreten, die ich erwähnen werde. Ich werde schildern, was im
Maßhalten an Nutzen und in Unmäßigkeit und Übertreibung an Schaden liegt. Sie waren
sich darin einig, dass man für den, der sich daran hält und dauernd Mäßigung und
Maßhalten übt, Gesundheit und langes Leben erhoffen kann. Ich fand unter den Menschen
keinen, der bestreitet, dass in allen Dingen der Welt, sei es Besitz oder Geld, Lust oder
Begierde, eine Quelle für das Dasein ist. Wer das Dasein liebt, schätzt was ihm nützt,
zuträglich ist und hilft, und meidet rechtzeitig die Begierden und isst nicht noch zusätzlich
zu den Mahlzeiten, so wie einer der Weisen sagt: Häufig hindert eine Mahlzeit den, der
sie einnimmt, durch den Genuss einer Stunde an den Mahlzeiten für immer; und häufig
strebt der Suchende nach einer Sache, in der sein Verderben liegt, denn er es doch nur
gewusst hätte! (S. 23)
Es wurde uns berichtet, dass ‘Umar Ibn al-¼aÔÔāb [der zweite Khalif der Muslime, gest.
644] – Gott möge an ihm Wohlgefallen haben – zu ¼āriÝ b. Kalada sagte: Was ist
(’) Quelle: Raslan, Usama (Übers.): Über die Erhaltung der Gesundheit. Ein Hygiene Traktat von Ali ibn Sahl
Rabban at-Tabari, Diss., Bonn 1975, S. 21-25.
32
Medizin, oh ¼āriÝ? ¼āriÝ antwortete: (Nur) das Notwendige (zu sich nehmen), oh Fürst
der Gläubigen, das heißt Diät und Maßhalten.
Es wurde mir berichtet, dass einer der Philosophen sich selbst der Diät unterzog. Da sagte
ihm sein Schüler: Oh Weiser, wenn du etwas mehr Nahrung zu dir nehmen würdest,
würdest du dadurch Kraft und Energie vermehren. Dieser antwortete ihm: Mein Sohn, ich
verlange nach Speise aus dem Wunsch heraus, am Leben zu bleiben, und ich verlange
nicht, am Leben zu bleiben, aus dem Wunsch heraus zu essen.
Ich fand unter dem, was an Speisen, Getränken und den übrigen Genüssen des Lebens
nützlich ist, nichts, das von größerer Bedeutung ist als die Gesundheit und Erhaltung des
Lebens. Ich fand, dass wer Nahrung und Begierde gering hält und sich auf die zum Leben
notwendige Nahrung beschränkt, einen gesunden Körper besitzt, ein längeres Leben und
stärkere Leidenschaften hat, weniger Reiseproviant braucht und leichter beweglich ist als
jemand, der darin übertreibt. Dies findet man am deutlichsten bei Wüstenvölkern und bei
denen, die sich abmühen und hart arbeiten. Dies ist eine richtige Begründung dafür, dass
die Medizin (S. 24) aus Maßhalten und Diät besteht.
Die Ansichten der Gelehrten stimmen darin überein, dass die Medizin Erhaltung der
Gesundheit bedeutet – mit der Erlaubnis Gottes, er ist erhaben- und Vertreibung des Übels
durch sein Gegenteil. So hilft jemandem, der durch Völlerei erkrankt, das Hungern und
jemandem, der durch Hungern erkrankt, die Nahrungsaufnahme, oder jemandem, bei dem
Hitze aufkommt, die Kühlung mit kühlen Speisen, Getränken und Ölen. Wenn ihn die
Kälte befällt, hilft ihm die Erwärmung mit warmen Getränken, Speisen und Ölen, oder
wenn bei ihm Trockenheit überwiegt, hilft ihm das Abführen. Wessen Körper durch
übermäßiges Abführen erschlafft, dem hilft austrocknende Behandlung. Wenn jemand
durch harte Arbeit erkrankt, hilft ihm die Ruhe.
Das ist die Medizin und dies erstreben die Ärzte bei ihrer Behandlung. Dieses mein Buch
enthält Kapitel aus den bedeutendsten Abschnitten der Medizin, klar und leicht
verständlich, ohne dass darin Unklarheiten und Schwierigkeiten enthalten sind. Wer
dieses Kapitel kennt, sieht die Medizin richtig und findet den Beweis dafür in
überzeugender Beschreibung, leicht und nicht schwer. (S. 25)
33
Abū ‘Alī al-¼usain ibn ‘Abdallāh ibn Sīnā (latinisiert Avicenna) (980-1037)
Al-Urºūza fī Ô-Ôibb (Poem on Medicine) ( ’ )
Preface in Verse
Praise be to Allah, the Teacher, the Unique, Majesty of the Heavens, the Exalted, the
Glorious. Glory be to Him, the Eternal Being who drew forth creatures from Nothingness.
He floods our minds with light to the point of having revealed to them that which was
hidden. In His goodness, He created man and gave him judgment and speech as
privileges. He allowed him access to knowledge through the perceptions of his senses
and, through reasoning, opened to him the invisible world. The mind of man is bound to a
living soul of which the existence is proved beyond all doubt. Allah distributed judgment
and senses among all men at the same time as life. But each one has his own character and
in that His Marvellous Wisdom shines forth. Thus, whoever has banished Ugliness from
his soul has been able to acquire Virtue. The arts and speech distinguish man from animal.
The best of men do good by accompanying it with courteous words, preoccupying (14)
themselves with the body, granting to it its rightful mirth. Poets are the princes of the
Word; physicians rule over the body. The eloquence of the former rejoices the soul; the
devotion of the latter cures illnesses. In this poem is included all Theoretical and Practical
Medicine. And here I am, putting into verse all I know of this science.
On the definition of the word “Medicine”
Medicine is the preservation of health and the cure of disease which arises from conscious
causes which exist within the body.
Subdivision of Medicine
A first division will be: Theory and Practice. Theory within itself is divided into three
sections. There are seven natural components and six vital factors. Indeed, they are found
in books. They are the diseases, the symptoms and the causes. Practice is divided into two
actions: one performed with the hands, the other with medicine and dietary regimens.(15)
[…]
MEDICAL PRACTICE
Chapter I
On the Conservation of Health Through Diets and Drugs
The preservation of health can be extended to such persons who are completely healthy.
For the one with imperfect health, there are two cases to face: the one is that in which the
patient is afflicted throughout his whole organism at all times, such as the old man, the
convalescent, (53) the young infant, and the one in whom you discover signs causing a
fear of the illness. The other is the one of the patient whose affliction is localized in the
skin, the flesh or the bones. […]
(’) Krueger, Haven C. (Trans.): Avicenna’s Poem on Medicine, Springfield 1963, pp. 14-57.
34
Hygiene of the healthy man in harmony with the atmosphere, particularly in summer
To preserve health, there are two practices in medicine. If you have to maintain the
temperament of someone in good condition, give him a suitable diet. If you decide to
transform an organism from his natural state, give him that which is contrary to his
temperament. Regarding this healthy man, control him, in general, in a way to maintain
him in this good condition. Advise him to live in countries of the forth climate, those in
which the air is healthy, a place above the desert, facing the east; the air is lighter there.
For the summer, choose mountains and countries open to the north. For the night, occupy
the upper floors and during the day, the lower floors. Avoid wool and cotton clothes,
choose light flax, use cold aromatic substances such as rose oil; protect your eyes from the
dust, keep from breathing smoke, the unhealthy vapors, avoid the sun’s direct rays, the
simoon, and the intense heat of the day. Do not read fine letters very long, nor small
inscriptions nor difficult writings. (54)
On the dietary regimen in general
It is proper to eat at least once in the space of a day and night, at most twice, the average
being three times in two days. It is necessary to chew well to obtain good digestion;
everything which is hard to chew is hard to digest. When you eat an indigestible food,
wisely take something to neutralize it, its opposite, considering its temperament. (55) […]
On the beverage
If you wish to avoid illness, divide your nourishment into three parts: a third for
respiration, a third for food and the rest for water. A little cold water quenches thirst,
better than far too much warm water. Too much ice in the beverage is harmful to the
nerves; allow it only for the obese and sanguine man with strong tissues. It is not
necessary to drink at the table except with the threat of choking and never after the meal,
nor after a warm bath, nor after a violent exercise, nor after sexual intercourse– that can be
dangerous. If it is necessary and you can control yourself, drink moderately. (56) […]
On sleep
Do not sleep too long– it is detrimental for the mind! Do not stay awake too long for your
senses will be weakened. It is proper to prolong sleep after a meal difficult to digest or
after one of indigestion. Do not sleep too much when you are hungry– the vapors
springing fourth from the humors will ascend to the brain. After the meal, sleep with the
head elevated so that your food will take its proper place of digestion.
On physical exercise
Do not give up hard exercise; do not seek rest too long; preserve a happy medium.
Exercise your limbs to help them repel the bad humors by walking and struggling until
you succeed in panting. The thin man ought to avoid exercises in order not to increase his
exhaustion. Do just the opposite for the fat man and make him wear a girdle if he has a fat
abdomen. In summer, decrease fatigue for perspiration is exhaustion. (57)
35
Abū Sa‘īd ‘Ubaidallāh Ibn Ğibrīl ibn Ba¿tīšū‘ (gest. 1058)
Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers ( ’ )
Aus dem vierten Kapitel:
Der Widerspruch dessen, der behauptet hat, der Arzt brauche die seelischen Vorgänge
nicht zu beachten, sowie die Evidenz der Verpflichtung dazu
Der Arzt muss aus zahlreichen – unerlässlichen sowie notwendigen – Gründen die
seelischen Vorgänge beachten. Die Philosophen sind nämlich mit den Ärzten
übereingekommen, dass die Seele (75 r) und Körper, jeder für sich, ein Teil des /
Lebewesens sind, allerdings nicht auf gleicher Ebene. Vielmehr ist die Seele vermittels
ihrer Führerschaft und Vorherrschaft der edelste Teil des / Lebewesens und der Körper
sein bester Teil, da er Werkzeug, ein Knecht und Diener der Seele ist, die ihn benutzt und
durch ihn Wirkungen ausübt. Die Seele ist der Träger des Körpers, der Körper das
Getragene. Wie ja bekannt, gehört der Mensch in das Reich der Lebewesen, besteht aus
einer Seele und einem Körper, wobei die Seele den Körper in ihre Dienste nimmt, durch
ihn Wirkung aus ihm heraus ihre Kräfte enthüllt. Es ist offenbar, dass der Körper des
Menschen der Gegenstand der ärztlichen Kunst ist, dass die Kunst sich um ihren
Gegenstand aus verschiedenen Richtungen bemühen muß und dass sie sich um die
Erhaltung seiner Gesundheit und seines Wohls bemüht. Da die Seele im Körper wirkt und
der Körper ihrer Wirkung untersteht, dem Einfluss ihrer Wirkung zuneigt, folgt daraus,
dass, wenn die Seele in ihrer Wirkungsweise sich an die natürliche Ordnung hält, der
Körper gesund ist und seine Gesundheit erhalten bleibt, wenn sie aber die natürliche
Ordnung verlässt, ihm schadet. Handelt es sich um einen primären Schaden, dann wird er
Krankheit genannt. Ist der Schaden indirekt, heißt er Defekt. Ist der Schaden eine Folge,
nennt man ihn Symptom. Daher muss also der Arzt sein Augenmerk darauf richten,
welche Erregungen und Vorgänge von Seiten der Seele eintreten, damit er durch seine
diesbezügliche Beobachtung den Gegenstand seiner Kunst beschützt, nämlich den Körper
des Menschen.
Die Alten Naturphilosophen haben schon ganz deutlich erklärt, dass der Arzt die
Ursachen von Gesundheit unerlässlich beobachten muss, und dass sie, nachdem sie jene
Ursachen beobachten hatten, unter ihnen solche gefunden hatten, deren Beachtung zwar
nicht ebenso unerlässlich ist, von denen man jedoch keine ganz außer Acht lassen darf,
nämlich:
(’) Quelle: Klein-Franke, Felix (Übers.): Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers, Beyrouth
1986, S. 58-60.
36
die Luft, die uns umgibt
was man isst / und trinkt (75v)
Schlafen und Wachen
Bewegung und Ruhe
Stauung und Entleerung
Die seelischen Vorgänge.
Wenn diese sechs der Gesundheit adäquat eingeschätzt werden, führen sie die Gesundheit
herbei und erhalten sie. Wenn ihre rechte Einschätzung unterlassen wird, führen sie
Krankheit herbei und erhalten sie. Aus dieser klaren Grundregel kann man lernen, dass
der Arzt die seelischen Vorgänge beachten muss, da diese ein Teil der notwendigen
Ursachen sind.
Ebenso muss der Arzt auch die Verhaltensweisen der Seele beachten, da manche von
ihnen Ursachen einiger Krankheiten sind, wie Zorn, Kummer, Angst und verwandtes.
Einige Verhaltensweisen sind bereits Krankheit, wie leidenschaftliche Liebe, Jähzorn,
Größenwahn und ähnliches; andere sind ein Symptom, wie Erregbarkeit, Unruhe,
Sprunghaftigkeit und was weiter unter diese Kategorie fällt. Diese Verhaltensweisen
ändern den Zustand des Körpers und schädigen seine Funktionen, jede auf ihre Weise.
Wenn sich der Zustand eines Körpers in dem ändert, was ihm von Natur aus obliegt, und
seine Funktionen sich einen Schaden zuziehen, dann wird er krank; denn die Krankheit ist
ja ein Zustand des Körpers, der seine natürliche Disposition verlassen hat, ein Zustand, in
dem die Funktionen ein Schaden erfasst. Angesichts dieser Tatsachen muss der Arzt die
Verhaltensweisen und, was aus ihnen resultiert, beachten. Wer Einblick in die
Wissenschaften der Medizin gewonnen hat und verstanden hat, ist somit zweifellos in der
Lage, die Dinge nach ihrer wahren Beschaffenheit zu unterscheiden, und kann die
Ursachen von den Symptomen und die Symptomen von den Ursachen abstrahieren.
37
Al-Mu¿tar b. al-¾asan b. ‘Abdūn b. Sa‘dūn Ibn BuÔlān (gest. 1066)
Da’wat al-aÔibbā’ ‘ala Maªhab Kalīla wa Dimna (Das Ärztebankett) ( ’ )
Vorwort
Im Namen Gottes, des barmherzigen Allerbarmers
Die Schrift, genannt Das Ärztebankett, im Stile von Kalīla wa-Dimna enthält
Scherzhaftes, das über Gewichtiges und Nichtiges lächelt und dabei doch der Wahrheit
Ausdruck verleiht. Die beste Redeweise ist diejenige, deren Ernst nützlich und deren Spaß
ergötzlich ist. Der vorzügliche Philosoph Abu-l-¼asan al-Mu¿tār al-¼asan ibn ‘Abdūn
ibn BuÔlān hat diese Schrift für den Emir NaÈr ad-Daula Abū Nasr A½mad ibn Marwān
aufgrund geistvoller Aussprüche von Weisen, Gelehrten und Philosophen verfasst, auf
dass der Weise in ihr dasjenige finde, was seiner Art entspricht, und damit der in die
Weisheit Einzuführende eine bequeme Anleitung erhalte, das Schwerverständliche zu
verstehen. Dieses Ziel zu erreichen, erleichtert der Verfasser dem Leser und führt ihm vor
Augen, wie vorzüglich die geschickten Ärzte und wie unvermögend die Schwindler in der
Kunst der Medizin sind. (S. 47)
Schlimmer als die Sünde ist die Verzweiflung an Gottes Barmherzigkeit,
schwerwiegender als eine Missetat ist das Aufschieben der Reue, und ein größeres Übel
als die Krankheit selber ist das Hinauszögern der Diät. So sagt man: Ein Verteidiger, der
zur Verhandlung nicht erscheint, ist der Feind seines Klienten, ein tollkühner Arzt ist der
Sendbote des Todesengels, und ein Kranker, der schädliche Speisen und Getränke zu sich
nimmt, gleich der Seidenraupe, die sich, je mehr sie webt, desto schneller ihrem
Lebensende nähert. (S. 63)
Bevor du isst, vernimm ein Wort, das dir bezüglich deiner Beschwerden nützlich sein und
dich zu deiner Gesundung führen wird. Wisse, dass man bei der Therapie von
Krankheiten zuallererst die Lippen verschließen, die Kranken mit sanften Händen und
vernunftgemäß behandeln muss, und dass man sich nicht von Begierde und Unwissenheit
leiten lassen darf. Der Verstand forscht nach den nützlichsten Speisen, die Begierde nach
den schmackhaftesten und angenehmsten. Doch nur selten vereinigt sich in ein und
derselben Sache das Nützliche mit dem Angenehmen. Das Bekömmliche ist nur selten in
der Speise und das Angenehme nur selten in der Arznei anzutreffen. Hüte dich vor dem
Genuss einer süßen Speise, und lass dich nicht von einer Arznei durch bitteren
Geschmack abhalten.
Wenn etwas Bitteres erfreut, so ist es süß
Und wenn etwas Süßes schadet, so ist es bitter.
Nimm daher etwas Bitteres! Du wirst es schon nützlich finden.
(’) Quelle: Klein-Franke, Felix (Übers.): Ibn BuÔlān, Das Ärztebankett, Stuttgart 1984.
38
Und wenn dich nicht dem Süßen zu, das dir doch schaden wird!
Hüte dich, eine augenblickliche Lust einem späteren Schmerz vorzuziehen, besonders
wenn du krank bist und dich mit Speise gesättigt hast. (S. 64)
Was hältst du von der rechten Zubemessung der Speise?“ Er antwortete mir: „ Die Parole
heißt: Abstinenz. Eine schlimme Krankheit ist das Essen auf vollem Magen. Sie vernichtet
die ganze Kreatur und tötet die Löwen in der Wüste. Wenn eine Verdauungsstörung
chronisch ist, führt sie zum Tode; wenn sie sich auflöst, schwächt sie den Körper. (S.65)
Wisse – Gott möge dich wieder gesund machen – dass sich das Wissen zum Verstande
verhält wie die Nahrung zum Körper. Durch die Verderbtheit der Speise geht der Körper
zugrunde und sinken die Lebensenergie und die Seele gemeinsam auf die unterste Stufe.
Durch die Wahrheit der Erkenntnis aber wird die Seele geläutert und verbindet sich mit
dem Körper zur höchsten Stufe, zum Sitz der geistigen Wesen, dem Ort der Macht und
der Quelle des Glanzes und des Lichts. Die Weisen sagen ja: „Nicht vom Brot allein lebt
der Mensch, sondern von einem guten Wort.“ Sokrates sagt: „Sei zurückhaltend im Essen,
auch wenn du großen Appetit hast,“ und Platon sagt: „Ich esse nur, um zu leben; ich lebe
nicht, um zu essen.“ Nimm dich in acht, nicht auf das Essen loszustürmen, sondern nimm
dir Zeit, sei gemächlich und sei wie der kluge Schneider, der tausend Mal Maß nimmt, bis
er zuschneidet; denn in der Eile liegt nichts Gutes. Lerne von dem alten Sprichwort:
„Wer in Geduld sich übt, erreicht sein Ziel ohn’ Bangen
Doch wer mit Eile drängt, der wird es kaum erlangen.“ (S. 66)
Wisse, dass der Arzt ein Mittler zwischen Gott Und dem Kranken ist. Die Mitte aber hat
teil an den beiden Extremen, und somit besitzt der Arzt von den Attributen Gottes die
Barmherzigkeit und das Erweisen von Wohltaten, und vom Kranken das Fragen und das
Wünschen. Sein Ziel ist die Gesundheit, und sein Bemühen ist darauf gerichtet, guten Rat
zu erteilen und das Wohl jedes Menschen zu erreichen:
Wenn der Geist über den Körper, in dem er ist, erzürnt ist,
Stellt der Arzt zwischen Geist und Körper die Versöhnung wieder her. (S. 73)
Der Mensch muss Gott, dem Erhabenen, für die Gesundheit dankbar sein und Ihn um die
Fortdauer des Wohlbefindens bitten. Ist all dies dem Körper zum Essen und zum Kauen
nicht zuträglicher?
Wie viel Essen ist schon in den Darm eines Fressers gelangt und hat dann die Seele aus
dem Körper herausgezogen!
Gott aber hat dem Essen Seinen Segen nicht gegeben, wenn das Verderben der Seele im
Magen liegt. (S. 74) [...]
Wisst ihr nicht, dass die Weisen sagen: Wenn der Arzt geschickt, der Kranke fügsam, der
Apotheker zuverlässig und die Arznei gut ist, wie schnell geht dann die Krankheit
vorüber!? Bei Gott, ich ziehe über die Wahrheit keinen Schleier, nehme für die
Behandlung kein Bestechungsgeschenk und verwende nur gute Ware! (S. 114)
39
Das elfte Kapitel: Über die geringschätzige Meinung, welche die breite Masse über die
ärztliche Kunst hegt, und wie man sie mit überzeugenden Argumenten widerlegt
Wenn die Ärzte in diesen Dinge [d.h. in der medizinischen Kunst] nicht so unfähig wären,
würde das Volk ihre Kunst nicht gering schätzen und nicht aus dem Volksmund Beweise
für die Widerlegung der Medizin beibringen. (S. 131) [...]
Ein anderer warf die Frage auf: „Wozu quäle ich mich mit einer Diät? Der Arzt erreicht
mir der Diät nur, dass die gelbe Wassersucht und die Krankheit zunehmen. -Aber der
Dummkopf, der so spricht, weiß nicht, dass er ohne die Diät sterben würde .
Wieder ein anderer meinte: „Ich esse und trinke und erhalte mich jeglicher ärztlichen
Behandlung im Vertrauen auf Gott.“ – Wer so spricht, wird dennoch, wenn ihm ein Esel
erkrankt, den Ratschlag des Tierarztes annehmen. Getreu seiner Ansicht hätte er den Rat
jedoch ausschlagen und allein Gott vertrauen müssen, obwohl der Arzt trotz seiner
therapeutischen Anordnungen keineswegs verbietet, Gott zu vertrauen.
Ein anderer sagte wiederum: „Wie oft bin ich krank und ohne Arznei auch wieder gesund
geworden!“ – Wer so spricht, weiß aber nicht, dass er, wenn ärztlichen Rat eingeholt
hätte, schneller gesund geworden wäre, und dass eine Stunde auf ihn zukommen wird, die
nicht seine Lebenskraft schützen wird, die er zur Abwehr der (S. 132) Krankheiten
benötigt, und dass er dann beim Arzt keine Hilfe mehr finden und daher zugrunde gehen
wird.
Ein anderer meinte daraufhin: „Wie oft habe ich mich schon ärztlich behandeln lassen und
nach einer Diät gelebt und wurde erst wieder gesund, nachdem ich alles wahllos
durcheinandergegessen hatte!“ - Wer so spricht, weiß indessen nicht, dass das wahllose
Durcheinanderessen rein zufällig mit dem Verschwinden der materia morbi
zusammengefallen ist, so dass er gesund wurde. Viele Menschen haben dagegen ihre Diät
gebrochen, bevor die materia morbi sich aufgelöst hatte, und gingen daher zugrunde. (S.
133)
Wenn man ihnen vom Puls spricht, spötteln sie: „Seht diese beiden Frauen da, von denen
die eine schwanger und die andere unfruchtbar ist. Findet sie heraus aufgrund ihres
Pulses!“ Sie erwarten nämlich vom Arzt, dass er von jeder Person wisse, was nur Gott
bekannt ist, und zwar in einem solchen Maße von Vollkommenheit, dass nichts
hinzugefügt noch abgezogen werden muss. Sie begnügen sich nicht mit dem, was der Arzt
aufgrund des Augenscheines konstatiert; denn sie verstehen nicht, dass die Medizin eine
Kunst des Möglichen ist. Wenn die Medizin zu Heilerfolg verhilft, dann tut sie das, wie
sie sagen, notwendigerweise. (S. 134)
40
Al-Mu¿tar b. al-¾asan b. ‘Abdūn b. Sa‘dūn Ibn BuÔlān (gest. 1066)
Taqwīm aÈ-Æi½½a ( ’ )
(Tabellarische Übersicht der Gesundheit, latinisiert „Tacuinum sanitatis“)
Von den sechs Dingen, die ein jeder Mensch braucht, seine tägliche Gesundheit zu erhalten,
von ihren Wirkungen und von ihrem Ausgleich.
Vorrede
Wer seine Gesundheit erhalten will, der muss als erstes Sorge tragen für die richtige
Behandlung der Luft, die unser Herz berührt und ohne Unterbrechung außen und innen
umfängt. Die zweite Sorge muss dem Ausgleich der Wirkungen von Speise und Trank
gelten. Die dritte dem Ausgleich von Ruhe und Bewegung. Die vierte, wie man Wachen
und Schlafen im Übermaß verhindert. Die fünfte, wie man den Körper von überschüssigen
Säften befreit beziehungsweise wie man den trockenen Körper wieder mit Säften anfüllt.
Die sechste Sorge muss sein die Erhaltung des Gleichmutes gegenüber Freude, Zorn,
Furcht, Angst und anderen inneren Affekten. Denn wenn alle diese Dinge in einem
ausgewogenen Mittelmaß sich befinden, dann ist der Mensch gesund. Wenn von diesem
Mittelmaß abgewichen wird, so entstehen Krankheiten nach dem Ratschluss des obersten
und mächtigsten Gottes.
Und von jeder dieser Gattungen gibt es viele Arten, die wir, wenn es Gott gefällt,
aufzählen wollen, da es sehr wichtig ist, ihre Natur zu kennen. Wir wollen auch ausführen,
welche ein jeder nach seiner Komplexion und Lebensalter auswählen soll. Und das alles
wollen wir in kurz gefassten Tafeln aufzeigen, denn das Gerede der Gelehrten bringt den
Zuhörern nur viel Überdruss, wie auch die oft widerstreitenden Buchweisheiten. Denn die
Menschen interessiert von der ganzen Wissenschaft nur das, was unmittelbaren Nutzen
bringt, und nicht Experimente und Definitionen. So ist es unsere Absicht, in diesem Buch
die langen Reden abzukürzen und verschiedene Meinungen in Einklang zu bringen. Aber
wir wollen auch nicht von der Weisheit der Alten abweichen. So haben wir nichts anderes
vor, als zu ordnen, zusammenzutragen, die Fragestellungen abzukürzen, zum Guten
hinzuführen, um das gesagte zu bekräftigen. Auch wollen wir nicht den Ansichten jener
Leute folgen, die sehr unterschiedliche Meinungen vertreten. Darum rufen wir Gott um
Hilfe an, dass er unseren Verstand richtig führe, denn die menschliche Natur ist nicht von
Fehlern verschont. Die Veränderungen, die wir vorgenommen haben, sind unserer
bescheidenen Absicht angemessen, in der uns Gott, der Herr, bestärken möge, und er helfe
uns nach seinem Willen.
Der Mensch wird von den Weisen oft mit dem Mond verglichen. Bisweilen hat er eine
Disposition, die seine Natur aus unserer Sicht zerstören, wie etwa bei Finsternissen, dann
(’) Im europäischen Mittelalter gehörte das Werk Taqwīm al-Èi½½a von Ibn BuÔlān (gest. 1066) in der
lateinischen Übersetzung zu den viel gelesenen und hochgeschätzten Texten. Eine neue Blüte erlebte es im 16.
Jahrhundert und 1533 erschien eine neue deutsche Übersetzung von Michael Herr, einem Arzt und Schriftsteller.
Dieser Textabschnitt stammt aus dieser Übersetzung, in den heutigen Sprachgebrauch übertragen von Hans
Zotter. Zotter, Hans (Hrsg.): Das Buch vom gesunden Leben. Die Gesundheitstabellen des Ibn Butlān in der
illustrierten deutschen Übertragung des Michael Herr. Nach der bei Hans Schott erschienenen Ausgabe 1533,
Graz 1988.
41
hat er wieder Dispositionen, in denen er seine Natur zu vervollkommnen scheint, wenn er
etwa der Sonne gegenübersteht und voll ist. Ebenso hat er die Disposition,
voranzuschreiten zur Vollendung oder einer Vollkommenheit, wie vom Halbmond zum
Vollmond, und auch zum Gegenteil. Genau so ergeht es dem menschlichen Körper. Denn
einige Dinge zerstören ihn, wie etwa Gifte, andere erhalten ihn, wie Speise und Trank.
Einige schädigen ihn anfänglich, wie z.B. die Brechmittel, um ihm schließlich zu helfen.
Anderes wiederum hilft anfänglich und entfaltet seine schädliche Wirkung erst später, wie
etwa Arzneien, die eine Speise sind. Deshalb muss ein jeder wissen, was an jedem Ding
von Nutzen ist, damit man sich besser bediene, und was an dem Ding für Schaden sei,
damit man diesen vermeide. Deshalb lehrte und der allmächtige Gott, dem guten Leben
nachzustreben und das schlechte Leben zu fliehen.
So will ich nun mit Gottes Hilfe beginnen, Tabellen zusammenzustellen, die Speisen und
Getränke und andere notwendige Dinge beinhalten, in entsprechenden Gruppen
zusammengefasst; zum handlichen Gebrauch für Könige und große Herren, die ganz
ähnliche Tabellenwerke in gebrauch haben.
Die Tabellen sind in einzelne Rubriken geteilt:
in die erste setze ich die laufende Nummer des Abschnittes, dem die beschriebene
Sache angehört.
in der zweiten Rubrik steht der Name der Sache,
in der dritten ihre Natur,
in der vierten ihre Grade.
In der fünften Rubrik wird die beste Qualität der Sache bezeichnet,
in der sechsten ihre positiven Wirkungen,
in der siebenden die schädlichen Nebenwirkungen.
In der achten Rubrik findet man die entsprechenden Gegenmittel,
in der neunten, welche Säfte durch die Sache erzielt werden.
In den folgenden vier Rubriken stehen die besondere Zuträglichkeit nach Komplexion,
Alter, Jahreszeit und Natur des Landes. In der vierzehnten Rubrik finden sich die
Meinungen verschiedener Gelehrter, in der fünfzehnten die Vorzüge und Eigenschaften
der besprochenen Dinge. Danach will ich den Simplicia und den allgemein gültigen
Regeln einen Platz einräumen. Diese Rubrik zeigt in der ersten Spalte die Art oder das
Wesen der Sache, auch wie die Astrologen davon denken. Und davor will ich eine Gruppe
zusammenstellen, von den Dingen, von denen zu sprechen sein wird und die wir alle
gesehen haben.
Zuerst wollen wir beginnen, einfach von den speisen, dann von den sechs nichtnatürlichen
Dingen, nach der Ordnung und Gewohnheit der Menschen, die diese gebrauchen, essen
und trinken, oder sonst wie in ihren Wohnungen. Und wir wollen die Zahl der Grade
wiederherstellen, nach dem Gebrauch der Inder. Für die Namen der angeführten
Gewährsleute wollen wir nur einen Buchstaben setzen, die wir dann am Ende des Buches
mit Gottes Hilfe wieder auflösen werden. (S. 156)
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‘Alī Ibn Ri±wān (998-1068)
On the Prevention of Bodily Ills in Egypt ( ’ )
Introduction
In the name of God, the Merciful and the Compassionate.
The book of ‘Alī ibn Ri±wān concerning the ways for preventing bodily ills in Egypt.
‘Ali ibn Ridwan said: Our objective is to give a brief account of the ways of preventing
physical illnesses in Egypt. It is necessary first to set forth the causes for these maladies,
so that we may be able to learn stratagems for their prevention. We ask God for help and
for the happy outcome of what we seek. He is the sponsor of fulfillment by His grace and
power. […]
If our book is of the kind that we have described, the need for it is imperative for the elite
and the common people of Egypt, as well as for the foreigners who come here, in order to
maintain the health of their bodies and to remove their illnesses. The ones who most need
this book are the doctors, for the required treatment cannot be know without a knowledge
of the temperament of the country and what particularly occurs in it. […]
A Summary of All That Has Been Said and Addition to the Commentary on the Six Causes
that Determine Health and Illness
If these things are as we have described, it is desirable that we add a brief excursus on the
six causes. The state of the body’s temperament is good in the balanced air; the digestion
improves because the light animal spirit that is in us becomes clear; and the natural heat
spreads through the body in moderation. The air that deviates from the balance changes
the bodies that are nor accustomed to it but does not harm the bodies that are used to it,
unless they are greatly susceptible to disease or are liable to deviate immoderately from
their normal functioning.
Likewise, concerning the statement about what is eaten and drunk, if people become
accustomed to specific foods and their bodies grow up with them, they fall ill when these
foods are not available. Also, customary physical exercise may be a reason for good
health because it dissolves the superfluities and smoky vapors that collect in the body. The
limbs of one who has become habituated to physical exercise are firmer and stronger.
Therefore, the peasants and all other workmen have greater strength and spirit (29a) than
the people of leisure and luxury; the superfluities in their bodies are less. Moderate quiet
makes bodies healthy and strong. Being excessively sedentary, however, does not allow
the vapor to evaporate, so that congestion of the superfluities occurs, which causes harm
to the body. For this reason, sedentary bodies become much more susceptible to illnesses.
Consequently, quiet and leisured Egyptians more readily fall victims to illness. Excessive
physical exercise also harms the bodies because it exhausts them and generates smoky
superfluities in them.
(’) Dols, Michael W. (Trans.): Medieval Islamic Medicine, Ibn Ri±wān’s Treatise “On the Prevention of Bodily
Ills in Egypt”, Berkeley 1984.
43
If sleep and wakefulness are balanced, they produce and preserve health. When asleep,
digestion improves because of the descent of heat to the interior; wakefulness dissolves
the superfluities of digestion because of the ascent of heat to the exterior. Excessive sleep
cools the body, and the superfluities increase in it; excessive wakefulness makes the body
dry and spoils its digestion.
The teaching about retention and evacuation is similar, for if the superfluities retained in
the body are excessive, they spoil digestion and decay rushes to them. If what is evacuated
is more than what is retained, it is inevitable that this surplus is from the essence (29b) of
the humors of the body itself, which are very vital to the body; consequently, their
evacuation causes illness to occur. Therefore, what is retained should be equal to what is
evacuated. Galen and other physicians said that in the winter many viscid, phlegmatic
substances and filth gather in the body and stick fast in the stomach, the vessels, and the
veins, as viscid and filthy substances stick fast in the watercourses of canals and drains.
When spring begins, it dissolves these phlegmatic, viscid humors; then, it increases the
amount of blood. The filth that accompanies the humors putrefies them; therefore, it is
necessary to evacuate these before they change the blood. The vessels and veins should be
cleansed of their recurring filth by purgative medicines.
Likewise, in the summer fierce humors and harmful filth collect in the body and remain in
the bottom of the stomach, vessels, and veins. When autumn begins, the change of the air
stirs them up and burns many of them. Because of this, it is necessary that they be
evacuated (30a) before they cause harm to the body. Thus, it is desirable that every year
the bodies be emptied in the spring and autumn, so that the vessels are cleansed of their
filth and purged of the bad things that persist in them. There is one kind of purgative that
should be used in the autumn and another kind that should be used in the spring. […]
The psychic evens, such as anger, sadness, (30b) and joy, do not create illness if they do
not go beyond the proper bounds. It is desirable that the people of Egypt increase their
gaiety and joy in order to strengthen the natural heat of their bodies, for the digestion
improves, and the congestion in their bodies lessens.
It is evident from what we have said that every one of the six factors produces and
sustains good health if its quantity and quality are well balanced. When they deviate from
what is appropriate, they bring about illness. Therefore, the customary and epidemic
illnesses of Egypt, and other illnesses as well, increase and decrease according to the
degree of one’s awareness of these factors and his negligence or attention to them. For
example, whoever increases the consumption of food that produces black bile, his body is
susceptible to melancholic illnesses. This is the case with the other causes. These six
factors may change the temperament of man, his aging, his physical constitution, and his
habits; they may affect the influence of the current season and the temperament of male
and female. What we have said of these important things is sufficient.
44
Sā‘id Ibn al-¼asan (gest. 1072)
Kitāb at-TaÊwīq aÔ-Óibbi (Die Wachrufung der Sehnsucht nach der Medizin) ( ’ )
11. Kapitel:
Kurzgefasste Ratschläge, welche demjenigen, der sich danach richtet und sie beobachtet,
für die Gesundheit von Nutzen sind und ihn davor bewahren, in die Hände der törichten
Ärzte zu fallen.
Wir verfolgen mit den hier kurz zusammengefassten Sätzen über die Regeln der Erhaltung
der Gesundheit den Zweck, den, der sie zusammen mit dem Vorangegangenen gelesen
hat, anzuspornen, sich mit der Heilkunst zu befassen und ihn davor zu bewahren, sich
selbst einem derjenigen Ärzte auszuliefern, welche die Seelen der Kranken beherrschen.
Wenn man das, was darin vorkommt, ausführt, sich an ihre Regeln hält, sich nicht
erkühnt, ihnen zu widersprechen und nicht zügellos seine Begierden befriedigt, ist
glücklich, wer ermahnt wird dann die Ermahnung annimmt und erfolgreich, wem ein
guter Rat gegeben wird und ihn annimmt. Gott führt auf den Weg des Erfolges und
verleiht Erfolg bei der Ausübung von Wohltätigkeit und Frömmigkeit.
Diese Anweisung haben wir nur für diejenigen geschrieben (45 b), die sie anzuwenden
imstande sind. Diejenigen aber, die sie nicht ganz anwenden können, mögen das leicht
Ausführbare anwenden. Gott ist der Helfer.
Ich behaupte, dass die gesunden Körper im allgemeinen ihre Gesundheit mit den ihrem
Wesen gemäßen Dingen erhalten, nämlich dass sich der Betreffende in gemäßigter Luft
aufhalten soll, die weder so heiß ist, dass sie ihn bedrückt und ihn zum Schwitzen bringt,
noch so kalt, dass er eine Gänsehaut bekommt, vielmehr soll es eine gesunde, reine und
angenehm einzuatmende Luft sein. Wenn die Luft zu jener Zeit zu warm ist, durch
Erwärmung. Er soll sich vor ansteckender Luft hüten und vor solcher, mit der sich
schlechte Dämpfe und üble Gerüche vermischen. Er soll seine Leibesübung dann ausüben,
wenn er das Essen vom Vortag gründlich verdaut hat, und nachdem der Körper den
Überschuss der Speise abgegeben und ausgeschieden hat. Er soll sich davor hüten, die
körperlichen Übungen hungrig auszuüben. Seine Übung (46 a) soll maßvoll sein, so dass
sich die Schlacken seiner Glieder auflösen und die natürliche Wärme sich verstärkt. Das
kann entweder durch mäßiges Laufen oder Reiten erfolgen, wobei und wodurch man
weder Erschöpfung noch übermäßige Ermüdung oder ähnliches empfinden darf. Man soll
die Leibesübungen ausüben, muss sie aber nach dem Essen vermeiden. Man soll in einem
mäßig temperierten Bad baden und sich nicht lange darin aufhalten. Das Badewasser soll
angenehm und lauwarm sein. Wenn man seinen Körper von Schweiß und Schmutz
gereinigt hat, soll man eilends herauskommen. [...] (46 b) Die Nahrung soll mittelmäßig in
ihrer Beschaffenheit sein, d.h. dass sie nicht übermäßig heiß, kalt, feucht und milde ist.
Dennoch soll die Nahrung im Sommer in der Wirkung kalt, im Winter in der Wirkung
(’) Taschkandi, Schach E. (Übers.): Übersetzung und Bearbeitung des KitÁb aÔ-TašwÍq aÔ-ÓibbÍ des ÆÁ‘id
ibn al-¼asan, ein medizinisches Adabwerk aus dem 11. Jahrhundert, Bonn 1968, S. 142-149.
45
warm sein, wobei es am geeignetsten in der kältesten Zeit des Tages ist. Er soll darauf
achten, dass die Ausgeglichenheit seines Stuhlganges oder seiner Verstopfung im
Einklang mit seinem jeweiligen Zustand steht, bevor er sich der Speise bedient. Ich bin
nicht imstande, das zu bestimmen und in der notwendigen Weise in einer derartigen
kurzen Darstellung zu erläutern. Wenn ihm keine gemäßigten Speisen zur Verfügung
stehen und die Notwendigkeit es erfordert, heiße Speisen zu essen, soll er durch eine kalte
Speise einen Ausgleich schaffen und umgekehrt; ebenso verhält es sich bei Feucht und
Trocken. Alles das, was der gesunde Mensch gern isst und schmackhaft findet oder woran
er sich gewöhnt hat (47 a), ist nützlicher als das Gegenteil. Überhaupt soll er keine
Speisen zu sich nehmen außer bei richtigem Hunger und nach starker Verdauung. Die
leicht verdaulichen Speisen soll man den schwer verdaulichen vorziehen, z.B. soll man
der Aprikose und der Melone vor dem Brot und Fleisch den Vorzug geben sowie die den
Leib erweichenden Speisen (d.h. den Durchfall fördernden) vor den Stuhlgang
hemmenden, z. B. die gekochten und mit Öl verfeinerten Hülsenfrüchte und die Konfitüre
vor Quitten und Birnen verwenden. Ebenfalls soll man wegen der Kälte des
Magenmundes (fam al-mi‘da) und wegen der Wärme der Magengrube (qa‘r) grobe
Nahrung vor der feinen vorziehen, wie man z.B. Hammelfleisch vor Geflügel stellt und
Rindfleisch vor Hammelfleisch. Beim Essen darf man kein Wasser trinken, bis das Essen
im Magen liegt, außer bei übermäßigem Durst. Man soll auch kein Wasser auf nüchternen
Magen Trinken, nicht beim Erwachen in der Nacht und nicht nach dem
Geschlechtsverkehr. Nach dem Essen soll man jede übermäßige Bewegung des Leibes
und der Seele vermeiden, z.B. Anstrengung, Baden, (47 b) Geschlechtsverkehr und Zorn.
Zu den Weisheiten der Inder gehört ihre Lehre, der überreichliche Genuss von trockenen
Speisen nehme die Kraft fort und mache blass und trockne den Leib aus; überreichliches
Fett mache faul und appetitlos. Der übermäßige Genuss von salzigen (Speisen) schade
dem Sehvermögen. Zuviel Scharfes und Saures lasse schneller altern. Auch untersagten
sie, etwas zu essen, was in Wasser mit Honig gelegt war, und dass man Milch mit etwas
Saurem vermischt isst, weil das Ausschlag verursachte, oder dass man geronnene Milch
mit Rettich oder etwas, was sich in einem Messinggefäß befindet, isst. Man röste kein
Fleisch auf der glühenden Kohle des Rizinusholzes (½aÔab al-¿irwa‘). Man trinke kein
Brunnenwasser auf Flusswasser und kein Flusswasser auf Brunnenwasser. Man trinke
kein kaltes Wasser auf nüchternen Magen, denn es magert den Körper ab und löscht die
Wärme des Magens.
Was nun die Getränke anbelangt, so ist der Ort hier zu knapp, all ihre Vorteile, Nachteile,
und Anwendungsarten in Betracht zu ziehen. Indessen ist es am bekömmlichsten, sie drei
bis vier Stunden (48 a) vor der Einnahme der Speise zu sich nehmen. Am
empfehlenswertesten ist es, Palmblätter- (¿ūÈ) und Rosenwasser, weder zu alt noch zu
jung und mittelmäßig in Konsistenz und Konstitution, zu trinken. Man soll soviel trinken,
wie es einem angenehm ist, aber Trunkenheit und Trunksucht [beim Getränk] vermeiden.
Zwischen Quitten, Äpfeln, Birnen, Mispeln, Granatäpfeln und deren gleichen soll man
46
abwechseln. Schlafen soll man zu der Zeit, wenn man das Bedürfnis nach Schlaf verspürt;
denn der Schlaf zählt zu den hilfsreichsten Verdauungsmitteln. Zunächst soll man auf der
rechten Seite schlafen, dann schlafe man auf der linken Seite. Man soll sich davor hüten,
sich während des Schlafens von einer Seite auf die andere zu wälzen, denn das verursacht
Blähungen. Man soll weder übertrieben lange schlafen, noch übermäßig lange [die Nacht
über] schlaflos bleiben. Man darf sich nicht gegen Erbrechen eines Überschusses wehren,
wenn man das Bedürfnis der Natur spürt, ihn auszustoßen; vielmehr muss man jenes
untersuchen und wenn man dabei einen Mangel (48 b) oder ein Übermaß feststellt, so soll
man sich darum kümmern (d.h. Abhilfe schaffen). Man darf den Geschlechtsverkehr nicht
häufig ausüben noch darf man ihn in dem Masse unterlassen, dass man wegen seiner
Unterlassung einen Schaden erleidet, wie die Anschwellung der beiden Harnleiterkanäle
(waram al-½ālibain), Rückenschmerzen (wağa ‘aã-ãahr) und Trägheit, vor allem für
denjenigen, der die Gewohnheit hat, ihn häufig auszuüben. Das Beste an seiner Ausübung
ist, wenn man danach Ruhe, Entspannung, Munterkeit und Behendigkeit (suhūlat al½araka) empfindet. Am schädlichsten dabei ist, wenn man nachher Schwäche, Ermattung,
Schlaffheit, Kopfweh (Èuda‘) und Schwindel (duwār) empfindet. Man soll ihn nur dann
ausüben, wenn der Körper sich in der Mitte aller Zustände befindet, d.h. der Körper darf
sich nicht in übermäßiger Wärme, Kälte, Feuchtigkeit oder Trockenheit befindet, oder er
darf nicht erfolgen nach Schlaflosigkeit, Müdigkeit, heftigem Hunger und übermäßiger
Sattheit. Wenn das Verlangen einen veranlasst, ihn auszuüben, so ist es angemessener, das
der Körper bereits warm, als dass er kalt ist; es ist besser, dass er feucht, als dass er
trocken ist. Es ist besser, das der Verkehr nach dem (49 a) Ausruhen, Schlafen oder bei
Sattheit erfolgt, als wenn es das Gegenteil ist. An seelischen Eigenschaften soll man
haben: Freude, Urteilskraft und [Lust zum] Prüfen des Geistes mit maßvollen Gedanken
über geistvolle Ideen. Man übertreibe nicht in Zorn, Kummer, Schlaflosigkeit und
verharre nicht darin. In allem, was wir erwähnt haben, hat die Gewohnheit eine starke
Macht; darum lasse man sie an den ärztlichen Maßnahmen (tadbīr) Anteil haben. Wenn es
sich um eine gute Gewohnheit handelt, soll man bei ihr bleiben; wenn es sich aber um
eine schlechte handelt, soll man sich Schritt für Schritt von ihr entfernen und zum
gemäßigten Zustand übergehen. Diese Gesundheitsmaßnahme kann nur der Arzt
durchführen. Bestünde nicht die Furcht vor Weitschweifigkeit, so hätten wir die
Abhandlung umfassender dargelegt und die Gründe und Ursachen dieser Dinge erläutert
und gründlich das untersucht, was noch übriggeblieben ist. Wer aber das (d.h. die
gründliche Untersuchung) vorzieht, soll die Heilkunst studieren.
47
Abū-¼āmid Mu½ammad Ibn-Mu½ammad Al-Ghazzālī (gest. 1111)
Kitāb Ādāb al-Akl (Über die guten Sitten beim Essen und Trinken) ( ’ )
Im Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen! [...]
Das Ziel der Einsichtigen ist, vor Gott dem erhabenen im „Haus der Belohnung“ zu
erscheinen, der Weg aber, um vor Gott zu treten, bietet sich nur durch die Erkenntnis
Gottes und das Handeln in seinem Sinn; und sich diesen beiden Dingen eifrig zu widmen,
ist nur möglich bei einem gesunden Körper; die Gesundheit des Körpers wiederum ist nur
durch die Nahrung und den Lebensunterhalt gewahrt.
Man nimmt sie je nach Bedarf zu gewissen wiederkehrenden Zeiten zu sich, so dass einer
der frommen Altvorderen von diesem Gesichtspunkt aus sagt: „Das Essen gehört mit zu
den religiösen Dingen“. Darauf weist auch das Wort des Herrn der Welten hin – und er ist
der zuverlässigste von allen, die reden –: „Esst von dem Lauteren und tut das Gute!“ So
soll derjenige, der sich zum Essen anschickt, ihn um Beistand bitten, um diese Erkenntnis
und dies Handeln zu erlangen und damit er dadurch in der Gottesfurcht gestärkt wird. Er
darf sich etwa nicht so weit vernachlässigen und gänzlich gehen lassen, dass er wie die
Tiere auf der Weide ohne Zucht und Sitte isst; vielmehr ist das essen ein Mittel, um das
Seelenheil zu erlangen, und verschafft den Zugang dazu. Notwendig ist daher, dass das
Licht wahrer Religiosität dabei obwaltet, denn nur dies zeigt hier die Sitten und Bräuche,
die den Menschen im Zaume halten und den Gottesfürchtigen am Zügel, so dass er mit der
Wage des göttlichen Gesetzes die Essensbegierde abwägen kann, ob er ihr (S. 3)
nachgeben oder sie unterdrücken soll, und sie auf diese Weise zum Abwehrmittel der
Sünde wird und die Belohnung nach sich zieht, mag auch darin das reinste Glück der
Sinnenseele (Nafs) liegen. Der Gepriesene sagt nämlich: „Der Mann wird sogar für den
Bissen belohnt, den er zu seinem Monde führt sowie zum Munde seiner Frau“; aber das
nur, wen es aus wahrer Religiosität und für sie geschieht, und er dabei die guten Sitten
und Essensvorschriften beachtet. [...] ( S. 4)
Verschiedene gute Sitten und Verbotenes vom medizinischen und Gesetzlichen
Gesichtspunkt
[...]
Es sagte al-¼adjdjādj zu einem Arzt: „Verschreib mir etwas, was ich einnehmen soll, aber
wobei ich mir eine gewisse Beschränkung auferlegen muss!“ Er antwortete: „Heirat von
den Frauen nur ein junges Mädchen, iss vom Fleisch nur junges, iss das Gekochte nicht,
bevor es gut gar ist, trink eine Medizin nur bei einer Krankheit, iss vom Obst nur das reife,
(’) „Kitāb Ādāb al-Akl“ ist das 11. Buch von al-Ghazzālīs Hauptwerk I½yā’ ‘ulūm ad-dīn. Kindermann, Hans
(Übers.): Über die Guten Sitten beim Essen und Trinken, Leiden 1964.
48
iss eine Speise nur, wenn du sie gut kaust, und ebenso alles, was du gern isst, und trink
nicht dabei; und wenn du trinkst, so iss nicht dabei; halt auch nicht den Stuhl und den Urin
zurück; und wenn du am Tage isst, so schlaf; und wenn du bei Nacht isst, so geh, bevor du
schläfst, und seien es nur 100 Schritt!“ In diesem Sinne ist das Wort der Araber zu
verstehen; „Isst du am Morgen, streck dich aus; isst du zu Abend, geh (hinaus)“, wo
tamadd = tamaddad, wie im Worte Gottes zu Erhabenen: „Alsdann ging er zu seiner
Familie, stolzen Ganges“ yatamaÔÔā = yatamaÔÔaÔ“ ist. – Und es heißt, dass das
Zurückhalten des Urins den Körper schädigt wie ein Fluss seine Umgebung, wenn sein
Bett verstopft ist.
In der Tradition heißt es: „Das Unterbrechen der Adern führt zum Siechtum und das
Unterlassen der Abendmahlzeit zum Kräfteverfall“. Und die Araber sagen: „Das
Unterlassen der Nahrung lässt das Fett der Kādha, d.h. der Hinterbacke, schwinden“.
Einer der Ärzte sagte zu seinem Sohn: „O mein Söhnchen, geh nicht eher aus deinem
Haus heraus, als bis du deine (würdevolle) Gesetztheit (¼ilm) erlangt hast, d.h. bis du gut
ernährt worden bist, denn dadurch hat al-¼ilm Bestand und hört die Unstetigkeit auf; und
das führt auch seltener zum Verlangen nach dem, was man auf dem Markte sieht“. – Ein
Arzt sagte zu einem Dicken: „Ich sehe auf dir Samt vom Weben deiner Backzähne; woher
kommt das?“ Er antwortete: „Ich esse das Mark des Weizens, die Jungen der Ziegen, ich
salbe mich mit einem Kelch voll Veilchenöl, und ich trage Leinenkleider“.
„Die Krankendiät schadet dem Gesunden, wie ihre Unterlassung dem Kranken schadet“,
so heißt es. Ein anderer sagt: „Eine Diät, die einem sicher nicht schadet, aber deren
heilende Wirkung bezweifelt wird, ist vom Standpunkt der Gesundheit aus zu billigen“.
(S. 39)
49
Ğalāladdīn as-Suyūtī (d. 1505)
AÔ-Óibb an-Nabawī (Medicine of the Prophet) ( ’ )
Preface
In the name of God, the Beneficent, the Merciful.
Praise be to God who has given existence to every soul and has inspired each towards
good acts, and has taught what is for their good and what is for their harm, what causes
sickness and what causes health, and has given death and bestowed new life.
And I bear witness that there is no God but God, and that He is One and without a Partner.
And I bear witness that Mohamed is His Prophet and His worshipper. He has sent him
with mercy for whosoever is fit for mercy and with punishments for whosoever deserves
punishment. May the mercy of God be upon him and his family for ever until the Day of
the Resurrection and the Day of Good Tidings.
And next. It is obligatory upon every Moslem that he draw as close to Almighty God as he
can and that he put forth all his powers in attention to His commands and obedience to
Him and that he make the best use of his means and that he succeed in drawing near to
Him by conforming to what is commanded and refraining from what is forbidden and that
he strive for what gives benefit to Mankind by the preservation of good health and the
treatment of disease. For good health is essential for the performance of religious
obligations and for the worship of God.
Verily I have relied upon God in my collection of some of the wise medical sayings of the
Prophet. Whatever is required for the preservation of good health and whatever is opposed
to good health, are all found here. (S. 48)
The state of the Body of Man
The second of the four headings into which Theoretical Medicine is divided deals with the
theory of the Body of Man.
Three states of the Body are possible–health, disease, and a condition which is neither
health nor disease, that is, convalescence and old age.
Now, health is a physical condition in which all the functions are healthy. Restoration to
health is the best gift of God to Man. It is impossible to act rightly and to pay proper
attention to the obedience due to the Lord except when health is present. There is noting
similar. Let the worshipper give thanks for his health and never be ungrateful.
Said the Prophet: There are two gifts of which many men are cheated-health and leisure.
Al-Bukhari extracted this tradition.
Said the Prophet: There are worshippers of God whom he protects from death in battle
and from sickness. He makes them to live in good health and to die in good health, and yet
He bestows upon them the seats of His martyrs.
(’) Elgood, Cyril (Trans): Tibb-ul Nabbi or Medicine of the Prophet, in: Osiris 14 / 1962: 33-192.
50
Said Abu Dard: O Prophet, if I am cured of my sickness and am thankful for it, is it better
than if I were sick and bore it patiently? And the Prophet replied: Verily the Prophet loves
good health, just as you do.
The Prophet also said: Ask God for forgiveness and health. After security of faith nothing
better is given to a man than good health. This is told by al-Nasa’i.
No petition is more pleasing to God than a request for good health is assaying reported by
al-Tirmidhi.
A certain Bedouin once asked the Prophet, saying: O Prophet of God, what petition shall I
make to God after I have finished the prayer? And he replied: Ask for good health.
Among the wise sayings of the Prophet David are the following: Health is a hidden
kingdom. And again: Sadness for one hour ages a man by one year. And again: Health is a
crown on the heads of the healthy, only seen by the sick. And again: Health is an invisible
luxury. (S. 51)
Some of our ancestors used to say: How many rich gifts has God places beneath every
vein. And indeed may God give us health in the Faith in this life and in the next. As for
Disease, it is a state just the opposite to this. It originates from want or misdeed or from
misfortune.
The Aetiology of Disease
The third of the four headings into which Theoretical Medicine is divided deals with the
theory of Causes or Aetiology.
Now, the Causes are six. The first of these is Air. Air is essential to keep the soul evenly
balanced. For as long as air remains pure, no debility is mixed in it and no foul wind. It is
an unrecognised protection. Every season produces diseases compatible with it and expels
what is incompatible. Thus, summer breeds bile and causes bilious diseases, but cures
cold diseases. And the like can be said of the other seasons. Cold air is strengthening and
improves the digestion. Hot air does just the reverse. A change in the Air is a cause of
Pestilence. And if God will, that will be described later. The second Cause is Food &
Drink. When hot, these produce heat in the body. And vice versa. The third Cause is
Bodily Movement & Rest. Movement breeds warmth in the body. And vice versa. The
fourth Cause is Emotional Movement & Rest, as occurs in cases of anger, joy,
apprehension, grief, and modesty. These states set the soul in motion, internally indeed
but apparent externally. I will revert to these later if God wills. The fifty Cause is Waking
& Sleeping. Sleep causes the soul to bubble within the body, although it cools the outside.
Hence the sleeper requires some outer garment. Wakefulness is just the reverse of this.
The sixth Cause is Excretion & Retention. A balance between these protects health.
(S. 52)
51
Die Volksliteratur „1001 Nacht“
Märchen aus Tausendundeiner Nacht sind seit dem 18. Jahrhundert auch in der Europa
bekannte Literatur. Diese Volksgeschichten liefern uns nicht nur reiches ethnologisches
und
kulturgeschichtliches
Material,
sondern
informieren
uns
auch
über
die
philosophischen, theologischen und juristischen Themen sowie Kenntnisse im Bereich
Astrologie, Medizin und Pharmazie aus jener Zeit. Der Ursprung dieser Geschichten ist zu
vorislamischer Zeit bis nach Persien, Mesopotamien, Syrien, Arabien und Ägypten
zurückzuführen. Die Entstehung dieser Geschichten in der islamischen Tradition schätzen
Experten Ende des 10., 11. Jahrhunderts oder vielleicht noch später.
In der folgenden Geschichte wird eine Sklavin, mit dem Namen Tawaddud, ein Muster an
äußerlichen Reizen und ungewöhnlicher Gelehrsamkeit, nach ihrem Wissen über Medizin
von einem kundigen Arzt in Anwesenheit des Khalifen HÁrÚn al-RašÍd (reg. 786-809)
geprüft. Dieser kurze Textabschnitt aus der islamischen Volksliteratur liefert uns einige
interessante Grundkenntnisse über den menschlichen Körper und Regeln für eine gesunde
Lebensführung. Der von Enno Littmann übersetzte Text wird im Buch „die Ärzte des
Propheten“ von Dietrich Brandenburg zitiert (S. 183-187).
(449. Nacht:)
Arzt: Wir sind fertig mit der Theologie; nun schicke dich an zur (Anatomie und)
Physiologie. Sage mir also, wie der menschliche Leib beschaffen ist: wie viel Adern hat
er, wie viel Knochen, wie viel Rückenwirbel? Wo ist der Hauptader, und weshalb erhielt
Adam den Namen Adam?
Tawaddud: Adam erhielt seinen Namen wegen seiner udma, das ist seiner rötlichen Farbe;
nach anderen auch, weil er aus dem adîm der Erde geschaffen wurde, das ist aus ihrer
obersten Bodenschicht. Seine Brust wurde aus der Erde der Kaaba gebildet, sein Haupt
aus der Erde des Ostens, seine Beine aus der Erde des Westens. Sieben Türen wurden für
sein Haupt geschaffen: die beiden Augen, die beiden Ohren, die beiden Nasenlöcher und
der Mund. Ferner erhielt er zwei Auswege des Leibes, einen vorn und einen hinten. Die
Augen für den Gesichtssinn bestimmt, die Ohren für den Gehörssinn, die Nasenlöcher für
den Geruchssinn, der Mund für den Geschmackssinn und die Zunge dazu, dass sie
ausspreche, was im Herzen des Menschen verborgen ist. Die Natur Adams ward aus einer
Mischung von vier Elementen geschaffen, und die sind: das Wasser, die Erde, das Feuer,
die Luft. Die gelbe Galle ist das Temperament des Feuers, denn sie ist heiß und trocken;
die schwarze Galle ist das Temperament der Erde, denn sie ist kalt und trocken; der
Schleim ist das Temperament des Wassers, denn er ist kalt und feucht; das Blut ist das
52
Temperament der Luft, denn es ist heiß und feucht. Im Menschen sind 360 Adern
erschaffen, 240 Knochen und 3 Seelen, die animalische, die geistige und die natürliche;
und einer jeden von ihnen wies Allah eine bestimmte Funktion zu. Ferner erschuf Er ihm
ein Herz, eine Milz, eine Lunge, 6 Eingeweide, 1 Leber, 2 Nieren, 2 Hinterbacken,
Gehirn, Knochen, Haut und 5 Sinne: Gehör, Gesicht, Geruch, Geschmack und Gefühl.
Das Herz legte Er auf die linke Seite der Brust, den Magen vor das Herz und machte die
Lunge zu einem Fächer für das Herz; die Leber legte Er auf die rechte Seite, gegenüber
dem Herzen. Ferner schuf Er ihm das Zwerchfell und die Eingeweide, setzte die
Brustknochen zusammen und vergitterte sie mit Rippen.
(450. Nacht) [...]
Arzt: Sage mir ferner, welches sind die äußeren Merkmale und Symptome, durch die man
die Krankheit erkennen kann, sei es, dass sie in den äußeren oder inneren Körperteilen
ihren Sitz hat?
Tawaddud: Nun wohl, wenn der Arzt ein Mann von Verstand ist, so untersucht er den
Zustand des Leibes und gewinnt seine Merkmale dadurch, dass er die Hände betastet, je
nachdem sie straff, heiß, trocken, kalt oder feucht sind. Durch sinnliche Wahrnehmung
kann man auch Merkmale innerer Krankheiten gewinnen: so deutet z.B. die gelbe Farbe
des Weißen in den Augen auf Gelbsucht, und ein gekrümmter Rücken weist auf
Lungenkrankheit hin.“ [...]
(451. Nacht:) [...]
Arzt: Welches sind aber inneren Symptome
Tawaddud: Die Erkenntnis der Krankheiten durch innere Symptome wird durch 6
Grundregeln gewonnen: 1. durch Beobachten der Handlungen; 2. der Leibesentleerung; 3.
der Art des Schmerzes; 4. der Sitz des Schmerzen; 5. der Geschwulste; und 6. der
Ausdünstungen. [...]
Arzt: Gut! Sage mir, in wie viele Teile wird die Heilkunst eingeteilt?
Tawaddud: Sie wird in 2 Teile eingeteilt: 1. die Wissenschaft kranke Körper zu erkennen;
und 2. die Kunst, sie wieder gesund zu machen. [...]
Arzt: Nun lass uns zu der Nahrung übergehen, durch die keine Krankheiten entstehen!
Tawaddud: Das ist die, so man nicht eher isst, als bis man Hunger verspürt, und die, wenn
sie genossen ist, die Rippen nicht füllt, wie denn Galen, der Arzt, gesagt hat: Wer da
Speise zu sich nehmen will, der gehe langsam zu Werke; so wird er nicht fehlgehen. Und
nun lass uns hier mit dem Ausspruche dessen schließen, auf dem Segen und Heil ruhe: Der
Magen ist das Haus der Krankheit, und Diät ist der Heilung Anfang; denn Ursprung aller
Krankheit ist Indigestion, das ist Unverdaulichkeit.
53
(452. Nacht:) [...]
Arzt: Wie steht es mit dem Wassertrinken?
Tawaddud: Trink es nicht mit Gewalt, noch auf einen Zug ohne Halt; sonst wird dich der
Kopfschmerz peinigen, und mit ihm werden sich dir noch mancherlei Leiden vereinigen.
Trink es auch nicht sogleich, wenn du das Bad verlassen hast, noch nach der Beiwohnung
oder dem Essen, vielmehr soll ein junger Mann 15, ein alter Mann aber 40 Minuten
warten; ebenso trink es nicht gleich nach dem Erwachen aus dem Schlafe!
Arzt: Gut! Nun sprich mir vom Weintrinken!
Tawaddud: Genügt dir zum Verbote nicht das, was im Buche Allahs der Erhabenen steht,
wo Er sagt: Wein, Glücksspiel, Götzenmale und Feile sind ein Greuel von Satans Werk;
meidet sie, auf dass es euch wohl ergehe [Koran V, 91]! Und wiederum spricht der
Erhabene: Sie werden dich nach dem Weine und dem Glücksspiele fragen; dann sprich: In
beiden liegen eine große Sünde und zugleich ein Nutzen für die Menschen; doch die
Sünde in ihnen ist größer als ihr Nutzen [Koran, II, 220] [...]
(453. Nacht:)
[...] Arzt: „Nun gib mir Auskunft über die Gemeinschaft von Mann und Weib!“
Tawaddud: „Die eheliche Gemeinschaft hat viele Vorzüge und preiswerte Eigenschaften;
darunter sind diese: sie erleichtert den Körper, der voll schwarzer Galle ist, sie beruhigt
die Liebesglut, führt zu herzlicher Neigung, weitet das Herz und verscheucht die Trauer
der Einsamkeit. Ausschweifung im Liebesgenusse ist in den Tagen des Sommers und des
Herbstes schädlicher als zur Zeit des Winters und des Frühjahrs.“
54
Zentrum für Medizinische Ethik
Medizinethische Materialien
Die unterstrichenen Hefte sind derzeit leider vergriffen und nicht lieferbar, können im
Sonderfall aber als Kopie oder e-file geliefert werden.
Heft 126: Ilkilic, Ilhan: Das muslimische Glaubensverständnis von Tod, Gericht,
Gottesgnaden und deren Bedeutung für die Medizinethik. September 2000.
Heft 127: Maio, Giovanni: Ethik und die Theorie des "minimalen Risikos" in der
medizinischen Forschung. September 2000.
Heft 128: Zenz, Michael; Illhardt, Franz Josef: Ethik in der Schmerztherapie. November
2000.
Heft 129: Godel-Ehrhardt, Petra; May, Arnd T.: Kommunikation und Qualitätssicherung im
Betreuungsrecht – Ergebnisse einer Befragung zur Mailingliste
[email protected]. März 2001.
Heft 130: Dabrock, Peter; Klinnert, Lars: Würde für verwaiste Embryonen? Ein Beitrag zur
ethischen Debatte um embryonale Stammzellen. Juli 2001.
Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine«
zu »Money Based Medicine«? März 2002.
Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. 2. Auflage Januar
2003.
Heft 133: Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische
Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002.
Heft 134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und
Menschenwürde. März 2002.
Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002.
Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des
Sterbens. Juli 2002.
Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen
und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002.
Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der
Pharmakogenetik. August 2002.
Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen
Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen
Identitätsethik. August 2002.
Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven. März 2003.
Heft 141: Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am
Lebensende- Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003.
Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen
zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der
Krankenhäuser. Januar 2003.
Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer
ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003.
Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin;
Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland.
Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung
und transparente Umsetzung. August 2003.
Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003.
Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004.
Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in
Südkorea. Januar 2004.
Heft 148: May, Arnd T.; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu
Behandlungsverfügungen. Januar 2004.
Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde; Was heißt: In
Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004.
Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in
der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004.
Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy.
März 2004.
Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in der
islamischen Tradition. April 2004.
Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A
Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F
Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004.
Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung
in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004.
Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg; Meyer, Frank P.:
Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament – Wo steht der
Patient? 1. und 2. Auflage Juni 2004.
Heft 156: Kreß, Hartmut: Sterbehilfe – Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts
in ethischer und rechtspolitischer Sicht. 1. Auflage September 2004, 2. Auflage
Februar 2005.
Heft 157: Fröhlich, Günter; Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in
Klinischer Ethik. Dezember 2004.
Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan; Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen
Kulturen. 2. Auflage Februar 2005.
Heft 159: Lenk, Christian; Jakovljević, Anna-Karina: Ethik und optimierende Eingriffe am
Menschen. Ethische Aspekte von Enhancement in der Medizin.
2. Auflage Februar 2005
Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine
Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen),
4. Auflage Januar 2005
Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom "Diktat der Menschenverachtung" 1946 zur "Medizin ohne
Menschlichkeit" 1960. Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger Ärzteprozesses. 2. Auflage März 2005
Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in
Deutschland. Juni 2005.
Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen.
Januar 2006.
Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im
Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und
Implementierungsschritte. 1. Auflage Januar 2006, 3. Auflage März 2006.
Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror.
Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. 1. Auflage Februar
2006, 3. Auflage März 2006.
Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten,
Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006.
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Hefte Nummer: _____________________________________________
ZUSAMMENFASSUNG
In GESUNDHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSMÜNDIGKEIT IN DER
ISLAMISCHEN
TRADITION
stellt
Ilkilic
anhand
von
Hauptquellen,
wichtigen
medizinischen Werken und Autoren und der mystischen wie der prophetischen Tradition die
philosophischen
und
theologischen
Wurzeln
von
Gesundheitsverständnis
und
Gesundheitsmündigkeit in der islamischen Tradition dar. Einen besonderen Akzent legt er auf
Vorschriften für Hygiene und Ernährung, ebenfalls auf die Regeln für eine ausgewogene
Lebensweise und für Mäßigkeit. Anschließend diskutiert er die Wechselwirkungen zwischen
islamischem Menschenbild und gesundheitlicher Verantwortung sowie deren Bedeutung für
die Gegenwart.
ABSTRACT
In CONCEPT AND PROMOTION OF HEALTH IN THE ISLAMIC TRADITION Ilkilic
presents the philosophical and theological roots of the concept and the promotion of health in
the Islamic tradition, discussing mayor sources, medical and mystical traditions, and the
prophetic tradition. Special emphasis is given to recommendations for hygiene and diet, also
for following health care rules in the 'res non naturales' tradition, in particular moderation and
a balanced lifestyle. Subsequently, he focuses on the interaction between image of man in the
Islamic tradition and on individual responsibility for health and his importance for the present.
ISBN: 3-931993-34-5
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