Zentrum für Medizinische Ethik MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN Heft 152 GESUNDHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSMÜNDIGKEIT IN DER ISLAMISCHEN TRADITION Ilhan Ilkilic 3. Auflage März 2005 Ilhan Ilkilic, Dr. med./TR, Dr. phil., M.A., studierte Medizin, Philosophie und Islamwissenschaften. Er ist seit Januar 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Medizinische Ethik des philosophischen Instituts an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts "Kulturübergreifende Bioethik". Diese Arbeit ist im Rahmen des DFG-Projekts „Kulturübergreifende Bioethik“, Teilprojekt Gesundheitsmündigkeit [DFG: Sa402/4-1], entstanden. Herausgeber: Prof. Dr. med. Burkard May Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass Zentrum für Medizinische Ethik Bochum Ruhr-Universität Gebäude GA 3/53 44780 Bochum TEL (0234) 32-22749/50 FAX +49 234 3214-598 Email: [email protected] Internet: http://www.medizinethik-bochum.de Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor. © Ilhan Ilkilic 1. Auflage April 2004; 2. Auflage Januar 2005; 3. Auflage März 2005 Schutzgebühr: Bankverbindung: € 6,00 Sparkasse Bochum Kto.Nr. 133 189 035 BLZ: 430 500 01 GESUNDHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSMÜNDIGKEIT IN DER ISLAMISCHEN TRADITION Ilhan Ilkilic Die vielfältigen Gesundheitsbilder in den Kulturtraditionen und mit diesen Bildern verbundene Umgangsformen zeigen uns, dass die Gesundheit stets ein Urphänomen in der Kulturgeschichte des Menschen war. Wie viele andere Traditionen bietet auch die islamische Geschichte eine reiche Literatur über diese Themen. Im vorliegenden Beitrag werden Gesundheitsbilder der islamischen Tradition skizziert und die damit verbundenen umfangreichen hygienischen und diätetischen Maßnahmen zu Erhaltung der Gesundheit behandelt. Es werden auch Wechselwirkungen zwischen dem islamischen Menschenbild und Gesundheitsmündigkeit dargestellt. Anschließend wird die Bedeutung dieses Kulturerbes für heutige Gesundheitsprobleme in einer globalen Welt diskutiert. Im Anhang befinden sich die wichtigsten klassischen Texte der islamischen Tradition über das Gesundheitsverständnis und die Gesundheitsmündigkeit. I. GESUNDHEITSBILDER IN DER ISLAMISCHEN TRADITION Der Heidelberger Medizinhistoriker Heinrich Schipperges unterstreicht in seinem Buch „Gesundheit und Gesellschaft“ den philologischen Zusammenhang zwischen den Begriffen Gesundheit und Islam: „Wir haben zu berücksichtigen, dass der Islam die einzige Hochreligion ist, die das Wort „Gesundheit“ bereits in ihrem Titel trägt und damit diesen Zentralbegriff zum Fundament der Weltanschauung und Lebenshaltung gemacht hat. ‚s l m’ = ‚salam’ bedeutet: ein rundum Wohlsein an Leib, Seele und Geist, das Heile eben. Die Reflexivform von salam ist islam, die Ganzhingabe an das Heile. Wer sich zu diesem Heil bekennt, ist ein ‚muslim’“[Schipperges 2003: 25] Das arabische Wort sihha bedeutet Gesundheit, aber auch Hygiene, Richtigkeit, Wahrheit, Authentizität, Fehlerlosigkeit und Rechtsgültigkeit. Die Anwendung dieses positiv besetzten Wortes beschränkt sich keinesfalls auf den Gesundheitsbereich, sondern findet auch in den Natur- und Geisteswissenschaften, aber auch in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedliche Gebrauchsformen. Ein ähnlicher Sinngehalt und Nutzungsbereich desselben Wortes gilt auch für die persische und türkische Sprache. Neben diesem Wort wird im modernen Türkischen das Wort sağlık verwendet, was Gesundheit, Wohlbefinden und Unversehrtheit bedeutet. 1 1.1 Islamische Hauptquellen Gesundheit und Krankheit werden in den islamischen Hauptquellen oft über ihre lexikalische Bedeutung hinausgehend angewandt. Der Begriff Krankheit (mara±) kommt im Koran mehrmals mit einem metaphorischen Sinngehalt vor. Der koranische Ausdruck „Krankheit in den Herzen“, in dem auch das menschliche Organ Herz mit metaphorischer Bedeutung erscheint, deutet auf Heuchelei, Unglaube und Zweifel an Gottes Existenz hin. Diese Übertragung des Begriffsinhalts basiert auf ein vorhandenes Verständnis von Gesundheit und Krankheit, nämlich, dass Gesundheit ein vorzüglicher und wünschenswerter Zustand und Krankheit ein von diesem Befinden abweichender und somit zu vermeidender Zustand ist. Auch wenn der Ausgangspunkt der lexikalischen und metaphorischen Bedeutung des Begriffs Krankheit in diesen Versen ein nicht wünschenswerter Zustand ist, so ist die koranische Beurteilung dieser beiden Zustände unterschiedlich, d.h. ein kranker Mensch und ein an Gottes Existenz zweifelnder Mensch sind nach koranischer Auffassung anders zu bewerten. Während der erste Krankheitsbegriff, der des Unglaubens oder der Heuchelei, mit der göttlichen Ermahnung und der Verdammnis in Zusammenhang steht, ist der zweite Begriff Krankheit als solcher immer mit dem Trost und der Barmherzigkeit Gottes verbunden. „Er weiß, dass es unter euch Kranke geben würde.“ [Sure d.h. Korankapitel 73/20] Die Kranken sollen keine Gewissensnöte haben, wenn sie ihren, von Gott auferlegten religiösen und sozialen Pflichten nicht nachkommen können. „... Gott will für euch Erleichterung, Er will für euch nicht Erschwernis.“ [Sure 2/185] Der kausale Nexus zwischen Gott und Heilwirkung wird in einem anderen Vers durch die Aussage des Propheten Abraham deutlich: „Wenn ich krank bin, so heilt er mich“ [Sure 26/80]. Parallel dazu wird Gott vom Propheten Muhammed sowohl für die Krankheit als auch für die Heilung erste Ursächlichkeit zugeschrieben. „Gott hat keine Krankheit auf die Erde herabgesandt, ohne zugleich auch für das entsprechende Heilmittel zu sorgen.“ [Æa½Í½ alBu¿ārī 1991: 396] Im menschlichen Leben werden Gesundheit und Krankheit als sich abwechselnde Zustände verstanden. In diesem Kontinuum verändern sich der menschliche Leib, aber auch soziale Bedingungen. Der folgende Hadith (Prophetenausspruch) zählt nicht nur diese Zustände auf, sondern impliziert unter diesen eine Bewertung. „Nutze fünf (Zustände) vor fünf (Zuständen): (Nutze) dein Leben vor deinem Tod, (nutze) deine Gesundheit vor deiner Krankheit, (nutze) deine Freizeit vor deiner Geschäftigkeit, (nutze) deine Jugend vor deinem 2 Greisenalter und (nutze) deinen Wohlstand vor deiner Armut.“ [Al-Bayhaqī 1344-1355] Die Erstgenannten sind vorzüglicher und deshalb zu bewahren, auch wenn dies aufgrund der menschlichen Natur nicht immer möglich ist. In einem anderen Hadith lesen wir „Nimm von deiner Gesundheit für deine Krankheit und von deinem Leben für deinen Tod“ [Æa½Í½ alBu¿āryy 1996:636, Nr. 6416] Nach der prophetischen Empfehlung soll gesundes Leben, welches dem Menschen gewisse freie Räume schafft, nützlich verbracht werden. Der Inhalt dieser Nützlichkeit wird wiederum verständlicherweise nach den islamischen Wertvorstellungen bestimmt. 1.2 Medizinische Werke Die auch den Griechen und Indern bekannte Humorallehre diente in der islamischen Tradition lange Zeit als Grundlage für die Gesundheitslehre. Laut dieser Theorie wurde die aufgenommene und verflüssigte Nahrung durch einen Stoffwechselprozess in vier Kardinalsäfte verwandelt: Das Blut (dam), der Schleim (bal™am), die gelbe Galle (al-mirra aÈ-Èafra) und die schwarze Galle (al-mirra as-saudÁ’) [Ullmann 1970: 97]. Eine harmonische Mischung dieser Säfte verleiht dem Menschen Gesundheit. Eine Störung dagegen versteht sich als Ursache einer Krankheit. Der Charakter der Krankheit entspricht der Qualität dieser Säfte und ihren Beziehungen zueinander. Der Mensch gewinnt im Laufe der Zeit durch seine humorale Anlage und Umwelt ein bestimmtes Temperament, wie z.B. sanguinisches, phlegmatisches, cholerisches und melancholisches. Diese spielen wiederum bei der Entstehung einer Krankheit eine Rolle. Ist der Mensch melancholisch, so kann er leicht von der Krankheit der Melancholie betroffen werden [Ullmann 1970: 98]. Ein wichtiger Punkt ist, dass weder die Kardinalsäfte, noch die Qualitäten die Erstursache des Lebens sind. Sie sind lediglich Mittel, die den Lebensnachweis in Erscheinung bringen [Nasr 1976: 160]. In den medizinischen Werken der islamischen Tradition erlangt die metaphorische Bedeutung von Gesundheit und Krankheit keine zentrale Bedeutung wie in den theologischen Hauptquellen. Vielmehr wird Gesundheit als körperliches und seelisches Wohlbefinden verstanden und als höchstes Gut bewertet. ‘Alī b. Sahl Rabban aÔ-Óabari (gest. n. Chr. 855) leitet in seinem Werk Firdaus al-¼ikma (Paradies der Weisheit), welches zu den frühesten und umfangreichsten medizinischen Werken der islamischen Tradition gehört, den Sinn und die Bedeutung der Gesundheit aus der menschlichen Natur ab. Der universale Charakter der nützlichen Handlung liegt dieser Idee zugrunde. „Das Gute und den Großmut zu loben und die Leute, die danach handeln, auszuzeichnen, ist eine Sache, über die sich alle Völker einig sind. Wer das Wohl der Menschen erstrebt, ist gut.“ [Rabban aÔ-Óabari 1953: 7] Da für das 3 menschliche Wohlbefinden ein gesunder Zustand von zentraler Bedeutung ist, braucht jeder Mensch seiner Natur nach medizinische Vorsorge und Fürsorge. Diese können wiederum von der medizinischen Wissenschaft, „die jeder Mensch zu jeder Zeit braucht und die von Angehörigen jeden Glaubens gelobt wird“ [Rabban aÔ-Óabari 1953: 7], gewährleistet werden. Kosmologie, Naturphilosophie, Leib-Seele-Probleme, Embryologie, Anatomie, Physiologie, Medizinethik und gesundheitserhaltende Maßnahmen sind Themenbereiche in seinen medizinischen Werken. Diese Schriften können als Konglomerat aus der indischen, babylonischen, persischen und griechischen Medizin betrachtet werden, die uns schon relativ früh medizinische Ansätze mit interkulturellen und kulturhistorischen Dimensionen liefern. Sie beinhalten neben Therapievorschlägen für behandelnde Ärzte und Empfehlungen an Medizinstudenten auch Ratschläge für Patienten. „Dem Kranken dürfen vier Dinge nicht fehlen: ein kundiger, barmherziger, geeigneter Arzt von erfolgversprechendem Aussehen. Der Kranke soll dem Arzt gehorchen, seine Diätvorschriften und seine Behandlung geduldig ertragen. Der Diener soll sich zu ihm liebevoll verhalten, geduldig ihm gegenüber sein und dem Arzt Gehorsam erweisen. Die Arznei soll für seine Krankheit passend sein, ...“ [Rabban aÔ-Óabari 1950: 16] Wir finden in seinen Schriften auch nützliche hygienische und diätetische Empfehlungen für gesunde Laien. So soll jemand, der sich an einem Ort niederlassen will, folgende Dinge beachten. „So heißt es, dass ein Mann nicht in einem Lande wohnen solle, in dem nicht folgende vier Dinge vorhanden seien: ein gerechter König, fließendes Wasser, ein geeigneter kundiger Arzt und Heilmittel.“ Dieser Topos als Empfehlung an einen Laien bezüglich seiner Gesundheitsvorsorge begegnet uns auch in vielen anderen Epochen und Kulturen [z.B. bei . Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 74]. Die Gesundheit ist bei Is½Áq b. ‘AlÍ ar-Ruhāwī, Arzt und Kenner der hippokratischen und galenischen Werke aus dem 9. Jahrhundert, ein natürliches Phänomen des Körpers und höchstes Gut für den Menschen [Ar-Ruhāwī 1985: 70b]. An das Gedankengut antiker Autoren anlehnend erklärt er die Gesundheit mit den Grundlagen der Humoralphysiologie als normalen Zustand des Körpers und vollständige Funktion der Organe. Am Anfang befinden sich in ar-RuhÁwÍs Buch Adab aÔ-ÓabÍb 1 zahlreiche Argumentationen über die Legitimität und die Wichtigkeit des ärztlichen Berufes [Ilkilic 2001]. In Anlehnung an Aristoteles' Forderungen an den Charakter eines Herrschers, der nach Aristoteles vernünftig, gelehrt, und bedächtig sein sollte, vergleicht ar-Ruhawi den Arzt, den er den „Herrscher der Seelen und 1 Eine detaillierte Untersuchung über dieses Werk und dessen Bedeutung für die Patientenethik in der islamischen Tradition wurde von Raphaela Veit und Ilhan Ilkilic vorbereitet und wird demnächst in dieser Reihe veröffentlicht. 4 Körper” [Ar-Ruhāwī 1985: 8] nennt, mit dem Herrscher (eines Staates). Beide “Herrschaften” sind von den Pflichten her vergleichbar; dennoch muss sich der Arzt verstärkt um eine, seinem Beruf angemessene Ethik und Wissenschaft bemühen, da das Umgehen mit Seelen und Körpern noch mehr Verantwortung erfordert, als die bloße Verwaltung von Besitz, wie etwa im Falle des Staatsherrschers. Denn „die Körper und die Seelen sind wertvoller als der Besitz” [Ar-Ruhāwī 1985: 8]. Ziel der ärztlichen Kunst nach ar-RuhÁwÍ ist die Erhaltung von Gesundheit und die Heilung von Kranken. Da die medizinische Kunst die Gesundheit erhält, sichert und stärkt, verdient sie bei ar-RuhÁwÍ den Rang, die edelste aller Künste (ašrafu aÈ-ÈinÁþi) zu sein. Deren Zugehörigkeit zu den ältesten Wissenschaften bekräftigt diese Geltung [Ar-Ruhāwī 1985: 154]. Die Grundursache von Heilung und Krankheit ist Gott, und der Arzt vermittelt diese Heilung durch seine medizinische Kompetenz an Patienten. Von daher ist die medizinische Kunst ein Geschenk Gottes. ‘Alī ibn Ri±wān (gest. 1061 oder 1068), der Leibarzt des Fatimidenkalifen al-Muntasir (reg. 1036-94), subsumiert in seinem Werk aÔ-Ôatarruq biÔ-Ôibb ilā s-sa‘āda (Der Weg zur Glückseligkeit durch den ärztlichen Beruf), ähnlich wie ar-Ruhāwī, die Zielsetzungen der Medizin unter zwei Gesichtspunkten, nämlich der Erhaltung der Gesundheit und der Heilung der Krankheit. Der nach diesen Zielen strebende Arzt benötigt philosophische Erkenntnisse, Sichbefassen mit der Weisheit und Übung von Gerechtigkeit, Großmut sowie Redlichkeit [‘Alī ibn Ri±wān 1982: 38]. Das menschliche Glück kann ihm zufolge nur durch das „theoretische und praktische Philosophieren“ erreicht werden und ist für die Ausübung des ärztlichen Berufs unerlässlich. Aus diesem Grund soll die ärztliche Ausbildung zum größten Teil aus dem Studium der Philosophie bestehen. Er macht eine konsequente Unterscheidung zwischen dem Arzt mit (Óabīb) und ohne Philosophiestudium (MutaÔabbib) [Vgl. Schacht and Meyerhof 1937: S. 77]. ‘Alī ibn Ri±wāns Philosophenarzt begegnet uns auch in den Schriften anderer Autoren der islamischen Tradition, bei denen die Einflussnahme der griechischen Medizin unverkennbar ist. Dieser Arzttypus bleibt jedoch bei vielen Autoren keinesfalls kritiklos. Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ (gest. 1058), Zeitgenosse von ‘Alī ibn Ri±wān, stammt aus der berühmten Arztfamilie Ba¿tīÊū‘ und gehört zur siebten Ärzte-Generation. Als Kenner der griechischen Werke kontert er diese Meinung und fordert eine Trennung von Medizin und Philosophie. Es „tritt uns hier eine neue Einstellung entgegen, die Wahrheit nur auf Grund kontrollierter Evidenz, und nicht auf der Grundlage der traditionellen Philosophie anzuerkennen.“ [KleinFranke bei Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ 1986: 21]. Nach seiner Ansicht sollen die jungen Ärzte am Krankenbett und nicht in philosophischen Vorlesungen ausgebildet werden. In seiner 5 Gesundheitslehre stehen Leib und Seele sehr eng zueinander und sind durch psychosomatische Ansätze geprägt. Ein Gesundheitszustand ist erst dann möglich, wenn sowohl der Körper und die Seele sich in ihrer „natürlichen Ordnung“ befinden. Ein Abweichen von diesem natürlichen Zustand bedeutet Krankheit. „Der Mensch gehört in das Reich der Lebewesen, besteht aus einer Seele und einem Körper, wobei die Seele den Körper in ihre Dienste nimmt, durch ihn wirkt und aus ihm heraus ihre Kräfte enthüllt. Es ist offenbar, dass der Körper des Menschen den Gegenstand aus verschiedenen Richtungen bemühen muss und dass sie sich um die Erhaltung seiner Gesundheit und seines Wohls bemüht.“ [Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ 1986: 58] Er widerspricht dem platonischen Dualismus und vertritt die Meinung, dass die Seelenheilkunde nicht zur Philosophie, sondern zum Tätigkeitsbereich der Medizin gehört. Auch anders als Galen vertritt er die Meinung, dass der menschliche Körper nicht gesund bleiben kann, wenn die Seele von einer Krankheit befallen wird. Er beschreibt eindrucksvoll in seinem Werk „Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers“ [Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ 1986] am Beispiel der Liebe, wo morphologische Veränderungen und Dysfunktionen am Körper durch eine Einflussnahme auf das Wesen der Seele entstehen können. Diesen gesundheitsstörenden Gegebenheiten sollen aber nicht mit philosophischen Spekulationen, sondern mit medizinischen Erkenntnissen analysiert und therapiert werden. Mit seinem Gesundheitsbegriff und Leib-Seele-Verhältnis in seinem medizinischen Denken ist Ibn Ba¿tīÊū‘ „viel weiter als die griechische Medizin gegangen, indem er die seelische Ursache körperlicher Krankheiten feststellte, und umgekehrt folgerte, dass jede seelische Krankheit auch eine körperliche Krankheit sei. Ibn Ba¿tīÊū‘ teilte daher die Therapie in eine somatische und eine psychische auf, die er beide zum Aufgabenbereich des Arztes rechnete.“ [Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīsū‘ 1986: 34] Knapp 200 Jahre nach Rabban aÔ-Óabari spricht Æā‘id ibn al-¼asan in seinem Werk KitÁb at-TašwÍq aÔ-ÓibbÍ (Die Wachrufung der Sehnsucht nach der Medizin) ähnlich wie er von einem interkulturellen und interreligiösen Konsens bezüglich der Wichtigkeit der Heilkunst. „Immer waren die Völker sich einig, und es stimmen die Zeugnisse durch richtige Analogie und fortdauernde Erfahrungen überein in den Vorzügen der Heilkunst, ihrer Erhabenheit sowie dem [zwingenden] Bedürfnis der Menschen nach ihr. Dies beweisen die religiösen Gesetze, verschieden wie sie sind, und die Glaubensrichtungen, feststehend wie sie sind.“[Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 71] Bei der Erklärung von der Wichtigkeit der Gesundheit greift Æā‘id ibn al-¼asan auf einen oft als Prophetenausspruch tradierten Satz zurück. „Die Wissenschaft besteht aus zwei Wissenschaften, nämlich der 6 Wissenschaft von den Körpern (d.h. Medizin) und von den Religionen.“ [Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 71] 2 Dass die Medizin in diesem Satz vor den Wissenschaften der Religion genannt worden ist, habe seine Gründe. Für das Studium der Religionswissenschaften, sowie die Religions- und Berufsausübung ist eine gesunde körperliche und seelische Konstitution von zentraler Bedeutung, was nicht nur für medizinische Laien sondern auch für Ärzte gilt. Deswegen obliegt es dem Arzt, genauso auf seine eigene Gesundheit zu achten, wie auf die Gesundheit der anderen. „Wenn es dem Arzt nicht gelungen ist, seine Gesundheit zu bewahren und seine Krankheit loszuwerden, so liegt es nahe, dass er andere nicht heilen kann.“ [Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 99] Bei der Wiederherstellung der Gesundheit arbeitet der Arzt im Dienste der Natur, deren Heilkraft wiederum von Gott kommt. „Die Heilerin der Krankheit [ist] die Natur, die Gott der Erhabene beauftragt hat, die beseelten Körper gesund zu erhalten, ihre Zustände zu verbessern und ihre Beschwerden zu heilen. Der Arzt ist nur ein Diener der Natur.“ [Æā‘id ibn al-¼asan 1968: 108] 1.3 Mystische Tradition Der von den Medizinern und Theologen vertretene Ansatz, welcher Gesundheit als erforderlichen Zustand für die Durchführung der religiösen, familiären und sozialen Verpflichtungen und damit als ein hohes Gut erklärt, wird in dieser Tradition relativiert. Dabei dachte man an den möglichen negativen Einfluss der Gesundheit auf das GottMenschen-Verhältnis. Eine Einstellung, die nicht nur allein in der islamischen Mystik zu finden ist. In dem ältesten Medizinbuch des christlichen Abendlandes, dem berühmten Lorscher Kodex, wird dieser, über die funktionale Wertung von Gesundheit hinausgehende Blickwinkel, deutlich: „Gar heilsam (salubris) ist eine Krankheit, wenn sie das Herz des Menschen in seiner Verhärtung aufbricht, und äußerst verderblich (valde perniciosa) ist eine Gesundheit, wenn sie den Menschen in seinem unseligen Trott nur dazu verführt, weiter seinen Lüsten zu frönen.“[Schipperges 2003: 32] Schon sehr viel früher nennt Heraklit in einem Fragment Vorteile der Krankheit. „Krankheit(serfahrung) macht Gesundheit angenehm und gut, Hunger Sättigung, Ermüdung das Ausruhen“ [Schipperges 1985: 81] Bei al-Ghazzālī (gest. 1111), einem der einflussreichsten Gelehrten des islamischen Mittelalters, erlangt die Medizin als dem menschlichen Wohlbefinden dienende Wissenschaft einen hohen Wert. Das Studieren und Praktizieren der Medizin in seiner Klassifikation der Wissenschaften erklärt er in seinem Hauptwerk i½yā’ ‘ulūm ad-dīn als eine religiöse Pflicht 2 Von wem diese Klassifikation stammt, ist umstritten. Dieser Satz kann vom Propheten Muhammad oder von seinem Schwiegersohn ‘Alī ibn Abī Óālib oder aber vom Rechtsgelehrten Schafi`i sein [Elgood 1962:124 u. Bürgel 1991:181]. 7 (far± kifÁyah kollektive Pflicht, (d.h.) als wichtige islamische Verpflichtung gegenüber Gott, welche durch die Folgeleistung einiger Personen andere entlasten würde) [Al-Ghazzālī 1933: 15]. Im selben Werk konstatiert er jedoch, dass die Gesundheit beim Menschen das Gefühl der Bedürfnislosigkeit und somit auch sogar der Überheblichkeit gegenüber Gott fördern könne. Der Mensch erlebt durch seine Krankheit seine Schwäche, Machtlosigkeit und erkennt Grenzen des Menschseins. Dieser Zustand könnte eine Gelegenheit geben, seine Beziehung zum Schöpfer zu stärken. Er zitiert in seinem Hauptwerk I½yā’ die Geschichte Pharaos für die Rechtfertigung seiner Sichtweise. „Jemand hat gesagt: ‚Pharao hat nur deshalb Ich bin euer höchster Herr [Sure 79/24] gesagt, weil er so lange gesund gewesen ist. Denn vierhundert Jahre lang hat bei ihm kein Kopf wehgetan und kein Leib Fieber gehabt und keine Ader gepocht. Darum hat er sich die Gottesherrlichkeit angemaßt. Wenn ihn jeden Tag das halbseitige Kopfweh gepackt hätte, hätte es ihn davon abgehalten, sich unpassend aufzuführen, erst recht davon, sich die Gottesherrlichkeit anzumaßen.’“ [Al-Ghazzālī 1984: 618-619] Er nennt im Kapitel tawakkul (Gottvertrauen) desselben Werkes sechs Argumente, durch die eine Therapieablehnung legitimierbar sei. Daraus leitet er aber nicht ab, dass diese Haltung für alle Muslime und in allen Umständen eine empfehlenswerte ist. Eine Therapieverweigerung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die in der mystischen Tradition vorzufindenden spezifischen Intentionen vorliegen, diese aber eher als eine „Einstellung der geistigen Elite“ gelten. Al-Ghazzālī möchte vielmehr in seiner Argumentationsweise auch diese Positionen innerhalb des muslimischen Verhaltensspektrums angehörend wissen, und sie nicht ausschließen. „Da nun die Krankheit viele Vorteile mit sich bringt, vertreten manche die Meinung, man sollte nichts unternehmen, wodurch diese aufgehoben wird, weil sie darin für sich einen Gewinn sehen, nicht, weil sie es als Verlust erachten, wenn man sich einer Behandlung unterzieht. Wie könnte es auch ein Verlust sein, wo doch der Prophet es getan hat!“ [Al-Ghazzālī 1984: 618-619] II. HYGIENE Die Reinheit wird in einem Prophetenspruch zum zentralen Begriff des islamischen Glaubens erklärt. „Die Reinheit macht die Hälfte des [islamischen] Glaubens aus.“ [Canan 1991, Bd. 10: 309] Auch wenn in diesem Hadith nicht eindeutig ist, ob mit dem Begriff Reinheit hygienische Sauberkeit oder religiös-moralische Vollkommenheit gemeint ist, so beinhalten die Auslegungen in den klassischen Werken zu diesem Hadith beide Inhalte. Diese Interpretationsweise wird im al-Ghazzālīs Kommentar deutlich: „Es ist unwahrscheinlich, 8 dass mit diesem Prophetenspruch nur die äußerliche Reinigung mit Wasser gemeint ist, wobei die Zerstörung des Seelischen und sein Verbleiben in Schmutz und Unrat nicht aufgehoben werden. Keineswegs!“ [Al-Ghazzālī 1933, 1:94] Er verknüpft in seiner Auslegung beide Formen der Reinheit und kategorisiert sie in vier Stufen: „Die Sauberkeit hat nämlich vier Stufen: Die erste Stufe ist die Reinigung des Äußeren von Schmutz und Ausscheidungen, die zweite besteht darin, seine Glieder von frevelhaftem und sündhaftem Tun fernzuhalten, die dritte Stufe ist das Freiwerden des Herzens von Unsittlichkeit, die vierte Stufe ist das Freiwerden des Herzens von allem anderen außer Gott, dem Erhabenen. Diese vierte Stufe ist die Reinigung nach Art der Propheten und der wahrhaft Frommen. Die Reinigung macht in jedem Falle den halben Wert dessen [z.B. ein Pflichtgebet] aus, was man nach ihr verrichtet.“ [Al-Ghazzali 1933, 1:94] Diese von Ghazzālī aufgezählten Stufen beschreiben eigentlich den idealen seelischen Reifeprozess eines Muslims. Reinheit und Sauberkeit im physischen Sinne stellen hier vielmehr ein Spiegelbild des Seelischen dar, auch wenn beide nicht gleichzustellen sind. Beide sind für ein vorbildhaftes muslimisches Leben erforderlich, aber voneinander nicht absolut abhängig. Sich distanzieren von religiös-moralischen verwerflichen Handlungen fängt erst in der physischen Welt an und ist als seelische Vorbereitungsphase zu betrachten. Leib und Seele bilden in der islamischen Anthropologie die Gesamtheit des Menschen. Nach diesem monotheistischen und auch holistischen Menschenbild ist es nicht überraschend, wenn religiöser Heilauftrag und hygienische Bestimmungen im selben Koranvers vorkommen [Opitz 1904; Nabavi 1967; Rahman 1989]. „Der du dich zugedeckt hast, steh auf und warne, und preise die Größe deines Herrn, und reinige deine Kleider, und entferne dich von der Unreinheit.“ [Sure 74/1-5] Weitere koranische Angaben und die Praxis des Propheten Muhammed sorgen dafür, dass hygienische Maßnahmen ein untrennbarer Teil der muslimischen Glaubenspraxis werden. Die Verrichtung eines Pflichtgebets, welches als Entfaltung der muslimischen Identität verstanden wird, setzt bestimmte rituelle Waschungen voraus. In der ersten Hauptquelle des Islam lesen wir dazu: „O ihr, die ihr glaubt, wenn ihr euch zum Gebet hinstellt, so wascht (vorher) euer Gesicht und eure Hände bis zu den Ellbogen und streicht euch über den Kopf, und (wascht) eure Füße bis zu den Knöcheln. Und wenn ihr sexuell verunreinigt seid, dann reinigt euch. (...) Gott will euch keine Bedrängnis auferlegen, sondern Er will euch rein machen und seine Gnade an euch vollenden, auf dass ihr dankbar seid.“ [Sure 5/6] Basierend auf klassischen Quellen unterscheidet man bis heute im Alltag eines Muslims zwei Arten von Waschungen mit rituellem Charakter: Die Ganz- und die 9 Teilkörperwaschung. Die Ganzkörperwaschung (arab. Ghusl) umfasst die Reinigung des gesamten Körpers durch ein Vollbad. Sie wird nach der Menstruation, dem Wochenbett, dem Geschlechtsverkehr, dem Samenerguss im Schlaf oder oft vor dem Freitagsgebet und je nach Bedarf durchgeführt. Bei der rituellen Teilkörperwaschung (arab. Wudu), die vor einem Pflichtgebet stattfindet, werden Hände, Mund- und Nasenhöhlen, Gesicht, Arme bis über die Ellenbogen sowie Füße bis über die Knöchel unter fließendem Wasser gewaschen. Vor einem Pflichtgebet wird sie nach Stuhlgang, nach dem Wasser lassen, bei Blähungen oder nach Austritt jeglicher Substanzen aus dem Körper, wie Blut oder Eiter, wiederholt. Diese Regelungen werden in Details in den verschiedenen Rechtsschulen unterschiedlich geregelt. In der Gegenwart gibt es Ansichten, die diese mit religiösen Gebeten verbundenen Waschungen allein aus hygienischen Gesichtspunkten verstehen wollen. So der persische Arzt Abolghassem Foruzan in seiner medizinischen Dissertation im Jahr 1965: „Aber die vorgeschriebenen Waschungen haben im Islam keinen symbolhaften oder irgendwie zwielichtigen Sinn mehr. Sie sind rein hygienisch zu werten: Sauberkeit gehört zur Körperpflege, deshalb ist sauberes Auftreten selbstverständliches Gebot des Anstandes schon gegenüber den Mitmenschen – wie viel mehr gegenüber Gott! Hierauf beruht das Gebot, sich vor dem Gebet zu waschen.“ [Forouzan 1965: 40] Foruzan erkennt zwar das Alte Testament als Quelle für die Reinigungsvorschriften des Islam an, vertritt aber die Ansicht, dass die im Judentum stark vertretene mystische Einheit der Begriffe „rein“ und „heilig“ im Islam aufgehoben sei. Trotz klar nachweisbarer Verwandtschaft der islamischen Reinigungsvorschriften mit dem Alten Testament sind substantielle Unterschiede und Weiterentwicklungen festzustellen. „Hier handelt es sich also nicht nur um eine Verbesserung, sondern um eine umwälzende Neuerung gegenüber den Vorschriften des Alten Testaments. Denn die Erkenntnis, dass die neuen Mittel tatsächlich eine reinigende – modern gesprochen bakterizide – Wirkung besitzen, konnte sich nur auf scharfsinnige und gut durchdachte Beobachtungen und Erkenntnisse stützen, die gestatteten, auf das Wesentliche, d.h. also auf die in diesem Zusammenhang bedeutungsvolle Seite ihres Wesens, vorzustoßen und unnötige Komplizierungen zu vermeiden.“ [Forouzan 1965: 41] Wie Foruzans Position gibt es in der gegenwärtigen Diskussion zahlreiche Ansätze, die hygienische aber auch andere Vorschriften der islamischen Hauptquellen ausdrücklich aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive sehen und verstehen wollen. Ob in der Entstehung dieser Positionen eine apologetische Gesinnung eine Rolle spielen könnte, bleibt dahingestellt. Die Recherche der klassischen Quellen und der für Laien geschriebenen Literatur (z.B. Ilmihal-Bücher) zeigt jedenfalls, dass die religiöse und gesundheitliche 10 Dimension nicht klar voneinander zu trennen sind. Nach der holistischen Struktur des islamischen Glaubens sind sie eher als sich gegenseitig einschließende, aber nicht ausschließende Komponente zu verstehen. Ilmihal (Wissenschaft des alltäglichen Zustands) ist eine seit dem 16. Jahrhundert vor allem im türkisch-islamischen Kulturraum weit verbreitete spezifische Literaturgattung, die einen muslimischen Laien mit einer einfachen Sprache über die islamischen Glaubensprinzipien und –praxis informiert. Im Rahmen unseres Forschungsprojektes 3 wurden zehn Ilmihal-Bücher nach ihren Informationen über Gesundheitsförderung untersucht, und es konnte dabei festgestellt werden, dass alle Bücher ein spezielles Kapitel oder einen Abschnitt für Hygiene behandeln. Offensichtlicher Grund dafür sind die schon erwähnten hygienischen Maßnahmen in der muslimischen Glaubenspraxis. Interessanterweise werden in einigen dieser Bücher Waschungen mit dem Wasser mit der metaphorischen Reinigung der Organe in Verbindung gebracht, so dass die Grenzen zwischen hygienischer Reinigung und religiösspiritueller Reinheit fließend werden [Canan 1991, Bd. 10:403-445]. Diese und andere zahlreichen Reinigungsvorschriften als ein Teil des muslimischen Lebensstils haben auch schon sehr früh das architektonische Gesicht der muslimischen Städte verändert. Ein kleines Badezimmer oder ein Duschraum gehörte zu jedem Haus. Schon seit Umaiyyaden (7.-8. Jh.) sind die öffentlichen Badehäuser ein Bestandteil des muslimischen Stadtbildes geworden. Oft wurden sie in unmittelbarer Nähe von großen Moscheen, wo das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens stattfindet, gebaut. Der legendere Architekt Mimar Sinan (1490-1588) baute etwa 40 Hamams (türkische Bäder) im osmanischen Reich, von denen einige bis heute existieren und noch so benutzt werden, wie es der damalige Bauzweck vorsah. Der berühmte Reisende Evliya Çelebi (1611-1684?) berichtet in seinem mehrbändigen Hauptwerk Seyahatname (Reiseberichte) von 14.838 öffentlichen und privaten Hamams in Istanbul im 17. Jahrhundert. Der Hamam wird nicht nur für die körperliche Reinigung benutzt, sondern dient auch zur gesundheitlichen Vor- und Fürsorge. Die feuchte Wärme hat einen angenehmen, beruhigenden Effekt, lockert verkrampfte Muskeln, hilft bei rheumatischen Beschwerden und regt das Immunsystem an. Die Hamams bieten sich auch heute für geistig-seelische Erholung, aber auch als soziale Treffpunkte an, wo freundschaftliche Beziehungen gepflegt werden und traditionelle Feiern stattfinden [Klinghard 1927; Grotzfeld 1970, Sourdel-Thomine and Louis 1971, Schultz 1986]. Zusätzlich zu diesen hygienischen Bestimmungen, die wir oft in einer kombinierten Form mit einem Gebet oder religiösen Dimension finden, gibt es in der sog. 3 DFG-Projekt „Kulturübergeifende Bioethik“ [DFG: Sa402/4-1] 11 Prophetenmedizin (Ôibb an-nabÍ oder aÔ-Ôibb an-nabawÍ), aber auch in der medizinischen Literatur zahlreiche hygienische Bestimmungen und Empfehlungen. Im folgenden Hadith werden beispielsweise einige hygienische Maßnahmen zur Natur des Menschen gehörend erklärt. “Die menschliche Natur erfordert fünferlei: Die (männliche) Beschneidung, das Rasieren der Schamhaare, das Stutzen des Schnurrbarts, das Schneiden der Nägel und das Entfernen der Haare unter den Achselhöhlen.” [Æa½Í½ al-Bu¿āryy 1996:569 Nr. 5891] Einen unverkennbaren Wert erlangt in diesen Hadithen die Mundhygiene, so dass der Prophet sie beinahe als eine religiöse Vorschrift erklärte. „Wäre es keine Härte für meine Umma [Muslime] gewesen, hätte ich ihnen zur [religiösen] Pflicht gemacht, dass sie den Siwak 4 vor jedem Gebet zu benutzen.“ [Æa½Í½ al-Bu¿āryy 1996:153-154, Nr. 0887] Ein anderer Hadith beinhaltet Empfehlungen für das richtige Gesundheitsverhalten in einem Epidemiefall: „Wenn ihr hört, dass die Pest in einem Land ausgebrochen ist, dann geht nicht in dieses Land. Und bricht sie in einem Land aus, wo ihr euch aufhaltet, dann bleibt da!“ [Æa½Í½ al-Bu¿ÁrÍ 1991:399] Es gibt auch weitere Hadithen, die mehr eine ästhetische als gesundheitliche Dimension haben. So hat der Prophet Muhammed ausdrücklich davon abgeraten, nach dem Knoblauch- und Zwiebelgenuss in die Moschee zu gehen [Æa½Í½ alBu¿āryy 1996:147, Nr. 0853]. Im Koran, in den Hadithwerken und in der medizinischen Literatur werden auch Sexualhygiene betreffende Maßnahmen nicht außer Acht gelassen. So ist Beischlaf während der Menstruation der Frau, Analverkehr oder Geschlechtsverkehr mit den Tieren untersagt [Æa½Í½ al-Bu¿āryy 1996:421]. Weitere hygienische Empfehlungen sind in den zahlreichen medizinischen Werken vorhanden. Ibn Sinās (latinisiert Avicenna, gest. 1037) Abhandlung K. Daf‘ al-ma±ārr alkullīya ‘ani l-abdān al-insānīya (die Abwehr der allgemeinen Schädigungen vom menschlichen Körper), die Schrift K. ¼ifã al-badan (Bewahrung des Körpers [bzw. der Gesundheit]) von Fa¿r ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1209), Ibn al-MuÔrān’s (gest. 1191) bedeutenstes Werk K. Bustān al-aÔibbā’ wa rau±at al-alibbā’ (Der Garten der Ärzte und die Aue der Klugen), das medizinische Hauptwerk Kitāb al-Kullīyāt von Ibn RuÊd (latinisiert Averroes, gest. 1198) sind nur einige Titel [vgl. Ullmann 1970: 190-198]. Unter den hygienischen Bestimmungen ist sicherlich auch die männliche Beschneidung (arab. ¾itān) als eines der wichtigsten religiösen Rituale für einen muslimischen Jungen in seiner Kindheit, aufzuzählen. Obwohl die auf den Propheten Abraham zurückgeführte Beschneidung im Koran explizit nicht genannt wird, gibt es 4 Siwāk bzw. Miswāk ist ein weichfasriges Ästlein aus gleichnamigem Baum. Der Prophet Muhammed benutzte es wegen seinem wohlriehenden Duft, zum Zähneputzen. Bis heute ist diese Empfehlung unter Muslimen in Gebrauch. 12 zahlreiche Prophetenaussprüche, die darauf hinweisen. Beschneidung bedeutet die Entfernung der Vorhaut (Präputium) des männlichen Glieds, so dass die Eichel des Penis völlig entblößt ist. Über den angemessenen Zeitpunkt für die Beschneidung des Knaben gibt es in den Rechtschulen unterschiedliche Meinungen. Sie kann vom siebten Tag nach der Geburt bis zur Volljährigkeit stattfinden. Sowohl für den Beschneidungstermin als auch die Art und Weise der Feierlichkeiten vor und nach der Beschneidung sind ebenso geographische, soziokulturelle und finanzielle Bedingungen entscheidend. Im Gegensatz zur männlichen leicht verheilenden, nicht weiter beeinträchtigenden Beschneidung, ist die Mädchenbeschneidung (bekannt auch als „Female Genital Mutilation“ (FGM): weibliche Genitalverstümmelung) ein erheblicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und mit Schmerzen und nachhaltigen körperlichen sowie seelischen Beschwerden verbunden. Wird sie unter mangelhaften hygienischen Bedingungen durchgeführt, kann sie Verblutungen und gefährliche Infektionen verursachen, die bis zum Tode führen. Die Mädchenbeschneidung wird in der islamischen Welt als eine eher geographisch und traditionell bedingte Sitte ohne jegliche religiöse Verbindlichkeit gesehen und abgelehnt [Vgl. Rahman 1987: 120–121; Canan 1991, Bd. 7: 532; Anees 1989: 57–60 und Krawietz 1999: 13-18]. Die Mädchenbeschneidung ist den Türken beispielsweise unbekannt, sie wird jedoch in Ost- und Westafrika und bei Angehörigen der Süd-Sahara-Völker sowohl von Muslimen und als auch von Christen praktiziert. III. DIÄTETIK Ähnlich wie hygienische Maßnahmen finden wir auch zahlreiche diätetische Regelungen in den Hauptquellen des islamischen Glaubens. Die Existenz der vielfältigen Pflanzen und Tieren auf der Welt resultiert aus der Barmherzigkeit Gottes und sie stehen mit ihrem Nahrungswert sowie ihrer Heilungskraft für die Menschen zur Verfügung. Der Mensch soll mit diesen Mitgeschöpfen einen verantwortlichen Umgang pflegen und gegenüber Gott eine dankbare Haltung einnehmen. „Und er ist es, der Gärten mit Spalieren und ohne Spaliere entstehen lässt, sowie die Palmen und das Getreide verschiedener Erntesorten, und die Ölund Granatapfelbäume, die einander ähnlich und unähnlich sind. Esst von ihren Früchten, wenn sie Früchte tragen und entrichtet am Tag ihrer Ernte, was als Rechtpflicht darauf steht, aber seid nicht maßlos – Er liebt ja die Maßlosen nicht.“ [Sure 6/141 und Sure 2/172 sowie Sure 5/88] In anderem Vers lesen wir: „Einen Grund zum Nachdenken habt ihr in den Herdentieren. Wir geben euch von dem, was in ihrem Leib zwischen Kot und Blut ist, zu trinken, reine Milch, bekömmlich für die, die (sie) trinken.“ [Sure 16/66] 13 Der Koran macht auch auf den gesundheitsfördernden Charakter einiger Naturprodukte im göttlichen Schöpfungssystem aufmerksam. „Und dein Herr hat der Biene eingegeben: ‚Nimm die Häuser in den Bergen, in den Bäumen und in den Spalieren. Dann iss von allen Früchten, wandle auf den Wegen deines Herrn, die (dir) leicht gemacht sind.’ Aus ihren Leibern kommt ein Trank [Honig] von verschiedenen Arten, in dem Heilung für die Menschen ist. Darin ist ein Zeichen für Leute, die nachdenken.“[Sure 16/68-69] Im Ausdruck ‚dein Herr hat der Biene eingegeben’ findet sich das arabische Wort wa½y, [Izutsu 1964: 156] was auch der Terminus für die prophetische Offenbarung ist. In seiner Auslegung dieser Stelle weist der türkishce Korankommentator Yazır (gest. 1942) darauf hin, dass es sich nur um eine Inspiration handele, die Gott der Biene als spezifische Naturanlage (fıtrat-ı mahsusa) eingegeben hat [Yazır 1971: 3108]. Die Biene hat weder eine Entscheidungskraft beim Produzieren des Honigs, noch ist ihr dessen Heilwirkung bewusst. Der weitere Sinngehalt dieser Verse ist, dass Gott dem Menschen innerhalb natürlicher Grenzen Heilung in Form von Heilmitteln, in diesem Fall Honig, zukommen lässt; diese (Natur-)Gesetzlichkeit bezeichnet man als „Gewohnheit Gottes“ (sunnat AllÁh). Derselbe Begriff für die medizinische Heilung kommt auch in einem anderen Kontext, nämlich bei der Beschreibung der koranischen Heilfunktion für die Muslime vor. „Sprich: Er (der Koran) ist denjenigen, die glauben, eine Rechtleitung und eine Heilung.“ [Sure 41/44] Eine andere Gruppe von Versen beinhalten Speiseregelungen bzw. Abstinenzgebote von bestimmten Nahrungen wie Schweinefleisch- und Alkoholverbot. „Sie fragen dich nach dem Wein und dem Glücksspiel. Sprich: In ihnen liegt eine große Sünde und auch vielfacher Nutzen für die Menschen. Aber die Sünde in ihnen ist größer als der Nutzen.“ [Sure 2/219 und Sure 5/90] Nicht nur die Art des Tieres sondern auch die Erlangungsart des Fleisches zu Nahrungszwecken ist für einen Muslim wichtig. „Verboten ist euch Verendetes, Blut, Schweinefleisch und das, worüber ein anderer als Gott angerufen worden ist, und Ersticktes, Erschlagenes, Gestürztes, Gestoßenes und das, was ein wildes Tier angefressen hat – ausgenommen das, was ihr schächtet –, und das, was auf Opfersteinen geschlachtet worden ist.“ [Sure 5/3] Basierend auf diese und andere Verse und Prophetenaussprüche ist im Laufe der Zeit ein Katalog zu den Tieren, welche zum Verzehr erlaubt bzw. nicht erlaubt sind, entstanden. Danach sind vierbeinige wiederkäuende Tiere wie Rinder, Schafe, Ziegen, Kamele und Rehe erlaubt. Meerestiere gelten im Allgemeinen erlaubt, auch wenn es unter den Rechtsschulen einige Unterschiede gibt. Nicht erlaubt sind die Tiere, die Krallen und Reißzähne haben wie Wölfe, Katzen, Hunde, Bären, Tiger, Geier, und auch ekelerregende Tiere wie Ratten, Läuse und Schnecken. Die Einschränkung von Fleischverzehr von 14 bestimmten Tieren gelten jedoch nicht in Ausnahmefällen, wo z.B. Tod wegen Hunger droht. „Wenn aber einer aus Hunger gezwungen wird, ohne zu einer Sünde hinzuneigen, so ist Gott voller Vergebung und barmherzig [Sure 5/3]. Bezüglich der Speisevorschriften sind mit der vorislamischen arabischen Kultur und der jüdischen Tradition zahlreiche Ähnlichkeiten und Unterschiede sowie Modifikationen festzustellen. Alkohol und Schweinefleisch gehörte selbstverständlich zur arabischen Küche in der vorislamischen Zeit. Der Opferkult im Tempel von Mekka war damals bei den heidnischen Arabern eine gängige Praxis, wo für die Götter geopferte Tiere nicht verzehrt werden durften. Der Koran beinhaltet zwar das Tieropfer als Dankopfer, distanziert sich jedoch von Zweck und Durchführungsform dieser Praxis. Ein Tier darf nicht im Namen eines Götzen oder einer anderen Person geschlachtet werden [Vgl. Ilkilic 2003A u. 2003B]. Auch das Fleisch des Opfertieres bleibt nicht unverzehrt im Tempel, sondern kommt dem Menschen für Nahrungszwecke zugute. Diese und weitere diätetische Regelungen haben vielleicht mit dem christlichen Glauben wenig, aber mit dem jüdischen einiges gemeinsam. Hierfür ist das Schweinefleischverbot ein markantes Beispiel. Trotz mehrerer Ähnlichkeiten ist es jedoch unangemessen, die Diätetik sowie die zentralen Begriffe wie „rein“ und „unrein“ der beiden Religionskulturen zu identifizieren. Im Laufe der Zeit ist in der islamischen Tradition mit den koranischen Maximen und der Praxis des Propheten ein Verhaltenskodex beim Essen entstanden, welcher bis heute von den praktizierenden Muslimen realisiert wird [Rasul 2000]. Zu den Grundzügen dieser Esskultur gehört, dass man mit dem Essen, erst nachdem man sich die Hände gewaschen hat und den Namen Gottes über dem Essen (Bismillah: Im Namen Gottes) ausgesagt hat, beginnt. Man isst mit der rechten Hand und beendet das Essen mit den Worten „Elhamdülillah“ (Jeder Dank gebührt Gott). Nach dem Essen werden die Hände und der Mund gewaschen. Gemeinsame Mahlzeiten mit den Freunden, Bekannten und Armen, maßvolles Essen sowie mit dem Essen aufzuhören, bevor man richtig satt ist, gehören ebenso zur Esskultur der prophetischen Tradition [Æa½Í½ al-Bu¿ārī 1991: 377-389]. Neben diesen Speisevorschriften und dem Verhaltenskodex beim Essen und Trinken erlangt Diätetik als gesunde Ernährung und Lebensführung einen äußerst wichtigen Platz in der Medizin der islamischen Tradition. Sicherlich beruht ihre Wichtigkeit auf der Humoralphysiologie und –pathologie, die als Grundlage der damaligen Medizin galten. Nach der Humorallehre wird die aufgenommene Nahrung in vier Körpersäfte umgewandelt und umgebaut. Da die Gesundheit – wie bereits erwähnt – von einer optimalen und ausgewogenen Mischung dieser Körpersäfte abhängig ist, ist die Erhaltung und Wiedererlangung der 15 Gesundheit nur durch eine angemessene Ernährung möglich. Die Pflanzen, Tierprodukte und das Tierfleisch haben ihre eigenen Qualitäten wie warm, kalt, feucht und deswegen sollen diese bei der Ernährung berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen sind bei der Ernährung auch Temperamente der gesunden und kranken Menschen (Sanguiniker, Phlegmatiker, Melankoliker und Choleriker), klimatische und geographische Bedingungen des Wohnortes, der Jahreszeiten sowie der Eigenschaften einer Krankheit. Ein exemplarisches Beispiel für diese Aspekte stellt das Werk „Über die Vorbeugung der körperlichen Krankheiten in Ägypten“ von ‘Alī ibn Ri±wān (998-1068) dar. Er nennt in seinem Werk all diese genannten Aspekte und beschreibt Gesundheitsmaßnahmen in bezug auf den spezifischen geographischen Ort Ägyptens. Am Anfang seines Buches schreibt er, dass er dieses Buch sowohl für die einheimischen Professionellen als auch Laien, aber auch für die Menschen die aus dem Ausland nach Ägypten gekommen sind, geschrieben hat. Er möchte mit seinem Werk den Menschen grundsätzliche Informationen über die Erhaltung und Wiedererlangung der Gesundheit liefern [‘Alī ibn Ri±wān 1984]. Aufgrund dieser Medizintheorie war die Diätetik nicht nur für Gesundheitsvorsorge, sondern auch für Gesundheitsfürsorge wichtig. Die Behandlung bestimmter Krankheiten folgte dann nach den Qualitäten der Nahrungen mit dem Ziel, Ausgleich und Harmonisierung der Körpersäfte zu schaffen. Die Diätetik wird somit mit Arzneien und chirurgischen Eingriffen ein Bestandteil der medizinische Behandlung. Sie bekommt sogar den Vorrang unter den Therapiemethoden. So spricht Æā‘id ibn al-¼asan von einer gewissen Hierarchie in der Therapie, die in der Medizingeschichte auch bei vielen anderen Autoritäten wieder zu finden ist: „Wenn er [der Arzt] mit Nahrungsmitteln heilen kann, so muss er Drogen meiden, und wenn er mit Drogen heilen kann, muss er das Operationsmesser meiden, es sei denn, dass es unbedingt notwendig ist.“[Æā‘id ibn al-¼asan 1968B:103] Eine Behandlungsstrategie, die auch in der heutigen Medizin Anerkennung verdient. Wegen dieser zentralen Bedeutung der Diätetik ist es nicht verwunderlich, dass ein Teil der medizinischen Bücher aus diätetischen Maßnahmen besteht. Uns ist eine umfangreiche Liste von Medizinwerken mit diesem Themenbereich bekannt. Abū Zakarīyā’ Yū½annā Ibn Māsawaih’s (gest. 857) K. Daf‘ ma±ārr al-a™ªiya (Die Abwehr der Schäden, die aus der Nahrungsmittel entstehen); K. al- a™ªiya (Buch der Nahrungsmittel) von ¼unain Ibn Is½āq (gest. 873), K. Quwā l-a™ªiya (Die Kräfte der Nahrungsmittel) des ‘Ìsā ibn Māssa al-BaÈri, K. Daf‘ma±ārr al-a™ªiya Die (Abwehr der Schäden, die aus der Nahrungsmittel entstehen) von Zakarīyā’ ar-Rāzī (gest. 925), das vielleicht umfangreichste Diätetikwerk K. 16 al- a™ªiya (Buch der Nahrungsmittel) von Ishāq ibn Sulaimān al-Isrā’īlī (gest. 932) sind nur einige Musterbeispiele [Ullmann 1970: 199-203]. Bemerkenswert ist es, dass die Diätetik innerhalb der anderen medizinischen Bereiche aus der Laienperspektive eine besondere Bedeutung hat. Innere Medizin, Anatomie, Chirurgie, Ophthalmologie, Orthopädie sind professionelle Fächer, deren Erlernen mit dem Studium der klassischen philosophisch-medizinischen Werke und dem Praktizieren bei einem guten Lehrer verbunden sind. Da „die [medizinische] Kunst lang und das Leben kurz ist“ – um mit Hippokrates zu formulieren – und diese Kunst bestimmte menschliche Charaktereigenschaften erfordert, ist sie eine Sache der Profession und nicht für jedermann geeignet. Diätetik dagegen als gesunde Ernährung und Lebensführung betrifft jeden, weil kein Mensch Essen und Trinken entbehren kann. Nicht zuletzt deswegen wurden in den klassischen Diätetikschriften vom Verfasser Laienaspekte berücksichtigt. Eine der berühmtesten Werke dieser Literaturgattung ist sicherlich das arabische Werk „Taqwīm alsihha“ (Tabellarische Übersicht der Gesundheit) von Ibn Butlan (gest. 1066). Im europäischen Mittelalter gehörte dieses Werk mit dem Titel „Tacuinum sanitatis“ zu den vielgelesenen und hochgeschätzten Texten. Eine neue Blüte erlebte dieses Werk im 16. Jahrhundert als es von Michael Herr, einem Arzt und Schriftsteller, ins Deutsche übersetzt wurde. Nicht nur Nahrungsmittel und Speisen, sondern auch Wohnen, Jahreszeiten, Wetter, Sport, Musik, Beischlaf, Schlafwandel werden in diesem Werk thematisiert [Zotter 1988; vgl. Anhang]. IV. DIE PROPHETISCHE MEDIZIN (Óibb an-Nabī) Die prophetische Medizin (Ôibb an-nabÍ oder aÔ-Ôibb an-nabawÍ) umfasst die Empfehlungen und Praktiken des Propheten Muhammad zur Bedeutung der Gesundheit und Krankheit, Vorbeugungsmaßnahmen gegen Krankheiten und Hygienemaßnahmen sowie Heilung bestimmter Leiden. Einige Hadithe beinhalten Ratschläge für ein gesundes Leben, wie mäßiges Essen, Trinken, Schlafen, Sexualleben etc. Andere thematisieren hygienische Maßnahmen wie Waschen der Hände und Nahrungsmittel vor dem Essen, Sauberkeit der Kleidung, Zahnpflege und die Beschneidung der Knaben. Die Heilwirkung von Antimon, Datteln, Henna, Honig, Knoblauch, Kürbis, Milch, Olivenöl für bestimmte Krankheiten sind Gegenstand weitere Prophetenaussprüche [Rasslan 1934:35-39; Al-Ğauzīya 1994:205-293 u.a.]. Diese Hadithe über die Medizin und die Kranken erschienen zuerst in den bereits genannten Hadithsammlungen als einzelne Kapitel. Später wurden separate Bücher über die 17 Prophetenmedizin erstellt, 5 die mehr Hadithe enthalten als in diesen einzelnen Kapiteln. Das älteste uns bekannte Óibb an-NabÍ-Werk stammt von þAlÍ ar-Ri±Á (gest. 818) und wurde in der Art eines Berichts an den abbasidischen Kalifen al-MaÿmÚn (reg. 813-833) verfasst, der wegen seines großen Interesses an Medizin, Naturwissenschaften und Philosophie viele Werke aus anderen Sprachen ins Arabische übertragen ließ. Da mehrere Überlieferungen bereits oben in entsprechenden Abschnitten genannt sind, wird hier nur die theologische, aktuelle und praktische Bedeutung dieser Hadithen für eine gesunde Lebensführung eines Muslims diskutiert werden. Die Entscheidungen, Empfehlungen und Unterlassungen des Propheten Muhammed sind nach dem Koran die zweite wichtigste Normquelle für einen Muslim und haben für seine Handlungen einen bindenden Charakter. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie weit diese Verbindlichkeit reicht. Gelten die Entscheidungen des Propheten nur bei Glaubensfragen und Grundpflichten, wie z.B. dem Fasten, dem täglichen Gebet, der Pilgerfahrt nach Mekka, der Armensteuer etc. oder können sie auch in anderen Bereichen des Alltags, wie der Therapiewahl bei bestimmten Krankheiten, maßgeblich sein? Wenden wir diese Fragestellung speziell auf die Therapieentscheidung an, so kann folgende Frage formuliert werden: Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es für einen Muslim, wenn für eine Erkrankung in der säkularen Medizin und in der prophetischen Medizin jeweils unterschiedliche Therapiearten existieren? Diese Frage wurde in der islamischen Geistesgeschichte erörtert, wenn auch meist in anderem Zusammenhang. Zu dieser Debatte können hauptsächlich zwei Grundpositionen aufgeführt werden: Die erste plädiert bis zu einem bestimmten Grad für die Verbindlichkeit dieser Hadithe und schreibt ihnen intrinsischen Wert zu. Das Hauptargument dieser Position basiert auf den Koranversen, welche die Entscheidungen und Empfehlungen des Propheten als verbindliche Handlungsnormen für die Muslime deklarieren [Sure 4/80, Sure 4/13, Sure 4/14 u. a.]. „Und er (Muhammad) spricht nicht aus (persönlicher) Neigung. Es ist nichts anderes als eine inspirierte Offenbarung.“[Sure 53/3-4] Diese und ähnliche Verse betonen die Wahrhaftigkeit des Propheten Muhammad und schreiben seiner Rede eine Beziehung zu Gott zu. Da der Prophet in seiner Rede nicht lügen kann und nicht ohne göttliche Inspiration ist, haben auch seine Aussagen über die Medizin unbedingte Geltung. Auch innerhalb dieser Position existieren unterschiedliche Ansichten. Angefangen von der Ansicht darüber, dass es Aufgabe der modernen Naturwissenschaften sei, den wissenschaftlichen Wert der Hadithe zu untersuchen und zu belegen, um sie in den Dienst der Menschheit zu stellen, bis hin zu der 5 Eine umfangreiche Liste über die gedruckten erhaltenen und nicht erhaltenen Óibb an-NabawÍ-Bücher befindet sich unter anderem in folgenden Werken: Canan 1991, Bd. 11: 249-250; Elgood 1962: 40 ff.; Karabulut 1994: S. 10; Ullmann 1970:185-189; Recep 1969:4-13. 18 Ansicht derer, die das Praktizieren der Hadithe in den Rang einer gottesdienstlichen Handlung stellen. Ibn Qayyim al-¹auzÍya (gest. 1350) gilt als einer der klassischen Vertreter dieser Position. Am Anfang seines Werkes aÔ-Óibb an-NabawÍ erwähnt er seine Absicht, die sogar berühmten Ärzten verborgene Weisheit der prophetischen Medizin zu ermitteln [AlĞauzīya 1994: 5]. Er klassifiziert die Krankheiten, nennt die Grundprinzipien der Medizin und die prophetische Methodik bei der Krankheitstherapie. Beachtenswert ist, dass er die Therapiemethoden der Hadithe mit dem damals gültigen Wissensstand der Medizin interpretiert. Bei seinen Auslegungen zitiert er Galen, Rhazes und Avicenna. Überdies legt er großen Wert auf den ärztlichen Ratschlag, auf den Arztbesuch sowie die Wahl eines erfahrenen Arztes im Krankheitsfall [Al-Ğauzīya 1994: 96]. Die Argumentation der anderen Position, die den verbindlichen Charakter der prophetischen Medizin bezweifelt, beinhaltet zwei Begründungsebenen. Zunächst erstreckt sich der Zweck des Prophetentums nicht auf die Vermittlung fachspezifischer Kenntnisse. Vielmehr liegt die Aufgabe darin, den Menschen die Gottesbotschaft zu verkünden und aus dieser Botschaft ableitbare Glaubensprinzipien und deren praktische Implikationen aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang äußerte sich der berühmte Historiker und Philosoph Ibn KhaldÚn (gest. 1406) in seinem geschichtsphilosophischen Hauptwerk Muqaddima folgendermaßen: „Muhammad was sent to teach us the religious law. He was not sent to teach us medicine or any other ordinary matter.“[Ibn Khaldûn 1967: 150] Um diese Position zu stärken, wurde in der Argumentation oft ein Hadith angeführt, in dem der Prophet den Medinensern von der traditionell durchgeführten Art der Dattelbestäubung abriet. Als daraufhin kaum Früchte geerntet werden konnten, nahm der Prophet seinen Rat mit folgenden Worten zurück: „Ich bin nur ein Mensch; wenn ich euch in religiösen Angelegenheiten etwas auftrage, so haltet euch daran, wenn ich jedoch nur meine Ansicht [in weltlichen Dingen?] äußere, so bin ich nur ein Mensch [der irren kann].“ [Muslim o.J., Kitāb al-Fa±ā’il, Nr. 2362] Der Islam führte in vielen Bereichen des damaligen gesellschaftlichen Lebens, sei es auf der Glaubens-, sei es auf der Handlungsebene, grundlegende Veränderungen herbei. Deshalb waren die Muslime sowohl in religiösen als auch in praktischen Sachverhalten des Lebens motiviert, den Rat des Propheten Muhammad zu erfragen und seinen Empfehlungen zu folgen. In obigem Hadith hatte jedoch sein Rat bezüglich einer ihm neuen Angelegenheit (er selber entstammte der mekkanischen Kaufmannsgesellschaft und besaß nicht die fachspezifischen Kenntnisse des Okulierens) einen Schaden hervorgerufen. Deswegen betonte er nach der Missernte, dass seine Empfehlungen in Bereichen, wo experimentelle Erfahrung 19 oder wissenschaftliche Kenntnisse eine Voraussetzung seien, keinen verbindlichen Charakter hätten und dass er sich als Mensch durchaus irren könne. Das „Dattel-Hadith“ und ähnliche Hadithe haben in den Debatten moderner HadithKommentare eine wichtige Bedeutung. Der zeitgenössische Hadithwissenschaftler Canan plädiert im Kommentar zu diesem Hadith für eine inhaltliche Klassifikation der Hadithe, die deren Verbindlichkeit für den Muslim differenziert, z.B. je nachdem, ob sie religiöse oder rein weltliche Aussagen treffen [Canan 1991, Bd. 11]. Dabei macht jedoch Kırbaşoğlu darauf aufmerksam, dass die Fehler des Propheten auf rein säkulare Lebensbereiche begrenzt sind. Eine auf solche Irrtümer gestützte Folgerung, dem Propheten auch beim Verkünden der grundlegenden Prinzipien des Islam Fehler zuzuschreiben, ist hingegen mit den Grundprinzipien des Islam nicht vereinbar [Kırbaşoğlu, 1993:304]. Die zweite Ebene dieser Position konzentriert sich auf die die damalige Volksmedizin betreffenden Hadithe. Die Mehrheit der Hadithe, die bestimmte Therapien empfehlen, stimmen mit den Rezepten der damaligen Volksmedizin überein [Ibn Khaldun 1967:150]. Deswegen sollen diese Hadithe als Weitergabe der damals vorhandenen und durch Erfahrung bewährten Heilmittel oder medizinischen Praktiken verstanden werden. Nicht auszuschließen ist, dass innerhalb der Freundschaft zwischen dem Propheten Muhammad und dem in Gundischapur 6 ausgebildeten Arzt HarÍÝ bin Kalada ein Wissensaustausch stattgefunden hat. Diese Diskussionen dauern auf unterschiedlichen Ebenen bis heute an. Die Bücher über die Prophetenmedizin genießen unter den muslimischen Laien ein hohes Ansehen, was mit Wichtigkeit des behandelten Themas, aber auch prophetischem Ursprung und nicht zuletzt finanziellen Vorteilen zusammenhängen könnte. Neben klassischen Werken werden heute vorwiegend von Theologen aber auch muslimischen Ärzte, Werke über Prophetenmedizin herausgegeben. Das zweibändige türkische Buch von Ali Karabulut, Theologe und Bibliothekar, gehört zu diesen Werken und genießt großes Interesse unter den Laien. In diesem Werk befindet sich eine umfangreiche Sammlung von Prophetenaussprüchen über die Medizin, die auch nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen kommentiert sind [Karabulut 1994]. Es gibt auch Internetseiten, die Gesundheitsinformationen an Laien bieten und zugleich Prophetenmedizin thematisieren [http://www.saglikvakfi.org.tr]. 6 In Gundischapur befand sich eine der damals berühmtesten Ärzteschulen. 20 V. AUSGEWOGENHEIT (i‘tidāl), MÄSSIGKEIT UND DIE SECHS NICHTNATÜRLICHEN DINGE (sex res non naturalis) Im Koran lesen wir, dass der Mensch nach einem bestimmten Maß geschaffen und mit besten göttlichen Weisungen versehen wurde. Er ist auch mit den notwendigen Körperorganen und seelischen Fähigkeiten erstattet. „Wir haben doch den Menschen nach [bestem und] schönstem Maß geschaffen.“ [Sure 95/4] Der in bester Form geschaffene Mensch soll alle seine Lebenseinheiten nach bestimmten Kriterien gestalten. „Seid nicht maßlos, Er [Gott] liebt ja die Maßlosen nicht.“ [Sure 6/141] Der mittlere Weg zwischen zwei Extremen zeichnet sich als Hauptmaß in allen Lebensbereichen eines Muslims, in der Versorgung eines Bedürftigen, aber auch im diätetischen Bereich. „Und die, die, wenn sie spenden, weder verschwenderisch noch zurückhaltend sind, sondern die Mitte dazwischen halten.“ [Sure 25/67] „Esst und trinkt, aber seid nicht maßlos. Er liebt ja die Maßlosen nicht.“ [Sure 7/31] Dass das Vermeiden von beiden Extremen auch zu den religiösen Grundpflichten zählt, zeigt die folgende Überlieferung eindrucksvoll. „Drei Männer begaben sich zu den Wohnungen der Frauen des Propheten, um sich nach den gottesdienstlichen Handlungen des Propheten zu erkundigen. Nachdem ihnen die entsprechende Auskunft erteilt worden war, hatten sie den Eindruck, dass seine Art des Gottesdienstes recht bescheiden sei, und sie sagten: „Was sind wir nur im Vergleich zum Propheten, dem alle seine vergangenen und zukünftigen Verfehlungen vergeben wurden!“ Eine von ihnen sagte. „Ich werde von jetzt an jede Nacht beten!“ Der zweite sagte: „Ich werde immer fasten, und das Fasten niemals brechen!“ Der dritte sagte: „Ich werde mich von den Frauen fernhalten und niemals heiraten!“ Da trat der Gesandte Gottes zu ihnen und sagte: „Habt ihr das gerade gesagt? Bei Gott, ich fürchte Gott mehr als ihr! Ich bin frommer als ihr! Und dennoch: Ich faste und breche das Fasten, ich bete und schlafe doch in der Nacht, und ich bin mit einigen Frauen verheiratet! Ich sagte euch: wer mein Tun nicht für rechtens hält, der gehört nicht zu meiner Gefolgschaft!“ [Æa½Í½ al-Bu¿ÁrÍ 1991:326] Ebenso in Sure 5 Vers 67: „O ihr, die ihr glaubt, erklärt nicht für verboten die köstlichen Dinge, die Gott euch erlaubt hat, und begeht keine Übertretungen. Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen.“ [Sure 5/67] Neben diesen islamischen Hauptquellen wird eine Lebensführung in Mitte und Maß in medizinischen Werken der islamischen Tradition als wichtigstes Prinzip deklariert. Sicherlich ist diese zentrale Bedeutung auf die bereits genannte medizinische Humoraltheorie zurückzuführen. Da ein gesunder Zustand von der Ausgewogenheit der Körpersäfte und diese wiederum von anderen Faktoren abhängen, so kann eine körperlich-seelische Harmonie mit 21 entsprechender Lebensführung hergestellt bzw. bewahrt werden. Dabei spielen sex res non naturales (sechs nichtnatürlichen Lebensbedingungen), Licht und Luft, Essen und Trinken, Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen, Absonderungen und Gemütsbewegungen eine zentrale Rolle. In zahlreichen medizinischen Büchern sind sie detailliert beschrieben, so dass sie hier nicht nochmal ausführlich behandelt werden sollen [Bürgel 1967; und vgl. klassische Texte im Anhang]. Es ist zu unterstreichen, dass die Maßnahmen in diesen Lebensbereichen nicht als optionale Angelegenheiten anzusehen sind. Sie sind ein Bestandteil der theoretischen und praktischen Medizin, und jeder, der wieder gesund werden will oder gesund bleiben will, soll auf sie achten. Diese wichtigen Erkenntnisse sind wiederum entweder durch Ärzte oder zugängliche Literatur zu erlangen. VI. VERMITTLUNG DER GESUNDHEITSINFORMATIONEN IM MODERNEN ZEITALTER In den behandelten klassischen Werken wird die Erhaltung der Gesundheit und die damit verbundenen Kenntnisse über die sechs nicht natürlichen Dinge als Bestandteil der Medizin und einer gesundheitliche Lebensführung betrachtet. Diese Gesundheitsinformationen finden wir in Medizinbüchern, die eher für Fachleute geschrieben sind, aber auch in der Volksliteratur wie „1001 Nacht“ oder in für Laien geschriebenen Werken über Prophetenmedizin [Vgl. Anhang]. In der Vergangenheit war eine weitere Vermittlungsart dieser Informationen sicherlich die mündliche Überlieferung innerhalb eines intensiven Gemeinschaftslebens, worüber wir jedoch wenig wissen. Diese Informations- und Erfahrungsvermittlungen haben allerdings nicht nur in geschlossenen Gesellschaften, sondern auch auf interkultureller bzw. interreligiöser Ebene z.B. während der Kreuzzüge stattgefunden. In der Gegenwart haben sich der wissenschaftliche Inhalt, aber auch Art und Weise dieser Vermittlungen verändert. Neue Studien zeigen, dass das Internet in den Industrieländern sehr häufig genutzt wird, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren [Sass 2004B, Schröder 2003 und www.Health-Literacy.org]. Eine ähnliche Nutzungsintensität ist zur Zeit in den muslimischen Ländern wegen der begrenzten Zugangsmöglichkeiten und der hohen Kosten nicht zu finden. 20 Millionen in den EU-Ländern lebende Muslime und der sich rapide verbreitende Zugriff auf das Internet in den muslimischen Ländern signalisieren jedoch, dass die Nutzungsfrequenz dieses Mediums in absehbarer Zeit sehr schnell steigen wird. 22 Es sind bereits in den muslimischen Ländern zahlreiche Internetseiten über Gesundheit und Krankheit vorhanden und sie werden auch in nicht zu unterschätzender Frequenz benutzt. Eine Recherche und Besichtigung dieser Gesundheitsinformationen für muslimische Laien auf türkischen, persischen, arabischen und englischen Internetseiten ergibt das folgende Bild: Diese Seiten sind von offiziellen Institutionen, Fachleuten, Selbsthilfegruppen oder Privatpersonen erstellt. Die von Behörden initiierten Websites sind oft bürokratisch strukturiert und leisten kaum einen Beitrag zur gesundheitlichen Aufklärung. Die Gesundheitsthemen sind auf den Seiten, die von Pharmakonzernen, privaten Krankenhäusern oder Arztpraxen finanziert oder herausgegeben werden, didaktisch und inhaltlich deutlich besser aufgearbeitet. Es ist jedoch wichtig zu wissen, ob diese Seiten mit dem Ziel, eine Serviceleistung zu erbringen oder Gewinnmaximierung zu erzielen, herausgegeben werden. Dieses aber aus dem Inhalt der Seite zu erkennen, würde einen Laien überfordern. Wirtschaftlicher Profit hat für die Websites der Selbsthilfegruppen sicherlich nicht oberste Priorität. Diese Seiten beinhalten hilfreiche Grundinformationen und wichtige Kontaktadressen über bestimmte Krankheiten. Sie bieten auch oft die Möglichkeit für einen interaktiven Erfahrungsaustausch mit Betroffenen. Da diese Seiten oft von Personen herausgegeben werden, die von einer Krankheit direkt oder indirekt betroffen sind, decken sie leider nur einen Bereich ab. Aus diesem Grund sind Kriterien wie etwa wissenschaftliche Kompetenz und Funktion des Initiators kritisch zu überprüfen [zu detaillierten Informationen über diese Webseiten vgl. www.Health-Literacy.org] Dass diese Websites sich mehrheitlich auf Vermittlung (natur)-wissenschaftlicher Informationen konzentrieren, ist vielleicht nicht zuletzt auf die Profession der Initiatoren und deren Zielsetzungen zurückzuführen. Gesundheits- und Krankheitsbegriff im eigenen Wertund Weltbild, damit verbundene gesundheitliche Selbstverantwortung sowie mögliche Implikationen einer Gesundheitsmündigkeit sind auf diesen Seiten kaum thematisiert. Nur an wenigen Stellen wird die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit für einen Muslim behandelt. Auf einer türkischen Website werden die Gedanken eines Sufimeisters über Gesundheit und Krankheit zitiert. Auf einer anderen arabischen Internetseite, die naturwissenschaftliche Informationen über Krebs behandelt, werden einige relevante Koranverse für Patienten zitiert. Im Allgemeinen bleibt festzuhalten, dass die Entwicklung dieser Seiten als ein Prozess zu verstehen ist. Nicht nur die möglichen Chancen, sondern auch die Grenzen und Gefahren dieses Mediums sollen in diesem Prozess genau festgestellt und die Nutzung des Internets 23 unter bestimmten Bedingungen und Kriterien laiengerecht verwirklicht bzw. optimiert werden. VII. DAS ISLAMISCHE MENSCHENBILD UND DIE BEDEUTUNG DER GESUNDHEIT Nach islamischem Menschenbild erlangt der Mensch unter seinen Mitgeschöpfen die höchste Stellung bei Gott und ist auf der Erde ‚Stellvertreter Gottes’ (khalīfa). Da der Islam lexikalisch die Ergebung des Menschen in den Willen Gottes bedeutet, ist Muslimsein mit einer Lebensführung nach islamischen Normen und Wertvorstellungen verbunden [Yazır 1971: 3934]. Dem Koran zufolge wurde der Mensch in idealer Gestalt erschaffen und mit vielen Gottesgaben versehen [Vgl. Sure 95/4, Sure 32/9, Sure 67/23 u. Sure 82/7-8]. Die Gesundheit zählt dabei zu den wichtigsten Gottesgaben und wird als ein hohes Gut verstanden. Das Verständnis von Gesundheit als Gottesgabe und ein anvertrautes Gut bietet sich gleichzeitig als ein Ausgangspunkt für die Begründung einer gesundheitlichen Selbstverantwortung. Der Mensch ist Inhaber und Nutznießer seines Körpers, Gott hingegen sein Eigentümer. Es obliegt dem Menschen in seinem Leben, rechtmäßig und verantwortlich damit umzugehen. Ebenso wie der verschwenderische Umgang mit eigenem Hab und Gut ist auch das verantwortungslose Verhalten gegenüber dem Körper nicht wünschenswert. Diese aus dem Gottesgabeverständnis abgeleitete Verantwortung für die eigene Gesundheit impliziert für den Muslim bestimmte Handlungen wie diätetische und hygienische Maßnahmen für eine gesunde Lebensführung und medizinische Interventionen in einem Krankheitsfall. Denn der Muslim hat im Jenseits über seinen Umgang mit dem eigenen Körper Rechenschaft abzulegen. Eine weitere Bedeutung der Gesundheit kristallisiert sich auf der praktischen und auch pragmatischen Ebene. Der islamische Glaube ist sehr eng mit einer aus diesem Glauben resultierenden Lebenspraxis verbunden. Glaube und Praxis sind eine untrennbare Einheit, so dass das Wohlgefallen Gottes als Hauptziel des Muslims erst mit einem auf islamischen Handlungsnormen basierenden Habitus möglich wird. Die Erfüllung der sozialen und ethischen Verpflichtungen sowie religiöse Grundpflichten sind für die Entfaltung des Muslimseins von zentraler Bedeutung. Die Verwirklichung mehrerer dieser Verpflichtungen hängen aber wiederum von einem gesunden körperlichen und seelischen Zustand ab. Auf dieser Ebene kann die Gesundheit pragmatisch gesehen als ein Mittel zum Zweck betrachtet werden, wonach ihm ein mittelbarer Wert zukommt. 24 Diese hypothetische Wertzuschreibung ist jedoch nicht so zu verstehen, dass die Gesundheit nur deswegen wertvoll ist, weil sie als Mittel zum Zweck dient. Es gibt auch andere Beurteilungen, die die Gesundheit allein deswegen für wertvoll erklären, weil sie ein dem menschlichen Wohlbefinden dienendes Phänomen ist. Dieser Bewertung wird in den Fällen, wo islamische Grundpflichten und therapeutischen Maßnahmen konfligieren, deutlicher. Solche Abwägungen sind sogar in der ersten Hauptquelle des Islam zu lesen. In einigen Koranversen werden Zustände thematisiert, wo zwei Güter, nämlich Gesundheit als das menschliche Wohlbefinden förderndes Phänomen und Fasten als eine religiöse Grundpflicht untereinander konfligieren [Sure 2/184-185]. Die Barmherzigkeit Gottes macht in so einem Konfliktfall die Gesundheit bzw. Verminderung des körperlichen Leidens stark. Auch Reisende, Stillende, Menstruierende und Schwangere sind von der Fastenpflicht ausgenommen, weil das Fasten ihren Körper zusätzlich belasten könnte. „... Gott will für euch Erleichterung, Er will für euch nicht Erschwernis.“ Die dargestellten Bewertungen der Gesundheit deuten zwar darauf hin, dass ein gesunder Zustand wünschenswert und mit einer erforderlichen Lebensführung zu erstreben ist, machen aber daraus keineswegs ein absolutes Gut. Die Gesundheit ist nicht die Quelle der Normen und Wertvorstellungen, sondern ein Gut unter anderen Gütern, welches in einem Güterkonflikt durch Normenkodex und Wertvorstellungen beurteilt wird. Dieser Aspekt hat für die moralischen Argumente die Konsequenz, dass man ein Leben nur durch „Gesundheitsgrad“ oder „Krankheitsgrad“ nicht bewerten kann, geschweige denn als „lebenswert“ oder „lebensunwert“ beurteilen kann. ZUSAMMENFASSUNG Im vorliegenden Beitrag wurde versucht ein Quintessenz über das Gesundheitsverständnis in der islamischen Tradition zu geben und die damit verbundenen hygienischen und diätetischen Regeln für eine gesunde Lebensführung sowie dem Laien empfohlene Verhaltensweisen in einem Krankheitszustand zu skizzieren. Auch wenn aus diesen klassischen Werken keineswegs ein einheitlicher Gesundheitsbegriff abzuleiten ist, so kann doch behauptet werden, dass die Gesundheit durchweg als ein hohes Gut angesehen wird. Dieses hohe Gut ist so zentral, so dass die Medizin - im Kontrast zu Gegenwart - in erster Linie nicht für die Heilung der Krankheiten, sondern für die Bewahrung der Gesundheit zuständig war. Das Gesundsein ist oft ein Leben in Mitte und Maß, das sich im diätetischen Schema der sechs nichtnatürlichen Lebensbedingungen (sex res non naturales), nämlich dem Lebensmuster von Licht und Luft, Speise und Trank, Bewegung und Ruhe, Schlafen und 25 Wachen, den Absonderungen und den Gemütsbewegungen niedergeschlagen hat. Die Gesundheit ist ein hohes aber kein absolutes Gut. Sie erlangt ihre Wertzuschreibung durch Glaubensbegriffe wie Leib als Gottesgabe und damit verbundene Verantwortung gegenüber dem Schöpfer, Gesundheit als erforderlicher Zustand für die Erfüllung der sozialen und religiösen Grundpflichten und nicht zuletzt durch ihren Beitrag zum Wohlbefinden des Menschen, dem edelsten Geschöpf Gottes. Welche Rolle kann dieses kulturelle Erbe heute bei der Bewältigung der vielfältigen Gesundheitsprobleme von mehr als eine Milliarde Muslimen in einer globalen Welt übernehmen? Diese Fragestellung beinhaltet mehrere Ebenen. Aus der medizinhistorischen Perspektive kann nach heutiger Relevanz und Gültigkeit der alten hygienischen und diätetischen Maßnahmen sowie medizinischen Interventionen in bestimmten Krankheitssituationen gefragt werden. Auch wenn es darüber keine umfangreichen wissenschaftlichen Studien gibt, kann dennoch behauptet werden, dass einige Therapieformen noch heute medizinisch wirksam sind und in manchen Bereichen praktiziert werden. Viele andere dagegen haben sich als wirkungslos, ja sogar in bestimmten Krankheitsfällen schädlich erwiesen. Da das medizinische Wissen und die Praxis sich in einem ständigen Wandel befinden, kann ein Teil der damaligen medizinischen Erkenntnisse und Praktiken längst für überholt gelten, was aber auch für die heutige aktuelle Medizin gilt. Nicht die konkreten medizinischen Praktiken, sondern bestimmte Prinzipien für eine gesunde Lebensführung wie Maßhalten und Vermeidung von beiden Extremen in den aufgezählten Lebensbereichen – als ein Urprinzip der Medizin mit ihren interkulturellen und interreligiösen Charakter – haben heute noch ihre Gültigkeit. Aus medizinethischem Gesichtspunkt ist die Bedeutung dieser reichen medizinischen Tradition für die Gesundheitsmündigkeit wichtig. Die möglichen Wechselwirkungen zwischen gesundheitlicher Verantwortung und islamischem Menschenbild und einigen Glaubensprinzipien wurden oben bereits behandelt. Eine weitere Fragestellung wäre die Bedeutung dieser Verantwortung bei der Rekonstruktion einer zeitgemäßen Gesundheitsmündigkeit [Hartmann 2003, Sass 2003 u. 2004A]. Gesundheitsmündigkeit als eine auf gesundheitliche Verantwortung basierende Kompetenz, welche dem Individuum für sein Verhalten in Gesundheitsangelegenheiten eine Abwägung unter gegebenen Umständen mit Berücksichtigung eigener Präferenzen eine Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit verleiht und daraus eine persönliche Einstellung und Haltung zur Erhaltung und Wiedererlangung eigener Gesundheit entstehen lässt, hat bis jetzt in der aktuellen innerislamischen Diskussion ihren verdienten Platz nicht gefunden. 26 Auf die gesundheitliche Selbstverantwortung basierende Gesundheitsmündigkeit kann nicht auf eine Motivation reduziert werden, die den Muslim nur der, von den Medizinern hinsichtlich nach dem letzten Stand der Naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ärztlicher Erfahrung vorgeschlagenen Handlungsoption zustimmen lässt. Sie beinhaltet vielmehr das Verarbeiten der von Experten – in diesem Falle von Ärzten – gegebenen Informationen, und eine Abwägung nach individuellen muslimischen Wertvorstellungen für eine verantwortbare Entscheidung. Deswegen verlangt sie von den Laien, sich sowohl in seinem gesunden als auch kranken Zustand mit der Frage „was bedeutet für mich Gesundheit und Krankheit?“ auseinanderzusetzen. Gesundheitsmündigkeit konzentriert sich nicht nur auf eigene Gesundheit, sondern trägt bei, dass das Individuum sich mit den gesundheitlichen Folgen eigener Handlungen für die Gesellschaft sowohl auf medizinischer Ebene (z.B. richtiges Verhalten bei einer ansteckenden Krankheit, AIDS, Hepatitis, SARS) als auch auf ökonomischer Ebene (finanzielle Folgen eigener Handlung für Solidargemeinschaft) auseinandersetzt. Eine aus eigenen kulturellen Wurzeln stammende Gesundheitsmündigkeit wird sicherlich nicht die endgültige Lösung der ganzen vielfältigen Gesundheitsprobleme in der muslimischen Welt und in den wertpluralen Gesellschaften wie Deutschland zu sein. Sie kann aber zumindest eine Grundlage für die Lösungsansätze anbieten. 27 LITERATURVERZEICHNIS Abū Sa‘īd Ibn Ba¿tīÊū‘ (1986) Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers, Übers. u. komm. v. F. Klein-Franke, Beyrouth Al- Bayhaqī, Abū Bakr A½mad b. al-¼usayn (1344-1355) K. as-sunan al-Kubrā, (Reprintausgabe) Bd. 1-8, Beirut Al-Ğauzīya, Ibn Qayyim (1994) AÔ-Óibb an-Nabawī, BaÊÍr Mu½ammad ‘Uyūn (Hg.), Damaskus Al-³azālī, Abū-¼āmid Mu½ammad Ibn-Mu½ammad (1352=1933) I½yā’ ‘ulūm ad-dīn, Bd. 1-4, Kairo Al-³azÁlÍ, AbÚ-¼Ámid Mu½ammad Ibn-Mu½ammad (1984) Mu½ammad al-³azzÁlÍs Lehre von den Stufen zur Gottesliebe: d. Bücher 31-36 seines Hauptwerkes I½yÁÿ þulÚm ad-dÍn / eingeleitet, übers. u. kommentiert von R. 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Spies (Ed.) Bd. 16, Bonn 29 Æā‘id ibn al-¼asan (1968B) KitÁb at-TašwÍq aÔ-ÓibbÍ, Übers. und Bearb. des KitÁb aÔTašwÍq aÓibbÍ des ÆÁ‘id ibn al-¼asan, ein medizinisches Adabwerk aus dem 11. Jahrhundert, S. E. Taschkandi (Übers.), Bonn, 1968 Sass, Hans-Martin (2003) Common Moral Priorities and Cultural Diversities, Formosan Journal of Medical Humanities, Vol. 4, May, No: 1&2: 6-21. Sass, Hans-Martin (2004A) Asian and Western Bioethics - Converging, Conflicting, Competing? Eubios, J Asian Intern Bioethics, 2004/14: 13-22. Sass, Hans-Martin (2004B) Ethical Issues in E-Health and the Promotion of Health Literacy. Proceedings of the Beijing International Conference on Bioethics, Beijing: PUMC Schacht, Joseph and Max Meyerhof (1937) The medico-philosophical controversy between Ibn Butlan of Baghdad and Ibn Ridwan of Cairo, A Contrubution to the History of Greek Learning Among the Arabs by Joseph Schacht and Max Meyerhof, Cairo Schipperges, Heinrich (1985) Homo patiens. 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Hamdi (1971) Hak Dini Kur’an Dili, Bd. 1-10, Istanbul, 1971 Zotter, Hans (1988) Das Buch vom gesunden Leben, Die Gesundheitstabellen des Ibn Butlān in der illustrierten deutschen Übertragung des Michael Herr. Nach der bei Hans Schott erschienenen Ausgabe 1533, Graz 30 ANHANG (KLASSISCHE TEXTE) 31 ‘Alī Ibn Sahl Rabban aÔ-Óabarī (810-855) Kitāb ¼ifã aÈ-Æi½½a (Über die Erhaltung der Gesundheit) ( ) Im Namen Gottes des barmherzigen Allerbarmers, Herr mache es leicht und hilf, oh Gütiger! Der weise Meister Abū ‘Alī Ibn Rabban lehrt: Die Güte lässt die Liebe gedeihen, und wer den Gütigen liebt, der dankt ihm, und wer ihm dankt, der wird ständig geehrt und verlängert sein Dasein. [...] Wenn die Ursachen für die Gesundheit des Nützlichste sind, worauf hingewiesen und wonach gehandelt werden muss im Diesseits, dann gibt es keinen Weg dazu und auch zum Jenseits, außer durch die Kraft. Es gibt aber keine Kraft außer durch die Gesundheit und keine Gesundheit außer durch das Gleichgewicht der vier Mischungen. Deren Gleichgewicht hat Gott zu Weg und Ursache gemacht. (S. 21) [...] Dir Gelehrten aller Menschenrassen waren sich einig, dass Gott die Gesundheit als einen der Gründe für die Fortdauer des Lebens geschaffen hat und nicht das süße, üppige Leben. Das rechte Maß darin ist einer der Gründe für die Fortdauer des Lebens und verhilft dazu mit dem Willen Gottes des Erhabenen. Die Gelehrten sind sich darin einig, (S. 22) dass der Mensch aus gegensätzlichen Mischungen geschaffen wurde und Nahrung und Getränke benötigt. Wenn ihm diese fehlen, geht er zugrunde, und wenn er allzu viel oder allzu wenig davon nimmt, hinterlässt dies ihm Krankheiten und Schwächezustände. Wenn er dabei maßvoll verfährt, nützt es ihm und stärkt seinen Körper. Ihre Meinungen stimmen alle überein, dass wer das Maß in der Nahrungsaufnahme oder in Hungern, in Wachen oder Schlafen, Bewegung oder Ruhe, in Abführen, Aderlass oder ausschweifendem Geschlechtsverkehr überschreitet, dieser nicht sicher davor ist, dass Krankheiten entstehen und plötzliche Schäden auftreten, die ich erwähnen werde. Ich werde schildern, was im Maßhalten an Nutzen und in Unmäßigkeit und Übertreibung an Schaden liegt. Sie waren sich darin einig, dass man für den, der sich daran hält und dauernd Mäßigung und Maßhalten übt, Gesundheit und langes Leben erhoffen kann. Ich fand unter den Menschen keinen, der bestreitet, dass in allen Dingen der Welt, sei es Besitz oder Geld, Lust oder Begierde, eine Quelle für das Dasein ist. Wer das Dasein liebt, schätzt was ihm nützt, zuträglich ist und hilft, und meidet rechtzeitig die Begierden und isst nicht noch zusätzlich zu den Mahlzeiten, so wie einer der Weisen sagt: Häufig hindert eine Mahlzeit den, der sie einnimmt, durch den Genuss einer Stunde an den Mahlzeiten für immer; und häufig strebt der Suchende nach einer Sache, in der sein Verderben liegt, denn er es doch nur gewusst hätte! (S. 23) Es wurde uns berichtet, dass ‘Umar Ibn al-¼aÔÔāb [der zweite Khalif der Muslime, gest. 644] – Gott möge an ihm Wohlgefallen haben – zu ¼āriÝ b. Kalada sagte: Was ist () Quelle: Raslan, Usama (Übers.): Über die Erhaltung der Gesundheit. Ein Hygiene Traktat von Ali ibn Sahl Rabban at-Tabari, Diss., Bonn 1975, S. 21-25. 32 Medizin, oh ¼āriÝ? ¼āriÝ antwortete: (Nur) das Notwendige (zu sich nehmen), oh Fürst der Gläubigen, das heißt Diät und Maßhalten. Es wurde mir berichtet, dass einer der Philosophen sich selbst der Diät unterzog. Da sagte ihm sein Schüler: Oh Weiser, wenn du etwas mehr Nahrung zu dir nehmen würdest, würdest du dadurch Kraft und Energie vermehren. Dieser antwortete ihm: Mein Sohn, ich verlange nach Speise aus dem Wunsch heraus, am Leben zu bleiben, und ich verlange nicht, am Leben zu bleiben, aus dem Wunsch heraus zu essen. Ich fand unter dem, was an Speisen, Getränken und den übrigen Genüssen des Lebens nützlich ist, nichts, das von größerer Bedeutung ist als die Gesundheit und Erhaltung des Lebens. Ich fand, dass wer Nahrung und Begierde gering hält und sich auf die zum Leben notwendige Nahrung beschränkt, einen gesunden Körper besitzt, ein längeres Leben und stärkere Leidenschaften hat, weniger Reiseproviant braucht und leichter beweglich ist als jemand, der darin übertreibt. Dies findet man am deutlichsten bei Wüstenvölkern und bei denen, die sich abmühen und hart arbeiten. Dies ist eine richtige Begründung dafür, dass die Medizin (S. 24) aus Maßhalten und Diät besteht. Die Ansichten der Gelehrten stimmen darin überein, dass die Medizin Erhaltung der Gesundheit bedeutet – mit der Erlaubnis Gottes, er ist erhaben- und Vertreibung des Übels durch sein Gegenteil. So hilft jemandem, der durch Völlerei erkrankt, das Hungern und jemandem, der durch Hungern erkrankt, die Nahrungsaufnahme, oder jemandem, bei dem Hitze aufkommt, die Kühlung mit kühlen Speisen, Getränken und Ölen. Wenn ihn die Kälte befällt, hilft ihm die Erwärmung mit warmen Getränken, Speisen und Ölen, oder wenn bei ihm Trockenheit überwiegt, hilft ihm das Abführen. Wessen Körper durch übermäßiges Abführen erschlafft, dem hilft austrocknende Behandlung. Wenn jemand durch harte Arbeit erkrankt, hilft ihm die Ruhe. Das ist die Medizin und dies erstreben die Ärzte bei ihrer Behandlung. Dieses mein Buch enthält Kapitel aus den bedeutendsten Abschnitten der Medizin, klar und leicht verständlich, ohne dass darin Unklarheiten und Schwierigkeiten enthalten sind. Wer dieses Kapitel kennt, sieht die Medizin richtig und findet den Beweis dafür in überzeugender Beschreibung, leicht und nicht schwer. (S. 25) 33 Abū ‘Alī al-¼usain ibn ‘Abdallāh ibn Sīnā (latinisiert Avicenna) (980-1037) Al-Urºūza fī Ô-Ôibb (Poem on Medicine) ( ) Preface in Verse Praise be to Allah, the Teacher, the Unique, Majesty of the Heavens, the Exalted, the Glorious. Glory be to Him, the Eternal Being who drew forth creatures from Nothingness. He floods our minds with light to the point of having revealed to them that which was hidden. In His goodness, He created man and gave him judgment and speech as privileges. He allowed him access to knowledge through the perceptions of his senses and, through reasoning, opened to him the invisible world. The mind of man is bound to a living soul of which the existence is proved beyond all doubt. Allah distributed judgment and senses among all men at the same time as life. But each one has his own character and in that His Marvellous Wisdom shines forth. Thus, whoever has banished Ugliness from his soul has been able to acquire Virtue. The arts and speech distinguish man from animal. The best of men do good by accompanying it with courteous words, preoccupying (14) themselves with the body, granting to it its rightful mirth. Poets are the princes of the Word; physicians rule over the body. The eloquence of the former rejoices the soul; the devotion of the latter cures illnesses. In this poem is included all Theoretical and Practical Medicine. And here I am, putting into verse all I know of this science. On the definition of the word “Medicine” Medicine is the preservation of health and the cure of disease which arises from conscious causes which exist within the body. Subdivision of Medicine A first division will be: Theory and Practice. Theory within itself is divided into three sections. There are seven natural components and six vital factors. Indeed, they are found in books. They are the diseases, the symptoms and the causes. Practice is divided into two actions: one performed with the hands, the other with medicine and dietary regimens.(15) […] MEDICAL PRACTICE Chapter I On the Conservation of Health Through Diets and Drugs The preservation of health can be extended to such persons who are completely healthy. For the one with imperfect health, there are two cases to face: the one is that in which the patient is afflicted throughout his whole organism at all times, such as the old man, the convalescent, (53) the young infant, and the one in whom you discover signs causing a fear of the illness. The other is the one of the patient whose affliction is localized in the skin, the flesh or the bones. […] () Krueger, Haven C. (Trans.): Avicenna’s Poem on Medicine, Springfield 1963, pp. 14-57. 34 Hygiene of the healthy man in harmony with the atmosphere, particularly in summer To preserve health, there are two practices in medicine. If you have to maintain the temperament of someone in good condition, give him a suitable diet. If you decide to transform an organism from his natural state, give him that which is contrary to his temperament. Regarding this healthy man, control him, in general, in a way to maintain him in this good condition. Advise him to live in countries of the forth climate, those in which the air is healthy, a place above the desert, facing the east; the air is lighter there. For the summer, choose mountains and countries open to the north. For the night, occupy the upper floors and during the day, the lower floors. Avoid wool and cotton clothes, choose light flax, use cold aromatic substances such as rose oil; protect your eyes from the dust, keep from breathing smoke, the unhealthy vapors, avoid the sun’s direct rays, the simoon, and the intense heat of the day. Do not read fine letters very long, nor small inscriptions nor difficult writings. (54) On the dietary regimen in general It is proper to eat at least once in the space of a day and night, at most twice, the average being three times in two days. It is necessary to chew well to obtain good digestion; everything which is hard to chew is hard to digest. When you eat an indigestible food, wisely take something to neutralize it, its opposite, considering its temperament. (55) […] On the beverage If you wish to avoid illness, divide your nourishment into three parts: a third for respiration, a third for food and the rest for water. A little cold water quenches thirst, better than far too much warm water. Too much ice in the beverage is harmful to the nerves; allow it only for the obese and sanguine man with strong tissues. It is not necessary to drink at the table except with the threat of choking and never after the meal, nor after a warm bath, nor after a violent exercise, nor after sexual intercourse– that can be dangerous. If it is necessary and you can control yourself, drink moderately. (56) […] On sleep Do not sleep too long– it is detrimental for the mind! Do not stay awake too long for your senses will be weakened. It is proper to prolong sleep after a meal difficult to digest or after one of indigestion. Do not sleep too much when you are hungry– the vapors springing fourth from the humors will ascend to the brain. After the meal, sleep with the head elevated so that your food will take its proper place of digestion. On physical exercise Do not give up hard exercise; do not seek rest too long; preserve a happy medium. Exercise your limbs to help them repel the bad humors by walking and struggling until you succeed in panting. The thin man ought to avoid exercises in order not to increase his exhaustion. Do just the opposite for the fat man and make him wear a girdle if he has a fat abdomen. In summer, decrease fatigue for perspiration is exhaustion. (57) 35 Abū Sa‘īd ‘Ubaidallāh Ibn Ğibrīl ibn Ba¿tīšū‘ (gest. 1058) Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers ( ) Aus dem vierten Kapitel: Der Widerspruch dessen, der behauptet hat, der Arzt brauche die seelischen Vorgänge nicht zu beachten, sowie die Evidenz der Verpflichtung dazu Der Arzt muss aus zahlreichen – unerlässlichen sowie notwendigen – Gründen die seelischen Vorgänge beachten. Die Philosophen sind nämlich mit den Ärzten übereingekommen, dass die Seele (75 r) und Körper, jeder für sich, ein Teil des / Lebewesens sind, allerdings nicht auf gleicher Ebene. Vielmehr ist die Seele vermittels ihrer Führerschaft und Vorherrschaft der edelste Teil des / Lebewesens und der Körper sein bester Teil, da er Werkzeug, ein Knecht und Diener der Seele ist, die ihn benutzt und durch ihn Wirkungen ausübt. Die Seele ist der Träger des Körpers, der Körper das Getragene. Wie ja bekannt, gehört der Mensch in das Reich der Lebewesen, besteht aus einer Seele und einem Körper, wobei die Seele den Körper in ihre Dienste nimmt, durch ihn Wirkung aus ihm heraus ihre Kräfte enthüllt. Es ist offenbar, dass der Körper des Menschen der Gegenstand der ärztlichen Kunst ist, dass die Kunst sich um ihren Gegenstand aus verschiedenen Richtungen bemühen muß und dass sie sich um die Erhaltung seiner Gesundheit und seines Wohls bemüht. Da die Seele im Körper wirkt und der Körper ihrer Wirkung untersteht, dem Einfluss ihrer Wirkung zuneigt, folgt daraus, dass, wenn die Seele in ihrer Wirkungsweise sich an die natürliche Ordnung hält, der Körper gesund ist und seine Gesundheit erhalten bleibt, wenn sie aber die natürliche Ordnung verlässt, ihm schadet. Handelt es sich um einen primären Schaden, dann wird er Krankheit genannt. Ist der Schaden indirekt, heißt er Defekt. Ist der Schaden eine Folge, nennt man ihn Symptom. Daher muss also der Arzt sein Augenmerk darauf richten, welche Erregungen und Vorgänge von Seiten der Seele eintreten, damit er durch seine diesbezügliche Beobachtung den Gegenstand seiner Kunst beschützt, nämlich den Körper des Menschen. Die Alten Naturphilosophen haben schon ganz deutlich erklärt, dass der Arzt die Ursachen von Gesundheit unerlässlich beobachten muss, und dass sie, nachdem sie jene Ursachen beobachten hatten, unter ihnen solche gefunden hatten, deren Beachtung zwar nicht ebenso unerlässlich ist, von denen man jedoch keine ganz außer Acht lassen darf, nämlich: () Quelle: Klein-Franke, Felix (Übers.): Über die Heilung der Krankheiten der Seele und des Körpers, Beyrouth 1986, S. 58-60. 36 die Luft, die uns umgibt was man isst / und trinkt (75v) Schlafen und Wachen Bewegung und Ruhe Stauung und Entleerung Die seelischen Vorgänge. Wenn diese sechs der Gesundheit adäquat eingeschätzt werden, führen sie die Gesundheit herbei und erhalten sie. Wenn ihre rechte Einschätzung unterlassen wird, führen sie Krankheit herbei und erhalten sie. Aus dieser klaren Grundregel kann man lernen, dass der Arzt die seelischen Vorgänge beachten muss, da diese ein Teil der notwendigen Ursachen sind. Ebenso muss der Arzt auch die Verhaltensweisen der Seele beachten, da manche von ihnen Ursachen einiger Krankheiten sind, wie Zorn, Kummer, Angst und verwandtes. Einige Verhaltensweisen sind bereits Krankheit, wie leidenschaftliche Liebe, Jähzorn, Größenwahn und ähnliches; andere sind ein Symptom, wie Erregbarkeit, Unruhe, Sprunghaftigkeit und was weiter unter diese Kategorie fällt. Diese Verhaltensweisen ändern den Zustand des Körpers und schädigen seine Funktionen, jede auf ihre Weise. Wenn sich der Zustand eines Körpers in dem ändert, was ihm von Natur aus obliegt, und seine Funktionen sich einen Schaden zuziehen, dann wird er krank; denn die Krankheit ist ja ein Zustand des Körpers, der seine natürliche Disposition verlassen hat, ein Zustand, in dem die Funktionen ein Schaden erfasst. Angesichts dieser Tatsachen muss der Arzt die Verhaltensweisen und, was aus ihnen resultiert, beachten. Wer Einblick in die Wissenschaften der Medizin gewonnen hat und verstanden hat, ist somit zweifellos in der Lage, die Dinge nach ihrer wahren Beschaffenheit zu unterscheiden, und kann die Ursachen von den Symptomen und die Symptomen von den Ursachen abstrahieren. 37 Al-Mu¿tar b. al-¾asan b. ‘Abdūn b. Sa‘dūn Ibn BuÔlān (gest. 1066) Da’wat al-aÔibbā’ ‘ala Maªhab Kalīla wa Dimna (Das Ärztebankett) ( ) Vorwort Im Namen Gottes, des barmherzigen Allerbarmers Die Schrift, genannt Das Ärztebankett, im Stile von Kalīla wa-Dimna enthält Scherzhaftes, das über Gewichtiges und Nichtiges lächelt und dabei doch der Wahrheit Ausdruck verleiht. Die beste Redeweise ist diejenige, deren Ernst nützlich und deren Spaß ergötzlich ist. Der vorzügliche Philosoph Abu-l-¼asan al-Mu¿tār al-¼asan ibn ‘Abdūn ibn BuÔlān hat diese Schrift für den Emir NaÈr ad-Daula Abū Nasr A½mad ibn Marwān aufgrund geistvoller Aussprüche von Weisen, Gelehrten und Philosophen verfasst, auf dass der Weise in ihr dasjenige finde, was seiner Art entspricht, und damit der in die Weisheit Einzuführende eine bequeme Anleitung erhalte, das Schwerverständliche zu verstehen. Dieses Ziel zu erreichen, erleichtert der Verfasser dem Leser und führt ihm vor Augen, wie vorzüglich die geschickten Ärzte und wie unvermögend die Schwindler in der Kunst der Medizin sind. (S. 47) Schlimmer als die Sünde ist die Verzweiflung an Gottes Barmherzigkeit, schwerwiegender als eine Missetat ist das Aufschieben der Reue, und ein größeres Übel als die Krankheit selber ist das Hinauszögern der Diät. So sagt man: Ein Verteidiger, der zur Verhandlung nicht erscheint, ist der Feind seines Klienten, ein tollkühner Arzt ist der Sendbote des Todesengels, und ein Kranker, der schädliche Speisen und Getränke zu sich nimmt, gleich der Seidenraupe, die sich, je mehr sie webt, desto schneller ihrem Lebensende nähert. (S. 63) Bevor du isst, vernimm ein Wort, das dir bezüglich deiner Beschwerden nützlich sein und dich zu deiner Gesundung führen wird. Wisse, dass man bei der Therapie von Krankheiten zuallererst die Lippen verschließen, die Kranken mit sanften Händen und vernunftgemäß behandeln muss, und dass man sich nicht von Begierde und Unwissenheit leiten lassen darf. Der Verstand forscht nach den nützlichsten Speisen, die Begierde nach den schmackhaftesten und angenehmsten. Doch nur selten vereinigt sich in ein und derselben Sache das Nützliche mit dem Angenehmen. Das Bekömmliche ist nur selten in der Speise und das Angenehme nur selten in der Arznei anzutreffen. Hüte dich vor dem Genuss einer süßen Speise, und lass dich nicht von einer Arznei durch bitteren Geschmack abhalten. Wenn etwas Bitteres erfreut, so ist es süß Und wenn etwas Süßes schadet, so ist es bitter. Nimm daher etwas Bitteres! Du wirst es schon nützlich finden. () Quelle: Klein-Franke, Felix (Übers.): Ibn BuÔlān, Das Ärztebankett, Stuttgart 1984. 38 Und wenn dich nicht dem Süßen zu, das dir doch schaden wird! Hüte dich, eine augenblickliche Lust einem späteren Schmerz vorzuziehen, besonders wenn du krank bist und dich mit Speise gesättigt hast. (S. 64) Was hältst du von der rechten Zubemessung der Speise?“ Er antwortete mir: „ Die Parole heißt: Abstinenz. Eine schlimme Krankheit ist das Essen auf vollem Magen. Sie vernichtet die ganze Kreatur und tötet die Löwen in der Wüste. Wenn eine Verdauungsstörung chronisch ist, führt sie zum Tode; wenn sie sich auflöst, schwächt sie den Körper. (S.65) Wisse – Gott möge dich wieder gesund machen – dass sich das Wissen zum Verstande verhält wie die Nahrung zum Körper. Durch die Verderbtheit der Speise geht der Körper zugrunde und sinken die Lebensenergie und die Seele gemeinsam auf die unterste Stufe. Durch die Wahrheit der Erkenntnis aber wird die Seele geläutert und verbindet sich mit dem Körper zur höchsten Stufe, zum Sitz der geistigen Wesen, dem Ort der Macht und der Quelle des Glanzes und des Lichts. Die Weisen sagen ja: „Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von einem guten Wort.“ Sokrates sagt: „Sei zurückhaltend im Essen, auch wenn du großen Appetit hast,“ und Platon sagt: „Ich esse nur, um zu leben; ich lebe nicht, um zu essen.“ Nimm dich in acht, nicht auf das Essen loszustürmen, sondern nimm dir Zeit, sei gemächlich und sei wie der kluge Schneider, der tausend Mal Maß nimmt, bis er zuschneidet; denn in der Eile liegt nichts Gutes. Lerne von dem alten Sprichwort: „Wer in Geduld sich übt, erreicht sein Ziel ohn’ Bangen Doch wer mit Eile drängt, der wird es kaum erlangen.“ (S. 66) Wisse, dass der Arzt ein Mittler zwischen Gott Und dem Kranken ist. Die Mitte aber hat teil an den beiden Extremen, und somit besitzt der Arzt von den Attributen Gottes die Barmherzigkeit und das Erweisen von Wohltaten, und vom Kranken das Fragen und das Wünschen. Sein Ziel ist die Gesundheit, und sein Bemühen ist darauf gerichtet, guten Rat zu erteilen und das Wohl jedes Menschen zu erreichen: Wenn der Geist über den Körper, in dem er ist, erzürnt ist, Stellt der Arzt zwischen Geist und Körper die Versöhnung wieder her. (S. 73) Der Mensch muss Gott, dem Erhabenen, für die Gesundheit dankbar sein und Ihn um die Fortdauer des Wohlbefindens bitten. Ist all dies dem Körper zum Essen und zum Kauen nicht zuträglicher? Wie viel Essen ist schon in den Darm eines Fressers gelangt und hat dann die Seele aus dem Körper herausgezogen! Gott aber hat dem Essen Seinen Segen nicht gegeben, wenn das Verderben der Seele im Magen liegt. (S. 74) [...] Wisst ihr nicht, dass die Weisen sagen: Wenn der Arzt geschickt, der Kranke fügsam, der Apotheker zuverlässig und die Arznei gut ist, wie schnell geht dann die Krankheit vorüber!? Bei Gott, ich ziehe über die Wahrheit keinen Schleier, nehme für die Behandlung kein Bestechungsgeschenk und verwende nur gute Ware! (S. 114) 39 Das elfte Kapitel: Über die geringschätzige Meinung, welche die breite Masse über die ärztliche Kunst hegt, und wie man sie mit überzeugenden Argumenten widerlegt Wenn die Ärzte in diesen Dinge [d.h. in der medizinischen Kunst] nicht so unfähig wären, würde das Volk ihre Kunst nicht gering schätzen und nicht aus dem Volksmund Beweise für die Widerlegung der Medizin beibringen. (S. 131) [...] Ein anderer warf die Frage auf: „Wozu quäle ich mich mit einer Diät? Der Arzt erreicht mir der Diät nur, dass die gelbe Wassersucht und die Krankheit zunehmen. -Aber der Dummkopf, der so spricht, weiß nicht, dass er ohne die Diät sterben würde . Wieder ein anderer meinte: „Ich esse und trinke und erhalte mich jeglicher ärztlichen Behandlung im Vertrauen auf Gott.“ – Wer so spricht, wird dennoch, wenn ihm ein Esel erkrankt, den Ratschlag des Tierarztes annehmen. Getreu seiner Ansicht hätte er den Rat jedoch ausschlagen und allein Gott vertrauen müssen, obwohl der Arzt trotz seiner therapeutischen Anordnungen keineswegs verbietet, Gott zu vertrauen. Ein anderer sagte wiederum: „Wie oft bin ich krank und ohne Arznei auch wieder gesund geworden!“ – Wer so spricht, weiß aber nicht, dass er, wenn ärztlichen Rat eingeholt hätte, schneller gesund geworden wäre, und dass eine Stunde auf ihn zukommen wird, die nicht seine Lebenskraft schützen wird, die er zur Abwehr der (S. 132) Krankheiten benötigt, und dass er dann beim Arzt keine Hilfe mehr finden und daher zugrunde gehen wird. Ein anderer meinte daraufhin: „Wie oft habe ich mich schon ärztlich behandeln lassen und nach einer Diät gelebt und wurde erst wieder gesund, nachdem ich alles wahllos durcheinandergegessen hatte!“ - Wer so spricht, weiß indessen nicht, dass das wahllose Durcheinanderessen rein zufällig mit dem Verschwinden der materia morbi zusammengefallen ist, so dass er gesund wurde. Viele Menschen haben dagegen ihre Diät gebrochen, bevor die materia morbi sich aufgelöst hatte, und gingen daher zugrunde. (S. 133) Wenn man ihnen vom Puls spricht, spötteln sie: „Seht diese beiden Frauen da, von denen die eine schwanger und die andere unfruchtbar ist. Findet sie heraus aufgrund ihres Pulses!“ Sie erwarten nämlich vom Arzt, dass er von jeder Person wisse, was nur Gott bekannt ist, und zwar in einem solchen Maße von Vollkommenheit, dass nichts hinzugefügt noch abgezogen werden muss. Sie begnügen sich nicht mit dem, was der Arzt aufgrund des Augenscheines konstatiert; denn sie verstehen nicht, dass die Medizin eine Kunst des Möglichen ist. Wenn die Medizin zu Heilerfolg verhilft, dann tut sie das, wie sie sagen, notwendigerweise. (S. 134) 40 Al-Mu¿tar b. al-¾asan b. ‘Abdūn b. Sa‘dūn Ibn BuÔlān (gest. 1066) Taqwīm aÈ-Æi½½a ( ) (Tabellarische Übersicht der Gesundheit, latinisiert „Tacuinum sanitatis“) Von den sechs Dingen, die ein jeder Mensch braucht, seine tägliche Gesundheit zu erhalten, von ihren Wirkungen und von ihrem Ausgleich. Vorrede Wer seine Gesundheit erhalten will, der muss als erstes Sorge tragen für die richtige Behandlung der Luft, die unser Herz berührt und ohne Unterbrechung außen und innen umfängt. Die zweite Sorge muss dem Ausgleich der Wirkungen von Speise und Trank gelten. Die dritte dem Ausgleich von Ruhe und Bewegung. Die vierte, wie man Wachen und Schlafen im Übermaß verhindert. Die fünfte, wie man den Körper von überschüssigen Säften befreit beziehungsweise wie man den trockenen Körper wieder mit Säften anfüllt. Die sechste Sorge muss sein die Erhaltung des Gleichmutes gegenüber Freude, Zorn, Furcht, Angst und anderen inneren Affekten. Denn wenn alle diese Dinge in einem ausgewogenen Mittelmaß sich befinden, dann ist der Mensch gesund. Wenn von diesem Mittelmaß abgewichen wird, so entstehen Krankheiten nach dem Ratschluss des obersten und mächtigsten Gottes. Und von jeder dieser Gattungen gibt es viele Arten, die wir, wenn es Gott gefällt, aufzählen wollen, da es sehr wichtig ist, ihre Natur zu kennen. Wir wollen auch ausführen, welche ein jeder nach seiner Komplexion und Lebensalter auswählen soll. Und das alles wollen wir in kurz gefassten Tafeln aufzeigen, denn das Gerede der Gelehrten bringt den Zuhörern nur viel Überdruss, wie auch die oft widerstreitenden Buchweisheiten. Denn die Menschen interessiert von der ganzen Wissenschaft nur das, was unmittelbaren Nutzen bringt, und nicht Experimente und Definitionen. So ist es unsere Absicht, in diesem Buch die langen Reden abzukürzen und verschiedene Meinungen in Einklang zu bringen. Aber wir wollen auch nicht von der Weisheit der Alten abweichen. So haben wir nichts anderes vor, als zu ordnen, zusammenzutragen, die Fragestellungen abzukürzen, zum Guten hinzuführen, um das gesagte zu bekräftigen. Auch wollen wir nicht den Ansichten jener Leute folgen, die sehr unterschiedliche Meinungen vertreten. Darum rufen wir Gott um Hilfe an, dass er unseren Verstand richtig führe, denn die menschliche Natur ist nicht von Fehlern verschont. Die Veränderungen, die wir vorgenommen haben, sind unserer bescheidenen Absicht angemessen, in der uns Gott, der Herr, bestärken möge, und er helfe uns nach seinem Willen. Der Mensch wird von den Weisen oft mit dem Mond verglichen. Bisweilen hat er eine Disposition, die seine Natur aus unserer Sicht zerstören, wie etwa bei Finsternissen, dann () Im europäischen Mittelalter gehörte das Werk Taqwīm al-Èi½½a von Ibn BuÔlān (gest. 1066) in der lateinischen Übersetzung zu den viel gelesenen und hochgeschätzten Texten. Eine neue Blüte erlebte es im 16. Jahrhundert und 1533 erschien eine neue deutsche Übersetzung von Michael Herr, einem Arzt und Schriftsteller. Dieser Textabschnitt stammt aus dieser Übersetzung, in den heutigen Sprachgebrauch übertragen von Hans Zotter. Zotter, Hans (Hrsg.): Das Buch vom gesunden Leben. Die Gesundheitstabellen des Ibn Butlān in der illustrierten deutschen Übertragung des Michael Herr. Nach der bei Hans Schott erschienenen Ausgabe 1533, Graz 1988. 41 hat er wieder Dispositionen, in denen er seine Natur zu vervollkommnen scheint, wenn er etwa der Sonne gegenübersteht und voll ist. Ebenso hat er die Disposition, voranzuschreiten zur Vollendung oder einer Vollkommenheit, wie vom Halbmond zum Vollmond, und auch zum Gegenteil. Genau so ergeht es dem menschlichen Körper. Denn einige Dinge zerstören ihn, wie etwa Gifte, andere erhalten ihn, wie Speise und Trank. Einige schädigen ihn anfänglich, wie z.B. die Brechmittel, um ihm schließlich zu helfen. Anderes wiederum hilft anfänglich und entfaltet seine schädliche Wirkung erst später, wie etwa Arzneien, die eine Speise sind. Deshalb muss ein jeder wissen, was an jedem Ding von Nutzen ist, damit man sich besser bediene, und was an dem Ding für Schaden sei, damit man diesen vermeide. Deshalb lehrte und der allmächtige Gott, dem guten Leben nachzustreben und das schlechte Leben zu fliehen. So will ich nun mit Gottes Hilfe beginnen, Tabellen zusammenzustellen, die Speisen und Getränke und andere notwendige Dinge beinhalten, in entsprechenden Gruppen zusammengefasst; zum handlichen Gebrauch für Könige und große Herren, die ganz ähnliche Tabellenwerke in gebrauch haben. Die Tabellen sind in einzelne Rubriken geteilt: in die erste setze ich die laufende Nummer des Abschnittes, dem die beschriebene Sache angehört. in der zweiten Rubrik steht der Name der Sache, in der dritten ihre Natur, in der vierten ihre Grade. In der fünften Rubrik wird die beste Qualität der Sache bezeichnet, in der sechsten ihre positiven Wirkungen, in der siebenden die schädlichen Nebenwirkungen. In der achten Rubrik findet man die entsprechenden Gegenmittel, in der neunten, welche Säfte durch die Sache erzielt werden. In den folgenden vier Rubriken stehen die besondere Zuträglichkeit nach Komplexion, Alter, Jahreszeit und Natur des Landes. In der vierzehnten Rubrik finden sich die Meinungen verschiedener Gelehrter, in der fünfzehnten die Vorzüge und Eigenschaften der besprochenen Dinge. Danach will ich den Simplicia und den allgemein gültigen Regeln einen Platz einräumen. Diese Rubrik zeigt in der ersten Spalte die Art oder das Wesen der Sache, auch wie die Astrologen davon denken. Und davor will ich eine Gruppe zusammenstellen, von den Dingen, von denen zu sprechen sein wird und die wir alle gesehen haben. Zuerst wollen wir beginnen, einfach von den speisen, dann von den sechs nichtnatürlichen Dingen, nach der Ordnung und Gewohnheit der Menschen, die diese gebrauchen, essen und trinken, oder sonst wie in ihren Wohnungen. Und wir wollen die Zahl der Grade wiederherstellen, nach dem Gebrauch der Inder. Für die Namen der angeführten Gewährsleute wollen wir nur einen Buchstaben setzen, die wir dann am Ende des Buches mit Gottes Hilfe wieder auflösen werden. (S. 156) 42 ‘Alī Ibn Ri±wān (998-1068) On the Prevention of Bodily Ills in Egypt ( ) Introduction In the name of God, the Merciful and the Compassionate. The book of ‘Alī ibn Ri±wān concerning the ways for preventing bodily ills in Egypt. ‘Ali ibn Ridwan said: Our objective is to give a brief account of the ways of preventing physical illnesses in Egypt. It is necessary first to set forth the causes for these maladies, so that we may be able to learn stratagems for their prevention. We ask God for help and for the happy outcome of what we seek. He is the sponsor of fulfillment by His grace and power. […] If our book is of the kind that we have described, the need for it is imperative for the elite and the common people of Egypt, as well as for the foreigners who come here, in order to maintain the health of their bodies and to remove their illnesses. The ones who most need this book are the doctors, for the required treatment cannot be know without a knowledge of the temperament of the country and what particularly occurs in it. […] A Summary of All That Has Been Said and Addition to the Commentary on the Six Causes that Determine Health and Illness If these things are as we have described, it is desirable that we add a brief excursus on the six causes. The state of the body’s temperament is good in the balanced air; the digestion improves because the light animal spirit that is in us becomes clear; and the natural heat spreads through the body in moderation. The air that deviates from the balance changes the bodies that are nor accustomed to it but does not harm the bodies that are used to it, unless they are greatly susceptible to disease or are liable to deviate immoderately from their normal functioning. Likewise, concerning the statement about what is eaten and drunk, if people become accustomed to specific foods and their bodies grow up with them, they fall ill when these foods are not available. Also, customary physical exercise may be a reason for good health because it dissolves the superfluities and smoky vapors that collect in the body. The limbs of one who has become habituated to physical exercise are firmer and stronger. Therefore, the peasants and all other workmen have greater strength and spirit (29a) than the people of leisure and luxury; the superfluities in their bodies are less. Moderate quiet makes bodies healthy and strong. Being excessively sedentary, however, does not allow the vapor to evaporate, so that congestion of the superfluities occurs, which causes harm to the body. For this reason, sedentary bodies become much more susceptible to illnesses. Consequently, quiet and leisured Egyptians more readily fall victims to illness. Excessive physical exercise also harms the bodies because it exhausts them and generates smoky superfluities in them. () Dols, Michael W. (Trans.): Medieval Islamic Medicine, Ibn Ri±wān’s Treatise “On the Prevention of Bodily Ills in Egypt”, Berkeley 1984. 43 If sleep and wakefulness are balanced, they produce and preserve health. When asleep, digestion improves because of the descent of heat to the interior; wakefulness dissolves the superfluities of digestion because of the ascent of heat to the exterior. Excessive sleep cools the body, and the superfluities increase in it; excessive wakefulness makes the body dry and spoils its digestion. The teaching about retention and evacuation is similar, for if the superfluities retained in the body are excessive, they spoil digestion and decay rushes to them. If what is evacuated is more than what is retained, it is inevitable that this surplus is from the essence (29b) of the humors of the body itself, which are very vital to the body; consequently, their evacuation causes illness to occur. Therefore, what is retained should be equal to what is evacuated. Galen and other physicians said that in the winter many viscid, phlegmatic substances and filth gather in the body and stick fast in the stomach, the vessels, and the veins, as viscid and filthy substances stick fast in the watercourses of canals and drains. When spring begins, it dissolves these phlegmatic, viscid humors; then, it increases the amount of blood. The filth that accompanies the humors putrefies them; therefore, it is necessary to evacuate these before they change the blood. The vessels and veins should be cleansed of their recurring filth by purgative medicines. Likewise, in the summer fierce humors and harmful filth collect in the body and remain in the bottom of the stomach, vessels, and veins. When autumn begins, the change of the air stirs them up and burns many of them. Because of this, it is necessary that they be evacuated (30a) before they cause harm to the body. Thus, it is desirable that every year the bodies be emptied in the spring and autumn, so that the vessels are cleansed of their filth and purged of the bad things that persist in them. There is one kind of purgative that should be used in the autumn and another kind that should be used in the spring. […] The psychic evens, such as anger, sadness, (30b) and joy, do not create illness if they do not go beyond the proper bounds. It is desirable that the people of Egypt increase their gaiety and joy in order to strengthen the natural heat of their bodies, for the digestion improves, and the congestion in their bodies lessens. It is evident from what we have said that every one of the six factors produces and sustains good health if its quantity and quality are well balanced. When they deviate from what is appropriate, they bring about illness. Therefore, the customary and epidemic illnesses of Egypt, and other illnesses as well, increase and decrease according to the degree of one’s awareness of these factors and his negligence or attention to them. For example, whoever increases the consumption of food that produces black bile, his body is susceptible to melancholic illnesses. This is the case with the other causes. These six factors may change the temperament of man, his aging, his physical constitution, and his habits; they may affect the influence of the current season and the temperament of male and female. What we have said of these important things is sufficient. 44 Sā‘id Ibn al-¼asan (gest. 1072) Kitāb at-TaÊwīq aÔ-Óibbi (Die Wachrufung der Sehnsucht nach der Medizin) ( ) 11. Kapitel: Kurzgefasste Ratschläge, welche demjenigen, der sich danach richtet und sie beobachtet, für die Gesundheit von Nutzen sind und ihn davor bewahren, in die Hände der törichten Ärzte zu fallen. Wir verfolgen mit den hier kurz zusammengefassten Sätzen über die Regeln der Erhaltung der Gesundheit den Zweck, den, der sie zusammen mit dem Vorangegangenen gelesen hat, anzuspornen, sich mit der Heilkunst zu befassen und ihn davor zu bewahren, sich selbst einem derjenigen Ärzte auszuliefern, welche die Seelen der Kranken beherrschen. Wenn man das, was darin vorkommt, ausführt, sich an ihre Regeln hält, sich nicht erkühnt, ihnen zu widersprechen und nicht zügellos seine Begierden befriedigt, ist glücklich, wer ermahnt wird dann die Ermahnung annimmt und erfolgreich, wem ein guter Rat gegeben wird und ihn annimmt. Gott führt auf den Weg des Erfolges und verleiht Erfolg bei der Ausübung von Wohltätigkeit und Frömmigkeit. Diese Anweisung haben wir nur für diejenigen geschrieben (45 b), die sie anzuwenden imstande sind. Diejenigen aber, die sie nicht ganz anwenden können, mögen das leicht Ausführbare anwenden. Gott ist der Helfer. Ich behaupte, dass die gesunden Körper im allgemeinen ihre Gesundheit mit den ihrem Wesen gemäßen Dingen erhalten, nämlich dass sich der Betreffende in gemäßigter Luft aufhalten soll, die weder so heiß ist, dass sie ihn bedrückt und ihn zum Schwitzen bringt, noch so kalt, dass er eine Gänsehaut bekommt, vielmehr soll es eine gesunde, reine und angenehm einzuatmende Luft sein. Wenn die Luft zu jener Zeit zu warm ist, durch Erwärmung. Er soll sich vor ansteckender Luft hüten und vor solcher, mit der sich schlechte Dämpfe und üble Gerüche vermischen. Er soll seine Leibesübung dann ausüben, wenn er das Essen vom Vortag gründlich verdaut hat, und nachdem der Körper den Überschuss der Speise abgegeben und ausgeschieden hat. Er soll sich davor hüten, die körperlichen Übungen hungrig auszuüben. Seine Übung (46 a) soll maßvoll sein, so dass sich die Schlacken seiner Glieder auflösen und die natürliche Wärme sich verstärkt. Das kann entweder durch mäßiges Laufen oder Reiten erfolgen, wobei und wodurch man weder Erschöpfung noch übermäßige Ermüdung oder ähnliches empfinden darf. Man soll die Leibesübungen ausüben, muss sie aber nach dem Essen vermeiden. Man soll in einem mäßig temperierten Bad baden und sich nicht lange darin aufhalten. Das Badewasser soll angenehm und lauwarm sein. Wenn man seinen Körper von Schweiß und Schmutz gereinigt hat, soll man eilends herauskommen. [...] (46 b) Die Nahrung soll mittelmäßig in ihrer Beschaffenheit sein, d.h. dass sie nicht übermäßig heiß, kalt, feucht und milde ist. Dennoch soll die Nahrung im Sommer in der Wirkung kalt, im Winter in der Wirkung () Taschkandi, Schach E. (Übers.): Übersetzung und Bearbeitung des KitÁb aÔ-TašwÍq aÔ-ÓibbÍ des ÆÁ‘id ibn al-¼asan, ein medizinisches Adabwerk aus dem 11. Jahrhundert, Bonn 1968, S. 142-149. 45 warm sein, wobei es am geeignetsten in der kältesten Zeit des Tages ist. Er soll darauf achten, dass die Ausgeglichenheit seines Stuhlganges oder seiner Verstopfung im Einklang mit seinem jeweiligen Zustand steht, bevor er sich der Speise bedient. Ich bin nicht imstande, das zu bestimmen und in der notwendigen Weise in einer derartigen kurzen Darstellung zu erläutern. Wenn ihm keine gemäßigten Speisen zur Verfügung stehen und die Notwendigkeit es erfordert, heiße Speisen zu essen, soll er durch eine kalte Speise einen Ausgleich schaffen und umgekehrt; ebenso verhält es sich bei Feucht und Trocken. Alles das, was der gesunde Mensch gern isst und schmackhaft findet oder woran er sich gewöhnt hat (47 a), ist nützlicher als das Gegenteil. Überhaupt soll er keine Speisen zu sich nehmen außer bei richtigem Hunger und nach starker Verdauung. Die leicht verdaulichen Speisen soll man den schwer verdaulichen vorziehen, z.B. soll man der Aprikose und der Melone vor dem Brot und Fleisch den Vorzug geben sowie die den Leib erweichenden Speisen (d.h. den Durchfall fördernden) vor den Stuhlgang hemmenden, z. B. die gekochten und mit Öl verfeinerten Hülsenfrüchte und die Konfitüre vor Quitten und Birnen verwenden. Ebenfalls soll man wegen der Kälte des Magenmundes (fam al-mi‘da) und wegen der Wärme der Magengrube (qa‘r) grobe Nahrung vor der feinen vorziehen, wie man z.B. Hammelfleisch vor Geflügel stellt und Rindfleisch vor Hammelfleisch. Beim Essen darf man kein Wasser trinken, bis das Essen im Magen liegt, außer bei übermäßigem Durst. Man soll auch kein Wasser auf nüchternen Magen Trinken, nicht beim Erwachen in der Nacht und nicht nach dem Geschlechtsverkehr. Nach dem Essen soll man jede übermäßige Bewegung des Leibes und der Seele vermeiden, z.B. Anstrengung, Baden, (47 b) Geschlechtsverkehr und Zorn. Zu den Weisheiten der Inder gehört ihre Lehre, der überreichliche Genuss von trockenen Speisen nehme die Kraft fort und mache blass und trockne den Leib aus; überreichliches Fett mache faul und appetitlos. Der übermäßige Genuss von salzigen (Speisen) schade dem Sehvermögen. Zuviel Scharfes und Saures lasse schneller altern. Auch untersagten sie, etwas zu essen, was in Wasser mit Honig gelegt war, und dass man Milch mit etwas Saurem vermischt isst, weil das Ausschlag verursachte, oder dass man geronnene Milch mit Rettich oder etwas, was sich in einem Messinggefäß befindet, isst. Man röste kein Fleisch auf der glühenden Kohle des Rizinusholzes (½aÔab al-¿irwa‘). Man trinke kein Brunnenwasser auf Flusswasser und kein Flusswasser auf Brunnenwasser. Man trinke kein kaltes Wasser auf nüchternen Magen, denn es magert den Körper ab und löscht die Wärme des Magens. Was nun die Getränke anbelangt, so ist der Ort hier zu knapp, all ihre Vorteile, Nachteile, und Anwendungsarten in Betracht zu ziehen. Indessen ist es am bekömmlichsten, sie drei bis vier Stunden (48 a) vor der Einnahme der Speise zu sich nehmen. Am empfehlenswertesten ist es, Palmblätter- (¿ūÈ) und Rosenwasser, weder zu alt noch zu jung und mittelmäßig in Konsistenz und Konstitution, zu trinken. Man soll soviel trinken, wie es einem angenehm ist, aber Trunkenheit und Trunksucht [beim Getränk] vermeiden. Zwischen Quitten, Äpfeln, Birnen, Mispeln, Granatäpfeln und deren gleichen soll man 46 abwechseln. Schlafen soll man zu der Zeit, wenn man das Bedürfnis nach Schlaf verspürt; denn der Schlaf zählt zu den hilfsreichsten Verdauungsmitteln. Zunächst soll man auf der rechten Seite schlafen, dann schlafe man auf der linken Seite. Man soll sich davor hüten, sich während des Schlafens von einer Seite auf die andere zu wälzen, denn das verursacht Blähungen. Man soll weder übertrieben lange schlafen, noch übermäßig lange [die Nacht über] schlaflos bleiben. Man darf sich nicht gegen Erbrechen eines Überschusses wehren, wenn man das Bedürfnis der Natur spürt, ihn auszustoßen; vielmehr muss man jenes untersuchen und wenn man dabei einen Mangel (48 b) oder ein Übermaß feststellt, so soll man sich darum kümmern (d.h. Abhilfe schaffen). Man darf den Geschlechtsverkehr nicht häufig ausüben noch darf man ihn in dem Masse unterlassen, dass man wegen seiner Unterlassung einen Schaden erleidet, wie die Anschwellung der beiden Harnleiterkanäle (waram al-½ālibain), Rückenschmerzen (wağa ‘aã-ãahr) und Trägheit, vor allem für denjenigen, der die Gewohnheit hat, ihn häufig auszuüben. Das Beste an seiner Ausübung ist, wenn man danach Ruhe, Entspannung, Munterkeit und Behendigkeit (suhūlat al½araka) empfindet. Am schädlichsten dabei ist, wenn man nachher Schwäche, Ermattung, Schlaffheit, Kopfweh (Èuda‘) und Schwindel (duwār) empfindet. Man soll ihn nur dann ausüben, wenn der Körper sich in der Mitte aller Zustände befindet, d.h. der Körper darf sich nicht in übermäßiger Wärme, Kälte, Feuchtigkeit oder Trockenheit befindet, oder er darf nicht erfolgen nach Schlaflosigkeit, Müdigkeit, heftigem Hunger und übermäßiger Sattheit. Wenn das Verlangen einen veranlasst, ihn auszuüben, so ist es angemessener, das der Körper bereits warm, als dass er kalt ist; es ist besser, dass er feucht, als dass er trocken ist. Es ist besser, das der Verkehr nach dem (49 a) Ausruhen, Schlafen oder bei Sattheit erfolgt, als wenn es das Gegenteil ist. An seelischen Eigenschaften soll man haben: Freude, Urteilskraft und [Lust zum] Prüfen des Geistes mit maßvollen Gedanken über geistvolle Ideen. Man übertreibe nicht in Zorn, Kummer, Schlaflosigkeit und verharre nicht darin. In allem, was wir erwähnt haben, hat die Gewohnheit eine starke Macht; darum lasse man sie an den ärztlichen Maßnahmen (tadbīr) Anteil haben. Wenn es sich um eine gute Gewohnheit handelt, soll man bei ihr bleiben; wenn es sich aber um eine schlechte handelt, soll man sich Schritt für Schritt von ihr entfernen und zum gemäßigten Zustand übergehen. Diese Gesundheitsmaßnahme kann nur der Arzt durchführen. Bestünde nicht die Furcht vor Weitschweifigkeit, so hätten wir die Abhandlung umfassender dargelegt und die Gründe und Ursachen dieser Dinge erläutert und gründlich das untersucht, was noch übriggeblieben ist. Wer aber das (d.h. die gründliche Untersuchung) vorzieht, soll die Heilkunst studieren. 47 Abū-¼āmid Mu½ammad Ibn-Mu½ammad Al-Ghazzālī (gest. 1111) Kitāb Ādāb al-Akl (Über die guten Sitten beim Essen und Trinken) ( ) Im Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen! [...] Das Ziel der Einsichtigen ist, vor Gott dem erhabenen im „Haus der Belohnung“ zu erscheinen, der Weg aber, um vor Gott zu treten, bietet sich nur durch die Erkenntnis Gottes und das Handeln in seinem Sinn; und sich diesen beiden Dingen eifrig zu widmen, ist nur möglich bei einem gesunden Körper; die Gesundheit des Körpers wiederum ist nur durch die Nahrung und den Lebensunterhalt gewahrt. Man nimmt sie je nach Bedarf zu gewissen wiederkehrenden Zeiten zu sich, so dass einer der frommen Altvorderen von diesem Gesichtspunkt aus sagt: „Das Essen gehört mit zu den religiösen Dingen“. Darauf weist auch das Wort des Herrn der Welten hin – und er ist der zuverlässigste von allen, die reden –: „Esst von dem Lauteren und tut das Gute!“ So soll derjenige, der sich zum Essen anschickt, ihn um Beistand bitten, um diese Erkenntnis und dies Handeln zu erlangen und damit er dadurch in der Gottesfurcht gestärkt wird. Er darf sich etwa nicht so weit vernachlässigen und gänzlich gehen lassen, dass er wie die Tiere auf der Weide ohne Zucht und Sitte isst; vielmehr ist das essen ein Mittel, um das Seelenheil zu erlangen, und verschafft den Zugang dazu. Notwendig ist daher, dass das Licht wahrer Religiosität dabei obwaltet, denn nur dies zeigt hier die Sitten und Bräuche, die den Menschen im Zaume halten und den Gottesfürchtigen am Zügel, so dass er mit der Wage des göttlichen Gesetzes die Essensbegierde abwägen kann, ob er ihr (S. 3) nachgeben oder sie unterdrücken soll, und sie auf diese Weise zum Abwehrmittel der Sünde wird und die Belohnung nach sich zieht, mag auch darin das reinste Glück der Sinnenseele (Nafs) liegen. Der Gepriesene sagt nämlich: „Der Mann wird sogar für den Bissen belohnt, den er zu seinem Monde führt sowie zum Munde seiner Frau“; aber das nur, wen es aus wahrer Religiosität und für sie geschieht, und er dabei die guten Sitten und Essensvorschriften beachtet. [...] ( S. 4) Verschiedene gute Sitten und Verbotenes vom medizinischen und Gesetzlichen Gesichtspunkt [...] Es sagte al-¼adjdjādj zu einem Arzt: „Verschreib mir etwas, was ich einnehmen soll, aber wobei ich mir eine gewisse Beschränkung auferlegen muss!“ Er antwortete: „Heirat von den Frauen nur ein junges Mädchen, iss vom Fleisch nur junges, iss das Gekochte nicht, bevor es gut gar ist, trink eine Medizin nur bei einer Krankheit, iss vom Obst nur das reife, () „Kitāb Ādāb al-Akl“ ist das 11. Buch von al-Ghazzālīs Hauptwerk I½yā’ ‘ulūm ad-dīn. Kindermann, Hans (Übers.): Über die Guten Sitten beim Essen und Trinken, Leiden 1964. 48 iss eine Speise nur, wenn du sie gut kaust, und ebenso alles, was du gern isst, und trink nicht dabei; und wenn du trinkst, so iss nicht dabei; halt auch nicht den Stuhl und den Urin zurück; und wenn du am Tage isst, so schlaf; und wenn du bei Nacht isst, so geh, bevor du schläfst, und seien es nur 100 Schritt!“ In diesem Sinne ist das Wort der Araber zu verstehen; „Isst du am Morgen, streck dich aus; isst du zu Abend, geh (hinaus)“, wo tamadd = tamaddad, wie im Worte Gottes zu Erhabenen: „Alsdann ging er zu seiner Familie, stolzen Ganges“ yatamaÔÔā = yatamaÔÔaÔ“ ist. – Und es heißt, dass das Zurückhalten des Urins den Körper schädigt wie ein Fluss seine Umgebung, wenn sein Bett verstopft ist. In der Tradition heißt es: „Das Unterbrechen der Adern führt zum Siechtum und das Unterlassen der Abendmahlzeit zum Kräfteverfall“. Und die Araber sagen: „Das Unterlassen der Nahrung lässt das Fett der Kādha, d.h. der Hinterbacke, schwinden“. Einer der Ärzte sagte zu seinem Sohn: „O mein Söhnchen, geh nicht eher aus deinem Haus heraus, als bis du deine (würdevolle) Gesetztheit (¼ilm) erlangt hast, d.h. bis du gut ernährt worden bist, denn dadurch hat al-¼ilm Bestand und hört die Unstetigkeit auf; und das führt auch seltener zum Verlangen nach dem, was man auf dem Markte sieht“. – Ein Arzt sagte zu einem Dicken: „Ich sehe auf dir Samt vom Weben deiner Backzähne; woher kommt das?“ Er antwortete: „Ich esse das Mark des Weizens, die Jungen der Ziegen, ich salbe mich mit einem Kelch voll Veilchenöl, und ich trage Leinenkleider“. „Die Krankendiät schadet dem Gesunden, wie ihre Unterlassung dem Kranken schadet“, so heißt es. Ein anderer sagt: „Eine Diät, die einem sicher nicht schadet, aber deren heilende Wirkung bezweifelt wird, ist vom Standpunkt der Gesundheit aus zu billigen“. (S. 39) 49 Ğalāladdīn as-Suyūtī (d. 1505) AÔ-Óibb an-Nabawī (Medicine of the Prophet) ( ) Preface In the name of God, the Beneficent, the Merciful. Praise be to God who has given existence to every soul and has inspired each towards good acts, and has taught what is for their good and what is for their harm, what causes sickness and what causes health, and has given death and bestowed new life. And I bear witness that there is no God but God, and that He is One and without a Partner. And I bear witness that Mohamed is His Prophet and His worshipper. He has sent him with mercy for whosoever is fit for mercy and with punishments for whosoever deserves punishment. May the mercy of God be upon him and his family for ever until the Day of the Resurrection and the Day of Good Tidings. And next. It is obligatory upon every Moslem that he draw as close to Almighty God as he can and that he put forth all his powers in attention to His commands and obedience to Him and that he make the best use of his means and that he succeed in drawing near to Him by conforming to what is commanded and refraining from what is forbidden and that he strive for what gives benefit to Mankind by the preservation of good health and the treatment of disease. For good health is essential for the performance of religious obligations and for the worship of God. Verily I have relied upon God in my collection of some of the wise medical sayings of the Prophet. Whatever is required for the preservation of good health and whatever is opposed to good health, are all found here. (S. 48) The state of the Body of Man The second of the four headings into which Theoretical Medicine is divided deals with the theory of the Body of Man. Three states of the Body are possible–health, disease, and a condition which is neither health nor disease, that is, convalescence and old age. Now, health is a physical condition in which all the functions are healthy. Restoration to health is the best gift of God to Man. It is impossible to act rightly and to pay proper attention to the obedience due to the Lord except when health is present. There is noting similar. Let the worshipper give thanks for his health and never be ungrateful. Said the Prophet: There are two gifts of which many men are cheated-health and leisure. Al-Bukhari extracted this tradition. Said the Prophet: There are worshippers of God whom he protects from death in battle and from sickness. He makes them to live in good health and to die in good health, and yet He bestows upon them the seats of His martyrs. () Elgood, Cyril (Trans): Tibb-ul Nabbi or Medicine of the Prophet, in: Osiris 14 / 1962: 33-192. 50 Said Abu Dard: O Prophet, if I am cured of my sickness and am thankful for it, is it better than if I were sick and bore it patiently? And the Prophet replied: Verily the Prophet loves good health, just as you do. The Prophet also said: Ask God for forgiveness and health. After security of faith nothing better is given to a man than good health. This is told by al-Nasa’i. No petition is more pleasing to God than a request for good health is assaying reported by al-Tirmidhi. A certain Bedouin once asked the Prophet, saying: O Prophet of God, what petition shall I make to God after I have finished the prayer? And he replied: Ask for good health. Among the wise sayings of the Prophet David are the following: Health is a hidden kingdom. And again: Sadness for one hour ages a man by one year. And again: Health is a crown on the heads of the healthy, only seen by the sick. And again: Health is an invisible luxury. (S. 51) Some of our ancestors used to say: How many rich gifts has God places beneath every vein. And indeed may God give us health in the Faith in this life and in the next. As for Disease, it is a state just the opposite to this. It originates from want or misdeed or from misfortune. The Aetiology of Disease The third of the four headings into which Theoretical Medicine is divided deals with the theory of Causes or Aetiology. Now, the Causes are six. The first of these is Air. Air is essential to keep the soul evenly balanced. For as long as air remains pure, no debility is mixed in it and no foul wind. It is an unrecognised protection. Every season produces diseases compatible with it and expels what is incompatible. Thus, summer breeds bile and causes bilious diseases, but cures cold diseases. And the like can be said of the other seasons. Cold air is strengthening and improves the digestion. Hot air does just the reverse. A change in the Air is a cause of Pestilence. And if God will, that will be described later. The second Cause is Food & Drink. When hot, these produce heat in the body. And vice versa. The third Cause is Bodily Movement & Rest. Movement breeds warmth in the body. And vice versa. The fourth Cause is Emotional Movement & Rest, as occurs in cases of anger, joy, apprehension, grief, and modesty. These states set the soul in motion, internally indeed but apparent externally. I will revert to these later if God wills. The fifty Cause is Waking & Sleeping. Sleep causes the soul to bubble within the body, although it cools the outside. Hence the sleeper requires some outer garment. Wakefulness is just the reverse of this. The sixth Cause is Excretion & Retention. A balance between these protects health. (S. 52) 51 Die Volksliteratur „1001 Nacht“ Märchen aus Tausendundeiner Nacht sind seit dem 18. Jahrhundert auch in der Europa bekannte Literatur. Diese Volksgeschichten liefern uns nicht nur reiches ethnologisches und kulturgeschichtliches Material, sondern informieren uns auch über die philosophischen, theologischen und juristischen Themen sowie Kenntnisse im Bereich Astrologie, Medizin und Pharmazie aus jener Zeit. Der Ursprung dieser Geschichten ist zu vorislamischer Zeit bis nach Persien, Mesopotamien, Syrien, Arabien und Ägypten zurückzuführen. Die Entstehung dieser Geschichten in der islamischen Tradition schätzen Experten Ende des 10., 11. Jahrhunderts oder vielleicht noch später. In der folgenden Geschichte wird eine Sklavin, mit dem Namen Tawaddud, ein Muster an äußerlichen Reizen und ungewöhnlicher Gelehrsamkeit, nach ihrem Wissen über Medizin von einem kundigen Arzt in Anwesenheit des Khalifen HÁrÚn al-RašÍd (reg. 786-809) geprüft. Dieser kurze Textabschnitt aus der islamischen Volksliteratur liefert uns einige interessante Grundkenntnisse über den menschlichen Körper und Regeln für eine gesunde Lebensführung. Der von Enno Littmann übersetzte Text wird im Buch „die Ärzte des Propheten“ von Dietrich Brandenburg zitiert (S. 183-187). (449. Nacht:) Arzt: Wir sind fertig mit der Theologie; nun schicke dich an zur (Anatomie und) Physiologie. Sage mir also, wie der menschliche Leib beschaffen ist: wie viel Adern hat er, wie viel Knochen, wie viel Rückenwirbel? Wo ist der Hauptader, und weshalb erhielt Adam den Namen Adam? Tawaddud: Adam erhielt seinen Namen wegen seiner udma, das ist seiner rötlichen Farbe; nach anderen auch, weil er aus dem adîm der Erde geschaffen wurde, das ist aus ihrer obersten Bodenschicht. Seine Brust wurde aus der Erde der Kaaba gebildet, sein Haupt aus der Erde des Ostens, seine Beine aus der Erde des Westens. Sieben Türen wurden für sein Haupt geschaffen: die beiden Augen, die beiden Ohren, die beiden Nasenlöcher und der Mund. Ferner erhielt er zwei Auswege des Leibes, einen vorn und einen hinten. Die Augen für den Gesichtssinn bestimmt, die Ohren für den Gehörssinn, die Nasenlöcher für den Geruchssinn, der Mund für den Geschmackssinn und die Zunge dazu, dass sie ausspreche, was im Herzen des Menschen verborgen ist. Die Natur Adams ward aus einer Mischung von vier Elementen geschaffen, und die sind: das Wasser, die Erde, das Feuer, die Luft. Die gelbe Galle ist das Temperament des Feuers, denn sie ist heiß und trocken; die schwarze Galle ist das Temperament der Erde, denn sie ist kalt und trocken; der Schleim ist das Temperament des Wassers, denn er ist kalt und feucht; das Blut ist das 52 Temperament der Luft, denn es ist heiß und feucht. Im Menschen sind 360 Adern erschaffen, 240 Knochen und 3 Seelen, die animalische, die geistige und die natürliche; und einer jeden von ihnen wies Allah eine bestimmte Funktion zu. Ferner erschuf Er ihm ein Herz, eine Milz, eine Lunge, 6 Eingeweide, 1 Leber, 2 Nieren, 2 Hinterbacken, Gehirn, Knochen, Haut und 5 Sinne: Gehör, Gesicht, Geruch, Geschmack und Gefühl. Das Herz legte Er auf die linke Seite der Brust, den Magen vor das Herz und machte die Lunge zu einem Fächer für das Herz; die Leber legte Er auf die rechte Seite, gegenüber dem Herzen. Ferner schuf Er ihm das Zwerchfell und die Eingeweide, setzte die Brustknochen zusammen und vergitterte sie mit Rippen. (450. Nacht) [...] Arzt: Sage mir ferner, welches sind die äußeren Merkmale und Symptome, durch die man die Krankheit erkennen kann, sei es, dass sie in den äußeren oder inneren Körperteilen ihren Sitz hat? Tawaddud: Nun wohl, wenn der Arzt ein Mann von Verstand ist, so untersucht er den Zustand des Leibes und gewinnt seine Merkmale dadurch, dass er die Hände betastet, je nachdem sie straff, heiß, trocken, kalt oder feucht sind. Durch sinnliche Wahrnehmung kann man auch Merkmale innerer Krankheiten gewinnen: so deutet z.B. die gelbe Farbe des Weißen in den Augen auf Gelbsucht, und ein gekrümmter Rücken weist auf Lungenkrankheit hin.“ [...] (451. Nacht:) [...] Arzt: Welches sind aber inneren Symptome Tawaddud: Die Erkenntnis der Krankheiten durch innere Symptome wird durch 6 Grundregeln gewonnen: 1. durch Beobachten der Handlungen; 2. der Leibesentleerung; 3. der Art des Schmerzes; 4. der Sitz des Schmerzen; 5. der Geschwulste; und 6. der Ausdünstungen. [...] Arzt: Gut! Sage mir, in wie viele Teile wird die Heilkunst eingeteilt? Tawaddud: Sie wird in 2 Teile eingeteilt: 1. die Wissenschaft kranke Körper zu erkennen; und 2. die Kunst, sie wieder gesund zu machen. [...] Arzt: Nun lass uns zu der Nahrung übergehen, durch die keine Krankheiten entstehen! Tawaddud: Das ist die, so man nicht eher isst, als bis man Hunger verspürt, und die, wenn sie genossen ist, die Rippen nicht füllt, wie denn Galen, der Arzt, gesagt hat: Wer da Speise zu sich nehmen will, der gehe langsam zu Werke; so wird er nicht fehlgehen. Und nun lass uns hier mit dem Ausspruche dessen schließen, auf dem Segen und Heil ruhe: Der Magen ist das Haus der Krankheit, und Diät ist der Heilung Anfang; denn Ursprung aller Krankheit ist Indigestion, das ist Unverdaulichkeit. 53 (452. Nacht:) [...] Arzt: Wie steht es mit dem Wassertrinken? Tawaddud: Trink es nicht mit Gewalt, noch auf einen Zug ohne Halt; sonst wird dich der Kopfschmerz peinigen, und mit ihm werden sich dir noch mancherlei Leiden vereinigen. Trink es auch nicht sogleich, wenn du das Bad verlassen hast, noch nach der Beiwohnung oder dem Essen, vielmehr soll ein junger Mann 15, ein alter Mann aber 40 Minuten warten; ebenso trink es nicht gleich nach dem Erwachen aus dem Schlafe! Arzt: Gut! Nun sprich mir vom Weintrinken! Tawaddud: Genügt dir zum Verbote nicht das, was im Buche Allahs der Erhabenen steht, wo Er sagt: Wein, Glücksspiel, Götzenmale und Feile sind ein Greuel von Satans Werk; meidet sie, auf dass es euch wohl ergehe [Koran V, 91]! Und wiederum spricht der Erhabene: Sie werden dich nach dem Weine und dem Glücksspiele fragen; dann sprich: In beiden liegen eine große Sünde und zugleich ein Nutzen für die Menschen; doch die Sünde in ihnen ist größer als ihr Nutzen [Koran, II, 220] [...] (453. Nacht:) [...] Arzt: „Nun gib mir Auskunft über die Gemeinschaft von Mann und Weib!“ Tawaddud: „Die eheliche Gemeinschaft hat viele Vorzüge und preiswerte Eigenschaften; darunter sind diese: sie erleichtert den Körper, der voll schwarzer Galle ist, sie beruhigt die Liebesglut, führt zu herzlicher Neigung, weitet das Herz und verscheucht die Trauer der Einsamkeit. Ausschweifung im Liebesgenusse ist in den Tagen des Sommers und des Herbstes schädlicher als zur Zeit des Winters und des Frühjahrs.“ 54 Zentrum für Medizinische Ethik Medizinethische Materialien Die unterstrichenen Hefte sind derzeit leider vergriffen und nicht lieferbar, können im Sonderfall aber als Kopie oder e-file geliefert werden. Heft 126: Ilkilic, Ilhan: Das muslimische Glaubensverständnis von Tod, Gericht, Gottesgnaden und deren Bedeutung für die Medizinethik. September 2000. Heft 127: Maio, Giovanni: Ethik und die Theorie des "minimalen Risikos" in der medizinischen Forschung. September 2000. Heft 128: Zenz, Michael; Illhardt, Franz Josef: Ethik in der Schmerztherapie. November 2000. Heft 129: Godel-Ehrhardt, Petra; May, Arnd T.: Kommunikation und Qualitätssicherung im Betreuungsrecht – Ergebnisse einer Befragung zur Mailingliste [email protected]. März 2001. Heft 130: Dabrock, Peter; Klinnert, Lars: Würde für verwaiste Embryonen? Ein Beitrag zur ethischen Debatte um embryonale Stammzellen. Juli 2001. Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine« zu »Money Based Medicine«? März 2002. Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. 2. Auflage Januar 2003. Heft 133: Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002. Heft 134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und Menschenwürde. März 2002. Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002. Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des Sterbens. Juli 2002. Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002. Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der Pharmakogenetik. August 2002. Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen Identitätsethik. August 2002. Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven. März 2003. Heft 141: Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am Lebensende- Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003. Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der Krankenhäuser. Januar 2003. Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003. Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin; Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland. Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung und transparente Umsetzung. August 2003. Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003. Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004. Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in Südkorea. Januar 2004. Heft 148: May, Arnd T.; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu Behandlungsverfügungen. Januar 2004. Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde; Was heißt: In Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004. Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004. Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy. März 2004. Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in der islamischen Tradition. April 2004. Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004. Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004. Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg; Meyer, Frank P.: Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament – Wo steht der Patient? 1. und 2. Auflage Juni 2004. Heft 156: Kreß, Hartmut: Sterbehilfe – Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts in ethischer und rechtspolitischer Sicht. 1. Auflage September 2004, 2. Auflage Februar 2005. Heft 157: Fröhlich, Günter; Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in Klinischer Ethik. Dezember 2004. Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan; Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen Kulturen. 2. Auflage Februar 2005. Heft 159: Lenk, Christian; Jakovljević, Anna-Karina: Ethik und optimierende Eingriffe am Menschen. Ethische Aspekte von Enhancement in der Medizin. 2. Auflage Februar 2005 Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen), 4. Auflage Januar 2005 Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom "Diktat der Menschenverachtung" 1946 zur "Medizin ohne Menschlichkeit" 1960. Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger Ärzteprozesses. 2. Auflage März 2005 Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in Deutschland. Juni 2005. Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen. Januar 2006. Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und Implementierungsschritte. 1. Auflage Januar 2006, 3. Auflage März 2006. Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror. Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. 1. Auflage Februar 2006, 3. Auflage März 2006. Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten, Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006. Bestellschein An das Zentrum für Medizinische Ethik Ruhr-Universität Bochum Gebäude GA 3/53 44780 Bochum Tel: (0234) 32 22749/50 FAX: (0234) 3214 598 Email: [email protected] Homepage: http://www.medizinethik-bochum.de Bankverbindung: Konto Nr. 133 189 035, Sparkasse Bochum BLZ 430 500 01 Name oder Institut: Adresse: ( ) Hiermit abonniere(n) wir/ich die Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Sonderpreis von € 4,00 pro Stück ab Heft Nr.____. Dieser Preis schließt die Portokosten mit ein. ( ) Hiermit bestelle(n) wir/ich die folgenden Einzelhefte der Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Preis von € 6,00 (bei Abnahme von 10 und mehr Exemplaren € 4,00 pro Stück). Hefte Nummer: _____________________________________________ ZUSAMMENFASSUNG In GESUNDHEITSVERSTÄNDNIS UND GESUNDHEITSMÜNDIGKEIT IN DER ISLAMISCHEN TRADITION stellt Ilkilic anhand von Hauptquellen, wichtigen medizinischen Werken und Autoren und der mystischen wie der prophetischen Tradition die philosophischen und theologischen Wurzeln von Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in der islamischen Tradition dar. Einen besonderen Akzent legt er auf Vorschriften für Hygiene und Ernährung, ebenfalls auf die Regeln für eine ausgewogene Lebensweise und für Mäßigkeit. Anschließend diskutiert er die Wechselwirkungen zwischen islamischem Menschenbild und gesundheitlicher Verantwortung sowie deren Bedeutung für die Gegenwart. ABSTRACT In CONCEPT AND PROMOTION OF HEALTH IN THE ISLAMIC TRADITION Ilkilic presents the philosophical and theological roots of the concept and the promotion of health in the Islamic tradition, discussing mayor sources, medical and mystical traditions, and the prophetic tradition. Special emphasis is given to recommendations for hygiene and diet, also for following health care rules in the 'res non naturales' tradition, in particular moderation and a balanced lifestyle. Subsequently, he focuses on the interaction between image of man in the Islamic tradition and on individual responsibility for health and his importance for the present. ISBN: 3-931993-34-5