STUDIEN ZUR DEUTSCHEN GRAMMATIK

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STUDIEN ZUR DEUTSCHEN GRAMMATIK
herausgegeben von
Werner Abraham
Winfried Boeder
Peter Eisenberg
Jacques Lerot
Vladimir P. Nedjalkov
Heinz Vater
GISBERT FANSELOW
Konfigu rational ität
Untersuchungen zur Universalgrammatik
am Beispiel des Deutschen
Gunter Narr Verlag Tübingen
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Fanselow, Gisbert:
Konfigurationalität: Unters, zur Universalgrammatik am Beispiel d. Deutschen /
Gisbert Fanselow. - Tübingen : Narr, 1987.
(Studien zur deutschen Grammatik ; 29)
ISBN 3 - 8 7 8 0 8 - 8 2 9 - 9
NE: GT
© 1987 Gunter Narr Verlag Tübingen
Alle Rechte Vorbehalten. Nachdruck oder Vervielfältigung, auch
auszugsweise, in allen Formen wie Mikrofilm, Xerographie, Mikrofiche,
Mikrocard, Offset verboten.
Druck: Gulde-Druck, Tübingen
Printed in Germany
ISBN 3 - 8 7 8 0 8 -8 2 9 - 9
Für Luise
Vorwort
I
Von Passau aus sind es in den inneren Bayerischen Wald nur ein paar A uto­
m inuten, und wer tote oder kranke Bäume sehen will, findet dort genügend
vor. Oft habe ich mich beim Schreiben dieses Buches gefragt, ob ein Linguistenschreibtischdasein im Jahrzehnt des W aldsterbens, der Pershing II, des
H ungertodes in Afrika überhaupt entschuldbar sein kann.
A ber Linguistik verstehe ich, versteht man im Rahmen der generativen
Gram m atik nicht als entzücktes Erforschen der Frage, ob man brauchen
mit oder ohne zu gebraucht. Linguistik ist ein Teil der kognitiven Psycholo­
gie, und damit Teil eines größeren Forschungsunternehmens zur N atur des
Menschen. Humanbiologie, Psychologie und die Sprachwissenschaft von
Noam Chomsky haben hier in den letzten beiden Jahrzehnten ein klares
Bild entworfen. D er Mensch, so wissen wir heute, ist nicht ein Produkt sei­
ner Umwelt, sondern von G eburt an mit einer reichen, individuellen,
kognitiven Struktur ausgestattet, bei der die Umwelt, wie wir Linguisten
sagen würden, nurm ehr einige offengelassene “Param eter” besetzen kann.
Daraus leitet sich aber, wie Chomsky mehrfach betont hat, eine zutiefst
freiheitliche Ethik ab, und gleichzeitig eine große Hoffnung: alle Menschheitsbeglückungsideologien, die sich basierend auf empiristischen Konzep­
ten den ihnen genehmen Menschen formen möchten, werden letztendlich
scheitern, weil der Mensch eben gerade kein Produkt seiner Umwelt ist.
II
Ein so anspruchsvolles Programm muß konkret ausgefüllt werden. Im
Bereich der menschlichen Sprachfähigkeit hat Chomsky ein Modell für die
Biologie der Sprache entw orfen, und innerhalb dieses Modells gibt es
natürlich eine Reihe von Detailfragen. Die Universalität der Kategorie VP,
also die U niversalität konfigurationaler Syntaxen, gehört dazu.
Meine Auseinandersetzung mit diesem Problem begann in der Vorberei­
tung für ein Treffen des Linguistenzirkels “G enerative Gram m atik im
Süden” , auf dem eben über die Frage “H at das Deutsche eine VP ?” disku­
VIII
tiert werden sollte. E rnsthafter überlegte ich mir die Frage, als ich sah, daß
meine Überzeugung pro-VP in einem argen M ißverhältnis zur Q ualität der
Argumente gegen die VP, die H ubert H aider entw ickelte, stand. Nur in der
Auseinandersetzung mit ihm habe ich dann Punkt für Punkt Zusammentra­
gen können, und ich möchte mich bei H ubert für die Erfahrung bedanken,
daß und wie Wissenschaft in der A useinandersetzung mit einem harten
Gegner (in VP-Fragen) entsteht. A ber selbstverständlich danke ich auch
Arnim v. Stechow und Peter Staudacher, die mir Syntax zu treiben beige­
bracht haben. Meine Zeit in Passau mit Sascha Felix hat mir schließlich die
Augen für die breitere konzeptuelle E inbettung der Syntax geöffnet, unter
der allein mir Sprachwissenschaft sinnvoll erscheint.
Ein ganz besonders herzliches D ankeschön hat sich G aby Neszt ver­
dient, die sich heldenhaft durch eine Zum utung von M anuskript gearbeitet
hat. Sie hat die offizielle Dissertationsversion dieser A rbeit nicht nur per­
fekt geschrieben, sondern auch von ungram m atischen Sätzen im Text, stili­
stischen Absonderlichkeiten, nicht zum Text passenden Beispielsätzen und
Inkonsistenten in der A rgum entation befreit. Die Druckfassung hat sie
zusammen mit Luise Haller in den C om puter eingegeben. Die E ndredak­
tion hat unter widrigen Begleitum ständen (z.B. dateienlöschender A utor)
Luise Haller vorbildlich erledigt. Auch meinen E ltern schulde ich D ank,
weil sie mich im Kontext der D issertation in vielfacher Weise unterstützt
haben.
Noch zwei Vorausetzungen gibt es für das Schreiben: ein freundschaftli­
ches Arbeitsklima und O rientierung außerhalb der Linguistik. Für das
erste ist vor allem “der C h e f’, also Sascha Felix der G rund, für das zweite
will ich mich vor allem bei M aria Angeles D uenas, Monika Falk, ganz
besonders bei Dagmar Kühl, und natürlich bei meinem Spielkam eraden
Sandor Haller bedanken.
Ul
In einem Buch, das man für Luise H aller schreiben kann, sollte von Feen
und Z auberern (vielleicht noch von dBase III) die Rede sein. D a ich so
etwas jedoch nicht zustande bringe, möchte ich ihr wenigstens dieses hier
über Syntax widmen.
Passau, im Juli 1986
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
VII
0.
Vorbemerkung und Ü b e r b lic k .......................................................
1
1.
Universalgrammatik, Parametermodell und die
Konfigurationalitätsfrage..................................................................
Zum konzeptuellen H intergrund der Universalgrammatik
Das Param eterm odell der U n iv ersa lg ra m m a tik ........................
D er K o n fig u ratio n a litätsp aram e te r.............................................
Die sechs Kriterien für N ich t-K o n fig u ratio n alität.....................
5
5
19
24
32
1.1.
1.2.
1.3.
1.4.
2.
2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
2.5.
Wh-Bewegung und die deutsche V P .............................................
ECP-Effekte bei der Extraktion von S u b je k te n ........................
Z ur Realisierung von COM P! und COM P2 in Nebensätzen . .
PP-Extraktion aus Subjekten .......................................................
Extraktionen aus Subjektssätzen ................................................
Die englische Datenlage und mögliche nichtkonfigurationale E r k lä r u n g e n .......................................................
49
49
64
68
77
3.
3.1.
3.2.
3.3.
Komplexe Verbverschiebungen im Deutschen ............................
Warum dem Deutschen VP-Tilgung fehlt ...................................
Verbvoranstellung im Deutschen ................................................
Diskontinuierliche Konstituenten im Deutschen
87
87
91
98
4.
4.1.
4.2.
4.3.
4.4.
Die Bindungstheorie und die Frage der Konfigurationalität
Die Bindungsverhältnisse im D e u tsc h e n ......................................
Existiert eine nicht-konfigurationale A lte rn a tiv e ? .....................
A naphern in anderen “nicht-konfigurationalen” Sprachen
Reflexivierung in deutschen A c l-K o n stru k tio n e n .....................
109
109
122
128
132
5.
5.1.
5.2.
5.3.
NP-Bewegung im D e u tsc h e n ...........................................................
Das Fehlen von Präpositionalpassiv im Deutschen .................
Das R ezip ien ten p assiv .....................................................................
Das unpersönliche Passiv im D e u ts c h e n ......................................
151
151
155
165
82
X
5.4. Das F ern p assiv ....................................................................................
5.5. “Raising-to-Subject” im D e u t s c h e n ..............................................
5.6. Z usam m en fassu n g .............................................................................
177
187
196
6.
6.1.
6.2.
6.3.
Satzextraposition und "pied pip in g ” von S ä t z e n .........................
Satzextraposition: Die Landestelle
Satzextraposition: Die R e ic h w e ite .................................................
“Pied piping” bei Bewegungen
199
199
206
210
“Nicht-konfigurationale” Eigenschaften des Deutschen in
einer konfigurationalen T h e o r i e .....................................................
7.1. E x p letiv a...............................................................................................
7.2. Deutsche W o rtstellu n g ......................................................................
215
215
220
8. Die Realität des K onfigurationalitätsparam eters.........................
8.1. Resümee bezüglich der L e r n b a r k e it..............................................
8.2. Die Nicht-Existenz des K onfigurationalitätsparam eters . . . .
237
237
242
7.
9.
9.1.
9.2.
9.3.
9.4.
9.5.
9.6.
9.7.
9.8.
Anhang: Die wichtigsten Prinzipien der Rektions- und
B in d u n g sth eo rie.................................................................................
Allgemeine Vorbemerkung ............................................................
Die allgemeine O rganisation der G r a m m a ti k ............................
R e g e ln ..................................................................................................
Prinzipien der Tiefenstruktur ........................................................
K a su sth eo rie........................................................................................
B in d u n g sth e o rie .................................................................................
B ew eg u n g en ........................................................................................
LF-Prinzipien ....................................................................................
Literaturverzeichnis
261
261
261
263
264
265
266
267
268
269
0. Vorbemerkung und Überblick
Die vorliegende A rbeit ist unter zwei schwerpunktmäßigen Gesichtspunk­
ten geschrieben worden und kann auch unter diesen beiden Aspekten völ­
lig unabhängig voneinander gelesen werden.
Erstens möchte ich versuchen, ein spezielles Problem der deutschen
Syntax klären zu helfen. Es handelt sich hierbei um die Frage, ob für die
deutsche Syntax die A nnahme einer verbalen Konstituente, VP, die das
Verb zusammen mit den O bjekten enthält, erforderlich ist. Unabhängig
vom verwendeten G ramm atikmodell neigen deutsche Syntaktiker zu der
einen oder anderen A lternative. Es gibt Valenzgrammatiker, die dem Sub­
jekt - zumindest in gewissen Kontexten - eine Sonderstellung zuweisen
(Kunze 1975), und solche, die vom Gegenteil ausgehen (z.B. Heringer
1970). Die wohl bekannteste und umfangreichste transformationeile Syn­
tax des Deutschen (H uber & Kummer 1974) setzt eine VP an, aber in vielen
neueren A rbeiten zum Deutschen im transformationellen Paradigma wird
auf die VP verzichtet, so bei H aider (1983) oder bei Sternefeld (1982). Die
wenigen A rbeiten zu einer Montague-Syntax des Deutschen (z.B. Stechow
1980) verzichten eher auf den VP-Knoten.
Es ist nicht unbedingt verwunderlich, daß von zwei oder drei Ausnah­
men abgesehen (H eringer 1970, Stechow 1980) die jeweilige Entscheidung
unbegründet blieb. Wäre es möglich, an einfachen Datenkonfigurationen
und ohne größeren theoretischen Hintergrund etwa zu entscheiden, daß im
Deutschen keine VP vorliegt, dann müßten die Analysen mit einer VP in un­
m ittelbarer Weise ja deskriptiv inadäquat sein. Dies ist aber kaum der Fall.
Es scheint, daß die Frage, ob das Deutsche eine VP besitzt oder nicht,
nur im Rahmen einer G ram m atiktheorie entscheidbar und auch sinnvoll
ist, die über die reine K onstruktion sprachlicher Daten hinaus bestimmte
eng gefaßte A däquatheitskriterien an die linguistische Analyse stellt. Diese
A däquatheitskriterien ergeben sich u.a. daraus, daß die Eigenschaften, die
einer Sprache zugesprochen w erden, offenkundig auch vom Kinde unter
den üblichen Bedingungen erlernbar sein müssen. Durch Berücksichtigung
des “logischen Problem des Spracherwerbs” ergibt sich somit ein zusätzli­
ches K riterium , um zwischen alternativen linguistischen Analysen zu en t­
scheiden. Es läßt sich nämlich sehr leicht zeigen, daß die den Sprachen
zugrunde liegenden grammatischen Regeln unter den ungünstigen Input-
2
Bedingungen, die beim natürlichen Spracherwerb vorliegen (siehe dazu
Kap. 1), kaum erlernt werden könnten, wenn dieser Lernvorgang allein auf
allgemeinen Induktionsstrategien basierte. Spracherwerb scheint also nur
dann möglich zu sein, wenn die kindliche Kognition reichere Strukturen als
allgemeine Lernstrategien umfaßt. Von den verschiedenen denkbaren
Hypothesen über die Ausgestaltung dieser reicheren Strukturen erscheint
derzeit nur die Vermutung vielversprechend, daß sprachspezifische Prinzi­
pien in der biologischen Ausstattung des M enschen spezifiziert sind (cf.
Piattelli-Palmarini 1980, Felix & Fanselow 1986). Diese Prinzipien schrän­
ken die Zahl der möglichen G ramm atiksysteme im Idealfalle stark ein. Mit
dem sprachlichen Input sind dann wesentlich weniger G ram m atiken verein­
bar, so daß ein prinzipieller Lösungsweg für das logische Problem des
Spracherwerbs erkennbar wird.
Berücksichtigt man das logische Problem des Spracherwerbs beim
Erstellen von G ram m atiken, dann muß man eine Theorie verw enden, die
den biologischen Beschränkungen über menschliche Sprachen gerecht
wird. In solch einer Theorie werden nun D aten nicht m ehr auf viele ver­
schiedene Weisen beschreibbar sein. Insbesondere gilt dies auch für die
Frage der deutschen Verbalphrase.
Ich werde bei dem Versuch, über die Integration des Deutschen in ein
restriktives Grammatiksystem eine Entscheidung der VP-Frage herbeizu­
führen, mich auf Chomskys “G overnm ent-and-Binding ’-Theorie beziehen.
Dies hat drei Gründe. Ganz allgemein ist Chomskys T heorie wesentlich
restriktiver als alternative Vorschläge wie Bresnans “Lexical-FunctionalG ram m ar” , Gazdars “G eneralized Phrase Structure G ram m ar” oder die
relationale Gramm atik von Postal bis Perlmutter. Sie erlaubt auch w esent­
lich tiefergehende Analysen von Sprachsystemen, als sie bislang in den
Konkurrenzmodellen möglich scheinen. Und endlich ist sie die einzige
Theorie, die starke empirische Vorhersagen bezüglich der VP-Diskussion
zu machen imstande ist. Die Analyse des Deutschen im Rahm en von
Chomskys Theorie wird dabei zeigen, daß eine VP für die deutsche G ram ­
matik angesetzt werden muß.
D arüber hinaus versucht die vorliegende A rbeit einen Beitrag zur allge­
meinen G ram m atiktheorie zu leisten, speziell zur allgemeinen Diskussion
über die Konfigurationalitätsfrage. H inter dieser verbirgt sich das Problem,
wie die grammatischen Funktionen “Subjekt” und “O bjekt” in der allge­
meinen G ram m atiktheorie enkodiert sind. Nach Chomsky (1965) sind die
grammatischen Funktionen definierbar über die Positionen, die die fragli­
chen NPn jeweils im Strukturbaum einnehm en. So eine konfigurationale
Festlegung ist freilich nur dann möglich, wenn Subjekte und O bjekte struk-
3
turell unterscheidbar sind, und dafür scheint die Existenz einer VP Voraus­
setzung zu sein. Auf der anderen Seite gehen G ram m atiktheorien wie Bresnans Lexical-Functional-Grammar davon aus, daß Subjekt und O bjekt
Grundbegriffe sind und als solche zur genetischen Vorausstattung des M en­
schen für Sprache gehören. Damit ist der Anspruch verbunden, daß tat­
sächlich Sprachen existieren, in denen eine konfigurationale Definition der
grammatischen Funktionen unmöglich ist, also der A nspruch, daß Spra­
chen ohne VP existieren.
Wie kann man aber anhand der Analyse einer Sprache Aussagen über
alle Sprachen, über den vom genetischen Programm abgesteckten Raum
möglicher Sprachregeln begründen? Auch hier bestimmt das logische Pro­
blem des Spracherwerbs die Form möglicher A ntw orten. Eigenschaften
von Sprachen, die nicht im genetischen Programm des Menschen vorgege­
ben sind, müssen trivialerweise erlernt sein, d.h. unter den natürlichen
Bedingungen des Spracherwerbs erlernbar sein.
Wenn man nun zeigen kann, daß eine Sprache A eine Eigenschaft E
besitzt, welche unter den üblichen Bedingungen des Spracherwerbs von
den Sprechern von A nicht erlernt worden sein kann, dann muß anderer­
seits eben die Eigenschaft E den Sprechern von A angeboren sein. Damit
stellt E aber eine Eigenschaft aller Sprachen dar. Die A rbeit wird zeigen,
daß gerade das Vorhandensein einer VP im Deutschen nicht erlernbar ist.
Daraus aber folgt, daß alle Sprachen eine VP besitzen müssen.
Aus diesem Ergebnis ergeben sich die bereits angedeuten K onsequen­
zen für die allgemeine G ram m atiktheorie. G ramm atikansätze wie Bresnans Lexical-Functional-Gram mar können nicht psychologisch real sein,
weil sie mit dem Anspruch der Existenz VP-freier Sprachen wesentlich
mehr Struktursystem e als menschliche Sprachen definieren, als mit den
Erkenntnissen über die biologische Vorausstattung vereinbar ist.
D er Argum entationsgang der A rbeit orientiert sich am G ram m atikm o­
dell von Chomsky (1981). Ich werde in Kap. 1.1. zunächst die G ründe dafür
anführen, die dazu zwingen, im menschlichen Genom sprachspezifische
Festlegungen anzusetzen. Kap. 1.2. stellt das Param etermodell des Sprach­
erwerbs und der Universalgrammatik vor, und Kap. 1.3. diskutiert dann die
Möglichkeit eines Konfigurationalitätsparameters. Welche D aten dabei zu
berücksichtigen sind und wie sich die Lernbarkeitsfrage speziell auf Konfigurationalität und Nicht-Konfigurationalität auswirkt, zeigt Kap. 1.4. Es
gibt auch die hauptsächlichen Argum ente gegen eine VP im D eutschen wie­
der.
Kap. 2 bis 6 und Teile von Kap. 7 werden nun zeigen, daß viele Aspekte
der deutschen G ram m atik aber nicht beschreibbar sind, wenn die Sprache
4
keinen VP-Knoten besitzt. Es handelt sich dabei um E xtraktionen von Sub­
jekten und aus Subjekten heraus (Kap. 2), um die Stellung nicht-finiter Ver­
ben und die Aufspaltung von NPn (Kap. 3), um D aten bei Reflexivprono­
mina (Kap. 4), um Passiv- und A nhebungskonstruktionen (Kap. 5), um
Wortstellungsfakten (Kap. 7.2.) sowie um eine Reihe kleinerer K onstruk­
tionen, die in K ap.6 angegangen werden.
Diese Diskussion wird ergänzt um den Beweis, daß die in Kap. 3 bespro­
chenen Eigenschaften des Deutschen unproblem atisch in einer Syntax mit
VP beschrieben werden können. Dies geschieht für Eigenschaften wie das
Auftreten diskontinuierlicher Elem ente oder das Fehlen von Bewegung
beim Passiv en passant in den Kap. 2 bis 6. Kap. 7.1. analysiert das Fehlen
von expletiven Elem enten im D eutschen, Kap. 7.2. gibt eine Erklärung der
freien Wortstellung des Deutschen.
ln den Abschnitten 1 bis 7 steht die Frage der Existenz einer VP jeweils im
Vordergrund. Dies bedeutet aber nicht, daß außerdem keine Phänom ene der
deutschen Syntax betrachtet werden würden. Die Lösung des VP-Problems
setzt vielmehr voraus, einer Vielzahl von K onstruktionen des D eutschen eine
exakte Analyse zu geben, und dies wird auch zu leisten versucht.
Kap. 8 endlich zieht ein Resümee über die Diskussion. Es wird gezeigt,
daß die VP des Deutschen nicht lernbar ist. A nhand von Beschreibungen
von anderen Kandidaten für Nicht-Konfigurationalität wird weiter dem on­
striert werden, weshalb die O ption, keine VP aufzuweisen, kaum in der
Universalgrammatik vorgesehen sein kann.
Das vorliegende Buch ist die stark gekürzte Version meiner (1985) ange­
nommenen Dissertation “Deutsche Verbalprojektionen und die Frage der
Universalität konfigurationaler Sprachen” (Prüfer waren die H erren Pro­
fessoren Felix, Eroms und Schurr; der Tag der letzten mündlichen Prüfung
der 18.9.1985). Zum Konfigurationalitätsproblem scheinen seit M anu­
skriptabschluß im Januar 1985 keine entscheidenden neuen Beiträge erar­
beitet worden zu sein, daher sind inhaltliche Ergänzungen nicht vorgenom ­
men worden. Eine etwas andere Erklärung der E xtraktionsdaten aus Kap.
2 gebe ich in Felix & Fanselow (1986).
Da eine wirklich informative Einführung in den Rahm en der Rektions­
und Bindungstheorie aus Platzgründen in diesem Buch nicht möglich ist,
habe ich darauf verzichtet, eine solche anzufügen. Als A nhang (Kap. 9)
enthält das Buch jedoch eine Auflistung der wichtigsten Prinzipien der
Theorie. Für ausführlichere D arstellungen möchte ich auf Riemsdijk & Wil­
liams (1985) verweisen, sowie - pro dom o - auf das Einführungsbuch Felix
& Fanselow (1986).
1. Universalgrammatik, Parametermodell und die
Konfigurationalitätsfrage
LL Zum konzeptuellen Hintergrand der Universalgrammatik
Die Frage, wie der Mensch sein Wissen erwirbt, ist eines der zentralen T he­
men, die die abendländische Philosophie seit ihrem Beginn vor fast 3000
Jahren beschäftigt haben. Es gibt zwei konträre Positionen, den Empiris­
mus und den Nativismus. Letzterer wurde zuerst von Platon explizit ausfor­
muliert. Für Platon ist das Lernen nichts anderes als das W iedererkennen
bereits gewußter Strukturen, oder, wie wir es heute formulieren würden,
die Auslösung genetisch angelegter kognitiver Strukturen durch bestimmte
Umweltreize. D er Empirismus hingegen leugnet die Existenz genetischer
Vorprägungen dessen, was wißbar ist, und der Struktur des Wissens. Für
ihn ist der Mensch als tabula rasa geboren, ausgestattet mit einem einfa­
chen Wahrnehmungssystem und einer allgemein hohen Intelligenz, die es
ihm erlauben, aus den Inputreizen selbst das Bild seiner Welt zu konstru­
ieren. Inhärente G renzen des Wissenserwerbs kennt er nicht. Sein “Sieg”
in den letzten beiden Jahrhunderten hat zweifelsohne die Ausbildung em pi­
rischer Wissenschaften, insbesondere der Wissenschaften vom Menschen
erst möglich gemacht. So muß es als “Treppenwitz” der Philosophiege­
schichte angesehen werden, daß gerade diese empirischen Wissenschaften,
Psychologie, Humanbiologie und Linguistik heute die Gültigkeit des Nati­
vismus zu bestätigen im Begriffe sind.
B etrachten wir etwa die Wahrnehmungspsychologie als Beispiel für eine
Disziplin, die durch empirische D aten den Nativismus belegen kann. Den
common-sense-Begriff der W ahrnehmung im visuellen Bereich kann man
als “K am eratheorie” bezeichnen. Sie geht davon aus, daß die O bjekte
unserer Umwelt bestimmte Netzhautbilder verursachen, und diese Netz­
hautbilder seien dann das, was wir w ahrnehmen. Die moderne W ahrneh­
mungspsychologie zeigte jedoch, daß dieses Bild falsch sein muß. Nur sel­
ten entspricht unser Netzhautbild dem, was wir tatsächlich wahrnehmen.
Eine Tasse, die wir unter einem Winkel von etwa 20° betrachten, induziert
ein ovales N etzhautbild, dennoch erscheint uns ihr Rand als kreisrund. Ein
Tisch wirft je nachdem , aus welchem Winkel wir ihn betrachten, immer
verschiedene geometrische Formen auf unsere Netzhaut, dennoch nehmen
wir ihn stets als rechteckig wahr. Das W ahrnehmen von Form- und analog
6
G rößenkonstanz erfordert komplizierte m entale B erechnungen, die Daten
wie den Blickwinkel, die A kkom odation, den Winkel den die beiden Augen
zueinander einnehm en, die Verschiebung der beiden G esichtsfelder gegen­
einander u.v.a.m. zu berücksichtigen haben (cf. Rock 1985).
Nun könnte man als Empirist zunächst argum entieren, daß wir diese
Wahrnehmungskonstanz aus E rfahrung gew onnen haben. Wir lernen in
unserem Umgang mit der Welt, daß O bjekte nicht sprunghaft ihre Umrisse
oder ihre Größe verändern. Dabei würden wir lernen, unterschiedlich
geformte und unterschiedlich große N etzhautbilder nicht als unterschiedli­
che Formen oder G rößen w ahrzunehm en. Wir gew önnen Erfahrung dar­
über, wie sich je nach dem Blickwinkel und der E ntfernung N etzhautbilder
bestimmter Objekte verändern und erlernten so eine Rück-Rechnungsprozedur für N etzhautbilder allgemein. Wir erlernten, daß O bjekte, deren
Netzhautbilder symmetrisch expandieren, sich uns nähern, wir erlernten,
daß kleinere Netzhautbilder größeren Entfernungen entsprechen usw. Man
muß gar nicht auf die logischen Schwierigkeiten solcher A rgum entationen
eingehen, sondern kann einfach darauf verweisen, daß bereits bei Neuge­
borenen die entsprechenden W ahrnehm ungsstrukturen vorhanden sind
(Bower 1974, Rock 1985). Sie können daher auch nicht erlernt sein. H eute
kann kaum mehr bezweifelt w erden, daß nicht Um w eltreize, sondern ange­
borene Strukturen die kognitiven Bilder der Welt prägen.
ln genau dieselbe Richtung gehen A useinandersetzungen mit Sprache.
Beginnen wir dabei zunächst mit einem an der Peripherie der menschlichen
Kognition angesiedelten Bereich, der L autperzeption. Unsere U nterschei­
dung der verschiedenen Laute von Sprachen involviert jeweils eine recht
komplexe Zusamm enstellung akustischer Eigenschaften. Vokale sind durch
ein bestimmtes M uster an Form antenhöhen ausgezeichnet. Die A rtikula­
tionsstellen für Konsonanten entsprechen charakteristischen A m plituden­
verhältnissen für die ersten vier Form anten, die M erkm ale der A rtikula­
tionsart charakteristischen Verläufen beim Anstieg zu den verschiedenen
Form antenwerten, die M erkmale “Stim m haftigkeit” und “A spiration”
bestimmten Abfolgen zwischen der Verschlußlösung und dem Einsetzen
der Stimmbandvibration (cf. Stevens & Blumstein 1981). D er Empirist
könnte nun versuchen, den Erw erb des Wissens über diese akustischen Kor­
relate für artikulatorische M erkmale wie folgt zu erklären. Das Kind artiku­
liert während der Lallphase bestim mte Laute. Es hört sich selbst und kann
daher seinen dentalen A rtikulationsversuchen z.B. bestim m te akustische
Werte zuordnen, usw. Selbst wenn man davon absieht, daß der Vökaltrakt
des Kindes noch anders strukturiert ist als der des Erw achsenen, so daß
sich notwendigerweise andere akustische Werte für die einzelnen Laute
7
ergeben, so ist diese Argum entation empirisch falsch. Man kann nämlich ebenso wie bei der visuellen Wahrnehmung - nachweisen, daß bereits Neu­
geborene praktisch alle in allen Sprachen vorkom menden Distinktionen
genauso wahrnehmen wie Erwachsene (Juszyk 1981). Die Kinder können
die Distinktionen also nicht erlernt haben, weil sie als Neugeborene zu
solch einem Lernvorgang noch keine Möglichkeit hatten. D arüber hinaus
können sie Distinktionen w ahrnehmen, die in ihrem sprachlichen Input gar
nicht Vorkommen; bei in japanischer Umgebung aufwachsenden Kleinkin­
dern etwa die 1-r-Scheidung, in spanischer Umgebung aufwachsende Kin­
der die im Spanischen nicht vorkommende A spirationsunterscheidung, in
englischsprachiger Umgebung aufwachsende Kinder die im Englischen
nicht realisierte (Prä-)Stimmhaftigkeit. Phonem perzeption ist also, wie der
Nativismus es vorhersagt, angeboren.
Den beeindruckendsten Beweis für angeborene mentale Strukturen fin­
det man jedoch im Bereich der G ramm atiken menschlicher Sprachen. Sie
stellen ein System komplexer formaler Regularitäten dar und gehören zwei­
fellos in den Bereich höherer m entaler Funktionen. Alles an verfügbarer
Evidenz deutet darauf hin, daß wesentliche M erkmale dieser Gram m atiken
nicht erlernt sind, sondern sich aus einem angeborenen “Bioprogramm für
Sprache” (Bickerton 1981) oder einer angeborenen “U niversalgram matik”
(Chomsky 1981) ergeben.
Wie sieht nun die Evidenz dafür aus, daß Sprachfähigkeit angeboren ist?
D er zentrale G edanke entstam m t dem, was Chomsky das “logische Pro­
blem des Spracherwerbs” getauft hat. Das A rgument beruht auf der B eob­
achtung, daß menschliche Sprachen unendlich viele Sätze beinhalten, daß
aber ein unendlicher Bereich nie logisch aus einer endlichen Teilmenge
erschlossen werden kann. Und das Kind erfährt aus offenkundigen G rün­
den während seines Spracherwerbs nur endlich viele Input-D aten.
Man kann das G rundproblem schon von dem sehr einfachen Beispiel
von Reihenfortsetzungsaufgaben ablesen, wie sie in Intelligenztests häufig
verwendet werden. Man gibt dem Testanten eine Zahlenfolge wie (1) vor,
aus der er, indem er die Zahlenfolge fortsetzt, die mathematische Funktion
ableiten soll:
(1)
1 ,4 ,9 ,1 6 ,?
Wir alle würden nun ohne Zögern “25” angeben. Dennoch ist diese Fortset­
zung rein logisch betrachtet gar nicht gerechtfertigt. Denn nichts an (1)
zeigt uns, daß sie durch y = x 2 erzeugt ist und nicht etwa durch die Funktion
“ 1+3 + 5 + 7 + 3 + 5 + 7 + 3 + 5 + 7 usw.” oder aber durch die Funktion “bis x=4
x2, dann x3” oder einfach das Ergebnis der beliebigen O peration eines
Zufallszahlgenerators ist. Die Daten allein suggerieren keinesfalls ihre
funktionale G enerierung, sondern Standardannahm en über die Stetigkeit
von Funktionen, ihre mathematische Einfachheit usw. N ur zusam men mit
diesen Prinzipien, nicht allein durch die D aten, ergibt sich, daß für (1)
y= x2 die richtige Lösung ist.
Ganz analog verhält es sich beim kindlichen Spracherwerb. Wir Erwach­
senen verfügen über eine vollständige G ram m atik des D eutschen oder
Englischen, die es uns erlaubt, alle (und nur die) gram m atischen Sätze des
Deutschen zu identifizieren oder zu generieren. Es handelt sich um ein
Erzeugungssystem für einen unendlichen D atenbereich, das aus denselben
Gründen wie beim mathematischen Beispiel nicht logisch aus den InputDaten des Kindes erschlossen werden kann. Wir müssen also annehm en,
daß das Kind zum Zeitpunkt des Spracherwerbs über Prinzipien verfügt,
die es ihm erlauben, korrekte Hypothesen über die G ram m atik des D eut­
schen oder Englischen zu machen. Die Input-D aten enthalten diese Hypo­
thesen nicht.
Nun könnte man - analog zum Beispiel des Intelligenztests - versu­
chen, allgemeine kognitive Prinzipien zu form ulieren, die es dem Kind
erlauben würden, die notwendigen H ypothesen zu form ulieren. Idealiter
könnte es diese dann am Input-M aterial testen. Beispielsweise wird das
Kind sicherlich verm uten, daß der sprachliche Input regelgeleitet ist und
nicht durch Zufallsgeneratoren in den Erwachsenen entsteht. Auch können
wir durchaus ansetzen, daß das Kind allgemein erw arten wird, daß die
Input-Daten strukturiert sind, d.h. daß es nicht auf die lineare Abfolge von
Elementen in Sätzen ankom m t, sondern daß diese hierarchisch strukturier­
te Gebilde darstellen. Kann man nun nicht mit diesen A nnahm en, also der
Postulierung eines reicheren allgemeinen Induktionssystem s, den Sprach­
erwerb erklären?
Tatsächlich wird ein solches Spracherwerbsmodell häufig vorgeschla­
gen. Es scheitert jedoch letztendlich daran, daß für die Form ulierung einer
korrekten Hypothese und deren A btesten praktisch immer negative Evi­
denz, d.h. Informationen über die U ngram m atikalität von Sätzen, vorhan­
den ist. Gold (1967) konnte mathematisch beweisen, daß beim Fehlen
negativer Evidenz nicht einmal Phrasenstrukturgram m atiken allein aus
dem Input heraus erschlossen werden können. Und charakteristischerweise
fehlt dem Kind diese negative Evidenz.
Logisch gesehen gibt es zwei M öglichkeiten, wie das Kind Inform atio­
nen darüber bekommen könnte, welche Sätze in seiner Sprache ungram m a­
tisch sind, nämlich über explizite Instruktion und Korrektur. O ffenbar neh­
men jedoch M ütter oder Väter ihre Kinder nicht beiseite und sagen ihnen:
9
“Hör mal, Kleines, der Satz ‘the men believe that each other is incompetcnt' ist ungrammatisch, zieh’ daraus deine Schlüsse bei der H ypothesenfor­
mulierung” . Ebensowenig stellen Kinder beim Spracherwerb ihren Eltern
Fragen wie: “M ama, ich hab da ein kleines Problem mit Sätzen wie ‘the
men believe that each other is incom petent’. Ist dieser Satz gram matisch?”
Und genausowenig ziehen Kinder beim Spracherwerb Linguistikbücher zu
Rate. Explizite Unterweisungen finden also offensichtlich nicht statt.
Nun könnte man durchaus einwenden, daß Kinder indirekt zu negativer
Evidenz Zugang bekämen. Sie würden nämlich, wenn sie Fehler machen,
von ihren Eltern korrigiert und erführen so, welche Sätze ungrammatisch
sind und welche nicht. Dies ist zwar eine weniger absurde Möglichkeit, als
die zuerst diskutierte, jedoch nichtsdestoweniger falsch, wie empirische
Studien gezeigt haben (Brown 1973). Erstens produzieren die Kinder, wie
man nachweisen konnte, während ihres Spracherwerbs die entscheidenden
Daten überhaupt nicht und können daher diesbezüglich auch nicht korri­
giert werden. D.h. Kinder machen im Spracherwerb zwar sehr wohl Fehler
und produzieren Unmengen ungrammatischer D aten, doch sind unter die­
sen nicht die charakteristischen Fehler vorhanden, die man als negative
Evidenz für die korrekte H ypothesenbildung benötigen würde.
Selbst wenn Kinder nun ungrammatische Strukturen produzieren, zie­
len die E lternkorrekturen - wie man ebenfalls empirisch nachwies - nicht
auf die G ram m atikalität der Ä ußerungen ab, sondern auf deren W ahrheits­
gehalt. D er G ehalt, nicht die Form der Äußerungen ist der G egenstand
von E ltcrnkorrekturen. Und in den wirklich vernachläßigbar wenigen Fäl­
len, bei denen formale K orrekturen dann doch Vorkommen, werden diese
K orrekturen von den Kindern ignoriert; sie verwenden weiterhin die
ungrammatischen Strukturen. Weder K orrektur noch direkte Instruktion
liefern dem Kind also negative Evidenz, es ist allein auf positive Evidenz
angewiesen. H ier läßt sich nun zeigen, daß Spracherwerb als Lernvorgang
über Hypothesenbildung und H ypothesentesten ohne die Annahm e ange­
borener m entaler Strukturen nicht möglich ist. Denn das Wissen, das das
Kind nicht aus seiner Umwelt erschlossen haben kann, m uß bereits in ihm
angelegt sein.
Versuchen wir, uns diesen Gedankengang an einem konkreten Beispiel
zu verdeutlichen. Dabei soll dem empiristischen Standpunkt zunächst so
viel wie möglich zugestanden w erden, um sehr klar zeigen zu können, wes­
halb man angeborene Strukturen postulieren muß. Unser Beispiel sei die
Konstitution der Phrasenstrukturbäum e des Englischen oder Deutschen.
Wir können zunächst einmal dem Vertreter einer ausschließlichen Lerntheorie für Sprache zugestehen, daß das Kind über vorläufige semantische
10
Überlegungen (Nomina sind Dinge, Verben Vorgänge usw.) zu ersten Kate­
gorien gelangen kann und diese Kategorien dann über syntaktische Gleich­
verteilungen oder Überlegungen zur Morphologie formal präzisieren kann.
Aufgrund prosodischer Information oder gewisser Voranstellungsdaten
(wie bei der englischen oder deutschen Topikalisierung) könne das Kind so mag man annehmen - sogar die phrasalen Kategorien NP, PP, AP, S und
evt. VP identifizieren. Weiter kann das Kind über seinen Input feststellen,
aus welchen phrasalen/lexikalischen Kategorien S, NP, PP usw. aufgebaut
sein dürfen und dies dann zu Satz/Phrasenm ustern generalisieren.
Es würde also etwa für das Deutsche Satzm uster wie (2) und für das
Englische Satzmuster wie (3) aufstellen:
(2a)
(2b)
S -► NP Hilfsverbfinil NP Vollverbinfini,
S ^ PP Hilfsverbfimt N Pnümi NPacc Vollverbinfimt Hilfsverbin.
(3)
S -► NP Hilfsverbfini, Vollverbmfinil NP PP
finit
Auch für eine Kategorie wie NP oder PP könnte es aufgrund der Inputdaten feststellen, welche Kategorien in ihnen vertreten sein dürften. Für NP
könnte ein englisches Kind aus seinen Inputdaten etwa folgende Phrasen­
muster ablesen:
(4)
Det
Det
Det
Det
N
AP
AP
N
N PP
N PP
NPgeni N P P
Wir gehen dabei davon aus, daß das Kind natürlich nur solche Strukturen
als grammatisch ansetzt, die es im Input vorfinden kann. Diese A nnahm e
ist sicherlich weniger gravierend als die abortive Vermutung, daß nur die
Sätze, die das Kind hört, grammatisch seien.
Wir können dem Empiristen nun durchaus zugestehen, daß das Kind
mit seinem allgemeinen Induktionssystem zu Aussagen wie (4) gelangen
könnte. Es kann jedoch auch mit seinem erw eiterten Induktionssystem aus
den Inputdaten nicht ablesen, ob Phrasenm uster wie (4) eine interne Struk­
tur besitzen. Innerhalb von phrasalen Kategorien wie NP oder AP bestehen
keine prosodischen Inform ationen, und versetzt werden stets auch nur
komplette phrasale Kategorien. Dennoch läßt sich zeigen, daß für eine kor­
rekte englische Gramm atik eine interne Strukturierung von NP notwendig
ist. Da das Kind sie nicht induktiv erlernt haben kann, stehen wir vor
einem logischen Erwerbsproblem: woher bekomm t das Kind die Inform a­
tion über die interne Struktur von NP, die es als erwachsener Sprecher des
11
Englischen erw orben haben wird, wenn diese Strukturierung den D aten
nicht ablesbar ist?
Betrachten wir dazu einige D aten der englischen o/ie-Pronominalisierung,
die wir Radford (1981) entnom m en haben. Wir finden hier Sätze wie (5):
(5a)
(5b)
(5c)
I bought a big brown car, and you bought one, too.
I bought a big brown car, and you bought a small one.
I bought a big brown car, and you bought a small yellow
one.
(5a) hat drei Lesarten: one kann für car, brown car oder big brown car ste­
hen. Wenn wir annehm en, das Kind verfüge über Satzmuster wie (4), dann
scheint es plausibel, daß das Kind daraus eine Gramm atik wie (6) vor­
schlägt:
(6a)
NP
(6b)
N^AN
A rt N
(6c)
N -► house, car, shoe, girl
Ü ber die rekursive Regel (6b) erklärt sich, weshalb beliebig viele Adjektive
vor dem Nomen stehen können. U nter (6) ist dann für D aten wie (5) die
plausibelste Analyse, daß sich one auf jede beliebige N-Konstituente inner­
halb einer NP beziehen kann. Da das Kind aus dem Kontext der Ä ußerun­
gen erschließen kann, w orauf sich one bezieht, darf man verm uten, daß das
Kind diese Regularität auch erkennen kann. Wichtig ist nun aber, daß in
bestimmten Fällen owe-Pronominalisierungen ungrammatisch sind, wie
etwa in (7):
(7)
*1 kissed a student of physics, and you kissed the one of che­
mistry.
Als Sprecher des Englischen besitzt man die Intuition, daß (7) ungram ma­
tisch ist. Woraus könnte diese Ungramm atikalität resultieren? Zunächst
könnten wir die Hypothese aufstellen, daß one nicht mit PPn verbunden
werden darf. A ber diese H ypothese wird den Daten nicht gerecht, wie (8)
zeigt:
(8)
I kissed the student with short hair, and you kissed the one
with long hair.
In irgendeiner Weise muß also der Anschluß in (7) von dem in (8) verschie­
den sein. Die plausibelste Analyse ist hier, für die NP eine steile Struktur
mit unterschiedlichen K notentypen anzunehmen. Wir postulieren für die
fragliche NP in (7) die Struktur (9a) und für die in (8) die Struktur (9b):
the
(9b)
student
of physics
NP
Det
the
student
with long hair
Wenn wir nun postulieren, daß der obligatorische Pronom inalisierungsbereich von one N 1 ist, dann erklärt sich die U ngram m atikalität von (7)
sofort: o f physics muß automatisch mit von der Pronom inalisierung erfaßt
werden, daher können wir nicht wie in (7) etwa noch einmal o f chemistry
anfügen. Andererseits pronominalisieren wir mit (9b) für (8) einfach das
untere N 1 und schaffen somit die Möglichkeit, noch with long hair anzufü­
gen. Diese Lösung stimmt auch mit den Abfolgedaten innerhalb von NP
überein. PPn des Typs von o f physics müssen stets näher am Nomen stehen
als PPn des Typs with long hair:
(10a)
(10b)
A student of physics with long hair.
*A student with long hair of physics.
Die englische Grammatik muß implizieren, daß (10b) ungram matisch ist.
U nter der Strukturierung (9) ist dies jedoch sofort vorhergesagt. D enn o f
physics ist vom Typ der PPn, die Schwesterknoten von N° sein müssen.
Stünde o f physics nach with long hair, dann könnte o f physics nur dann
13
Schwcsterknoten von N° sein, wenn sich die Zweige der Strukturbäum e
überschneiden dürften, was jedoch verboten ist.
Eine optimale G ram m atik des Englischen unterscheidet also innerhalb
von NP mindestens die drei Stufen N°, N 1 und NP oder Nmax. Es ist nun
aber völlig unklar, wie ein Kind diese Unterscheidung erlernen könnte. Die
D aten, die eine dreifache hierarchische Stufung von NP erzwungen haben,
waren alle negativer Natur, d.h. nur weil Sätze wie (7) und Strukturen wie
( 10b) ungrammatisch sind, muß das Englische eine sehr steile NP-Strukturierung besitzen. Wie der Linguist kann das Kind also zur dreifachen Stu­
fung von NP nur dann gelangen, wenn ihm D aten über die Ungrammatikalität von Sätzen, d.h. negative Evidenz, zur Verfügung stünde. D er Linguist
verfügt sicherlich darüber, denn er kann sich selbst und andere Sprecher
des Englischen befragen. Dem Kind jedoch steht charakteristischerweise
diese negative Evidenz nicht zur Verfügung, wie oben gezeigt wurde.
Da erwachsene Sprecher des Englischen Wissen über die dreifache Hierarchisierung von NPn besitzen, sie dieses Wissen - da ihnen nur positive
Evidenz zur Verfügung stand - jedoch nicht aus den Inputdaten erworben
haben können, muß es eine andere Quelle für ihr Wissen geben. Da man
aber das, was man nicht aus der Umwelt bekommen hat, nur aus sich selbst
heraus entwickelt haben kann, folgt, daß die Kinder aus sich selbst heraus
zur hierarchischen NP-Gliederung gelangt sind. Das heißt nichts anderes,
als daß ihnen die entsprechenden Prinzipien angeboren sein müssen.
Die Tatsache, daß Kindern keine negative Evidenz zur Verfügung steht,
deutet in noch weiteren Bereichen auf eine genetische Vorprogrammierung
der Gram m atik hin. Beispielsweise können im Englischen - wie in einigen
Dialekten im D eutschen auch - Fragewörter aus eingebetteten finiten Sät­
zen extrahiert w erden, wie (11) dem onstriert:
(11a)
(lib )
(11c)
Who did you believe that Mary has kissed?
Who do you believe kissed Mary?
W ho do you believe Mary claimed that Bill said that Mary
kissed?
Fragewörter können nun aber nicht extrahiert werden, wenn sie eingebette­
ten Fragesätzen (12a), Relativsätzen (12b), Sätzen, die in NPn eingebettet
sind (12c), koordinierten Strukturen (12d) entstam m en oder wenn sie Sub­
jekt eines //ia/-Satzes sind (12e) oder einem Subjektsatz entstam m en (12f):
(12a)
( 12b)
(12c)
*Who do you wonder how might kiss Mary?
*Who did you meet a man who met?
*Who do yo believe the claim that Bill said that Mary kis­
sed?
14
(12d)
(12e)
(12f)
*Who did you kiss Mary and?
*Who did he say that would like to kiss Mary?
*W ho is to kiss fun?
Genau dieselbe Datenlage finden wir bei den K onstruktionen wie Topikalisierung (13)/( 14) oder ‘tough-movem ent’ (15)/(16) und vielen anderen Kon­
struktionen des Englischen (cf. Radford 1981):
(13a)
(13b)
(13c)
(14a)
(14b)
(14c)
(14d)
(14e)
(15)
(16)
Bill, 1 believe that Mary kissed.
Bill, I believe kissed Mary.
Bill, I believe Mary claimed that Mary kissed.
'B ill, I wonder how might have kissed Mary.
*Bill, I met a woman who kissed.
*Bill, 1 believe Marys claim that Jane has kissed.
*Bill, he said that would like to kiss Mary.
Bill, to kiss is fun.
Bill is easy to expect that Mary has kissed.
*Bill is easy to expect that kissed Mary.
Es handelt sich in den fraglichen Fällen immer um negative Evidenz. Völlig
unklar ist, wie ein Kind das Wissen erworben haben sollte, daß es zwar whWörter aus beliebig eingebetteten Sätzen extrahieren darf, nicht jedoch aus
Kontexten wie in (12) oder (14). Die positive Evidenz, die dem Kind allein
zur Verfügung steht, besagt nichts über die G ram m atikalität von (12) und
(14). Daher müssen wir im Kind selbst wieder genetisch fixierte Prinzipien
ansetzen, die ihm von vornherein sagen, daß Strukturen wie (12) und (14)
ungrammatisch sein müssen.
Betrachten wir abschließend den D atenbereich der D ativverben des
Englischen. Wir finden hier K orrespondenzpaare wie in (17):
( 17a)
(17b)
(17c)
(17d)
I
I
I
I
gave the book to Mary.
gave Mary the book.
bought a ticket for Mary.
bought Mary a ticket.
Wir finden im Englischen offensichtlich eine Anzahl von Verben, die entw e­
der mit dem Subkategorisierungsrahmen ( - NP, PP), oder aber mit dem
Subkategorisierungsrahmen ( - NP2 N P ^ verwendet werden dürfen. Es
sind nun zwei Analysen denkbar. Einerseits können wir die Sätze (17b/d)
aus den Sätzen (17a/c) dadurch ableiten, daß wir eine Regel “dative move­
m ent” ansetzen, welche die Präposition tilgt und die so gewonnene NP vor
das direkte O bjekt stellt. Wir können dann für jedes Verb nur einen einzi­
15
gen Subkategorisierungsrahmen ansetzen und uns so Redundanzen im
Lexikon ersparen, die bei der zweiten Alternative entstünden. Dabei wür­
den wir nämlich für alle Verben wie give, steal, buy usw. jeweils zwei Subka­
tegorisierungsrahmen ins Lexikon aufnehmen und die Strukturen in (17)
alle direkt erzeugen.
Nun gibt es eine Handvoll Verben, wie etwa report, die der Regularität,
die (17) andeutet, nicht genügen:
(17c)
(17f)
We reported the accident to the police.
*We reported the police the accident.
Bei der transform ationeilen Lösung können wir nun so Vorgehen, daß wir
explizit im Lexikoneintrag für report verm erken, daß es von der Regel
“dative m ovem ent” nicht erfaßt werden darf. Diese Lösung ist jedoch, wie
Baker (1979) schreibt, unter dem logischen Problem des Spracherwerbs
nicht durchführbar. Sie würde ja besagen, daß das Kind (a) aus den Daten
die Regularität extrahiert und eine Transformation für (17a-d) formuliert
und (b) in einige Lexikoneinträge Ausnahmeanzeiger setzt. Für (b) müßte
es aber in der Lage sein, seinem Input abzulesen, daß (17f) ungrammatisch
ist, und gerade das kann es nicht, da es keinerlei Zugang zu negativer Evi­
denz hat. D aher ist unter dem logischen Problem des Spracherwerbs eigent­
lich nur die zweite Analyse, also die mit einer doppelten Subkategorisie­
rung der entsprechenden Verben, haltbar.
Das eigentliche Problem stellt sich jedoch erst jetzt. Die D aten zeigen,
daß das Kind die Hypothese “transformation dative movem ent” nicht
ansetzen darf, weil es sonst nicht erlernen könnte, daß (17f) ungrammatisch
ist. Aber woher weiß das Kind, daß es diese Transformation nicht als Hypo­
these formulieren darf? Aus den D aten kann es diese Information sicher
nicht gewonnen haben. Vielmehr müssen wir im Kind Prinzipien ansetzen,
die verhindern, daß eine Regel “dative movem ent” vom Kind als mögliche
Erklärung der D atenlage in (17a-d) in Erwägung gezogen wird.
Wir sehen allein schon aus dem logischen Problem des Spracherwerbs,
daß G ram m atikerw erb nicht möglich wäre, wenn das Kind nicht bereits gene­
tisch spezifiziertes Vorwissen über mögliche Regeltypen und mögliche Kon­
texte für Regelanwendungen besäße. In der Rektions- und Bindungstheorie
von Chomsky (1981) werden - neben vielen anderen Bereichen - Prinzipien
für die Universalgram matik, das genetische Programm des Menschen, vorge­
schlagen, die genau die von uns dargestellte Datenlage - neben anderen D a­
ten - erzwingen. So ist für das NP-Problem die X-bar-Theorie einschlägig, für
die Extraktionsdaten die Prinzipien Subjazenz und das Empty Category Principle, für die Dativ-Daten das Theta-Kriterium und das Projektionsprinzip.
16
Wir können aber nicht nur mit dem logischen Problem des Spracherwerbs für ein genetisches Programm des Menschen für Sprache argum entie­
ren. Es existiert nämlich daneben auch ein “Entwicklungsprogramm des
Spracherwerbs” (cf. Felix 1984a, 1986; Gleitman 1984), dem im G runde
genommen folgende Beobachtung zugrunde liegt: kindlicher Spracherwerb
erfolgt systematisch in Stadien,wobei alle Kinder etwa zur gleichen Zeit die
gleichen “falschen" Strukturen produzieren. An sich erw artbare Fehler feh­
len jedoch ganz. Im Bereich der deutschen und englischen Negation kön­
nen wir etwa feststcllen, daß Kinder stets mit einer prä-sententicllen Nega­
tion (manchmal post-sentcntiell) beginnen, also Ä ußerungen wie (18) pro­
duzieren:
(18)
No the sun shining.
Nun ist auffällig, daß prä-sententielle Negation im Englischen nie gram ma­
tisch ist. Negationselemente können nur vor NPn, VPn und PPn stehen,
aber niemals vor Sätzen. Und dies ist keinesfalls eine merkwürdige Eigen­
schaft des Englischen. Wie eine empirische Studie von Dahl (1979) gezeigt
hat, gibt es keine Sprache, die eine sententielle Negation - syntaktisch
gesehen - besitzt. Das Rätsel liegt also darin, daß Kinder Strukturen pro­
duzieren, die sie niemals gehört haben können, weil sie in allen Sprachen
der Welt ungrammatisch sind. W ieder gilt die Schlußregel: was die Kinder
nicht aus den D aten extrahiert haben können, müssen sie aus sich selbst
entwickelt haben. Ähnliche Merkwürdigkeiten existieren etwa im B ereich
der Hilfsverben. Im Englischen ist eindeutig jeweils die kontrahierte Form
von Hilfsverb und Negationselement häufiger, d.h. can't tritt wesentlich
öfter auf als cannot. Dennoch erwerben die Kinder zunächst die nicht-kontrahierte Form. Auch hier können sie sich nicht einfach an den D aten orien­
tiert haben, etwas in ihnen muß dafür verantwortlich sein, daß sie a) die
kontrahierten Formen als kontrahierte erkennen und b) die Kontraktion
selbst zunächst nicht durchführen. D er Input bestimmt also auch hier nicht,
wie Kinder Sprache erwerben (Felix 1984a, 1986).
Als hartnäckiger Gegner des Nativismus könnte man nun einw enden,
daß irgendwelche allgemein-kognitiven Prinzipien, die dem Menschen
durchaus angeboren seien, alle bislang präsentierten D aten Vorhersagen
würden. Es gäbe unter dieser Sichtweise also Prinzipien, die auch unser
Umgehen mit der M athem atik, G eographie, Schachspielen usw. steuern
würden und die eben auch die Formung unserer G ram m atiken beeinflus­
sen. D er Empirist zöge sich also hier durchaus auf eine schon nativistische
Position zurück, nur leugnete er, daß die angeborenen Gesetzm äßigkeiten
sprachspezifisch sind.
17
Sicherlich könnte die Welt so beschaffen sein, wie eben beschrieben.
Wir könnten aber ebenso behaupten, cs gäbe allgemeine Organwachstumsprinzipien, welche in Interaktion mit Umweltreizen dazu führten, daß wir
an gewissen Stellen unseres Körpers Augen, an anderen Ohren oder
G ehirne, an weiteren Lungen und Beine usw. ausbilden. Es ist durchaus
logisch vorstellbar, daß die biologische Vorstellung, die Bauprinzipien der
einzelnen Organe seien jeweils einzeln im genetischen Programm spezifi­
ziert, falsch ist und durch ein allgemeines Wachstumsprogramm ersetzt wer­
den müßte. Warum aber halten wir diese Vorstellung für widersinnig?
Offenbar, weil kein konkreter Vorschlag für dieses allgemeine Wachstums­
programm vorlicgt und weil wir uns kaum vorstellen können, nicht einmal
in den gröbsten Umrissen, welche allgemeinen Wachstumsgesetze zur Aus­
bildung unserer Einzelorgane führen könnten.
Ganz analog ist aber die Sachlage im mentalen Bereich. Die Angabe all­
gemeiner Intelligenzprinzipien, welche die Organisation der Gramm atik
menschlicher Sprachen erklären sollten, ist immer ein leeres Versprechen
geblieben, und es sieht auch nicht danach aus, als könnte dieses Verspre­
chen jemals eingelöst werden. Es scheint widersinnig, sich ein G esetz des
menschlichen Geistes vorzustellen, das auch Schach und Logik erklären
würde, das Vorhersagen würde, weshalb (11c) grammatisch ist, aber nicht
(12c). Ja mehr noch, der entscheidende Unterschied liegt jeweils immer in
grammatischen K ategorien, niemals im semantischen Bereich. Chomskys
Vorschlag ist die einzig funktionierende Theorie, die die beiden Probleme
des Spracherwerbs lösen kann, und es sieht nicht danach aus, als würde sich
dies in den nächsten 40 oder 100 Jahren ändern können.
Man würde vielleicht nun auch gerne eher “psychologische” Evidenz für
das genetische Programm des Menschen zusätzlich zu den beiden obigen
D atenbereichen zur Verfügung haben. A ber auch hier ist der Nativismus in
einer hervorragenden Position. Es gibt zwei eher empirisch als konzeptuell
angelegte Studien, die zeigen, daß Sprache angeboren sein muß.
Die ersten Studien, durchgeführt von Susan Goldin-Meadow (1982),
beschäftigten sich mit taubgeborenen Kindern sprechender Eltern, die
keine Zeichensprache beherrschten. Dies heißt nun nichts anderes, als daß
diese Kinder völlig von jeglichem sprachlichen Input abgeschnitten waren.
Dennoch entwickelten die Kinder aus sich heraus ein Zeichensystem, das
in fast allen Details den Gesetzm äßigkeiten entspricht, die man aus der
Zweiwortphase sich normal entwickelnder Kinder kennt. Also ist für die
Entwicklung eines Sprachsystems, das der Zweiwortsprache entspricht, gar
kein Input erforderlich. Die Entwicklung bis zur Zweiwortphase hin muß
zu 100% angeboren sein und bedarf keines auslösenden Umweltreizes.
18
Einen schlagenderen Beweis für Chomskys These kann man sich eigentlich
kaum vorstellen.
Festzuhalten ist hier nun, daß die von Goldin-M eadow untersuchten
Kinder bei der Zweiwortphasengrammatik stehenblieben. Für die weitere
sprachliche Entwicklung ist also die Gewährung eines Inputs erforderlich.
Dies ist aber nicht verwunderlich und widerspricht nativistischen Vorstel­
lungen keineswegs. Der Nativismus besagt weder, daß alle genetisch fixier­
ten Sachverhalten von G eburt an da sein müssen (das implizierte, daß die
Erwachsenenzähne und die Ausprägung sekundärer G eschlechtsm erkmale
in der Pubertät erlernt wären), aber auch nicht, daß alle genetisch fixierten
Strukturen sich ohne Umweltreize entwickeln. Wiesel & H ubel (1967)
haben gezeigt, daß fehlender visueller Input beispielsweise die Ausprägung
normalerweise vorhandener neuronaler Strukturen blockiert. Wie bereits
oben formuliert, kommt der Umwelt unter den A nnahm en des Nativismus
eine Auslöserfunktion für genetisch vorprogramm ierte Prozesse zu.
Was nun die weitere sprachliche Entwicklung anbetrifft, so erhalten wir
einschlägige D aten aus dem Bereich der Kreolistik. W ährend Pidgin-Systemen einige grammatische Charakteristika natürlicher Sprachen fehlen, be­
zeichnet man als Kreolen diejenigen vollständigen Sprachen, die auf der Basis
von Pidgins von Kindern erlernt w erden. Pidgin-Systeme entbehren charakte­
ristischerweise jeder A rt systematischer G ram m atik, es gibt keine W ortstel­
lungsregeln, kein echtes A rtikel- oder Hilfsverbensystem, kein Pronom inal­
system. Was im Pidgin gesprochen wird, ist eine zufällige Mischung von ver­
stümmelten Ä ußerungen, die Elem ente der jeweiligen einbezogenen Spra­
chen (Ureinwohnersprachen, Sprachen von eingew anderten A rbeitern, etwa
Japanisch oder Filipino auf H awaii), mit Sprachen der beherrschenden Kultur­
schicht (i.d.R. indoeuropäisch, auch arabisch) unregelmäßig kombinieren.
Kinder, die in einer Pidgin-sprechenden G emeinschaft aufwachsen,
bekommen zwar sprachlichen Input, aber sie besitzen kein grammatisches
Vorbild. D aher ist es für einen Empiristen zunächst völlig unerklärlich,
wieso diese Kinder ein Sprachsystem mit voller G ram m atik, eben die
Kreolsprache entwickeln. Sie können diese G ram m atik nicht dem Input
entnommen haben, sondern müssen sie aus sich selbst entw orfen haben.
Und diese Grammatik ist - wie Bickerton (1981) dem onstriert hat - nun
nicht nur identisch für alle Sprecher einer K reolsprache, sondern eben auch
identisch für alle Kreolsprachen in den wesentlichen A spekten. D .h. den
Kindern muß ein genetisches Programm mitgegeben sein, das es ihnen
erlaubt, bei Vorhandensein beliebigen sprachlichen Inputs eine G ram m atik
zu entwickeln. Weitere psychologische Evidenz für die A nnahm e einer Uni­
versalgrammatik ist ausführlich in Felix & Fanselow (1986) dargestellt.
19
L2. Das Parametermodell der Universalgrammatik
Wenn wir nun gezeigt haben, daß ein solches genetisches Programm für
Grammatik existiert, dann stellt sich sofort die Frage: warum sprechen wir
nicht alle dieselbe Sprache, oder genauer, warum sprechen wir nicht alle
Sprachen mit identischer G ram m atik? Warum können unsere G ram m ati­
ken des D eutschen oder Englischen von den Kreolsprachengrammatiken
abweichen, von denen Bickerton zeigte, daß sie nur aus der genetischen
Vorprogrammierung ableitbar sind?
Aber auch die Eigenschaft, daß sich innerhalb genetisch fixierter D om ä­
nen umweltabhängige Varianzen feststellen lassen, sollte unter einer nativistischen G rundhaltung nicht überraschen. Diese Position schreibt der
Umwelt ja Auslöserfunktionen für genetisch vorprogramm ierte Strukturen
vor, und je nachdem , wie die Umwelt beschaffen ist, können verschiedene
Strukturen ausgelöst werden. Aus dem Bereich der Biologie lassen sich
viele Beispiele anführen, wo unterschiedliche Umweltreize unterschiedli­
ches Verhalten in einem eng umschriebenen genetischen Möglichkeitsraum
bedingen (cf. B onner 1982). Im Bereich des Vogelgesangs finden wir bei­
spielsweise A rten (so der Buchfink), denen genetisch eine bestimmte M elo­
dienschablone vorgegeben ist, innerhalb derer jedoch dialektal ausdifferen­
ziert werden kann (cf. Catchpole 1979).
Ganz analog sollten wir nun für die Universalgrammatik erw arten, daß
sie Prinzipien enthält, die für alle Sprachen Geltung besitzen. Dazu gehört
etwa das Empty Category Principle oder die Theorie der Bindung von A na­
phern. Aber in ebenso offensichtlicher Weise m uß die Universalgrammatik
Freiräume lassen, da sich Sprachen in ihren G ramm atiken unterscheiden
können. Dies sieht man alleine schon an D aten aus dem Bereich der W ort­
stellung. Es gibt Sprachen, die ihr Verb an die Spitze des Satzes stellen
(Irisch), solche, die es zwischen Subjekt und Verb postieren (Englisch), und
solche, die es ans Ende Satzes stellen (Japanisch). Sprachen können präpositional (Englisch) oder postpositional (Baskisch) sein. Das G enitivattribut
kann dem Nomen vorangehen (Finnisch) oder ihm folgen (Spanisch). Das
Adjektiv kann dem Nomen vorangehen (Deutsch) oder ihm folgen (K a­
talanisch).
Damit sind vier Param eter eröffnet, bezüglich derer sich Sprachen
unterscheiden können, also sind 3x2x2x2, d.h. 24 Kombinationen denkbar.
Nun wäre es prima facie zu erw arten, daß sich die Sprachen der Welt mehr
oder minder gleichmäßig auf diese 24 Sprachtypen verteilen. Faktisch las­
sen sich jedoch nur für 15 K ombinationen Beispiele finden (cf. Hawkins
1983). Auch die Typologieforschung deutet also auf die Richtigkeit des
20
Chomsky’schen Programmes hin. Aus irgendeinem G rund muß der Mensch
so angelegt sein, daß er Sprachen, die den fehlenden 9 Sprachtypen ent­
sprechen, nicht als natürliche Sprache verwenden kann.
Im Bereich der Divergenz von Sprachen gibt es also feste Regularitäten.
Einzelne Unterscheidungen sind m iteinander verbunden, so muß z.B. jede
VSO-Sprache präpositional sein. Zwischen der Verbstellung und der Stel­
lung der Adpositionswörter besteht ein von der UG spezifizierter Zusam ­
menhang. Damit kristallisiert sich folgendes Bild der Universalgrammatik
heraus: einerseits enthält sie eine Menge allgemeingültiger Spezifikatio­
nen, wie die Theorie der Bindung von A naphern. A ndererseits enthält sie
ein System von Wahlmöglichkeiten für die konkreten Einzelsprachengrammatiken, wobei jedoch - wegen der absolut gültigen Prinzipien - jeweils
stets bestimmte grammatikalische Regularitäten (Verbstellung-Adpositionsstellung) kovariieren müssen. Technisch bezeichnet man diese Wahl­
möglichkeiten als Parameter.
Das bekannteste Beispiel für einen Param eter ist der sog. Pro-dropParameter. W ährend, wie bereits gesagt, im Englischen Subjekte aus dafiSätzen nicht extrahiert werden dürfen (19a), ist dies im Spanischen möglich:
(19a)
(19b)
*Who do you believe that will come?
Quien crees que vendrä?
Daneben unterscheidet sich das Spanische vom Englischen aber noch in
einer Reihe weiterer Eigenschaften. Im Spanischen kann das Subjekt frei
invertiert werden, im Englischen dagegen nicht.
(20a)
(20b)
*Kissed a man Mary.
Besö a un hombre Maria.
Und im Spanischen kann - anders als im Englischen - das Subjektsprono­
men weggelassen werden.
(21a)
(21b)
*Arrived at the Station.
Llegö a la estaciön.
Wie man nun festgestellt hat, korrelieren (mit einer wichtigen Ausnahm e,
auf die wir unten zurückkommen werden) stets die drei Eigenschaften mit­
einander. Wenn eine Sprache es erlaubt, Subjekte aus konjunktional einge­
leiteten Sätzen zu extrahieren, dann erlaubt sie auch die freie Subjektsin­
version und die freie Weglaßbarkeit von Pronom ina. A ber wenn eine Spra­
che eine dieser drei Eigenschaften nicht besitzt, dann weist sie auch die
anderen beiden nicht auf. Die Universalgram matik muß so angelegt sein,
21
daß irgendwelche Prinzipien - hier das ECP - die Korrelation der D aten
erzwingen und die Wahlmöglichkeiten dennoch offenlassen. Die Sprachen
können sich dahingehend unterscheiden, ob sie frei Subjekte weglassen
können, aber wenn sie dies tun, dann erzwingt die Universalgrammatik die
Möglichkeit zur freien Inversion und zur freien Extrahierbarkeit der
Subjekte.
Da es sich um Param eter handelt, also um W ahlmöglichkeiten, die vom
Kind fixiert werden müssen, dürfen Param eter nur dann angesetzt werden,
wenn das Kind den jeweiligen Wert des Param eters auch erlernen kann.
Anders form uliert, es muß positive Evidenz geben, die es dem Kind
erlaubt, den Param eter zu fixieren. Die Param eterfixierung muß D aten als
grammatisch auszeichnen, die ohne den konkret gewählten Param eterwert
jeweils ungrammatisch wären.
Für unseren Pro-drop-Param eter scheint dies nun durchaus der Fall zu
sein. Wenn der Param eter nicht wie im Spanischen fixiert wird, dann sind
Inversionsdaten wie in (20b) ungrammatisch, wie (20a) zeigt. H ört das Spa­
nisch lernende Kind nun Sätze wie (20b), dann kann es davon ausgehen,
daß der Param eter so fixiert w urde, daß (20b) grammatisch ist. D ann aber
erzwingt die O rganisation der Universalgram matik, daß auch (19b) und
(21b) grammatisch sein müssen. Die Fixierung des Pro-drop-Param eters
auf den spanischen Wert ist also lernbar.
Betrachten wir nun Englisch lernende Kinder. H ier sind die vom Para­
meter ausgezeichneten D aten jeweils negativer Natur, d.h. das Kind wird
prinzipiell nicht in Erfahrung bringen können, daß (19a), (20a) und (21a)
ungrammatisch sind, wenn es allein auf seine Inputdaten angewiesen wäre.
Nun ist es freilich so, daß Inversionsstrukturen im Englischen ermöglicht
sind, wenn wir an die invertierte Subjektsstelle ein expletives Elem ent set­
zen, wie etwa in (22):
(22)
There have been killed three soldiers.
Sätze wie (22) werden wir aber im Spanischen nicht finden. Dies liegt
daran, daß ein Prinzip der U G regelt, daß Pronomina dann weggelassen
werden müssen, wenn sie w eglaßbar sind, das sog. “avoid-pronoun-principle” . Weil nun im Spanischen, cf. (20b), frei invertiert werden kann,
erzwingt das avoid-pronoun-Prinzip, daß hier keine expletiven Elem ente
gesetzt werden dürfen. D a das avoid-pronoun-Prinzip zur U G gehört, weiß
auch das Kind, daß Strukturen wie (22) nur dann grammatisch sein dürfen,
wenn (20b) ungrammatisch ist. Es muß also schließen, wenn es (22) hört,
daß der U G -Param eter nicht wie im Spanischen fixiert wurde.
22
Also ist auch die englische Version des Pro-drop-Param eters lernbar.
Ganz allgemein wird man sogar sagen dürfen, daß die nicht-kontrastierende Verwendung unbetonter Subjektspronom ina wegen des avoid-pronoun-Prinzips ausreichend sein wird, um dem Kind über (23) genügend
Evidenz für die Parameterfixierung zu liefern:
(23)
He came.
Wir sind also berechtigt, in der UG einen Param eter anzusetzen, wenn
beide Parameterwerte Daten als grammatisch auszeichnen, die es ohne den
Parameterwert nicht wären. Ganz offensichtlich ist es logisch nicht mög­
lich, einen Parameter anzusetzen, der in beiden Versionen nur negative
Daten auszeichnete. Denn es zeichne für die Sprache E der Param eter P
die Daten pj__ pn als ungrammatisch aus, aber keine als grammatisch.
Sind nun in der Sprache F die D aten q,— q m vom Param eter als ungram­
matisch ausgezeichnet, dann haben wir zunächst den Fall zu betrachten,
daß ein pj nicht unter den qj enthalten ist. D ann ist pj ein positives Datum,
weil in F grammatisch, und kann beim A uftreten vom Kind dazu verwendet
werden, den Param eter nach F auszurichten. In diesem Falle sind wir aber
nicht berechtigt zu sagen, daß der Param eter in beiden Sprachen nur nega­
tive Daten auszeichne, im G egenteil, er zeichnet pj als grammtisch für F
aus. Trivialerweisc gilt dieselbe Überlegung auch für den Fall, daß ein q,
nicht in den pj enthalten ist. Ein Param eter kann also nur dann nur negative
Evidenz auszeichnen, wenn die pj's identisch sind mit den qj’s. Aber dann
unterscheiden sich die beiden Sprachtypen gar nicht mehr, es besteht also
gar kein Param eter mehr.
D er interessante Fall liegt nun dann vor, wenn nur ein Parameterwert
durch positive Evidenz ausgezeichnet ist, d.h. wenn der Parameterwert
also Daten p, in der Sprache E als grammatisch kennzeichnet, in F aber als
ungrammatisch, aber keine D aten qj als gram matisch in F auszeichnet und
ungrammatisch in E. Dann ist aufgrund der positiven Evidenz nun der
Parameter zwar für F-Kinder erlernbar, nicht aber für E-Kinder. D er Para­
meter ist also nur dann in toto ein realistisches Modell des Spracherwerbs,
wenn Kinder beim Fehlen positiver Evidenz den E-Wert als gegeben anneh­
men und nur beim Vorliegen positiver Evidenz gegen den E-Wert von die­
ser Parameterfixierung abweichen. A nders form uliert, solche Parameter
sind nur dann real und lernbar, falls einer der beiden W erte, der als unmar­
kiert ausgezeichnet ist, vom Kind als gültig angesehen wird, solange ihm
keine gegenteilige Evidenz bekannt ist.
Wir können ein Beispiel etwa in W ortstellungsregularitäten ansehen.
Bezüglich der Abfolge von Adjektiven und Nomina etwa gibt es Sprachen,
23
die streng eine einzige Abfolge vorschreiben (etwa das heutige D eutsch),
und solche, die gleichzeitig mehrere O ptionen offenlassen, wie frühere Sta­
dien des Deutschen, oder Sprachen mit freier Wortstellung wie Latein.
Offensichtlich steht nun ein Kind vor zwei Aufgaben: festzustellen, welche
Abfolge von A und N gegeben ist und ob diese Abfolge auch die einzig rea­
lisierbare ist. In einer Sprache wie dem Deutschen, die AN strikt vor­
schreibt, sind nun trivialerweise nur A N-D aten im Input, so daß dem Kind
keine negative Evidenz gegen die Hypothese “beide Stellungen sind mög­
lich” zur Verfügung steht. Da im Frühneuhochdeutschen z.B. noch NAStellungen lizensiert waren, kann auch nicht die allgemeine Organisation
der deutschen G ramm atik dem Kind hier Hinweise geben. Es muß also im
Kind einen Mechanismus geben, der ihm suggeriert, bis zum Vorliegen
gegenteiliger Evidenz davon auszugehen, daß nur eine Abfolge - egal wel­
che - von Adjektiven und Nomina grammatisch sein kann. D er unmar­
kierte Fall für W ortstellungsdaten ist also “nur eine Abfolge ist gramma­
tisch” , aber diese O ption kann beim Vorliegen gegenteiliger Evidenz revi­
diert werden.
Vielleicht sieht man die Bedeutung unm arkierter Optionen für den
Erwerb von Abfolgeregularitäten noch wesentlich deutlicher in den G ram ­
matiken romanischer Sprachen. Im Französischen oder Spanischen kom­
men im kindlichen Input sowohl A N-D aten (une jeune fille) als auch NAD aten (un hom m e tres important) vor. Das Kind muß letztendlich zu einer
grammatischen R epräsentation gelangen, die die NA-Abfolge als die regel­
mäßige auszeichnet und AN als exzeptionelle Version für einige wenige
Lexeme. Nun kann das Kind - wegen des Fehlens negativer Evidenz - den
A usnahm echarakter von jeune fille nicht dem Input entnom m en haben, es
muß also im Kind ein Prinzip vorhanden sein, das ihm sagt, solange von
nur einer G rundabfolge auszugehen, wie dies möglich ist, und alle abwei­
chenden Stellungen als lexikalische Ausnahmen anzusehen. Wenn also die
Universalgrammatik in der einen oder anderen Form dem Kind suggeriert,
daß es nur eine Basiswortstellung gibt, wird es versuchen, im Französischen
diese Basiswortstellung herauszufinden, und kann dann feststellen, daß nur
die AN-Stellung über lexikalische Ausnahmeregelungen erklärbar ist, aber
nicht NA. Die A nnahm e einer M arkiertheitshierarchie im W ortstellungspa­
ram eter erlaubt uns also, den Erw erb der französischen G ramm atik zu
erklären.
U nter einer nicht-nativistischen Annahm e ist dies in offensichtlicher
Weise unmöglich. Denn das Kind bekomm t sowohl für AN als auch für NA
Evidenz. Und die einzig mögliche induktive Generalisierung, die es daraus
ohne Universalgrammatik gewinnen könnte, wäre, daß beide Stellungen
24
gleichberechtigt sind, also eine falsche G eneralisierung. Nichts in den
Daten selbst sagt dem Kind,daß jeune fille nicht w eiter generalisierbar ist
zu un très important homme.
Es wird nun auch klar, wie sich die Bickerton-D aten interpretieren las­
sen. Die das Kreol entwickelnden Kinder befinden sich wie dargestellt in
einer Situation, in der ihnen ihr Input überhaupt keine grammatische Evi­
denz anbietet, also insbesondere auch keine solche, die unm arkierte Para­
meterwerte widerlegen könnte. Innerhalb gewisser G renzen kann man also
Kreolsprachen als Quelle für Erkenntnisse über unm arkierte Parameterwerte ansehen.
Chomsky (1986a) verm utet darüber hinaus, daß alle Param eter mit
einer Markierungsskala ausgestattet sind. Beispielsweise scheint für den
Pro-drop-Parameter nachweisbar, daß der italienisch-spanische Wert unmarkiert ist. Die Studie von Hyams (1983) zeigt nämlich, daß auch Englisch
erwerbende Kinder zunächst mit subjektslosen K onstruktionen beginnen.
L3. Der Konfigurationalitätsparameter
Innerhalb der generativen Literatur sind nun eine ganze Reihe von Parame­
trisierungen vorgeschlagen worden. Wir haben bereits über den Pro-dropParameter ausführlicher gesprochen, der sich mit der Möglichkeit Subjekts­
pronomina wegzulassen und weiteren D aten beschäftigt. Huang (1984)
etwa schlug einen weiteren Param eter vor, der die Weglassbarkeit von topikalisierten Phrasen und O bjekten regelt. In offensichtlicher Weise sind
Wortstellungsfakten param etrisiert, den U nterschied zwischen VSO- und
SVO-Sprachen könnte man, im Sinne von Chung (1983), McCloskey (1983)
oder Koopman (1984) über Param etrisierungen im Bereich von INFL und
Verben beschreiben. O ffenbar gibt es auch eine Param etrisierung dahinge­
hend, ob »v/i-Wörter in der Syntax an die Satzspitze gestellt werden
(Deutsch) oder nicht (Japanisch), ob m ehrere vorangestellt werden können
(Polnisch) oder nur eines usw.
Chomsky (1986a) schlägt vor zu param etrisieren, ob Reflexivpronomina
in der Syntax bereits an INFL klitisiert w erden. D ieser Param eter wäre
nach Chomsky damit korreliert, ob Reflexivpronom ina wie im Französi­
schen sich nur auf Subjekte beziehen dürfen oder aber, wie im Deutschen
oder Englischen, auch Objektsbezug haben können. Fanselow (1986a)
stellt diesbezüglich eine Param etrisierung vor, die den Bezug von Ana­
phern unter “innerer Abhängigkeit" mit Kasusdaten zu korrelieren ver­
sucht. Kayne (1981b) hat ferner gezeigt, daß feine U nterschiede im prä-
25
positionalen Bereich zwischen Englisch und Französisch eine Reihe von
Extraktionsdaten oder das A uftreten eines Acl steuern können. Die Litera­
tur kennt noch m ehrere Parameterisierungsvorschläge, die mehr oder min­
der gut ausgearbeitet sind.
Ein zentrales Problem, das sich der generativen G ramm atik nun seit
ihren Anfängen stellte, liegt in den Sprachen mit “freier” Wortstellung vor,
wie etwa Latein, Japanisch, australische Sprachen und auch Deutsch.
Offenbar liegt eine Korrelation von Wortstellungsfreiheit mit Kasussyste­
men vor, aber diese Korrelation ist nicht perfekt: es gibt (cf. Hawkins 1983)
durchaus Sprachen mit freier W ortstellung ohne Kasusmarkierung und
Sprachen mit Kasusm arkierung, deren Wortstellung kaum frei ist. Auch
tendieren freie Wortstellungssprachen dazu, SOV-Grundstellung zu besit­
zen. Sprachen mit fester Wortstellung präferieren SVO, aber die Korrela­
tion ist wiederum nicht 100%ig durchgezogen. Es kann also kein direkter
grammatischer Zusam m enhang zwischen den angesprochenen Phänom e­
nen bestehen.
Es scheint zunächst recht trivial, hier eine Param etrisierung vorzuneh­
men. Das Kind kann seinen D aten ja ablesen, ob Wortstellung frei ist oder
nicht, und so wäre ein W ortstellungsfreiheitsparam eter wohl erlernbar.
Dennoch besitzt - anders als die bislang genannten Param etrisierungen die Frage der Wortstellungsfreiheit eine entscheidende Rolle bei der Frage
der Evaluation von G ram m atiktheorien. Wir müssen uns nämlich vor
Augen halten, daß im Rahmen der Rektions- und Bindungstheorie von
Noam Chomsky die Universalgrammatik hierarchisch definiert ist oder
konfigurational, wie man auch sagt. D er Terminus leitet sich ab aus der
Behandlung der grammatischen Funktion in der Rektions- und Bindungs­
theorie.
Chomsky unterscheidet sich seit den Anfängen in Chomsky (1957) u.a.
dadurch von der traditionellen G ram m atik, daß er Begriffe wie “Subjekt” ,
“O bjekt” , “Prädikat” nicht als grundlegend ansieht. Sicher verwendet man
in der generativen G ram m atik solche Ausdrücke, doch sind sie nur abkür­
zende Redeweisen für strukturelle Relationen. Beispielsweise definiert
man seit Chomsky (1965) das Subjekt als die NP, die direkt unter S hängt,
und das O bjekt als diejenige NP, die unter VP hängt. Die ganze Theorie
der Universalgrammatik ist dann in Begriffen dieser Strukturen definiert.
Zentral ist etwa der Begriff des c-Kommandos, wie in (24) definiert:
(24)
ln (.. .a . . .b .. . a . ..) c-kom mandiert b a, wenn der erste ver­
zweigende K noten über b auch a dom iniert, und wenn a in
b nicht enthalten ist.
26
Nun wird der für mehrere Teiltheorien der Rektions- und Bindungstheorie
ausschlaggebende Bindungsbegriff ebenfalls über c-K om m ando definiert:
a bindet b, falls a und b koindiziert sind und falls a b c-kom m andiert. Wei­
ter ist auch Rektion über c-Kommando definiert (a regiert b, falls a b ckommandiert und keine maximale Projektion zwischen a und b liegt), so
daß letztendlich das ganze Gebäude der U niversalgram matik auf Konfigu­
ration basiert. Man spricht daher auch von einer konfigurationalen Theorie
menschlicher Sprachen.
Es ist nun nicht so ohne weiteres klar, ob sich Sprachen mit freier Wort­
oder Konstituentenstellung überhaupt in dieses konfigurationale Gramma­
tikmodell integrieren lassen. Sehen wir uns dies am Beispiel eines deut­
schen Nebensatzes an. Zunächst existieren einmal Sätze wie (25), die dem
GB-System keine größeren Schwierigkeiten zu bereiten scheinen:
(25)
Weil der Kaspar gestern in der Uni dem H otzenplotz einen
Apfel schenkte.
Mit der Startregel S -► NP VP INFL und der Expansion von VP mit rechts­
finalem V (daher auch INFL zunächst rechtsfinal) fügt sich (25) recht gut in
das System ein. Der dazugehörende Strukturbaum ist (26), und da die
Objekte dem Verb am nächsten stehen, ist z.B. auch das Subkategorisie­
rungsprinzip erfüllt.
Allerdings sind nun unter entsprechenden intonatorischen und kontextuellen Bedingungen alle Perm utationen der Satzglieder von (25) grammati-
27
sehe Sätze des Deutschen. Man muß dabei nur die Feldgliederung beach­
ten, d.h. die Konjunktion weil muß am Anfang bleiben und das finite Verb
am Ende:
(26a)
Weil gestern der Kaspar in der Uni dem Hotzenplotz einen
Apfel schenkte.
Weil dem Hotzenplotz gestern der Kaspar in der Uni einen
Apfel schenkte.
Weil einen Apfel gestern dem Hotzenplotz in der Uni der
Kaspar schenkte.
Weil einen Apfel gestern dem Hotzenplotz in der Uni nie­
mand schenken wollte.
(26b)
(26c)
(27)
(26c) ist z.B. akzeptabel bei K ontrastbetonung auf der Kaspar. Tauscht man
Kaspar durch niemand aus und fügt man noch ein Hilfsverb wie wollen an,
dann wird die Konstruktion (26c) - wie (27) zeigt - auch ohne K ontrastbe­
tonung akzeptabel.
(26)
exemplifiziert keineswegs alle Möglichkeiten, die uns offenstehen.
Bei 5 Satzgliedern gibt es 5!, d.h. 120 Kombinationsmöglichkeiten, die alle
aufzulisten nicht sinnvoll wäre. Das Problem läßt sich ohnehin schon an
den präsentierten D aten aufzeigen.
Versuchen wir, für (26c) oder (27) eine Struktur zu zeichnen. Sie müßte
wie in (28) angegeben aussehen. Es ist sehr schwer zu sehen, wie man die
einzelnen Verzweigungen nun mit dem Inventar, das man sich am Engli­
schen erarbeitet hat, etikettieren könnte:
(28) ^ S ’^ ^
COM P
weil
^
einen
Apfel
S?
gestern
dem
H.
in der
Uni
niemand
schenken
wollte
28
X4 sollte, wenn das Subjekt, wie Chomsky (1965) es fordert,die NP unter
S ist, wieder S sein. Aber S ist ja eigentlich als Tochter von S’ schon weiter
oben im Baum vergeben. Und einen A pfel sollte als O bjekt die NP (eine
der NPn) unter VP sein, daher sollte VP eigentlich S? sein, aber auch X2.
Wie ist dies mit der X-bar-Regel zu vereinbaren? Wie kann v.a. VP über S
stehen? Wenn aber X2 VP ist, dann ist das Subjekt niem and in VP enthal­
ten, es müßte daher von schenken subkategorisiert sein,und Subjekte sind,
wie wir oben sahen, sicher nie subkategorisiert (cf. dazu etwa Stechow
1980).
Weitere Fragen tauchen bei der Bindungstheorie auf. Die norm ale Wort­
stellung (cf. z.B. Hoberg 1981; Lenerz 1977) bei einem Satz mit Reflexiv­
pronomen ist die in (29) exemplifizierte:
(29)
Weil sich, jeder, für den größten hält.
Anscheinend existieren zwei Strukturm öglichkeiten für (29), (30a) oder
(30b):
(30a)
COMP
weil
NP
NP
sich,
jeder,
^ X
für den größten hält
(30b)
COMP
S
NP
X
NP
weil
sich,
jeder,
Y
für den größten hält
29
Beide Strukturen verletzen aber die Bindungstheorie. In (30a) c-kommandicrt zwar jeder sich und bindet es bei Koindizierung auch korrekt
nach Prinzip A. A ber jeder ist in (30a) um gekehrt auch von sich gebun­
den, was nach Prinzip C wegen des Charakters von jeder als R-Ausdruck
verboten ist. In (30b) ist ebenso jeder unter C-Verletzung von sich ge­
bunden. Erschwerend kommt aber hinzu, daß hier nun sich kein c-kommandierendes A ntezedens hat und damit unter Verletzung von A frei
ist.
Man könnte an (29) die Hypothese bilden, daß sich aus irgendwelchen
Gründen im Deutschen immer dann akzeptabel ist, wenn es sein A nteze­
dens wie in (29) c-kom mandiert. Doch auch diese Hypothese führt zu
nichts, wie man am ungrammatischen (31) sieht:
(31a)
(31b)
*Weil sichj dem B ürgerm eister gefällt.
*Weil sichj jeden; für den größten hält.
Ein Subjekt im finiten Satz darf, wie (31) dem onstriert, auch im Deutschen
nicht gebunden sein. Es kommt dabei auf die genaue Stellung des A nteze­
dens überhaupt nicht an. A ndererseits darf ein Subjekt im D eutschen, wie
(29) zeigt, eine A napher binden, und auch dabei kommt es, cf. (32), nicht
auf die Abfolge an:
(32)
Weil jeder, sichj für den größten hält.
Aber (28) hatte schon gezeigt, daß man nicht so ohne weiteres den Sub­
jektsbegriff im Deutschen konfigurational definieren kann, wenn dabei
Oberflächenstrukturen zugrunde gelegt werden. D er erste Eindruck legt
also nahe, daß man im D eutschen mit dem konfigurationalen A nsatz nicht
sehr weit kommen wird, d.h. daß sich die Gesetzm äßigkeiten der d eut­
schen Bindungssyntax z.B. wesentlich besser an den Begriffen “Subjekt” ,
“O bjekt" orientieren lassen, als an den oberflächlich zu konstruierenden
Konfigurationen. Dann aber dürften nicht konfigurationale Begriffe das
Rüstzeug der UG ausm achen, sondern relationale Termini wie eben die
grammatischen Funktionen. Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, die
letztere Idee auszugestalten, und beide erscheinen auf den ersten Blick
plausibel.
Einmal könnte man sich die Scheidung “konfigurationale Definition der
grammatischen Funktion oder nicht” als U G -Param eter organisiert den­
ken. G enauso wie im Pro-drop-Fall böte also die UG dem Kind zwei O ptio­
nen an. Aufgrund irgendwelcher D aten könnte das Kind erkennen, ob
seine Sprache zum Englisch-Typ (Konfiguration als Basis der G ram m atik)
oder zum Latein-Typ (grammatische Funktionen als Basis) gehört. Für
30
beide Sprachtypen stünde eine M enge von konfigurational bzw. relational
fundierten U G -Prinzipien bereit.
Natürlich könnte das genetische Programm des M enschen für Sprache
so aussehen und nicht anders. Es ist eine rein empirische Frage, ob die UG
diese Form annimmt. Man muß aber zugeben, daß dies ein recht häßliches
Bild der UG wäre. Es gäbe zwei (vielleicht auch m ehr) Sprachklassen,
deren Syntaxen fast gar nichts m iteinander gemein hätten und deren jewei­
lige Sprecher quasi als genetischen Ballast die U G-Prinzipien für den ande­
ren Sprachtyp noch mittrügen, ohne daß dies irgendeinen großen Wert für
ihr eigenes Sprachverhalten besäße.
Auch divergieren die Sprachen der Welt nicht so stark, wie man es bei
einer klaren Bruchlinie eigentlich erwarten würde. Es gibt eine Unzahl von
Abstufungsmöglichkeiten für Wortstellungsfreiheit.
Zweitens könnte man annehm en, daß Chomsky (1981) unrecht hat.
Konfigurationale Begriffe hätten danach überhaupt keinen Platz in der
UG. Diese würde nur über grammatische Funktionen reden. Die einzelnen
Sprachen hätten die Option, diese grammatische Funktion auf verschie­
dene Weise auszubuchstabieren: entw eder konfigurational über Definitio­
nen wie “die NP unter S" (wie im Englischen) oder aber über Kasus “die
NP mit Nominativ" (wie im D eutschen).
Die Gesetze der UG hätten dann die Form von Anweisungen wie
“muß von einem Subjekt gebunden sein". Je nachdem , wie die gram­
matischen Funktionen ausbuchstabiert w erden, ergäbe sich dann in den
verschiedenen Sprachen der Anschein, als seien diese UG-Prinzipien
andere. Vom Deutschen her mag man zur H ypothese gelangen, “binde
an den Nominativ" sei das Bindungsprinzip für A naphern. Vom Engli­
schen her mag man zu der - unter dieser T heorie irrigen - Annahme
kommen, der c-Kommandobegriff spiele eine Rolle. D enn wenn die
Bindung an das Subjekt gehen muß und die fragliche Sprache wie das
Englische das Subjekt zur höchsten NP in S m acht, dann c-kommandiert natürlich das Subjekt alle von ihm gebundenen A naphern trivialiter.
Diese Version der UG wird heutzutage tatsächlich als Gegenm odell zu
Chomsky (1981) vertreten, und zwar von der “ Lexical-Functional-Grammar" (cf. etwa Bresnan 1982a).
Es konkurrieren also drei Modelle für die Integration konfigurationaler
und nicht-konfigurationaler Syntaxen in der Universalgram m atik:
- Ein konfigurationales Modell der U G , das keinen Konfigurationalitätsparam eter kennt. Die “nicht-konfigurationalen Sprachen” erklären sich
aus anderen Param etrisierungen der U G .
31
- Ein param etrisiertes Modell der UG: es gibt Sprachen, die ihre G ram ­
matik konfigurational definieren, und solche, die grammatische Funktio­
nen als Grundbegriffe nehmen.
- Ein Modell der U G , das nur grammatische Funktionen als G rundbe­
griffe kennt. Konfigurationale Syntaxen stellen ein “O berflächenphäno­
m en” einer gewissen A rt der Ausbuchstabierung gram matischer Funktio­
nen dar.
Eine Entscheidung zwischen den drei angebotenen Modellen hängt nun
letztendlich nur von der Existenz “nicht-konfigurationaler Sprachen” ab.
D arunter versteht man in der aktuellen Diskussion (Chomsky 1981, Kap.
2.8; Haie 1983; Bresnan 1982a) eben solche Sprachen, deren Syntax sich
nicht in konfigurationalen Begriffen (wie im Englischen) erklären läßt.
Wenn Menschen wirklich nicht-konfigurationale Gramm atiksysteme im
natürlichen Spracherwerb erlernen können, dann kann die Universalgram­
matik nicht die in Chomsky (1981) vorgestellte Form besitzen.
Dem ersten Anschein nach erforderte also die Beschäftigung mit dem
Thema “nicht-konfigurationale Syntax” eine grammatische Analyse aller
existierender, toter und noch entstehender Sprachen. Nur dann, so könnte
man meinen, wäre eindeutig feststellbar, ob nicht-konfigurationale Spra­
chen Vorkommen.
Letztendlich würde dies bedeuten, daß die Frage für uns nicht entscheid­
bar ist. Man übersieht aber bei dieser Ü berlegung die zentrale Eigenschaft
menschlicher Sprachen: die G ram m atiken gelangen nicht durch irgendei­
nen Z auberprozeß in die menschlichen G ehirne, sondern sie werden von
Kindern in relativ kurzer Zeit vor dem H intergrund der angeborenen Uni­
versalgrammatik erlernt.
Wenn es auf der einen Seite konfigurationale Sprachen wie das Engli­
sche gibt und auf der anderen Seite nicht-konfigurationale Sprachen, wie
vielleicht das D eutsche oder das Japanische, dann muß diesem Unterschied
ein Param eter innerhalb der Universalgrammatik entsprechen. D .h. daß
Kinder in der Lage sein müssen, aufgrund von D aten in ihrem sprachlichen
Input zu entscheiden, welcher Wert des fraglichen Param eters in der Spra­
che, die sie erw erben wollen, realisiert ist, wie wir bereits gezeigt haben.
Ü bertragen auf die Frage der Konfigurationalität heißt dies folgendes:
wenn der K onfigurationalitätsparam eter eine reale Option in der Univer­
salgrammatik ist, dann muß er eine der beiden notwendigen Eigenschaften
von U G -Param etern besitzen. Wir müssen aufweisen können, daß es D aten
gibt, die nur in konfigurationalen Sprachen grammatisch sind, und solche,
die nur in nicht-konfigurationalen Sprachen grammatisch sind. Zweitens
könnte durchaus die konfigurationale O ption unm arkiert sein, in welchem
Falle zentrale positive Evidenz für Nicht-Konfigurationalitäten in den ein­
schlägigen Sprachen existieren müßte. Es wird damit aber klar, inwiefern
auch die Untersuchung einer einzigen Sprache Evidenz über die Konfigurationalitätsthese geben kann. Wenn es eine Sprache gibt, für deren gramma­
tische Analyse eine konfigurationale Ausgestaltung der Syntax erforderlich
ist, wenn andererseits diese Sprache aber keinerlei positive Evidenz für ihre
Konfigurationalität aufweist, dann kann hier K onfigurationalität nicht über
eine Parameterfixierung erlernt sein und muß also im genetischen Pro­
gramm bereits vermerkt sein. In dieser A rbeit soll dem onstriert werden,
daß das Deutsche solch eine Sprache ist.
L4. Die sechs Kriterien für Nidit-Konfigurationalität
Wenn man sich an die Untersuchung des eben aufgeworfenen Problems
machen will, muß zunächst einmal überlegt w erden, was der Konfiguratio­
nalitätsparameter eigentlich besagen muß. Die A ntw ort darauf ist schon in
Kap. 1.3. anskizziert worden: es ist nur dann möglich, grammatische Funk­
tionen konfigurational zu definieren,wenn die Strukturen in der betreffen­
den Sprache nicht flach sind, sondern hierarchisch. Dies bedeutet insbeson­
dere, daß im letzteren Fall die betreffende Sprache eine VP aufweist, so
daß das Subjekt als die NP außerhalb von VP unter S, das O bjekt als die
NP innerhalb von VP charakterisiert werden kann. Kurz gesagt ist eine
Sprache also genau dann konfigurational, wenn sie eine VP besitzt. Ande­
rerseits ist eine nicht-konfigurationale Festlegung von grammatischen
Funktionen trivialerweise genau dann erforderlich, wenn die betreffende
Sprache keine VP aufweist, also eine flache Struktur besitzt.
Da nun aber das X-bar-Schema ein Universal ist und in einer Sprache
mit Verben damit eine VP als maximale Projektion von V automatisch exi­
stieren muß, kann eine solche flache Struktur nur dann auftreten, wenn
V P=S ist. Die beiden abzuprüfenden O ptionen können also wie in (33)/
(34) veranschaulicht werden:
33
(34)
S = VP
NP
N P . . . . NP
INFL
Man muß nun sehen, aufgrund welcher D aten ein Kind eine Entscheidung
zwischen (33) und (34) treffen könnte. Ein Beispiel für positive Evidenz
für (33) läßt sich über das Prinzip der Konstituentensensitivität sprachlicher
Regeln und über das A-über-A -Prinzip im Englischen ableiten.
Das Englische weist eine K onstruktion auf, bei der ein Verb nur zusam­
men mit seinen O bjekten, aber mit nichts sonst vorangestellt werden kann.
Es handelt sich dabei um die K onstruktion “VP-Topikalisierung” , die (35)
auf (36a), nicht auf (36b) abbildet:
(35)
(36a)
(36b)
I want to kiss Mary, and I will kiss Mary.
I want to kiss Mary, and kiss Mary I will
*1 want to kiss Mary, and will kiss Mary I
Da Verschiebungsregeln nur K onstituenten bewegen können, zeigt (36a),
daß kiss Mary im Englischen eine Konstituente sein muß, und zwar VP.
Wegen des A-über-A-Prinzips muß VP auch die “größte” Konstituente
über V sein. Denn dieses Prinzip verlangt, daß eine Regel stets auf den
größtmöglichen Bereich angew endet werden muß. Somit ist vorhergesagt,
daß will etwa nicht zur VP gehört, und diese Vorhersage ist korrekt, wie
das (negative) D atum (36b) zeigt. Wie sieht es nun aber auf der anderen
Seite mit den nicht-konfigurationalen Sprachen aus?
Haie (1983) hat insgesamt sechs C harakteristika für nicht-konfigurationale Sprachen aufgestellt. Diese könnten dem Kind positive Evidenz dafür
geben, daß die Strukturen der zu erw erbenden Sprache wie (34) aussehen.
Ich werde diese K riterien nicht nur aufzählen, sondern jeweils auch darstel­
len, inwieweit sie sich aus dem vorgestellten Konzept der UG unter einer
Struktur wie (34) bereits ergeben und inwieweit sie im D eutschen, das wir
als möglichen Kandidaten für die nicht-konfigurationale O ption erkannt
haben, auch realisiert sind.
Die sechs Kriterien sind dabei:
- “freie” Wortstellung
- reiches Kasussystem
- diskontinuierliche K onstituenten
- keine N P-Bewegungsoperationen
- keine expletiven Elem ente
- freie Pronomentilgung
34
Zunächst einmal macht eine Struktur wie (33) gewisse Vorhersagen über
die Möglichkeiten, Satzglieder zu linearisieren. Da sich standardm äßig die
Kanten eines Strukturbaumes nicht überschneiden dürfen, kann das Sub­
jekt nicht zwischen Verb und Objekt stehen. Je nachdem , ob die Sprache
das Verb in der VP “vorne" oder “hinten" positioniert, m üßten entspre­
chende Strukturbäume wie (37) aussehen, was beides nicht denkbar ist.
Andererseits ergibt sich für eine Sprache, die die O ption (34) gewählt hat,
keinerlei Restriktion über die Abfolge von Subjekt oder O bjekt oder
irgendeine andere Vorhersage über die Abfolge von K onstituenten.
Im Deutschen nun sind sowohl freie A spekte in der Abfolge der Konsti­
tuenten festzustellen wie auch fixierte. Einschlägig ist dabei die in der tradi­
tionellen Grammatik erkannte Feldergliederung eines deutschen Satzes.
Im deutschen Hauptsatz sind die in (38) angedeuteten Positionen auszumachen:
(38)
Hans
hat
M aria gestern hier gesagt,
V O R FELD FINITUM M ITT E LFE L D
daß er müde ist.
NACHFELD
35
Betrachten wir zunächst die Position des Finitums. Die in den siebziger Jah­
ren geführte Diskussion hat eindeutig gezeigt (cf.Thiersch 1978), daß das
Deutsche eine verbfinale Sprache ist. Also ist in der Basisstruktur das Finitum hinter den nichtfiniten Verbteilen generiert, woraus folgt, daß die
Zweitstellung des Finitums in H auptsätzen durch eine Bewegung entsteht.
Da Konjunktionen mit dem zweitgestellten Finitum kom plem entär verteilt
sind, nimmt man an (cf. Platzack 1982, Safir 1982, Sternefeld 1982), daß
das Verb in die Konjunktionsposition COM P geschoben wird, so daß die
folgende Strukturierung für einen Fragesatz plausibel ist:
S\
(39)
COM P
H ans Maria geschlagen?
Ins Vorfeld kann jede K onstituente bewegt w erden, so u.a. Fragewörter.
Es liegt daher nahe, auch diese Position mit der COM P-Position des Engli­
schen zu identifizieren. Es sind also zwei COM P-Positionen im Deutschen
zu unterscheiden, und ein Satz mit besetztem Vorfeld erklärt sich durch die
Bewegung einer beliebigen K onstituente des Satzes nach COM Pi. Es wird
also eine Struktur, wie in (40) angedeutet, angesetzt:
Die Nachfeldposition wird kreiert durch Extraposition eines Satzes, welche
zu einer A djunktion des herausgestellten Satzes an S führt.
Wir können also eine Beschreibung des Deutschen geben - sie orien­
tiert sich im wesentlichen an Ideen von Drach (1940), worauf Stechow
(1980) hingewiesen hat - in der die stellungsfesten A spekte des Deutschen
durch die A nnahm e zweier ausgezeichneter COM P-Positionen relativ klar
36
erfaßt werden kann. Im Nebensatz ist COMP! unbesetzt und COM P2
durch eine Konjunktion gefüllt, so daß das finite Verb nicht in diese Posi­
tion bewegt werden kann. Hier hat man also eine G robstruktur wie (41)
(aber cf. Reis 1985):
daß
Hans Maria liebt
Die eigentlich für unsere Frage interessanten Stellungsaspekte einer Spra­
che beziehen sich freilich auf die konkrete Ausgestaltung des S-Knotens,
und man kann den Strukturen wie (40) ablesen, daß die ausgezeichneten
Positionen außerhalb von S stehen können. D.h. das D eutsche hat zwar
konfigurationale Aspekte in seiner Syntax (d.h. das Kind muß in jedem Fall
lernen, daß Hierarchien in der deutschen Syntax eine Rolle spielen), doch
betreffen diese nicht unbedingt den Knoten S selbst. Dem Knoten S ent­
spräche traditionell gesprochen das Mittelfeld. Innerhalb dessen ist freilich,
wie in Kap. 1.3. schon gesagt, die K onstituentenstellung frei, insbesondere
kann sich das Subjekt zwischen Objekt und Verb positionieren. Dies mag
darauf hindeuten, daß die relevante S-Struktur des D eutschen tatsächlich
flach ist. Andererseits ist freie Wortstellung auch ein positives D atum. Alles
in allem sollte also freie Wortstellung zu den Eigenschaften zählen, anhand
derer Kinder Evidenz über Nicht-Konfigurationalität der betreffenden
Sprache gewinnen können. Tatsächlich weisen auch alle Kandidaten für
Nicht-Konfigurationalität (Deutsch, Latein, Ungarisch, Japanisch, Warlpiri, usw.) eine “freie" Wortstellung auf.
K R IT E R IU M 1:
Nicht-konfigurationale Sprachen weisen
freie Konstituentenstellung auf.
Deskriptiv gesehen steht in engem Zusam m enhang zu K riterium 1 die Tat­
sache, daß nicht-konfigurationale Sprachen auch das Phänom en diskonti­
nuierlicher Konstituenten aufweisen. Es ist nicht unm ittelbar einsichtig,
inwieweit diese Eigenschaft aus der flachen Struktur folgt. Nun sind in
nicht-konfigurationalen Sprachen die logisch-inhaltlichen Beziehungen tri­
vialerweise nicht an Linearisierungen ablesbar. D aher müssen andere Mit­
tel zur Identifikation verwendet w erden, in der Regel ist dies ein reiches
37
Kasussystem (= Kriterium 3). Ü ber die Kongruenz im Kasus können dann
aber auch aneinanderstehende Phrasen inhaltlich aufeinander bezogen
sein. Daß das D eutsche ein reiches Kasussystem besitzt, ist relativ offen­
sichtlich. Insbesondere können im Bereich der verbalen O bjekte alle vier
morphologisch unterschiedenen Kasus auftreten:
(42a)
(42b)
(42c)
(42d)
Ich bleibe ein Esel.
Ich gedenke des Bürgerm eisters.
Ich helfe dem Mann neben Maria.
Wir kennen den A bgeordneten zur Genüge.
Auch diskontinuierliche K onstituenten finden sich im Deutschen. In der
Regel sind nur Satzkonstituenten vorfeldfähig, woraus folgt, daß seine
Loyalität zur Partei, ein Foto von Beatrice, dreißig Linguisten, korrupte
Politiker K onstituenten sein müssen, cf. (43):
(43a)
(43b)
(43c)
(43d)
Seine Loyalität zur Partei war gewachsen.
Ein Foto von Beatrice hätten wir alle gern.
Dreißig Linguisten kenne ich.
K orrupte Politiker kennt jeder.
Wie nun die Sätze in (44) zeigen, können diese K onstituenten im D eut­
schen auch getrennt erscheinen:
(44a)
(44b)
(44c)
(44d)
Zur SPD war seine Loyalität - gewachsen.
Von Beatrice hätten wir alle gern ein Foto - .
Linguisten kenne ich dreißig - .
Politiker kenne ich nur korrupte - .
Das Ungarische, ein anderer Kandidat für Nicht-Konfigurationalität, weist
genau dieselben K onstituentenaufspaltungen auf (cf. A nna Szabolszci,
p.M.). Ähnliches gilt für das Latein, wo obendrein z.B. die K onjunktions­
partikel que K onstituenten aufbrechen kann:
(45)
Ob eas-que res.
Wegen dieser-und Sachen.
“Und wegen dieser Sachen.”
Selbstverständlich sind sowohl ein reiches Kasussystem als auch die Mög­
lichkeit zu einer K onstituentenzerreißung an positiven D aten ablesbar.
Auch aus diesen C harakteristika von nicht-konfigurationalen Sprachen
mag folglich ein Kind ableiten können, daß die zu erw erbende Sprache
eine flache Struktur wie (34) gewählt hat. Wieder weist das D eutsche diese
Charakteristika auf.
38
K R IT E R IU M 2:
Eine nicht-konfigurationale Sprache
weist ein reiches Kasussystem auf.
K R IT E R IU M 3:
Eine nicht-konfigurationale Sprache
weist diskontinuierliche Konstituenten auf.
Haie führt als viertes Kriterium an, daß sich in nicht-konfigurationalen
Sprachen keine Bewegungsphänomene finden lassen. Die Diskussion der
deutschen Feldergliederung hatte gezeigt, daß eine Sprache mit flachem S
durchaus daneben konfigurationale Positionen aufweisen kann (das Unga­
rische verhält sich hier wieder ähnlich). Hauptsächlich bezieht sich das Kri­
terium von Haie auch auf den Prozeß der NP-Verschiebung. Es weisen ja
möglicherweise nicht-konfigurationale Sprachen (D eutsch, Ungarisch) whBewegung auf, und man kann ein Fehlen von w/i-Bewegung in eindeutig
konfigurationalen Sprachen (Chinesisch) feststellen.
NP-Bewegung dagegen kann kaum in einer Sprache mit einer flachen
Struktur wie (34) realisiert sein. Erstens würde eine solche Bewegung eine
Spur kreieren, die, cf. (46), zunächst auch ihr A ntezedens binden würde,
was Prinzip C der Bindungstheorie verletzt.
(46)
S
NPi
................
e,
...................
X
Daneben ergibt sich v.a. das Problem der Identifikation, der “Sichtbarkeit”
der Spur e,. Nehmen wir als Beispiel die mit Passiv in konfigurationalen
Sprachen verbundene Bewegung. In der Struktur (s Johnj (Vp was loved
ej)) ist e, eindeutig durch seine Position in VP identifiziert. An diese Posi­
tion wird auch die thematische Rolle zugewiesen, welche über den Ketten­
transfer dann John, zukommt.
In einer flachen Struktur wie (46) nun kann e, nicht durch irgendeine
Konfiguration identifiziert werden. Als alternative Identifikationsmöglich­
keit ergäbe sich für e, nur Kasus. Allerdings muß beim Passiv der Objekts­
kasus gerade absorbiert werden. A ndererseits muß w eiterhin die thema­
tische Objektsrolle zugewiesen werden. Es ist mithin kaum zu sehen, wie
in einer flachen Struktur Passiv über Bewegung abgehandelt werden
könnte. Die Spur, der die thematische Rolle zukom m en m uß, die dem
Passivsubjekt übertragen wird, ist für einen Zuweisungsprozeß nicht iden­
tifizierbar.
39
In einer Sprache mit freier Wortstellung ist es ohnehin sehr schwierig,
Effekte von einer NP-Bewegung zu erkennen, da sowieso schon alle denk­
baren Abfolgen basisgenerierbar sind. Man kann sich für das D eutsche an
zwei Überlegungen plausibel machen, daß Passiv und ‘Raising-to-Subject’
anscheinend keine Bewegungsprozesse sind.
Für das Passiv kann man dies aus der sog. Lenerz-Beobachtung begrün­
den. Lenerz (1977) hat eine Reihe von Abfolgegesetzen für die “norm ale” ,
d.h. thematisch nicht m arkierte Stellung von NPn aufgestellt (cf. Hoberg
(1981) für einige Ä nderungsvorschläge).Zu diesen gehört für Aktivsätze,
daß das Subjekt O bjekten vorangeht und das Dativobjekt dem Akkusativ­
objekt, cf. (47):
(47a)
Weil der Peter mir ein Fahrrad klaute.
Die unm arkierte W ortstellung im zu (28a) korrespondierenden Passivsatz
ist nun, wie Lenerz (1977) beobachtet, gerade aber (47b):
(47b)
Weil mir ein Fahrrad geklaut wurde.
Wäre das Subjekt ein Fahrrad in die aktivische Subjektsposition von (47a)
bewegt worden, so wäre eigentlich zu erw arten, daß es auch die Stellungscharakteristika von Peter annim m t, also sich unm arkiert vor mir stellt.
Diese Erwartung wird aber, wie (47b) dem onstriert, nicht erfüllt. Ein Fahr­
rad verhält sich stellungsmäßig wie ein O bjekt, als wäre es nicht bewegt.
Daraus kann man mit Thiersch (1978) eben schließen wollen, Passiv sei im
Deutschen kein Bewegungsprozeß.
Ebert (1975) hat sich aufgrund analoger Überlegungen dagegen
gewandt, daß Raising-to-Subject' im D eutschen eine Bewegungsoperation
darstellte. Sehen wir uns hier den Satz (48) an:
(48)
Weil mir der B ürgerm eister angekomm en zu sein scheint.
Der Bürgermeister steht in (48) hinter dem O bjekt m ir des Matrixsatzes.
Man mag verm uten, daß dies nur dann als Normalabfolge denkbar ist,
wenn der Bürgermeister syntaktisch noch im Komplem entsatz steht, d.h.
wenn keine Bewegung mit der “Subjektsanhebung” verbunden ist. Noch
eindeutiger mag (49) erscheinen:
(49)
Weil ihm ein Fahrrad geklaut worden zu sein scheint.
Ihm ist in keinem Fall von der Regel ‘Raising-to-Subject’ betroffen, steht
also noch im K omplem entsatz. Sicher ist auch das Verb geklaut Bestandteil
des Komplementsatzes. Da nun das Subjekt ein Fahrrad zwischen diesen
beiden Elem enten steht, kann es gar nicht anders sein, als daß ein Fahrrad
40
auch im Komplementsatz steht. Daraus folgt, daß der Erw erb des Status
des Matrixsubjektes nicht durch Bewegung aus dem Komplem entsatz her­
aus erfolgt sein kann. Also, so kann man schlußfolgern, ist auch ‘Raisingto-Subject' im Deutschen keine Bewegungsabhängigkeit. Da die Daten
(47), (48) und (49) positive Evidenz abgeben, kann man auch hier sagen,
das Fehlen von NP-Bewegungsabhängigkeit sei ein Faktor, anhand dessen
Kinder erlernen können, daß die zu erw erbende Sprache nicht-konfigurational ist.
K R IT E R IU M 4:
In nicht-konfigurationalen Sprachen fehlen
N P -B ew egungsoperationen.
Als fünftes Kriterium führt Haie das Fehlen von expletiven Elem enten an.
Man kann wieder leicht einsehen, wieso nicht-konfigurationale Sprachen
so aussehen müssen. Expletive Elem ente treten dann auf, wenn eine struk­
turell notwendige Position nicht gefüllt ist, andererseits Prinzipien der Uni­
versalgrammatik so eine Füllung verlangen. Im Englischen sind es prinzi­
piell zwei Konstruktionstypen, bei denen expletive Elem ente aufzutreten
haben. Erstens geschieht dies bei der Extraposition von Subjektssätzen. Es
gibt Evidenz dafür (s.u.), daß diese zu einer A djunktion an VP führt, wes­
wegen eine leere und im Englischen damit unregierte und das ECP verlet­
zende Subjektsposition kreiert wird.
is unclear
who came
Um diese unregierte und ECP verletzende Leerposition zu beseitigen, hält
die Grammatik des Englischen die Option bereit, ein it in die Subjektsposi­
tion einzusetzen. Diese Position gibt keine leere K ategorie m ehr ab, mit
entsprechenden Folgen für das ECP.
(51)
It is unclear who came.
Analog muß bei der Subjektsinversion des Englischen ein there die unre­
gierte leere Position überschreiben, wie bereits dem onstriert.
41
In einer Pro-drop-Sprache, auch darauf ist schon verwiesen worden, ergibt
sich die Notwendigkeit von expletiven Elem enten nicht, weil über die A pp­
likation der Regel R in der Syntax eine völlig unregierte Subjektsposition
geschaffen werden kann, die das dem ECP nicht unterliegende PRO beset­
zen darf. Da nun im Regelfälle die nicht-konfigurationalen Sprachen auch
Pro-drop aufweisen (alle VSO-Sprachen tun dies, ebenso Ungarisch, La­
tein, Japanisch, Malayalam) liegt der Testfall natürlich in den anscheinend
nicht-konfigurationalen Sprachen, die keinen Pro-drop aufweisen, wie z.B.
Deutsch.
Man kann nun keinesfalls sagen, daß das D eutsche keine expletiven E le­
mente kenne, das expletive Elem ent es ist beispielsweise tatsächlich dann
vorgeschrieben, wenn das Vorfeld nicht durch eine NP gefüllt ist:
(52a)
(52b)
*Kamen drei R itter auf die Burg.
Es kamen drei R itter auf die Burg.
Allerdings stellt die Vorfeldposition gerade einen der konfigurationalen
Aspekte der deutschen Syntax dar, so daß es nicht sonderlich überraschen
sollte, wenn hier die Konfigurationen auszeichnenden expletiven Elem ente
auftreten.
Sehen wir uns auf der anderen Seite die Verhältnisse im M ittelfeld, hier
etwa bei der Satzextraposition an. O ffenbar sind die angeführten struktu­
rellen Bedingungen für das A uftreten von expletiven Elem enten nicht ein­
schlägig:
(53a)
(53b)
*Heute ist peinlich, daß ich Sabine um einen Kuß gebeten
habe.
H eute ist es peinlich, daß ich Sabine um einen Kuß gebeten
habe.
Der Kontrast in (53) mag zunächst darauf hindeuten, daß auch im D eut­
schen ein es bei der Satzextraposition eingefügt werden muß. Wenn man
aber ein Datum wie (53c) betrachtet, erkennt man, daß dies sicher falsch
ist:
(53c)
Weil mir peinlich ist, daß ich Sabine um einen Kuß gebeten
habe.
Der wenig akzeptable C harakter von (53a) mag daher rühren, daß es so
etwas wie eine “Gleichgewichtsforderung” gibt, derzufolge das Nachfeld
nicht schwer besetzt sein darf, wenn das M ittelfeld selbst leer ist. Fügt man
wie in (53b) ein es ein, ergibt sich ein gewisses Gleichgewicht zwischen M it­
tel- und Nachfeld. D ieselben D ienste leistet freilich auch, wie (53c) zeigt,
42
die Einfügung von mir. Wegen (53c) ist aber zu schließen, daß es als expletives Element von der deutschen Syntax nicht bei Satzextrapositionen gefor­
dert ist.
Ein anderes Beispiel für das Fehlen expletiver Elem ente im Mittelfeld
gibt das unpersönliche Passiv. Man kann als Kontrast hier die sicher konfigurationale Sprache Französisch nehmen. Hier muß beim unpersönlichen
Passiv als expletives Subjekt il gewählt werden:
(54)
Il a été dansé.
Im Deutschen hingegen braucht beim unpersönlichen Passiv kein expleti­
ves Subjekt auftreten. Tatsächlich ist es ungram m atischem es hier als Sub­
jekt einzusetzen:
(55a)
(55b)
Heute wird getanzt.
*Heute wird es getanzt.
Wiederum kann das Fehlen expletiver Elem ente als positives Datum gese­
hen werden, und wiederum erfüllt das Deutsche dies fünfte Kriterium für
Nicht-Konfigurationalität.
K R IT E R IU M 5:
Nicht-konfigurationale Sprachen weisen
keine expletiven Elem ente auf.
Am problematischten ist das sechste Kriterium von Ken Haie. Haie gibt
an, man könne in nicht-konfigurationalen Sprachen das Phänomen des
freien “pronoun-drop" feststellen. Freier “pronoun-drop” ist verschieden
vom “Pro-drop" und besagt, daß KEIN Pronom en, also auch nicht solche
in Objektsposition, realisiert werden braucht. Die nicht-konfigurationalen
Sprachen Malayalam (M ohanan 1982a), Warlpiri (H aie 1983) und Japa­
nisch (Felix, p.M .) haben diese Eigenschaft (aber cf. Jelinek 1984), ande­
rerseits erlauben die Kandidaten Ungarisch, Latein und selbstverständlich
auch Deutsch es nicht, vollkommen frei O bjektspronom ina wegzulassen.
Hinzu kommt, daß man im Chinesischen, einer sicher konfigurationalen
Sprache, auch den freien “pronoun-drop" findet (cf. Li & Thompson 1978).
Es ist also nicht klar, ob es sich dabei wirklich um ein entscheidendes Krite­
rium für Nicht-Konfigurationalität im Standardsinne handelt.
Zieht man das bereits erwähnte Faktum heran, daß alle VSO-Sprachen
(primäre Kandidaten für N icht-Konfigurationlität), Latein, Ungarisch,
Japanisch, Malayalam, und Warlpiri zusammen Subjektspronom ina freilich
unterdrücken können, dann mag man dies als ein Charakteristikum von
nicht-konfigurationalen Sprachen ansehen, welches freilich das Deutsche
43
(oder das Russische) nicht teilt. Auch hier muß man weiter sehen, daß konfigurationale Sprachen wie Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Neugrie­
chisch den PR O -D R O P an Subjektsstelle zulassen, so daß diese Eigen­
schaft dem Kind keinen Hinweis geben kann, ob (33) oder (34) die rele­
vante Struktur der zu erw erbenden Sprache ist.
Es ist auch nicht ganz klar, wieso sich die Möglichkeit zum freien “pronoun-drop” aus der Existenz einer flachen Struktur ergeben sollte. Wir
können z.B. annehm en, daß in den Sprachen mit freiem “pronoun-drop”
sämtliche O bjekte und das Subjekt außerhalb der VP stehen, wie in (56)
angedeutet:
VP
I
V
Die Struktur wäre dann im entscheidenden Sinne noch flach, wiese aber
andererseits für die O bjekte und das Subjekt jeweils nur komplett unregierte Positionen auf (wenn man davon ausgeht, daß auch INFL über den
allgemeinen Mechanismus des Pro-drop in die VP gewandert ist). D ann
aber können alle NPn in (56) als PRO realisiert werden. Da weiterhin die
Positionen der NPn über N icht-Rektion trivialerweise auch nicht stark
regiert sind, sollte es zu erw arten sein, daß »Wi-Bewegung ganz blockiert
ist. Schließlich verletzte die zurückgelassene Variable in (56) - wenn kein
w/i-Binder in einer relevanten Konfiguration zu stehen kommt - das ECP.
Tatsächlich weisen nun das Chinesische, das Japanische oder das Warlpiri
keine w/i-Bewegung auf. G egen diese Lösung spricht allerdings, daß
Huang (1982) zeigen konnte, daß im Chinesischen w/i-Bewegung auf der
LF-Ebene erfolgt, und das ECP ist ein LF-Prinzip.
Ein weiteres Problem mit der Analyse (56) liegt darin, daß das Kontrollphänomen universal auf Subjekte beschränkt zu sein scheint. Auch in den
Sprachen mit freiem “pronoun-drop” wie Warlpiri (cf. Simpson & Bresnan
1983), Dyirbal (cf. Comrie 1981) oder Malayalam (cf. M ohanan 1982a,b)
findet sich das kontrollierte PRO nur an der Subjektsstelle von Infinitiven.
Dies wäre wohl schwierig zu erklären, könnte in diesen Sprachen PRO an
jeder Position auftreten. Wir können diese Frage aber letztendlich offenlas­
sen, da wie gesagt das Kriterium 6 nicht einschlägig für Konfigurationalität
bzw. Nicht-Konfigurationalität als solche sein kann.
44
K R IT E R IU M 6:
Nicht-konfigurationale Sprachen weisen
häufig freien “pronoun-drop” auf.
Damit kann aber festgehalten werden, daß das D eutsche fünf der sechs Kri­
terien für Nicht-Konfigurationalität erfüllt. Es ist daher nicht sehr überra­
schend, daß die Behandlung von Deutsch als nicht-konfigurationale Spra­
che ohne VP nicht nur in der generativen Transformationsgrammatik viele
Anhänger gefunden hat (cf. z.B. H aider 1983, 1984b; Sternefeld 1982;
Tappe 1982).
Mit dem Anspruch der Gleichbehandlung von Subjekten und Objekten
ist der nicht-konfigurationale Ansatz auch H intergrund valenzgrammati­
scher Beschreibungen des Deutschen. Sie hat daneben ihren Weg in Refe­
renzgrammatiken für das Deutsche gefunden (H eidolph et al. 1981) sowie
in Einführungsbücher (Kratzer 1982).
Die Frage der Realität des K onfigurationalitätsparam eters hängt nun
entscheidend von seiner Lernbarkeit ab, wie oben bereits gezeigt wurde
(cf. auch Baker 1979). Wenn nun das Deutsche tatsächlich keine VP aus­
weist, dann käme man in der zu Eingang gestellten Frage nicht wesentlich
weiter. Anhand von D aten, die mit den Kriterien 1, 2, 3 oder 4 verbunden
sind, wäre gezeigt, daß der K onfigurationalitätsparam eter im Prinzip auch
für seine Fixierung im Deutschen erlernbar ist, da freie W ortstellung usw.
ja positive Evidenz abgeben.
Stellen wir uns aber andererseits vor, wir hätten Evidenz dafür, daß auch
das Deutsche eine VP besitzt, daß es also eine konfigurationale Sprache ist!
Soweit die einschlägige Literatur nun repräsentativ ist, sind die sechs eben
vorgestellten Kriterien die Charakteristika für nicht-konfigurationale Spra­
chen, von denen die ersten vier entscheidend für den Param eter zu sein
scheinen. U nter der eben gemachten Voraussetzung hätten wir eine Spra­
che gefunden, die konfigurational ist, aber nichtsdestoweniger diese “ent­
scheidenden” vier Charakteristika teilt. D araus kann man sofort schließen,
daß der Konfigurationalitätsparameter zumindest über diese Charakteri­
stika nicht lernbar ist. Wären nämlich die vier oder sechs Kriterien das
Material, anhand dessen ein Kind seine Param eterfixierung vornimmt,
dann müßte das Deutsche notwendig nicht-konfigurational sein, und das
läuft unserer Annahme zuwider.
Gehen wir von der bislang unbewiesenen A nnahm e aus, das Deutsche
sei konfigurational. Von der A rt der Evidenz, die man für diese Position
Vorbringen kann, hängt dann die N atur der Schlußfolgerung über die Uni­
versalgrammatik ab.
45
Nehmen wir erstens an, daß für die VP im Deutschen zentrale und posi­
tive Daten sprechen. W ährend, wie eben angesprochen, “Nicht-Konfigurationalität” über die Standardcharakteristika zumindest nicht lernbar wäre,
so würde sich zumindest für das D eutsche ergeben, daß Konfigurationalität
erlernbar ist. Wir nehm en ja im Augenblick an, daß positive nicht-marginale Daten dem Kind den Weg zur VP weisen. Aus den obigen Ü berlegun­
gen zur Natur von Param etern müßte dann eigentlich folgen, daß der Konfigurationalitätsparam eter als unm arkierte O ption die VP-Losigkeit aufwei­
sen muß. Ist keine positive Evidenz für oder gegen die VP vorhanden, dann
geht das Kind von der A nnahm e aus, die Sprache besäße keine VP. Nur
wenn zentrale D aten gegen diese A nnahm e sprechen, würde diese Hypo­
these aufgegeben.
Sicherlich ist diese Version der Universalgram matik logisch möglich,
und sie wäre auch vereinbar mit den anzusetzenden Datenkonfigurationen.
Allerdings verfügen wir über Inform ationen aus dem Prozeß des Spracherwerbs, die diese Version wenig wahrscheinlich erscheinen lassen. Beim
Erwerb von Sprachen mit freier W ortstellung durchlaufen Kinder eine
Phase mit fester Wortstellung (cf. Slobin 1966). Sie konstruieren also,
anders gesprochen, zunächst eine konfigurationale Syntax für eine
(anscheinend) nicht-konfigurationale Sprache. Vom Sinn des M arkiertheitskonzeptes her kann dies aber nur bedeuten, daß die konfigurationale
Option die unm arkierte ist, wohingegen die nicht-konfigurationale Version
erst bei Vorliegen gewisser Evidenz (welcher?) herangezogen wird. Spracherwerbsdaten lassen es also als wenig wahrscheinlich erscheinen, daß die
nicht-konfigurationale Fixierung des Param eters im einfachen Sinne unmar­
kiert ist.
Diese A rgum entation ist allerdings nur dann stichhaltig, wenn man das
“Einschalten” der U niversalgram matik zu einem einzigen Zeitpunkt
annimmt. Nur dann müssen zu jeder Zeit alle M arkiertheitsw erte überein­
stimmen: vor dem Einschalten der Universalgrammatik gibt es keine Markiertheitsaussagen, danach bleiben sie konstant. Es ist aber keinesfalls not­
wendig, daß sich die U niversalgram matik zu einem einzigen Z eitpunkt en t­
faltet. Vielmehr gibt es empirische Evidenz dafür (Felix 1984a), daß die Uni­
versalgrammatik Schritt für Schritt heranreift. Es ist also nicht ausgeschlos­
sen, daß zu einem Z eitpunkt
aufgrund der Interaktion von Prinzipien
P i... Pk der Param eterw ert a unm arkiert ist und zu einem späteren Zeitpunkt
tj wegen der Hinzunahm e der Prinzipien P j.. .Pm der Param eterw ert b. Für
die hier gestellte Frage wäre es also durchaus denkbar, daß bis zu einem
gewissen A lter konfigurationale Systeme von Kindern als unm arkiert ange­
sehen werden und nach diesem A lter aber nicht-konfigurationale.
46
Damit wird aber eine starke empirische Vorhersage gemacht. Wir gehen
ja noch von der Annahme aus, daß für Konfigurationalität in den betreffen­
den Sprachen positive und zentrale Evidenz vorliegt. D er Erwerb des Eng­
lischen als Standardbeispiel für eine VP-Sprache sollte also so aussehen: da
im Reifeprozeß für die UG zunächst der konfigurationale Parameterwert
unmarkiert ist, beginnen englische Kinder mit einer konfigurationalen Syn­
tax. Dann schaltet sich die UG auf nicht-konfigurationale Unmarkiertheit
um. Nun müßten englische Kinder Sätze mit freier W ortstellung, diskonti­
nuierlichen Konstituenten usw. produzieren. Sie stossen dann in einem drit­
ten Stadium auf die entscheidende Evidenz für die VP und kehren zur kon­
figurationalen Syntax zurück. Dieses Bild entspricht aber nicht dem fakti­
schen Ablauf des englischen Spracherwcrbs. Die konfigurationale Option
wird tatsächlich nie aufgegeben.
Es ist noch ein weiterer Rettungsversuch für die Hypothese “ Konfigura­
tionalität ist m arkiert“ denkbar. Man kann davon ausgehen, daß die Markiertheitsbeziehungen implikativ sind. Dies würde bedeuten, daß NichtKonfigurationalität genau dann unm arkiert ist, wenn die Sprache eine reiche
Morphologie besitzt, und Konfigurationalität im entgegengesetzten Fall.
Da nun der Erwerb der Inflektionsmorphologie dem der einfachen syn­
taktischen Strukturen nachfolgt, ist in den ersten Sprachstufen auch beim
Erwerb nicht-konfigurationaler Systeme die konfigurationale Lösung
unmarkiert, da diese frühen Erwerbsstadien noch keine Morphologie in
ausreichendem Maße aufweisen. White (1982) hat ziemlich deutlich darge­
stellt, daß die Bewertung von kindersprachlichen G ram m atiken am
Erwachsenenmodell fehlgeht. G ramm atiken sind immer G ram m atiken für
eine bestimmte Datenmenge. Genauso sinnlos wie es wäre, die Grammatik
des Altenglischen als eine wenig optimale G ram m atik für das Neuenglische
anzusehen, genauso sinnlos wäre es, die Syntax eines bestim m ten Erwerbs­
stadiums als inkorrekte Version der Erwachsenengram m atik anzusehen.
Die Syntax für jedes Erwerbsstadium ist optimal in bezug auf die zu diesem
Erwerbszeitpunkt erzeugten Daten.
Gibt man also den erwachsenenzentrierten Standpunkt auf, dann ist das
Auftauchen von konfigurationalen Phasen im Erw erb (anscheinend) nichtkonfigurationaler Sprachen unproblematisch. Z ur betreffenden Erwerbs­
phase enthält das kindliche Sprachsystem kaum M orphologie, also ist von
der UG her betrachtet die konfigurationale Lösung die unm arkierte. Erst
wenn genügend Inflektion erworben ist, benötigte das Kind starke Evi­
denz, um für eine Sprache, die die H aieschen K riterien erfüllt, dennoch
eine konfigurationale Syntax zu konstruieren. Im Englischen jedoch findet
der Erwerb von reicher Morphologie trivialerweise nicht statt.
47
Ich habe voranstehend die Konsequenzen für die Universalgrammatik
diskutiert, die sich ergeben w ürden, wenn im D eutschen starke positive
Evidenz für die VP vorliegen würde. Als einzig denkbare Möglichkeit hat
sich dabei ergeben, daß der Param eter implikativer N atur sein muß: die
nicht-konfigurationale Lösung ist unm arkiert dann und nur dann, wenn die
Sprache ein reiches morphologisches System aufweist. Nun ist es noch
erforderlich zu sehen, welche K onsequenzen sich für den Aufbau der U ni­
versalgrammatik ergeben, wenn das Deutsche zwar eine VP besitzt, aber
für diese nur negative und/oder marginale D aten sprechen.
Dann ist die Eigenschaft, eine VP zu besitzen, für deutsche Kinder im
oben verwendeten Sinne nicht lernbar. Einerseits könnte daraus folgen,
daß die VP als solche “angeboren” ist, d.h. daß in der Universalgrammatik
die Option, keine VP zu besitzen, gar nicht vorgesehen ist. Andererseits
könnte die konfigurationale O ption auch unm arkiert sein, d.h. sie würde
beim Fehlen gegenteiliger Evidenz vom Kinde autom atisch gewählt. Da
unter dieser zweiten Möglichkeit dennoch von einem Konfigurationalitätsparameter ausgegangen wird, muß für die m arkierte O ption dann ein en t­
scheidender Faktor für den Erw erb angezeigt werden. D .h. man muß in
den nicht-konfigurationalen Sprachen eine zentrale und positive D aten­
menge D besitzen, die in konfigurationalen Termini unerklärbar ist. Nun
kann wegen der Ergebnisse dieses Kapitels diese D atenm enge nicht in den
Haieschen Kriterien liegen, da diese ja bis auf den freien Pronom en­
schwund im Deutschen allesamt realisiert sind. Ich werde auf alternativ
sich bietenden Möglichkeiten für diesen D atenbereich D im Schlußkapitel
dieser Arbeit zu sprechen kommen.
In jedem Fall kann aber festgehalten w erden, daß der Param eter nun
nur dann Realität haben kann, wenn eine solche Datenm enge nachgewie­
sen werden kann, und dies scheint - siehe unten - kaum möglich.
Für diese theoretische Ü berlegung ist nun natürlich der empirische
Unterbau beizubringen. Ich habe gezeigt, welche Konsequenzen sich für
die Universalgrammatik ergeben, je nachdem , ob das Deutsche eine VP
besitzt oder nicht, und je nachdem , von welcher N atur die Evidenz für
diese Konklusion ist. Es ist nun Zeit zu zeigen, welche dieser drei Möglich­
keiten auch erfüllt ist.
Sicher ist es keinesfalls so, daß sich die Frage nach der Existenz einer
Kategorie in einer Sprache rein deskriptiv beantw orten ließe. Es ist keines­
falls so, daß man keine deskriptiv angemessene G ram m atik für eine Spra­
che finden könnte, die die H aieschen Kriterien erfüllt, ohne dabei von kon­
figurationalen Begrifflichkeiten abzugehen. Für das Deutsche liegt bei­
spielsweise eine solche Beschreibung detailliert in H uber & Kummer (1974)
48
vor. Man findet ähnliche Arbeiten für z.B. Latein (Lakoff 1967), Türkisch
(Meskill 1970), Japanisch (Kuno 1973) oder Ungarisch (Kiefer 1967). Letzt­
endlich sollte dies auch nicht besonders überraschen, weil es mathematisch
beweisbar ist, daß mit jeder Datenmenge rein logisch gesehen praktisch
unendlich viele Erzeugungssysteme vereinbar sind - das ist ja das haupt­
sächliche Problem eines Syntaktikers.
Keinesfalls kann es daher aureichend sein, für einen bestim mten D aten­
bereich des Deutschen zu zeigen, daß eine konfigurationale Lösung oder
eine nicht-konfigurationale alle und nur die korrekten Sätze erzeugt. Der
Ansatz muß vielmehr darüber hinaus weitere Kriterien erfüllen, von denen
die Lernbarkeit das wichtigste sein dürfte. Es ist also notwendig, die VPFrage mit einer detaillierten Theorie über die Universalgram matik anzuge­
hen. Ist sie eingehend genug, dann macht sie starke empirische Vorhersa­
gen über D atenbewertungen, je nachdem, ob ein VP-Knoten in einer Spra­
che gewählt wird oder nicht. Die einzige Theorie, die solche Vorhersagen
macht, ist dabei Chomskys GB-Ansatz. Ein wesentliches Verdienst von
Haider (1983) ist. auf dieses Faktum hingewiesen zu haben. Mit Chomsky
(1981) kann die VP-Diskussion erstmals auf eine empirisch fundierte Ebene
gehoben werden und sich von Eleganzerwägungen, wie sie in den siebziger
Jahren nur angestellt wurden (eine Ausnahme dazu ist H eringer 1970), los­
lösen.
Haider hat ferner anhand einer Reihe von Beispielen und Prinzipien der
Universalgrammatik zu zeigen versucht, daß die Vorhersagen aus Chomsky
(1981) verglichen mit der Datenlage im D eutschen die Nicht-Existenz einer
VP nahelegen. In den sich anschließenden Kapiteln soll nun ebenso ver­
sucht werden, die Prinzipien der GB-Theorie auf die Frage der Existenz
einer VP im Deutschen hin abzuprüfen.
2. Wh-Bewegung und die deutsche VP
2.L ECP-Effekte bei der Extraktion von Subjekten
Die Bewegungsabhängigkeiten stellen einen zentralen Aspekt der Rektions- und Bindungstheorie dar. Sie sind im wesentlichen dem E C P 1 unter­
worfen, das Subjekte und O bjekte bei konfigurationaler Definition unter­
scheidet: nur das O bjekt, nicht das Subjekt, ist üblicherweise im Bereich
ordentlicher R ektion2 durch das Verb.
WTi-Extraktionen kennt das D eutsche bei Fragesätzen (la ) wie im
Bereich der Topikalisierung (lb ): beidesmal wird eine Phrase nach COM P
verschoben. Die R egularität ist jeweils ungebunden, cf. (2), und unterliegt
den Inscl-Beschränkungen durch Subjazenz3, cf. (3):
(la )
(s(coM pW en,(s^hast(sdu v e rsp ro ch e n (s (sP R O tj zu küs­
se n ? ))))))
(lb)
(s(tc)MpDen H a n se s>konnten(swir Maria nicht bewegen
(s (sPRO t, zur Party einzuladen)))))).
Wen glaubst du, daß wir einladen könnten?
Die Maria denke ich schon, daß der José heiraten wird.
*Wenj kennen wir einen M ann, der tj eingestellt hat?
*Den Karl, glaube ich die Geschichte nicht, daß Maria tj ver­
führen wollte.
(2a)
(2b)
(3a)
(3b)
Das für das VP-Problem einschlägige Prinzip ist bei Extraktionskonstruk­
tionen das ECP. D er Kontrast in den D aten (4) und (5) läßt sich über diese
Rektionsforderung für leere Kategorien erklären:
(4a)
(4b)
(5a)
(5b)
Who, do you believe (s ej (s Mary loves ej))?
WhOj do you believe (s ej (s ej loves M ary))?
WhOj do you believe (s that ej (s Mary loves ej))?
*WhOj do you believe (s that ej (s ej loves Mary))?
ln (4a) und (5a) ist die Spur e, in der Objektsposition vom Verb love ordent­
lich regiert. In (4b) c-kom m andiert die Zwischenspur in COM P die Sub­
1
Zum ECP cf. Kap. 9.8.
Der Begriff der ordentlichen Rektion ist in 9.8. erläutert.
Zu Subjazenz vgl. 9.7.
jektsspur, was ein Spezialfall von ordentlicher Rektion ist. In (5b) hingegen
c-kommandiert die Zwischenspur, da COM P nach that und e, verzweigt,
nur that und nicht die Subjektsspur. Diese kann wegen der Existenz des VPKnotens nicht vom finiten Verb regiert sein und fällt daher, weil unregiert,
dem ECP zum Opfer.
Wenn nun aber S und VP identisch sind, wie cs eine Version der NichtKonfigurationalitätsdeutung vorhersagt, dann sind sowohl Subjekte als
auch Objekte ordentlich vom Verb regiert, und die in (5a) und (5b) beob­
achtbare Rektionsasymmetrie dürfte nicht bestehen. Ist andererseits die in
Kap. 1.3./1.4. erwogene Option richtig, daß Subjekte und O bjekte außer­
halb von VP stehen, sind beide Positionen von V unregiert. Daraus folgt,
daß dem ECP nur durch Bindung durch eine Zwischenspur Genüge getan
werden kann, wobei sich aber dann wieder keine Rcktions- und damit
Extraktionsasymmetrien für Subjekte und O bjekte konstruieren lassen.
Das heißt, daß ein Kontrast, wie er im Englischen zwischen (5a) und (5b)
besteht, in einer nicht-konfigurationalen Sprache nicht auftreten kann. Ver­
sucht man nun diesbezüglich deutsche D aten zu untersuchen, so ist man
dabei mit dem Problem konfrontiert, daß wie etwa im Russischen auch in
der Standardversion lange iv/z-Extraktioncn nur sehr beschränkt möglich
sind (cf. Anderson & Kvam 1984). Fast immer kann aus einem Infinitiv her­
aus extrahiert werden, wie die bereits verwendeten D aten belegen, ferner
kann, wie Thiersch (1978) beobachtete, aus konjunktionslosen finiten Sät­
zen extrahiert werden.
(7)
(8)
Wer, sagtest du (s (comp c.) (sei e, gekom m en))?
Wen, glaubst du (s (comp e,) (würde Maria e, heiraten))?
Zunächst liegt folgende Generalisierung nahe: Voraussetzung für die
Extraktion ist im Standarddeutschen das Fehlen einer Konjunktion im
Komplementsatz. Sie fehlt in (7) und (8) ganz und muß beim Infinitiv (zu)
obligat in der Syntax an das infinite Verb klitisiert werden (cf. Baltin 1978,
1982). Andererseits ist es nicht möglich, aus Infinitivsätzen mit einer Kon­
junktion zu extrahieren.
(9)
(10)
*Wen, sind wir gestern in die Stadt gegangen anstatt ej einzu­
laden?
‘ Welchen Professor haben wir unseren Sem esterplan zusam­
mengestellt, ohne e, um Einverständnis zu bitten?
Eine Bestätigung dieser Idee mag man in holländischen D aten sehen wol­
len, die Haan (1979) entnehm bar sind. Bei einer Reihe von Matrixverben
ist es im Holländischen möglich, ohne nennensw erten sem antischen Effekt
51
sowohl einen konjunktionslosen als auch einen mit om eingeleiteten Infini­
tiv einzubetten. Nur aus den konjunktionslosen Infinitiven heraus kann
extrahiert werden.
(1 1 )
(12)
Welke sigaren weigerde H arry te roken?
*Welke sigaren weigerde H arry om te roken?
Diese Datcnlage scheint in guter Übereinstim m ung mit dem Fehlen einer
VP im Deutschen zu stehen. Eine der beiden M öglichkeiten, die offenste­
hen, ist ja die Struktur (13):
Subjekte wie O bjekte sind in (13) unregiert, so daß eine durch wh-Verschie­
bung kreierte leere Position von COM P her regiert werden muß. Dies aber
ist unmöglich, wenn eine Konjunktion wie daß/um usw. sich im COM P
befindet. Also sollte wh-Bewegung nur aus konjunktionslosen Strukturen
heraus möglich sein.
Zunächst ist es jedoch nicht allgemein richtig, daß aus finiten Sätzen mit
einer Konjunktion im Standarddeutschen nicht extrahiert werden kann.
Kvam (1983) hat eine eingehende Studie der Extraktionen im Deutschen
vorgelegt, die zeigt, daß bei den Brückenverben Adverbien mehr oder min­
der leicht in den M atrixsatz geschoben werden dürfen.
(14)
In H annover glaube ich nicht, daß man das sagt.
Man könnte die bislang verfolgte Analyse nur dann beibehalten, wenn PPn
explizit vom ECP ausgenom men sind. Dies ist tatsächlich von Jaeggli
(1982) anhand von D aten aus dem Spanischen als plausible Möglichkeit
vorgestellt worden, und es scheint auch für das Deutsche (s.u.) eine durch­
aus plausible Erklärung zu sein.
Allerdings zeigt Kvam (1983) weiter, daß eine sehr kleine Zahl von
Matrixverben wie glauben oder denken auch aus Sätzen mit Konjunktion
die Extraktion von NPn erlauben. D a man NPn nicht verbabhängig vom
ECP ausnehmen kann, muß ein anderer G rund für die geringeren Extrak­
tionsmöglichkeiten einschlägig sein. Vielleicht weist das Standarddeutsche
schlicht und einfach weniger B rückenverben auf als das Englische.
52
Der wesentliche Einwand gegen den bislang form ulierten G edanken­
gang läßt sich aber aus der Tatsache ableiten, daß in den süddeutschen
Varianten - insbesondere in Bayern und Ö sterreich - in Dialekt wie
Umgangssprache lange Extraktionen problemlos auch Konjunktionen
kreuzen können. Dort sind Sätze wie ( 15)-( 18) vollkommen in Ordnung:
(15)
(16)
(17)
(18)
Wem, glaubst du (s daß man diesen Posten e, anvertrauen
könnte)?
Wenj sagte Karl (s daß Maria e, getroffen habe)?
Den Karl ist es wenig wahrscheinlich (s daß ich einladen
werde).
Die Maria paßt es mir gar nicht (s daß der Franz geheiratet
hat).
Wenn aber im Standarddeutschen Sätze wie ( 15)-( 18) nicht akzeptabel
wären, weil das Standarddeutsche nicht-konfigurational ist,dann könnten
die Sätze ( 15)-( 18) im Süddeutschen nur dann grammatisch sein, wenn
diese Variante konfigurational ist. Offensichtlich hätte diese Analyse
absurde Konsequenzen. Denn man würde über die sechs Kriterien auch die
Vorhersage machen, daß das Süddeutsche eine feste W ortstellung hat,
expletive Elemente obligat vorschreibt, ein wenig ausgearbeitetes Kasussy­
stem aufweist, und all dies ist sicher nicht erfüllt. Die Erklärung für das
Standarddeutsche war also falsch. Betrachten wir die Varianten, die lange
w/i-Extraktionen generell freier erlauben, so finden wir genau die zu (5a)
und (5b) parallelen Extraktionen. Deswegen läßt sich hier ein VP-Test for­
mulieren. Wenn man nämlich die flache Variante der nicht-konfigurationalen Strukturmöglichkeiten wählt, dann sind Subjekte wie O bjekte vom
Verb ordentlich regiert, woraus folgt, daß beide gleich gut zu extrahieren
sein sollten. Die Daten zeigen, daß Extraktionsasym m etrien zwischen Sub­
jekten und Objekten bei daß-Sätzen im Süddeutschen tatsächlich nicht vor­
liegen.
(19)
(20)
(21)
Der Sinowatz, denke ich schon (s daß e, die Wahlen gewin­
nen wird).
Wer, sagte Karl (s daß e, gestern angekom m en ist)?
Wer, denkst denn du (s daß e, uns helfen könnte)?
Man kann mit Haider (1983, 1984b) aus dem Fehlen eines Datenkontrastes
schließen wollen, daß die VP-Frage schon beantw ortet ist: nur wenn das
Subjekt ordentlich regiert ist, kann es aus daß-Sätzen extrahiert werden,
und als mögliches Regens bietet sich für eine nicht-konfigurationale Spra­
che das Verb an.
53
Dabei übersieht man freilich eine zweite Erklärungsmöglichkeit. Sie
steht in Zusamm enhang mit der Beobachtung, daß in einigen der liberale­
ren Dialekte eine wh-Phrase oder eine topikalisierte Phrase direkt vor die
Konjunktion gestellt werden kann, cf. die D aten in (22)-(24):
(22)
(23)
Ich weiß nicht, wen daß wir einladen sollten.
D er Karl daß angekom m en ist hat mich sehr gefreut.
(24 )
Die M ag isterarb eit a n sta tt zu schreiben ist H elga ins Kino
gegangen.
Allgemein wird eine w/i-bewegte Phrase im Deutschen stets vor ein Ele­
ment in einer Konjunktionsposition gesetzt. Im M atrixsatz stellt sich das
finite Verb in die Konjunktionspostion C O M P2,weswegen man eine Struk­
tur wie (25) ansetzt:
(25)
S’
ich mag niemand
Man kann sogar weiter annehm en, daß im D eutschen eine wÄ-Phrase
neben einer gefüllten C O M P2-Position stehen muß. Dann würde nämlich
erklärt, weswegen im D eutschen, anders als im Englischen, in Infinitiven
die COM P|-Position nicht lexikalisch zu besetzen ist.
(26)
(27)
(28)
(29)
It is unclear what, PRO to do ej.
*Es ist unklar was (für uns) zu tun.
I wonder how to kiss Mary.
*Ich frage mich wie Maria zu küssen.
Im Infinitivsatz muß wie gesagt zu obligat an das Verb klitisieren, weshalb
die COMP2-Position frei ist. H at man in der C O M P 2 -Position aber etwa
anstatt zurückgelassen wie in (24), dann ist eine C O M Pr Besetzung auch
im Infinitiv möglich. Dies ist also autom atisch vorhergesagt und würde
einem generellen Filter “keine w/i-Bewegung in das COM P eines Infinitiv­
satzes’’ einige Probleme bereiten.
54
Gegen einen Oberflächenfilter “kein w/?-Wort in einem nicht-komplementierten Infinitivsatz” spricht weiter, daß w/i-Bewegung auch leere Operatoren involvieren kann. Im Englischen gibt es zwei K onstruktionen, die
so eine leere Operatorbewegung in das COM P eines Infinitivsatzes aufwei­
sen. Es handelt sich dabei um die von /owg/i-Bewegung erzeugte Struktur
(30) und um Konstruktionen wie (31):
(30)
(31)
Bill, is easy PRO to please e,.
These men, are too stubborn to talk to ej.
Die Daten erwecken auf den ersten Blick den Eindruck, als seien sie aus
einer Bewegung von der Objektsposition des Komplem entsatzes in die
Subjektsposition des Matrixsatzes abgeleitet. Solch eine NP-Bewegung ver­
letzt freilich die Bindungstheorie, weil dabei ein PRO-Subjekt gekreuzt
würde. Vor allem aber ist die Abhängigkeit in (30) und (31) prinzipiell wie­
der unbeschränkt, cf. (32a), sie beachtet die »v/j-Inselbeschränkung (cf.
Chomsky 1977a), und sie erlaubt parasitäre Lücken (cf. (32b) und
Chomsky 1982a). Dies alles zeigt, daß eine wh-Bewegung vorliegen muß
(aber cf. Jones 1983).
(32a)
(32b)
This manj is easy PRO to convince Mary PRO to kiss eit
These articles, arc easy PRO to file e, w ithout PRO having
ever read e,.
Nun steht articles in (32b) in einer A-Position4 die keine mögliche Lan­
dungsstelle für w/i-Bewegung ist. W/?-Bewegung verschiebt für tough und
(32b) einen leeren O perator von der Verbobjektsposition in das COMP des
Infinitivsatzes, wobei die exakten Gründe für die Analyse und die genaue
Ausgestaltung für unsere Zwecke - in Chomsky (1982a) nachzulesen nicht relevant sind. Entscheidend ist vielmehr, daß hier eine C O M Pr Position eines Infinitivsatzes besetzt wird. Dies ist im D eutschen, wenn obiger
Vorschlag richtig sein sollte, verboten. Schließlich ist die C O M P2-Position
im Infinitivsatz nicht gefüllt. Deshalb wird die Vorhersage gemacht, daß
weder (30) noch (31) mögliche Strukturen des Deutschen sind. Diese Vor­
hersage ist tatsächlich erfüllt. Der Satz (33) erfordert eine andere Struktur
(cf. Riemsdijk 1982a), er kann keine tough-Analyse erlauben. Im letzteren
Fall müßten sich auch lange Abhängigkeiten ergeben, die im Deutschen
fehlen, cf. (34a). Auch zu (31) finden wir kein Ä quivalent, cf. (34b):
(33)
4
Cf. Kap. 9.6.
Bill ist einfach zu erfreuen.
55
(34a)
(34b)
*Dieser Mann ist einfach, Maria zu überzeugen ej zu küssen.
“Diese M änner sind zu hartnäckig um zu ej versöhnen.
Wichtig ist, daß die C O M P r Besetzung hier leer erfolgt. D er alternativ
erwogene Filter (35) kann die G eneralisierung nicht erfassen, daß alle im
Englischen über wh-Bewegung in ein Infinitiv-COMP erklärten Strukturen
im Deutschen fehlen.
(35)
*(W -W ort.................V(_finil))
Gegen den Vorschlag, wh-Bewegung nur in solche C O M Pr Positionen
zuzulassen, zu denen ein gefülltes C O M P2 adjazent ist, mag zunächst der
eingebettete Fragesatz des D eutschen sprechen.
(36)
Ich weiß nicht, wem du den Posten versprochen hast.
Hier ist das finite Verb hast in E ndposition, also nicht in C OM P2, und auch
eine Konjunktion fehlt. Allerdings hat Reis (1985) darauf hingewiesen, daß
das Fragewort im eingebetteten Fragesatz eventuell in der Konjunktionspo­
sition selbst steht, nicht in COM P!, so daß hier - wie in den Relativsätzen
- die Besetzungsbeschränkung für COM Pj nicht verletzt werden kann. Ich
komme auf diese Frage noch zurück.
In jedem Falle kann man im Deutschen mit der Struktur (25) bei whBewegung eigentlich nie in die Verlegenheit komm en, daß eine Zwischen­
spur ihre Variable nicht c-kom m andiert und bindet. Liegt eine Konjunktion
vor, dann verzweigt im Englischen C OM P wie in (37a) angedeutet, im
Deutschen hingegen nicht5.
Seit Chomsky ( 1968b) werden auch im Englischen in S’ zwei COMP-Positionen ange­
setzt. Die deutsche D atenlage und der Kontrast zum Englischen erklären sich in die­
sem Modell über die Wirkung des Doppel-COM P-Filters, cf. dazu auch Felix & Fanselow (1986).
56
(37b)
e,
daß
Wenn, wie in (37b) angedeutet, die Zwischenspur den Satz S im Deutschen
in jedem Falle c-kommandiert, dann ist es möglich, daß sic auch in ihn hin­
ein regiert. Ob sie es tut, hängt von der Natur von S? ab. Ist S? eine maxi­
male Projektion, dann kann e, in (37b) nicht in S hincinregieren; ist S? hin­
gegen nicht-maximal,dann ist die Rektion in S hinein autom atisch gegeben.
Wir haben also zwei Vorschläge für die Erklärung des Fehlens von Subjekts-Objektsasymmetrien bei der w/j-Extraktion des Deutschen aus daßSätzen: die eine Lösung sieht vor, daß das D eutsche nicht-konfigurational
ist und daher das Verb auch die Subjektsposition ordentlich regiert. Die
andere sieht S? als nicht-maximale Projektion an und erlaubt damit die
Rektion der Subjektsposition durch die Zwischenspur e, in (37b).
Wie kann man zwischen diesen beiden A lternativen eine Entscheidung
treffen? Nun, wenn das Deutsche eine konfigurationale Sprache mit VP ist,
dann ist das Vorliegen der Zwischenspur eine unabdingbare Voraussetzung
für die Akzeptabilität von Subjektsextraktionen. Findet man nun eine Kon­
struktion, bei der aus prinzipiellen G ründen bei der Extraktion COMPj
nicht angesteuert werden kann, dann sollten O bjekte, weil vom Verb
regiert, herausziehbar sein, Subjekte, weil weder vom Verb noch von Zwischen-COMPi regierbar, hingegen nicht.
COMP! kann nun genau dann nicht von einer w/i-Extraktion angesteu­
ert werden, wenn COMPj bereits lexikalisch besetzt ist. Es gibt zwei Mög­
lichkeiten, weswegen dies so sein kann, und wir wollen sie uns der Reihe
nach ansehen.
Betrachten wir zunächst eingebettete Fragesätze und Relativsätze. In
den hier interessanten Dialekten können in C O M P2 Konjunktionen wie
daß und wo stehen, so daß man die von Reis (1985) vorgeschlagene Identi­
fikation von COMPi und COM P2 hier für den M om ent vergessen kann.
D er Unterschied ist auch nicht wesentlich.
Bei ich weiß nicht wen (daß) wir einladen sollten ist die Position von
COMP] (bzw. im Standarddeutschen die evtl. einzige COM P-Position des
57
Fragesatzes) durch wen lexikalisch b esetzt. W enn m an nun aus dem e in g e ­
betteten Fragesatz w eiter e x tra h ie rt, b ietet sich trivialcrw cise diese Posi­
tion nicht m ehr als Z w isch en lan d ep latz an.
Freilich verletzt eine direkte lange Extraktion ohne den Zwischcnweg
über COMP Subjazenz. Man kreuzt ja, wenn z.B. das COM P des Matrix­
satzes angesteuert wird, autom atisch den S-Knoten des eingebetteten Sat­
zes wie den des M atrixsatzes und damit einen zu viel.
Subjazenz ist nun aber kein zu starkes Prinzip der U G. Dies soll besa­
gen, daß Subjazenz in gewissen Kontexten verletzbar ist, was den resultie­
renden Satz zwar weniger akzeptabel, doch nicht voll ungrammatisch
macht. Dies ist im D eutschen mehrfach gegeben. Beispielsweise kann die
Extraktion von V erbbestandteilen (s.u. für eine genauere Behandlung)
auch durch Subjazenz kreierte w/i-Inseln verlassen.
(38a)
(38b)
Einladen weiß ich nicht wen ich - könnte.
U m gebracht kenn’ ich noch keinen der sich - hat.
Sicherlich ist (38) stilistisch m arkiert, aber nicht ungrammatisch. Versuchen
wir nun, aus einem eingebetteten Fragesatz heraus eine NP zu extrahieren!
Man kann dabei etwa die Sätze (39) aufeinander beziehen.
(39a)
(39b)
Ich weiß nicht, wer Radios repariert.
Radiosj weiß ich nicht (s (coMPwerj)(sej ej repariert)).
Analog ist eine Extraktion in (40) möglich:
(40a)
(40b)
Ich kann mich nicht m ehr erinnern, wer die Radios repa­
riert hat.
Die Radios* kann ich mich nicht m ehr erinnern (s (coMpwerj)
(e, ej repariert hat)).
Da wegen der Besetzung von C OM Pj durch wer eine Zwischenspur ausge­
schlossen ist, andererseits aber das O bjekt extrahierbar ist, hat man fol­
gende Konklusion zu ziehen: die O bjektsspur e, muß ordentlich regiert
sein, und da kein anderes Regens vorhanden ist, muß das Verb dieses
Regens sein. Das schließt sofort die nicht-konfigurationale Strukturierung
aus, bei der alle NPn außerhalb der VP stehen.
Entscheidend ist nun die Frage, wie es mit der Extrahierbarkeit von
Subjekten aus eingebetteten Fragesätzen aussieht. Wenn die VP das Sub­
jekt mitumfaßt, dann muß dieses genausogut den Fragesatz verlassen dür­
fen wie das O bjekt. Wenn die VP das Subjekt nicht m itum faßt, wenn also
VP nicht gleich S und das D eutsche konfigurational ist, dann darf das Sub­
jekt den eingebetteten Fragesatz nicht verlassen. Andernfalls bliebe die
Subjektsvariable unregiert. Die D aten sind hier ganz eindeutig:
58
(41a)
(41b)
(42a)
(42b)
Ich weiß nicht, was Linguisten reparieren.
"L inguisten weiß ich nicht was reparieren.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, was O ptikerinnen repa­
riert haben.
"O ptikerinnen kann ich mich nicht mehr erinnern, was repa­
riert haben.
Anders als das Objekt kann das Subjekt den Fragesatz auch dann nicht ver­
lassen, wenn das Fragewort wie ist.
(43a)
(43b)
(43c)
Ich habe vergessen, wie man Radios repariert.
Radios habe ich vergessen wie man repariert.
'O ptikerinnen habe ich vergessen wie Radios reparieren.
Es tritt also genau der ECP-Effekt ein, den eine konfigurationale Ausge­
staltung des Deutschen, und nur sie, erwarten läßt. Beachtcn wir weiter,
daß es sich hier um negative Daten handelt: dem Kind ist aus seinen InputDaten heraus keine Evidenz dafür zugänglich, daß (41b), (42b) und (43c)
so wesentlich ungrammatischer sind als die Daten (39b), (40b) und (43b).
Fast unendlich groß wird der ECP-Effekt dann, wenn man einen Rela­
tivsatz verläßt. Das ist für eine NP im Deutschen in keinem Dialekt mög­
lich, wenn der Relativsatz einen Kopf besitzt, also auf eine explizite NP
bezogen ist. Für freie Relativsätze wie in (44) finden wir dagegen durchaus
Sprachen, wie etwa Latein, in denen eine wh-Phrase extrahiert werden
darf.
(44)
Wer mich kennt, darf nicht zur Party kommen.
(45a)
(45b)
Id solum bonum est quOj qui e, potitur necesse beatus sit.
Epicurus non satis politus est iis artibus, qua qui ej tenent
eruditi appellantur.
(Beispiele (45) nach Staudacher 1982)
Unter gewissen Randbedingungen kann man auch die Beispiele (45) in süd­
deutschen Dialekten nachspielen. Da der freie Relativsatz sicherlich unter
einem NP-Knoten hängt, wird die lange Bewegung einer Phrase nun 3
Grenzknoten kreuzen, was schon einen recht starken Subjazenz-Effekt mit
sich bringt. Es ist dennoch relativ unproblem atisch, eine O bjektsphrase aus
einem freien Relativsatz herauszubewegen.
(46)
Die Fallon ist eine Frau die wer kennt glücklich ist.
(46) hat die S-Struktur (47):
die,
eine Frau
werj
ej ej kennt
glücklich ist
Einschlägig ist hier der zutiefst eingebettete Satz e, e, kennt. Die Subjekts­
spur e, wird hier von wer, im C O M P des freien Relativsatzes regiert und die
Objektsspur e, vom Verb kennt. Wenn das D eutsche eine VP besitzt, sollte
eine Umkehrung der Extraktionsverhältnisse nicht möglich sein: wenn das
Objekt das COM P des Relativsatzes okkupiert, bliebe die bei einer langen
Subjektsbewegung zurückgelassene Spur notwendig unregiert. Auch hier
sprechen wieder die D aten für sich: der einschlägige Fall (48),strukturiert
wie in (49) angegeben, ist kom plett ungram m atisch,ja für die meisten nicht
einmal korrekt verstehbar.
(48)
**Der Blake ist ein M ann der wen anruft wir beleidigen.
(49)
NP,
ein Mann
derj
wir
wenjej e, anruft
beleidigen
60
Im kopflosen Relativsatz wen, e, e, ist die Objektsspur von anruft regiert. e„
die Subjektsspur, hat kein Regens. Also sprechen auch die - wiederum
negative Evidenz darstellenden - langen Extraktionsdaten für Relativsätze
für eine VP im Deutschen.
Wir haben die Datenlage bislang für den Topikalisierungsfall der whBewegung betrachtet. Als zusätzliches Beispiel sei nur verm erkt, daß etwa
auch der Relativsatzbildungsfall denselben Kontrast zwischen langen Sub­
jekts- und langen Objektsbewegungen aufzeigt, wie (50) zeigt.
(50a)
(50b)
?Gedichte, die der Lehrer fragte, wer wir dachten, daß
geschrieben hätte.
"R om anciers, die der Lehrer fragte, was wir dachten, daß
geschrieben hätte.
Es sei dabei angemerkt, daß die eingehende Analyse der Extraktionsfähig­
keit von Subjekten ein zweifelhaftes Licht wirft auf die von Maling & Zaenen (1978) vorgeschlagene Änderung des von Perlm utter entdeckten Universals, wonach Subjekte nur dann frei extrahierbar sind, wenn die betref­
fende Sprache auch leere Subjektspronomina erlaubt. Maling & Zaenen
argumentieren nämlich anhand von Holländisch (das sich bezüglich der
Verbstellung wie das Deutsche verhält), daß der f/iaf-z-Filter genau dann
nicht greift, wenn die betreffende Sprache keine obligaten Expletive in der
Subjektsposition verlangt. Nun hat das Deutsche, wie oben gezeigt, solche
obligaten Expletiva gerade nicht und weist dennoch den für den that-tEffekt verantwortlichen “Filter” für die Subjektsextraktion auf.
Verlassen wir nun die liberalen süddeutschen Varianten und kehren wir
zur Standardsprache zurück! Es gibt hier zwei A sym m etrien für die w/iBewegung, von denen keine für süddeutsche Sprecher nachvollziehbar
scheint. Safir (1985) berichtet von einem Kontrast bei der sicher etwas mar­
kierten was-für-Konstruktion. A lternativ zum Fragequantor welch tritt was
für in allen Deutsch-Varianten auf.
(51a)
(51b)
Was für Leute haben dir geholfen?
Was für Museen hast du besucht?
Was fü r kann nun “auseinander gerissen” w erden, aber offensichtlich für
Norddeutsche nur dann, wenn die fragliche Phrase in der Objektsposition
steht:
(52a)
(52b)
Was hast du - für Museen besucht?
*Was haben dir - für Leute geholfen?
Wesentlich besser ist dagegen (52c) mit einem ergativen Verb:
61
(52c)
Was sind denn eigentlich für Leute dagewesen?
Konzentrieren wir uns hier auf den Kontrast zwischen (52a) und (52b)! Es
hat oberflächlich den A nschein, als extrahierte man eine Phrase aus einer
NP heraus. Für die somit resultierende Subjazenz-Verletzung läßt sich z.B.
bei (52a) aber keine Evidenz finden. Auch ist die zurückgelassene Spur in
NP entweder von N immer ordentlich regiert oder aber nie.
Dieselbe K onstruktion findet sich auch im Holländischen. Die Analyse
von Bennis (1983) läßt sich ohne weitere Schwierigkeiten auf das Deutsche
übertragen. Bennis geht davon aus, daß eine Bewegung von was aus was
für NP tatsächlich über Subjazenz strikt verboten ist. Die Tatsache, daß
sich solche D aten wie (52a) finden, deutet darauf hin, daß eine R estruk­
turierung stattgefunden hat, welche (53) in (54) abbildet:
(53)
(54)
( (Np NP (pp für NP)) V)
(NP ( pp für NP) V)
Bennis kann für diesen A nsatz einige A rgum ente aus dem Holländischen
Vorbringen. Wesentlich ist dabei, daß eben (55) im Holländischen ungram­
matisch ist - wie (52b) im D eutschen.
(55)
*Wat hebben voor mensen dit boek gelezen?
Die Untersuchung von verschiedenen Reanalyseprozessen im Rahmen der
UG hat nämlich erwiesen, daß solche Strukturum bauvorgänge stets nur im
Rektionsbereich eines Lexems, und dort selbst nur unter einer starken Ein­
schränkung der denkbaren O ptionen, vonstatten gehen können. Da das
Holländische sicher eine VP besitzt, kann in (55) wat vor mensen nicht
durch eine lokale Reanalyse aufgebrochen werden. Damit verschwindet
aber der hindernde N P-K noten über wat nicht.
Wenn dies eine sinnvolle Erklärung für (55) ist, dann ist sie auch für (52)
einschlägig. O bjekte sind offensichtlich reanalysierbar, nicht jedoch Sub­
jekte, und dies ist unter der allgemeinen R eanalysetheorie nur dann zu
erwarten, wenn der R ektionsbereich von V in konfigurationaler Weise
Objekte von Subjekten trennt. Was (52c) vom wenig akzeptablen (52d)
trennt,sei später diskutiert.
(52d)
???Was haben dir für M enschen ein Buch geschenkt?
In Kvam (1983) finden sich die A ussagen, daß für Standarddeutsch-Sprecher Subjektsextraktionen aus daß-Sätzen nie möglich sind. Tatsächlich
62
spüren auch Standarddeutsch-Sprecher einen starken Kontrast zwischen
den Sätzen in (56) und (57):h
(56)
(57)
?Was glaubt Hans, daß Fritz gestohlen hat?
"W e r glaubt Hans, daß das Auto gestohlen hat?
Während die lange w/i-Extraktion des Objekts zwar abgelehnt wird - die
typische Reaktion scheint zu sein “ich würde das zwar nicht sagen, aber
sonderlich schlecht ist der Satz nicht" - werden Sätze wie (57) als vollkom­
men ungrammatisch angesehen. Die bislang gew onnenen Erfahrungen mit
der w/i-Extraktion weisen sofort auf eine mögliche Erklärung hin. Mehr­
fach hatte sich schon gezeigt, daß Subjazenz-Verletzung zu zweifelhaften
Sätzen führt, eine Nicht-Beachtung von ECP dagegen zu grober Ungrammatikalität.
Wie könnte (56) eine Subjazenz-Verletzung darstellen? O ben war erwo­
gen worden, daß das Norddeutsche kaum B rückenverben kennt. Wenn
Brückenverbscharakter nun einen S'-zu-S-Wandel beim eingebetteten Satz
bewirkt, dann kann man die Zwischenspur in COM P wie schon ausgeführt
dem ECP unterwerfen. Nur in der Konfiguration (58), nicht aber in (59),
entsteht eine wohlgeformte Struktur, denn S’ ist für die Rektion durch das
Matrixverb immer eine unüberwindbare Barriere.
(58)
(59)
V (S’ (comp Ci) ( s .......... ))
V(s(coMpe,)(s ..........))
Wenn nun also die Dialekte mit dem (56)/(57)-Kontrast keine oder fast
keine Brückenverben aufweisen, steht wegen ECP einer langen Extraktion
keine Zwischenlandeposition offen. Dies ist nur dann allgemein gültig,
wenn alle Phrasen leerer Natur dem ECP unterw orfen sind. Fallen PPn
nicht darunter, dann wird, wie oben bereits vorgeschlagen, die COMP-Position einer PP-Zwischenspur stets offenstehen, und PPn sind ohne weiteres
extrahierbar.
Für Spuren von NPn freilich bleibt die COM P-Position tabu. Dann wird
jede w/i-Extraktion einer NP Subjazenz verletzen. D am it ist erklärt, wes­
halb (56) ein “?” im Standarddeutschen trägt.
D er Rest der Erklärung dürfte mittlerweise trivial sein: auch das Sub­
jekt in (56) muß ohne den Zwischenhalt in COM P extrahiert sein. Es be6
Bei norddeutschen Sprechern treten bei der Subjektsextraktion Ergativitätseffekte
auf, (ia) ist wesentlich besser als (ib). D ies erklärt sich wie in 2.4 und 2.5 angedeutet
aus der Tatsache, daß ergative Subjekte in VP stehen.
(ia)
(ib)
Wer denkst D u, daß eingedrungen ist?
*Wer denkst D u, daß eingebrochen ist?
63
sitzt kein Regens, wenn cs eine VP im Deutschen gibt. In diesem Fall sollte
aus einer ECP-Verletzung eine gravierende U ngram m atikalität resultieren,
und das ist ja auch der Fall. Man sollte dabei nicht unerw ähnt lassen, daß
es doch eine nicht unerhebliche Bestätigung für die Rektions- und Bin­
dungstheorie darstellt, daß sie in der Lage ist, Kontraste zwischen D ialek­
ten einer Sprache so stringent und klar vorherzusagen (vorausgesetzt, die
vorgeschlagcnen Analysen sind korrekt).
Ganz interessant in diesem Zusam m enhang sind selbstverständlich
Nicht-Brückenverben in allen Varianten des Deutschen. Überzeugen
gehört zu der Klasse von Verben, deren Satzkom plem ent mit keiner NP
korrespondiert, sondern mit einer PP. Entsprechend ist auch eine A bstüt­
zung durch ein Pronom inaladverb möglich.
(60)
(61)
(62)
(63)
Ich
Ich
*Ich
Ich
habe
habe
habe
habe
Maria
M aria
Maria
M aria
überzeugt, daß niem and Ede liebt.
von m einer Theorie überzeugt.
meine Theorie überzeugt.
davon überzeugt, daß niemand Ede liebt.
Wenn nun in der Struktur von (60) noch irgendein Rest des Pronom inalad­
verbs davon aus (63) vorliegt (wenn also etwa das Pronom inaladverb erst
in der PF getilgt w ürde), dann sollte überzeugen kein Brückenverb sein
können, denn die PP über S’ blockiert die Rektion der Zwischenspur.
Dementsprechend sind Extraktionen aus Sätzen wie (60) nicht sonderlich
gut. Man findet wiederum die A symm etrie zwischen Subjekt und O bjekt,
die zu erwarten ist, wenn keine Zwischenspur in COM P steht.
(64)
(65)
?Wen hat der Karl die M aria überzeugt, daß niemand liebt?
?*Wer hat der Karl die M aria überzeugt, daß niem anden
liebt?
Eine weitere Bestätigung für den generellen Ansatz zur Erklärung des Feh­
lens von da/?-/-Effekten unm ittelbarer A rt in süddeutschen D ialekten ist
auch darin zu sehen, daß dieser auch im Isländischen fehlt (Maling & Zaenen 1982). Diese Sprache (cf. Andrews 1982) weist ähnliche Verb-COMPPhänomene auf wie das D eutsche. Allerdings berichten Maling & Zaenen,
daß das Schwedische dieselben thaM -E ffekte hat wie das Englische. Platzack (1982) hat eine Beschreibung für das schwedische Verbalsystem vorge­
stellt,nach der im Prinzip die Verhältnisse im Schwedischen und Deutschen
im wesentlichen ähnlich sind. Man beachte freilich, daß das Schwedische
eine VO-Sprache ist, so daß sich die Nachstellung des Subjekts beiTopikalisierung von A dverbphrasen durchaus auch über eine lokale Inversion
beschreiben läßt. Dagegen ist bei der deutschen Verbstellung kaum zu
64
umgehen, das finite Verb an die Satzspitzenstellung zu bewegen, insbeson­
dere kann man im Schwedischen kaum für eine einzige Position für Kon­
junktion und finites Verb im Hauptsatz argum entieren.
Festgehalten kann also folgendes werden: an der Extrahierbarkeit von
Subjekten im Deutschen kann man ablesen, daß diese Sprache eine VP
besitzen muß.
Bevor wir uns der Frage zuwenden, wie es mit der Extraktion aus Sub­
jekten aussieht, sollen aber in Kap. 2.2. noch die mit der doppelten COMPBesetzung aufgeworfenen Fragen geklärt werden.
2.2. Zur Realisierung von COMPj und COMP2 in Nebensätzen
Den in Kap. 2.1. entwickelten Vorstellungen zufolge ergibt sich das ober­
flächliche Fehlen von daß-t-Effekten in den bezüglich der Extraktion libe­
ralen Varianten des Deutschen aus der speziellen Organisation des deut­
schen Konjunktionssystems. Dieser zufolge kann - anders als im Engli­
schen - eine w/i-Phrase in COMP ohne größere Probleme mit einer Kon­
junktion zusammen Vorkommen.
Wenn diese Strukturierung von C O M P1/2 richtig ist, dann muß noch
zweierlei erklärt werden: erstens kommen im W iener D ialekt zwar die lan­
gen Subjektsextraktionen aus daß-Sätzen heraus vor, aber eine “doppelte”
COMP-Besetzung ist verboten. Zweitens tolerieren auch die Dialekte mit
doppelter COMP-Besetzung die zweifache Füllung von COM P nur in
bestimmten ausgezeichneten Konfigurationen:
(67)
(68)
*lch glaube nicht die Franca daß du kennst.
*Es ist nicht wahrscheinlich die Franca daß geheiratet hat.
Eine Verschiebung des Komplementsatzes ins Vorfeld dagegen macht die
Beispiele voll akzeptabel:
(69)
(70)
Die Franca daß du kennst glaube ich nicht.
Die Franca daß geheiratet hat ist nicht wahrscheinlich.
Eine recht offensichtliche und tentativ akzeptierbare Lösung wäre anzu­
nehmen, daß Phrasen in COM P semantisch als O peratoren gedeutet wer­
den müssen. Die Frage, welchem O peratorentyp sie angehören, hängt
dabei wesentlich von der Positionierung der Phrase und ihrem inhärenten
Charakter ab. Je nach Betonung und Kontext kann in (71) die Phrase in
COMP alsTopik oder Fokus gelesen w erden, also als jeweils anderer Ope­
rator gedeutet werden (cf. auch A nderson & Kvam 1984):
65
(71)
Die Franca mögen wir.
Man kann sich nun überlegen, daß eine solche Fokus- oder Topik-Position
sinnvollerweise nur für M atrixsätzc (mit der einen oder anderen Aus­
nahme, cf. H oopcr & Thom pson 1973) angesetzt werden kann. In eingebet­
teten Sätzen stellt COM Pi also keine solche O peratorposition dar. Folglich
wäre eine Phrase im COM Pi eines K omplem entsatzes uninterpretierbar,
was (67)/(68) erklärte.
Dann sollte man aber auch solche Sätze wie (69)/(70) interpretatorisch
nicht in den Griff bekomm en: die Franca in COM P muß zwar als O perator
gedeutet werden, aber diese O peratordeutung ist im eingebetteten Satz
nicht möglich. Verschieben wir den Satz in COM P! des Matrixsatzes, so
wird diesem gesamten Satz ein O peratorindex zugewiesen. Dieser mag mit
einer Sonderregel zu dem COM Pi des Komplem entsatzes, wie in (72) ange­
deutet, hinuntersickern. Hat ein D ialekt diese Sonderregel nicht, dann ist
auch in COMPi die Topik-Besetzung des Komplem entsatzes nicht als Operatorbildung interpretierbar und eine Besetzung der COM P-Position damit
aber ausgeschlossen; cf. Felix (1985) für solch eine Erklärung.
NP
Dieser Ansatz läßt sich insofern verteidigen, als er eine sehr schöne B estäti­
gung in der Datenlage der W-Fragen findet. Zunächst einmal involviert die
Feststellung des K om plem entationstyps nicht C O M P^ sondern COM P 2 :
glauben akzeptiert nur Aussagesätze als Komplem ent:
(73a)
(73b)
(74a)
(74b)
Ich glaube, daß es eine VP im D eutschen gibt.
Ich glaube, es gibt eine VP im Deutschen.
*Ich glaube, welche K ategorien es im Deutschen gibt.
*lch glaube, welche K ategorien daß es im D eutschen gibt.
66
Von Riemsdijk entdeckt sind nun D aten , die zeigen, daß cs durchaus mög­
lich ist, eine W -Phrase hinter glauben zu haben.
(75)
(76)
Welche Kategorien glaubst du, gibt es im Deutschen?
Welche Kategorien glaubst du, daß cs im Deutschen gibt?
Wenn also COM P2 und nicht unmittelbar COM Pj für den Komplementationstyp verantwortlich ist, dann brauchen wir eine Perkolationsrcgel für
einen semantischen Index in der eben vorgestcllten Art für die Komplementation durch Fragesätze generell. Denn (77a) ist im Gegensatz zu (77b)
unmöglich:
(77a)
(77b)
(77c)
*Daß Franca gekommen ist frage ich dich.
Wer gekommen ist frage ich dich.
Wer daß gekommen ist frage ich dich!
Wir können annehmen, daß im Wiener Dialekt die Perkolation nur bei pho­
netisch leerem COM P2 möglich ist. Alternativ kann man die Theorie von
Reis (1985) heranziehen und sagen, daß im W iener Deutsch eben eine
Variante gesprochen wird, bei denen im eingebetteten Fragesatz COMP! wie im Relativsatz - nicht existent ist und alle W-Wörter nach COMP2
geschoben werden. Wenn - wie es bei Frage- und Relativsatz eben der Fall
ist - der Komplementsatz selbst eine O perator-O perand-Struktur besitzt,
dann sollte das W-Wort auch bei eingebettetem K omplem entsatz vor oder
in COMP2 als O perator möglich sein. Dies ist, cf. (78), auch der Fall:
(78a)
(78b)
Ich frage mich, wer Maria heiraten könnte.
Ich frage mich, wer daß Maria heiraten könnte.
Wenn eingebettete Fragesätze (wie offenbar in manchen Varianten) nur ein
COMP2 besitzen, dann können wir auch den Problemfall für die oben
erwogene Deutsch-spezifische Generalisierung “Besetzung von COMP!
nur bei Füllung von COM P2” als beseitigt ansehen:in (78a) wie im Relativ­
satz (79) ist die Operatorphrase eben nicht in COM Pj und verletzt mithin
die Beschränkung nicht.
(79)
D er Mann, der Pferde stehlen möchte.
Wie sieht es aber mit den Varianten aus, die auch eine K onjunktion in ein­
gebetteten Fragesätzen, cf. (78), und Relativsätzen, cf. (80), erlauben?
(80)
D er Mann, der wo Pferde stehlen will.
(78b) und (80) sind trivialerweise für die C O M PpB eschränkung unproble­
matisch, da COM P2 hier gefüllt ist. Problematisch ist dabei, daß (78a) und
(79) auch in den Dialekten möglich sind, die (78b) und (80) aufweisen.
67
Hier können wir eine B eobachtung von Bayer (1984) heranziehen.
Neben (79) und (80) ist auch (81) möglich:
(81)
D er Mann wo Pferde gestohlen hat.
Wo kann nicht als R elativpronom en angesehen werden. Schließlich darf
das Relativpronomen nur dann fehlen, wenn die Kasusform vom Kopf des
Relativsatzes und des R elativpronom ens übereinstimm t.
(82a)
(82b)
*Dcr Mann wo Karl geholfen hat.
D er Mann dem wo Karl geholfen hat.
Einschlägig ist hier offensichtlich der von Chomsky & Lasnik (1977) vorge­
schlagene Mechanismus der “free deletion in C O M P” , der es erlaubt, aus
der wegen einer Verletzung des “ D oppel-C O M P-Filters” ungrammatischen
Struktur (83a) die Strukturen (83b)-(83d) herzustellen:
(83a)
(83b)
(83c)
(83d)
*A man who that Mary loves.
A man who Mary loves.
A man that Mary loves.
A man Mary loves.
Diese freie Tilgung ist im Neuenglischen der Beschränkung unterworfen,
daß ein COMP in einem Relativsatz mit Subjektsextraktion nicht völlig frei
sein darf, cf. (84). Die freie Tilgung in C OM P ist also einzelsprachspezifisch
gewissen Restriktionen unterw orfen. Im D eutschen mag die Erklärung für
den Kontrast zwischen (82a) und (82b) eben eine Kasuskongruenzforderung für das getilgte R elativpronom en sein.
(84a)
(84b)
(84c)
(84d)
*The man who that loves Mary is silly.
The man who loves Mary is silly.
The man that loves Mary is silly.
*The man loves Mary is silly.
In den Varianten mit doppelter COM P-Besetzungsmöglichkeit auch in
Frage- und Relativsätzen liegt also eine Regel “freie Tilgung in C O M P”
vor. Man kann durchaus davon ausgehen, daß Sätze wie (78a) und (79)
zunächst als (78b) und (80) generiert sind. D ieser Fall verletzt nicht die
COMPr Beschränkung. Erst eine spät wirkende (eventuell in PF) Regel
der “free deletion in C O M P” stellt die O berflächenstrukturen dieser Sätze
her, welche daher nur den Anschein einer Verletzung von “COM Pi nur
wenn COMP2” darstellen.
68
2.3. PP-Extraktionen aus Subjekten
Ob in einer Sprache eine VP existiert oder nicht, macht nicht nur einen
Unterschied bei der Extraktion von Subjekten, sondern auch bei der
Extraktion aus Subjekten heraus. Dies hat sich oben schon bei der Aufspal­
tung der was-für-NP-Phrase gezeigt. Elem ente im verbalen Rektionsbe­
reich können der erforderlichen Reanalyse unterworfen sein. Da diese
offenbar Voraussetzung für die Aufspaltung von was-für-NP ist, leitet man
mit der Annahme einer VP für das Deutsche wie das Holländische korrek­
terweise den Inselcharakter von was-für-NP als Subjekt ab.
Dieselbe Überlegung ist für die Extraktion von PPn aus NPn heraus gül­
tig7. Wir müssen uns hier eine gewisse Disgression erlauben, um Aufschluß
über den Charakter der Extraktion aus NPn zu erhalten. Es ist nicht allge­
mein möglich, PPn aus NPn zu extrahieren. Wie man sich am Beispiel (85)
verdeutlichen kann, ist das Extraktionsverbot recht stark.
(85a)
(85b)
(85c)
(85d)
(85e)
*Auf welchem Planeten, sahen wir (die Landung e,)?
*Mit welchem Hund, haben wir (eine Frau e,) getroffen?
*Mit den Schultern, ist (das Zucken ej) keine adäquate Ant­
wort auf eine Prüfungsfrage.
*An Isoldej vertrieb (das Denken ej) jeden weiteren Gedan­
ken aus dem Hirn des Lagerverwalters.
*Wegen Vertrauensbruchj war (die Entlassung ej) gerechtfer­
tigt.
Die Sätze in (85) sind so ungrammatisch, daß ihre Abweichung kaum aus
dem umgehbaren Subjazenzprinzip herrühren sollte (die Bewegung kreuzt
NP und S). Es sollte also das ECP oder ein anderes starkes Prinzip einschlä­
gig sein.
Für eine Applikation des ECP wäre Voraussetzung, daß N kein ordentli­
ches Regens ist. Wie oben schon angesprochen, ist P kein ordentliches
Regens, womit sich der markierte C harakter von Preposition-Stranding
erklären läßt (cf. Kayne 1981b, Chomsky 1981). Wenn N ebenfalls nicht
ordentlich regiert, kann man die Generalisierung (86) vertreten.
(86)
7
X° ist ordentliches Regens nur dann, wenn X das Merkmal
( + V) hat (also wenn X V oder A ist).
In Kayne (1983) und Chomsky (1986b) stellt sich dies als ECP-Effekt dar. Offenkun­
dig macht dies wegen der Rektionsasymmetrie für die Erklärung der Datenlage im
Deutschen keinen wesentlichen Unterschied.
69
Gibt es nun G ründe für die A nnahm e, N sei kein ordentliches R egens?Tat­
sächlich ist die Evidenz hierfür überwältigend. Sehen wir uns dies im einzel­
nen an.
Es ist eine zentrale A nnahm e der Rcktions- und Bindungstheorie, daß
Regeln prinzipiell in ihrer A nw endung frei sind. So bewegt “Move a ” Fra­
gewörter nach COMP, kreiert die Subjektsposition in Passiv- und Raisingsätzen und füllt die Subjektsposition in NPn wie (87).
(87)
Romes, destruction Cj by the enemies.
Williams (1982) argum entiert gegen diesen A nspruch der GB-Theorie und
bezweifelt, daß die Regeln, die in S’ anw endbar sind, auch in NP applikabel sind. Insbesondere sei NP-Bewegung in NP selbst nicht möglich.
Ein Argument dafür, so Williams, sei die Nicht-Anw endbarkeit von
“Raising” innerhalb von NP, auf die Chomsky (1972) hingewiesen hat, cf.
(88 ):
(88)
*John’s, appearance (e, to leave).
Auch findet man weder Raising-Passiv noch Präpositional-Passiv innerhalb
von NP.
(89a)
(89b)
*John’s belief (e, to have been there).
*Rome’Si destruction of ej by the enemy.
Daneben seien sowohl obligatorische Kontrolle als auch die Prädikationsregel innerhalb von NP abw esend, ferner fehlte Quantifier-Float.
Einige Beobachtungen, weswegen aus prinzipiellen G ründen obligatori­
sche Kontrolle und die Prädikationsregel innerhalb von NP fehlen müssen,
finden sich in Fanselow (1984). Man beachte, daß nach Manzini (1983)
Kontrolle im engeren Sinne nur dann auftreten kann, wenn der Infinitiv­
satz selbst (ordentlich) regiert ist. Ist N kein ordentliches Regens, dann
kann kein von N abhängiger Infinitivsatz folglich der obligatorischen Kon­
trolle unterliegen. Aus konzeptuellen G ründen wäre es auch sehr negativ,
wenn man NP-Bewegung und andere Prozesse explizit aus NP zu bannen
hätte. Dies gilt auch deswegen, weil, wie Beispiel (87) zeigt, es A rgum ente
dafür gibt, eine lokale kleine NP-Bewegung innerhalb von NP anzusetzen.
Wenn aber N kein ordentliches Regens im Sinne des ECP ist, dann
erweisen sich die Beispiele (89a) und (89b) autom atisch als ungram ma­
tisch, ebenso (88).
Raising-Prozesse müssen stets mit einer S-bar-Tilgung8 verbunden sein.
Wäre dies nicht so, cf. (90), dann würde die in der Subjektsposition zurück8
Cf. 9.5.
70
gelassene A napher zwar korrekt gebunden,aber nicht korrekt regiert sein.
In Infinitiven wie in finiten Sätzen ist eine Rektion des Subjekts im ordent­
lichen Sinne ja ausgeschlossen.
(90)
He, seems (s (s c, to leave)).
Wird aber die Grenze S' beseitigt, dann trennt das Verb seem und die Spur
in der Subjektsposition nur mehr ein S-Knoten, und dieser ist keine Bar­
riere für Rektion.
(89a) ist also dann ungrammatisch, wenn S -Tilgung nicht angewendet
ist. Sobald man S’-Tilgung auch dort vornähm e, regierte die Spur in der
Subjektsposition der NP in den Komplementsatz hinein.
S’-Tilgung ist ein Spezialfall von Reanalyse. Reanalyse kann nur im Rektionsbereich eines Lexems stattfinden. Da alle bekannten Rcanalyscprozesse AP und VP involvieren, liegt es nahe, diese Forderung so zu verstär­
ken, daß Reanalyse nur im ordentlichen Rektionsbereich eines Lexems
applikabel ist. Wenn N aber nicht ordentlich regiert ist, kann cs innerhalb
von NP selbst keine Reanalysen geben, also auch keine S'-Tilgung, und
damit auch keine Rektionsmöglichkeit für die Spur in der Subjektsposition
des Komplementsatzes in (88) und (89a). Weiter unten wird sich noch zei­
gen, daß man auf die Verstärkung der Reanalysebedingung zur ordentli­
chen Rektion auch verzichten kann.
Da P kein ordentliches Regens ist, ist die bei der Extraktion (89b)
zurückgelassene Spur in (o f e,) unregiert und verletzt das ECP, wenn sie
nicht durch Reanalyseprozesse in den Rektionsbereich eines ordentlichen
Regens gebracht wird. Da N nicht reanalysieren kann, ist diese Option aus­
geschlossen, so daß zur Erklärung von (89b) nicht stipuliert werden
braucht, daß innerhalb von NP NP-Bewegung nicht operieren darf. Wohl­
gemerkt ist (87) nicht durch das ECP blockiert. D enn e, ist zwar nicht von
N ordentlich regiert, wohl aber mit seinem A ntezedens koindiziert. Da
keine maximale Projektion interveniert, ist die Spur vom Antezedens im
Sinne des ECP korrekt regiert.
Man macht also die Vorhersage, daß eine Bewegung von NP-Objekten
nur dann möglich ist, wenn Antezedens und Spur keine maximale Projek­
tion trennt. Über die bereits behandelten D aten von Raising und PPExtraktion hinaus sind drei Fälle denkbar, in denen solch eine Konfigura­
tion auftreten könnte. Betrachten wir zunächst (91) und (92):
(91)
(92)
*(DeutschlandSi Zerstörung (NP der H auptstadt e^).
Die Zerstörung der H auptstadt Deutschlands.
Die NP-Bewegung muß innerhalb von NP selbst lokal applizieren, d.h. sie
darf keine Positionen aufeinander beziehen, die z.B. durch einen NP-Kno-
71
ten getrennt sind. Im Falle von (91), abgeleitet aus (92), mag es zunächst
so scheinen, als resultiere der ungrammatische C harakter aus einer Verlet­
zung der Bindungstheoric. Wir hinterlassen bei der NP-Bewegung eine
Anapher e,, und diese ist erst innerhalb der G esam t-N P gebunden. Das
Beispiel (93) allerdings zeigt nun, daß die Bindungstheorie eine Konfigura­
tion wie in (91) sehr wohl toleriert.
(93)
Peters, Version der Geschichte über sich, und seine Kum­
pane.
Tatsächlich ist die MGC für e, in (91) bzw. sich, in (93) erst die Gesamt-NP.
Sie ist die kleinste K ategorie, die ein (schwaches) Regens (N bzw. P) en t­
hält und ein zugängliches Subjekt, nämlich Peter bzw. Deutschland. Inner­
halb dieser MGC ist en und sich, genauso korrekt gebunden.
Auch die Subjazenztheorie ist für (91) nicht einschlägig. Die NP-Bewegung kreuzt zwar mit NP einen G renzknoten, aber eben nicht zwei.
(91)
ist allerdings ungram m atisch, wenn e, im ordentlichen Sinne unregiert ist. Dies trifft zu, falls N wegen (86) nur schwach regiert. Die c-kommandierende und koindizierte NP Deutschlands ist von ihrer Spur e, durch
eine maximale Projektion getrennt, anders als in (87), und kann daher
nicht regieren.
Die zweite Konfiguration betrifft die unpersönlichen Passivsätze im
Deutschen. Hier treten bei leerer Subjektsposition oblique kasusmarkierte
Objekte auf.
(94)
Weil dem M anne geholfen wird.
Innerhalb dieses obliquen O bjekts kann eine NP als Genitiv realisiert (95),
aber niemals extrahiert werden (96):
(95)
(96)
Weil dem Freund des Bürgerm eisters geholfen werden
kann.
*Weil der Bürgermeister* (dem Freund e*) geholfen werden
kann.
Da die NP dem Freund ef kein Subjekt enthält, ist wiederum die NP keine
MGC für e,. Erst der gesam te Satz ist dies, innerhalb dessen die NP korrekt
gebunden ist. Auch die Subjazenztheorie ist nicht verletzt, da die NP-Bewegung in die Subjektsposition des Satzes führt. D er S-Knoten ist also nicht
gekreuzt; mithin kreuzt die Bewegung nur einen G renzknoten, NP. Wie­
derum aber ist der abweichende C harakter von (96) dann erklärt, wenn N
kein ordentliches Regens ist. E rneut interveniert dann die maximale NPProjektion und bildet eine R ektionsbarriere zwischen e, und der Bürgermei­
ster, der einzigen Phrase, die die Spur in (96) regieren könnte.
72
Sehen wir uns nun noch das CNPC, das Complex-NP-ConstraintMvon
Ross (1967) an. Das CNPC ist derjenige Teil der Beschränkung über whBewegung, der noch dazu veranlassen könnte, NP als G renzknoten anzuse­
hen. Es ist ja schon gezeigt worden, daß für praktisch alle Extraktionsver­
bote aus NP heraus und insbesondere auch für die Extraktionen in (97) die
Erklärung über (86) und das ECP ausreicht.
(97a)
(97b)
'Wessen, kauftest du (c, B uch)7
*Auf welchem Planeten, haben wir die Landung e, am Bild­
schirm mitverfolgt?
Wenn NP generell kein Grenzknoten ist, was könnte die Extraktionen in
(98) verhindern?
(98a)
'W hich men, do you believe (the claim (s e, that (Mary loves
(98b)
*Which menj did you meet a woman who met e*?
e i)))?
(98b) stellt selbst dann, wenn man NP nicht zu den G renzknoten rechnet,
eine Subjazenzverletzung dar. Who besetzt die COM P-Position des Relativ­
satzes, welche daher bei der Extraktion von which men, nicht mehr ange­
steuert werden kann. Deshalb muß which men, notwendig das S des Rela­
tivsatzes und das S des Matrixsatzes auf einmal kreuzen und verletzt damit
notwendig Subjazenz. Diese Schlußfolgerung ist für (98a) freilich nicht
möglich. Hier kann bei der Extraktion von which men, zunächst das COMP
des von claim eingebetteten Satzes angesteuert w erden, wobei nur ein S
gekreuzt wird. Dann geht which men, in das C OM P des Matrixsatzes,
wobei wiederum nur ein S gekreuzt wird. Dann konstituiert (98a) keine
Subjazenzverletzung, aber D aten müssen ja nicht unbedingt wegen Subja­
zenz abweichend sein. Insbesondere ist die Zwischenspur in COM P auch
bei einer Anwendung der S'-to-S-Regel unregiert, denn claim kann e, hier
nicht ordentlich regieren. Die »Wi-Phrase in COM P ist durch die NP-Projektion von e, getrennt, so daß auch Rektion über Koindizierung ausgeschlos­
sen ist. Eine lange Bewegung von which men, direkt in das COMP des
Matrixsatzes überschreitet dagegen auf einmal zwei S-K noten, so daß die
beiden denkbaren Derivationen von (98a) durch EC P bzw. Subjazenz auch
dann blockiert sind, wenn NP kein G renzknoten ist. D a es sonst keine wei­
teren Evidenzen für den Begrenzungscharakter von NP zu geben scheint,
möchte ich die Theorie zu (99) verschärfen:
(99)
X ist G renzknoten nur dann, wenn X ein Projektion über S
ist.
73
Alles in allem gibt cs also recht zwingende Evidenz dafür, N als schwaches
Regens zu betrachten.
Ein gewisses Problem besteht natürlich darin, daß wir oben dafür argu­
mentiert hatten, PPn vom ECP auszunehm en. Welchen U nterschied aber
kann man zwischen PPn in Sätzen und solchen in NPn feststellen, der uns
diesen Konflikt lösen helfen könnte?
Fragt man norddeutsch orientierte Sprecher nach der Bewertung langer
Extraktionen von PPn aus dö/J-Sätzen, dann wird man einen gewissen
Akzeptabilitätsunterschicd finden zwischen Präpositionalobjekten und
Ergänzungs-PPn.
(100a)
(100b)
In welcher Stadt glaubst du, daß man solche Extraktionen
sagt? (akzeptabel)
?An welche Frau glaubst du, daß er gedacht hat?
(kaum akzeptabel, aber nicht ungrammatisch)
Bezüglich ihrer E xtrahierbarkeit unterscheiden sich also Präpositionalob­
jekte nicht von NPn. Präpositionalobjekte sind eben solche PPn, die inner­
halb von VP stehen, während die Ergänzungs-PPn nach herrschender A na­
lyse sich nicht in der Kern-VP befinden. Man kann den ECP unterworfenen
Präpositionalobjekten und PPn in NP also die gemeinsame Eigenschaft
zuschreiben, daß sie sich innerhalb der Projektion einer lexikalischen Kate­
gorie befinden. Wenn man also nur diejenigen PP-Spuren vom ECP aus­
schließt, die sich nicht in einer lexikalischen Projektion befinden, erhält
man weiterhin nur korrekte Ergebnisse. D araus folgt, daß Extraktionen
von PPn aus NPn generell verboten sind.
Nun sind diese Extraktionen im Englischen (101) wie auch im D eut­
schen (102) durchaus möglich:
(101)
(102a)
(102b)
( 102c)
(102d)
(102e)
(102f)
(102g)
(102h)
Which men did you see a picture of e;?
Z ur Ableitbarkeit; dieser Formel möchte ich (eine Frage ej)
stellen.
Von Goya* hat er auch (viele Bilder e;) zerstört.
Z ur Polenfrage; will der RCDS (eine Versammlung e;) orga­
nisieren.
Von Salzburg; ist noch im m er (keine A ntw ort e*) da.
Aus Wien* ist wieder (keine Post e j dabei.
Z ur Partei; war (seine Loyalität e*) gewachsen.
Nach Aachen* ist (ein Umzug e;) aber teurer.
Nach Frankfurt; war (die Fahrt e;) unterhaltsam er als die
nach W esterstetten.
74
Es finden sich zwei Argumente dafür, daß die Aufspaltung der NP, die
Extraktion der PP aus NP, nicht durch eine direkte w/z-Bewegung erklärt
werden kann. Zunächst kann sich die PP von der fraglichen NP auch im
Mittelfeld trennen, dessen Stellungseigenschaften sich nicht unmittelbar
über w/i-Verschiebung erklären lassen (cf. Kap 7.2.).
(103a)
Dies zeigt, daß wh-Bewegung (für die Extraktion), (keine
große Rolle e,) spielt.
Uns ist (nach frischer Luft), (ein G elüste e,) in der Brust.
Es hängen sicherlich (von Rubens), (m ehr Bilder e,) bei mir
als bei dir.
(103b)
(103c)
Zweitens kann die Aufspaltung auch durch eine Voranstellung des NP-Teils
bewirkt sein, wie (104) zeigt.
(104a)
(104b)
Zehn Kopien e, wurden von diesem Artikel, gemacht.
(Den Vater) habe ich von Karl noch nicht gesehen.
Wenn die Trennung von NP und PP stets das Resultat von einer wh-Bewe­
gung der PP wäre, dann müßte in (104) die PP durch w/i-Bewegung extra­
hiert sein. Sie befindet sich aber nicht in COMP, was gegen so eine Analyse
spricht. Andererseits kann den Vater nicht unm ittelbar durch w/i-Bewegung
einer NP von von Karl getrennt sein, da den Vater in den Vater von Karlg&x
keine Konstituente abgibt. Die Struktur ist ja die in (105) angegebene.
(105)
ART
N
den
Vater
zx
PP
von Karl
Alle Daten sind aber dann beschreibbar, wenn man annim m t, daß eine
Reanalyseregel jeweils die NPn aufbricht, also eine S truktur (106a) auf
(106b) abbildet.
(106a)
(106b)
(Vp (np det N PP) V)
(vp ( np det N) (PP) V)
NP und PP sind dann gleichberechtigte Töchter von VP, ohne Schwierigkei­
ten extrahierbar und in ihrer Stellung zueinander vertauschbar. Aus der all*
75
gemeinen Rcanalysethcoric - cf. etwa Kaync (1979) oder den Besten
(1983) - folgt übrigens, daß die rcanalysierte Struktur selbst eine mögliche
basisgenerierbarc sein muß. Da G cnctiv-NPn regulärer Art nicht innerhalb
von VP auftreten können, sind N + G enetiv-Konstruktionen auch nicht
reanalysierbar.
Wenn eine Rcanalyse für die E xtrahierbarkeit von PPn aus NPn ver­
antwortlich ist, dann macht man w ieder eine die Konfigurationalität oder
Nicht-Konfigurationalität der betreffenden Sprache anschneidende Vorher­
sage: in einer nicht-konfigurationalen Sprache sollten sich O bjekte wie Sub­
jekte bezüglich Reanalyse verhalten, wohingegen in einer Sprache mit
einer konfigurationalen VP nur die O bjekte, nicht aber die Subjekte reana­
lysierbar sein sollten.
Auf den ersten Blick ist die D atenlage im Deutschen relativ unklar: man
findet Extraktionen aus O bjekten heraus, doch nicht aus jedem O bjekt, cf.
die ungrammatischen Beispiele in (85). A ndererseits findet man auch PPExtraktionen aus Subjekten, doch wiederum nicht aus allen, cf. (107).
(107a)
(107b)
(107c)
Von wem glaubst du, daß die Fotos fertig sind?
Von wem glaubst du, daß Hans Fotos gemacht hat?
*Von wem glaubst du, daß die Fotos deine Anschuldigungen
widerlegen?
Zunächst sieht diese D atenlage nicht sehr gut für die Konfigurationalität
des Deutschen aus: trivialerweise können mit w/i-Extraktionen nicht alle
Instanzen einer Konfiguration verlassen w erden, in denen solche Bewegun­
gen prinzipiell möglich sind. So kann aus einem O bjektssatz prinzipiell
extrahiert werden, jedoch nur dann, wenn der c-kom mandierende V-Knoten mit einem Brückenverb besetzt ist. Analog folgt eben aus der Tatsache,
daß bei einigen Subjekten wie in (107c) eine PP nicht extrahiert werden
kann, eben gerade nicht, daß Subjekte für die O peration eine Insel darstel­
len. Dies sollte der konfigurationale A nsatz zum Deutschen jedoch erwar­
ten lassen.
Wenn man nun abprüft, u nter welchen Bedingungen eine PP aus einem
Objekt extrahierbar ist, so werden wir außer semantischen Erwägungen
keinerlei Gesetzm äßigkeit entdecken können. Dies ist wesentlich anders
gelagert bei der E xtrahierbarkeit von PPn aus Subjekten. H ier finden wir
ein syntaktisches Kriterium : die PP darf das Subjekt nur dann verlassen,
wenn das Verb kein N P-O bjekt im A kkusativ bei sich trägt, cf. dazu die
Daten in (108):
(108a)
(108b)
Nach welcher Stadt ist ein Umzug teuer?
*Nach welcher Stadt hat ein Umzug Maria verärgert?
76
(108c)
(108d)
(108e)
( 108f)
Zur A bleitbarkcit dieser Formel wurde eine Frage gestellt.
*Zur Ableitbarkcit dieser Formel hat eine Frage den Profes­
sor wütend gemacht.
Zur Polenfrage ist eine Versammlung organisiert worden.
*Zur Polenfragc hat eine Versammlung wesentliche Sachla­
gen abklärcn helfen.
Nicht alle Verben ohne Akkusativ-Objekt erlauben dem Subjekt eine PPExtraktion:
(109a)
( 109b)
(109c)
(109d)
Über Chomsky ist ein Buch erschienen.
*Über Chomsky hat ein Buch gelogen.
Zur Partei ist seine Loyalität gewachsen.
*Zur Partei hat seine Loyalität überrascht.
Generell scheinen nur die Subjekte von PPn verlassen zu werden, deren
zugehöriges Verb das Perfekt auf sein bildet. Das sind passivierte Verben
und ergative9.
Bei beiden Verbtypen steht aber das O berflächensubjekt in der D-Struktur, innerhalb der VP als Objekt steht. Insbesondere sind auch die Adjek­
tive (cf. Couquaux 1981, Abraham 1983) ergativ, was D aten wie (108a)
unter die beiden Fälle “ergativ und passiv” subsumieren läßt.
Die Abbildung der D-Struktur eines Satzes mit einem ergativen oder
passivierten Verb involviert prinzipiell die Bewegung einer NP aus der VP
heraus in die Subjektsposition. Wenn die Reanalyseregel vor dieser Bewe­
gung operiert, dann steht die NP mit der eingebetteten PP innerhalb der
VP und damit innerhalb des verbalen R ektionsbereiches, so daß die ein­
schlägige Bedingung für das Applizieren dieser Regel erfüllt ist. Auch die
konfigurationale Theorie der deutschen Syntax sagt also vorher, daß sich
bei ergativen und Passiv-Subjekten eine PP qua Reanalyse aus einer NP
herausbrechen läßt. Die einschlägigen D aten widerlegen also keinesfalls
den VP-Ansatz.
Mehr noch, sie stellen eine Bestätigung für ihn dar! D enn für die Reanalysemöglichkeit ist offensichtlich eher die D -Strukturposition einer Phrase
ausschlaggebend als die, die sie in der S-Struktur einnim m t. Die VP-Theorie macht also bezüglich der A pplikation von Reanalyse eben nicht die Vor­
hersage, daß eine Asymmetrie zwischen O berflächensubjekten und Ober­
flächenobjekten besteht, sondern die Scheidelinie betrifft die Grenze zwi­
schen Tiefensubjekten und Tiefenobjekten. Aus Tiefenobjekten, d.h. transi­
tiven Oberflächenobjekten und den Subjekten ergativer und passivierter
9
Cf. 9.8.
77
Verben kann man eine PP hcrauszichcn. Für die Tiefensubjekte hingegen
gilt daß keine PP sie verlassen kann. Dies wird nur dann vorhergesagt,
wenn eine VP besteht. Denn in der Tiefe einer nicht-konfigurationalcn Syn­
tax bestehen ebensowenig R ektionsasym m etrien wie an der Oberfläche.
Beachten wir wieder, daß die einschlägigen D aten (109b) und (109d),
die die Unmöglichkeit der PP-Rcanalyse für Tiefensubjekte belegen, wie­
derum negative sind, die dem Linguisten, nicht aber dem Deutsch lernen­
den Kind Aufschluß über die V P-Konstituenz des D eutschen geben.
Relativ trivial ist es, in den eben vorgestellten A nsatz die Beobachtung
aus Kap. 2.1. zu integrieren, daß die was-für-NP-Aufspaltung auch nur
Objekte, ergative Subjekte, aber keine Tiefensubjekte betrifft, denn wieder
sind die von ihr affizierten Phrasen in der Tiefe innerhalb von VP
2.4. Extraktionen aus Subjektssätzen
Im Englischen sind E xtraktionen aus Subjektssätzen heraus nicht erlaubt,
wie (110a) demonstriert:
(110a)
(110b)
*Who is to kiss fun?
(s (com p who*) is (s ( s (comp *i) (s PRO to kiss t,)
(vp fun))))))
Dies läßt sich auf das ECP zurückführen. Die wegen Subjazenz erfolgende
zyklische Extraktion des Fragew ortes steuert zunächst das COM P des Sub­
jektssatzes an und hinterläßt dann bei w eiterer Extraktion eine Spur. Für
diese Spur in COM P ist nun offensichtlich kein Regens vorhanden, weswe­
gen (110a) unter (110b) in offensichtlicher Weise dem ECP zum O pfer fällt,
wenn wir Spuren in C O M P nicht vom ECP ausnehm en10. Dagegen darf aus
Objektssätzen extrahiert w erden, da hier das M atrixverb ein potentielles
Regens für die Spur in CO M P darstellt. Man kann dies entw eder dadurch
herbeiführen, daß eine S’-zu-S-Regel die maximale Projektion zwischen
Verb und der Spur im eingebetteten C OM P beseitigt (so Chomsky 1981),
oder aber COM P als Specifier von S’ ansehen (im Sinne von Chomsky
1986a) und dann mit Chomsky (1986a) davon ausgehen, daß auch der Spe­
cifier regierter Phrasen regiert ist.In beiden Fällen ist die Spur in COM P
bei Objektssätzen - aber nie bei Subjektssätzen - korrekt regiert.
Kayne (1983) und Chomsky (1986b) geben eine etwas anders gelagerte Erklärung.
Der Unterschied ist wiederum jedoch für die Stimmigkeit unserer Argumentation
irrelevant.
78
Erneut muß konstatiert werden, daß sich beim Vorliegcn einer VP im
Deutschen wiederum Asymmetrien zwischen Subjektssätzen und Objekts­
sätzen bezüglich der Durchlässigkeit für Extraktionen finden lassen sollten.
Kap. 2.3. sollte vorsichtig gemacht haben, aus D aten wie (111) den voreili­
gen Schluß zu ziehen, das Deutsche erlaube die Extraktion auch aus Sub­
jektssätzen in einer Form, die die Annahme einer VP widerlegte, wie dies
etwa Haider (1984b) schreibt.
(lila )
(111b)
Wann ist es wahrscheinlich, daß Urs kommt?
Wen war’s dir peinlich, daß du um einen Kuß bitten muß­
test?
Die entscheidenden D aten, die für oder gegen eine VP bezüglich der Extra­
hierbarkeit sprechen, sind die, wo das Vorliegen eines Akkusativobjektes
dazu zwingt anzunehmen, daß das Oberflächensubjekt auch in der Tiefe
außerhalb der VP stand. Hier scheint die Datenlage im D eutschen eindeu­
tig: bei Sätzen, die Subjekt transitiver Verben sind, ist eine Extraktion stets
sehr schlecht.
(112a)
(112b)
(112c)
(112d)
(H2e)
(H2f)
(112g)
(112h)
*Wer beweist es deine Vorhersagen, daß angekommen ist?
*Wann beweist es deine Vorhersagen, daß Wolfgang Frieda
verführt hat?
*Wen hat es den Mann beleidigt, daß du liebst?
*Welche Sätze hat es die Franca beleidigt, daß Giovanni
geäußert hat?
*Wen; täuscht (es) den Wolfgang über Edes Frechheit hin­
weg, daß die Franca ej angerufen hat?
*Wen widerspricht es seinen A usführungen, daß die Zeugin
gesehen hat?
*Welcher Planet bewirkt Ü belkeit, daß sich dreht?
*Was bewirkt den Stillstand der E rde, daß G ott getan hat?
Es scheint also ganz richtig zu sein, davon auszugehen, daß Tiefensubjekts*
sätze auch im Deutschen Extraktionsinseln sind. Tiefenobjektssätze lassen
hingegen, seien sie Oberflächensubjekt oder O berflächenobjekt, je nach­
dem ob sie Brückencharakter besitzen oder nicht, Extraktionen zu. Die
Daten entsprechen also dem, was man in einer konfigurationalen Sprache
mit einer VP erwarten sollte.
Die Argumentation setzt natürlich voraus, daß der Subjektscharakter
von den Komplementsätzen in (111) nur oberflächlich ist. Das Faktum, daß
Subjektssätze Extraktionsinseln sind, ergibt sich daraus, daß sie in der
Oberfläche nicht im strikten Rektionsbereich eines Verbs oder Adjektivs
79
und wenn die S-Struktur von ( l il a ) (unwesentliche Details vernachlässigt)
nun (113) >st (bei Vernachlässigung der Extraposition), dann macht eine
konfigurationale Theorie eben doch die Vorhersage, daß der Satz daß Urs
wann kommt qua ECP-Effckt eine Extraktionsinsel darstellt.
COMP
COM P2
ist.
kommt
Wenn die S-Struktur aber (114) ist, also wenn der Satz nicht bewegt wurde,
dann steht er und damit die Zwischenspur in COM P im Rektionsbereich
von wahrscheinlich, weswegen sich kein ECP-Effekt ergeben kann.
80
Die Strukturierung (114) ist natürlich nur unter zwei Voraussetzungen möglieh. Die erste ist, daß die Subjektsposition selbst leer sein darf (diese Frage
steht als Kriterium für Nicht-Konfigurationalität ohnehin noch auf unserer
Agenda). Die zweite ist, daß der Satz in der VP stehen bleiben kann,
obwohl NP-Objekte ergativer Verben oder von Passivpartizipien regelhaft
zu Subjekten werden müssen! Allerdings ist letzteres kein selbständiges
Prinzip der Universalgrammatik, sondern Korollar aus dem Kasusfiltcr und
der Tatsache, daß Adjektive wie passivierte oder ergative Verben den
Akkusativ für das direkte Objekt nicht zuweisen können. (115) ist v.a. des­
halb anscheinend keine mögliche Struktur des D eutschen, weil Blake kei­
nen Kasus innerhalb der VP bekommen kann.
(115)
(s np (Vp Blake kommt))
Da Sätze in offensichtlicher Weise keinen Kasus tragen müssen, mag es so
sein, daß sie als ergatives Objekt zwar an die Subjektsstcllc bewegt werden
können - d.h. (113) ist eine mögliche Struktur für (111) - aber nicht müs­
sen. Deswegen ist auch (114) eine deutsche S-Struktur, und nur in ihr liegt
eine Konfiguration vor, in der eine Extraktion aus dem Komplementsatz
das ECP nicht verletzen wird.
Nicht immer ist übrigens das Vorliegen einer Akkusativ-NP ein wirklich
sicheres Kriterium zur Klärung der Frage, ob ein ergatives Prädikat vor­
liegt oder nicht. Das ist in einer Sprache wie dem D eutschen mit einem rei­
chen Kasussystem auch gar nicht anders zu erw arten. Sie kann exzeptionell
bestimmte Kasusformen zuweisen, lexikalisch gesteuert wie den Genetiv
bei gedenken oder thematisch wie den Akkusativ bei Zeit-/Maßangaben,
cf. ich penne einen Tag. Ü ber diese exzeptionelle Zuweisung eines Akkusa­
tivs bei ergativen Verben sollte man in der Lage sein, solche anscheinenden
Gegenbeispiele wie in (116) - Akkusativ-NP und dennoch Subjektsextrak­
tion - zu erklären, auf die mich H ubert H aider hingewiesen hat.
(116a)
(116b)
Wen machte es dir Spaß zu küssen?
Wen störte es dich, daß die Franca liebt?
Beachten wir zu (116a), daß Spaß machen sicherlich eh er ein komplexes
Funktionsverbgefüge darstellt als eine K onstruktion Verb + direktes
Objekt. Dies sieht man a) an der mangelnden Passivierungsfähigkeit und
b) an der Tatsache, daß Funktionsverbgefüge die Eigenschaften komplexer
Verbfügungen teilen. Insbesondere (cf. H eidolph et al. 1981) kann in kom­
plexe Verbkonstruktionen ein Negator nur schwerlich eintreten, wie eben
bei Spaß machen.
81
(117a)
(117b)
(117c)
*Spaß wurde mir gemacht.
Weil cs mir nicht Spaß macht, andauernd die Regel S -> NP
VP erklären zu müssen.
*Wcil cs mir Spaß nicht macht, andauernd die Regel NP ->
Dct (A ) N erklärt zu bekomm en.
Auch die konkrete Verwendung von stören in (116b) ist nicht passivierbar,
was darauf hindeutet, daß dich kein direktes O bjekt abgibt.
(118)
*Ich werde davon gestört, daß Franca Edc kennt.
Daneben ist das Beispiel (119) von H ubert H aider (p.M .) eventuell schon
deshalb nicht einschlägig, weil die Extraktion aus einem nicht-finiten Satz
heraus erfolgt.
(119)
Wen glaubst du, daß ihm Maria vorzustellen einen großenSpaß macht?
Es ist nicht sicher, daß E xtraktionen aus infiniten Sätzen unbedingt “kurz”
sind, in dem Sinne, daß sie ein Zwischen-COM P ansteuern. Andererseits
ist im GB-Rahmen das A nsteuern dieser Zwischenposition entscheidend
für den ECP-Effekt. (120) weist zyklische kurze Extraktionen auf, da wen
einen finiten Satz verläßt. D ieser Satz ist wiederum wesentlich schlechter
als (116) oder (119), wie zu erw arten ist.
(120)
?*Wen glaubst du, daß ihm einen großen Spaß macht, daß
er der M aria vorstellen darf?
Man könnte alternativ annehm en, es handele sich hier um Subjektssätze,
deren thematische Struktur es uns aus irgendwelchen G ründen erlaube,
eine lange Extraktion in das M atrix-CO M P vorzunehm en, ohne das Zwi­
schen-COMP zu besetzen und damit dem ECP entgegenzuhandeln. Diese
Analyse sagte einerseits voraus, daß qua Subjazenzverletzung marginale
Strukturen entstehen. A ndererseits fehlt das mögliche Zwischen-Regens in
COMP. Also sollte man eine A sym m etrie bezüglich der extrahierten Phrase
erwarten, wenn das D eutsche konfigurational ist. Es scheint tatsächlich so
zu sein, daß ehren und freuen eben solche Prädikate sind, die marginal
Extraktionen zulassen, aber eben nur von NPn aus dem Subjektssatz, die
dort Objekt sind, cf. (121):
(121a)
(121b)
(121c)
(121d)
?Welche
*Welche
haben?
?Welche
*Welche
Fehler ehrte es uns, daß wir eingestanden haben?
M änner ehrte es uns, daß ihre Fehler eingestanden
Frauen freute es uns, daß wir einladen durften?
Frauen freute es uns, daß uns Briefe schreiben?
82
2.5. Die englische Datenlage und mögliche nicht-konfigurationale
Erklärungen
Wenn Ergativität der Erklärungsfaktor für die Tatsache ist, daß man im
Deutschen aus einigen Subjektssätzen heraus Extraktionen vornehmen
kann, dann sollte man für das Englische eigentlich einen nämlichen Effekt
erwarten. Diese Erwartung ist, cf. (122), enttäuscht, und das scheint dem
Ansatz von Kap. 2.4. Schwierigkeiten zu bereiten.
(122)
*Who is to kiss e, probable?
Ein Problem entsteht für Kap. 2.4. freilich nur dann, wenn sich auch im Eng­
lischen die Möglichkeit auftut, bei probable die S-Struktur (114) anzusetzen.
Wenn (113) die einzige im Englischen mögliche Konfiguration ist, dann muß
der ECP-Effekt notwendig eintreten. Was könnte es aber im Englischen
erzwingen, einen Objektssatz bei ergativen oder passivierten Verben an die
Subjektsstelle zu schieben (mit evt. statthabender anschließender Extrapo­
sition), wohingegen dies im Deutschen nur eine O ption darstellt?
Nun war es in Kap. 2.4 nicht ganz ehrlich zu sagen, daß ein Satz im
Deutschen deshalb nicht bewegt werden muß, weil er dem Kasusfilter nicht
unterliegt. Die Aussage bezieht sich nur auf m orphophonetische Aspekte.
Da die Zuweisung eines abstrakten Kasus eine Voraussetzung für die
Zuweisung einer thematischen Rolle ist, welche auch Sätze als A-Aus-,
drücke tragen müssen, verletzt eine Struktur wie (114) prima facie das
Theta-Kriterium. Schließlich kann der Komplem entsatz die thematische
Rolle von wahrscheinlich nicht halten, denn in der Objektsposition scheint
der Satz keinen Kasus bekommen zu können. Wenn dem so ist, wird freilich
die Erklärung für die Extrahierungsfähigkeit aus den Subjektssätzen von
wahrscheinlich usw. hinfällig.
Allerdings ist in (114) der Zuweiser INFL für den Nominativ ausgespart.
Da man freie Koindizierung annehmen kann, hat (114) eine Strukturva­
riante, in der INFL mit dem Satz in O bjektsposition koindiziert ist. Es ist
nun zu fragen, ob nicht auf diese Weise ein abstrakter Nominativ in (123)
etwa von INFL in die VP hinein zugewiesen werden kann.
(123)
^S
83
Allerdings würde die Zuweisung in (123) einen Kasus in eine maximale Pro­
jektion hinein transportieren, und wenn Kasuszuweisung immer Rektion
z u r Voraussetzung hat, sollte dies nicht gut möglich sein. Diese Bedingung
für Kasuszuweisung mag freilich nur eine Eigenschaft für lexikalische
Kasuszuweiser sein und für den K asustransfer qua Koindizierung wie bei
INFL schlicht nicht einschlägig. Tatsächlich ist die Kasuszuweisung in VP
hinein unabhängig motiviert durch die italienischen Inversionskonstruktio­
nen (124a), für die die Struktur (124b) angesetzt werden muß. D ort wird
tatsächlich der INFL-Nominativ an G iovanni in VP gegeben.
(124a)
Arriva Giovanni.
arriva
Giovanni1
Also ist es nicht völlig abwegig anzunehm en, (114) verletze deshalb nicht
das Theta-Kriterium, weil der Satz in VP seinen abstrakten Kasus von
INFL erhält. Aber warum ist dies keine O ption für das Englische? Egal,
wie nun im Deutschen Kasus zugewiesen werden mag, kann der entspre­
chende Prozeß nicht der A djazenzbedingung11 unterliegen. Das Verb als
Kasusgeber kann von seinem O bjekt durch beliebig viele PPn usw. getrennt
sein. Dies ist im Englischen, wie (125b) zeigt, nicht der Fall.
(125a)
(125b)
I saw Mary yesterday.
*1 saw yesterday Mary.
Es ist folglich davon auszugehen, daß im Englischen Kasus nur adjazent
zugewiesen werden kann, im D eutschen dagegen unter welcher Konfigura­
tion auch immer. Für das Englische ist die S-Strukturverzweigung (126)
automatisch gegeben.
(126)
(s NP INFL ( V p V NP . ..) )
(126) plus Adjazenz erklärt sofort, wieso (114) im Englischen ausgeschlos­
sen ist: INFL weist den Nominativ zu, und es kann dies nur für die zwei
11 Cf. 9.5.
84
adjazenten Positionen tun, von denen nur die linke Subjektsposition auch
einen Kasus rezipieren kann. Der Nominativ kann also im Englischen nur
für präverbale NPn auftreten. Da der ergative Subjektssatz einen abstrak­
ten Nominativ benötigt, um d a s Theta-Kriterium nicht zu verletzen, muß
er sich an die präverbale Subjcktsstellc verschieben. Es gibt also unabhän­
gige Gründe dafür, warum (114) als englische Struktur ausscheidet. Da nur
(114) den ECP-Effekt für oberflächlich als Subjektssätzc erscheinende
Phrasen vermissen läßt, muß im Englischen der ECP-Effekt für den “Sentential Subject-Constrainf' ausnahmslos sein. Es ist also nicht die Frage
“VP oder n ich t?\d ic den Kontrast zwischen ( l il a ) und (121) erklärt.
Eine weitere Bestätigung ist daraus abzuleitcn, daß die Ergativität von
Prädikaten bei der Extraktion von PPn im Englischen durchaus eine Rolle
spielt, die Sprache verhält sich hier parallel zum D eutschen, cf. (127):
(127)
A book e, appeared about Chomsky.
Während für den “Sentential Subject”-Effekt die Oberflächenposition der
Phrase, aus der extrahiert werden soll, entscheidend ist, ist für Reanalyse
wichtig, wo sich die aufzuspaltende Phrase in der Tiefe befindet. In der
Tiefe von (127) befindet sich aber wie in den parallelen deutschen Fällen
die Phrase a book about Chomsky innerhalb der VP und kann daher aufge­
brochen werden.
Wir wollen uns zum Abschluß nun die Frage stellen, inwieweit sich nicht
in einer nicht-konfigurationalen Theorie die in Kap. 2.1.bis 2.4. vorgestell­
ten Daten auch erklären ließen.
Wenn der Rektionsbegriff - wie bislang vorausgesetzt - der ist, den man
für konfigurationale Sprachen verwendet, ist dies sicher unmöglich, weil,
wie mehrfach betont, dann keine R ektionsunterschiede zwischen Subjekten
und Objekten auftreten können. Dies mag aber einfach an der viel zu pri­
mitiven Rektionstheorie für nicht-konfigurationale Sprachen liegen.
Sicherlich würde aber eine R ektionstheorie uninteressant, die aus einer
schlichten Aneinanderreihung von Stipulationen bestünde. Man muß auch
in der nicht-konfigurationalen Theorie erklären, daß in NPn, PPn usw.
nicht hineinregiert wird. D er Begriff “maximale P rojektion” spielt also die­
selbe Rolle wie in der konfigurationalen Theorie. D er wesentliche Unter­
schied ist, daß das Korollar der konfigurationalen T heorie, daß das Subjekt
vom Verb nicht regiert wird, in einer nicht-konfigurationalen noch nicht
folgt. Da wir gezeigt haben, daß eine konfigurationale Theorie der deut­
schen Syntax die Extraktionsdaten 100%ig erklären kann, hilft es einer
nicht-konfigurationalen wenig, wenn sie durch eine Reihe von Stipulatio­
nen wie “Subjekt ist unregiert” ähnlich beobachtungsadäquat werden
85
kann Sic benötigte dazu eben Stipulation und ist damit weniger erklä­
rungsadäquat als die konfigurationalc, bei der die Nicht-Rcktion des Sub­
jekts ein Korollar ist.
Nun gibt cs einen sehr interessanten Vorschlag für eine nicht-konfigurationale Definition von R ektion, den Stcrncfcld (1984) in anderem Zusam ­
menhang vorgebracht hat und der anscheinend die Schwächcn nicht-konfigurationaler Rektionsbegriffc nicht teilt. Stcrnefcld legt der Rektion den
K a s u s z u w e is u n g s b e g rif f zugrunde. Da Kasuszuweisungen maximale Pro­
jektionen nicht überwinden können, hat die Festlegung “a regiert b gdw. a
b Kasus zuweist” die erw ünschten Barriereeigenschaften. Ü ber Haiders
“Extended Projection Principle” bzw. Sternefelds Generalisierung davon
folgt weiter, daß das Subjekt nicht vom Verb - sondern wie in GB von
INFL - kasusmarkiert wird. Also deriviert man auch hier das Korrolar:
S u b je k te sind nicht vom Verb regiert.
Setzt man meine Analyse des Fehlens von ECP-Effekten bei einfacher
Extraktion aus daß-Sätzen voraus, dann kommt man bei der Erklärung der
süddeutschen Daten in Kap. 2.1. recht weit. Freilich verstrickt man sich
nun in kaum lösbare Problem e, wenn man die Ergativitätseffekte aus Kap.
2.2. bis 2.4. in Betracht zieht. Die konfigurationale Theorie sagt voraus,
daß es eine ganze Reihe von K ontexten gibt, wo als Subjekte erscheinende
NPn und Sätze sich so verhalten, als seien sie von V regiert, obwohl der
Kasus von INFL kommt. Wenn schwache R ektion durch INFL aber, wie es
Sternefeld (1984) vorschlägt, gleichbedeutend ist mit Kasusmarkierung
durch INFL, kann dieser Ausweg aus dem ECP-Effekt bei Ergativa nicht
nachgespielt werden. Die verschiedenen sich auftuenden Auswege befriedi­
gen alle nicht. Man kann also festhalten, daß die Extraktionsdaten nur
dann in eine nicht-konfigurationale T heorie integriert werden können,
wenn die Korollare des konfigurationalen A nsatzes als Stipulationen der
Theorie hinzugefügt w erden, und das kann nicht sinnvoll sein.
Die Extraktionsfähigkeit von und aus Subjekten im Deutschen erweist
sich folglich nur dann beschreibbar, wenn das Deutsche eine VP im konfigu­
rationalen Sinne besitzt. Die fraglichen D aten waren dabei alle negativer
Art, so daß das Kind die Einschränkungen nicht als Ausnahme erlernt
haben kann. Folglich muß das D eutsche eine VP besitzen.
Aber ob das D eutsche eine VP hat oder nicht, ist ein ziemlich uninteres­
santes Thema. Da man weiß, daß Sprachen wie das Englische eine VP auf­
weisen, trägt diese Inform ation selbst zu unserem Wissen über die Univer­
salgrammatik nicht viel bei. Wir hatten ja vielm ehr die Frage gestellt, ob
das Konzept eines K onfigurationalitätsparam eters ein sinnvolles ist. Da das
Deutsche oberflächlich den A nschein erw eckt, als sei es nicht-konfiguratio-
86
nal, aber offenbar eine VP besitzt, was sich in Extraktionsverboten nieder­
schlug, die als negative Daten nicht erlernbar sind, ist die Realität dieses
Parameters eigentlich schon in Frage gestellt.
Nun ist es aber nicht so, daß sich die Existenz der VP nur bei den
Extraktionsdaten auswirkt. Es ist vorstellbar, daß cs einen anderen Bereich
der deutschen Syntax gibt, der dem Kind positive D aten für die Annahme
einer VP gibt, so daß hier die Existenz einer VP lernbar wäre. Deshalb
ergäben sich die Beurteilungen zur Extraktion als Folge dieses Lernprozes­
ses wegen den Eigenschaften der Universalgrammatik automatisch.
Folglich ist es notwendig, sich, soweit das möglich ist, alle Bereiche der
deutschen Syntax anzusehen, in denen die Existenz oder Nicht-Existenz
einer VP eine Rolle spielen könnte. Dort ist zu prüfen, ob sich das Ergebnis
aus Kap. 2 bestätigen läßt, v.a. ist zu prüfen, ob nicht doch irgendwo posi­
tive Evidenz für die VP auftreten mag. Dieser Aufgabe wende ich mich in
den anschließenden Kapiteln zu.
3. Komplexe Verbverschiebungen im Deutschen
J.L Warum dem Deutschen VP-Hlgung fehlt
Wenn man so will, kann man zwei A rten von Evidenz für eine Kategorie
unterscheiden: indirekte und direkte. Indirekt war die Evidenz, die Kap. 2
vorstellte: das Wirken bestim m ter Teiltheorien der deutschen Gramm atik
erwies sich als durch die Existenz einer VP beeinflußt. Direkte Evidenz
läge dann vor, wenn man zeigen könnte, daß der O perandenbereich einer
Regel die VP selbst ist. Auch in eindeutig konfigurationalen Sprachen wie
dem Englischen ist so eine direkte Evidenz für die VP spärlich.
Eine mehr oder m inder direkte Einsicht in die verbale Konstituenz des
Englischen gewinnt man dabei anhand von zwei größeren Prozessen: der
VP-Topikalisierung und der VP-Tilgung, exemplifiziert in (1), wo je nach
verwendeter Subtheorie eine verbale Projektion getilgt wurde oder in der
Basis erst gar nicht erzeugt wird.
(la)
(lb)
Dr. Jekyll loves Molly G rue, and Mr. Hyde does, too.
Giovanni will have cooked dinner, and so may have Franca.
Standardmäßig wird do bereits in der Basis generiert und dort bei Adjazenz
zu einem Verb getilgt (cf. etwa Lasnik 1981). Nach VP-Tilgung ist do zu kei­
nem Verb mehr benachbart, weshalb es in (la ) stehen bleibt. Auxiliäre wie
may und have in (lb ) gehören nicht zur VP, sondern werden wie do unter
INFL/AUX basisgeneriert (cf. Steele et al. 1981). Im D eutschen ist es nicht
möglich, Konstruktionen wie (la ) nachzuspielen, cf. (2):
(2a)
(2b)
*Dr. Livingstone liebt A frika, und Stanley tut, auch.
*Johannes wird Essen gekocht haben, und so dürfte Fran­
ziska auch haben.
Stattdessen muß eine K onstruktion mit pronom inaler W iederaufnahme
durch es gewählt werden:
(3a)
(3b)
H elm ut liebt R heinland-Pfalz, und H ans D ieter tut es auch.
Strauß könnte die nächsten Wahlen in Bayern verlieren,
und Reagan könnte es auch.
Daneben existiert die M öglichkeit, nur das Subjekt im zweiten Konjunkt
stehen zu lassen. Diese K onstruktion leitet sich freilich nicht aus der VP-Til­
gung ab, sondern aus der O peration “G apping” , die identische Elem ente
88
beliebiger Art bei Identität beseitigen kann, so eben auch Subjekte selbst,
cf. (5):
(4a)
(4b)
Dr. Livingstone liebt Afrika, und Stanley auch.
Johannes hat Essen gekocht, und Franca auch.
(5a)
(5b)
Dr. Livingstone liebt Afrika, und die Malediven auch.
Johannes hat Spargel gekocht, und Suppe auch.
Die Gapping-Regel ist vor allem deswegen für die VP-Frage nicht einschlä­
gig, weil sie auch über Nicht-Konstitucnten operieren kann, wie (6) zeigt.
Damit ist sie aber für den Linguisten wie für das Kind als Konstituententest
denkbar ungeeignet:
(6a)
Die Friedensbewegung hat am 22. O ktober eine Million
Menschen auf die Beine gebracht, und Strauß hot um 22-,
O ktober zwölftausend Menschen auf die Beine gebrach».
(6b)
Ich habe nicht gewußt, daß Maria 23 M änner kennt, die
einen Nobelpreis verdient haben, und M ario 5 Männer
kennt, die sie heiraten wollen.
Insgesamt folgt, daß das Deutsche keine VP-Tilgungsregel besitzt. Das Feh­
len dieser Regel wäre natürlich schon dann erklärt, wenn das Deutsche
eine VP gar nicht besäße. Eine Regel, die auf nichts appliziert, kann sich
höchstens eine Generation lang in der Sprache halten. D aß das Japanische
z.B. diesbezüglich eine ähnliche Datenlage aufweist wie das Deutsche, ist
mehrfach als Argument gegen eine VP im Japanischen gewertet worden
(cf. Miyara 1981). Freilich ist das damit verbundene A rgum ent nicht schlüs­
sig, weil auch eine konfigurationale Sprache wie das Französische (1) nicht
akzeptiert und wie das Deutsche hinter faire ein Pronom en setzt (und es
dann klitisiert); ebenso ist im Italienischen (7a) ungram matisch, (7b) hinge­
gen akzeptabel.
(7a)
(7b)
*Laura deve aver baciato A ntonio e M aria puo anche.
Laura deve aver baciato A ntonio e Maria lo puo anche.
Die vermeintliche Nicht-Konfigurationalität des D eutschen oder Japani­
schen kann also nicht der Faktor sein, der die A pplikation von VP-Tilgung
verhindert.
Das Englische hat in seiner Geschichte sein Auxiliarsystem in beachtli­
chem Ausmaß umgestaltet. Lightfoot (1979) gibt eine umfangreiche Liste
von Unterschieden in Auxiliardaten zwischen Alt- und Neuenglisch, wobei
cum grano salis die ältere Sprachstufe des Englischen - wie ja auch bezüg-
89
lieh der Wortstellungsfreiheit, des Kasussystems, der Möglichkeit unper­
sönlicher Konstruktionen - dem D eutschen recht ähnlich sieht.
Zwischen Deutsch und Englisch findet man etwa die in (8) angegebenen
Kontraste bezüglich der Auxiliäre:
(ga)
(ga’)
(8b)
(8b’)
(8c)
(8c )
(8d)
(8d )
Ich muß ein VP-Papier schreiben, und ich kann es, wenn
ich will.
* ... and I can it.
Mike Schluroff scheint alles organisieren zu können.
*Mikc Schluroff seems to can organize everything.
Ich kann ein Lied.
*1 can a song.
Weil ein Professor frei forschen können müssen sollte.
*Because a professor should must can research freely.
Wiederum verhält sich das Italienische wie das Deutsche. D er Unterschied
zwischen Deutsch und Englisch kann also nicht über das Fehlen einer VP
im Deutschen erklärt w erden, da sich dann das Italienische wie das Engli­
sche verhalten müßte.
(9a)
(9b)
(9c)
(9d)
. .. Io posso.
Michele Schluroffo sem bra poter organizzare tutto.
So una canzone.
Un uomo deve poter volerlo fare.
Man kann diese D atenlage, cf. Lightfoot (1979), aber auch Steele et al.
(1981), mit Hilfe eines einzigen Param eters erfassen. Im heutigen Englisch
sind danach die Auxiliäre can, m ust usw. stets unter A U X /IN FL positio­
niert und haben keinerlei Vollverbeigenschaften mehr. D araus folgt, daß
sie kein Objekt kasusm arkieren können (einschlägig für (8a’) und (8c’)),
daß sie (da es in A U X jeweils nur einen M O D- oder T EM P-K noten gibt)
nicht gehäuft auftreten können (erklärt (8d’)) und auch nur finit existieren
können (= (8b’)). Im D eutschen, Italienischen oder Französischen sind
dagegen die Auxiliäre ganz norm ale Vollverben. Es sind also die Strukturen
(10) anzusetzen:
Franca
3.ps.sg.pres.
mir ein Photo schenken muß
3.ps.sg.pres.
Franca
must
give me a photo
Nehmen wir nun an, die VP-Tilgungsregel sei eine spezifische Instanz einer
allgemeinen Regel “Delete a ” (cf. Neijt 1979) und appliziere daher, unter
allgemeinen Anforderungen an W iederauffindbarkeit, in allen Sprachen
frei. Dann kann man aus (10) im Deutschen wie im Englischen die VP her­
ausnehmen und erhält die Strukturen in (11):
NP
INFL
Franca
3.ps.sg.pres.
AGR
Franca
3.ps.sg.pres.
A UX
must
Nun können die Kongruenzmerkmale in (11) nicht frei im syntaktischen
Raume schweben, sondern müssen in der Syntax o der in PF an ein verbales
oder COM P-Element klitisieren. In der englischen Struktur (11b) ist mit
must im speziellen Fall und generell ebenso ein Elem ent mit verbalen
91
Eigenschaften u n ter A U X v o rh a n d e n , an das I N F L bzw. A G R klitisieren
kann VP-Tilgung führt also im E nglischen zu m öglichen S tru k tu ren .
In der deutschen Konfiguration (11a) hingegen kann I N F L an nichts kli­
tisieren. VP-Tilgung ist blockiert, weil I N F L nicht frei realisiert werden
kann. Würde es nicht helfen, auch I N F L noch mitzutilgen, so daß das zu
klitisierende Elem ent, das der VP-Tilgung eine Barriere entgegensetzt,
b eseitigt ist? I N F L ist aber notw endig, um dem Subjekt einen Kasus zuzu­
w eisen. Man müßte also auch das Subjekt noch mittilgen und käme nur zur
Struktur (11c), die grammatisch ist.
(llc)
S
3.2. Verbvoranstellung im Deutschen
VP-Topikalisierung ist ein en glischer K onstruktionstyp, bei dem VP von
“Move a " erfaßt w ird, cf. (12):
(12)
She prom ised me to come to the party, and come to the
party she did - .
Wenn nun im Deutschen eine von S verschiedene VP existiert, dann kann
nicht verhindert w erden, daß diese VP von “Move a ” erfaßt wird. Es müß­
ten dann Daten nachweisbar sein, die aus der VP-Bewegung folgen. Tat­
sächlich finden sich im D eutschen V oranstellungen, die so aussehen, als sei
hier eine VP topikalisiert. Dieses Faktum wird häufig als Argum ent für eine
VPim Deutschen verw endet (Fanselow 1983a, Thiersch 1982).
(13a)
(13b)
(13c)
Die M enschenkette organisiert hat nur die Friedensbewe­
gung - .
Nach Venedig gefahren ist die Franca
D er M aria einen H eiratsantrag machen wird José sicher - .
Die fragliche Regel ist unbegrenzt, was auf eine w/i-Genese hindeutet.
Schließlich wird auch mit C O M P eine A-quer-Position angesteuert. Im lan­
gen Fall von “VP-Topikalisierung” kann allerdings das finite Verb nicht mit­
bewegt werden, cf. (14):
(14a)
(14b)
Geschlafen glaube ich nicht, daß er - hat.
^Geschlafen hat glaube ich nicht, daß er.
Da in Infinitivsätzen das Subjekt notwendigerweise phonetisch leer ist, ist
kaum zu testen, ob bei infiniter E inbettung nicht auch ein Verb zurück-
92
gelassen werden muß. (15b) mag ja auch durch S-Topikalisicrung (mit der
Struktur (15c) anstelle von (15d)) entstanden sein:
(15a)
(15b)
(15c)
(15d)
Geküßt hoffte er schon - zu werden.
Geküßt zu werden hoffte er schon
(comp (s PRO, (vp c, geküßt zu w erden))) hoffte er schon.
(comp (vp e, geküßt zu werden)) hoffte er schon (s PRO
(v p -))-
Auch bei “kurzer" V-Topikalisierung wird das finite Verb nicht miterfaßt,
da dieses in COM P: stehen muß. Weder im kurzen Bewegungsfall (13)
noch im langen Bewegungsfall (14) kann also eine komplette VP topikalisiert werden (das finite Verb fehlt immer). Das läßt es als fraglich erschei­
nen, ob überhaupt VP-Topikalisierung in (13) und (14) vorliegt. Dabei mag
(13a) durch eine Ordnung der V-ZWEIT-Bewegung und der VP-Topikalisie­
rung erklärbar sein. Zunächst würde das finite Verb aus der VP hinausbe­
wegt und dann die VP (mit einer Spur) als Ganzes verschoben. Aber diese
Lösung überträgt sich nicht auf (14), da im N ebensatz das finite Verb
gerade nicht bewegt wird. Dennoch ist klar, weswegen VP- Bewegung nie­
mals finite Verben erfassen könnte. Die IN FL-Elem ente müssen in der PF
(wie schon gesagt) an ein verbales Elem ent klitisieren, und dafür scheinen
im Deutschen zwei Positionen zugänglich zu sein: die verbfinale Position
und COMP 2 (cf. Bayer 1984 für einige Ausführungen dazu).
Eine Position in COMPi hingegen könnte prinzipiell für INFL-Klitisierung unzugänglich sein. Da andererseits INFL wegen der Satzstartregel
außerhalb von VP generiert ist und nicht unklitisiert auftreten kann1, läßt
sich als Korollar einer konfigurationalen Syntaxtheorie Vorhersagen, daß
das finite Verb nicht von der verbalen Topikalisierung erfaßt werden kann.
Beachten wir wieder, daß im Englischen INFL an Elem ente in AUX außer­
halb von VP klitisieren kann, wenn kein Elem ent in V zur Verfügung steht,
weshalb im Englischen durchaus die gesamte VP verschoben werden kann,
vorausgesetzt ein Element in AUX kann INFL auffangen (cf.das Datum
(12) verglichen mit (16)).
(16)
*She promised to come to the party, and came to the party
she.
Wiederum lassen sich also prinzipielle G ründe dafür identifizieren, wes­
halb das Englische eine VP-Verschiebung besitzt und das Deutsche nicht,
1
Das Auftreten von INFL in Sätzen muß seit Chomsky ( 1986a,b) nicht mehr stipuliert
werden, sondern ergibt sich als Konsequenz aus dem Theta-Kriterium.
93
die mit der VP-Fragc seihst in keinem Zusam m enhang stehen. D aß (13)
und (14) nicht von VP-Topikalisicrung herrühren können, sicht man neben
der Beschränkung für finite B estandteile daran, daß auch nur Teile der VP
ins Vorfeld geschoben werden können.
(17a)
(17b)
(17c)
(17d)
Organisiert hat die M cnschenkettc die Friedensbewegung.
G efahren wird die Franca nach Venedig schon - sein.
Einen H eiratsantrag machen hat er der Fallon sicher wol­
len.
Wählen würde ich die SPD nie!
In (17) sind jeweils V P-Bcstandteile (direkte O bjekte in a und d, ein Präpo­
sitionalobjekt in b, ein D ativobjekt in c) im M ittelfeld zurückgelassen. Dies
wäre nicht möglich, wenn Vorfeldbesetzung für Verben stets eine VP
erfaßte. Vielmehr scheint im D eutschen eine engere verbale Konstituente
vorzuliegen, zu der zumindest die nicht-finiten Verben eines Satzes gehö­
ren. Bei der fraglichen V-Voranstellung wird in jedem Fall der erste
Bestandteil dieser engen V erbalkonstituente ins Vorfeld geschoben werden,
cf. (18). Dabei können adjazente Phrasen, die im M ittelfeld hinter, cf. (19),
oder vor, cf. (20), diesem Verb stehen, mitgezogen w erden, oder eine Kom­
bination von beidem, cf. (21):
(18a)
(18b)
(18c)
(18d)
(19a)
(19b)
(19c)
(20)
(21a)
(21b)
Weil ein Professor seinen Schüler prüfen können dürfen
muß.
Prüfen muß ein Professor seinen Schüler können dürfen!
*Dürfen muß ein Professor seinen Schüler prüfen können!
*Können muß ein Professor seinen Schüler prüfen dürfen.
Prüfen können muß ein Professor seinen Schüler dürfen!
Prüfen können dürfen muß ein Professor seinen Schüler!
“Prüfen dürfen m uß ein Professor seinen Schüler können!
(nicht gram m atisch, falls (18a) D -Struktur)
Seinen Schüler prüfen muß ein Professor können dürfen!
Seinen Schüler prüfen können muß ein Professor dürfen!
Seinen Schüler prüfen können dürfen muß ein Professor!
Da die fragliche Regel keine VP-Topikalisierung ist, ist sie unter dieser Per­
spektive nicht unm ittelbar für die Konfigurationalitätsfrage einschlägig.
Allerdings leiten sich eine Reihe von V orhersagen bei einer konfigurationalen Struktur des deutschen Satzes ab, die sich für einen nieht-konfigurationalen Ansatz nicht ergeben. D iejenigen E lem ente, die konfigurational
näher am Verbkomplex stehen, dürften nicht im M ittelfeld gelassen wer­
den, wenn verbferne Phrasen (wie Lokaladverbien usw.) zusammen mit der
94
V-Voranstellung nach COMP, gehen. Tatsächlich lassen sich für viele Spre­
cher des Deutschen die vorhergesagten Kontraste finden - nicht alle teilen
die Datenbeurteilung in (22). Es gibt Sprecher, die alle Sätze in (22) akzep­
tieren. Die von vielen geteilte Beurteilung von (22) würde man freilich nur
aus einem konfigurationalen Aufbau der Syntax erwarten.
(22a)
(22b)
(22c)
(22d)
(22e)
(22f)
(22g)
(22h)
(22i)
(22k)
(221)
(22m)
(22n)
(22o)
*?Im Juni gewählt hat er die SPD.
Die SPD gewählt hat er im Juni.
Im Juni die SPD gewählt hat er.
Nur denken will ich heute an Maria!
*Nur heute denken will ich an Maria!
Nur an Maria denken will ich heute!
Heute nur an Maria denken will ich!
Geschrieben hat Max anstelle eines Buches nur drei Auf­
sätze.
•Anstelle eines Buches geschrieben hat Max nur drei Auf­
sätze.
Nur drei Aufsätze geschrieben hat Max anstelle eines
Buches.
Anstelle eines Buches nur drei Aufsätze geschrieben hat
Max.
*In Konstanz reden wollte H ubert w ieder mal über die VP.
Über die VP reden wollte H ubert w ieder mal in Konstanz.
In Konstanz über die VP reden wollte H ubert wieder ein­
mal.
Offensichtlich können Adverbien (zumindest für viele Sprecher) nur dann
von V-Voranstellung erfaßt werden, wenn die O bjekte an der Verschiebung
mitbeteiligt sind. Dies folgt aus der Tatsache, daß die Adverbien die
Objekte asymmetrisch c-kommandieren und damit in einer konfigurationa­
len deutschen Syntax automatisch weiter vom Verb entfernt stehen als die
Objekte, wie es etwa Bindungsdaten nahelegen (cf. Kap. 4). Dagegen ist
völlig unklar, weswegen rein relationale Begrifflichkeiten, die man struk­
turunabhängig bei einer flachen S-Struktur des D eutschen ansetzen muß,
für einen rein syntaktischen Verschiebungsprozeß bedeutsam sein sollte.
Einen D atenkontrast, der in dieselbe Richtung zeigt, finden wir auch bei
den von NP kontrollierten Präpositionalphrasen und A djektiven (cf. hierzu
Felix 1982 für einige Beobachtungen). U nter bestim m ten Bedingungen, die
nicht ganz klar sind, kann man eine PP bzw. deren PRO-Subjekt von einem
Objekt kontrolliert haben, cf. (23). In der allgemeinen Kontrolltheorie sollte
dies nur dann der Fall sein, wenn das O bjekt die PP c-kom mandiert.
95
Sie bäckt das Brot, (PRO, im Backofen).
Sie steckt die Kinder, (PRO, ins Bett).
*Er malt die Frauk (P R O k mit einem Pinsel).
Man sagt damit vorher, daß die PP zumindest genauso nah am Verb steht
wie das Objekt selbst und daher ohne dieses von V-Voranstellung mitgezo­
gen werden kann, was auch der Fall ist.
Im Backofen gebacken hat sie die Brote.
Ins Bett gesteckt hat sie die Kinder.
Subjektskontrollierte PPn werden hingegen nicht vom O bjekt c-kommandiert, wenn man eine Eindeutigkeit der Bindung erzwingen will. Dann aber
ist automatisch vorhergesagt, daß sie von einer V-Voranstellung, die das
Objekt zurückläßt, nicht erfaßt werden dürfen. Diese Vorhersage trifft für
die Sprecher, die den D atenkontrast in (22) nachvollziehen, zu.
(25a)
(25b)
(25c)
Sie, bäckt das Brot ( P R O j in ihrer blauen Schürze).
*?In ihrer blauen Schürze gebacken hat sie das Brot.
*?Besoffen gebacken hat sie das Brot.
Eine weitere Vorhersage ist, daß ein starker K onstituentenbruch auf der SStruktur den M itnahm eeffekt blockieren sollte. Man kann sich dies an (26)
klarmachen.
(26a)
(26b)
(26c)
(26d)
Sie hat den M ann, der Frieda verführt hat, geküßt.
*Der Frieda verführt hat geküßt hat sie den Mann.
Sie hat den M ann mit dem verführerischen roten Schuh­
band geohrfeigt.
*Mit dem verführerischen roten Schuhband geohrfeigt hat
sie den M ann.
Aus (27) ergibt sich, daß im D eutschen Sätze auch nach “rechts” vom Verb
basisgeneriert werden, da sie von V-Topikalisierung erfaßt werden.
(27a)
(27b)
B ehauptet, daß Schweine fliehen können habe ich nie!
Versucht den Zug zu erreichen habe ich sehr wohl.
Wären die Komplementsätze hier etwa an S Chomsky-adjungiert (aber cf.
unten), wäre eine M itnahm e wegen der intervenierende S-Grenze wenig
wahrscheinlich.
Wenn nun eine VP im D eutschen vorliegt, dann ist zumindest denkbar,
daß die VP-Grenze zwischen Subjekt und Verb den M itnahm eeffekt blokkiert. Tatsächlich lehnen alle Sprecher des D eutschen Sätze wie (28) ab:
96
(28a)
(28b)
*Dcr Bürgermeister geküßt hat die Oppositionsführerin.
*Die Bundesregierung hervorgebracht hat ein Meisterstück
noch nie.
Alternativ zu der Theorie, die den ungrammatischen C harakter von (28)
über die Existenz einer VP-Grenze zu erklären versucht, ist vorstellbar, ein
Prinzip in die Grammatik aufzunehmen, das unabhängig vom Vorhanden­
sein einer VP die Mitnahme für Subjekte verbietet. Solch ein Vorschlag fin­
det sich beispielsweise in Sternefeld (1982). Es wäie etwa denkbar zu ver­
langen, daß das kasuszuweisende Element den Kasusrezeptor c-kommandieren muß. Dies wäre für 1NFL in (29) etwa nicht erfüllt:
geküßt
Man beachte, daß bei einer Topikalisierung von der Bürgermeister allein,
wie in (30) angedeutet, die Spur der topikalisierten Phrase von INFL noch
c-kommandiert ist. Dies scheint für die Kasuszuweisung hinreichend, da
der Bürgermeister seinen Nominativ über die Spur verm ittelt bekommt.
NP
der Bürgermeister
hat
V
geküßt
INFL
97
Wiederum
kom m t
d ie s e
n ic h t -k o n fig u r a tio n a le
A lte r n a tiv e
in
große
Schwierigkeiten m it d e r T a ts a c h e , d a ß ta ts ä c h lic h n ic h t a lle S u b je k te v o n
der M itnahm e bei V -T o p ik a lisie r u n g a u s g e s c h lo s s e n s in d . H a id e r
etwa darauf h in g e w ie s e n , d a ß S ä tz e w ie
(3 1 )
(1983) h at
(31) g r a m m a tisc h sin d :
Ein Fehler unterlaufen ist ihm noch nie.
Man kann versuchen, die nicht-konfigurationale Theorie durch den Verweis
auf die Beobachtung zu retten (cf. Fansclow 1983a), daß ein Fehler unter­
laufen eine Funktionsverbfügung sein dürfte. Ein Fehler mag also zwar eine
Nominativ-NP sein, jedoch evt. kein Subjekt. Dieser Erklärungsversuch
scheitert jedoch daran, daß auch eindeutig nicht Funktionsverbgefügen
angehörende Subjekte mit dem Verb nach vorne wandern können:
(32a)
(32b)
(32c)
(32d)
Häuser gebaut sind hier schon lange nicht mehr geworden.
Ein Buch entglitten ist ihm noch nie.
?Ein M eisterstück gelingen wird dieser Regierung nie.
Ein Unglück passieren soll dir nie!
Es ist nicht überraschend, daß die Scheidelinie wiederum zwischen den
ergativen und passivierten Verben auf der einen und den intransitiven und
transitiven Verben auf der anderen Seite verläuft. Sicherlich muß noch eine
thematische Theorie entwickelt w erden, die erklärt, weshalb (33) keine
grammatischen Sätze w iedergibt, doch muß diese mit Sicherheit auf der
eben erwähnten syntaktischen B eobachtung basieren.
(33a)
(33b)
*Der B ürgerm eister angekom m en kann noch nicht sein.
*Die M enschenkette gebildet wurde von der Friedensbewe­
gung zwischen Ulm und Stuttgart.
Daten wie (32) widerlegen jeden Versuch, den ungram matischen C harakter
von (28) dadurch zu erklären, daß Subjekte generell nicht von VP-Bewegung mitgenommen werden könnten. Die konfigurationale Theorie der
deutschen Syntax hat hingegen keinerlei Problem e mit dem Versuch, (32)
zu erklären.
Wegen der mangelnden A djazenzforderung für die Kasuszuweisung im
Deutschen ist es möglich, den Nom inativ einer Phrase auch innerhalb von
VP zuzuweisen. Vor V-Bewegung hat also ein Satz wie (32b) die Strukturen
(34a) und (34b). Bei (34a) trennt die VP Subjekt und Verb, so daß von hier
aus keine Mitnahme-Effekte entstehen können. Bei (34b) befindet sich das
Subjekt” in der VP und kann daher von V-Topikalisierung erfaßt werden.
98
ein Buch
e.
noch nie entglitten ist
e
ein Buch
noch nie entglitten ist
Die Tatsache, daß “ergative Subjekte” mitbewegt werden könne, die ande­
ren jedoch nicht, stellt also ein weiteres A rgum ent für den konfigurationalen Ansatz zur deutschen Syntax dar.
3.3. Diskontinuierliche Konstituenten im Deutschen
Allgemein wird die Vorfeldbesetzung des D eutschen als exzellenter Test für
die Frage angesehen, was eine Konstituente des dazugehörenden Satzes ist.
Ich habe in Kap. 2 gezeigt, wie scheinbare G egenbeispiele, die aus der
NP-PP-Reanalyse resultierten, erklärt werden können, ohne diesen Konsti­
tuentenanspruch aufzugeben. Auch ein Satz wie (35) widerlegt die Beob­
achtung nicht, da der Relativsatz vorTopikalisierung qua Extraposition die
NP bereits verlassen hat.
(35)
[Den Mann e j haben wir eingeladen, [der Frösche nachah­
men kann];.
Für die deutsche Syntax scheint im wesentlichen der interne Aufbau der
VP nicht völlig festgelegt. Man kann also in G renzen die VP intern ver-
99
schieden klammern. Wenn dies so ist, dann mögen die bei V-Topikalisierung
mitgenommenen Phrasen tatsächlich in einer dieser Strukturvarianten eine
Konstituente bilden. Man kann dann davon ausgehen, daß gerade auf der
Basis dieser Struktur die Bewegung appliziert und damit den Anspruch
“Topikalisierung nur für K onstituenten” voll aufrecht erhalten.
Einige Daten erwecken aber den Eindruck, als könnte man keine Struk­
turierung aufkonstruieren, bezüglich derer die in COM Pj stehende Phrase
eine Konstituente bildet. Beispiele hierfür geben etwa Heidolph et al.
(1981), cf. (36):
(36a)
(36b)
(36c)
Von Konstanz nach Bern wird Urs morgen fahren.
Mit dem Ball ins G esicht hat er ihm geworfen.
Immer nur an Euch will ich denken, Frau Königin.
Tatsächlich sind die M öglichkeiten für diese “doppelte” Vorfeldbesetzung
recht beschränkt. Es ist ziemlich auffallend, daß eine der beiden Phrasen
in COMP eine direktionale PP oder ein Präpositionalobjekt sein muß.
Andernfalls lassen sich keine gram m atischen Beispiele finden.
(37a)
(37b)
(37c)
*Die Fallon wir sind froh daß Karl kennt.
*Einen interessanten Vortrag der Sascha dürfte gehalten
haben.
*Die D agm ar über Braunschweig fahren wird.
Die Beschränkung auf spezielle PPn ist nicht ausreichend. Beide Phrasen
müssen obendrein dem selben Satz angehören.
(38a)
(38b)
*In einem Buch; nach Paderbornj hat er e* gesagt, daß er e,
fahren möchte.
*Dem Mädchen; an Maria; hat er e* versprochen (PRO e, zu
denken).
Welche charakteristischen Eigenschaften haben nun direktionale PPn und
Präpositionalobjekte? A nhand des erw ähnten Tests zur Mitgliedschaft in
der engen verbalen K onstituente aus H eidolph et al. (1981) kann man
zumindest für die direktionalen PPn eindeutig zeigen, daß sie innerhalb
dieses engen Verbalkomplexes stehen können: der N egator darf, wie schon
gesagt, unmarkiert nicht zwischen PP und V intervenieren2.
Dementsprechend besitzen PPn, die Präpositionalobjekte sind, im M ittelfeld auch
wesentlich weniger Stellungsoptionen.
100
(39a)
A: Bist du gestern etwa nach Konstanz gefahren?
B: Nein, ich bin gestern nicht nach Konstanz gefahren.
*Nein, ich bin gestern nach Konstanz nicht gefahren.
Für Präpositionalobjekte ist eine unmarkierte Negation zwischen Verb und
PP ebenfalls zumindest sehr zweifelhaft.
(39b)
C: Sag mal, hast du gestern etwa den ganzen Tag an Nena
gedacht?
B: Nein, ich habe gestern nicht an Nena gedacht.
??? Nein, ich habe gestern an Nena nicht gedacht.
Also darf davon ausgegangen werden, daß PPn der erw ähnten Art inner­
halb des Verbalkomplexes stehen können oder müssen. Daraus folgt sofort,
daß ein Satz wie (40) zwei Analysen besitzt:
(40)
Nach Riedering bin ich gefahren!
Nach Riedering kann über direkte w/i-Bewegung nach COMP! gebracht
sein, aber eben auch durch die Regel der V-Topikalisierung. Nach Riedering
kann linear der erste Bestandteil des Verbkomplexes sein, welcher notwen­
dig von V-Topikalisierung erfaßt wird. Dann sind D aten in (36) aber in
jedem Falle unproblematisch, da bei V-Topikalisierung eine Mitnahme adjazenter Phrasen - und zwar unter Beachtung der Konstituenzbedingung erfolgen kann.
Offenbar kann also V-Topikalisierung auch Phrasen bewegen, die nicht
nach Verben aussehen. Sehen wir uns unter dieser Perspektive die Kon­
struktion der NP-Aufspaltung des D eutschen an. Schon in Kap. 1 wurde
das Faktum berichtet, daß NPn sich diskontinuierlich anordnen können.
(41a)
(41b)
Sozialdemokraten sind in diesem Buch nur ehrliche - be­
schrieben.
Geld hat er glaube ich keines - .
Offensichtlich steht man hier vor der sehr mißlichen Lage, daß einerseits
eine thematische Argumentsposition auf zwei Phrasen verteilt ist und ande­
rerseits das Phänomen im Englischen nicht auftritt, wohl aber in der evt.
nicht-konfigurationalen Sprache Ungarisch (A nna Szabolszi, p.M .) und
sicher im Warlpiri (Haie 1983). Für die Basisgenerierung dieser diskontinu­
ierlichen Phrasen mag zunächst einmal die Beobachtung sprechen, daß die
morphologische Form von kein in (41b) genau der entspricht, die zu erwar­
101
ten ist, wenn kein selbständig steht (41c), aber nicht der, die auftritt, wenn
kein adjazent zu Geld ist (41d).
(41c)
(41 d)
Geld??? Ich habe keines /*kein.
Ich habe kein /"“keines Geld.
sicher wird die phonetisch-phonologische Struktur erst nach der
der S-Struktur aufgebaut. Nichts anderes liegt ja in dem
Anspruch, daß die PF eine eigene, nicht-syntaktische Ebene darstellt. Kein
könnte schon dann stark realisiert w erden, wenn es neben einem leeren
Element steht, egal ob dies PRO ist wie in (41c) oder eine durch Bewegung
entstandene Spur, wie möglicherweise in (41b).
Tatsächlich spricht eine ganze M enge von G ründen dafür, die Auseinan­
derziehung von NP in (41a) und (41b) nicht in der Basis zu erzeugen. Diese
sind unabhängig von Erw ägungen innerhalb der GB-Theorie bezüglich des
Theta-Kriteriums. Q uantifizierende A usdrücke wie kein, viele usw. kön­
nen, wie (41c) zeigt, auch ohne Trägernom en auftreten und dabei pronom i­
nale Wiederaufnahme einer Phrase gestatten, wie (42a) dem onstriert.
Adjektive hingegen können im Regelfall zwar ohne Trägernom en verwen­
det werden, jedoch nicht pronom inale W iederaufgreifung leisten, cf. (42b).
Nichtsdestoweniger ist in der N P-A ufspaltungskonstruktion sozialdem okra­
tische selbständig linearisierbar.
Aber
Erstellung
(42a)
(42b)
(42c)
Zu meiner Party hatte ich alle Politiker in Passau einge­
laden, und (viele PR O ) kam en.
*?Zu m einer Party hatte ich alle Politiker in Passau eingela­
den, und (sozialdem okratische PR O ) kamen.
Politiker kenne ich nur sozialdem okratische.
Vor allem aber spricht gegen eine Basisgenerierung, daß von den aufgespal­
tenen Phrasen eine in COM P aufscheinen muß. Die aufgespaltene NP darf
nicht im Mittelfeld linearisiert sein.
(43a)
(43b)
*ln “Deutsche Kanzler, ihr W erdegang und ihre Leistung”
sind Sozialdem okraten vom A utor nur ehrliche beschrieben
worden.
*Der A ußenm inister hat G eld für neue A ktenkoffer keines.
102
Darin unterscheidet sich die Regel “NP-Aufspaltung" vom “QuantorenFloating", hei dem die aufgespaltcne NP auch im Mittelfeld toleriert wird,
cf. den Kontrast in (44):
(44a)
(44b)
(44c)
(44d)
(44e)
(44f)
Weil ich all die Aufsätze von Herrn Bichler schätze.
Weil ich die Aufsätze von Herrn Bichler alle schätze.
Weil es in Jinan viele hübsche Mädchen gibt.
?Weil es in Jinan hübsche Mädchen viele gibt.
Weil es in Passau keine charismatischen Politiker gibt.
'Weil es in Passau charismatische Politiker keine gibt.
Anstelle der Basisgenerierung könnte man NP-Aufspaltung durch w/i-Verschiebung erklären. Daraus folgte autom atisch, daß eine der beiden Posi­
tionen in COMP sein muß. Aber auch mit dieser Lösung gibt es drei
Schwierigkeiten.
Erstens besteht eine Asymmetrie dahingehend, welcher Teil der NP in
COMP stehen muß und welcher im Mittelfeld bleibt. Im mer muß der hin­
tere Bestandteil nach COMP gehen.
(45a)
(45b)
(45c)
(45d)
Politiker kenne ich nur korrupte.
'K orrupte kenne ich nur Politiker.
Mädchen waren wieviel da?
*?Wieviel waren Mädchen da?
Zweitens bliebe unter einer wh-Analyse unerklärt, weshalb Relativsätze
aus dieser Konstruktion nicht gebildet werden können.
(46a)
(46b)
'M ädchen, die er viele kennt, sind gern gesehene Gäste in
der Parteiversammlung.
'B utter, die er versprach keine zu kaufen, ist schädlicher als
Margarine.
Endlich, und das ist das entscheidende D atum , ist NP-Aufspaltung auch
mit V-Topikalisierung zusammen möglich, cf. (47):
(47a)
(47b)
Bücher geschrieben hat er noch keine.
Mädchen verführt hat er schon viele.
Dies ist bei “Q uantoren-Floating” nicht möglich.
(48a)
(48b)
Ich habe die Bücher von Franz alle gelesen.
'A lle gelesen habe ich die Bücher von Franz.
103
Wie die V-Topikalisierungsanalyse auch vorherhersagt, ist NP-Aufspaltung
weiterein ungebundener Prozeß.
(49a)
(49b)
Mädchen glaube ich kommen viele.
Mädchen hoffe ich, daß viele kommen werden.
Man sollte daher prüfen, ob die Lösung “V-Verschiebung” generell auf­
werden kann und ob dann die von der VP-Theorie vorherge­
sagten Subjekts-Objekts-Asymmetrien auftreten.
Wenn Strukturen wie (47) und (41) über V-Topikalisierung erzeugt sind,
dann muß Sozialdemokraten z.B. ein B estandteil des verbalen Komplexes
sein. Da dies in der Basis nicht der Fall ist, muß eine lokale Reanalyseregel
die NPn aufgebrochen haben, also die Struktur (50a) z.B. auf (50b) abbil­
den. Dabei ist (50b) wie erforderlich selbst eine basisgenerierbare Struktur
für die wesentlichen A spekte.
re c h te rh a lte n
ehrliche Sozialdemokraten
kennen
(5 0 b )
ehrliche e;?
Sozialdemokraten, kennen
Danach könnte aus (50b) Sozialdem okraten via V-Bewegung nach COM P
gestellt werden. Beachten wir, daß Reanalyse der Adjazenzbedingung
unterliegt, so daß nur die hinteren B estandteile einer NP in den Verbkom­
plex VK gezogen werden können, w oraus sich erklärt, daß NP-Aufspaltung
nur diese betrifft.
Wenn man die Struktur (51) für das Französische betrachtet, erkennt
man, weshalb ehrlich aus (50b) nicht selbst via w/i-Verschiebung topikalisiert werden darf.
NP
VK
NP
Jean
la;
/ \
V
voit
e,
Unter der hier erforderlichen Erweiterung des c-Kommandobegriffes motivierbar über die italienische Inversionskonstruktion in unabhängiger
Weise, cf. Chomsky (1981) - kann angenommen w erden, daß der Kopf
einer Konstruktion, d.h. hier V, alles in seiner maximalen Projektion ckommandiert3, im speziellen Falle alle Bestandteile der VP. Durch Klitisierung wird la Kopfeigenschaften angenommen haben, weshalb man la als e,
bindend ansehen kann. Auch in (50b) könnte unter dieser Annahme Sozial­
demokraten e, binden. Topikalisiert man aber ehrliche en dann verläßt
sowohl den c-Kommandierungsbereich als auch den Rektionsbereich von
V und Sozialdemokraten. Falls e; A napher ist, verletzt das die Bindungs­
theorie, mit Sicherheit aber die R ektionstheorie. An ej als Kopf von NP
perkoliert in (50b) ja die Rektion von V, was nicht möglich ist, wenn ej über
»Wi-Verschiebung nach COMPj gegangen ist.
Diejenigen Sprecher, die bezüglich der V-Voranstellung in Kap.3.3. den
restriktiveren Dialekt sprechen, die also mit dem A utor in der Beurteilung
von (22) übereinstimmen, finden in ihrer D atenbeurteilung auch einen
Kontrast zwischen Akkusativ- und Dativ-Objekten.
(52a)
(52b)
?*Polnischen A rbeitern hat Jaruzelski keinen eine Lektion
erteilen wollen.
Polnische A rbeiter hat Andropow keine ins Gefängnis sper­
ren wollen.
Die Tatsache, daß die betreffende Sprechergruppe die NP-Aufspaltung für
Dativ-Objekte ablehnt, mag man in Zusam m enhang sehen mit dem weiter
unten noch auszuwertenden Faktum , daß D ativ-O bjekte im Deutschen
Die muß in Chomsky (1986b) nicht mehr stipuliert werden, da Rektion über den
Begriff m-command, der maximale Projektionen involviert, definiert ist.
105
enerell ein anderes Verhalten hei NP-Bewegungsdependenzen zeigen als
So existiert zwar ein Dativ-Passiv auf b ekom m en, doch
z e i g t s i c h dies weder in einer unpersönlichen Form noch unter lassen, nicht
in der Fernversion, auch findet sich kein Dativ-Medium. Sicher gibt es
irgendeine grammatisch relevante U nterscheidung zwischen diesen Kasus.
Da im Englischen bei NP-Bewegungsabhängigkeiten ebenso a) unpersönli­
che b ) weitliegende, c) /flss^/tef-D ependenzen und d) ein Medium fehlen,
ist e s wohl so, daß im Englischen Kasus die Eigenschaft A aufweist, die
auch der deutsche Dativ trägt. Ein A kkusativ im D eutschen ist dann nonA. Stellen wir nun eine erste Spekulation über die N atur von A an.
In einer reanalysierten S truktur wie in (50b) tritt ein morphologischer
Kasus an zwei Stellen auf. U nter dem T heta-K riterium ist diese Konfigura­
tion nun nicht zu erw arten, wenn dieser morphologische Kasus auch not­
wendig abstrakt ist. A bstrakter Kasus ist ja der Identifikator für einen
Theta-Rollenträger. Wenn in einer Struktur zwei abstrakte Kasus vorlie­
gen, sollte es so sein, daß dem auch zwei them atische Rollen entsprechen.
Kennen hat, um ein konkretes Beispiel zu geben, eben nur einen abstrakten
Kasus zu vergeben. Wenn man nun die A nnahm e (53) wagen will, dann ist
der Kontrast in (52) erklärt.
A k k u s a tiv -O b je k t e .
(53)
Morphologische Kasuszuweisung ist strikt mit abstrakter
verbunden: für alle Kasus des Englischen, für den d eut­
schen Dativ.
Morphologische Kasuszuweisung ist nicht notwendig mit
abstrakter verbunden: der deutsche Akkusativ (und: . ..)
(52a) wäre nur dann möglich, w enn eine R eanalysestruktur wie (50b) vor­
liegt. Diese ist aber von den Erw ägungen zum abstrakten Kasus ausge­
schlossen, da ein m orphologischer D ativ notw endig auch ein abstrakter ist,
d.h. in (52a) müßten den zwei D ativen zwei them atische Rollen entspre­
chen, und dies ist nicht der Fall. Weil nun im Englischen alle Kasus abstrakt
sind, kann eine Reanalyse wie die zu (50b) notwendig nicht stattfinden.
Damit ist erklärt, wieso die N P-Aufspaltung im Englischen fehlt. W eiter
kann das Englische keine »vaj-/ür-NP-Konstruktion diskontinuierlich reali­
sieren, da auch hier ein abstrakter Kasus geteilt werden müßte. Möglich
sind im Englischen nur die Reanalyse in NP und PP, die ich oben in Kap.
2-3. vorgestellt habe.
Da andererseits die frei erzeugten, ohne N stehenden Q uantoren nicht
der Reanalyseregel unterw orfen sind, sollten wir hier Dativfälle erw arten
106
können. Ebenso sollte sich der zu N P -A ufspaltung ähnlich ausschende
“Q uantoren-Float" verhalten, wenn er sich tatsächlich aus einer anderen
Regel ergeben sollte. Beide E rw artungen sind tatsächlich erfüllt, was eine
weitere Bestätigung für den hier vertreten en A nsatz d arzustellen scheint.
(54a)
(54b)
(54c)
Ich erteilte dreien eine Lektion.
Ich sperre doch keine ins Gefängnis, Leute!
Ich wollte den Leuten allen eine gehörige Lektion erteilen.
So weit also die Analyse der NP-Aufspaltung und ihre Verteidigung. Wenn
es sich im wesentlichen um eine Reanalyse innerhalb der VP handelt, dann
macht man konfigurational wieder die altbekannte Vorhersage, daß nur
ergative und passivierte Subjekte NP-Aufspaltung zulassen, nicht aber
intransitive und transitive. Es ist nicht sonderlich überraschend, daß dem
tatsächlich so ist.
(55a)
(55b)
(55c)
(55d)
(55e)
Arbeiter denk’ ich schon, daß ein paar zu unserer Versamm­
lung gehen.
'A rb eiter denk’ ich schon, daß ein paar telefoniert haben.
Arbeiter kennt er ’ne Menge.
Arbeiter sind ’ne Menge da.
?*Arbeiter wählen ’ne Menge die SPD.
Noch stärker ist der Kontrast in (56):
(56a)
(56b)
(56c)
(56d)
Geld weiß ich nicht, ob er welches hat.
?Geld ist mir unklar, ob welches wichtig ist.
?*Geld ist mir unklar, ob welches ihm Freude bereiten würde.
?*Geld weiß ich nicht, ob welches die Welt beherrscht.
Da schon die primären D aten der V-Topikalisierung zeigten, daß eine nichtkonfigurationale Lösung recht schwierig durchzuführen sein wird, stellen
Sätze wie (55) und (56) weitere Evidenz für einen VP-Knoten im Deut­
schen dar. Wiederum ist anzumerken, daß die Evidenz in negativen, also
prinzipiell nicht erlernbaren D aten besteht.
Es muß noch ein Wort gesagt werden zu den D ialekten, deren Sprecher
bezüglich (22) und (52) liberaler sind. Auch hier wird die Gesetzmäßigkeit
“Bewege kein nicht-ergatives Subjekt” beachtet,so daß kein wesentliches
Problem für das Konfigurationalitätsresultat entsteht. Wenn tatsächlich,
wie mein beschränktes Informantensam ple nahelegt, die Beurteilungen
bezüglich (22) und (52) korreliert sind, dann mag dies nun darauf hindeu-
107
daß die fraglichen Sprecher d er V-Topikalisierung einen etwas anderen
Platz in der Grammat,k eingeräum t haben. Ein restriktiver Sprecher siedelt
sie in der Syntax an, wo B indungstheorie, striktes c-K om m ando und das
Kasussystem voll operativ sind und d ah er die hier vorgestellten V o rher«
gen machen. Ist die Regel jedoch B estandteil d er PF, dann mag sie wirken"
um alternativ zur «-E insetzu n g (die dann auch in PF zu erfolgen hätte \
leeres Vorfeld auszufüllen. D abei beachtet sie w eiterhin größere Konstitu
entengrenzen wie S und VP, orientiert sich aber sonst nur an d er linearen
Abfolge und darf somit näher an V stehende Lokaladverbien oder aufge
brochene Dativ-NPn bewegen.
®
4. Die Bindungstheorie und die Frage der
Konfigurationalität
4.L Die Bindungsverhältnisse im Deutschen
Offensichtlich werden auch Fragen aus dem Bereich der Bindungstheoric
eine zentrale Rolle im Rahmen der VP-Diskussion spielen. Man kann sich
dies an der flachen Struktur (1) klar machen:
( 1)
INFL
S=V P
NP,
NP2 N P3 V
Wenn NP, beispielsweise mit NP^ koindiziert ist, muß entw eder NP, oder
NP* unter der B indungstheorie1 eine A napher sein. Ist NP3 diese Anapher,
dann kann einerseits NP, auch eine A napher sein. Von der Bindungstheo­
rie her scheint dies in O rdnung zu sein, aber es verletzt ein Prinzip (cf. Fanselow 1983b, 1986b), das besagt, daß A naphern keine selbständige Refe­
renz tragen können. In der Struktur wie (2) binden sich die A naphern zwar
gegenseitig korrekt unter Bindungsprinzip A , doch keine A napher kann
von irgendwoher Referenz ableiten, weshalb letztendlich die Struktur uninterpretierbar bleibt.
(2)
'Wir* stellen sichj sichj vor.
Also muß NP, in (1) ein Pronom en sein oder ein R-Ausdruck. Beide A lter­
nativen verletzen aber die Bindungsprinzipien B bzw. C, weil dann NP3
NP, inkorrekterweise c- kom m andiert. E ntw eder können also in nicht-konfigurationalen Sprachen keine A naphern auftreten oder die Bindungstheo­
rie kann in der vorliegenden Form für nicht-konfigurationale Sprachen
keine Gültigkeit haben . Endlich könnte auch bei universaler Gültigkeit
der Bindungstheorie die M öglichkeit nicht-konfigurationaler Syntaxen a
priori ausgeschlossen w erden.
1 Cf. Kap. 9.6.
110
Ich möchtc in diesem Kap. 4 die verschiedenen Möglichkeiten bezüglich
des Deutschen diskutieren. Sich und einander sind offensichtlich Ana­
phern, und ich werde als erstes abtesten (hier in Kap. 4 .1 ), inwieweit die
Bindungsdaten des Deutschen sich mit einer konfigurationalcn Syntax ver­
tragen oder sich gar aus ihr Vorhersagen lassen. Wenn die Bindungstheorie
im Deutschen nicht über Konfigurationen definiert wäre, sollte man ja
einige Abweichungen von dem aus dem Englischen her bekannten Bild
erwarten.
ln Kap. 4.2. möchte ich dann die Frage stellen, inwieweit eine nichtkonfigurationale Bindungstheorie mit den D aten aus Kap. 4.1. fertig wer­
den könnte. In Kap. 4.3. schließen sich endlich einige allgemeine Überle­
gungen zur Bindungstheorie an.
Tatsächlich finden sich in den bekannteren Kandidaten für nicht-konfigurationale Sprachen Abweichungen vom Bild der Anaphernverteilung,
das vom Englischen her geläufig ist. Das Lateinische weist etwa wie das
Griechische das Phänomen der sog. “inneren A bhängigkeit" auf. Hier bin­
det bei einer thematisch definierbaren Klasse von M atrixverben das Sub­
jekt des Matrixsatzes in den Komplementsatz hinein, ein Beispiel ist (3):
(3)
Vercingetorix, Caesarem, im plorabat ne pro, se, necaret.
Da die thematische Abhängigkeit der verba dicendi und sentiendi eine not­
wendige Bedingung zu sein scheint, mag man schließen wollen, daß hier
eher thematische Begriffe die Bindungstheorie beherrschen als rein syntak­
tische. Ein wesentliches Problem für jede syntaktisch orientierte Lösung
besteht nämlich darin, daß im Komplement auch ein Pronom en bei Konfe­
renz mit dem Matrixsubjekt erlaubt ist. Auch (4) ist also ein lateinischer
Satz:
(4)
VercingetoriXi Caesarem im plorabat ne pro eunij necaret.
Man findet analoge Fälle im U ngarischen, ebenfalls ein Kandidat für
Nicht-Konfigurationalität, im Bereich der A djektivphrasen (cf. Fanselow
1983b). Da aber auch das Isländische die innere Abhängigkeit zeigt und
Isländisch keinen guten K andidaten für eine nicht-konfigurationale Spra­
che abgibt, ist fraglich, ob dieses Phänom en für die VP-Frage einschlägig
ist. Ich werde auch gleich eine recht simple Lösung innerhalb des GB-Rahmens vorstellen.
Die japanische A napher zibun kann wie die koreanische auch von außer­
halb ihres Satzes gebunden sein, doch findet sich hier ebenso (siehe unten)
111
eine konfigurationale L ösung. M an m uß d a h e r sehr vorsichtig sein, aus
kleinen A bw eichungen d er einen o d e r a n d ere n A rt sofort große Schlüsse
ziehen zu wollen.
Man sagt keinesfalls interessante neue Dinge, wenn man darauf hin­
daß im Deutschen die Subjekte das herausragende Antezcdens für
R e f l e x i v a sind, cf. (5):
w e is t,
(5a)
($b)
(5c)
(5d)
(6a)
(6b)
(6c)
(6d)
Hans, findet ein Buch über sich,.
Hans, kennt sich,.
Hans, arbeitet für sich,.
Hans, denkt an sich,.
Wir lassen [s Hans, ein Buch über sich, finden].
Wir lassen [s Hans, sich, eine Freude machen].
Wir lassen [s Hans, für sich, arbeiten].
Wir lassen [s Hans, an sich, denken].
Nun können nicht nur Subjekte A ntezedentien für A naphern sein, worauf
beispielsweise Heidolph et al. (1981) hinweisen. U nter gewissen Bedingun­
gen reflexivieren O bjekte einander, cf. (7) als erstes Beispiel:
(7)
Der eingebildete A bteilungsleiter empfahl sichj sich, als den
geeignetsten B ew erber für den Studienaufenthalt in der
Karibik.
Im Datum (7) binden zwar die O bjekte einander, doch nur m ittelbar über
eine Koindizierung mit dem Satzsubjekt. Wie im Englischen,ist es im D eut­
schen auch im Regelfälle nicht möglich, ohne den Umweg einer Bindung bei­
der Positionen an das Satzsubjekt die O bjekte m iteinander zu koindizieren.
(8a)
(8b)
*Ich schenke die Männer; sichj.
*Wir vertrauen die Mädchen, sichj an.
Hingen die Objekte verschieden hoch im Baum , also c-kom mandierte z.B.
das Dativ-Objekt asymmetrisch das A kkusativ-O bjekt (so wie es z.B. Zeh
1980 für das Deutsche vorschlägt), so sollte entw eder (8b) oder aber (8c)
grammatisch sein. Eine innerhalb d er VP flach angesetzte Struktur hingegen
sagt korrekt die U ngram m atikalität von (8) vorher, da die A napher dann
unkorrekt ihr A ntezedens binden w ürde.
(8c)
*Wir vertrauen sichj den M ädchen an.
112
Allerdings ist mit Sicherheit für den ungrammatischen Charakter von (8)
keine Stipulation in der Bindungstheorie des D eutschen verantwortlich,
welche besagt, daß nur Subjekte Antezedenticn sein können. Die Daten in
(9) sind nämlich grammatisch, was dieser Setzung zuwiderläuft.
(9a)
Ich schenke ihm, ein Buch über sich,.
Wir sollten Ede, über sich, aufklären.
Wir müssen Maria, vor sich, schützen.
Wir bringen Ede, zu sich, in die Wohnung.
Wir müssen Franca, erst wieder einmal an sich, gewöhnen.
Wir beschreiben ihmk sichk und seine Familie.
Wir teilen Senta, sich, und ihrer Familie zu.
(9e)
(9f)
(9g)
Eine Theorie, die (10) als interne Struktur der VP ansetzt,kann den Kon­
trast zwischen (8) und (9) ohne weiteres erklären.
VP
(10)
NP
PP
PP
V
In (8) c-kommandieren sich A napher und A ntezedens. Da das Antezedens
ein R-Ausdruck ist, wird es damit unter Verletzung von Prinzip C gebun­
den. In (9) hingegen ist die A napher jeweils noch tiefer eingebettet, in eine
PP, eine NP oder in beides. Sie kann daher ihr A ntezedens nicht c-kommandieren und es daher auch nicht unter Verletzung von C binden. Dabei ist
sie selbst vom Antezedens c-kommandiert und gebunden. Wie die Daten in
(11) demonstrieren, liegt in der konfigurationalen Sprache Englisch haarge­
nau dieselbe Datenlage vor: ein O bjekt kann nur die Positionen reflexivieren, von denen es nicht c-kommandiert wird.
(11a)
(11b)
*We sold the slavej himselfj.
We sold the slavej to himselfj.
Zu berücksichtigen sind bei der Beschreibung des Objektsbezugs von
Reflexiva sicherlich Perzeptions- oder Sprach Verarbeitungsstrategien, die
bewirken, daß in Fällen, wo Subjekts- und O bjektsbezug strukturell mög­
lich ist, dem Subjektsbezug der Vorzug gegeben wird. Integrationsbedürftig
mögen auch gewisse verbabhängige A sym m etrien sein, die bestimmen,
welches der beiden Objekte A ntezedens sein kann, cf. (12), doch scheinen
die Fälle, in denen beide O bjekte die Kraft zur Reflexivierung besitzen, die
Regel darzustellen.
113
(12a)
(12b)
(13a)
(13b)
???Wir vertrauen den M ännern, sich, und ihre Familien an.
Wir vertrauen die M änner, sich, und ihren, Frauen an.
Wir em pfehlen dem Bürgerm eister, sich, und seine Frau.
Wir em pfehlen den Bürgerm eister, sichj und seiner Frau.
Wählt man anstelle von sich (der “wcak anaphor” , cf. Chomsky 1981, Kap.
5) die Form sich selbst, so wird ein O bjektsbezug in praktisch allen Fällen
akzeptabel.
(14a)
(14b)
Versehentlich haben wir Hans, sich selbst, vorgestellt.
Wir empfehlen dem Bürgerm eister, nur sich selbst, für die­
sen verantwortungsvollen Posten.
Bei einer flachen Strukturierung innerhalb von VP scheint (14) unter der
Annahme erfaßbar , sich selbst sei kein möglicher Binder für das andere
Objekt oder durch eine Strukturierung wie in (15) angegeben.
(1 5 )
Nicht ganz entsprechen die D aten des Reziprokpronom ens denen des
Reflexivpronomens. A nders als in (8) ist Reziprokisierung zwischen den
Objekten selbst gut möglich und akzeptabel, das gleiche gilt für Präpositio­
nalobjekte, cf. (16).
(16a)
(16b)
(16c)
(16d)
(16e)
(16f)
Ich ordne die Z a h le n e in a n d e r zu.
Karl stellt die K an did ate n einander, vor.
G ott schenkte die Menschen* einander^
Die Superm ächte rüsten [die beiden Teile Deutschlands]*
gegen e in an d e r auf.
Ich lege die Bältej aufeinander^
Wir helfen den M ä n n e r^ gegen einanderj.
Auffällig ist, daß D ativobjekte zwar Präpositionalobjekte reziprokisieren
können, nicht aber A kkusativobjekte. M an mag dies, im Konflikt zu den
Reflexivierungsdaten, nun als ein A rgum ent für eine steilere Struktur
innerhalb von VP ansehen. M an könnte nämlich deshalb Akkusativobjekte
114
die Dativobjekte asymmetrisch c-kommandicrcn lassen, doch ist diese
Lösung nicht durchgängig haltbar. Schließlich können Dativobjekte in
Akkusativobjekte hineinreziprokisieren, was nur dann möglich scheint,
wenn auch die Akkusativ-NP von der Dativ-NP c-kom mandicrt ist.
(17a)
(17b)
(17c)
Ich schenke den Männern, Bücher über einander,.
Ich gebe den Agenten, Dossiers über einander,.
Ich versehe die Männer, mit Warnungen vor einander,.
Umgekehrt hat es den Anschein, als könnten Akkusativ-NPn nicht in
Dativ-NPn hineinreziprokisieren, wie (18) zeigt. Aus den bisherigen Aus­
führungen ergibt sich, daß eine strukturelle Lösung innerhalb von NP für
diese Datenlage kaum denkbar ist, schließlich legen die D aten der R ez ip ro kisierung von Akkusativ-NPn die Struktur (19a) nahe, die Daten (18) hin­
gegen (19b), und beides ist miteinander nicht vereinbar.
(18)
*Wir geben die Texte, B erichterstattern über einander,.
NPacc
V
Zur Erklärung der Datenlage beim O bjektsbezug habe ich für das Deut­
sche wesentlich das Theorem der B indungstheorie benutzt, daß Antezedens und A naphern sich nicht gegenseitig c-kom m andieren dürfen, welches
auch für die S-Verzweigung Gültigkeit hat. Es hatte sich oben schon einer­
seits ergeben, daß bei einer flachen S-Struktur qua gegenseitiger c-Kommandierung das Subjekt eigentlich nicht das O bjekt binden können dürfte,
andererseits zeigten die D aten, daß im D eutschen eine Reflexivierung für
das Subjekt der unm arkierte Fall ist.
115
Der konfigurationale Ansatz sagt nicht nur die Asymmetrie in der Bin­
dung zwischen Subjekten und O bjekten voraus und die O ptionen für die
Bindung durch ein O bjekt, sondern weiterhin die Tatsache, daß die außer­
h a l b von VP stehenden PPn anders als die Präpositionalobjekte innerhalb
v o n VP nicht durch ein O bjekt gebunden werden können. Damit sind die
Daten (20) erklärt. Es hat zunächst auch den A nschein, daß die NichtBindbarkeit von adverbialen NPn durch O bjekte sich ebenso ergibt. Da
aber, cf. (22), adverbiale NPn auch durch Subjekte nicht bindbar sind, muß
w o h l ein eigenes Prinzip der UG dafür verantwortlich sein, welches in kei­
nem Zusammenhang zur Konfigurationalitätsfrage stehen kann, da sich Ita­
l i e n i s c h genauso verhält (Giovanni D eriu, p.M .).
(20c)
*Ich beschreibe die Häuser, in ein an d er.
*Willy Brandt, kritisiert die CDU* auf einer Versammlung
von sich,.
*(PRO,) im Tal zeichnet Ede das Dorfj.
(21a)
(21b)
*Ich denke die ganze Nacht* über sichj nach.
*Du mußt natürlich einen D o llar auf sichj herausgeben.
(22a)
(22b)
*Eine Nacht, dauert sichj.
*EinTalerj kostet dich sichj.
(20a)
(20b)
Aus (20) folgt, daß die Beschreibung der A naphern des Deutschen die H ie­
rarchie (23) wiedergeben m uß, und diese folgt aus einem konfigurationalen
Ansatz zur deutschen Syntax.
(23)
SU BJEK TE binden A dverbien und O bjekte.
O B JEK T E binden O bjekte, aber nicht Subjekte und
Adverbien.
Insbesondere ist für die Evaluation einer konfigurational arbeitenden Bin­
dungstheorie des D eutschen die D atenlage in (9) wesentlich. Wann immer
die Anapher durch E inbettung z.B. in eine koordinierte Struktur asymme­
trisch c-kommandiert wird, ist die Bindung an ein O bjekt grammatisch. Es
ist ziemlich unklar, wie sich dieses Faktum und die Hierarchie (23) in einer
funktionalen Bindungstheorie erfassen lassen könnte, die die strukturelle
in einer nicht-konfigurationalen Sprache abzulösen hätte, ohne in der funk­
tionalen Struktur die H ierarchien zu stipulieren, die der konfigurationale
Ansatz für seine Syntax Vorhersagen kann.
Ein weiteres A rgum ent gegen eine funktional orientierte Bindungstheorie mag man aus einigen D aten der M ittelkonstruktion des Deutschen
116
ablciten wollen. Die mit sich gebildete Mediumform kann auch für intransi­
tive Verben Vorkommen (cf. Wagner 1977 für einige Details der Beschrei­
bung), wobei anders als im unpersönlichen Passiv ein es an die Subjektspo­
sition gesetzt werden muß.
(24a)
(24b)
(24c)
(24d)
*Hier lebt sich aber angenehm, H err Aufsichtsratsvorsitzender.
Hier lebt es sich aber angenehm , H err Aufsichtsratsvorsitzender.
^Solche Mädchen umschwärmt es dich einfach.
Solchc Mädchen umschwärmt es sich einfach.
Wie die genau entgegengesetzte Datenlage beim Passiv zeigt, kann es nicht
der unpersönliche Charakter der Konstruktion sein, der das es erzwingt.
Vielmehr scheint das Medium-Signal sich auch ohne eigene thematische
Rolle als Anapher im Sinne der Bindungstheorie gezählt zu werden und
daher ein Antezedens, eben es, zu benötigen. D aß es sich beim MediumSignal um eine thematisch freie Version der A napher handelt, sieht man
am Datum (24e). Während dich im Regelfälle nicht das Medium-Signal sein
kann (24c), ist es als solches genau dann verwendbar, wenn das Antezedens
i.S.d. Bindungstheorie du ist. Hier ist sich selbst verboten (24f):
(24e)
(24f)
Du küßt dich aber angenehm!
*Du küßt sich aber angenehm!
Im Rahmen einer konfigurational orientierten Bindungstheorie kann sehr
wohl ein expletives Element als A ntezedens herangezogen werden, so wie
es für (24) erforderlich scheint. Auf einer funktionalen Ebene hingegen
sollten expletive Elemente fehlen, wenn diese nicht eine exakte Kopie der
konfigurational anzusetzenden S-Struktur sein soll. D ann aber bleibt unge­
klärt, weshalb die A napher sich in der M ittelkonstruktion gebunden ist.
Soweit bislang präsentiert, legen die deutschen Bindungsdaten eindeutig
eine konfigurationale Struktur nahe (ohne sie im strengen Sinne zu er­
zwingen).
Im Deutschen existieren freilich drei D atenbereiche, die eine 1:1-Übertragung des englischen Modells als schwierig erscheinen lassen. Zunächst
treten Anaphern innerhalb von attributiven A djektiven auf, ohne dort ein
sichtbares Antezedens zu besitzen.
(25a)
(25b)
Die sichj treuen Politiker^
Die einander; verachtenden Senatsdirektorenj.
117
Die Indizierung in (25) verletzt u .a. die i-in-i-B edingung und liegt d iesb e­
züglich parallel zu der in R elativsätzen.
(26)
In
( Dic M änner, die ein a n d er, v erachten), sind sk ru p ello ser als
(die M änner, die ein a n d er, lieben)*.
(1986b) habe ich gezeigt, d a ß eine P arallelbehandlung d er
in (25) zu d e r in (26) k onfigurational ohne irgendw elche
S t i p u l a t i o n e n möglich ist, so d a ß d ieser E inw and gegen eine konfiguration a l e Bindungstheorie im D e u tsc h en als au sg eräu m t b e tra ch te t w erden
F a n s e lo w
K o n s t r u k t io n e n
kann.
V-ert-Nominalisierungen n o m in a len C h a ra k te rs hab en die u n an g e­
nehme Eigenschaft, nicht g e b u n d en e R eflexiva und R eziproka zuzulassen,
cf. (27).
(27a)
(27b)
(27c)
Das voneinander A bschreiben ist verboten.
Das sich die Füße waschen wurde in Asurdistan bis vor kur­
zem nicht praktiziert.
Das aneinander Vorbeireden charakterisiert die Mitglieder­
versammlungen der SPD.
Es ist nicht plausibel, hier die A P-Lösung (Parallelität zum Relativsatz)
anzunehmen, da anders als im adjektivistischen Falle eine Bindung der
Anapher durch das NP-Subjekt bzw. das N P-O bjekt durchaus möglich ist,
cf. (28):
(28a)
(28b)
(29a)
(29b)
(30a)
(30b)
*Peters, sich* treue Frau.
*Die einander, verachtenden Frauen der Politiker,.
Das mittlerweile notorische aneinander* Vorbeireden der
Sozialdemokraten,.
Gisberts* ständiges sich* mit Chomsky Vergleichen.
*Die Männer* bedauern G isberts einander* mit Chomsky
Vergleichen.
*Peter* mißbilligt M arias ständiges sich* zu unterbrechen Versuchen.
Tatsächlich muß, wie (30) zeigt, eine Bindung der A napher an das NP-Subjekt/Objekt erfolgen, wenn ein solches vorhanden ist. Diese Eigenschaft
teilen die V-en-Nominalisierungen mit den norm alen NPn.
(31a)
(31b)
Die Liebe des einzelnen* zu sich*.
Das Buch des Bürgermeisters* über sich*.
118
(31c)
(31 d )
"Senta, freut sich über Peters, Liebe zu sich,.
??Karl, liest das Buch des Bürgerm eisters über sich,.
Auch außerhalb der V-^-Nominalisierungen finden sich freilich Beispiele
von ungebundenen Anaphern, cf. (32) für “norm ale" NPn-Einbettungen.
(32a)
(32b)
Wenn hier Beschuldigungen gegen einander erhoben wer­
den sollen, dann gehe ich.
In der SPD ist Kritik aneinander nicht erwünscht.
(33) exemplifiziert das Vorkommen freier A naphern als Satzkonstituente.
(33a)
(33b)
(33c)
(33d)
(33e)
Ich gehe nie wieder auf eine Parteiversammlung. Da wird
ja doch nur gegeneinander gekäm pft, einander kritisiert
und nicht miteinander gegen die Schwarzen gestänkert!
In vielen Altstädten wird einfach viel zu dicht aneinander
gewohnt.
Meine Dame, hier wird nicht so eng aneinander getanzt wie
in Jinan!
Hier wird sich nicht übergeben!
Hier wird sich nicht geküßt, Leute!
Die Beispiele in (32) und (33) zeigen, daß es im D eutschen möglich ist,
eine Anapher, meist ein Reziprokpronomen, auch ohne Antezedens zu ver­
wenden, egal, ob dieses nun in einer NP steht oder nicht. Voraussetzung
hierfür freilich scheint zu sein, daß sich in der jeweiligen Bindungskatego­
rie kein mögliches Antezedens befindet. Es hatte sich analog ja schon für
die V-ew-Nominalisierungen gezeigt, daß eine Bindung erfolgen muß, wenn
qua NP-Subjekt oder NP-Objekt ein Binder sich anbietet. Sobald ein Sub­
jekt in Sätzen vorliegt, muß an dieses gebunden w erden. Wie kann man die
Datenlage beschreiben? Eine Möglichkeit, die bislang noch gar nicht erwo­
gen wurde, ist, auch INFL als möglichen B inder für A naphern anzusehen.
In einem Satz wie (34) liefe dann die Bindung an das Subjekt Hans und die
an das SUBJEKT INFL in jedem Falle auf das gleiche hinaus, da ja INFL
und das Subjekt automatisch koindiziert sind. Eine Bindung an das SUB­
JEKT ist damit auch automatisch eine an das Subjekt und umgekehrt.
(34)
Weil Hansi INFLj sich* liebt.
Für die unpersönlichen Konstruktionen in (32) und (33) - nur hier ist ja in
deutschen Sätzen eine “freie” A napher möglich - kann durchaus Bindung
an INFL angesetzt werden, so daß hier die A napher selbst korrekt gebun­
den ist. Da schon eben motiviert worden war, daß eine Anapher von ir-
119
ndwoher referentiellen G ehalt derivieren muß, erklärt sich der ungram­
m atische Charakter von ( 3 5 ) dadurch, daß nur das I N F L eines deutschen
unpersönlichen Passivsatzes mit genügend “ R efercntialität” (über das
“getilgte” Subjekt inhaltlicher A rt) versehen ist, um einen A naphernbinder
abzugeben.
(35 )
^Einander, INFL, friert.
Wenn auch die “freien" A naphern innerhalb ihrer MGC von INFL zu bin­
den sind, ist eine ‘lange' Bindung von freien A naphern in die nächsthöhere
MGC hinein verboten. Diese Vorhersage ist erfüllt.
(36a)
(36b)
(36c)
(36d)
*Hans, bedauert, daß sich, nicht geholfen wird.
Hans hofft, daß sicharb geholfen wird.
*Die M än n er hoffen, daß nicht so eng aneinander getanzt
wird.
Die M änner hoffen, daß nicht so eng aneinanderarb getanzt
wird.
Wenn man von Reuland (1983) zum indest den A spekt der G erundienbe­
schreibung für die V-ew-Nomininalisierung übernim m t, daß ein INFL-Knoten hier auch innerhalb von NP vorliegt, dann erfaßt man einerseits das
merkwürdige Auftreten der “freien” A naphern und erklärt andererseits,
weshalb diese nicht von außerhalb der NP her bindbar sind. Auch hier ist
über das Vorliegen von INFL die M G C mit der NP selbst eng abgesteckt.
(37a)
(37b)
*Die M än n er bedauern das ständige an ein an d er Vorbeire­
den auf Linguistentagungen.
*HanSj schreibt ein Buch über das sichj Verlieben.
Das Verhalten in (37) steht hier im G egensatz zu den norm alen NPn, die
kein INFL enthalten. D aher ist eine Bindung in die NP hinein möglich
gemacht (38) und eine arbiträre A napherndeutung bei Vorliegen eines mög­
lichen Antezendens ausgeschlossen (39).
(38a)
(38b)
(39a)
(39b)
HanSj legt ein Verzeichnis aller Bücher über sichj an.
Die M än n er bedauern die Kritik an ein an d er.
*HanSj legt ein Verzeichnis aller Bücher über sicharb an.
*Die M än n er bedauern die Kritik an einanderarb.
Allerdings kann selbstverständlich im V-e/i-Fall das INFL der NP oder ein
gleichwertiges O bjekt von außen her kontrolliert sein.Ü ber diese Kontrolle
ergibt sich dann wie bei den Infinitiven der Eindruck einer “langen” Bin­
120
dung über eine mittelbare Koindizierung von Kontrolleur, Kontrolliertem
und Anapher. ~
(40a)
(40b)
(40c)
Das sieh, mit Chomsky Vergleichen von Gisbert, verärgert
alle Linguisten.
Das aneinander, Vorbeireden bei den Sozis,.
Die Asgardenser fürchten, daß bei den Kamschatkaernj viel
zu eng aneinander getanzt wird.
Beim Verhalten von einander fällt übrigens auf - dies als Marginalie - daß
ein syntaktisch singuläres man das pluralische A ntezedentien erfordernde
einander binden kann, cf. (41):
(41a)
(41b)
(41c)
(41d)
Man muß doch offen m iteinander reden können.
Man darf einander nicht beleidigen.
Man kennt einander in Konstanz.
Man redet übereinander in den Kaffeehäusern an der
M arktstätte.
Die inkorrekte Koindizierung (42) ist hingegen wie angedeutet semantisch
wegerklärbar: für den unpersönlichen Fall wirkt eine Sonderbestimmung,
über die INFL referentiellen Gehalt bekom m t, der dann an die Anapher
weitergegeben werden kann. Bei persönlichen Konstruktionen erhält
INFL hingegen seinen referentiellen G ehalt über das Subjekt. Es wäre
dann zirkulär, diesem wiederum den referentiellen G ehalt über INFL
zuzuweisen. Deshalb verletzt (42) das Theta-K riterium , da Anaphern
ohne referentiellen Gehalt nicht zu den A -Ausdrücken gerechnet werden
können.
(42)
*Weil einander INFL* den Bürgerm eister ermorden will.
Die völlig unproblematische H ineinnahm e von INFL zu den möglichen
Bindern macht die A napherndaten des D eutschen beschreibbar, ohne den
konfigurationalen Ansatz irgendwie aufzuweichen.
Über die INFL-Theorie der Bindung scheint auch das Phänomen der
inneren Abhängigkeit in Griff zu bekomm en zu sein. Sehen wir uns hierzu
isländische Daten an!
(43)
2
Cf. Kap. 9.6.
Jonj segir a|) Maria elski sigj / hann*.
Jon sagt daß Maria liebt sich ihn.
121
Jon das Matrixsatzsubjckt, hat die M öglichkeit, in den Komplementsatz
hinein eine Anapher zu binden, was Bindungsprinzip A verletzt. Anderson
(1983) zeigt anhand von D aten wie (44), daß dies nicht an einer generellen
Aufweichung des Begriffes M GC im Isländischen liegen kann. Normalerweise kann im Isländischen wie im D eutschen auch ein O bjekt eine A na­
pher binden, doch ist die innere Abhängigkeit tatsächlich auf Bindung
durch Subjekte beschränkt.
(44 )
*Eg sagf), Jon, ap Maria heff) bof>if> ser,.
Ich sagte Jon daß Maria hat einladen sich.
Anderson unterscheidet zwei A rten von A naphern, objektsgebundene und
subjektsgebundenc. Seine T heorie ist so ausgestaltet, daß subjektsgebun­
dene auch fernkoindiziert sein können. Diese Lösung über eine Zweitei­
lung der Anaphern kann ebensowenig befriedigen, wie der Versuch von
Manickham (1974), den parallelen lateinischen Reflexiva mit “langem”
Bezug generell die A napherneigenschaft abzusprechen (worauf ja auch
Andersons Lösung hinausläuft). Im Rahm en unseres Ansatzes ist so eine
Scheidung nicht notwendig. Man muß sich nur überlegen, welches Kapital
man aus dem von A nderson beobachteten Faktum ziehen kann, daß die
innere Abhängigkeit beliebig lang sein kann, vorausgesetzt, daß alle einge­
betteten Sätze im Subjunktiv stehen. Die A nnahm e liegt eigentlich auf der
Hand, daß dieser Subjunktiv vom M atrixsatz-INFL ausgelöst ist, und man
kann die Indizierung (45) ansetzen.
(45)
NP, INFL' V (s NP, IN FL / V N PS)
Die lang gebundene A napher entpuppte sich dam it aber als eine im Sinne
der Bindungstheorie innerhalb der M G C von INFL gebundene. Die ein­
zige offene Frage mag nun die sein, weshalb im Deutschen oder Englischen
eine solche R eferenzübertragung bei koindiziertem INFL nicht vorliegen
kann. Die Antwort darauf setzt eine gewisse Elaboration der Kasustheorie
voraus (cf. Fanselow 1986a).
Da nur beim Vorliegen des Subjunktivs oder des Infinitivs von einer
Kontrolle des K om plem ent-IN FL durch das M atrix-INFL gesprochen wer­
den kann, ist erklärt, weshalb “innere A bhängigkeit” diese Inflektionstypen im Komplementsatz erfordert. Da nur das M atrixsatz-Subjekt mit dem
Matrix-INFL koindiziert ist, ergibt sich auch als Korollar, weshalb O bjekte
keine lange Bindung unter innerer Abhängigkeit auslösen können. Proble­
matisch mag an dieser Lösung noch scheinen, daß sich nur Reflexivprono­
mina der 3.ps.sg. ‘lang’ binden lassen. Nun erklären sich lange Bindungen
122
über eine Zwischenbindung an INFL. Es scheint sich zum indest im Deutsehen so zu verhalten, daß Rcflexiva der 2. Person beispielsw eise sich nicht
an INFL binden können. Es ist nicht ganz leicht, einschlägige D aten zu fin­
den, da ja Personal- und Reflexivpronom ina sich m orphologisch im Deut­
schen nur in der 3. Person unterscheiden. A llerdings m uß cs sich bei den
O bjekten inhärent reflexiver Verben um A n a p h ern handeln. D er Kontrast
in (46) zeigt, was zu dem onstrieren ist, daß näm lich von d er inneren Abhän­
gigkeit unabhängige G ründe existieren, w eshalb gewisse A naphern nicht
an INFL bindbar sind.
(46a)
(46b)
H ier wird sich nicht übergeben!
*Hier wird dich nicht übergeben!
4.2. Existiert eine nidit-konfigu rationale Alternative?
Wie schon bei der Diskussion der E xtraktionsdaten, ist man mit dem
Erweis, daß eine konfigurationale Syntax die deutschen Bindungsdaten ele­
gant beschreiben kann, natürlich noch nicht fertig. D aß eine linear übertra­
gene nicht-konfigurationale Bindungstheorie eine ganze Menge zu stipulieren hätte, ist zu erwarten. Daraus zu folgern, daß die konfigurationale
Theorie jeder nicht-konfigurationalen überlegen wäre, ist aber unfair und
unwissenschaftlich.
Eine nicht-konfigurationale Bindungstheorie darf und sollte den
Begriff der Konfiguration nicht involvieren, sie muß andererseits, für das
Deutsche wie für das Englische, konfigurationale Korollare haben. Wie
könnte dies aussehen? Werfen wir einen Blick auf die relevanten Fälle
der Bindung, zunächst auf die Bindung an ein Objekt! Hier regieren im
Deutschen - sehen wir vom Fall der Bindung von einander einmal ab Objekte in PPn und NPn hinein, aber sie können kein Schwester-Objekt
binden. Neben der in einer konfigurationalen Syntax etablierten konfigurationalen Hierarchie unterscheiden sich nun in einer NP oder einer PP
eingebettete NPn von ihrem O bjekts-B inder in einem: sie haben ein
anderes Regens als das O bjekt. In (47a) ist NP! von V regiert, und in
(47c) mag NP2 endlich unregiert sein, da die R ektion nur die gesamte ko­
ordinierte Struktur betrifft. Ist NP2 unregiert, erklärt sich über das ECP
auch die Tatsache, daß aus Koordinationen nichts hinausbewegt werden
kann.
123
VP = S
(47a)
PP
V
NP,
VP=S
(47c)
NP
Die beiden Objekte in (47d) hingegen haben dasselbe Regens, nämlich V.
(47d)
V P =S
NP
N Pacc
Man kann also die B indungsdaten innerhalb des O bjektsbereiches im D eut­
schen dadurch zu erfassen versuchen, daß der Bindungsbegriff wie in (48)
angegeben erweitert wird.
(48)
NPa bindet N Pb, falls N Pa N Pb c-kommandiert und falls
NPa nicht dasselbe Regens hat wie N Ph.
(48) ist natürlich solange kein Fortschritt, wie der c-Kommandobegriff noch
für die Bindung eine Rolle spielt und solange R ektion ein über c-Kom-
124
mando abgeleiteter Begriff ist. Dem Vorschlag von Sternefeld (1984, 1985)
folgend können wir aber Rektion wie z.B. in (49) fassen:
(49)
A regiert B, falls A B Merkmale zuweist.
Ein Verb regiert somit die Objekte insofern, als es ihnen qua Kasus Merk­
male zuweist. Es regiert qua Selektion der Präposition auch die Präpositio­
nalobjekte. Das Verb regiert keinen Artikel in NP, da es dem Artikel keine
Merkmale zuweist. Diese gehen an NP und sickern zum Nomen und zum
Artikel durch (cf. Gazdar 1982, Stechow & Sternefeld 1981 für solche
Mechanismen). INFL regiert das Subjekt und das Verb, weil INFL dem
Verb Personalendungen zuweist. Man kann jetzt einen Begriff REGIE­
REN wie in (50) einführen:
(50)
A REG IERT B, falls das Regens a von A die Kategorie
regiert, in der B echt enthalten ist oder das Regens von B
regiert.
Kehren wir nun zu (47) zurück! In (47a) R E G IE R T NP! NP2, da das
Regens V von NPi die Kategorie PP regiert, in der N P2 enthalten ist.
Andererseits R EG IER T NP2 nicht NPi, da das Regens von NP2, P, nur
innerhalb der PP regiert. Analog R E G IE R T NPj in (47b) und (47c) NP2
aus den nämlichen Gründen. NPacc R E G IE R T hingegen in (47d) NPdal
und auch nicht umgekehrt NPdal NPacc, denn V, das Regens von NPacc,
regiert NPda, und nicht die Kategorie, in der N Pda, echt enthalten ist (näm­
lich S). Auch regiert das Verb sich nicht selbst. Die Bindungsdaten bezüg­
lich der Reflexivierung durch Objekte erhält man also für das Deutsche
durch einen Bindungsbegriff wie in (51):
(51)
NPa bindet NPb, falls NPa und N Pb koindiziert sind und
NPa NPb R E G IE R T
Koindizieren wir in (47d) die beiden O bjekte, dann resultiert keine Verlet­
zung von Prinzip C der Bindungstheorie, da NPacc N Pdal nicht REGIERT
und also auch nicht bindet. Allerdings ist nun die A napher NPda, nicht
gebunden, also unter Verletzung von Prinzip A der Bindungstheorie frei.
Da keinerlei Bindungsrelation etabliert wird, sollte aber NPdat nun unter
Prinzip B ein Pronomen sein. So ein Satz ist sicherlich ungrammatisch.
(52)
Wir haben Hansj ihm; zugeordnet.
Nun argum entiert Reinhart (1983) allerdings dafür, Koreferenz von Prono­
mina anders abzuhandeln als die Bindung von Pronom ina, welche im GBRahmen durch c-Kommandierung und K oindizierung ausgedrückt wird.
125
Die Beschränkung über die Koreferenz von Pronomina mit irgendwelchen
NPn seien den G riccschcn Regeln unterworfen und somit eher B estand­
teil der Pragmatik, wohingegen die Bindungsbeschränkungen der G ram ­
matik unterworfen sind (cf. Fanselow 1983b für eine Zusammenfassung der
einschlägigen Diskussion). Dann kann das Bindungsprinzip B von
Chomsky (1981) aber für den gebundenen Pronomenfall auch für unsere
Zwecke beibehaltcn werden. Mit (51) liegt in (52) keine Bindung des Prono­
mens vor. Dies mag dann den pragm atischen Koreferenzbeschränkungen
unterworfen sein, so daß ein Satz wie (52) von der Syntax “erzeugt” werden
kann.
Sehen wir uns nun die Subjekte an! Das Subjekt ist von INFL regiert,
welches V wiederum regiert. Damit regiert das Regens des Subjektes das
Regens eines O bjektes, aber nicht um gekehrt, folglich R EG IE R T das Sub­
jekt das Objekt und kann es also binden, so daß (53a) unter Bindungsprin­
zip A wohlgeformt ist, (53b) hingegen nicht. D araus folgt die Asymmetrie
zwischen Subjekten und O bjekten bezüglich A naphernbindung sofort.
(53a)
(53b)
Er, sieht sich,.
^Einander, sehen den M ännern,.
In der einen oder anderen Weise kann man diese nicht-konfigurationale
Bindungstheorie so erw eitern, daß sie die in Kap. 4.1. behandelten Fälle
ebenso abdeckt wie die konfigurationale Theorie. Soweit betrachtet kann
also aus den Bindungsdaten kein A rgum ent für oder gegen eine VP im
Deutschen abgeleitet w erden.
In Grewendorf (1985) finden sich nun D aten, die eine Entscheidung in
die eine oder andere Richtung erm öglichen. Wir müssen uns dazu dem Pro­
blem zuwenden, daß die B indungstheorie inkorrekterweise vorhersagt, daß
Anaphern innerhalb von C O M P nicht stehen dürfen. D ort stehen sie
außerhalb des c-K om m andobereichs ihres A ntezedens, dennoch sind die
Daten grammatisch, wie K oster (1982) oder Cinque (1983) und Riemsdijk
& Williams (1981) zeigen.
(54a)
(54b)
(54c)
Neben sichj möchte niemandj eine Schlange sehen.
Sich selbstj hält je d e r für den größten.
Ü ber sichj könnte Karlj einen Tag und eine Nacht lang
reden.
Es gibt verschiedene A lternativen, dieses Problem anzugehen, wie bereits
gesagt. Sie laufen im Prinzip alle darauf hinaus, die Bindungstheorie in
irgendeiner Weise vor w/i-Bewegung applizieren zu lassen, so daß auf
einer repräsentationellen Ebene die A naphern in (54) von ihrem Anteze-
126
dens gebunden sein können. Man beachte dabei, daß die Anaphern auf der
S-Struktur in (54) keine MGC besitzen, da sie in keiner K a te g o rie mit
einem akzessiblen Subjekt enthalten sind.
Cinque (1983) kann man Daten wie (55) nachcm pfinden, die eine Erklä­
rung via w/i-Bewegung als fraglich erscheinen lassen.
(55a)
(55b)
Über sich,, darüber könnte Karl stundenlang erzählen.
Ein Foto von sich,, das wünscht sich Karl schon lange.
Was in der bisherigen Diskussion vor G rcw endorf (1985) aber unberück­
sichtigt blieb, ist, daß zumindest im Deutschen eine Subjckts-Objektsasymmetrie bezüglich der Bindung ins Vorfeld existiert.
(56a)
(56b)
Mit sich, konfrontierte Hans, den Studenten.
*Mit sich, konfrontierte Hans den Studenten,.
Liberalisiert man den c-Kommandobegriff im Sinne von Reinhart (1976),
dann kann man davon ausgehen, daß das Subjekt in (56a) die Anapher im
Vorfeld weiterhin c-kommandiert, nicht jedoch das O bjekt. Im Rahmen
der hier präsentierten Vorstellungen ergibt sich dies schon aus der für die
Erklärung der Klitika erforderlichen Erw eiterung des c-Kommandos.
INFL ist der Kopf von S, damit von S' und S", so daß INFL alle Positionen
in (57) c-kommandiert. Da an INFL gebunden werden kann, ist die Bin­
dung in (54) und (55) aber unproblematisch. Das O bjekt hingegen ist nicht
wie das Subjekt mit INFL koindiziert, so daß auch keine Bindung ins Vor­
feld hinein (über INFL) möglich ist. Da das Vorfeld eine A-quer-Position
ist, kann auch der Fall (58) nicht auftreten, weil die A napher trotz Koindizierung mit den Männern A-frei ist unter Verletzung von Prinzip A.
(57)
TOPIC
COMP!
S?
COM P
NP!
INFL!
VP
127
Insofern hat eine konfigurationale Bindungstheorie keine größeren Pro­
bleme, die Datenlage zu erfassen.
Gehen wir zur nicht-konfigurationalen Bindungstheorie. Das wesentli­
che Problem ist hier, daß im Vorfeld “alles" vom Subjekt gebunden werden
kann. Wir können in der einen oder anderen Weise die Rektion von INFL
so erweitern, daß beispielsweise eine PP in COM P! von INFL regiert wird,
dann ist jede Phrase innerhalb dieser PP vom Subjekt REGIERT. Aller­
dings kann eben auch ein O bjekt in COM P vom Subjekt gebunden sein,
und es scheint hier kein Weg offen, der dieses O bjekt R EG IER T macht,
ohne gleichzeitig die Beschreibung der Asymm etrien im Mittelfeld aufzuge­
ben, denn in COM P ist dann das O bjekt vom selben Element regiert wie
das Subjekt: von INFL.
Man könnte versuchen, einen derivationellen Aspekt hineinzubringen
(das Objekt “war" ja vom Verb regiert), doch scheitert dies an den CinqueDaten (55). Mangelnde Eingebungsgabe eines Linguisten ist sicher kein
Argument gegen eine T heorie, da jedoch kein offensichtlicher Weg exi­
stiert, nicht-konfigurational die von G rew endorf entdeckten Asymmetrien
zu erklären, können wir hier, wiederum in einem negativen, markierten
Bereich ein A rgum ent PRO-VP erkennen.
4.3. Anaphern in anderen “nicht-konfigurationalen” Sprachen.
Ich denke, die in Kap. 4.2. andiskutierte Bindungstheorie für nicht-konfigurationale Sprachen funktioniert an sich recht reibungslos, nur wegen
der Grewendorf-Asymmetrie nicht unbedingt für das Deutsche. Wir kön-
128
nen dennoch annehmen, in der in Kap. 4.2. geschilderten Weise sei in
einer Sprache, die unabhängig als VP-los charakterisierbar ist, die
Anaphernbindung abzuhandeln. Eine andere A lternative bestünde wie zu
Anfang von Kap. 4.1. angedeutet eben darin, die konfigurationale Bin­
dungstheorie des Englischen als universal anzusehen, woraus sich wie
angedeutet ableiten läßt, daß keine A naphern und Pronomina im Sinne
der Bindungstheorie in der fraglichen Sprache existieren. Dies hätte trivia­
lerweise zur Folge, daß das Deutsche konfigurational ist,denn sich und ein­
ander sind Anaphern. Doch ist die Frage, was mit dem Deutschen ist, ja
nur ein Nebenaspekt der generellen Frage: “ Ist Nicht-Konfigurationalität
ein lernbarer Param eter?“ Aus der Tatsache, daß in den D aten des Kindes
sich eine Anapher im Sinne der Bindungstheorie befindet, könnte es unter
dieser Hypothese ableiten, sich in einer konfigurationalen Sprecherge­
meinschaft zu befinden, wohingegen das Fehlen von A naphern in einer
kritischen Phase dem Kind nahelegen mag, eine nicht-konfigurationale
Syntax anzunehmen.
Man muß dann natürlich zeigen, daß es nicht-konfigurationale Sprachen
ohne Anaphern gibt. So scheidet neben dem D eutschen dann selbstver­
ständlich mit z.B. Latein oder Ungarisch jeder europäische Kandidat aus
der Menge vermeintlicher nicht-konfigurationaler Sprachen aus, da diese
alle Anaphern besitzen.
Für das japanische zibun ist gelegentlich behauptet worden, es sei keine
Anapher im Sinne der Bindungstheorie. Wäre aber zibun ein pragmatisch
kontrolliertes Element, so bliebe letztendlich unerklärt, weshalb sich ein
zibun nur auf ein Subjekt im Japanischen - von einigen im Rahmen der
Theorie unproblematisch w egerklärbaren A usnahm en einmal abgesehen
(z.B. bei /7/p-Verben) - beziehen kann. Dies sagt ein konfigurationaler
Ansatz zur Bindungstheorie eigentlich vorher, cf. Miyara (1981). Das
Hauptargument gegen den A napher-C harakter von zibun sieht man aller­
dings in der Tatsache, das zibun nicht nur vom nächsten Subjekt gebunden
sein kann, sondern auch von jedem strukturell höheren Subjekt, was im
Englischen ja verboten ist, cf. z.B. (59).
(59a)
Johnj-GA (s zibun-GA rosiago hanas-e-ru)
koto-0
JO H N
R EFL RUSSISCH S PR EC H EN / NOM
PO TE N TIA L
ziman-site iru
STOLZ SEIN
“John ist stolz, daß er (lit.:sich) russisch sprechen kann."
129
(59b)
Darc-ka-WA (dare-ka-G A zibun-O sukida) to
omottc
iru.
JEM A ND , JEM A N D , SICH,, M ÖGEN COM P D EN ­
KEN
“Jem and glaubt, daß jem and ihn/sich m ag.”
In (59a) ist das Subjekt aus seiner regierenden Kategorie hinaus als A na­
pher in den Matrixsatz gebunden, in (59b) kann sich das Objektspronomen
zibun sowohl auf das Subjekt des Komplem entsatzes (also innerhalb seiner
MGC) als auch auf das Subjekt des M atrixsatzes beziehen.
Ich hatte allerdings schon in Kap. 4.1. G edanken dazu vorgestellt, wie
man eine anscheinend “w eite” Bindung einer A napher lokal erklären
kann, nämlich durch Bindung an ein referentielles INFL.
Wenn nun das INFL des Matrixsatzes das des Komplementsatzes in
(59a) oder (59b) referentiell kontrolliert, dann kann man sich zibun an die­
ses INFL gebunden denken, wodurch der Eindruck der weiten Bindung
resultiert. Andererseits kann selbstverständlich das INFL des Komplement­
satzes in (59b) auch vom K om plem entsubjekt referentiell bestimmt sein,
was die kurze Bindung an den Index j in (59b) erklärt.
Für so eine Analyse mögen B eobachtungen aus Miyara (1981) herange­
zogen werden können, die sich auf die O ptionen für zibun beim Vorliegen
mehrerer möglicher A ntezendentien beziehen. Die Konfiguration (60) ist
so im Japanischen verboten.
(60)
NP, (s N P: zibun, zibun2) VV
Über eine Bindung von zibun an INFL wäre dies ohne Schwierigkeiten zu
erklären. Wenn NP, das INFL des Komplem entsatzes in (60) referentiell
bestimmt, dann kann ein zibun in jedem Fall nur von NP, gebunden sein,
dasselbe gilt für N P2 als INFL-Kontrolleur. (60) wäre nur dann denkbar,
wenn es tatsächlich eine pragm atisch oder wie auch immer bedingte lange
Bindung für zibun als O ption gäbe. Die Idee “ein Pronomen kann sich in
einem Satz nur auf dasselbe O bjekt beziehen wie jedes weitere clausematePronomen” kann für (60) hingegen nicht herangezogen werden, weil sie des­
kriptiv falsch ist, cf. (61). Sie gilt wohl nur für A naphern, cf. (62), und ist
daher einem G egner des A naphern-C harakters von zibun nicht zugänglich.
(61)
(62)
Ich habe ihnij ihn, vorgestellt.
*HanSj warnt Karlj vor sich, mit Beobachtungen über sichj.
Auch komplexere K onfigurationen mit zibun verhalten sich wie von der
INFL-Theorie der Bindung von zibun vorhergesagt. Ich übernehm e die
Daten wiederum aus Miyara (1981).
130
(63)
NP, (s NP: zibun,, (N P, zibun,, V) V) V
Es ist möglich, daß NP: a kontrolliert und N P, 0 . unproblematisch, falls
INFL jeweils von “seinem Subjekt den referentiellen Gehalt bekommt.
NP, kann mit a koindiziert sein und NP, mit ß , was möglich ist, wenn das
INFL des zweiten Verbs von NP, referentiell determ iniert ist, das INFL des
zutiefst eingebetteten Satzes aber von N P, selbst. Trivialerweisc ist es auch
möglich, a und ß an NP, bzw. NP: zu binden. Ausgeschlossen ist aber
zunächst, a. an NP, zu binden und ß an NP2. Dies wäre ja nur dann mög­
lich, wenn INFL2 seinen referentiellen G ehalt von NP, bzw. INFL, derivierte. Dann aber kann nur INFL, entw eder lokal seinen referentiellen
Gehalt von NP, beziehen oder aber ins höhere INFL “schauen". Dies ist
jedoch nicht mit NP2 im relevanten Sinne referentiell verschwistert, son­
dern via INFL, mit NP,. Da es im Japanischen unter den hier vorgestellten
Voraussetzungen aber keine lange A naphernbindung gibt, können wir Vor­
hersagen, daß die eben inkriminierte Indizierung der beiden zibun tatsäch­
lich nicht existieren kann.
Ungrammatisch ist auch die Bindung von zibim Q durch NP, und die von
zibunß durch NP2 (was eine realistische O ption für deutsche Personalpro­
nomina ist!). Das tiefste zibun kann ja nur dann den Index von NP, tragen,
wenn INFL., über eine Verschwisterung mit INFL, referentiell auf NP,
bezogen ist. Dann aber ist trivialiter NP, auch der Referenzgeber von
INFL2, und wenn sich zibun auf INFL bezieht, dann kann die fragliche
Konfiguration nicht eintreten.
Es liegt mir fern zu behaupten, eben eine 100%ig überzeugende Ana­
lyse von zibun vorgestellt zu haben. Dazu fehlen vor allem - zumindest
in den im deutschen Sprachraum zugänglichen A rbeiten - eingehende
Datenanalysen zu zibun in K ontexten, wie ich sie z.B. in Kap. 4.1. und
4.2. andiskutiert habe. Worauf es mir lediglich ankom m t, ist, gezeigt zu
haben, daß zibun am vorteilhaftesten als A napher beschrieben werden
kann und muß, so daß unter der hier gem achten Voraussetzung “konfigurational genau dann, wenn eine A napher vorliegt" auch das Japanische als
Kandidat für Nicht-Konfigurationalität ausscheidet. Übrig bleiben dann
letztendlich tatsächlich nur Sprachen wie Malayalam (cf. Mohanan 1982b)
oderW arlpiri (cf. Simpson & Bresnan 1983), die reflexive Bedeutung nicht
durch ein Pronomen ausdrücken, sondern durch eine spezielle Verbalmor­
phologie. In den betreffenden Sprachen fehlen also A naphern tatsächlich,
und das könnte daran liegen, daß sie diese wegen ihrer flachen Struktur
und der Allgemeingültigkeit der Bindungstheorie eben nicht besitzen kön­
nen.
131
Das Fehlen der Personalpronom ina ließe sich wie oben angedcutct
als Korollar der Nicht-Konfigurationalität unter der Struktur (64)
darstcllen.
e b e n fa lls
(64)
NP
NP
NP
VP
X ......... V
In (64) sind alle NPn, Subjekte wie O bjekte, unregiert und können daher
unter der Bindungsthcoric als PRO realisiert werden. Hat man aber diese
Option, dann folgt aus dem von Chomsky (1981) angesetzten Prinzip
“avoid pronoun". daß man phonetisch spezifizierte Pronomina nicht in die­
sen Sprachen verwenden kann. Es darf ja in praktisch jeder Position PRO
auftreten. Ich werde diesen Them enkom plex im Schlußkapitel wieder auf­
greifen.
4.4. Reflexivierung in deutschen Acl-Konstruktionen
Trivialerweise wäre die Existenz einer VP erwiesen, gäbe es Phrasen, die
für VP subkategorisiert sind. Innerhalb der Lexical-Functional-Grammar
oder der GPSG werden die englischen Infinitive stets als Projektion von
VP (VP') behandelt, als verschieden von S also, ohne irgendwie realisier­
tes Subjekt. Es gibt eine Reihe konzeptueller wie empirischer Gründe
gegen diese A nnahm e. Da sich die deutschen Infinitive im wesentlichen
wie die englischen verhalten, lösen sich diese Probleme einfachst.
Wenn es kein Verb geben sollte, das VP einbettet, dann sollte uns dies
nicht sonderlich überraschen. Es gibt ja auch praktisch kein Prädikat, das
nach AP subkategorisiert wäre oder nach einer “echten" PP. Dies mag eben
daran liegen, daß A rgum ente “referentiell" sein müssen. Diese Eigenschaft
kommt vornehmlich NPn und Sätzen zu, die sich auf O bjekte bzw. Propositionen/Sachverhalte beziehen. Für die Frage der Lernbarkeit von Sprachen
wäre es von großem Vorteil, wenn das Kind sich für Sätze wie (65) nicht
jeweils fragen m üßte, ob das Komplem ent nun eine eingebettete VP oder
aber ein eingebetteter Satz mit PRO-Subjekt ist.
(65)
Ich verspreche zu kommen.
132
Es gibt allerdings aus dem Bereich der Reflcxivdaten ein von Grewendorf
(1983) vorgebrachtes Argument, daß das deutsche Verb lassen - wie ver­
mutlich seine jeweiligen Pendants im Holländischen oder Italienischen
auch - als Option neben der S-Einbcttung eben auch die der VP-Einbettung habe. Sehen wir uns zunächst ein paar D aten an.
(66a)
(66b)
(67a)
(67b)
Ich lasse den Bürgermeister, sich, rasieren.
*Karli läßt den Bürgermeister, sich, rasieren.
Hans läßt Karl, sich, photographieren.
*Hans, läßt Karl sich, photographieren.
Offensichtlich hat eine Anapher auch unter lassen im Bereich des jeweili­
gen Subjektes gebunden zu sein. Nun haben wir im Deutschen aber die
Möglichkeit, auch “subjektslose" Komplem ente unter lassen einzubetten.
(68)
Er ließ anrufen.
Ein Datum wie (68) wäre nun unter einer VP-Thcorie der Komplementation bei lassen durchaus erklärbar, allerdings auch unter einer Kontrollversion (69). Auch das Englische zeigt in Verben wie expect Lexeme, die
sowohl unter einer Acl-Variante als auch als K ontrollverb Vorkommen.
(69)
Er ließ (PRO anrufen).
Tatsächlich zeigt die Analyse in H uber (1980) ziemlich deutlich, daß es ein
Kontrollverb lassen neben dem Acl-Verb lassen geben muß. Wir haben eine
Reihe ganz deutlicher Kontraste im D eutschen festzustellen, die die kausa­
tive Lesart von lassen von der nicht-kausativen unterscheidet.
So beobachtet H uber (1980), daß Clefting, ein Konstituententest erster
Güte, nur bei der kausativen Lesart von lassen denkbar ist, cf. (70):
(70a)
(70b)
(70c)
Was der A utofahrer ließ war den Verletzten einsteigen.
Was der A utofahrer ließ war den Verletzten verbinden.
*Was der A utofahrer ließ war den Verletzten liegen.
Nur bei kausativem lassen kann das verbale E lem ent von einem das aufge­
griffen werden.
(71a)
(71b)
(71c)
Einsteigen, das ließen wir den Verletzten.
Verbinden, das ließen wir den Verletzten.
'L iegen, das ließen wir den Verletzten.
Das kausative lassen unterscheidet sich vom nicht-kausativen u.a. auch
durch die A rt der Perfektbildung, wie H uber beobachtet. Nur die nicht­
kausative Version erlaubt die Perfektbildung auf gelassen.
133
(72a)
(72b)
(72c)
(72d)
*Der A utofahrer hat den Verletzten einsteigen gelassen.
Der A utofahrer hat den Verletzten liegen gelassen.
Der A utofahrer hat den Verletzten einsteigen lassen.
Der A utofahrer hat den Verletzten liegen lassen.
Bei der nicht-kausativen Version können auch die Akkusativ-NP und der
Infinitivteil nicht zusammen topikalisiert w erden, cf. (73):
(73a)
(73b)
(73c)
(73d)
Kaffee und Kuchen bringen hat er lassen.
Den D iener seinen Freund um bringen, das hat er lassen.
*Kaffee und Kuchen stehen hat der Gast gelassen.
*Den Verletzten liegen hat der A utofahrer gelassen.
Der Topikalisierungstest zeigt wie die Cleft-K onstruktion, daß bei der
nicht-kausativen Version von lassen der Acl keine Konstituente abgibt, son­
dern eine Struktur wie in (74) vorliegt.
(74)
VP
PRO
VP
Bei nicht-kausativem lassen kann daneben anstelle des Satzkomplementes
eine PP als kontrolliertes Prädikat treten, cf. (75):
(75)
E r ließ ihn* nicht
(PR O j
ins Bett).
Anhand der Testbatterie, die H uber (1980) entwickelte, können wir nun
versuchen zu klären, ob in Fällen wie (68) und ähnlich gelagerten nun ein
Kontrollinfinitiv vorliegt. Bei (68) ist beispielsweise die Perfektbildung auf
ge-en sehr fraglich, cf. (76a), auch ein Aufgriff durch das scheint möglich.
Das zeigt, daß hier nicht der Kontrollfall vorliegt.
(76a)
(76b)
*?Er hat anrufen gelassen.
A nrufen, das hat er lassen!
Die Kontrollanalyse scheidet ohnehin aus für Beispiele, die etwas komple­
xer gelagert sind als die in (68). Wenn nämlich das Komplement selbst noch
ein (scheinbares?) O bjekt en thält, ist eine Ergänzung durch von N P mög­
lich.
134
(77)
Wir lassen den D iener von unseren Schergen umbringen.
Eine Kontrollanalyse für den Komplementsatz ist nicht möglich, weil ein
dann anzusetzendes PRO die thematische Rolle tragen m üßte, die tatsäch­
lich in (77) von unseren Schergen zukommt. Folgt man Höhle (1978), dann
ist das Vorliegen von Phrasen wie von NP, seitens NP, durch NP kein von
Passivierung getriggertes Phänomen. Man ist also nicht gezwungen, für
(77) eine Passivanalyse vorzuschlagen, und kann stattdessen dafür argu­
mentieren, hier sei eine VP eingebettet, die K onstruktion des Komple­
mentsatzes in (77) also subjektslos vornehm en.
Dies zu vertreten, ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn es gute Gründe
für die Erweiterung der Menge möglicher Kom plem ente durch VP gibt.
Ein solches scheint tatsächlich in der Reflexivierung in Strukturen wie (78)
zu bestehen.
(78a)
(78b)
Hans, läßt (? das Buch sich, von seinen Dienern vorle­
sen).
Der Linguist, läßt (? das M ädchen aus dem Fahrstuhl sichj
vom Busfahrer vorstellen).
Schauen wir uns etwa die Struktur von (78a) an. Wenn das Buch hier Sub­
jekt des Komplementsatzes ist, dann ist der K om plem entsatz eine MGC
für alle in ihm enthaltenen E lem ente, also auch insbesondere für sich.
’Damit wird vorhergesagt, daß sich innerhalb des Komplementsatzes
gebunden sein müßte. Das entspricht der D atenlage im Deutschen aber
nicht: die Koindizierung von sich, mit dem M atrixsatzsubjekt Hans, ist
grammatisch.
Offenbar darf also die in (78a) eingebettete Phrase für sich keine MGC
bilden. Dies ist unter zwei K onfigurationen möglich: entweder hat das
Komplement ein Subjekt, das aber zu sich nicht akzessibel ist oder die Kon­
struktion ist subjektslos. Da eine N icht-Akzessibilität des fraglichen Sub­
jektes v.a. durch eine Verletzung der i-in-i-Bedingung gegeben ist, kann sie
als Lösung für die “w eite” Bindung in (78a) kaum in Frage kommen. Eine
Koindizierung von sich und das Buch würde i-in-i nicht verletzen. Es bleibt
also die Möglichkeit offen, daß das K om plem ent in (78a) kein Subjekt
besitzt, m.a.W ., daß es sich dabei eventuell um eine VP handelt, so daß
(78a) die Struktur (79) besäße:
CO M P,
C O M P,
S
NP
V
Hans,
läßt,
c,
C,
VP
das Buch sich vorlesen
Da eine VP kein Subjekt enthält, kann sie auch für sich keine MGC abge­
ben, das nächstliegcnde SU B JEK T ist das INFL des Matrixsatzes. Mithin
ist erst der Matrixsatz die MGC von sich, innerhalb derer die Bindung kor­
rekt erfolgt ist. U nter der A nnahm e, lassen bette eine VP ein, lassen sich
Daten wie (78) erklären, und diese gäben wegen der Bindbarkeit von sich
nach außen obendrein positive Evidenz für die VP-Einbettung, also für die
VP-Existenz selbst, ab.
Grewendorf (1983) hat versucht, über die Bindungsdaten in (78) hinaus­
gehende Evidenz für die Möglichkeit einer VP-Komplementation analog zu
den von Burzio (1981) diskutierten italienischen D aten zu entdecken. Ein­
schlägig ist hier das oben vorgestellte und bereits mehrfach verwendete
Phänomen der ergativen Verben * \
Bei der E inbettung eines ergativen Verbs in ein Komplement von lassen
ist nämlich eine weite Bindung einer A napher stets möglich, wie Reis
(1976) in etwas anderer Begrifflichkeit erkannt hat, cf. (80):
(80a)
(80b)
(80c)
E r läßt die Suppe sichj schmecken.
E r läßt sichj die Wampe vollaufen.
Erj läßt sichj kein Unglück zustoßen.
Ergative Verben subkategorisieren ihr Oberflächensubjekt in der Basis als
Objekt. Im D eutschen besteht obendrein die Möglichkeit, von INFL her
'
Cf. Kap. 9.8.
136
den Nom inativ in VP hinein zuzuw eisen. Ein Satz wie weil Hans kommt
hat also zwei mögliche A nalysen: einm al ist Hans von dcrTiefenobjektsposition an die Subjektsstelle geschoben w orden und fungiert dort als Ober­
flächensubjekt, oder aber die Subjektsstelle ist in d e r O berfläche auch leer,
und Hans verbleibt in der O bjektsposition, wird a b e r do rt von INFL her
mit dem Nom inativ versehen.
Es ist keinesfalls so, daß die Phrasen die Suppe, die Wampe oder kein
Unglück in (80) notw endigerw eise von S d o m in ie rt w erden müssen. Ergative Verben wie schmecken o d er vollaufen e rla u b e n eb en auch die Posi­
tionierung ihres Subjekts u n ter VP. W enn a b e r diese “ S u b jek te” in (80)
wie in (78) in VP sind, so ist diese e b en auch keine M G C für darin ent­
haltene A naphern. A ndererseits gilt für in transitive V erben wie für tran­
sitive, daß ihr Subjekt notw endigerw eise a u ß e rh a lb von V P stehen muß.
Bei einer K om plem entation u n ter lassen wie in (81) ist notwendigerweise
hier ein S-K noten etabliert und dam it eine M G C für die A n a p h er sich. Dar­
aus folgt, daß eine lange B indung unm öglich ist in E in k lan g m it der Daten­
lage.
(81a)
(81b)
*HanSj läßt Maria sich* helfen.
*HanSj läßt Maria sichj verführen.
Eine weitere Vorhersage im Bereich der ergativen Verben läßt sich aus der
VP-Komplementationstheorie für subjektslose E inbettungen wie in (78)
treffen. Wenn die subjektslosen E inbettungen von einer Komplementation
von VP herrühren, andererseits aber die Subjekte ergativer Verben in der
Tiefe - also zum Z eitpunkt der lexikalischen Einsetzung - innerhalb von
VP stehen, dann sollte für sie anders als für die intransitiven Verben eine
subjektslose Einbettung nicht möglich sein. D as Subjekt eines ergativen
Verbs steht ja in VP und ist damit autom atisch vorhanden, wenn eine VP
irgendwo aufscheint. Auch diese Vorhersage ist korrekt.
(82a)
(82b)
(82c)
(82d)
(82e)
E r läßt schlafen (schlafen: intransitiv).
E r läßt anrufen (anrufen: intransitiv).
*Er läßt sich schmecken (schm ecken: ergativ).
*Er läßt kommen (kom m en: ergativ).
*Er läßt sich zustoßen (zustoßen: ergativ).
Ein von G rewendorf selbst erkanntes Problem für die VP-Komplementationstheorie ist freilich zunächst die E rklärung der D aten in (80) bezüg­
lich der Subjekte des Kom plem entsatzes. Ergative Verben weisen ihren
Objekten keinen Kasus zu, so daß der A kkusativ auf die Suppe in (80a)
beispielsweise nicht von schmecken kom m en kann. Nun ist lassen ein
137
Acl-Verb, es weist also in sein Komplement Kasus zu. Anhand des Eng­
lischen war gezeigt w orden, daß dieses Komplement nicht S' ist, sondern
S, weshalb die Kasusm arkierung an das Komplemcntsatzsubjekt im Fall
(83a) oder im analogen deutschen (83b) keine maximale Projektion
kreuzt.
(83a)
(83b)
He Ict (s the honcy drip on M arys feet).
Er läßt (s den D iener seinem Freund helfen).
In (80) steht hingegen die Subjektsphrase der ergativen Verben innerhalb
von VP, also innerhalb einer maximalen Projektion. Der Akkusativ auf
die Suppe läßt sich folglich nur dann erklären, wenn angenommen wird,
daß die Akkusativzuweisung in Acl-K ontexten auch maximale Projek­
tionsbarrieren kreuzen kann. Da bezüglich INFL das Verbot der Kasus­
markierung in VP hinein wegen italienischer und deutscher Daten aufge­
weicht ist, mag diese Erw eiterung der Theorie nicht sonderlich tragisch
erscheinen. Freilich ist die Kasusm arkierung durch INFL eine durch
Kosuperskription und von daher weniger der Hemmung durch maximale
Barrieren unterworfen als eine durch ein Lexem qua Rektion.
Zweifel tragender N atur an der Korrektheit der VP-Analyse für die
Erklärung der subjektslosen Komplcm entation unter lassen kann man z.B.
aus norwegischen D aten ableiten. Norwegisch erlaubt auch die Einbettung
einer Phrase ohne Subjekt, als SVO-Sprache erscheint in (84) das Objekt,
wie es sich gehört, hinter dem Verb.
(84)
De lot kj0lhale m ytteristene.
Sie ließen “ Kiel-geholt w erden” Meuterer.
Daten wie (84) scheinen zunächst die VP-Hypothese für die lassen-Gruppe
zu bestätigen: mytteristene befindet sich als O bjekt von kielholen auch in
der postverbalen O bjektsposition. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß
außer der aus V und NP konstituierten VP in (84) noch eine Subjektsposi­
tion etabliert wäre.
Taraldsen (1981) hat allerdings daraufhingew iesen, daß neben (84) auch
(85) mit derselben Interpretation möglich ist.
(85)
De lot m ytteristene kjolhale.
Da mytteristene hier präverbal steht, kann es nicht als Objekt gezählt wer­
den. Andererseits ist es Tiefenobjekt, so daß die Konstruktion ohne das
Aktiv-Subjekt unter lassen innerhalb der UG auch die Analyse (86) zulas­
sen muß.
V
lassen/let usw.
NP
c,
Wenn nun im Norwegischen wie für das Deutsche anvisiert, die K asu sz u ­
weisung durch lassen auch von einer VP-Grenze nicht blockiert wird, dann
kann man dem Datum (84) auch die Struktur (87) alternativ zu einer reinen
VP-Einbettung zuweisen.
V
NP
e
Dies liefe darauf hinaus, auch die subjektslose E inbettung als eine S-Komplem entation anzusehen. Ausgezeichnet wäre sie dadurch, daß die Sub­
jektsposition in der Tiefe frei ist und ein O bjekt dorthin bewegt werden
kann, aber nicht muß.
Das Subjekt kann nun für transitive und intransitive Verben in der
Tiefe nur dann leer sein, wenn diese Prädikate passiviert worden sind.
Das Datum (85) ist also mit seiner Analyse (86) nur dann möglich, wenn
139
Das D atu m (85) ist also mit seiner Analyse (86) nur dann möglich, wenn
kj0 lhale passiviert ist, worfür es morphologisch zunächst keine Evidenz
gibt.
Betrachtet man deutsche D aten, so erkennt man, daß die Passivanalyse
genau so weit führt wie die VP-Analyse. Da ergative Verben nicht
passivierbar sind - sic weisen dem Subjekt keine thematische Rolle zu können sic auch nicht “subjcktslos" unter lassen erzeugt werden, da sie
dafür eben passiviert werden m üßten. Weiter ist schon gezeigt, daß Kasus
auch in eine VP hinein zugewiesen werden kann.
Geht man mit G rew endorf davon aus, daß dies sich auch auf die
Kasuszuweisung durch lassen bezieht, dann kann in einer Struktur wie
(87) auch das direkte O bjekt eines passivierten Verbs kasusmarkiert wer­
den, muß also nicht bewegt w erden. Ist dies geschehen und ist damit wie
in (87) die Subjektsposition vollkommen frei, dann ist für eine A napher im
unter lassen eingebetteten Satz dieser keine M GC, da er kein nominales
Subjektselement erhält. (78a) erhielte also eine Analyse wie (88), wo eben
das eingebettete S keine M GC konstituiert und sich darin deshalb frei sein
kann.
zu n äch st
(88)
VP
lassen
e
das Buch
sich
vorlesen
Analog ist bei den ergativen D aten trotz des Vorhandeseins von S eine
Positionierung des A cl-Subjekts in VP möglich. Bei den ergativen Verben
ist Passivierung keine Voraussetzung für eine thematisch nicht markierte
Subjektsposition (diese ist ja stets them atisch frei), so daß die Suppe in
(80a) auch innerhalb von VP kasusm arkiert stehen kann mit freier Sub­
jektsposition. Damit ist sie aber innerhalb eines S, der keine MGC abgibt.
Daher kann eine A napher bei ergativen Verben im Komplement-S selbst
frei sein.
140
Passiv-Theorie und VP-Theorie m achen also dieselben V o rh e rs a g e n
bezüglich der bislang betrachteten D aten. Die P assivtheorie erfaßt hinge­
gen beispielsweise das A uftreten von vY>//-/VP-Phrascn ohne weitere Stipu­
lationen.
Vor allem aber macht die Passiv-Theorie der Komplcmentation bei las­
sen die Vorhersage, daß solche Verben nicht subjektslos einbettbar sind, die
aus irgendwelchen Gründen nicht passivierbar sind. Bei der VP-Theorie
hingegen bezieht sich diese Vorhersage nur auf die ergativen Verben.
Nicht passivierbar sind beispielsweise auch die nicht-crgativen Vertreter
der Dativ-Objekt-Verb-Gruppe wie gefallen. Gefallen ist kein ergatives
Verb, da es beispielsweise sein Perfekt auf haben bildet (ergative Verben:
Perfekt auf sein, s.o.), da seine Partizip-Perfckt-Form nicht als attributives
Adjektiv verwendbar ist, da es marginal ein Medium toleriert. Gefallen ist
andererseits nicht unter lassen ohne Subjekt einbettbar, genauso bildet es
kein Passiv.
(89a)
(89b)
*Dem Mädchen wird nicht von Karl gefallen.
*Wir lassen dem Mädchen von Karl gefallen.
Auch die Verben der Gruppe um kosten und besitzen erlauben weder sub­
jektslose Komplementation unter lassen, noch ein Passiv.
(90a)
(90b)
(90c)
(90d)
*Das Haus wird besessen.
*Er läßt ein Haus besitzen.
*Vier Mark achtzig werden von dem Buch sicher gekostet.
*Der geldgierige Verleger läßt von dem Buch 25.- kosten.
Verben mit abstrakt-thematischem Subjekt wie es freut NP, daß ... sind
weder passivierbar noch unter lassen subjektslos einbettbar.
(91a)
(91b)
*Wir werden gefreut.
*Maria läßt Ede freuen.
Da die Passiv-Theorie in der Lage ist, die fraglichen D aten vorherzusagen,
die VP-Theorie hingegen nicht, ist ersterer der Vorzug zu geben. Es gibt
folglich kein wesentliches A rgum ent für die M öglichkeit, eine VP irgendwo
als Komplement einzubetten.
Bevor dieses U nterkapitel über lassen abgeschlossen werden kann, sind
noch drei Fragen zu klären: warum ist im K om plem entsatz eine Passivie­
rung möglich ohne morphologische Effekte? Warum kennt das Englische
keine Passivsatz-Einbettung ohne morphologische Effekte bei seinen AclVerben? Und schließlich: wie sind eine Reihe problem atischer Bindungsda­
ten zu erklären?
141
Zur ersten Frage ist zu sagen, daß cs ein Irrtum wäre anzunchm en,
setze im D eutschen die Bildung einer Partizipform voraus.
•modale" Infinitiv, exemplifiziert in (92), ist z.B. eine Konstruktion
dem Bereich der Aktiv-Passiv-Rclationcn (cf. Höhle 1978), die man
über NP-Bewcgung erklärt denken kann.
s iv ie ru n g
Pas­
Der
aus
sich
Weil das Mädchen, (v p c, schwer zu küssen ist).
Obwohl Tiger, (Vp c, leicht zu bändigen sind).
Weil jetzt zu schlafen ist.
Wie das werden-Passiv läßt der modale Infinitiv eine unpersönliche Form
zu. Sowohl Infinit-Form als auch Partizip-Form sind also im Deutschen
mögliche Kandidaten für Nicht-Akkusativ-Zuwcisung und Theta-RollenDrop an der Subjcktsstcllc. Wie H aider (1984a) gezeigt hat, ist allein die
Auxiliarwahl sein beim Infinitiv der Anzeiger für Passivierung. Wählen wir
haben, dann ist eine aktivische D eutung erzwungen.
(93a)
(93b)
(93c)
Weil ein M ädchen zu küssen hat (M ädchen: themat. Subjekt).
Weil ein D om pteur die Tiger zu bändigen hat.
Weil wir jetzt zu schlafen haben.
Wie (94) zeigt, ist dabei die Wahl der morphologischen Form des passivier­
ten Verbs rein vom Passiv-Auxiliär determ iniert.
(94a)
(94b)
Weil ein M ädchen geküßt ist (nicht Passiv!).
*Weil ein D om pteur zu bändigen geworden ist.
Die hierbei nun wichtige Beobachtung ist die, daß unter der Acl-Version
von lassen, der kausativen also, niemals Auxiliarverben eingebettet werden
dürfen.
(95a)
(95b)
(95c)
(95d)
*Wir
*Wir
*Wir
*Wir
lassen
ließen
ließen
ließen
H ans M aria küssen werden.
ihn M aria geküßt haben (nicht kausativ).
den D iener umgebracht werden.
die M ädchen zu küssen sein.
Das Fehlen eines m orphologisch durch werden oder sein angezeigten Pas­
sivs resultiert also aus der Tatsache, daß Auxiliäre unter lassen fehlen müs­
sen. Es ist dann noch zu klären, wieso nun ein morphologisch nicht ange­
zeigtes Passiv überhaupt möglich ist. Innerhalb eines finiten Satzes ist es ja
nicht möglich, mit der aktiven Form allein passivische Bedeutung auszu­
drücken.
(96)
*M aria küßt durch Fritz.
142
G enerell scheint im Bereich der Satzsyntax eine von d e r norm alen Zuord­
nung von O berflächenkasus und th em atischer R olle abw eichende Fixie­
rung morphologisch zu indizieren zu sein (siehe auch dazu unten). Diese
Beschränkung existiert freilich nicht in d er W ortsyntax. A us der Evidenz,
die ich hierfür in Fanselow ( 1985a,b) vorgebracht h a b e, seien nur Struktu­
ren wie Bratkartoffel (Kartoffeln, die gebraten worden sind) angeführt. Nun
kann man sich vorstellen, daß im Sinne des V orschlags von Evers (1975)
bei lassen eine V erbanhebungsrcgel ausgelöst w erden k an n , die Strukturen
wie (97) in solche wie (98) abbildet.
Die Konfiguration (v V V ) ist nun eine solche, die den aus der Wortsyntax
bekannten Konfigurationen der Dominanz zweier lexikalischer Kategorien
durch wiederum eine lexikalische Kategorie genau entspricht. Es ist daher
nicht unplausibel anzunehm en, daß in dieser Konfiguration wie in der
Wortsyntax die M arkierungsforderung für passivierte Strukturen aufgeho­
ben ist.
Es gibt für diese Analyse unabhängige Evidenz aus dem Bereich der
Skopusverteilung eines Negators. Bei der unter der hier vorgeschlagenen
Analyse nicht-passivierten K om plem entation bei lassen ist ein Satz mit
einem nicht ambig.
143
^ 9)
Er läßt sic die Prüfung nicht machen.
Wie Huber (1980) beobachtet, hat (99) zwei Bedeutungen: die Negation
kann sich auf das lassen beziehen wie auf das Prüfung m achen. D em ent­
sprechend sind hier auch zwei N egationen möglich:
( 100 )
Er ließ mich nicht beim Sportfest nicht mitmachen.
Dies erklärt sich im Rahmen der innerhalb der GB-Theorie vertretenen
Negationsanalyse recht einfach. H ier wird angenom m en, daß ein negiertes
Element in LF an einen S-Knoten bewegt wird. Soviele S-Knoten wie es
gibt, soviele Lesarten kann ein Satz mit Negation besitzen. In einem Satz
wie (99) liegen offensichtlich also zwei S-Knoten vor. Da wir zwei Lande­
stellen für einen Negator haben, ist es w eiter für (100) nicht notwendig,
beide Negatoren an ein S zu adjungieren und damit das für das Deutsche
gültige Verbot doppelter Negation zu verletzen. A ndererseits ist ein Satz
wie (101) nicht ambig.
(101)
Er läßt den D iener nicht töten.
(101) ist nur zu verstehen mit Skopus der Negation über lassen, d.h. aus
irgendwelchen G ründen existiert der innere S-Knoten zumindest nicht in
einer solchen Weise weiter, daß er einen N egator annehm en könnte. Zieht
man die Verb-Anhebung tatsächlich in der Form durch, wie sie Evers
(1975) vorgeschlagen hat, dann wird dabei nun der eingebettete S-Knoten
aufgebrochen. Die N egationsdaten zeigen an, daß so eine V-V-Reanalyse
stattgefunden hat und bilden unabhängige Evidenz für den Vorschlag der
Passivbehandlung von Sätzen wie (101). Das Vorkommen von “subjektslosen” Komplementen bei lassen erklären wir also in zwei Schritten: auf
die Passivierung des K om plem entsatzes folgt notwendig die V-V-Reana­
lyse. Weshalb kann dieser Prozeß im Englischen nicht angewendet wer­
den?
Es sind hierbei drei U nterfälle zu unterscheiden: die subjektslose Komplementation bei ergativen, transitiven und intransitiven Verben. Liegt ein
ergatives Verb vor, dann kann aus den angegebenen G ründen ohnehin
nicht passiviert werden. Ihr Fehlen im Englischen als H auptverb in einem
subjektslosen K om plem entsatz von lassen erklärt sich also aus den gleichen
Gründen wie im D eutschen.
Ein transitives Verb ist im Englischen sehr wohl passivierbar. Wir haben
unter lei bei Passivierung des Kom plem entsatzverbs die Struktur (s ( np ) V
NP'). NP' bekommt vom passivierten Verb keinen Kasus, muß also von let
144
markiert werden. Da im Englischen die K asusm arkierung aber der Adjazenzbedingung unterworfen ist. muß NP' in die Subjektsposition des Komplementsatzcs geschoben werden. Der erste Schritt des zweistufigen Pro­
zesses ist also auch im Englischen möglich, doch es blockiert der zweite.
Reanalyse ist wie oben schon mehrfach betont selbst der Adjazenbedingung unterworfen. Ist aber NP' an die Subjektsposition bewegt worden,
dann trennt NP' let (oder believe oder see ) vom Komplemcntsatzverb, so
daß die beiden nicht reanalysiert werden können. Damit ist die Konstruk­
tion als gesamte aber ausgeschlossen. (Man beachte, daß in einer verbfina­
len Sprache wie dem Deutschen eine Bewegung des Subjekts in die Ob­
jektsposition des Matrixsatzes nichts an der Adjazcnz von Matrix- und
Komplementsatzverb ändern kann.)
Der letzte zu betrachtende Fall sind die intransitiven Verben. Diese sind
aber im Englischen - anders als im D eutschen - aus unabhängigen Grün­
den nicht passivierungsfähig, so daß wiederum der erste Schritt unseres
Zweistufenprozesses blockiert ist. Damit ist aber die Konstruktion sub­
jektsloser Einbettung im Englischen schon generell ausgeschlossen. Die
hier vorgestellte Theorie sagt vorher, weshalb die Sätze in (102) alle
ungrammatisch sind.
(102a)
(102b)
(102c)
* H eletco m e.
*He let (the servantj kill ej).
*He let sleep.
Die letzte noch offene Frage bezieht sich auf einige noch ungelöste Bin­
dungsprobleme. Wenn die A rgum entation richtig ist, daß sich die “weite”
Bindung bei lassen daraus ergibt, daß die “Subjekte” passivierter und ergativer Verben qua Kasusmarkierung in der O bjektsposition nicht als zugäng­
liches SUBJEKT im Sinne der B indungstheorie gerechnet werden, dann ist
zu erklären, warum sich solche weiten B indungsphänom ene nur bei AclVerben finden (103), aber nicht bei Kontroll-Infinitiven und finiten Sätzen,
cf. (104) und (105).
(103)
E r sah sich die gelbe Karte gezeigt.
(104a)
(104b)
’ E r bat den D iener PR O sich* zu kom m en.
*Er ließ den D iener sich kom m en.
(105a)
(105b)
*Erj sagte, daß das A uto sichj gestohlen wurde.
E rs ließ sichj das A uto stehlen.
145
Im finiten Fall ist cs frcilich so, daß das Subjekt ohnehin nicht als SUB­
JEKT im Sinne der Bindungsthcoric funktioniert. INFL ist stets im finiten
Satz vorhanden und zählt als SUBJEKT, egal, ob eine Nominativ-NP nun
in VP steht oder direkt unter S. D er Satz ist daher im finiten Fall stets die
MGC für sich, und damit ist ( l()5a) über Prinzip A blockiert.
Im infiniten Fall liegt a priori nahe, kein INFL-Element anzunehmen.
Nur wenn die unter S hängende Subjektsstellc besetzt ist, sollte sich der
Satz als MGC verhalten. Weshalb muß also beim Kontrollinfinitiv das ergative Subjekt und das Passiv-Subjekt an die Position unter S geschoben wer­
den? Die Antwort ist recht trivial: das Subjekt eines Kontrollinfinitivs ist
PRO, die pronom inale Anapher. Die Bindungstheorie hat zum Korollar,
daß PRO unregiert sein muß. Bleibt PRO im ergativen oder passiverten
Fall in der VP, dann ist cs hier verbotenerweise vom V regiert. PRO muß
also aus VP in jedem Falle herausbewegt werden, so daß sich automatisch
ergibt, daß ein Kontrollinfinitiv notwendig eine MGC für jede Anapher ist.
Wie Sternefeld (1984) beobachtete, ist an G rewendorfsTheorie der Reflexivierung unter lassen auch problem atisch, daß nicht ohne weiteres ersicht­
lich ist, wieso der Matzrixbezug eines Reflexivpronomens bei ergativen und
passivierten Verben nicht nur möglich, sondern tatsächlich auch vorge­
schrieben ist, cf. (106):
(106a)
(106b)
*Erj läßt Karlj sich, vorstellen.
*Er, läßt Karlj sichj kommen.
Ist Karl in (106) nicht aus VP hinausbewegt, dann ist die Koindizierung
über Prinzip C der B indungstheorie ohnehin ausgeschlossen: sich c-kommandiert und bindet den referentiellen Ausdruck Karl. Bewegen wir Karl
hingegen an die Subjektsposition (bzw. Grewendorf: wählen wir statt der
VP-Komplementation die S-K om plem entation), dann erhalten wir die
Struktur (106c), die von der Bindungstheorie her unproblematisch ist.
Gegenseitig c-kom m andieren sich nur sich und die Spur ej. Da beide A na­
phern sind, kann kein Verstoß gegen C auftreten.
(106c)
VP
NP
sich
ej
vorstellen
146
Die Daten in (106) lassen sich allerdings über das Theta-Kriterium weger­
klären. Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten, A -Kettcn zu konstituieren:
entweder ist der Kettenbildungsprozeß ein Derivat der Bewegung, d.h. die
Kette wird bei jedem Bewegungsschritt um die Zielposition erweitert;
alternativ kann man die Kette wie in Kap. 2 dargestellt der S-Struktur able­
sen. Rizzi (1983) hat nun darauf hingewiesen, daß sich der CrossoverEffekt für NP-Bewegungen aus dieser K etten-Konstitution auf der S-Struk­
tur notwendig ergibt. Wenn Ketten der S-Struktur abgelesen werden, dann
bildet in (106c) laut der Definition von Kette sofort (sich^c,) eine Kette.
Dieser A-Kette werden zwei thematische Rollen zugewiesen, die des Da­
tivobjektes und die des direkten Objektes. Das stellt aber eine Verletzung
des Theta-Kriteriums dar. Daraus erklärt sich auch die Tatsache, daß es bei
den ergativen Verben generell unmöglich ist, Subjekt und Dativobjekt zu
koindizieren.
(107)
Das Kind ist mir / *sich in den Brunnen gefallen.
Wie im eben betrachteten Fall ist Prinzip C der Bindungstheorie verletzt,
wenn die Nominativ-NP in (107) in VP bleibt, über die Kettenkonstitu­
tion aber das Theta-Kriterium , wenn die Nominativ-NP aus VP hinausbe­
wegt ist. Daten wie (107) stellen also nicht, wie Sternefeld (1984)
schreibt, eine Widerlegung des Rizzischen A nsatzes dar, sondern eine Bestä­
tigung.
Neben der eben angebotenen Erklärung, weshalb (106) ungrammatisch
ist, sind noch Gründe dafür zu liefern, weswegen es nicht möglich ist, ein
Pronomen im Komplementsatz mit dem M atrixsatzsubjekt zu koindizie­
ren, wenn via NP-Bewegung der Komplem entsatz zu einer MGC gemacht
ist.
(108a)
(108b)
*Hansj läßt den M ann4 ihm, komm en.
*Hansj läßt den Wagen ihm, klauen.
Es bieten sich hier zwei Lösungen an. Die erste bezieht sich auf den Sta­
tus des Bindungsprinzips B. So wie A und B oben in Kap. 1 angesetzt wur­
den, erklären sie die kom plem entäre Verteilung von Reflexiva und Perso­
nalpronomina im wesentlichen Bereich der K oreferenzdaten. Es ist nun
freilich so, daß es eine Reihe von K onfigurationen gibt, in denen aus
irgendwelchen G ründen Reflexivpronom ina über den von A abgesteckten
Bereich hinaus nicht auftreten können. Beispielsweise existiert eine Schei­
dung von “starken” und “schwachen” A naphern, wobei zu den starken
Anaphern him self, ital. se stesso, holl, zich zelf und eventuell sich selbst zu
147
zählen sind, andererseits sind each other, ital. si, sich und holl, zieh wohl
schwache A naphern. Es gibt eine Reihe von Kontexten, in denen schwa­
che Anaphern auftreten dürfen, starke hingegen nicht. So ist im Engli­
schen nun (109a) ungram matisch, (109b) hingegen nicht, da in solchen Präpositionalkonstruktionen schwache A naphern vorgeschrieben sind. Weil
das deutsche sich schwach ist, kann es in (109c) anders als im Englischen
auftreten.
(109a)
(109b)
(109c)
*He, saw a snake near himself,.
The men, saw snakes near each other,.
Er, sah eine Schlange neben sich,.
Auch die lange Bindung in A cl-K onstruktionen ist auf schwache A naphern
beschränkt, sie ist etwa im Niederländischen für zichzelf verboten, für zieh
aber möglich (cf. Everaets 1981). Im Englischen bietet sich obendrein der
Datenkontrast in (110).
(110a)
(110b)
*Why is he, letting honey drip on him self?
Why are they letting honey drip on each other?
Dort, wo nun nach Prinzip A der Bindungstheorie zwar eine A napher ste­
hen kann, sie aber faktisch verboten ist, weil der fragliche Kontext für
schwache A naphern reserviert ist und nur eine starke A napher in der Spra­
che vorhanden ist (wie bei den englischen Reflexiva), kann nun ein Prono­
men auftreten.
(109d)
Hej saw a snake near h in v
(109b) und (109c) zeigen, daß die MGC für die Position nach near der
Matrixsatz sein muß. Also sollte das A uftreten eines Pronomens in (109d)
die Bindungstheorie in ihrem Prinzip B verletzen. Beispielsweise hat auch
das Deutsche keine A naphern im Genitiv und keine für die erste und
zweite Person. Bei Koreferenz innerhalb der MGC tritt in den eben ange­
sprochenen Fällen das Pronom en in die koreferente Position. Ähnlich lag
im Mhd. sich nur als A kkusativform vor. Bei Koreferenz zwischen Sub­
jekt und D ativobjekt konnte hier das Personalpronom en verwendet wer­
den. Es ist also so, daß Pronom ina unter Verletzung von Bindungsprinzip
B durchaus auftreten können, vorausgesetzt, in der fraglichen Position ist
eine A napher aus irgendwelchen G ründen verboten. Daraus kann man
schließen, daß es nicht optimal ist, die Komplem entaritätsverteilung von
Anaphern und Pronom ina in der Form von den Bindungsprinzipien A
148
und B zu formulieren. Vielmehr scheint für Pronom ina eine Forderung zu
gelten: nirgendwo dort koindiziert, wo eine A napher möglich wäre!
Es ist nicht möglich, diese Forderung über eine A nwendung der Griceschen Maximen abzuleiten. Einmal müßte dann durch die Konstruktion
eines bestimmten pragmatischen Kontextes ein Satz wie (111) akzeptabel
zu machen sein (dies muß von der N atur einer pragmatisch-kommunikati­
ven Erklärung her folgen), und dies scheint nicht möglich, worauf mich
Peter Staudacher aufmerksam gemacht hat.
(111)
John, loves him,.
Eine Gricesche Argumentation über die größeren Referenzoptionen für
Pronomina gegenüber Anaphern versagt auch angesichts der Tatsache, daß
me und m yself stets dieselbe Referenzoption haben, jedoch komplementär
verteilt sind.
Nun könnte in Sätzen wie (108) bei K orefcrenz von Matrixsatzsubjekt
und Komplementsatzobjekt ein Reflexivpronom en von Prinzip B im Sinne
einer Komplementaritätsforderung als E rklärung für den ungrammatischen
Charakter von (108) selbst ausreichen.
Problematisch daran ist natürlich, daß diese A rgum entation nur dann
durchgehen kann, wenn sich das K om plem cntaritätsgebot auf Oberflächen­
sätze bezieht. In der für (108) anvisierten S trukturierung sind Reflexiva bei
Koreferenz in den Matrixsatz ja tatsächlich verboten (denn nach Bewegung
der “Subjekts-NP” ist der eingebettete Satz eine M G C).
Eine andere Lösung wäre es, irgendwie zu fordern, daß das kausative
lassen notwendig Reanalyse triggert, wodurch die Landeposition für eine
Bewegung von NPn aus VP heraus verschwände. Problematisch an diesem
Vorschlag ist aber, daß kausativ auch lassen mit einer nicht-passivierten
Komplementstruktur verwendet werden kann. Fände hier obligat Reana­
lyse statt, sollte der eingebettete S-Knoten und dam it die MGC selbst ver­
schwunden sein. Matrix-Reflexivierung m üßte also stets möglich sein, was
nicht der Fall ist.
Offen bleiben muß auch das Problem , w eshalb u nter lassen in jedem
Fall außerhalb von VP stehende PPn eine Matrix-Reflexivierung zulassen,
cf. (112a) für ein intransitives und (112b) für ein transitives Verb.
(112a)
(112b)
E r läßt M aria für sich* arbeiten.
E r läßt den B auern für sich; das Feld bestellen.
Es scheint mir nun ein Hinweis darauf angebracht, daß sich die hier v.a.
einschlägigen für-PPn auch in finiten Sätzen nicht konform zu den Voraus­
sagen der Bindungstheorie verhalten. In (113) ist etwa das sich, das außer­
149
halb der VP steht, vom Pronom en ihm innerhalb der VP gebunden, ohne
daß c-Kommandierung vorlicgt. Es scheint also eher die Natur der für- PPn
als eine Besonderheit der /asse/i-KompIementation einschlägig zu sein.
(113)
Ihm fehlt eine größere Wohnung, nicht für sich, sondern für
seine Familie.
5. NP-Bewegung im Deutschen
5.L Das Fehlen von Präpositionalpassiv im Deutschen
Die Kriterien von Ken Haie verlangen das Fehlen von NP-Bewegungsprozessen1 für nicht-konfigurationale Sprachen. In diesem Sinne ist es nicht
verwunderlich, daß Passiv oder Raising-to-Subjcct im Deutschen mehrfach
ohne Bewegungsoperationen beschrieben wurden (Höhle 1978; Haider
1981, 1983, 1984a, 1984c; Sternefeld 1982, 1984, 1985). Tatsächlich wird
man eine Vielzahl von U nterschieden finden, wenn man die deutsche und
die englische Passivkonstruktion vergleicht. So ist eine Bewegung des Passivsatz-Subjekts im Deutschen nicht notwendig (la ), im Deutschen fehlt
das Präpositionalpassiv (lb ), dafür existiert die Option zur unpersönlichen
Passivbildung (lc ), wohingegen die Iterierung der Passivierung anders als
im Englischen ausgeschlossen ist (ld ) und (le ). Dies mag sich dadurch
erklären lassen, daß im D eutschen Passivierung ein strikt lexikalischer Pro­
zeß ist, der aus einem transitiven Verb ein ergatives Prädikat macht. D es­
wegen wäre Bewegung nicht notwendig, außerhalb der lexikalischen Sub­
kategorisierung des Verbs stehende Elem ente wären nicht erfaßbar, wes­
halb Passiviterierung und Präpositionalpassiv fehlen.
(la)
(lb )
(lc)
(ld )
(le )
Weil mir ein Auto geklaut wurde.
*Dieses Bettj wurde in ej geschlafen.
H ier wird getanzt.
Ich sehe schon Schultaschen eingepackt werden.
*Es werden schon Schultaschen eingepackt werden gesehen.
Auch (lc) könnte mit der Nicht-Konfigurationalität in Beziehung stehen,
weil das Englische die unpersönliche Passivkonstruktion genau dann auf­
gab, als es die freie Wortstellung verlor (cf. auch Seefranz-Montag 1983;
Lightfoot 1981). Was in diesem Kapitel zu zeigen sein wird, ist einmal, daß
sich die Unterschiede zwischen englischem und deutschem Passiv, soweit
sie real sind, aus anderen Param etern erklären, als aus der VP/Nicht-VPDistinktion. D aneben will ich v.a. dem onstrieren, daß sowohl bei Passiv als
1
Zur NP- Bewegung cf. Kap. 9.7.
152
auch bei Raising-to-Subject Evidenz für die A pplikation von “Move NP"
besteht und damit für den konfigurationalen C harakter des Deutschen.
Oben hatte ich bereits dargestellt, weshalb Subjekte in deutschen PassivSätzen nicht bewegt werden brauchen. Kasuszuweisung ist im Deutschen
nicht der Adjazenzforderung unterworfen, daher kann INFL den Nomina­
tiv auch in VP hinein zuweisen. Da im Englischen andererseits INFL nur
adjazent Kasus zuweisen kann, muß beim Passiv die Tiefenobjekts-NP in
die zu INFL benachbarte Subjektsposition geschoben werden.
Das Fehlen eines Präpositionalpassivs im D eutschen ist ebenso nicht
sonderlich überraschend. Auch in den nicht-konfigurationalen Sprachen
Italienisch und Französisch fehlt diese Möglichkeit. Diese ist mit dem mar­
kierten Prozeß des ‘preposition stranding' verbunden, der Strukturen wie
(2) erzeugt, in denen die Spur e das ECP verletzt, weil Präpositionen im
allgemeinen keine ordentlichen Regenten sind.
P
NP
e
Konstruktionen wie (3) im Englischen sind wie folgt zu erfassen. Wiederum
spaltet Reanalyse die PP auf. Damit regiert das Verb die zurückgelassene
Spur im Sinne des ECP korrekt.
(3a)
(3b)
WhOj did Pierre send a letter to e^?
This bedj has been slept in ej.
Zu klären ist selbstverständlich, weshalb Sprachen wie Französisch oder
Italienisch diese A rt von Reanalyse nicht zulassen. Kay ne (1979) hat vorge­
schlagen, in die Reanalysetheorie die Bedingung aufzunehm en, daß nur
solche Elem ente von der Reanalyse erfaßt w erden können, die auf die glei­
che A rt und Weise Kasus zuweisen. Das Englische kennt nur einen einzigen
Objektskasus; P wie V weisen diesen ohne U nterschied zu. Das heißt, die
Bedingung in der R eanalysetheorie ist für V und P stets trivial erfüllt.
Französisch, Italienisch oder D eutsch kennen m ehrere Objektskasus
(cf. Vergnaud 1974, Jaeggli 1982). A nders als beim Verb wird der Kasus bei
P nicht strukturell-regelhaft zugewiesen. Wie man am Deutschen sieht, las­
153
sen sich für PPn kaum Regeln für die Kasusmarkierung aufstellen, hier
wird Kasus nicht regelhaft, sondern inhärent zugewiesen. Wenn also P und
V im Französischen oder Italienischen auf unterschiedliche Weise Kasus
zuweisen, kann keine Reanalysc angewendet werden.
An zwei D atenbereichen kann man freilich sehen, daß Kaynes Form u­
lierung zu starke Forderungen aufstellt. Im Englischen wie im Deutschen
existiert, wie in Kap. 4 dem onstriert, eine Reanalyse durch das Verb, die
eine NP in eine NP und eine PP aufbricht. Es ist nicht anzunehm en, daß
Verben und Nomina in derselben Weise Kasus markieren; Nomina weisen
überhaupt keinen Kasus zu, der Genetiv ist strukturell regiert. Zweitens
kommt die Forderung mit (3b) in Konflikt. Als intransitives Verb weist
sleep keinen Kasus zu und kann daher auch nicht auf die gleiche Weise wie
in kasusmarkieren. Kaynes Formulierung ist also dahingehend abzuschwä­
chen, daß die beiden betroffenen Elem ente nicht auf unterschiedliche
Weise Kasus zuweisen dürfen. Dies ist schon dann erfüllt,wenn eines der
betroffenen Elem ente keinen Kasus zuweist. Für N wie für die intransitiven
Verben des Englischen ist die Kayne’sche Bedingung also trivialerweise
erfüllt. Eine V-P-Reanalyse intransitiver Verben im Französischen oder Ita­
lienischen ist andererseits ausgeschlossen, weil, wie noch gezeigt wird, hier
die intransitiven Verben in gewissem Sinne die Fähigkeit zur Kasusrektion
besitzen. Ergative Verben, die keinen Kasus zuweisen, können dagegen
deshalb nicht reanalysiert w erden, weil in der einschlägigen Struktur (4) die
Adjazenzforderung an Reanalyseprozesse nicht erfüllt sein kann.
(4)
(vp V NP PP)
Aus dieser U m formulierung von Kaynes Bedingung ergibt sich die Vorher­
sage, daß jene Präpositionen des Deutschen reanalysierbar sein sollten, die
keinen Kasus zuweisen. Diese sollten also auch das Phänomen des ‘preposition stranding' zeigen.
Bei einer ganzen Reihe von Präpositionen kann anstelle einer NP nun
eine PRO-PP als A rgum ent eingesetzt werden, nämlich da oder wo.
(5a)
(5b)
(5c)
Wogegen bist du gerannt?
U rsula kann nichts dafür.
Ich will nichts damit zu tun haben!
Da bzw. wo muß vor der Präposition erscheinen, da Präpositionen nach
rechts Kasus zuweisen und da/wo als PRO-PP keinen Kasus erhalten darf.
Wenn nun aber die Präpositionen in (5) der PP keinen Kasus zuweisen,
154
dann sollten sie mit dem Verb rcanalysicrt werden können. Daß dies auch
der Fall ist. sieht man an der G ram m atikalität der Extraktion in (6).
(6a)
(6b)
(6c)
Wo, bist du [c, gegen] gerannt?
Da, kann ich nichts [e, für].
Da, will ich nichts [e, mit] zu tun haben!
Anders als der Vorschlag von Ricmsdijk (1982b), parallele holländische
Phänomene durch die Annahme eines exzeptionellen COMP-Knotcns in
den fraglichen PPn zu erfassen, sagt die R eanalysctheorie vorher, daß da
auch im Mittelfeld von seiner Präposition getrennt erscheinen kann.
Schließlich sind nach Reanalyse beide Bestandteile gleichwertige Konstitu­
enten von VP und können daher auf die gleiche A rt am Mittelfeld-“Scrambling" teilnehmen. Ist das Extraktionsdatum aber durch den Zwischenweg
nach einem PP-COMP erklärt, dann kann wegen des COMP-zu-COMPPrinzips das da nicht im Mittelfeld landen. Ein D atum wie (7) entscheidet
also zwischen den konkurrierenden Theorien.
(7)
Er hat da wohl nicht m ehr mit gerechnet.
Im Deutschen existiert durchaus mithin die Möglichkeit zur P-V-Reanalyse
und damit im Prinzip auch die O ption für ein Präpositionspassiv. Es sind
nun die beiden Konfigurationen (8) denkbar.
(8a)
(8b)
(v p (p p d a P )V )
(vp (pp P NP) V)
Als passiviertes Lexem weist V keinen Kasus zu und kann daher keinen
möglichen Hinderungsgrund für die A pplikation der Reanalyse darstellen.
In (8a) ist P auch zu V adjazent, so daß man tatsächlich die Struktur aufbre­
chen kann. Weil da aber eine PP ist, kann sie nicht in die NP-Subjektsposition bewegt werden, wenn die Strukturbew ahrungsbeschränkung (cf.
Emonds 1976) eingehalten wird. Folglich ist nur ein unpersönliches Passiv
mit möglicher Trennung von Präposition und da erzeugbar. Diese Kon­
struktion kommt im Deutschen auch tatsächlich vor.
(9a)
(9b)
Weil nicht damit gerechnet wurde.
Weil da nicht mit gerechnet wurde.
In (8b) hingegen sind P und V nicht adjazent, so daß eine Reanalyseregel
nicht angewendet werden kann. Die beiden augenfälligsten Unterschiede
zwischen dem deutschen und englischen Passiv haben also mit der VPFrage nichts zu tun.
155
5.2. Das Rezipientenpassiv
Für die Frage, ob das deutsche Passiv ein lexikalischer Prozeß ist (wie von ei­
ner nicht-konfigurationalcn Syntax erzwungen) oder ein syntaktischer (er­
möglicht nur in einer konfigurationalen Syntax) ist von einiger Bedeutung,
ob die Konstruktionen in (10) mit Hilfsverben aus der Gruppe um bekom ­
men Passivkonstruktionen darstellen, d.h. ob sie eine Analyse wie (11) er­
halten sollen oder eher prädikative Konstruktionen wie (12) abgeben.
(10a)
(10b)
(10c)
(10d)
(11)
(12)
Wir bekomm en den Wein eingeschenkt.
Sie haben hier eine Erklärung eingeblendct.
Wir erhalten die Bücher geschenkt.
Wir kriegen wieder mal all unsere Argumente widerlegt.
(s Wir, (Vp unsere A rgumente ej widerlegt) bekommen).
Wir bekomm en unsere Argumentej (AP? PRO, widerlegt).
Erstens könnte man versuchen, Unterschiede zwischen dem deutschen und
englischen Passiv (wie etwa das Fehlen der unpersönlichen Konstruktion im
Englischen) auf die Frage zu reduzieren, ob Passiv im Deutschen lexikali­
schen Ursprungs ist. Da das deutsche Passiv auf bekom men - wenn es denn
eines ist - sich hier wie das englische verhält, kann solch eine Erklärung, die
Sprachen und nicht Auxiliäre oder Kasus involviert, a priori als verfehlt an­
gesehen werden.
Zweitens läßt sich ein lexikalischer Ansatz zur Passivkonstruktion nur ’
unter recht großen Kosten aufrecht erhalten, wenn zwei Kasus absorbierbar
sind. Eine lexikalische Behandlung wird nämlich in Grundzügen so aussehen: der lexikalische Prozeß beseitigt das Subjektsargument; aus unabhängi­
gen Prinzipien wie Burzios Generalisierung oder deren Erweiterung im
‘Extended Projection Principle’ (cf. H aider 1984b; Sternefeld 1984, 1985)
folgt dann, daß dem O bjekt Kasus nicht zugewiesen werden kann. In (13)
muß dann autom atisch das Tiefenobjekt mit Nominativ markiert werden.
(13)
Das A uto wird geklaut.
Wenn beim Passiv aber zwei unterschiedliche Kasus unterdrückt werden kön­
nen und dies wie im D eutschen oderTschechischen (cf. Danes 1976) mit einer
jeweils unterschiedlichen Auxiliarwahl verbunden ist, dann muß man in die­
sen Prozeß einen expliziten Mechanismus zur Absorption eines speziellen
Kasus in Abhängigkeit vom gewählten Auxiliär einbauen. Dies bedeutet ein­
mal, daß der Versuch, auf Kasusabsorptionsmechanismen zu verzichten (cf.
156
hierzu Haider (1984b) oder Sternefeld (1984, 1985), als gescheitert anzuse­
hen ist. Andererseits kann diese Absorption nur dann als Bestandteil eines le­
xikalischen Prozesses angesehen werden, wenn man anders als z.B. Bresnan
( 1982a) bereit wäre, wie Höhle (1978) gleichzeitig mehrere syntaktische Wör­
ter (hier das Partizip mit seinem Auxiliär) einem Lexikonprozeß zu unterwer­
fen. Dies kommt einer syntaktischen Erklärung dann doch recht nahe.
Es gibt nun ein ganzes Cluster von A rgum enten dafür, daß die Kon­
struktion (10) ein Ergebnis von Passivierung ist. Die einzige Alternative ist,
wie gesagt, eine prädikative Konstruktion wie in (14) anzusetzen.
(14a)
( 14b)
Ich küsse die Prinzessin, (PRO, im B adem antel).
Ich lese das Buch, (PRO, in einem unerträglichen Zustand).
Unbestreitbar ist, daß bei bekom men solche prädikativen Konstruktionen
vorzufinden sind. Dies sieht man ganz deutlich an der Kombinationsfähig­
keit von bekommen mit PP-Prädikativen, welche sich trivialerweise nicht
über Passivierung erklären läßt.
(15a)
(15b)
(15c)
Wir bekommen die Kinder, schon noch ( P R O j vom Fernse­
her weg).
Ich bekam mein Buchj ( P R O j in einem unerträglichen
Zustand) zurück.
Wir kriegen den Außenminister; schon noch ( P R O j in die
CSU).
Auch nicht-partizipiale Adjektive lassen sich mit bekommen!kriegen prädi­
kativ verbinden.
(16a)
(16b)
Wir kriegen die Flaschen sauber.
Ich bekomme mein Bier kalt, H err Ober!
Prädikativ kann man zwei Lesarten für bekom m en -Konstruktionen unter­
scheiden. Einmal kann das Prädikativum angeben, in welchem Zustandein
Objekt transferiert wird (15b) und (16a); zum anderen erhalten wir eine
Lesart, die angibt, in welchen Z ustand ein O bjekt durch eine Handlung
kommen wird (15a) und (15c). Wählt man die Beispiele geschickt aus, dann
sind sie diesbezüglich mehrdeutig.
(17)
Wir kriegen die Flaschen (schon noch) gewaschen.
Eine mögliche Deutung von (17) ist, daß die Flaschen gewaschen überge­
ben werden; daneben liegt verstärkt durch den eingeklam m erten Einschub
157
die Lesart vor, daß es uns noch gelingen wird, die Flaschen zu waschen.
(17) hat freilich noch eine dritte Lesart,die auf keine der beiden prädikati­
ven Konstruktionen zurückführbar zu sein scheint und gleichbedeutend ist
mit dem Satz “jem and wäscht uns die Flaschen” . Es liegt nahe, darin ein
Argument für eine Passiv-Konstruierung dieser dritten Lesart zu sehen,
denn es ist unklar, wie diese Lesart prädikativ zu konstruieren ist (v.a. weil
die beiden prädikativen O ptionen bei (17) ja schon ausgeschöpft sind).
Wenn diese dritte Lesart tatsächlich eine passivische ist, dann ergibt sich
aus der allgemeinen Theorie der Passivierung sofort eine Vorhersage bezüg­
lich der Kasusverteilung. Passivierung impliziert ja, daß man einen
Objektskasus absorbiert. Ü bertragen auf die Situation im Deutschen
bedeutet dies, daß bekom m en -I- Partizip keinen Dativ zuweist. Während
nun der Akkusativ - siehe unten - im D eutschen ziemlich eng auf ein the­
matisches Argument fixiert ist, stehen für den Dativ bekanntlich mehrere
thematische Rollen zur Verfügung.
(18a)
(18b)
Ich schreibe dem B ürgerm eister einen Brief.
D er Assistent operiert dem Chefarzt das Auge heraus.
(19a)
Ich schreibe an den B ürgerm eister dem Stadtrat einen
Brief.
Ich schreibe für den B ürgerm eister an den Stadtrat einen
Brief.
(19b)
(20a)
(20b)
Der Assistent operiert für den O berarzt dem Chefarzt ein
Auge heraus.
D er Assistent operiert für den Chefarzt dem Patienten ein
Auge heraus.
Die Dativ-NPn in (18) beispielsweise können jeweils mit zwei (oder mehr)
thematischen Rollen verknüpft sein, die wie in (19) bzw. (20) angezeigt
durch verschiedene Präpositionalkonstruktionen umschrieben werden. Die
verschiedenen durch Dativ-NPn ausdrückbaren thematischen Rollen dür­
fen, wie (19) und (20) dem onstrieren, zusammen in einem Satz realisiert
sein. Vorausgesetzt ist nur, daß tatsächlich allein eine einzige dieser Rollen
einer Dativ-NP zugeordnet ist und nicht zwei, cf. (21).
(21a)
(21b)
*Ich schreibe dem B ürgerm eister dem Stadtrat einen Brief.
*Der A ssistent operiert dem Chefarzt dem Patienten das
Auge heraus.
158
Die Ungrammatikalität von (21) ergibt sich aus dem Faktum, daß jedes
Verb jeden Kasus nur einmal zuweisen kann.
Wird dies in Beziehung zur “dritten" Lesart von (17) gesetzt, ist fol­
gende Vorhersage ableitbar: wenn bekom men + Partizip als Passiv konstru­
iert ist, dann darf kein Dativ in der Konstruktion aufschcinen, denn der
Dativ kann, cf. (21), nur einmal zugewiesen werden. Diese einmalige
Zuweisung wird im Passivfall gerade blockiert. Nun ist cs durchaus so, wor­
auf Hubert Haider (p.M .) hingewiesen hat, daß Dativ-NPn mit kriegenl
bekommen kompatibel sind.
(22a)
(22b)
Wir kriegen unseren Kandidaten schon der Partei ins Parla­
ment gewählt.
Wir bekommen unseren Liebling schon dem Tierarzt noch
vorgeführt.
Allerdings stehen die Dative in (22) gerade nicht in einem Satz mit der passiv-nahen Lesart der kriegen! bekom m en-K onslruküon, sondern in einem
mit der “achievement"-Lesart, die, cf. (15a), sicherlich prädikativ sein
muß. Versucht man hingegen, eine Dativ-NP in diejenigen Konstruktionen
einzusetzen, bei denen aus inhaltlichen G ründen die prädikative Deutung
zweifelhaft ist, ergeben sich ungrammatische Resultate. Beispielsweise ist
(18b) über bekommen in eine passiv-nahe S truktur umwandelbar. (23) ist
wie (18b) ambig bezüglich der Lesarten “O pfer der O peration" und “Per­
son, für die etwas gemacht wird" für die Subjekts-N P Beidesmal kann (23)
kaum so gedeutet sein, daß der Chefarzt etwas bekom m t, so daß die prä­
dikative Lesart Nr. 1 ausscheidet. Auch hat (23) nicht die “achievement”Lesart.
(23)
(24a)
(24b)
D er Chefarzt bekomm t vom A ssistenten das Auge heraus­
operiert.
*Der Chefarzt bekom m t dem Patienten vom Assistenten das
Auge herausoperiert.
*Der Chefarzt bekom m t dem O berarzt vom Assistenten das
Auge herausoperiert.
Wie die Diskussion von (20) zeigte, kann die U ngram m atikalität von (24)
nicht von daher rühren, daß ein Z usam m entreffen der beiden als Dativ
realisierbaren thematischen Rollen verboten ist. Auch dann, wenn eine
dieser Rollen als Nominativ realisiert ist, kann die zweite als PP realisiert
werden, cf. etwa (25). Verboten ist nur, diese zweite als Dativ-NP auszu­
drücken, cf. (24).
159
(25a)
(25b)
(25c)
D er Chefarzt bekam bei fast allen Patienten von seinem
Assistenten die Augen herausoperiert.
D er B ürgerm eister bekam einen Brief an den Stadtrat
geschrieben.
D er Stadtrat bekam von mir anstelle des Bürgermeisters
einen Brief geschrieben.
Ist auch diese als Passiv angesehene Konstruktion prädikativ, dann bleibt
der Kontrast zwischen (24) und (25) ein Rätsel, denn dann läge eine Struk­
tur wie (26) vor, in der sich ein Passivpartizip als Prädikativum befindet.
Für diese ist kein G rund erkennbar, weshalb hier der Dativ nicht regiert
werden könnte. Adjektivisch gebrauchte Passivpartizipien weisen sehr
wohl diesen Kasus zu, cf. (27).
(26)
NPj bekomm t N P2 (P R 0 2 (Ap V-Partizip Pass.))
(27)
Die mir gestohlenen Bücher.
Die Passiverklärung hingegen kommt in keine wesentlichen Probleme.
Man hat eine D -Struktur wie (28), in der das verbale Elem ent zwar einen
Akkusativ zuweisen kann, aber keinen Dativ. Die NP in der indirekten
Objektsposition muß daher von INFL mit dem Nominativ m arkiert sein.
Eine dritte NP kann nicht innerhalb der VP stehen, da ihr kein Kasus, ins­
besondere kein Dativ, zugewiesen sein kann.
(28)
(s (Np)(vp NP NP V kriegen))
Für die Passivnatur der K onstruktion könnten auch Ü berlegungen zur
Frage sprechen, welche Verben die fragliche Konstruktion zulassen. Eine
Bedingung, die für die resultative wie für die deskriptive prädikative Kon­
struktion (weil sie auch mit PPn und A Pn kom binierbar ist) trivialerweise
nicht gültig sein kann, ist, daß nur solche Verben sich dem Prozeß unterwer­
fen können, die einen Dativ regieren. Für intransitive Verben erhält man
freilich zunächst keine K om bination mit bekom m en in irgendeiner Lesart.
Intransitive Verben erlauben kein adjektivisches Prinzip, noch regieren sie
den Dativ.
(29a)
(29b)
*Wir bekom m en die Kinder geschlafen.
*Wir bekom m en den Assistenten schon noch geforscht.
Ergative Verben hingegen sind als Partizip adjektivisch verwendbar und tre­
ten in prädikative K onstruktionen ein (30). Da sie dem Subjekt keine the­
160
matische Rolle zuweisen und die Absorption derselben aber eine Vorausset­
zung der Passivierung ist, sind sie nicht passivierbar (31).
(30a)
(30b)
Wir sehen den Zug gerade im Bahnhof angekommen.
?Wir malten den Hasen gestorben.
(31)
*Im Bahnhof wird angekommen von vielen Schnellzügen.
Ergative Verben weisen zwar den Dativ zu, wegen ihrer Unfähigkeit zur
Passivierung sollten sie aber in der passivischen Lesart von bekommen +
Partizip nicht auftreten können, und dies ist auch faktisch so.
(32a)
(32b)
(32c)
(32d)
Mir entgleitet ein Buch.
*Ich bekam von “Lectures on G overnm ent and Binding”
entglitten.
Mir kam der G edanke, daß ich Chomsky in Cambridge
besuchen könnte.
*Ich bekam vom G edanken gekom m en, daß ich Chomsky in
Cambridge besuchen könnte.
Während die Passiv-Analyse wegen der Ergativität der fraglichen Verben
den ungrammatischen C harakter von (32b) und (32d) erklärt, muß bei
einer prädikativen Erklärung noch eine Stipulation eingefügt werden, die
ergative Partizipien bei bekom men verbietet. Das A rgum ent ist nicht ganz
so sauber, wie man es sich wünschen w ürde, weil es tatsächlich nicht ganz
einfach ist, für die beiden existierenden prädikativen Lesungen der bekommen-Konstruktion eine Komplem entierung durch ein ergatives Prädikat zu
finden. Die “achievement”-Beispiele in (33) sind sehr marginal akzepta­
bel, was v.a. daran zu liegen scheint, daß ergative Verben inhaltlich mit
dem Merkmal “keine A nstrengungen” verbunden zu sein scheinen. Die
“achievem enf’-Lesart von bekom m en postuliert so einen Energieaufwand
aber gerade.
(33a)
(33b)
?Wir werden euch die B ücher schon noch entglitten bekom­
men.
?Wir werden den Fels schon noch hinabgestürzt bekommen.
Während also die Ergativitätsfrage kein so klares Bild abgibt, ist ein sol­
ches bei den übrigen Verben, die unter bekom m en einbettbar sind, zu kon­
statieren. Während Höhle (1978) in seiner Regel für bekommen/kriegen stipulieren muß, daß der Prozeß nur auf transitive Verben anwendbar ist,
folgt diese Beschränkung (soweit sie empirisch adäquat ist) aus der Erklä­
161
rung der Konstruktion über Passivierung. Hier können selbstverständlich
nur solche Kasus absorbiert w erden, die regelhaft vom Verb zugewiesen
werden. Da der Dativ in aller Regel nur dann nicht intrinsisch regiert ist2,
wenn es sich um ein transitives Verb handelt, ist der Kontrast in (34) dar­
über erklärbar, daß eben nur bei schenken, nicht aber bei beitreten der
Dativ absorbierbar ist.
(34a)
(34b)
Ich möchte gern ein Foto geschenkt bekommen.
*Die SPD möchte viel häufiger beigetreten bekommen.
Analog erklärt sich, weshalb Verben wie frieren oder geben (in der Exi­
stenzlesart) unpassivierbar sind.
(35a)
(35b)
*Ich werde gefroren.
'E in h ö rn e r werden nur in Märchen gegeben.
Für die prädikative Theorie der bekom m en-K onstruktion ergeben sich aber
unangenehme D aten insofern, als es zunächst für eine Reihe von transiti­
ven Verben möglich ist, das A kkusativobjekt elliptisch zu unterdrücken.
Wir finden D aten wie (36), empirische Belege gibt Eroms (1978).
(36a)
(36b)
(36c)
(36d)
Wir kriegen reichlich Wein eingeschenkt.
Wir kriegen reichlich eingeschenkt.
Ich möchte jeden A bend eine Geschichte vorgelesen
bekomm en.
Ich möchte jeden A bend vorgelesen bekommen.
Für D aten wie (36d) findet sich im Rahmen einer lexikalischen Theorie
qua Passivdeutung, wie Höhle (1978) zeigt, durchaus eine Lösung, etwa
indem man die Regel “elliptische Tilgung der Akkusativvalenz” nach der
bekommen-Anfügung anw endet. Es ist nun denkbar, in (36a) und (36c)
das Partizip prädikativ zu Wein bzw. eine Geschichte zu deuten. Da freilich
in (36b) und (36d) ein solcher Aufhänger für das Prädikativum fehlt, ist
völlig unklar, wie hier die prädikative K onstruktion überhaupt aussehen
kann. Ferner sind auch be/commert-Passiv-Konstruktionen für eine H and­
voll von anscheinend intransitiven Verben, die den Dativ regieren, belegt,
cf. (37):
(37a)
(37b)
2
Ich möchte endlich einmal geholfen bekommen.
Man kriegt täglich gedankt.
Zur deutschen Kasuszuweisung cf. Fanselow (1986a).
162
(37c)
(37d)
Wir wollen immer vorgclcbt bekomm en.
Man bekommt dann von Leuten kondoliert, die man gar
nicht mehr gekannt hat.
Für einzelne der in (37) passivierten Verben kann man durchaus den Dativ
als regelhaft zugewiesen ansehen. Helfen beispielsweise hat neben der Ver­
wendung mit Dativobjekt auch die mit Dativobjekt und Infinitivkomple­
ment. Rechnen wir hier das Infinitivkomplement als direktes Objekt, dann
ist die wesentliche Voraussetzung für eine regelhafte Dativ-Rektion schon
erfüllt. Für diese Interpretation kann man auch historisch argumentieren.
Im Mittelhochdeutschen regierte helfen (cf. Maxwell 1982) neben dem
Dativ den Genitiv regelhaft, der Kasusrahmen ( - DAT G EN I) war damals
für direkte Objekte propositionalen Inhalts regelhaft. Mit dem Verlust des
Genitivs als regelhaften Objektskasus wechselten die meisten Verben die­
ser Klasse zur typischen Dativ-Akkusativ-Rektion über, u.a. mit der Aus­
nahme von helfen, das zwar die Fähigkeit verlor, die Objekts-N P mit Geni­
tiv zu markieren, dafür aber nicht die Fähigkeit gewann, hier den Akkusa­
tiv zuzuweisen. Als direktes O bjekt kommen damit nur mehr solche Entitä­
ten in Frage, die keinen morphologischen Kasus benötigen, also Sätze. Die
Ausnahme bei helfen läge also bei der Position des direkten Objekts und
nicht beim Dativ.
Wie dem auch sei, in (37) finden wir wiederum keinen Träger für eine
prädikative Deutung des Partizips. G enauso verhält es sich bei einem Teil
der durch Präfigierung entstandenen Dativzuweiser-Verben. Insbesondere
in der mit zu gebildeten G ruppe scheint der Dativ leicht als regelhaft und
damit qua Passiv absorbierbar deutbar zu sein.
(38a)
(38b)
(38c)
(38d)
Ein Politiker möchte im mer w ieder zugejubelt bekom­
men.
Ich möchte wieder mal auf so schöne Weise zugelächelt
bekommen wie letzten D onnerstagabend.
?*Es ist sehr unangenehm , am B ahnhof zugewunken zu
bekommen.
*Die alte Witwe hat von einem Papagei zugeflogen bekom­
men.
Gegen die prädikative Analyse spricht w eiter die implizit schon darge­
stellte Tatsache, daß jede als D ativobjekt realisierbare thematische Rolle
in der bekom m en-K onstruktion als Subjekt aufscheinen kann. Wir finden
D aten wie (39):
163
(39a)
(39b)
(39c)
Er bekam einen Zahn ausgeschlagen.
Er bekam ein Bein aboperiert.
Er bekam seine A rgum ente widerlegt.
Die Sätze wie (39) sind sicherlich nicht als Transferprozeß irgendwelcher
Art oder als Ergebnis eigener Bemühungen verstehbar. Wenn wir hier eine
prädikative D eutung aufzwingen wollen, muß der semantische Beitrag von
bekom m en leer sein. Semantisch leer ist der Beitrag für die Satzbedeutung
in aller Regel aber nur für Auxiliäre.
Bei einer prädikativen Lesart muß obendrein die Akkusativ-NP in der
Konstruktion im them atischen Rahmen von bekom men stehen. Daß dies
nicht richtig sein kann, ergibt sich aus der Tatsache, daß idiomatische Wen­
dungen über bekommen!kriegen passivierbar sind.
(40a)
(40b)
Da hast du aber eine schöne Suppe eingebrockt bekom­
men.
Wenn der H uber-Bauer weiterhin so lästerliche Reden über
den H errn Pfarrer schwingt, dann wird er bald den roten
Hahn aufs Dach gesetzt bekommen.
Damit man überhaupt zu einer idiomatischen Deutung gelangen kann,
muß auf mindestens einer syntaktischen Ebene ihm den roten Hahn aufs
Dach setzen eine K onstituente abgeben. Dies ist nicht verträglich mit der
prädikativen Strukturierung, bei der den roten Hahn Argument von,
bekommen ist. In der prädikativen “achievem ent”-Lesart von bekommen
ist hingegen das E intreten von Idioms wie vorhergesagt unmöglich, cf.
(41):
(41a)
(41b)
*Wir bekom m en dem Huber-Bauern den roten Hahn schon
noch aufs Dach gesetzt.
*Wir bekom m en dem Wolfgang schon noch eine hübsche
Suppe eingebrockt.
Passiv ist bei einem einzigen Prädikat nicht iterierbar. Dies liegt daran, daß
die Absorption einer Subjektsrolle Bedingung für die Applikation von Pas­
siv zu sein scheint. Ist diese durch einen Passivierungsprozeß beseitigt,
kann sie trivialerweise nicht bei einer zweiten Passivierung noch einmal ver­
schwinden. D aher ist (42) ungrammatisch.
(42)
*Es wird getrunken worden.
Die prädikativen bekom m en!kriegen-Varianten sind nun in gewissen Kon­
texten durchaus passivierbar. Die Theorie sagt diesbezüglich auch nichts
164
Gegenteiliges voraus. (43a) ist also grammatisch, im G egensatz zu (43b).
Die hier als Passiv behandelten kriegen-Varianten sind nicht selbst passivierbar, was, wie eben gezeigt, durch ihren eigenen Passivcharakter erklärt
ist.
(43a)
(43b)
Die Kinder wurden nicht ins Bett gekriegt.
*So eine Theorie wird selten widerlegt gekriegt.
Unter lassen sind, wie gezeigt, morphologische Passiva nicht einbettbar.
Daraus folgt, daß die “achievement” -Lesart von bekom m en kein Passiv
sein kann, da sie, cf. (44), als Komplement von lassen auftreten kann.
(44)
Die neue W esternserie ließ ihn seine Kidner nicht rechtzei­
tig ins Bett bekommen.
Die Passiv-Variante von bekom men hingegen ist unter lassen ausgeschlos­
sen und zwar sowohl in der “subjektslosen” wie in der “subjektsbehafteten”
Variante.
(45a)
(45b)
(45c)
(45d)
(45e)
(450
*Wir lassen den Professor das Bein aboperiert bekommen.
*Wir lassen den Chomsky seine Theorie widerlegt bekom­
men.
*Wir lassen den Spitzenpolitiker zugejubelt bekommen.
*Wir lassen den Kindern vorgelesen bekom m en.
*Wir lassen das Bein vom A ssistenten aboperiert bekom­
men.
*Wir lassen von den Z uhörern zugejubelt bekommen.
Alles zusammengenommen heißt dies, daß man von dem Passivcharakter
von Sätzen wie (11) oder (32) auszugehen hat. Passivierung erklärt sich
damit auf der Basis von Strukturen wie (46).
(46)
VP
DAT
ACC
VOLLVERB bekom m en/w erden
165
Für das Vollverb ist davon auszugehen, daß es seine gesamten Kasuszuweisungseigenschaften realisiert. Es steht aber in einer Konstruktion mit einer
größeren verbalen Projektion (der “kleinen” VP), deren Kopf offensicht­
lich das Auxiliarelement ist, weil das Deutsche kopffinal ist. AUX weist
selbst keinen Kasus zu. Man kann sich analog zu G edanken von Lieber
(1980, 1982) vorstellen, daß die Merkmale eines Knotens grundsätzlich nur
dann vom Kopf bestimmt sind, wenn der Kopf bezüglich eines M erkmalclu­
sters überhaupt spezifiziert ist. Da A UX nun keine Kasuseigenschaften
hat, mag die Kasusrektion von V an die “kleine” VP hinaufsickern, wobei
allerdings das konkret vorliegende Auxiliär eine Filterwirkung haben kann:
die Perfektauxiliare lassen die gesamte Kasusrektion w eitergeben, bekom ­
men filtert den Dativ heraus und werden den Akkusativ.
5.3. Das unpersönliche Passiv im Deutschen
Da nun feststeht, daß ein Dativ-Passiv im Deutschen existiert, folgt, daß
die Tatsache, daß im Englischen unpersönliche Passiva verboten sind,
nichts mit der VP-Frage als solcher zu tun haben kann. Gemeinhin wird ja
argumentiert, daß die Tatsache, daß diese Konstruktion in der Geschichte
des Englischen verloren ging, etwas mit dem Verlust der freien Wortstellung
(und damit dem Erw erb einer VP) zu tun habe (cf. z.B. Lightfoot 1979).
Tatsächlich ist es so, daß im Englischen zum Ausgang der altenglischen
Phase (cf. Seefranz-M ontag 1983) ein expletives Subjekt bei unpersönli­
chen Passiva notwendig wurde. A ber wie Sprachen wie Französisch oder
Italienisch zeigen, kann (vorausgesetzt, daß solch ein expletives Elem ent
eingesetzt werden kann) ein unpersönliches Passiv auch in Sprachen mit
fester Wortstellung existieren, cf.(47) für das Französische und (48) margi­
nal für das Italienische (cf. Burzio 1981).
(47a)
(47b)
(47c)
Il a été beaucoup dansé.
Il a été capitulé trois fois.
Il a été allé jusque chez le ministre.
(48)
Fu parlato aile ragazze.
Eine Frage, die man sich bei der Behandlung der unpersönlichen Passiv­
konstruktion zunächst zu stellen hat, ist, wieso im Deutschen das es fehlen
muß, wohingegen es im Französischen vorgeschrieben ist. Es ist plausibel,
daß der obligate C harakter des A uftretens von il wesentlich gesteuert ist
166
durch eine Vorschrift, die besagt, daß Kasus zugewiesen werden muß,
wenn Kasus zugewiesen werden kann. Als zweite nicht unplausible Forde­
rung kann man aufstellen, daß expletive Elem ente in der Syntax mit einer
Position koindiziert sein müssen3. Dies ist dann eine natürliche Annahme,
wenn man sich wie Aoun (1981) überlegt, daß expletive Elemente erst in
der PF eingesetzt werden. Für Syntax und LF sind sic also nicht vorhanden,
an ihrer Stelle befindet sich eine leere Kategorie, die dem ECP in der einen
oder anderen Version unterworfen ist.
Für das Französische ist die Beobachtung zu machen, daß bei Inversion
des ergativen/passivierten Subjektes das finite Verb nicht mit dem invertier­
ten Subjekt kongruiert, sondern mit //.
(49)
Il a été tué trois linguistes.
Offenbar ist il nur mit INFL koindiziert, aber nicht mit der postverbalen
NP, so daß il von dieser auch keine referentiellen M erkmale zugewiesen
bekömmt. D aher wird INFL unpersönlich realisiert. Wenn Expletiva aber
im Französischen nicht mit postvcrbalen Elem enten koindiziert sein kön­
nen, dann läßt sich auch erklären, weshalb anders als im Deutschen oder
Italienischen die unpersönliche M ittelkonstruktion fehlt.
(50a)
(50b)
Les pommes se mangent.
*11 se dort bien ici.
Ist se nämlich nicht mit il koindiziert, so ist se frei, was das Bindungsprinzip
A verletzt. Im Deutschen hingegen scheint nun sich durchaus auch in der
expletiven Variante mit einer “postverbalen” NP koindizierbar zu sein.
(51a)
(51b)
Diese Äpfel essen sich aber gut!
Hier schläft es sich aber gut!
Wenn es aber mit einer postverbalen NP nicht nur koindiziert sein kann,
sondern auch muß, können wir erfassen, weshalb expletives es in normalen
Deklarativsätzen nur in COM P Vorkommen kann, warum also eine Sub­
jektsinversion im Deutschen fehlt.
(52a)
(52b)
Esj kamen drei R itte r .
*Weil esj kamen drei R itte r.
Drei Ritter ist ein referentieller A usdruck, der nach Bindungsprinzip C
A-frei sein muß. Da es in (52a) in einer A -quer-Position steht, ist dies erfüllt,
3
Dies ergibt sich in Chomsky (1986a) als Korollar des ECP.
167
bei einer Subjektsinversion hingegen stünde es in einer A-Position, unter
Verletzung von Prinzip C.
Wenn diese Koindizierung nun aber vorgeschrieben ist (über das ECP,
z.B.), dann kann kein es in unpersönlichen Passivsätzen an die Subjekts­
stelle eintreten, da in (53) kein postverbales Elem ent existiert, mit dem
koindiziert werden könnte.
(53)
*Weil es geschlafen wird.
Wenn es also nicht eintreten kann, ist noch zu klären, weshalb die Subjekts­
position hier frei bleiben darf. Sie verletzt ja offenbar das ECP.
(54)
Weil geschlafen wird.
Dieses Argument übersieht aber, daß das ECP nur für leere Kategorien
definiert ist, und eine leere Kategorie ist im Sinne von Kap. 6 nach
Chomsky (1981) eine NP ohne phonetische Matrix, die Merkmale eines
Pronomens besitzt, also Numerus und/oder Person.Wenn die Subjektsposi­
tion vollkommen freigelassen ist, also keine Merkmale dort generiert sind,
ist sie dem ECP nicht unterworfen und damit leer lizensiert4.
Dabei stellen sich zwei Fragen. Erstens ist zu klären, weshalb man dem
ECP nicht z.B. bei der w/?-Extraktion entkom m en kann, indem man für
(55) eben auch eine vollkommen freie Subjektsposition ansetzt.
(55)
*Who did he say that loves Mary?
Wenn allerdings im K om plem entsatz von (55) die Subjektsposition voll­
kommen leer ist, verletzt man zwei UG-Prinzipien. Erstens ist ohne Merk­
male trivialerweise die leere Subjektsposition nicht koindiziert mit who.
Who wird als O perator gedeutet, bindet aber im Satz nichts, was vom Bijektionsprinzip verboten ist (cf. Chomsky 1982a). Weiter kann eine vollkom­
men leere Position auch keine Variable sein, deshalb kann auch die Subjekts-Thetarolle von love nicht zugewiesen werden. Dem steht das 0-Kriterium gegenüber. Die zweite Frage ist, weshalb die deutsche Strategie im
Französischen fehlt, warum also (56) ungrammatisch ist.
(56)
*A été dansé.
Die Erklärung hierfür ist, daß im Französischen ein expletives Elem ent ein­
treten kann. Man kann also den Nominativ auch einer Position, nämlich //,
4
Stattdessen könnte man auch vom Vorliegen eines unpersönlichen pro im Sinne von
Chomsky (1986b) ausgehen.
168
zuweisen. Da ein Kasus zugewiesen werden muß, wenn dies möglich ist,
würde der Satz (56) eben diese Forderung verletzen.
Voraussetzungen für das unpersönliche Passiv im Deutschen zu klären,
ist aus einer Reihe von Gründen geboten. Einmal wird gerne argumentiert
(z.B. Haider 1984c), daß die Tatsache, daß bekom m en nur persönlich passi­
viert, ein Argument gegen den Passiv-Status der K onstruktion sei, daß
andererseits das unpersönliche Passiv ein G rund gegen eine Bewegungs­
analyse des Passivs für das Deutsche sei (H aider 1981). Zweitens scheint
das unpersönliche Passiv in Zusamm enhang mit dem sog. Fernpassiv in
(57) zu stehen, das einen interessanten Blick auf die Bewegungsnatur des
deutschen Passivs gestattet.
(57)
Der Wagen wurde zu reparieren versprochen.
Drittens endlich ist die Möglichkeit zum unpersönlichen Passiv ein Merk­
mal in einem Cluster von Eigenschaften, das die Sprachen Deutsch, Fran­
zösisch und Italienisch dem Englischen gegenüber kontrastiert. Es scheint
so zu sein, daß hier erforderliche Param etrisierungen auch einschlägig sind
für eine Reihe von “nicht-konfigurationalen” Eigenheiten des Deutschen,
welche aber nichts mit der VP-Frage zu tun haben können, da sie auch auf
Sprachen wie Französisch oder Italienisch zutreffen, an deren VP-Konstituenz kein Zweifel besteht.
Die trivialste Erklärung für die Möglichkeit, ein Passiv auch für intransi­
tive Verben zu bilden, ist natürlich, im Prozeß der Affigierung der PassivMorphologie eine Param etrisierung anzusetzen. Im Englischen muß bei
der Affigierung von Passiv-Morphologie ein Kasus absorbiert werden, wes­
wegen intransitive Verben prinzipiell nicht passivierbar sind. Im Präpositionalpassiv (58) kommt qua Reanalyse das Tiefenobjekt der PP in den Rektions- und c-Kommandobereich des Verbs. Da im Englischen die einzige
Voraussetzung für Kasusmarkierung durch das Verb ist, daß die fragliche
NP vom Verb regiert ist, m arkiert nun sleep die postpräpositionale NP prin­
zipiell mit Kasus. Diese Rektion kann bei der Passivierung von sleep dann
absorbiert werden.
(58)
(59a)
(59b)
This bedj has been slept in e,.
*It has been slept.
’ Mary* has been slept ej.
Bei (59a) hingegen regiert sleep keine NP, weist also auch keinen Kasus zu.
Folglich kann Passivierung nicht applizieren, wenn Absorption-eines Kasus
169
notwendig damit verbunden ist. Setzt man wie in (59b) hingegen in der
Tiefe hinter sleep eine NP, dann weist zwar sleep dieser Kasus zu, welcher
absorbiert werden kann. Da sleep aber seinem O bjekt keine thematische
Rolle zuweisen kann, verletzt (59b) das Theta-Kriterium .
D e m g e g e n ü b e r ist a u c h b e im werden-?assi\ z u n ä c h s t fe s tz u s t e lle n , d a ß
ein A k k u sa tiv in a lle r R e g e l im P a ssiv b e s e it ig t s e in m u ß .
(60a)
(60b)
*Die M ädchen wird photographiert.
*Den Professor darf nicht beleidigt werden.
Hierzu gibt es im wesentlichen zwei A usnahmen. Ist das direkte Objekt
auch mit dem Verb als Funktionsverbfügung um interpretierbar, dann kann
auch beim Vorliegen eines Akkusativs unpersönlich passiviert werden.
(61a)
(61b)
(61c)
(61d)
(61e)
(61f)
Es wird gejubelt und Fähnchen geschwungen.
Fähnchen wurden geschwungen.
Und dann wird stundenlang Kreuzworträtsel gelöst.
Kreuzworträtsel werden gelöst.
H ier wird nicht K arten gespielt.
??H ier werden keine Karten gespielt.
Wahrscheinlich ist bei einer Funktionsverbbildung die Akkusativ-NP in der
einen oder anderen Weise bereits im Lexikoneintrag des jeweiligen Idioms
fest verzeichnet. Schwingen oder spielen weisen in (61) also kaum noch den
Akkusativ zu. Folglich w idersprechen die D aten in (61) nicht der an (60)
festmachbaren altbekannten B eobachtung, daß im werden-Passiv auch ein
deutsches Verb seine A kkusativrektion verliert. Ist das direkte O bjekt eine
Anapher, dann ist unpersönliche Passivierung in der imperativischen Lesart
des Passivs möglich, cf. (62).
(62a)
(62b)
H ier wird sich nicht geküßt!
H ier wird sich nicht übergeben!
Prinzipiell lassen sich diese D aten wie die in (61) wegerklären. Die Kon­
struktion scheint nur möglich für inhärent reflexive Verben (62b) und für
die “einander”-Interpretation von sich (62a). Eine Exklamation wie (62a)
ist kein Verbot für autoreflexive Zärtlichkeit. Das heißt, daß die eigentli­
che Anapher - wie einander auch - in dieser unpersönlichen Konstruk­
tion nicht aufscheinen darf. Koster (1984) folgend kann man sich überle­
gen, daß wie niederländisch zich zelf hier kein A-Ausdruck ist, sondern wie dies z.B. Grimshaw (1982) für französisch se vorsieht - ein Verbbe-
170
standteil. Die Affigierung von sich an ein Verb bewirkt dabei das Schlukken der Objekts-Thetarolle. Sich ist dann keine NP im eigentlichen Sinne
und hat auch keinen Kasus, weswegen auch in (62) kein Akkusativ im
werden-Passiv vorhanden ist. Mithin scheint bei werden stets ein Akkusa­
tiv getilgt zu werden, wenn das Basisverb diesen zuweist. Wird vom Verb
aber kein Kasus regiert (im intransitiven Fall also), muß kein Akkusativ
absorbiert werden. Man kann also versuchen, als Param eter (63) zu for­
mulieren.
(63)
PASSIV-PARAMETER
a) Wenn das zu passivierende Verb einen Akkusativ
zuweist, dann muß dieser absorbiert werden.
b) Beim zu passivierenden Verb muß ein Akkusativ
geschluckt werden.
Wählt eine Sprache wie das Englische (63b), dann sind nur die den Akku­
sativ zuweisenden Verben passivierbar, wohingegen eine (63a)-Sprache
transitive Verben persönlich passiviert (weil das O bjekt ohne Kasus zu ste­
hen kommt), intransitive Verben hingegen unpersönlich. Letztendlich mag
(63) noch nicht genügend O ptionen eröffnen, weil es Sprachen gibt wie
Hebräisch (v.Stechow, p.M .) oder Walisisch (Com rie 1977) und Bretonisch
(Anderson 1982), bei denen im Passiv auch der O bjektskasus nicht absor­
biert werden muß, cf. das Beispiel (64) für Walisisch aus Comrie (1977).
(64a)
Lladdodd yddraig
Tötete
D rachenom
(64b)
Lladdwyd
W urde-Getötet
y dyn.
der M ann.
y dyn
gan y ddraig.
der M annacc durch den Drachen.
D aten wie (64) stellen konzeptuell gesehen den vorgeschlagenen Parame­
ter natürlich in Frage. Vorzuziehen wäre eine T heorie, in der Parametri­
sierung zwischen “Kasusabsorption notwendig oder nicht” läuft, in der
das Kind nicht mehrere Unterfälle abzuprüfen hätte. Andererseits scheint
eine zu (63) parallel gelagerte Param etrisierung für den anderen Aspekt
der Passivregel zu bestehen, nämlich für die A bsorption der Subjekts-Thetarolle. Wenn diese eine absolute Bedingung für die Applizierbarkeit von
Passiv wäre, dann dürfen Verben, die dem Subjekt keine thematische
Rolle zuweisen, nicht passivierbar sein. Tatsächlich erlaubt aber beispiels­
weise das Englische wie das Litauische - im G egensatz zum Deutschen die Passivierung von Verben wie regnen, cf. (65):
171
(65a)
(65b)
(65c)
(65d)
The spcctators, havc becn raincd on e,.
Palyta “cs ist geregnet w orden” (cf. Gcnusicnc 1977).
*Es ist geregnet worden.
*Silberstückc wurden geregnet.
Da wiederum in den fraglichen Sprachen eine Subjekts-Thetarolle zu tilgen
ist, wenn sie vorhanden ist, liegt eine Param etrisierung bezüglich konditio­
naler oder absoluter A bsorptionsforderung nahe wie in (63). Da das Litaui­
sche ein unpersönliches Passiv kennt, besteht keine negative Korrelation
zwischen dem Param eter (63) und dem , der für die Absorption der Sub­
jektsrolle einschlägig ist.
Es kann sich hierbei, wie das Litauische zeigt, nicht um Besonderheiten
der Passivierbarkeit von W etterverben handeln. Im Litauischen sind auch
ergative Verben passivierbar, was Nerbonne (1982) m .E. fälschlicherweise
als Widerlegung der Ergativitätshypothese ansieht.
Wenn nämlich im Litauischen eine Subjekts-Thetarolle nur dann getilgt
werden muß, wenn sie auch wirklich vorhanden ist, folgt sofort, daß das
im Italienischen oder D eutschen festmachbare Verbot der Passivierung
ergativer Verben sich nicht aus der UG als solcher ergibt, sondern nur aus
einer speziellen Param etrisierung beim Passiv. Im Englischen hingegen las­
sen sich ergative Verben anders als im Litauischen nicht passivieren, da
wegen (63b) die A bsorption eines Akkusativs unbedingt für das englische
Passiv vorgeschrieben ist und ergative Verben prinzipiell keinen Akkusativ
zuweisen.
Nun kann (63) kein Param eter für Sprachen sein, sondern muß sich auf
spezielle Hilfsverben beziehen. Auch dies machte den Status von (63) sehr
fraglich, weil die Param etrisierung danach, ob überhaupt der Akkusativ
absorbiert werden muß oder nicht (Walisisch/Hebräisch vs. Deutsch/Eng­
lisch usw.), keine zwischen Auxiliären ist, sondern eine zwischen Sprachen.
Sieht man sich jetzt das Deutsche genauer an, so stellt man fest, daß
offensichtlich genau dann unpersönlich konstruiert werden kann, wenn das
Auxiliär ein A kkusativ-A bsorbierer ist. Passivverdächtige Konstruktionen
weisen die Hilfsverben in (66) auf.
(66a)
(66b)
gehören, w erden, sein -I- Partizip, sein + Infinitiv, bleiben
kriegen, bekom m en, erhalten, haben
Aus der G ruppe (66a), der A kkusativ absorbierenden Auxiliäre, lassen alle
außer bleiben ein unpersönliches Passiv zu.
172
(67a)
(67b)
(67c)
(67d)
(67e)
Hier wird getanzt.
Damit ist mir nicht zu helfen.
Hier ist zu tanzen!
Hier gehört häufiger getanzt!
'H ie r bleibt den ganzen Abend getanzt
Der Status von bleiben als Passivauxiliar ist freilich ohnehin eher fraglich.
Passivpartizipien sind ja auch als Adjektive verw endbar und können als sol­
che prädikativ oder komplementiert neben Verben stehen. Ob ein Verb nun
neben einem syntaktischen Passivpartizip steht oder neben Adjektiven (die
auch durch Partizipien realisierbar sind), läßt sich daran testen, ob das
Komplement durch wn-erweitert werden kann. Die ww-Präfigierung ist ja
nur für Adjektive definiert (unschön, unsauber, unbelesen), aber nicht für
Verben (*unaus zeichnen, *unlieben, *unloben). Bei der Auswertung von
(68) ist dabei zu beachten, daß neben dem Passiv-sem noch die AdjektivKopula sein existiert.
(68a)
(68b)
(68c)
(68d)
'F rieda wird ungeküßt.
Frieda ist ungeküßt.
'F rieda gehört ungeküßt.
Frieda bleibt ungeküßt.
Offensichtlich bettet also bleiben auch A djektive als Komplem ent ein. Es be­
steht nun kein G rund, bleiben zusätzlich zu den Passiv-Auxiliären zu zählen.
Dann läßt sich mit (67), (69) und (70) aber feststellen, daß Dativpassive stets
persönlich sein müssen, Akkusativpassive stets unpersönlich sein können.
(69)
(70)
'H e u te bekomm t zu viel geschlafen!
'H e u te bekomm t Cordula geküßt!
Eine sehr wichtige Beobachtung ist dabei, daß das Englische nur einen Ob­
jektskasus kennt, wohingegen D eutsch, Französisch und Italienisch (dort
mit der ä+N P-K onstruktion) über Dativ und A kkusativ zwei Objektskasus
unterscheiden. Es liegt nahe, die rein deskriptive Reform ulierung der Da­
tenlage in (63) durch einen Erklärungsversuch zu ersetzen, der die unter­
schiedlichen Kasusgegebenheiten in den Sprachen heranzieht.
In einer Sprache, die rein strukturell ihren Kasus zuweist, ist es kaum
möglich, zwei O bjektskasus zu unterscheiden, ja überhaupt zwei Objekts­
kasus zuzuweisen. Für die englische “D ativkonstruktion” (71) hat Stowell
(1981) nachgewiesen, daß die dem Verb direkt folgende NP über einen
173
wortbildungsähnlichcn Prozeß im Vcrbalkomplex inkorporiert ist, also vom
Verb nicht kasusmarkiert wird.
(71)
Hc gave Mary a book.
Wenn Kasus rein strukturell zugewiesen wird, kann auch struktureller von
abstraktem Kasus kaum unterschieden werden. Gehen wir daher von der
These aus, daß im Englischen morphologische Kasuszuweisung stets mit
abstrakter K asusm arkierung zusam m engeht.Andererseits kann man für
Deutsch, Französisch oder Italienisch behaupten, daß abstrakte Kasusmar­
kierung unabhängig von der morphologischen ablaufen kann. Der rele­
vante Param eter wäre dann (72).
(72)
a) Kasus X wird gleichzeitig morphologisch und abstrakt
zugewiesen.
b) Kasus X kann morphologisch und unabhängig davon
abstrakt zugewiesen werden.
Hierbei ist anzum erken, daß auch intransitive Verben im Deutschen offen­
sichtlich den Akkusativ zuweisen können. Dies sieht man einmal an der
Konstruktion mit sog. “inneren” O bjekten wie (73):
(73a)
(73b)
E r träum t einen Traum.
E r springt einen weiten Sprung.
Für ergative Verben besteht diese O ption nicht:
(74a)
(74b)
*Er kommt ein Kommen.
*Das Blatt fällt einen Fall.
Intransitive Verben können in der Kausativkonstruktion einen Akkusativ
in eine A P-Konstituente oder in eine PP-Konstituente hinein zuweisen, bei
ergativen ist dies ausgeschlossen.
(75a)
(75b)
(75c)
(75d)
(75e)
(75f)
Wir beten den B ürgerm eister gesund.
Wir trinken uns krank.
D er Sohn telefonierte seine Eltern arm.
‘ D er Zug kommt uns zufrieden.
*Das B latt fällt sich kaputt.
*Das Unglück passiert uns entsetzt.
Da den N P-O bjekten in (74) und (75) vom Verb her keine thematischen
Rollen zugewiesen w erden, müssen sie unter dem Theta-Kriterium auch
174
keinen abstrakten Kasus tragen. Der phonetische Kasusfilter garantiert,
daß morphologischer Kasus zugewiesen wird. Es ist im Deutschen also
nicht notwendig anzunehmen, daß die Verben aus (74) oder (75) mehr als
morphologische Kasuszuwcisungsfähigkeit besitzen. Da im Deutschen der
Akkusativ nicht strukturell regiert wird, ist die Zuweisungsfähigkeit wohl
eher eine stets realisierbare verbinhärente Eigenschaft. Wenn aber Passivie­
rung voraussetzt, daß morphologischer Kasus absorbiert werden muß,
erfüllen die intransitiven Verben diese Bedingung, weil sic morphologisch
Akkusativ ja regieren können. Eine Param etrisierung wie (63) muß nicht
angesetzt werden, um die Passivierbarkeit intransitiver Verben im Deut­
schen oder Französischen zu erklären. Im Englischen hingegen wird Kasus
nur dann zugewiesen, wenn tatsächlich eine NP vom Verb regiert ist.
Intransitive Verben erfüllen ex definitione diese Bedingung nicht, so daß
hier kein Kasus zugewiesen und damit auch nicht passiviert werden kann.
Ein weiteres Argument für dieses Vorgehen ist bei den reflexiven Kon­
struktionen zu finden. Das Deutsche kennt eine Vielzahl von sog. inhärent
reflexiven Verben wie in (76):
(76a)
(76b)
(76c)
Der Brunnen füllt sich mit Wasser.
Der Wind verstärkt sich.
Ich ärgere mich.
Die Subjekte in (76) tragen dabei eine them atische Rolle, die bei den paral­
lelen transitiven Verben in die Objektsposition zugewiesen wird: (76a)
denotiert die Proposition, daß irgendetwas bew irkt, daß der Brunnen
gefüllt wird; in (76b) verstärkt etwas den Wind; in (76c) ärgert mich etwas.
Offenbar liegt hier thematisch eine Situation vor, die der beim Passiv
gleicht.
(77)
N P iV A n a p h e r
Die thematische Rolle, die NP! trägt, wird in die O bjektsposition der Ana­
pher zugewiesen und dann an die Subjektsrolle weitergegeben. Auch syn­
taktisch gleicht (77) dem Passiv: genauso wie dort steht an der Objektsposi­
tion eine Anapher, nur ist diese im Passiv phonetisch leer, im Falle von (76)
aber mit einer phonetischen Matrix versehen.
Die Sprachen nun, die ein unpersönliches Passiv zulassen - die nach
meiner Hypothese also morphologisch und abstrakte Kasusmarkierung
scheiden - weisen nun mit schöner Regelm äßigkeit auch eine Vielzahl von
inhärent reflexiven Verben auf, cf. (78) für das Italienische, (79) für das
175
das Französische oder (80) für das Holländische, die , cf. (81), auch unper­
sönliche Passiva kennen, bzw. (82) für das Schwedischc mit seinen unper­
sönlichen Konstruktionen (83).
(78)
(79)
(80)
(81)
(82)
(83)
Il ramo si spczza.
Se lever, s'appeler.
Zieh afragen (w undern), zieh voorstcllcn, zieh amuseren.
Er werd luidkeels gelächen in de zaal.
“Es wird lauthals im Saal gelacht.”
Lära sig “lernen” .
Och plötsligt pratas det virvlande fort pà alla tre spraken.
“Und plötzlich wird schnell durcheinander in allen drei
Sprachen gesprochen.”
Im Englischen hingegen sind reflexive Verben extrem selten. Was im D eut­
schen mit einem reflexiven Verb ausgedrückt wird, erscheint im Englischen
als bloßes intransitives Verb.
(84a)
(84b)
He washes - er wäscht sich.
The fountain fills with water.
Wenn die thematische Analyse (77) richtig war, liegt es nahe, für z.B. (84b)
die Struktur (85) anzusetzen.
(85)
The fountainj fills e, with water.
Weshalb ist im Englischen nun die Objektsposition nicht mit einer phone­
tisch spezifizierten A napher zu füllen, während dies in den unpersönlich
passivierenden Sprachen sehr wohl so ist? Die A ntw ort hierauf erhält man,
wenn man sich überlegt, weshalb es unmöglich ist, (86) zu bilden.
(86a)
(86b)
'W eil den Brunnen mit Wasser füllt.
'B ecause it fills the fountain with water.
Wenn Zuweisung eines A BSTR A K TEN Kasus Bedingung dafür ist, daß
eine A-Kette eine them atische Rolle zugewiesen bekom m t, dann ist der
Kontrast zwischen (86) und (76) einfach zu erfassen. Man muß nur anneh­
men, daß die reflexiven Verben ihr O bjekt nicht abstrakt kasusmarkieren.
In (86a) erhielte dann der Brunnen zwar morphologisch Kasus von fü llen ,
aber nicht abstrakt. Die referentielle NP ist dann an eine Position zu stel­
len, in der sie abstrakt und morphologisch kasusmarkiert ist. Bei den refle­
xiven Fügungen ist dies, wie beim Passiv, die Subjektsposition.
176
Wenn reflexive Verben sich aber dadurch auszcichncn, daß sie ihr
Objekt nicht abstrakt kasusmarkicren, bedeutet dies für die Sprachen, die
sich nach (72a) orientieren, nun nicht, daß morphologisch keine Markie­
rung erfolgen kann. Damit ist aber eine phonetisch spezifizierte Anapher
lizensiert. Im Englischen hingegen bedeutet wegen (72b) die Unfähigkeit,
abstrakt kasuszumarkieren, automatisch auch die Unfähigkeit, den Kasus
morphologisch zuzuweisen (die Sprache trennt die Begriffe nicht), so daß
eine Anapher mit phonetischer Matrix nicht auftreten kann, sondern die
leere Form der Anapher gewählt werden muß.
Damit diese Erklärung funktioniert, muß freilich die Theorie in zwei
Punkten in unproblematischer Weise geändert werden. Es ist erstens anzu­
nehmen, daß es neben der Argumentsversion von sich auch eine Nicht-Argumentsversion der phonetischen A napher gibt (die dieselben Eigenschaf­
ten hat wie NP-trace, also die zugewiesene them atische Rolle weitergeben
muß). Dazu sind wir ohnehin gezwungen, weil in der reflexiven Konstruk­
tion (76) jeweils nur eine einzige thematische Rolle vom Verb regiert ist. Wä­
re sich hier ein A-Ausdruck, dann könnte die lexikalische NP der Brunnen
oder sich keine thematische Rolle mehr erhalten. Die O ption, ein A-Aus­
druck zu sein oder nicht, ist weiter keine Eigenheit der phonetisch spezifi­
zierten Anapher. Auch bei den A naphern ohne phonetische Matrix finden
sich parallele Verhältnisse insofern,als die A napher NP-trace kein A-Ausdruck ist, die (pronominale) A napher PRO hingegen sehr wohl.
Zweitens muß man die Bildung von Ketten bereits in der D-Struktur
zulassen. Die A-Kette zwischen sich und der Brunnen in (76b) kann ja nicht
durch Bewegung entstanden sein. Man erhält damit die O ption, auch Pas­
sivsätze bereits in der Basis zu generieren, also (87) als D-Struktur zu
erzeugen.
(87)
Hej was kissed e,.
Im Rahmen der GB-Theorie kann also ohne größere Ä nderungen eine kon­
sistente und komplette Analyse der unpersönlichen Passiva des Deutschen
gegeben werden. Wegen des A uftretens dieser K onstruktion dem deut­
schen Passiv generell syntaktischen U rsprung und Bewegungscharakter
abzusprechen (H aider 1981), beruht obendrein auf einer Verwechslung von
deskriptivem Begriff und gram m atischer Regel. Da unpersönliche Passiva
existieren, können nicht alle Passiva Bewegung involvieren.
Sicher impliziert dies nur dann das Fehlen von Bewegung bei Passiv gene­
rell, wenn die Syntax eine Regel “Passiv” aufwiese. Letzteres ist aber im Rah­
177
men von Chomsky (1981) nicht der Fall. Wie oben bereits dargestellt, ergibt
sich die Datenlagc beim Passiv nicht über das Wirken einer einzigen Regel.
Verschiedene Subtheorien wie das Theta-K riterium , Burzios Generalisie­
rung interagieren miteinander, und nur durch deren Zusammenspiel ergibt
sich die deskriptive Kategorie “Passiv". Die Bewegung einer NP wird insge­
samt durch den Kasusfilter erzwungen. Wo keine NP ihren Kasus verlieren
kann, weil gar keine NP vorhanden ist, wird aber auch keine Bewegung er­
zwungen. Passiv ist, vielen grundsätzlichen Behauptungen zum Trotz (H ai­
der und Sternefeld, loc.cit.), also durchaus konfigurational zu erklären.
5.4. Das Fernpassiv
Ein zentrales A rgum ent gegen den Bewegungscharakter des deutschen Pas­
sivs kann man daraus ableiten wollen, daß das D eutsche kein iteriertes Passiv
wie in (88) kennt. Das Subjekt eines Passivsatzes scheint immer aus dem the­
matischen Rahmen des betreffenden Verbs zu stamm en, was im Prinzip eine
lexikalische Erklärung über den them atischen Rahmen ermöglicht.
(88)
This bedj was believed ei to have been claimed
slept in e;.
to have been
Dieses A rgum ent scheint an sich schon sehr zweifelhaft. Höhle (1978) hat ja
gerade Wege dafür aufgezeigt, wie ein iteriertes Passiv in einer lexikalischen
Passivbehandlung in den Griff zu bekommen ist. Ist dies aber möglich, dann
kann das Vorhandensein oder Fehlen einer Passiviteration kaum zwischen
Erklärungsversuchen unterscheiden helfen.
Obendrein scheint die A rgum entation auch deshalb belanglos, weil das
Deutsche mit Sätzen wie (89) und (90) eben gerade die Passiviteration auf­
weist. Damit ist aber gezeigt, daß Passiv wohl im Deutschen im Prinzip
Bewegung involvieren können muß. Sicher wäre es dabei aber widersinnig,
ein Fernpassiv-werden für (89) und (90) anzusetzen, das Bewegung einer NP
auslöst, und ein “norm ales” Passi\-werden, das lexikalische Regeln auslöst.
Also sollte Passiv im D eutschen generell ein Bewegungsprozeß sein. Sehen
wir uns nun die entsprechenden D aten und ihre Erklärung genauer an!
(89)
(90)
D er Wagen wurde (ej zu reparieren) versprochen.
D er D iener ist umbringen zu lassen.
Aus dem Fehlen von Parallelkonstruktionen zu (88) Schlüsse zu ziehen, ist
kaum möglich. Das Deutsche kennt, wie das Französische auch (cf. Kayne
1981b), keine A cl-K onstruktionen unter verba dicendi und sentiendi, was
178
man mit Kayne auf das Fehlen eines echten “prcposition stranding" in den
beiden Sprachen zurückführen kann. Die A cl-K onstruktion bei sehen ist
hingegen auch im Englischen aus irgendwelchen bisher nicht bekannten
Gründen nicht passivierbar.
(91a)
(91b)
*Mary was seen t, be kissed e,.
'M aria wurde geküßt werden gesehen.
Eine Handvoll von Matrixverben des Deutschen erlaubt hingegen eine per­
sönliche Passivkonstruktion, bei der das Subjekt them atisch dem Objekt
des eingebetteten Satzes entspricht. Neben dem Beispiel (89) sind hierfür
Sätze wie (92) Belege.
(92a)
(92b)
(92c)
(92d)
(92e)
(92f)
Wenn solche Neologismen dem Bürger zu rezipieren zuge­
mutet werden.
Diese Fragen sollen im folgenden zu beantw orten versucht
werden.
Weil diese Stücke aufzuführen verboten worden waren.
Die Aufgaben, die zu lösen mir bcschieden waren.
D er stolze Weg, der zu gehen mir vergönnt war.
Der Brief war einzustecken vergessen worden.
Sicherlich ist zuzugeben, daß nicht alle deutschen Sprecher im gleichen
Ausmaße die Konstruktion (92) akzeptieren oder verwenden. (92) stellt in
der einen oder anderen Weise einen Grenzfall dar. Höhle (1978) irrt aber
m .E ., wenn er schreibt, daß K onstruktionen wie (92) praktisch nur bei ver­
sprechen möglich sind. Vielmehr lassen sich für (92) durchaus auch Belege
finden, etwa in den Gram m atiken von Behaghel und Blatz.
(92)
findet im Englischen keine Entsprechung, wohl aber im Litaui­
schen, cf. (93a) und (93b) aus Genusiene (1977) (und marginal auch im Ita­
lienischen, cf. (93c) aus Burzio (1981).
(93a)
(93b)
(93c)
Namas buvo pradetas statyti t£va.
“Das Haus wurde vom Vater zu bauen begonnen.”
Miestas numatomas pastatyti.
“Die Stadt wird-beabsichtigt zu b au en .”
II palazzo fu com inciato/continuato a costruire.
Wie im Deutschen ist es daneben noch möglich, ein unpersönliches Passiv
zu bilden, bei dem die Objekts-N P des K om plem entsatzes in diesem als
Akkusativ verbleibt, cf. (94):
179
(94a)
(94b)
Weil den Wagen zu reparieren beabsichtigt worden war.
D er Weg, den zu gehen mir vergönnt war.
(9 4 c )
N u m a t o m a p a s ta ty ti m ic s ta .
“Es wird beabsichtigt, die Stadt zu bauen."
Für die syntaktische Struktur des Fernpassivs mag zunächst eine Analyse
wie (95) nahcliegen. Es scheint keinen Weg zu geben, hier eine lexikalische
Passivbehandlung anzusetzen, wie Höhle (1978) bem erkte. Eine Regel, die
über dem them atischen Rahmen eines Prädikats operiert, darf von vornher­
ein nicht Elem ente außerhalb desselben involvieren.
(95)
(D er Wagen, (s PRO e, zu reparieren) versprochen wurde).
Die Konstruktion in (95) ist also in der einen oder anderen Weise durch
einen Bewegungsprozeß entstanden. Da die Bewegung aus einem Komple­
mentsatz heraus erfolgte, ist auch in einer nicht-konfigurationalen Syntax
an sich kein Problem mit der Bindungstheorie zu erwarten. In einer Struk­
tur wie (96a) bindet ja die zurückgelassene A napher nicht unter Verletzung
von Bindungsprinzip C ihr A ntezedens, anders als im lokalen Passiv (96b).
(96a)
(96b)
(NPj (s PRO NPj V) V-pass)
(NPj e, V-pass)
Damit ist prima facie die Konstruktion (92) und (93) kein Argument für
den generellen Bewegungscharakter von Passiv und damit für eine VP im
Deutschen, weil ja die Bewegung in (96a) eben auch in einer VP-losen
Sprache möglich ist.
Nur würde dies bedeuten, daß das Deutsche zwei A rten eines Passivs
kennt: einmal das lokale Passiv, welches sich durch eine lexikalische Regel
erklärt, und auf der anderen Seite noch ein syntaktisches Passiv, mit dem
man die Fernpassivfälle abdeckt. Dies würde implizieren, daß die PassivMorphologie im D eutschen selbst noch einmal ambig ist. Solange es keine
zwingenden A rgum ente dafür gibt, muß dieser Ansatz abgelehnt werden,
also davon ausgegangen w erden, daß Passiv im Deutschen allgemein ein
Bewegungsprozeß ist, wie er in Chomsky (1981) vorgeschlagen wurde. Dar­
aus folgt die Existenz einer VP im Deutschen.
Mit der Beschreibung in (95) kann man natürlich noch nicht zufrie­
den sein. Die zurückgelassene Spur ej ist unter Verletzung von Bindungs­
prinzip A in ihrer M GC frei, denn das nächste zugängliche Subjekt ist
PRO. Bevor der Wagen also in den Matrixsatz gehoben werden kann,
180
muß die Struktur des Komplementsatzes in der einen oder anderen Weise
verändert werden, damit die zurückgelassene A napher korrekt gebunden
ist.
Auffällig an der Fernpassiv-Konstruktion ist zunächst, daß der Komple­
mentsatz nicht extraponiert werden kann. Dies kann keine allgemeine
Eigenschaft des Matrixverbs erzwingen. Bei einer parallelen unpersönli­
chen Passivierung (bei der das Objekt im Komplement bleibt) ist Extra­
position erlaubt (und für einige Sprechcr sogar m andatorisch).
(97a)
(97b)
*Weil der Wagen heute versprochen wurde zu reparieren.
Weil heute versprochen wurde, den Wagen zu reparieren.
(97a) kann auch nicht deswegen ungrammatisch sein, weil die Extraposi­
tion irgendwelche Prinzipien der Bindungstheorie verletzte, die in (92) und
(93) nicht schon verletzt wären. Da der Wagen das Subjekt ist, c-kommandiert diese NP auch bei Extraposition des Infinitivs an S oder an VP in
jedem Fall die Objektsspur. D er abweichende C harakter von (97a) erinnert
vielmehr an die /a55?rt-Konstruktion, bei der Extraposition des Komple­
ments ebenfalls verboten ist.
(98)
*Weil der Bürgerm eister den Mann ließ seine G elder ab­
holen.
Charakteristisch erscheint auch das Verhalten der Fernpassiv zulassenden
Verben bezüglich der Negation. Ein im K om plem entsatz stehendes nicht
kann bei Verben wie bitten (kein Fernpassiv) nur auf den Komplement­
satz selbst bezogen sein, eine D eutung mit weitem Skopus für nicht, wie
in (99b) angedeutet, ist für (99a) nicht möglich. Im Gegensatz zur Komplementation bei bitten ist für (100a) mit versprechen oder (100b) mit ver­
suchen sowohl eine Interpretation von nicht mit weitem als auch mit
engem Skopus möglich, cf. (100c). Dies liegt nicht an der Intransitivität
von versuchen/versprechen, da intransitive K ontrollverben wie empfehlen
oder aber vorschlagen, die beide kein Fernpassiv zulassen wie bitten, kei­
nen weiten Skopus (wie in (101d) angedeutet) für eine sich im Komple­
mentsatz befindende Negation dulden, cf. (101a) und (101b). Daneben
wird auch von versprechen und versuchen bei extraponiertem Komple­
ment (das Satzcharakter haben m uß, da nur Sätze extraponierbar sind)
nur enger Skopus für nicht toleriert (102a), wohingegen bei den Fernpas­
sivfällen (102b) die Negation stets weiten Skopus zu haben scheint.
181
(99a)
(99b)
Weil er mich den Kuchen nicht zu essen gebeten hat.
Es ist nicht so, daß er mich gebeten hat, den Kuchen zu
essen.
(100a)
(100b)
(100c)
Weil er nicht zu kommen versprechen wollte.
Weil er den Kuchen nicht zu essen versucht hat.
Es ist nicht so, daß er den Kuchen zu essen versucht hat.
(101a)
(101b)
(101c)
(101d)
(102a)
(102b)
Weil Petra den
Weil Anna den
Es ist nicht so,
Es ist nicht so,
Kuchen nicht zu essen vorschlug.
Kuchen nicht zu essen empfahl.
daß Petra den Kuchen zu essen vorschlug.
daß A nna den Kuchen zu essen empfahl.
Weil er versucht hat, den Bürgerm eister nicht zu grüßen.
Weil der Wagen nicht zu reparieren versucht worden war.
(99) bis (102) sind nun sofort erklärt, wenn die Skopusfestlegung für nicht
durch eine Bewegungsoperation auf der Ebene der Logischen Form
geschieht, die nicht an das nächststehende S oder S’ adjungiert. In den
Fällen (99), (101) und (102a), wo eine Satzgrenze zwischen Matrix- und
Komplementverb interveniert, ist nur enger Skopus für die Negation
möglich. Für (100) können wir uns überlegen, daß Verben wie versuchen
oder versprechen optional dieselbe Reanalyseregel anzuwenden erlauben,
die schon bei lassen die S-Grenze beseitigt hat, nämlich etwa Verb-Anhe­
bung im Sinne von Evers (1975). Da die Regel applizieren kann, aber
nicht muß, besteht für (100) die O ption, eine Komplement-Satzgrenze zu
belassen oder sie zu tilgen. D em entsprechend steht die nächste Landepo­
sition für nicht entw eder unter oder über versuchen!versprechen. Da nur
Sätze extraponiert werden können, kann bei Extraposition die Reanaly­
seregel nicht angew endet worden sein. Dann aber sagt die intervenie­
rende S-Grenze korrekt vorher, daß (102a) eindeutig ist. Für (102b) hin­
gegen folgt aus der Feststellung, daß dieser Satz eindeutig mit weitem
Skopus für nicht ist, daß beim Fernpassiv die Reanalyse angewandt wor­
den sein muß.
Alternativ zu der A nalyse, die die Satzgrenze qua Reanalyse beseitigt,
wäre auch denkbar, über einen W ortbildungsprozeß komplexe Verben wie
zu reparieren versprechen etc. herzustellen, also den Wagen als Komple­
ment des komplexen Verbs zu betrachten. Dieses könnte dann “norm al” ,
also lokal, passiviert w erden. Stören mag an dieser Analyse zunächst ein­
mal, daß man die Konjunktion ‘zu’ hierfür in einem komplexen Wort
erzeugen müßte oder im Italienischen die Konjunktion ‘a \
182
Tatsächlich würde die lexikalische Analyse erzwingen, eine zusätzliche
Regel in die Grammatik zu inkorporieren. Wie (103) zeigt, ist bei kohären­
ter Konstruktion im Mittelfeld auch dann eine Negation mit weitem Skopus
möglich, wenn versprechen unpersönlich passiviert wird.
(103)
Weil den Wagen nicht zu reparieren versucht wurde.
Es muß daher neben dem lexikalischen Prozeß, der versuchen und reparie­
ren zusammenschweißt, zusätzlich die Möglichkeit geben, bei einer reinen
S-Einbettung qua Reanalyse wiederum die für die weite Negation hinderli­
che S-Grenze zu beseitigen. Der Versuch,(92) über S-Rcanalysc allein zu
erfassen und nicht durch eine W ortbildungsregel, kennt diese Schwierigkeit
nicht. Da versuchen passiviert ist und nicht unbedingt reparieren, ist davon
auszugehen, daß den Wagen zwar in die M atrixsatzsubjektsposition bewegt
werden kann, aber nicht muß, weil auch in der O bjektsposition noch Kasus
zugewiesen wird. Reanalyse erzwingt mithin keinesfalls Fernpassivierung.
Zusätzlich kommt die lexikalistische Analyse noch in Schwierigkeiten, die
Verteilungsmöglichkeiten für den Dativ zu erfassen. Im Deutschen darf pro
Satz der Dativ vom Verb nur ein einziges Mal zugewiesen werden. In Sät­
zen wie (104a) liegt entw eder der ethische Dativ vor, der stets frei zuweisbar ist und im wesentlichen auf Pronomina der ersten Person beschränkt
zu sein scheint, wohingegen in (104c) der zweite Dativ von zu stammt.
(104a)
(104b)
(104c)
Schenk mir der Maria ja kein Linguistikbuch zu Weihnach­
ten!
*Schenk der Heike ja der Maria kein Psychologiebuch zum
Geburtstag!
Die Regierung verspricht der O pposition dem Volke zu
viel.
Bildet man komplexe Verben aus mehreren Prädikaten, dann ist im Prinzip
zu erwarten, daß diese ihre Kasusrektionsfähigkeit zusam m enblättern. Spe­
ziell heißt dies, daß das komplexe Verb nun z.B. zwei Dative regieren kön­
nen sollte. So addiert mit einiger Regelmäßigkeit die Voranstellung einer
Präposition eine D ativrektion, etwa bei den Präpositionen zu, davon, hin­
terher (die selbst - bei Weglassen von da - den Dativ regieren), cf.
(105a)
(105b)
(106a)
(106b)
*Karl ist mir geschwommen.
Karl ist mir hinterhergeschwom m en.
*Ich lächle dem Mädchen.
Wir haben dem M ädchen zugelächelt.
183
(107a)
(107b)
"Wir sind den Verfolgern geschwommen.
Wir sind den Verfolgern davongeschwommcn.
Wird aber nun davon oder zu mit einem den Dativ regierenden Verb ver­
bunden, so muß einer der beiden möglichen Dative tatsächlich Wegfällen.
Das Verbot der doppelten Dativrektion bezieht sich folglich auch auf die
Produkte von W ortbildungsprozcssen.
(108a)
(108b)
Wir haben dem Bürgerm eister seinen Angestellten (ins
Landratsam t) davonempfohlcn.
*Wir haben dem Bürgerm eister seinen Angestellten dem
Landrat davonempfohlcn.
In der Fernpassivkonstruktion sind aber nun maximal zwei Dative e r s e tz ­
bar, was nur dann vorhersagbar ist, wenn tatsächlich zwei Verben mit ihrer
Kasusrektion in der Basis eingesetzt werden. Z u übergeben versprechen
und zu reparieren versprechen können daher keine komplexen Verben sein.
(109)
Weil mir der Wagen dem Bürgerm eister zu übergeben ver­
sprochen worden war.
Daneben hat man marginal die Möglichkeit, adverbiale Partikeln zwischen
die beiden Verben im Fernpassiv zu schieben, was ebenfalls mit einer Wort­
analyse unvereinbar ist (aber zugegebenerm aßen auch für die Reanalysetheorie wegen der A djazenzforderung dann Probleme bereitet, wenn man
nicht bereit ist, eine vorangehende Reanalyse von nie und versprechen zu
einem V-Komplex zuzulassen).
(109')
Weil mir der Wagen dem Bürgerm eister zu übergeben nie
versprochen worden war.
Eine für die Beschreibung wichtige Beobachtung, welche ich Peter Staudacher verdanke, ist nun, daß beim Fernpassiv keinerlei Auxiliäre zwischen
K omplem entsatzhauptverb und M atrixverb intervenieren dürfen.
(110a)
(110b)
*Weil der Wagen bis morgen repariert zu haben versprochen
war.
Weil versprochen worden war, den Wagen bis morgen repa­
riert zu haben.
Damit liegt das Fernpassiv parallel zu der lassen-Konstruktion mit ver­
meintlicher “V P-E inbettung” . W iederum ist folgender Ableitungsgang
naheliegend: Passivierung des Komplem entsatzverbes (ohne morphologi-
184
sehe Konsequenz), dann Reanalysc, welche die Notwendigkeit beseitigt,
die Applikation der Passivierung auch morphologisch oder auxiliar anzuzei­
gen. Die Ableitung von (92) ist also die in (111) angcdcutete.
(111)
Der Wagen, (s ct zu reparieren)) versprochen wurde.
Als Argument für diese Beschreibung kann man zwei Beobachtungen her­
anziehen, die über die allgemeine Aussage hinausgehen, daß durch Passi­
vierung und iterierte NP-Bewegung das für die Bindungstheoric kritische
PRO beseitigt ist und, wie bei lassen schon gezeigt, keine weiteren Stipula­
tionen erforderlich sind, damit die Analyse funktioniert.
Nehmen wir an, die oben angedeutete Vermutung wäre richtig, daß die
unpersönliche Passivierung deshalb eine O ption ist, weil in (103) das
Objekt Kasus zugewiesen bekommen kann und daher nicht bewegt werden
muß. Offensichtlich entstünde dann das Problem zu erklären, weshalb man
in (112) nicht das Dativobjekt des Komplem entsatzes in die Subjektsposi­
tion schieben kann.
(112a)
(112b)
Weil dem Mann zu helfen versucht worden war.
*Weil der Mann, e, zu helfen versucht worden war.
D er naheliegendste Weg zur Wegerklärung von ( 12b) besteht im Verbot des
Kasuskonfliktes. Der Mann wird in (112b) in zwei Positionen mit Kasus
unterschiedlicher Natur versehen. (112b) ist also blockiert, wenn diese
zweifache Kasusmarkierung verboten ist. Wenn man (92) eine Ableitung
mit direkter Bewegung von der Objektsposition an die Matrixsatzsubjektsstelle gäbe, käme man mit dieser Erklärung in einige Schwierigkeiten.
Auch hier läge dann ja eine NP vor, die im Komplem entsatz den Akkusativ
zugewiesen bekäm e, im Matrixsatz dagegen in einer Nominativposition
steht. Wenn hingegen wie in der hier vorgestellten Analyse der Komple­
mentsatz selbst passiviert ist, entsteht kein Kasuskonflikt. Mit der Passivie­
rung verliert das Komplem entsatzverb ja auch seine Fähigkeit, den Akku­
sativ zuzuweisen. Lateinische D aten mögen aber die Kasuskonflikterklärung eventuell in Frage stellen, cf. dazu (113).
(113a)
(113b)
(113c)
Caesar putat Gallos bellicosos esse.
Galli bellicosi esse putantur.
Gallos bellicosos esse putatur.
Wie (113) sofort zeigt, kann der A kkusativ in (113a) nicht vom Matrixverb
putare stammen. Bei Passivierung geht auch im Latein die Fähigkeit zur
185
Akkusativrektion verloren. D ieser Kasus scheint beim A cl, wie Bolkestein
(1979, 1981) und Pillingcr (1980) betonen, aus dem Komplementsatz selbst
zugewiesen zu sein (eventuell von einem infiniten INFL?). ln (113b) ist aber
die Möglichkeit exemplifiziert, das Akkusativ-Subjekt des Komplem entsat­
zes aus (113c) in die Position des Subjekts des Matrixsatzes zu schieben (dort
wird mit Nominativ m arkiert und zu INFL Kongruenz aufgebaut), obwohl
eben im Komplem entsatz selbst Gallos Kasus bekommen kann.
Aus dem Latein stamm t auch die Beobachtung, daß tatsächlich in eini­
gen Sprachen die zum Fernpassiv äquivalente Konstruktion mit morpholo­
gischer Passivrealisierung für beide Verben gebildet werden.
(114)
Pons rescindi iussus est.
Iubere ist kein Acl-Verb, weshalb eine Erklärung analog zu (113c) ausge­
schlossen ist, tatsächlich ist auch (115) ungrammatisch.
(115a)
(115b)
*Pons rescindere iussus est.
*Caesar iussit pontem rescindere.
Der Unterschied zwischen Deutsch und Latein mag dahingehend erklärbar
sein, daß im Latein das Passiv nicht auxiliar gebildet ist. Reanalyse wird
damit nicht vom intervenierenden Auxiliar blockiert. Weiter mag ein UGPrinzip existieren, demzufolge Passivierung morphologisch sichtbar
gemacht werden muß, wenn dies möglich ist. Die deutsche Option scheint
erst dadurch erm öglicht, daß über den auxiliaren C harakter des deutschen
Passivs eine Sichtbarm achung bei Reanalyse ausgeschlossen ist.
Der Ableitungsgang für das Fernpassiv ist also der folgende: Passivie­
rung des K omplem entsatzverbs mit NP-Bewegung des Komplementsatzobjekts an die K om plem entsatzsubjektsposition, dann Passivierung des
Matrixsatzverbs und subsequente Bewegungen von Subjekt nach Subjekt,
unter der Voraussetzung der Reanalyse. Versprechen unterscheidet sich mit­
hin von lassen ausschließlich dadurch, daß lassen einer nicht thematisch
selegierten NP A kkusativ zuweisen kann, versprechen jedoch nicht, was
(116) ausschließt.
(116)
*Er verspricht den Wagen durch Maria zu reparieren.
Weshalb fehlt nun die Fernpassivkonstruktion im Englischen? Da sie im
Italienischen ebenfalls vorliegt, fallen die möglichen Erklärungsansätze
“VP oder nicht?” oder “SVO vs. SOV” oder “freie vs. feste Wortstellung”
usw. weg. Betrachten wir nun (117):
186
(117)
It was forgottcn to post thc Icttcr.
Voraussetzung für die Passivierung ist, daß eine Kasusrektion absorbiert
wird. Im Englischen kann Kasus nur dann zugewiesen werden, wenn sich
eine NP im Rektionsbereich des Verbs befindet. Da auch Verben mit Satz­
komplement passivierbar sind, werden auch Sätze im Komplement von
(aktiven) Verben einer Kasusrektion unterliegen, die dann in (117) beseitigt
wird. Beseitigt aber die Reanalyseregel das Satzkom plem cnt virtuell, so
regiert in (118) forget kein Komplement mehr, das als S oder NP Kasus
zugewiesen bekommen könnte.
(118)
np forgot to post the letter.
Es ist also nicht möglich, forget in (118) zu passivieren, da die Absorptions­
bedingung nicht erfüllt werden kann, wenn Reanalyse stattgefunden hat.
Liegt andererseits Reanalyse nicht vor, dann ist Passivierung zwar möglich,
aber nun verhindert die Bindungstheorie die weite Bewegung von the letter
an die Satzsubjektsposition, weil ein PR O -SU B JEK T zwischen Antezedens
und Spur interveniert. Es besteht also kein Weg, (119) abzuleiten.
(119)
*The letter was forgotten to post e^
Analog findet sich im Deutschen kein durch ein Dativauxiliar ausgelöstes
Fernpassiv, weil der Dativ stets gleichzeitig strukturell und morphologisch
zugewiesen zu werden scheint. Da die Möglichkeit, unpersönlich zu passivie­
ren - auch dann, wenn die Reanalyse den eigentlichen Kasusfänger beseitigt
hat - Voraussetzung für das Fernpassiv ist, ist vorhergesagt, daß bekommen
kein Fernpassiv akzeptiert, und das scheint auch der Fall zu sein.
(120a)
(120b)
*Das Mädchen bekam den Ball zu schenken versprochen.
*Der O berarzt bekam das Auge herausoperiert versucht.
Eben habe ich gezeigt, daß im Deutschen durchaus Passivformen existieren,
für die keine andere als eine Bewegungsanalyse denkbar ist und daß das
Deutsche wie das Englische auch eine Passiviterierung zuläßt. Weshalb aber
erlaubt das einzige “echte” Acl-Verb des Deutschen keine Passiviteration?
(121)
*Der D iener wurde umbringen gelassen.
Die Erklärung hierfür scheint weitaus simpler zu sein als alle normalerweise
erwogenen O ptionen. Wie Walter H uber (1980) zeigte, weist nur das nicht­
kausative lassen eine Partizip-Perfekt-Form auf, wohingegen das kausative
lassen sein Perfekt mit dem Infinitiv bildet. Trivialerweise regiert nun
187
werden das Partizip Perfekt, und man kann daher ein werden-Passiv auch
nur bei den Verben erw arten, die ein Partizip Perfekt aufweisen. Wenn die­
ser Gedanke stichhaltig ist, dann sollte die kausative Version von lassen
aber passivierbar sein, und dies ist ganz bestimmt so.
(122a)
(122b)
(122c)
Hans wird warten gelassen.
Hans wird stehen gelassen.
D er Verletzte wurde liegen gelassen.
Die hier vorgestellte Hypothese läßt sich auch am zweiten Passivauxiliar
testen, das den Infinitiv regiert, nämlich dem modalen sein. Eine Passivie­
rung im Komplem entsatz, so die obige Analyse, ist nur möglich für das kau­
sative lassen, welches kein Perfekt Partizip bildet. Wenn nun die Idee rich­
tig ist, daß keine U G -G ründe dem Satz (121) entgegenstehen, sondern das
simple Faktum, daß die Form gelassenkausdtlv nicht definiert ist, dann muß
eine Passivierung auf ist-zu akzeptabel sein, weil der morphologische Hin­
derungsgrund dabei wegfällt. Tatsächlich ist aber (123) wesentlich besser
als (121) und akzeptabel.
(123)
(124)
D er D iener ist umbringen zu lassen!
D er D ien er ist (e, (Vp e, umbringen) zu lassen).
In (124) finden wir die iterierte Passivanwendung von (123) wiedergege­
ben. Passiv involviert also auch im Deutschen Iterationen und, wie wir
beim Fernpassiv gesehen haben, in jedem Falle Bewegung.
5.5. “Raising-to-Subject” im Deutschen
Neben dem im vorangegangenen U nterabschnitt besprochenen Passiv
gehört die sog. “Raising-to-Subject”-Konstruktion zu den Konfigurationen,
die im Englischen durch Bewegung erklärt werden und für die man im D eut­
schen zunächst Zweifel Vorbringen mag, ob auch hier eine Bewegungsana­
lyse sinnvoll ist. Die Bedenken involvieren wie beim Passiv die Tatsache,
daß die angehobene NP sich in der O berflächenstruktur in einer Position
zwischen K om plem entsatzobjekt und Komplem entsatzverb befinden kann,
weshalb sie noch K onstituente des Komplem entsatzes sein muß, cf.
(125)
Weil mir ein A uto gestohlen worden zu sein scheint.
Schon beim Passiv hatte sich aber gezeigt, daß man angesichts eines U nter­
schiedes in deskriptiven Konstruktionsklassen zwischen Sprachen nicht
188
unbedingt auf einen Unterschied bei der applizierenden Regel schließen
kann. Im Deutschen besteht die Möglichkeit, über INFL den Nominativ
auch über Projektionsgrenzen hinweg zuzuweisen. “ Raising-to-Subject”
(RS) involviert auch im Englischen, wie in Kap. 2.4 gezeigt, S'-Tilgung, so
daß zwischen dem Nominativ zuweisenden INFL des M atrixsatzes in (125)
und der NP ein Auto nur VP als einzige M axim alprojektion interveniert,
bezüglich derer die Passivdaten allein schon zeigen, daß sie Kasuszuwei­
sung nicht blockieren kann. D aher muß ein A uto in (125) keinesfalls wie im
Englischen an die Matrixsatzsubjektsposition bewegt werden (im Engli­
schen ist die Option einer fernen Zuweisung des Nominativs ja durch die
Adjazenzforderung für Kasusmarkierung ausgeschlossen).
Die für die VP-Frage nun einschlägige Beobachtung zielt auf die Extraponierbarkeit der Infinitivkomplemente. Alle Auxiliarverben erlauben nur
kohärente, d.h. nicht der Extraposition unterw orfene Konstruktionen.
(126)
(127)
(128)
*Weil die H unnen nicht können uns besiegen.
*Weil unsere Frauen nicht dürfen den Avaren in die Hände
fallen.
*Weil ich habe dummes Zeug geschrieben.
Dies mag insofern nichts direkt mit dem A uxiliarcharakter zu tun haben,
als ZM-Iose Infinitive immer kohärent konstruiert werden müssen. Dies
wäre unter den Voraussetzungen von K ratzer (1984) eine triviale Konse­
quenz der Tatsache, daß das D eutsche nur S \ nicht aber VP extraponieren
kann wie jede andere Sprache auch.
(129)
(130)
(131)
(132)
*Weil
*Weil
*Weil
ken.
*Weil
wir gehen eine Zeitung kaufen.
der R itter blieb in A nwesenheit des Basileus sitzen.
wir die Raben sehen den R ittern die Augen aushakwir wollen von A nnegret verführt w erden.
Allerdings können auch die beiden mit zu konstruierten Hilfsverben nur
kohärent benutzt werden.
(133)
(134)
(135)
(136)
Obwohl Karl der G roße keinen M itgliedsbeitrag zu zahlen
braucht.
*Obwohl Karl der G roße braucht keinen M itgliedsbeitrag zu
zahlen.
Weil A nnegret uns zu umschwärmen h a t.
*Weil Annegret hat uns zu umschwärmen.
189
Dem steht gegenüber, daß ein Teil der angesetzten Anhebungsverben
durchaus Extraposition zulassen.
(137a)
(137b)
(137c)
(137d)
(137e)
(137f)
(137g)
(137h)
Weil es zu regnen anfing.
Weil cs anfing zu regnen.
D enn es hört auf, mir Freude zu bereiten.
D enn es hört mir Freude zu bereiten auf.
Weil es zu gießen scheint.
*Weil es scheint zu gießen.
Ludwig der D eutsche glaubt nicht, daß der Rhein über die
U fer zu treten droht.
Ludwig der Deutsche glaubt nicht, daß der Rhein droht,
über die U fer zu treten.
Wenn das Infinitivkom plem ent nun bei Anhebungsverben extraponierbar
ist, dann muß NP-Bewegung offenbar auch im Deutschen bei RS im Spiele
sein: extraponierbar sind PPn und Sätze. Wenn wie in (137b) oder (137h)
das thematische Subjekt des eingebetteten Satzes nicht von der Satzbewe­
gung mit erfaßt w urde, muß es diesen Satz verlassen haben.
Egal, ob diese Extraposition den Satz unter S stellt oder an VP adjungiert, ist von der M atrixsatzsubjektsposition her die Subjektsspur im Kom­
plementsatz korrekt gebunden, cf.
(138)
esj
S
anfing
ej
zu regnen
Eine alternative A bleitung von (137h) ohne Satzextraposition könnte darin
gesehen w erden, daß hier die allgemeine Verbinversionsregel des D eut­
schen angewandt wird. Es finden sich ja etwa Sätze wie (139):
190
(139a)
(139b)
Weil wir sie versuchten zu verführen.
Weil wir Maria meinten überzeugen zu können.
In (139) stehen im Mittelfeld des M atrixsatzes' O bjekte des “extraponierten” Komplementsatzes. Es ist schlecht möglich, diese Konstruktionsoptio­
nen durch eine S-Extraposition mit anschließender wh-Bewegung in das
Mittelfeld des Matrixsatzes hinein zu erklären oder durch eine Extraposi­
tion nach w/i-Bewegung aus dem Komplem entsatz heraus. Dies ist ausge­
schlossen, weil bei der “Extraposition" des Verbs kaum nicht-verbale
Bestandteile mit hintangestellt werden können.
(140a)
(140b)
???Ich möchte dem B ürgerm eister versuchen einen Teller zu
schenken.
Ich möchte auf Ihre Frage versuchen ein präzise Antwort
zu geben (eine A ntw ort geben = antw orten, also FVF).
Man sollte daher Konstruktionen wie (139) und (140) eher als Ergebnis der
Applikation der oben schon angesprochenen Regel ansehen, die Hilfsver­
ben wie haben über mehrere Infinitive hinweg an die Spitze des Verbalkom­
plexes stellt. Schließlich sind auch (139) und (140) nur möglich für die Ver­
ben, die echt kohärent konstruieren (also qua Reanalyse keinen Satz mehr
einbetten), d.h. Verben wie versuchen haben in solchen Strukturen durch­
aus auxiliarähnliche Eigenschaften.
Es könnte also durchaus (137) durch solch eine Voranstellung von anfing
erzeugt sein und nicht durch Extraposition des Kom plem entsatzes t, zu reg­
nen. Dann könnte kein A rgum ent für die O ption, bei RS bewegen können,
formuliert werden. Wenn wir aber Wunderlichs (1980) Beobachtung ernst­
nehmen, daß tatsächlich nur Verben oder E lem ente des engen Verbkomple­
xes durch die Voranstellung des Finitums hinter dieses gelangen können,
dann lassen sich D aten wie (141) eben gerade nicht mit Finitumsbewegung
erklären, sondern nur durch Extraposition.
(141a)
(141b)
Es hat angefangen, ganz heftig in der Innenstadt zu regnen.
Ludwig glaubt nicht, daß der Rhein droht, w ieder so doll
über die U fer zu treten wie dam als beim Avarenansturm.
Damit ist das A rgument für die Bewegungsoption bei A nhebung bewahrt
und damit das für einen konfigurationalen A nsatz.
Wenn einerseits bei anfangen usw. ein Satz extraponiert werden kann
und andererseits im D eutschen die Möglichkeit besteht, von einem INFL
191
Kasus tief in einen Komplem entsatz zuzuweisen, dann sollte prima facie
ebenfalls zu erw arten sein, daß auch das Matrixsubjekt mit dem Infinitiv
zusammen cxtraponicrt werden darf. Solche Sätze sind aber ungramma­
tisch.
(142)
*Wcil anfing mir ein Auto zu gefallen.
Der Stern bei (142) erklärt sich aber ganz natürlich (Sascha Felix, p.M .)
durch die U nidirektionalität von Rektion und Kasuszuweisung. Das D eut­
sche ist eine kopffinale Sprache und regiert damit nach links, woraus folgt,
daß Verben ihren Kasus nur nach links zuweisen können. Folglich ist es
möglich, PPn und Sätze ins Nachfeld zu stellen, da diese keinen m orpho­
logischen Kasus benötigen. Da PPn etwa ihre thematische Rolle “inhä­
rent” besitzen, bedürfen sie keines abstrakten Kasus. Für hinausgestellte
Sätze läßt sich mit Stowell (1981) argum entieren, daß die thematische
Rolle der zurückgelassenen Spur zukommt und damit auch der abstrakte
Kasus. Im Normalfall ist aber die NP-Extraktion verboten, weil Kasus
nicht nach rechts zugewiesen wird.
(143a)
(143b)
Wir haben K arten gespielt mit Maria.
*Wir haben gesehen Sandor.
Auch der Nominativ kann nicht nach rechts zugewiesen werden. Bei der
Extraposition (142) wird aber nun die Subjekts-NP ein Auto gerade rechts
von INFL gestellt, weshalb sie dort keinen Kasus bekommt und (142) dem
Kasusfilter zum O pfer fällt.
Ein relativ auffälliges Verhalten, auf das kurz einzugehen ist, weisen die
Verben scheinen!drohen auf. Neben den Auxiliären sind diese die einzigen,
die die K om plem entierung durch einen unpersönlichen Passivsatz im Infini­
tiv zulassen.
(144a)
(144b)
(144c)
(144d)
(144e)
(144f)
Es scheint gebetet zu werden.
Es droht gebetet zu werden.
Es dürfte/m uß/kann/sollte gebetet werden.
*Es fing an, gebetet zu werden.
*Jetzt hörte auf, mir geholfen zu werden.
*Es verspricht, gebetet zu werden.
Wenn meine Analyse der Komplem entation bei lassen richtig ist, kämen
noch Sätze wie (144g) hinzu und je nach dem Grad der Akzeptabilität auch
(144h) und (144i).
192
(144g)
(144h)
( 144i)
Er ließ beten.
Er hörte beten.
Er sah mir helfen.
Wegen (144f) mag man versucht sein, zunächst das Fehlen von unpersönli­
chen Passivinfinitiven in fast allen Kontexten darauf zurückzuführen, daß
eine gewisse Kontrollforderung für Infinitivkom plem ente gegeben ist.
Danach müßte ein Verb wie versprechen ein PRO kontrollieren. Da aber
eine Konstruktion wie gebetet zu werden keine einzige Theta-Rolle zu ver­
geben hat, würde eine Insertion von PRO das Theta-K riterium verletzen.
Eine Ausarbeitung dieses Ansatzes könnte G edanken von Arnim von Stechow und Peter Staudacher (p.M .) aufgreifen, wonach die kontrollierten
Infinitive semantisch keine Propositionen darstellen, sondern Eigenschaf­
ten. Letztere erhielte man, indem PRO als Variable interpretiert wird, über
die etwa in einem kontrollspezifischen Prozeß auf LF dann abstrahiert
würde. Da gebetet zu werden keine abstrahierbare Variable in der Semantik
induzieren kann, würde in (144f) unweigerlich eine Proposition eingebettet
sein und keine Eigenschaft, wie es versprechen verlangte.
Dieser Ansatz scheitert aber in jedem Falle daran, daß Anhebungsver­
ben wie anfangen gerade auch die unpersönliche K om plem entation verbie­
ten. Beim unpersönlichen Fall ist die Subjektsposition nun komplett leer.
Als mehr oder minder gültiges Universal können wir feststellen, daß in die­
sem Fall eine spezielle Verbform als K ongruenzrealisierung aufscheinen
muß. Es gibt Sprachen, die eine eigene unpersönliche Form aufweisen
(z.B. Bretonisch), und solche, die wie das Deutsche eine Konjugationsform
des persönlichen Paradigmas vorschreiben, im D eutschen etwa 3.ps.sg.
oder im Italienischen 3.ps.pl. (cf. Chomsky 1981). W iederum mögen also
rein morphologische G ründe für das Fehlen der Infinitivkom plem entation
im unpersönlichen Fall verantwortlich sein. Die infinite Verbform tritt eben
nur genau dann auf, wenn PRO das Subjekt ist oder Spur, auf der anderen
Seite dann, wenn das Infinitivsubjekt nicht den Nominativ trägt. Im Portu­
giesischen mit seinen Nominativsubjekten für Infinitive finden wir ja kon­
gruierende Formen (cf. Quicoli 1982).
Das Rätsel besteht dann darin, weshalb unter drohen, scheinen und bei
den Auxiliären Einbettungen wie in (144) möglich sind. H ier ist eine Unter­
scheidung denkbar zwischen selbständigen und zugewiesenen Inflektionsformen. Die von INFL zugewiesenen Verbalformen hängen nicht vom Auf­
treten eines anderen Verbs ab. Welche Verbalform erscheint, ist allein von
der Natur von INFL oder der Subjektsposition bestim mt.
193
Hingegen ist in einer K onstruktion wie (145) die Form der nicht-finiten
Auxiliäre vom jeweils dom inierenden Auxiliär abhängig.
(145)
Weil er kommen können wollen gedurft hat.
Infinitivmorphologie bei nicht mit PRO konstruierten Strukturen kann also
dann nicht auftreten, wenn die Inflektionsform selbständig von INFL
bestimmt ist (dann müßte für den Infinitiv PRO vorhanden sein), wohl
aber als von einem Auxiliarverb regierte Form. Dürfen, müssen, können,
sollen etc. weisen in jedem Fall die Infinitivmorphologie zu, so daß hier nun
(144c) grammatisch wird. Anfängen, aufhören oder versprechen hingegen
selegieren keine V erbalm orphologie, das A uftreten eines Infinitivs ist hier
von Spur oder PRO bestim mt.
Wir müssen davon ausgehen, daß scheinen!drohen hier hilfsverbähnlich
selbst M orphologie zuweisen können.
Stowell (1981) hat nun ein Kasusresistenzprinzip formuliert. Es besagt,
daß diejenigen Elem ente keinen Kasus zuweisen können, die selbst Kasus
tragen, und die E lem ente, die Kasus zuweisen, selbst keinen tragen kön­
nen. So wird beispielsweise ja der G enetiv in NPn strukturell zugewiesen
und nicht vom Nomen gesteuert. Dies sieht man daran, daß a) keine Aus­
nahmekasus auftreten können (sie wären, cf. die Lage bei den Adjektiven
und Verben, in einer reich flektierenden Sprache mit lexikalischer Kasusse­
lektion zu erw arten) und b) die Kasuszuweisung adjazent zu erfolgen hat,
was bei lexikalischer Selektion nicht erforderlich ist (cf. die freie Wortstel­
lung im deutschen M ittelfeld), bei struktureller Kasusselektion hingegen
mandatorisch ist, wie das Englische zeigt.
(146a)
(146b)
D er B rief der Journalistin über das Bombardement.
*Der B rief über das Bombardem ent der Journalistin.
Wenn also Nomina keinen Kasus zuweisen können, sollten wir mit Stowell
erwarten, daß sie Kasus tragen, und dies ist sicherlich der Fall. Verben hin­
gegen weisen Kasus zu, tragen aber selbst keinen. Stowells Prinzip ist frei­
lich dahingehend zu korrigieren, daß kasuszuweisende Elemente selbst im
Kasus kongruieren können, denn die Adjektive des Deutschen haben pränominal ja K asusendungen, in Kongruenz zum Trägernomen, und weisen
Kasus zu.
(147a)
(147b)
(147c)
D en mir treuen Mann.
D er mir treue Mann.
*Den mir treue Mann / *der mir treuen Mann.
194
Es ist nun sicher zu erwarten, daß Stowclls Kasusrcsistcnzprinzip ein Korol­
lar einer allgemeineren Forderung sein dürfte. Man kommt dieser mit (148)
näher.
(148)
ZU W EISU N G SPR IN ZIP
Elem ente, die ein M erkmal f zugewiesen bekomm en, kön­
nen selbst kein Merkmal des gleichen Typs wie f zuweisen.
Es folgt daraus, daß neben der Kasusresistenz im Stowcll'schen Sinne auch
die Verben keine zugewiesene Inflektion haben können, d ie selbst Inflektion zuweisen.
Dies scheint im wesentlichen gar keine so schlechte Vorhersage zu sein.
Diejenigen Verben, die die unpersönliche K om plem entation mit Infinitiv
zulassen, können beispielsweise sämtlich kein Partizip Perfekt bilden.
(149a)
(149b)
(149c)
*Der Fluß hat gedroht, über die U fer zu treten.
*Sandor hat einen Apfel zu werfen geschienen.
*Er hat kommen gekonnt/gem ußt/gedurft/.
(für die meisten D ialekte)
Weisen hingegen können/müssen usw. keine Inflektion zu, werden sie also
als Vollverben verwendet, dann erscheint die Perfektm orphologie wesent­
lich natürlicher.
(150a)
(150b)
Er hat das gemußt.
Das hast du aber doch nicht gedurft!
So weit mag die Analyse durchgehen; als Problem stellt sich natürlich die
Option der Hintereinanderschachtelung von M odalverben einerseits und
der Perfektoption qua Infinitiv bei lassen, müssen etc.
(151a)
(151b)
Er hat das machen lassen.
Weil er sie kommen sehen können müssen dürfte.
Man kann (151a) allerdings erklären als frei gew ählter Lückenbüßerwert
für Morphologie, der auftritt, wenn als Zuweiser w eder ein Verb noch
INFL oder das Infinitivsubjekt in Frage kommt. In (151b) mag man ver­
sucht sein, die Hintereinanderschachtelung der Infinitive als ein über Kon­
gruenz ermöglichtes Phänomen anzusehen.
Wenn man scheinen und drohen hier also quasi-auxiliare Eigenschaften
zuweist, ist zu prüfen, inwieweit sie nicht ganz zu den Auxiliären zu rech­
nen wären. Da wir, cf. (144b), drohen auch inkohärent konstruieren kön­
195
nen, schließt sich dies für dieses Verb selbst aus. Auch bei scheinen sind
Zweifel sehr angebracht. Scheinen muß zwar kohärent konstruiert sein wie
ein Hilfsverb, aber es weist den Dativ zu. Kasusrektion ist für kein Auxiliär
zu konstatieren. Nur Verben mit direktem Objektskomplcment regieren im
Regelfall den Dativ. Bei einer A nhebungsanalyse ist der Komplementinfini­
tiv aber ein O bjektssatz, also die Dativrektion unter dieser Erklärung bei
scheinen erwartbar. Auch findet sich bei scheinen das von Radford (1978)
u.a. konstatierte Phänom en, daß der Dativ nicht vom angehobenen Sub­
jekt regiert sein kann.
(152a)
(152b)
*Er scheint sich intelligent zu sein.
*Hans und Renate scheinen einander zu schlafen.
Es ist vollkommen unklar, weshalb unter einer Auxiliaranalyse von schei­
nen (oder einer w ortbildungsähnlichen) die Datenlage so sein sollte, wie
sie ist. Rizzis E rklärung deckt hier nun nicht nur den scheinen-Fa\\ ab, son­
dern auch ergative K onstruktionen, die ebenso keine Objektskoreferenz
zulassen.
(153a)
(153b)
NP! scheinen sieht (s t \ __ V)
NPi (Vp sichi ei V-ergativ)
Wie gesagt, wird nach Rizzi eine A rgum entskette zum nächsten lokalen Bin­
der aufgebaut. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser nächste Binder das Bewegungsantezedens ist oder aber eine NP, die vom Bewegungsantezedens
selbst gebunden wird, tj baut also sowohl bei RS als auch bei ergativen Kon­
struktionen seine A -K ette nun nicht zum entfernter liegenden Bewegungs­
antezedens auf, sondern zur A napher sich. Sich erhält eine thematische Rol­
le vom ergativen Verb bzw. von scheinen, und t! trägt als D-Strukturposition
der bewegten NP selbst eine them atische Rolle, die es qua Kettenbildung an
sich weitergibt. D ort stehen nun unter Verletzung des Theta-Kriteriums
zwei Rollen an einer NP. C -kom m andiert die bei Bewegung gekreuzte A na­
pher hingegen die Spur nicht, wie im Englischen z .B ., dann wird zu ihr auch
keine A-Kette aufbaubar sein,und es entstehen grammatische Strukturen.
(154)
The men seem to each other to be incompetent.
Es ist keine W iderlegung dieses A nsatzes, daß Strukturen wie (155) gramma­
tisch sind, wie Sternefeld (1984, 1985) behauptet.
(155a)
(155b)
E r findet sich klüger, als er ist.
E r kom m t sich dumm vor.
196
Kommen und finden sind ja keine Raising-Verbcn, sondern bestenfalls sol­
che mit Kontrollstruktur, da etwa (156) ungram matisch ist.
(156)
*Mir kommt ihm geholfen vor.
Generell zeigen auch Adjektivkom plem entc die O ption für eine beglei­
tende subjektskoreferente A napher, cf.
(157a)
(157b)
Er schien sich dem Bürgerm eister überlegen.
Die M änner schienen einander für die Posten geeignet.
Wenn die Analyse von Couquaux (1981) und von A braham (1983) richtig
ist, daß Adjektive sämtlich ergativ sind, stellen D aten wie (158) ohnehin
ein Problem für die Rizzi sche Theorie dar, welche folglich irgendwie den
Verbbegriff involvieren muß. So abgeändert wird sie w eiterhin in der Lage
sein, bei Anhebungsanalyse das Datum (152) zu erklären.
(158)
Er ist sich treu.
Eine Wortbildungsanalyse für scheinen + Verb scheidet darüber hinaus
auch aus dem G runde aus, daß in der scheinen-K onstruktion zwei Dative
vorliegen können, was nur dann möglich ist, wenn zwei vollwertige Verben
in der Struktur stehen.
(159)
Dr. Burger scheint uns jedem helfen zu können.
5.6. Zusammenfassung
In den Kap. 2 und 4 sind jeweils eine ganze Reihe von D aten präsentiert
worden, die einen VP-Knoten im D eutschen erforderlich machen. Die Evi­
denz für Konfigurationalität, die man aus den NP-Bewegungsabhängigkeiten gewinnen kann, ist dagegen wesentlich schwächer.
Dies muß nicht unbedingt die “Schuld” der deutschen D aten sein. Viel­
mehr scheint das entsprechende Kriterium für Nicht-Konfigurationalität
auf eher tönernen Füßen zu stehen. Die Bewegung ist bei Passiv und RS ja
kein notwendiger Bestandteil der Regel, sondern K onsequenz aus dem
Kasusfilter. Weder weist das Passivpartizip seinem O bjekt einen Kasus zu,
noch geschieht das für das Infinitivsubjekt. Z u r Vermeidung einer Verlet­
zung des Kasusfilters müssen also in den angesprochenen Positionen ste­
hende NPn ihren Kasus von anderswoher ableiten. In einer Sprache, in der
Kasuszuweisung strikt der A djazenzforderung unterw orfen ist, kann dieser
Ausweg nur durch eine Bewegung beschritten w erden. Ist wie im D eut­
schen hingegen Kasuszuweisung nicht so strikt strukturgebunden, dann
197
ergibt sich auch die obligatorische Bewegung bei Passiv und RS nicht.
Sicher steht die A djazcnzfordcrung für Kasuszuweisung in einem unleugba­
ren Zusamm enhang zu einer deskriptiven Deutung von Nicht-Konfigurationalität - sie impliziert ja eine gewisse Liberalität bei der Wortstellung.
Allerdings ist die A djazenzbedingung sicher von der Frage der Fundierung
der Grammatik über gram matische Funktionen oder über Konfigurationen
unabhängig.
Die stärkste Evidenz, die man eingedenk dieser Überlegungen noch für
die Konfigurationalität des D eutschen hier gewinnen kann, liegt sicher in
der Extrapositionsfähigkeit für Komplem ente bei einem Teil der RS-Strukturen.
Für Fernpassiv wie für Passiviteration sind ja wie gesagt rein lexikalistische Lösungen denkbar (H öhle 1978; Bresnan 1980, 1982a), wenngleich
diese ein höheres M aß an unm otivierten Forderungen zu implizieren schei­
nen als rein konfigurationale Beschreibungen.
Wenn die Ü berlegungen in Kap. 5 richtig sind, dann sind trotz einer
Vielzahl von deskriptiven Differenzen die deutschen und die englischen
Passiv- und R S-Strukturen in ihrem Regelkern gleich.Überlegungen, wie
sie v.a. Haider (1981) zum Passiv anstellt, gehen also in ihrem weitergehen­
den Anspruch zur V P-Diskussion ins Leere. Letztendlich sind solche Erwä­
gungen, wie sie H aider dort vorbringt, schon deshalb wenig plausibel, weil
eben konfigurationale Sprachen wie Italienisch oder Französisch in ihren
NP-Bewegungskonstruktionen näher zum Deutschen stehen als zum Engli­
schen. Dies gilt auch für das Medium (dessen exakte Analyse noch offen
ist) und für die fowg/i-Konstruktion. Was immer sich hier an Unterschieden
zwischen Deutsch und Englisch finden läßt, kann nicht auf die Konfigurationalitätsfrage reduzierbar sein.
6. Satzextrapositon und “pied piping” von Sätzen
6.L Satzextraposition: Die Landestelle
Aus dem Komplex der Bewegungsoperationen hat sich eine Reihe von
Argumenten für eine VP im D eutschen ableiten lassen. Neben den bislang
betrachteten w/i-Vcrschicbungcn und NP-Bewegungsdependenzen ist im
GB-Rahmen noch Extraposition von Sätzen oder PPn ein Phänomen, das
unter “Movc a " gefaßt wird. Die Extraposition eines Satzes unterscheidet
sich von den beiden geläufigen Bewegungen dadurch, daß sie nicht in eine
vorher definierte Zielposition hineinzuführen scheint. Vielmehr wird das
Extraponat, wie man auch sagt, an eine Kategorie Chomsky-adjungiert,
d.h. zum Schw estcrknoten einer Projektion X gemacht, wobei die Projek­
tion X selbst die beiden Schwestern dom iniert, cf. etwa (3).
(1)
(s daß (s (s der Mann kam) (s den wir kannten))
Kategoriale A rgum ente kann man nun erwarten bezüglich der Reichweite
dieses Extrapositionsprozesses (lokal oder nicht?) und bezüglich des Kno­
tens, an den C hom sky-adjungiert wird. Beginnen wir mit Überlegungen
zum letzteren Punkt!
Hier scheint ein D atenkontrast einschlägig zu sein, der m.W. zuerst von
Reinhart (1976) ausführlich für das Englische behandelt worden ist. Wenn
sich ein Subjektssatz oder ein O bjektssatz extraponiert, dann stellt sich natür­
lich die Frage, an welche K ategorie er sich mit welchem Prozeß anschließt.
Im Englischen hat man im Prinzip genau zwei Optionen. Man kann ein­
mal die H intanstellung des Satzes in (2) als analog zur there-lnversion oder
zur freien Inversion des Italienischen ansehen.
(2)
It is fun to kiss Mary.
(3)
(s (NP it) (Vp (Vp is fun) (s' to kiss Mary)))
Inversion würde hier bedeuten, daß der Subjektssatz sich an VP adjungiert
und wir an der Subjektsstelle eine Leerposition zurücklassen. Diese müßte
nach den Prinzipien der Bindungstheorie und den Definitionen der Eigen­
schaften leerer K ategorien PRO sein und kann damit (weil von INFL regiert)
nicht beibehalten w erden, daher Insertion von it. Alternativ ist die Extraposi­
tion als äquivalent zu einem NP-Bewegungsprozeß betrachtbar. Der Satz
200
würde dabei an eine Position bei S Chomsky-adjungiert und hätte eine Satz­
anapher in der Subjektsstelle zu binden, welche - dem ECP unterliegend
- freilich wiederum durch it überschriebcn werden müßte. Das heißt, es
läge eine Struktur wie (4) vor.
(4)
(s (s ( np it) (vp is fun)) (s to kiss Mary))
Tanya Reinhart wies nun in ihrer Dissertation darauf hin, daß nur mit der
VP-Analye der Extraposition unter Standardannahm en der Bindungstheo­
rie ein Crossover-Phänomen bei der Extraposition zu erklären ist. Betrach­
ten wir dazu den Kontrast in (5) und (6).
(5)
(6)
That Rosaj failed should have bothered her,.
*It should have bothered h e r that Rosa, failed.
Offenbar darf ein Subjektssatz dann nicht extraponiert w erden, wenn er
eine NP enthält, die in K oreferenzbeziehung zu einer Phrase steht, die der
Subjektssatz c-kommandiert. Nach traditioneller Auffassung (Langacker
1969) ließe sich (6) über die “precede-and-com m and,,-Bedingung erklären.
Man sagt, eine Phrase ?\ kommandiere eine Phrase P2, wenn P2 von dem
S-Knoten dominiert wird, der als nächster von Pi aus erreichbar ist. Wenn
es nun für ein Pronomen verboten ist, sein sem antisches Antezedens
sowohl zu kommandieren als auch ihm voranzugehen, dann ist (5) unpro­
blematisch. Obwohl her Rosa kom m andiert, geht her dieser NP nicht
voran. G erade die Extraposition verändert aber nun die linearen Verhält­
nisse in (6), so daß hier nun die “precede-and-com m and”-Bedingung ver­
letzt wäre, weshalb (6) ungrammatisch ist.
Problematisch ist an dieser Erklärung eigentlich nur, daß “precede-andcommand” kein adäquater Ausdruck der Pronom inalisierungsoptionen ist,
wie Culicover (1976), Reinhart (1976) und auch Lakoff (1968) zeigten.
Auch mit einem generellen “Crossover”-Verbot komm t man nicht sehr
weit. Es kommt nämlich auf den Typ des extraponierten Satzes an, ob eine
Herausstellung die Abfolge von Pronom en und A ntezedens verändern
darf, wie Reinhart (1976) beobachtet. Schließlich ist die Extraposition
eines Relativsatzes auch bei Vorliegen von zu (5) und (6) parallelen Koreferenzbezügen grammatisch.
(7)
Nobody who knows anything about Mary's* weird sleeping
habits would call h e r up before noon.
(8)
Nobody would call h e r up before noon who knows any­
thing about Mary’sj weird sleeping habits.
201
R einharts Erklärungsversuch ist dieser: Argumentssätze wandern bei Extrapositon an VP und Relativsätze an S. Man erhält dann die Strukturen (9).
(9a)
(9b)
S
NP
VP
V '
NP
Unter dem erw eiterten c-Komm andobegriff vonTanya R einhart c-kommandiert (weil in derselben maximalen Projektion enthalten und von V regiert)
in (9a) die O bjekts-N P den extraponierten Satz, aber nicht in (9b). Ist (9a)
die Struktur für (6), dann c-kom mandiert also her Rosa und bindet diesen
R-Ausdruck, was Bindungsprinzip C verletzt. In (9b) hingegen c-kommandiert her keinesfalls Rosa und bindet diese Phrase damit auch nicht. D a­
mit wäre der entsprechende Kontrast zwischen (5) und (6) bzw. (7) und
(8) erfaßt.
Natürlich wäre es nicht optimal, wenn man zu stipulieren hätte, daß
Extraposition eines A rgum entssatzes nicht an S führen kann. Es scheint
freilich tatsächlich so zu sein, daß beide Optionen - Bewegung und Inver­
sion - in der G ram m atik frei zur Verfügung stehen. Daten der Extraposi-
202
tion von Relativsätzen innerhalb von NP motivieren nämlich unabhängig
von den hier zu besprechenden D aten, daß bei einer Extraposition qua
Bewegung eine Satzanapher zurückgelasscn werden muß und daß bei der
Errechnung der MGC bei Chomsky-adjungiertcn Strukturen immer der
kleinste S- bzw. NP-Knoten zu zählen ist, cf. Fansclow (1986b).
In einer Struktur wie (9b) mit einer leeren A napher in der Subjektsposi­
tion des Satzes verletzten wir damit aber die B indungstheorie. Als finiter
Satz (im infiniten Fall muß das Subjekt ja PRO sein, ein Subjektssatz ist hier
nicht möglich) enthält (9b) INFL als SU B JEK T im Sinne der Bindungstheo­
rie. Die kleinste Kategorie, die ein zugängliches SU B JEK T (nämlich
INFL), ein Regens (ebenfalls INFL) enthält, ist für die Satzanapher e, in
(9b) nun tatsächlich der tiefere der beiden S-Knoten. Die Bindung durch
das Satzantezedens S2 erfolgt aber erst in der D om äne des oberen S-Knotens, so daß hier die Bindungstheorie verletzt ist.D a bei der Inversion auch
von NP-Subjekten keine A napher zurückgelassen wird, können im Fall (9a)
diese Probleme nicht auftreten. Bei der Extraposition von Relativsätzen aus
NP heraus sind diese zuvor in eine Nicht-A-Position bewegt, nämlich wie in
(10) angedeutet, Chomsky-adjungiert an N P Für A naphern in Nicht-APositionen ist eine Bindungstheorie zumindest noch nicht gefunden, so daß
sich die bindungstheoretischen Ü berlegungen zu den Satzanaphern bei
Argumentssätzen nicht übertragen zu lassen scheinen.
(10)
(n p N P S ')
A ndererseits ist die Inversion an VP ein subjektsorientierter Prozeß, so daß
diese Option sich für N icht-Argumentssätze von vornherein gar nicht er­
öffnet.
Ein weiteres Argument für eine Inversion an VP kann man aus whExtraktionsdaten ziehen. Es hatte sich oben gezeigt, weshalb auch bei Sub­
jektssätzen keine w/i-Extraktion möglich ist. Durch Inversion bringt man
den Subjektssatz freilich in den R ektionsbereich von V, und man sollte
daher erw arten, daß Extraktionen möglich sind. Tatsächlich scheint dies im
Englischen möglich zu sein.
(11a)
(11b)
*WhOj is to kiss e; fun?
WhOj is it fun to kiss e*?
Wenn wir uns die parallelen D aten bezüglich der Bindung im Deutschen
ansehen, scheinen sie eindeutig für eine A djunktion an VP zu sprechen; für
Argumentssätze ist ein Crossover verboten, nicht aber für Relativsätze, cf.
203
(12a)
(12b)
D aß Rosa, durchgcfallcn ist, hätte sie, beunruhigen sollen.
*Es hätte sie, beunruhigen sollen, daß Rosa, durchgefallen
ist.
(13a)
N iem and, der auch nur das geringste von Marias, ausgefal­
lenen Schlafgewohnhciten weiß, würde sie, vor Mittag anrufen.
Niem and würde sie, vor Mittag anrufen, der auch nur das
geringste von Marias, ausgefallenen Schlafgewohnheiten
weiß.
(13b)
Aber ein wesentliches Problem bei dieser Argum entation ist, daß im D eut­
schen die Extraposition gerade nicht die O ptionen bei der Extraktion aus
Subjektssätzen erw eitert. Auch bei extraponierten nicht-ergativen Subjektssätzen erzeugen w/j-Bcwegungen Inselverletzungen.
(14a)
(14b)
*Wen beweist deine Theorie, daß Karl gesehen hat?
*W elcher Planet bewirkt Ü belkeit, daß sich dreht?
Reinharts V P-A rgum ent kann man von verschiedenen Seiten her aufzurol­
len versuchen. G rew endorf (1985) hat beispielsweise dagegen argumentiert,
daß sich K ontraste wie (5) und (6) überhaupt qua Prinzip C erklären ließen.
Auch R einhart (1983) zeigt an einer ganzen Reihe von D aten, daß bei ent­
sprechender pragm atischer A bstützung Prinzip C verletzt werden kann, was
den C harakter von C als grammatisches Prinzip doch sehr in Frage stellt.
Auch ist es nicht unbedingt sehr plausibel, den erweiterten c-Kommandobegriff in der R einhart sehen Version zu verwenden, also den, der bewirkt, daß
in (9a) das Pronom en den an VP-adjungierten Satz c-kommandieren kann.
Könnte eine O bjektsposition generell die an VP-adjungierte Position bin­
den, erhielten wir unter Prinzip C (und dies ist ja Voraussetzung für das
R einhart-A rgum ent) enorm e Probleme mit Sätzen wie (15).
(15)
Sij lava ej Gianni.
Hier würde die Spur der A napher si Gianni inkorrekterweise binden. (6)
mag also eine andere Erklärung finden als die von Reinhart vorgeschlagene,
so daß dieses A rgum ent für eine VP-Adjunktion von Argumentssätzen weg­
fällt. Es bleibt für das Englische - nicht für das Deutsche - das w/i-Extraktionsdatum (11) übrig.
Bei der Diskussion der englischen D aten hatte ich nun eine dritte Mög­
lichkeit der Erzeugung von “extraponierten” Strukturen nicht berücksich­
tigt, nämlich deren Basisgenerierung.
204
Die X-bar-Theorie allein schreibt keinesfalls den einzelnen Sprachen
vor, in welcher Position relativ zum Kopf der Projektion die einzelnen
Komplemente zu erzeugen sind. Da allerdings die meisten Sprachen kano­
nische Rektionsrichtungcn vorschreiben und Kasusm arkierung mit Rek­
tion verknüpft ist, schließen sich für NPn wesentlich O ptionen bei der Stel­
lung aus. Da Verben im Englischen nach rechts regieren, ist (16) ungram­
matisch, denn kiss kann nur eine NP rechts von sich kasusm arkieren, Mary
bekommt also links vom Verb keinen Kasus.
(16)
'Jo h n Mary kissed.
Umgekehrt ist im Deutschen die kanonische Rektion nach links gerichtet,
und das schließt analog Sätze wie (17) aus.
(17)
*Jeder möchte küssen Maria.
Da das Kasusargument nur für Phrasen gültig ist, die tatsächlich Kasus
benötigen, können wir kasusfreie PPn im D eutschen beliebig ins sog. Nach­
feld setzen.
(18)
Ich habe ein Buch gelesen über Chomsky.
Für Sätze ist es nun, wie Felix (1984b) vorschlägt, durchaus denkbar, sie
ebenfalls in der Basis links vom Verb zu erzeugen.Sie benötigen keinen
Kasus, der ihnen bei Extraposition bei Erzeugung links vom Verb von der
Spur vererbt werden könnte.
(19)
Ich habe nicht geglaubt, daß Schweine fliegen können.
Wenn die Vorfeldbesetzung durch infinitive Verbalteile nur Konstituenten
involviert, dann sind D aten wie (20) ein A rgum ent für diesen Vorschlag
von Felix (1984b).
(20)
G eglaubt, daß Schweine fliegen können, habe ich nicht.
Wird nämlich die Stellung rechts von den Verbalteilen durch Extraposition er­
zeugt, dann sind die Sätze an VP Chomsky-adjungiert und dam it kategorial
wesentlich weiter von V entfernt als nicht. D er extraponierte Satz sollte prak­
tisch gar nicht von V-Voranstellung mitgezogen werden können, was (20) ein­
deutig widerlegt. (20) ist hingegen unproblem atisch u nter der A nnahm e, daß
der Komplem entsatz hier als Schwester von geglaubt rechts basisgeneriert ist.
Wenn dem so ist, dann spricht nichts dagegen, auch Subjektsphrasen
prinzipiell rechts von VP erzeugen zu lassen, also eine Struktur wie (21) als
mögliche Basiskonfiguration anzunehm en.
205
( 21)
(sVPINFLNP)
NPn können die O ption (21) freilich nicht realisieren, da sie dem Kasusfil­
ter unterworfen sind und von INFL (weil rechts davon stehend) keinen
Kasus erhalten können. Da für Sätze sich das Argument nicht überträgt,
können wir für (14) beispielsweise gerade die Strukturierung (21) anneh­
men und damit das Problem der w/?-Extraktionsdaten als beiseite geräumt
betrachten.
Dies gilt selbstverständlich nur für die Daten in (14), nicht aber für sol­
che in (22) und (23), bei denen das Korrelat es verbietet, eine Struktur wie
(21) anzunchm en, und die Extrapositionsanalyse erzwingt.
(22)
(23)
*Wcn beweist es deine Theorie, daß Karl photographiert
hat?
^Welcher Planet bewirkt es bei jedem Übelkeit, daß sich
wahnsinnig schnell dreht?
Wenn man nicht die unschöne A nnahme machen will, daß im Deutschen die
Extraposition eines Argum entssatzes eine andere Landeposition besitzt als
die im Englischen, ist davon auszugehen, daß im Deutschen der Arguments­
satz zwar ebenfalls an VP adjungiert wird, aber keinesfalls hier der S'-zu-SReanalyse unterliegen kann, weshalb Extraktionen sich ausschließen.
Es wäre nun kaum tragbar, diesbezüglich einen intersprachlichen Para­
meter ansetzen zu wollen. Was also unterscheidet das Deutsche vom Engli­
schen, das eine Reanalyse eines invertierten Satzes im Deutschen aus­
schließt?
Die A ntw ort ist ziemlich simpel: Reanalyse setzt voraus, daß das reanalysierende Prädikat das Reanalysandum regiert. Da ja eben das konfigurationale Subjekt gerade nicht von V regiert ist, können Verben Subjekte
nicht reanalysieren, also insbesondere auch nicht Satzsubjekte.
Da im D eutschen nun die Extraposition nach rechts geht, aber nach
links hin regiert wird, “nützt” die Extraposition des Subjektssatzes über­
haupt nichts bezüglich der Reanalysierbarkeit und Extraktionsfähigkeit:
rechts vom Verbalkomplex ist auch in (22) und (23) der Subjektssatz unregiert und dam it eine Reanalyse unmöglich.
Im Englischen hingegen wird nach rechts regiert, weshalb ein extraponierter Subjektssatz in den Rektionsbereich von V gelangt, was Daten wie
(11) erfaßt. G enerell ist es ja so, daß das Fehlen von Subjekts-ObjektsAsym m etrien in konfigurationalen Sprachen durch Inversion - wie beim
italienischen PR O -D R O P-Param eter - bislang nur für SVO-Sprachen
206
belegt ist, bei denen eine Hinausstellung nach rechts eben in den Rektionsbereich von V hineinführt, aber nicht bei SOV-Sprachcn, bei denen diese
Inversion für die Rektion nichts bewirkte. (B eachten wir, daß z.B. die
SOV-Sprache Japanisch einen generellen pro-noun-drop' erlaubt.) Man
sagt vorher, daß die Adjunktion an VP im Italienischen, wenn sic nach links
vom Verb erfolgt (also “string-vaeuous" wäre) keinerlei Rektionsvorteile
mit sich bringt. Es ist also möglich, für Italienisch oder Portugiesisch und
Spanisch die Stipulation aus der Gram m atik hcrauszunchm en, daß Adjunk­
tion an VP notwendig mit Inversion verbunden ist. Die R cktionstheorie hat
die Inversion zum Korollar. Für Sprachen wie Latein oder Ungarisch, wenn
sie denn konfigurational sein sollten, mag also der P R O -D R O P sich durch
eine VP-Adjunktion erklären, die, weil nach links hin erfolgend, “stringvaeuous" ist.
6.2. Satzextraposition: Die Reichweite
Die zweite A rt von Evidenz, die wir bezüglich der Frage “VP oder nicht"
aus Extraktionsdaten abzuleiten versuchen können, betrifft die Reichweite
des Extrapositionsprozesses. Das Prinzip der Subjazenz in der Universal­
grammatik verbietet, Bewegungsoperationen über m ehr als einen Knoten
einer bestimmten A rt auf einmal durchzuführen. Für Extraktionen “nach
links" gilt, daß solche G renzknoten S, NP und S' oder irgendeine Teil­
menge daraus sind,wobei der Status von NP als G renzknoten noch am frag­
lichsten erschien.
Die sich unm ittelbar stellende Frage ist natürlich, ob nicht auch die nach
rechts orientierten Bewegungen, also die Extraposition von Sätzen und
PPn der Subjazenz in der einen oder anderen Form unterw orfen sind. Mark
Baltin hat in mehreren A rbeiten gezeigt,daß dies tatsächlich so ist und das
Prinzip der generalisierten Subjazenz aufgestellt, demzufolge bei W eiterbe­
stehen der traditionellen Subjazenz für Linksextraktionen für Rechtsbewe­
gungen jede maximale Projektion einen G renzknoten abgibt. Insbesondere
ist dann die VP selbst auch ein G renzknoten für Rechtsverschiebungen.
Die Gültigkeit dieser Aussage sieht man im Englischen besonders deut­
lich bei der VP-Topikalisierung, wie Baltin zeigt. In (24a) hat VP-Topikalisierung die gesamte VP im f/iong/i-Satz nach vorne bewegt. PP-Extraposition, sonst eine regelhafte O ption in der englischen G ram m atik, ist danach
nicht mehr möglich, wie (24b) zeigt.
207
(24a)
(24b)
C onsider me envious of Sally though he may, I'm really not.
^Consider me envious though he may of Sally, I’m really not.
In Baltin (1981) wird dieser D atenkontrast nun über das angesprochene
Prinzip der generalisierten Subjazcnz erklärt. Bei der Extraposition von o f
Sally adjungieren wir die PP notwendigerweise an den S-Knoten (da die
VP, ein anderer K andidat, ja ins Vorfeld geschoben ist). O f Sally kreuzt
dabei auf seinem Weg also notwendig AP, VP und je nachdem, ob S mitge­
zählt wird, noch einen dritten G renzknotcn, was Subjazenz in der angege­
benen Form verletzt.
Einen Subjazcnzcffekt dieser A rt findet man auch für die Extraposition
von Relativsätzen im Englischen. Hier haben wir einen Kontrast zwischen
(25a) und (25b):
(25a)
(25b)
A picture was stolen which was very precious.
*A picture of a man was stolen who had married Jane.
In (25a) wird der Relativsatz aus einer NP herausgezogen und an S adjungiert, zählen wir dieses S bei der Subjazenzerrechnung nicht mit, dann
kreuzt die Extraposition nur einen Grenzknoten. In (25b) hingegen bezieht
sich der Relativsatz auf a m a n , und selbst wenn o f wie Chomsky (1981)
vorschlägt, keine PP kreiert, sondern als quasi Kasuspartikel NP-Status bei
der Phrase beläßt, überschreitet die Extraposition nun zwei NP-Knoten
und verletzt dam it die generalisierte Subjazenz.
Es ist nun von vornherein nicht ganz klar, ob sich überhaupt ein Argu­
ment für die VP im D eutschen oder gegen die VP im Deutschen (wie Baltin
1981 meint) aus den Subjazenzdaten formulieren läßt, weil die Frage, ob
die deutsche Syntax dieselben Projektionen als Grenzknoten zählt wie die
englische, zunächst eher als offen anzusehen ist. Im Deutschen sind Sätze
wie (26) völlig gram matisch, obwohl die Extraposition mehrere NP-Knoten
gekreuzt haben muß.
(26a)
(26b)
Weil Professor Hinterdobler der Liebhaber eines Mädchen
sein will, das fließend Warlpiri sprechen kann.
Weil Parzifal die Zofe der Königin des Landes verführen
m öchte, das die Römer besetzt haben.
Die Tatsache, daß Relativsatzextraposition im Deutschen ein ungebunde­
ner Prozeß zu sein scheint, kann nun mit Sicherheit nicht auf den vermeint­
lich nicht-konfigurationalen Charakter der Sprache zurückgeführt werden,
weil sich dieselbe Datenlage auch im konfigurationalen Holländischen fin-
208
det, cf. Koster (1978b). Koster sicht in der D atenlagc ein A rgum ent dage­
gen, Extraposition als NP-Bcwegungsregcl aufzufassen, doch käme dies in
Konflikt mit der bereits für das Englische besprochenen G ebundenheit des
Prozesses. Wie man auch immer das damit verbundene Problem lösen mag
(etwa durch eine Basisgencricrung der Relativsätze im D eutschen), würde
man es sich wesentlich zu cinfach m achen, die Möglichkeit zu einer weiten
Extraposition von Argumentssätzen im D eutschen in D aten wie (27) über
ein Nicht-Wirken von Subjazenz hinweg zu eskam otieren.
(27)
Karl hat sagen zu können gehofft, daß cs regnet.
(27) scheint ein einschlägiger Fall für das Deutsche zu sein, der zeigt, daß das
Deutsche keine VP besitzt, wie Baltin vorschlägt. D er extraponierte Satz ist
Komplement von sagen, das mit können einen Verbkomplex bildet. Daß es
regnet hat offensichtlich die VP sagen zu können verlassen, den S-Knoten,
der diese dom iniertest dann an die VP des M atrixprädikats adjungiert wor­
den. Dabei gilt, daß offensichtlich der K noten, an den adjungiert wird, für
die Errechnung der G renzknotenzahl nicht mitgezählt wird. Dies ändert
aber nichts an der Tatsache, daß man unter der Analyse (28a) offenbar die
Bewegung über zwei G renzknoten hinweggeführt h at, und das verletzt die
wohlmotivierte Subjazenz. G eht man dagegen davon aus, daß nur S im
Deutschen existiert und nicht VP, dann hätte man nach Baltin (1981), cf.
(28b), nur einen G renzknoten, das K om plem entsatz-S, gekreuzt und Subja­
zenz so beachtet. Ist (27) also ein A rgum ent gegen VP?
(28a)
(28b)
( . . . ( . . . (s PRO (Vp e, sagen zu können Vp) s) daß es regnet
vp) s)
( .......(s PRO ej sagen zu können s) daß es regnet s)
Die Überlegung von Baltin übersieht freilich, daß man im D eutschen in ge­
wissen Kontexten zur Beschreibung von Stellungsfakten oder der Möglich­
keit zu Fernpassiva usw., so auch bei /lo/jten,Verben aus tieferliegenden
Komplementsätzen anheben können muß. D abei verschwindet die interve­
nierende S-Grenze (cf. Evers 1975 für so eine Beschreibung), die zu über­
schreiten in (28a) eine Subjazenzverletzung mit sich brachte.
Wir haben also zwei Theorien über das N ichtauftreten eines Subjazenzeffektes in (27), so daß sich aus (27) zum indest kein A rgum ent gegen VP
ableiten läßt. Glücklicherweise finden sich im D eutschen aber wiederum
D aten, die eine Entscheidung zwischen den beiden konkurrierenden
Ansätzen erlauben.
209
Wenn nämlich aus irgendwelchen G ründen die Vcrbanhebung blockiert
ist, sagt die VP-Theoric zu (27) voraus, daß sich in den entsprechenden
Strukturen der Subjazenzeffekt einstellen sollte. Ist hingegen B altinsT heo­
rie korrekt, dann sollte auch in diesen Fällen die Extraposition nicht in
ihrem Wirken beschränkt sein.
Gibt man sagen ein A rgum ent, so erschwert dies die V-V-Reanalyse.
Bedauern selbst ist ein kaum zu reanalysierendes Verb, was man an den
Skopusbcschränkungen der Negation sehen kann, für die das Passivkapitel
zeigte, weshalb sie für die Frage der Reanalysierbarkeit von Belang sind.
Bedauern erlaubt anders als beispielsweise versprechen keine Lesart mit
weitem Skopus für die Negation in (29), was damit erklärbar ist, daß die
Satzgrenze zwischen bedauern und dem Komplementsatzverb nicht beseitigbar scheint.
(29)
Weil Hans sie nicht geküßt zu haben bedauerte.
Tatsächlich erlauben sowohl ein sagen mit Objekt als auch bedauern eine
Extraposition des Komplem entsatzes wesentlich schlechter, als dies in Bei­
spielen wie (27) möglich ist, cf. (30).
(30a)
(30b)
*?Karl hat seiner Ehefrau sagen zu können gehofft, daß es
regnet.
*Karl hat sagen zu können bedauert, daß es regnet.
Das Verhalten ist unter den eingeführten Prinzipien nur dann erklärbar,
wenn der extraponierte Satz neben dem Komplementsatz-S einen weiteren
G renzknoten überschritten hat. Dafür bietet sich nur eine VP im eingebet­
teten Satz an. E xtraponiert man den Komplementsatz von bedauern oder
hoffen selbst, dann wird die Extraposition des zutiefst eingebetteten Satzes
wieder möglich.
(31a)
(31b)
Karl hat gehofft, seiner Ehefrau sagen zu können, daß es
regnet.
Karl hat bedauert, sagen zu können, daß es regnet.
Der entscheidende Unterschied zum Datum (30) liegt darin, daß in (31) für
den Satz “daß es regnet” vier mögliche Landepositionen mit der Terminal­
kette vereinbar sind, nämlich Adjunktion an den Komplementsatz von
bedauern oder hoffen oder dessen VP und Adjunktion an das S oder die VP
des Matrixsatzes. Wählt man die letztere Option, dann verläßt man auf
einen Schlag mindestens zwei Grenzknoten, nämlich die VP des Komple-
210
mentsatzcs und dessen S-Knoten. Subjazenz ist also wiederum verletzt.
Wählt man die erstere O ption, dann ist höchstens ein G renzknoten (die VP
des Komplementsatzcs) verlassen, und diese Analyse ergibt einen gramma­
tisch korrekten Satz. Da in (30) andererseits der extraponierte Satz hinter
dem Matrixsatzvcrb steht, muß er an VP oder S des Matrixsatzes adjungiert
sein, und eben ist gezeigt worden, daß diese Struktur nicht mit Subjazenz
vereinbar ist. Daten wie (30) geben folglich ein A rgum ent für die Annahme
einer VP auch im Deutschen.
6.3. “Pied piping” bei Bewegungen
Man kann versuchen, ein weiteres A rgum ent PRO-VP aus der Bewegung
von Sätzen abzuleiten, und zwar hier aus dem sog. “pied piping" (PP). PP
liegt dann vor, wenn bei einer Bewegungsoperation nicht nur die inhaltlich
involvierte wh-Phrase bewegt wird, sondern auch M aterial aus einer diese
w/i-Phrase dominierenden Kategorie, cf. beispielsweise die D aten in (32).
(32a)
(32b)
(32c)
Ein M ann, den ich dir zu überzeugen raten würde.
Ein Mann, den ich dir raten würde, zu überzeugen dir vor­
zunehmen.
Ein Mann, den zu überzeugen dir vorzunehm en ich dir
raten würde.
Riemsdijk (1982c) bringt eine Reihe von A rgum enten vor, die zeigen, daß
in (32c) die gesamte Infinitivkonstruktion den zu überzeugen dir vorzuneh­
men in COM P bewegt worden sein muß. Dies sieht man schon allein an
der Oberflächenabfolge der Elem ente in (32c). Pronom ina nehmen im
Deutschen im unbetonten Fall die sog. W ackernagel-Position ein (cf.
Lenerz 1983, 1984), die unm ittelbar am Beginn von S zu lokalisieren ist.
Steht ein Elem ent wie in (32) vor den Pronom ina, so wird es in COM P sein.
Keine andere Analyse ist auch möglich für (33), wenn das finite Verb wie
oben demonstriert in einer Position steht, von der aus links nur COM Pj
steht.
(33)
Wen zu überzeugen haben wir dem Mann geraten?
Um die korrekte semantische Interpretation für (32c) oder (33) zu erhalten
- die Relativisierung bezieht sich nur auf den , und erfragt ist nur wen wird man einen Prozeß der Perkolation von referentiellen M erkm alen von
wen!den, die selbst im COM P des Komplem entsatzes stehen, an das COM P
211
des Matrixsatzes annehm en, cf. (34), der im wesentlichen die in Felix
(1985) für die parasitären Lücken erarbeiteten Eigenschaften haben wird.
S'
(34)
COMP
S
COIV
den
zu überzeugen zu versuchen ich dir raten würde
Es ist nicht ganz klar, welche Prinzipien es nun genau ermöglichen, daß in
bestimmten S trukturen PP möglich ist, in anderen hingegen nicht. PP kann
etwa nie finite Sätze m itziehen, und es scheint zumindest bei den Relativ­
sätzen unmöglich, bei Relativisierung einer PP in NP bzw. einer postnomi­
nalen Genetiv-NP die gesam te NP mitzuziehen, cf.
(35a)
(35b)
(35c)
(35d)
(35e)
Wen behauptest du lieben alle?
*Wen lieben alle behauptest du?
*Der Linguist, ein Buch gegen den wir lasen.
*Der Vortrag, die Verfasserin dessen uns sehr attraktiv erscheint.
*Männer, Reiseberichte über die wir gerne lasen.
Dagegen erlauben pränom inale Genetive leicht PP (36a) und auch das Mit­
ziehen eines Infinitivs (36b), wohingegen eine alleinige Extraktion des pränominalen G enetivs ungram matisch ist (36c).
(36a)
(36b)
(36c)
D er Vortrag, dessen Verfasserin uns sehr attraktiv
erscheint.
D er M ann, mit dessen Bruders Frau geschlafen zu haben
Karl leugnet.
*Der Vortrag, dessen uns Verfasserin sehr attraktiv
erscheint.
212
Fast generell scheint gültig zu sein, daß PP dann möglich ist, wenn eine
Extraktion ohne Rattenfängcreffckt Prinzipien der Extraktionstheorie ver­
letzte, eine Ausnahme hierzu ist, wie gesagt, die Unmöglichkeit, finite
Sätze mitzuziehen.
(37a)
(37b)
(37c)
Sie geht mit einem Hut bekleidet durch die Stadt.
'W omit geht sie bekleidet in die Stadt?
Womit bekleidet geht sie in die Stadt?
Der Rattenfängereffekt gibt auch eine weitere Bestätigung für die Annahme
der Verbanhebung. Bei den K onstruktionen, die durch Verbanhebung
erklärt sind, verschwindet die Satzkonstituente zwischen Matrixverb und
Komplementsatz. Mit anderen W orten, ist der Komplem entsatz gar keine
Konstituente mehr, dann kann er daher auch nicht durch PP nach COMP
mitgezogen werden. Daß Sätze wie (38) dennoch möglich sind, erklärt sich
daraus, daß Reanalyse bei versprechen z.B. eben nur eine O ption ist, die PPStruktur ist eben erzeugt ohne die A pplikation von Verbanhebung.
(38)
Der Wagen, den zu reparieren ihm versprochen wurde.
In einer ganzen Klasse von Verben ist freilich die kohärente Konstruktion
mit Verbanhebung vorgeschrieben. Es gehören dazu etwa gehen -I- Infinitiv,
kom men + Partizip, auch lassen. Dies erkennt man daran, daß Extraposi­
tion, welche ja S bzw. S' ins Nachfeld schiebt, nicht möglich ist. All diese Ver­
ben erlauben wie vorhergesagt kein PP für den eingebetteten Infinitiv.
(39a)
(39b)
(39c)
(39d)
(39e)
(39f)
(39g)
(39h)
(40a)
(40b)
(40c)
(40d)
(40e)
(40f)
(40g)
(40h)
*Karl ist gegangen Zigaretten holen.
Karl ist Zigaretten holen gegangen.
Karl war mit dem Wagen gefahren gekommen.
*Karl war gekommen mit den Wagen gefahren.
Karl hat sie sitzen lassen.
*Karl hat sie lassen sitzen.
Karl hat sie heiraten sollen.
*Karl hat sollen sie heiraten.
Die Zigaretten, die er holen ging, waren vergiftet.
*Die Zigaretten, die holen er ging, waren vergiftet.
D er Wagen, mit dem er gefahren kam, ist schadhaft.
*Der Wagen, mit dem gefahren er kam, ist schadhaft.
Das M ädchen, das er sitzen ließ, erw artete ein Kind.
*Das M ädchen, das sitzen er ließ, erw artete ein Kind.
Das M ädchen, das er heiraten sollte, hieß Kunigunde.
*Das M ädchen, das heiraten er sollte, hieß Kunigunde.
213
Insbesondere hatte das Raising-Untcrkapitel gezeigt, daß scheinen obliga­
torisch kohärent konstruiert werden muß. Wenn vorhergesagt ist, daß kohä­
rente Verben nie PP erm öglichen, ist der ungrammatische Charakter von
(41b) sofort erklärt, ohne daß man annehmen müßte, daß Raising-Verbcn
generell PP verbieten würden.
(41a)
(41b)
Die Referentin, die er sehr zu verehren schien, ist Neurolo­
gin.
*Die R eferentin, die sehr zu verehren er schien, ist Neurolo­
gin.
Den Raising-Verben die O ption zu PP für ihr Komplement abzusprechen,
wäre v.a. empirisch schon deshalb falsch, weil das nicht notwendig kohä­
rente anfangen (cf. die Extrapositionsoption) den Rattenfängereffekt tole­
riert.
(42a)
(42b)
Das Buch, das ich zu lesen anfing, hieß “TelefonbuchBereich 69".
Das Buch, das zu lesen ich anfing, hieß “TelefonbuchBereich 69".
Da das Subjekt des Kom plem entsatzes qua Spur phonetisch unrealisiert ist,
haben wir keine Evidenz darüber, ob es mitgezogen wurde oder zurückge­
lassen ist, also ob wir S mitgezogen haben oder VP
(43a)
( c o m p ( v p das zu lesen) (s ich* (s ei (eVp)) anfing))
(43b)
( c o m p (s das e, zu lesen) (s ich, (s anfing)))
Beide Strukturen erscheinen nicht unproblematisch. Für (43a) wäre es
sicher eine plausiblere A nnahm e, das im COM P des Infinitivs zu haben,
was bei VP-PP aber nicht möglich ist, da diese Kategorie kein COM P
besitzt. Allerdings ist, wie D aten wie (36) oder (37c) zeigen, die Positionie­
rung der w/i-Phrase in C O M P für PP keine Voraussetzung. Insbesondere
erzwingt es kein unabhängig m otiviertes grammatisches Prinzip, daß PP
nur dann möglich ist, wenn die auslösende Phrase in einem COM P zu ste­
hen kommt.
(43b) verletzt prim a facie gleich zwei unabhängig motivierte Prinzipien
der UG-Theorie, nämlich das ECP und Bindungsprinzip A. Die Spur ej in
der Subjektsposition des K om plem entsatzes ist,steht dieser in COMP, nicht
mehr von dem B ew egungsantezedens ich gebunden, also frei. Dies verletzt
Prinzip A. Die Spur ist auch nicht m ehr von anfangen c-kom mandiert und
214
regiert, sie verletzt mithin das ECP. Man mag meinen, daß wegen Sätzen
wie (44) ohnehin nach COM P mitbewegte NP-Spuren von den beiden Prin­
zipien auszunehmen sind, doch übersieht diese A rgum entation, daß man
selbstverständlich auch bei der Topikalisierung die O ption hat, die Phrase
in COMP nicht als S zu betrachten, sondern als VP.
(44a)
(44b)
Das Buch zu lesen fing ich an.
Zu regnen und zu stürmen fing es an.
Da die VP-Analyse von (42b) und (44) ohne weitere Stipulationen aus­
kommt im Gegensatz zur S-Theorie, ist sie von vornherein die plausiblere
der beiden alternativen Ansätze. Man sollte aber wiederum versuchen, sich
zu überlegen, wie ein zwischen der Analyse entscheidendes Datum aussehen könnte.
Da die VP-Theorie davon ausgehen kann, daß wegen der Option des PP
keine Prinzipien der UG liberalisiert zu werden brauchen, sagt sie vorher,
daß eine Mitnahme dann ungrammatisch sein sollte, wenn notwendig eine
nicht-bindbare Spur über den Rattenfängereffekt nach COM P mitverscho­
ben werden müßte. Da hier eine VP verschoben wird, muß die betreffende
Spur auch notwendig in VP sein. Entscheidende D aten werden sich also auf
K onstruktionen mit ergativen Verben beziehen, bei denen in der VP ja eine
Spur stehen muß. Wenn man sich nun die Daten ansieht, wird man erken­
nen, daß bei anfangen ergative Verben gerade nicht mitgezogen werden
können, wie (45) demonstriert.
(45a)
(45b)
(45c)
(45d)
*Der Mann (Vp dem e{zu entfallen) die Vokabeln* anfingen.
*Das Mächen dem ej abzuspringen die Fahrradkette, anfing.
*Der Linguist dem ej zu kommen hervorragende Ideenj
anfingen.
??D er Mann dem zu gefallen der Hund anfing.
Ist die Bindungstheorie auch für die Spuren in (45) gültig, dann sind die
D aten sofort erklärt, weil die betreffenden Spuren nicht m ehr vom Antezedens gebunden sind. Liegt aber eine S-PP-Analyse für (42b) vor, dann ist
notwendig gefordert, daß Spuren in mitgezogenen Infinitiven der Bin­
dungstheorie genau nicht unterworfen sind. U nter dieser A nnahm e müß­
ten die Strukturen in (45) aber grammatisch sein, und das ist nicht der Fall.
Es ist also eindeutig so, daß eine VP PP unterworfen sein kann, und das ist
trivialiter nur dann möglich, wenn es diese Kategorie auch tatsächlich in
der deutschen Syntax gibt.
7. “Nicht-konfigurationale” Eigenschaften des Deutschen
in einer konfigurationalen Theorie
7.L Expletiva
Kap. 2 bis 6 haben eine ganze Reihe von Phänomenen der deutschen Syn­
tax angesprochen, die auf die Existenz einer von S verschiedenen VP im
Deutschen hindcuten, die also die konfigurationale Analyse des Deutschen
erzwingen. Bevor man daraus nun weitergehende Konsequenzen ziehen
könnte, wie es in Kap. 1 für die Frage der Plausibilität eines Konfigurationalitätsparameters angedeutet wurde, obliegt man natürlich der Verpflich­
tung, zu zeigen, wie sich die in Kap. 1 vorgestellten “nicht-konfigurationalen” Aspekte der deutschen Syntax im G B-Rahm en beschreiben lassen.
Wäre dies unmöglich oder erforderte es die Annahm e w eiterer Parameter,
die selbst nicht lernbar sind, dann entzöge dies dem anvisierten Argument
selbstverständlich jede G rundlage. D enn die Theorie, die uns zur
Annahme einer VP im D eutschen bringt, wäre selbstverständlich inkor­
rekt, wenn sie nicht eine Sprache wie das Deutsche in den Griff bekommen
könnte.
Insgesamt waren es sechs K riterien, die von Haie für Nicht-Konfigurationalität übernom m en w urden, von denen das Deutsche fünf erfüllt. In
den vorangegangenen Kapiteln wurde jeweils schon gezeigt, wie sich diese
prinzipiell für das D eutsche wegerklären lassen; ich werde in Kap. 7.1.
noch einmal zur A rgum entation bezüglich des Fehlens von Expletiva
zurückkommen. In Kap. 7.2. werden die Prinzipien angesprochen, die freie
Wortstellung und das reiche Kasussystem erfassen können. Aus hier behan­
delten Daten wird sich ein weiteres A rgum ent für eine VP ableiten lassen.
Das ECP m acht, wie schon m ehrfach betont, starke Vorhersagen bezüg­
lich des A uftretens von leeren Elem enten an der Subjektsposition und
damit bezüglich des A uftretens von expletiven Elem enten. Haie (1983)
rechnet das Fehlen des expletiven Elem ents als eines der Kriterien für
Nicht-Konfigurationalität. Ist die Subjektsposition stets vom verbalen P rä­
dikat wegen des Fehlens der VP regiert oder ist eine obligat zu füllende
Subjektsposition gar nicht definiert, dann müssen Expletiva nicht erschei­
nen. Wie oben aber schon angesprochen, gibt es andere O ptionen in der
Universalgrammatik, die das A uftreten von expletiven Elem enten unnötig
machen können, etwa den PR O -D R O P-Param eter, mit Hilfe dessen qua
216
Inversion die Subjekts-NP in den Rektionsbereich des Verbs gelangt. Des­
wegen verletzt eine leere NP dort das ECP nicht.
Die deutschen Daten sind nicht so ganz stromlinienförmig bezüglich des
Auftretens von Expletiva, wie man es sich gerne erhoffen würde. Von in
der Tiefe leeren Subjektspositonen mag man ausgehen wollen bei den
Daten in (1).
(la )
(lb )
(lc)
(Id)
(le)
(lf)
(lg)
(lh )
(li)
(lj)
Weil es heute regnet/schneit/klopft.
*Weil heute regnet/schneit/klopft.
Weil es mich friert/schaudert/hungert.
Weil mich friert/schaudert/hungert.
??*Weil es heute Krieg ist/offen ist/Sonntag ist.
Weil heute Krieg ist/offen ist/Sonntag ist.
*Weil cs heute getanzt wird.
Weil heute getanzt wird.
Weil es sich auf Luises Bauernhof angenehm lebt,
*Weil sich auf Luises Bauernhof angenehm lebt.
Man findet also im Deutschen sowohl Prädikate oder K onstruktionen, bei
denen das Auftreten von expletiven Elem enten obligat ist (W etterverben,
unpersönliches Medium), als auch solche, bei denen Expletiva auftreten
können, aber nicht müssen (unpersönliche Verben) und solche, bei denen
Expletiva verboten sind (unpersönliches Passiv, nicht-verbale Prädikate).
Der Kontrast zwischen (la ) und (lb ) scheint in direktem Zusammenhang
zum PR O -D R O P-Param eter1 zu stehen. Bei den W etterverben liegt bezüg­
lich ihrer expletiven Subjekte Kontrollfähigkeit vor, die bei der Verbgruppe
in (lc) und (ld ) nicht gegeben ist, cf.
(2a)
(2b)
Manchmal regnet es, ohne PRO zu hageln.
'G estern hungerte es mich, anstatt PRO mich zu frieren.
Im Sinne von Chomsky (1981) kann man den Subjekten von Wetterverben
eine Quasi-Thetarolle zuschreiben, die von einem pronom inalen Element
getragen werden muß. Da das Deutsche keine leeren Pronom ina kennt und
keine PRO-DROP-Sprache ist, ist das A uftreten von es obligatorisch. In
dieser Hinsicht steht das Faktum, daß in (la ) es vorgeschrieben ist, weniger
in Zusammenhang zum Kriterium “keine Expletiva” als zum Kriterium
“PRO-DROP-Sprache” , das ja im D eutschen nicht erfüllt ist.
1
Cf. Kap. 9.8. für diesen Begriff.
217
Haider (1983) hat einige G edanken entwickelt, mit denen sich wesent­
liche Aussagen zu ( l c ) - ( l h ) formulieren lassen. Verben scheinen minde­
stens mit einem A rgum ent versehen sein zu müssen,das sie nicht regel­
haft kasusmarkieren, weswegen weil klopft oder weil friert ungramma­
tisch sind. Diese Forderung scheint aus irgendwelchen Gründen für nomi­
nale, adjektivische Prädikate und solche, die wie das Partizip-Perfekt-Passiv eine Zwischenform von verbaler und adjektivischer Natur darstellen,
nicht zu gelten, weswegen man wie in (ld ) oder in (lf) durchaus Sätze
ohne jegliches A rgum ent finden kann.
Zum unpersönlichen Passiv ist in Kap. 5.3. schon das wesentliche
gesagt. Im Französischen kann das Expletivum il nur mit INFL selbst
koindiziert sein, wohingegen im Deutschen das rein expletive es mit
einem postverbalen Elem ent koindiziert sein muß. Es tritt daher in
der unpersönlichen M edialkonstruktion obligat auf, da es eine A na­
pher zu binden gilt, cf. (li) und (lj). Da es aber mit einer postver­
balen Position koindiziert sein muß, ist vorhergesagt, daß es im unper­
sönlichen Passiv nicht auftreten kann. H ier sind keine möglichen Koindizienda vorhanden. Weiter ist das ECP nur für leere Kategorien defi­
niert, und eine leere Kategorie ist nach Chomsky (1981, Kap. 6) ein lee­
res Element mit pronom inalen M erkmalen. Läßt man also die Subjekts­
position in (lf) und (ld ) vollkommen frei, dann wird das ECP dadurch
nicht verletzt. Insofern gibt es also mit dem Nicht-Auftreten expletiver
Elemente an der Subjektsposition deutscher Sätze soweit betrachtet
keine wesentlichen Problem e, und die Überlegungen zu den nicht mit
pronominalen M erkm alen angefüllten leeren Kategorien lassen über­
haupt als fraglich erscheinen, ob Expletiva kriterial für Nicht-Konfigurationalität sein können.
Leere Subjekte ohne eventuell regierende Zwischenspur in COM P
können im D eutschen aber auch durch die Extraposition von Sätzen ent­
stehen. Das D atum in (3) ist, so hat es den A nschein, schon durch die
Ergativitätsüberlegungen einerseits und die Möglichkeit zu vollkommen
leeren Subjektspositionen andererseits erklärt.
(3)
Weil richtig ist/klar ist/gesagt wurde/verm utet wird, daß
die W iederbewaffnung die Einführung zahlreicher Bestim­
m ungen in das G rundgesetz erforderlich machte.
Nicht unmittelbare Problem e bringt auch die D atenlage in (4):
218
(4a)
(4b)
(4c)
'H e u te ist peinlich, daß Karl Susanne um einen Kuß bitten
mußte.
Heute ist es peinlich, daß Karl Susanne um einen Kuß bit­
ten mußte.
Heute ist es mir peinlich, daß Karl Susanne um einen Kuß
bitten mußte.
Offenbar muß bei ergativen Prädikaten gewisser Art (cf. Pütz 1974 für
einen Vorschlag für den relevanten Param eter) es dann stehen, wenn vor
dem Verb sonst kein Argument plaziert ist. Trotz des Vorliegens eines sol­
chen Arguments muß bei einer Reihe von Prädikaten bei Extraposition
eines Subjektssatzes ein es eingesetzt werden, wie es die VP-Theorie ja auch
zu verlangen scheint.
(5a)
(5b)
(5c)
'W eil meinen Vorschlag beweist, daß 3x6 18 ist.
'W eil uns einen G rund zur Anklage liefert, daß Arnim sich
seinen Bart abnehmen will.
'W eil einen Widerspruch zu Edes Aussage ergibt, daß Arnim
unter einer Brücke übernachtet hat.
Nicht jeder wird, wie ich bei der Befragung von Inform anten, die sonst
meine Intuitionen teilen, festgestellt habe, (5) so schlecht finden wie ich.
Und es finden sich eindeutig nicht-ergative Subjektssätze erlaubende Ver­
ben, die bei der Extraposition des Satzes kein es verlangen.
(6a)
(6b)
(6c)
(6d)
(6e)
Uns hilft nicht, daß wir Franca umworben haben.
Mich bewegt, daß G ünther aus Trauer über meinen Wechsel
nach Passau seinen Hund vergiftet hat.
Mir macht Freude, daß Edes Sohn wieder gesund und mun­
ter ist.
Mich rührt, daß Ede trotz meines Wechsels nach Passau sei­
nen Kanarienvogel nicht erwürgt hat.
Den Sarazenen hat natürlich beleidigt, daß du ihn um 10,DM angepumpt hast.
Tatsächlich käme es einer Vergewaltigung des Ergativitätsbegriffes gleich,
jedes Verb, das Subjektssatz-Hintanstellung wie in (6) ohne Korrelat
zuläßt, als ergativ zu betrachten. Man käme dabei auch in Schwierigkeiten
mit der Beschränkung der Extraktion aus Subjektssätzen. Nun hatte sich
oben allerdings schon erwiesen, daß neben der Extraposition von Satz­
komplementen im Deutschen noch eine zweite O ption für die H intanstel­
219
lung von Sätzen und PPn existiert, nämlich deren postvcrbale Basisgencrierung. Wenn die Subjektssätzc in (6) dem entsprechend bereits in der
Basis rechts von V erzeugt sind (eine O ption, die, wie wir oben zeigten,
das Englische z.B. nicht haben kann), stellen die Sätze in (6) kein Pro­
blem für das ECP oder ähnliche Prinzipien dar. Es ist kaum möglich,
diese Hypothese zu testen, da sich Strukturen, die eindeutig über E xtra­
position entstanden sein müssen, nämlich solche, bei denen der Satz
selbst zweifach eingebettet ist und hinter das M atrixprädikat gestellt ist,
kaum konstruieren lassen. Eine solche Struktur setzte nämlich voraus,
daß der unm ittelbare E inbetter des Extraponats selbst im Mittelfeld ste­
hen bleibt, und dies ist nur möglich für infinite Sätze. Dieses infinite
Prädikat kann aber ex definitione keinen Subjektssatz bei sich haben,
sondern nur PR O , so daß hier kein Extraponat aufkonstruiert werden
kann.
Ist das einbettende Prädikat hingegen finit, so entstehen ungram ma­
tische Strukturen, weil dieses Prädikat nicht im Mittelfeld stehen blei­
ben kann. Bei einem Satz (7b) hingegen ist man keinesfalls gezwungen,
den Satz daß Ede kom m t als an die Matrix extraponiert zu konstru­
ieren. Die Inversion bei hilft reicht aus, um die O berflächenkette zu be­
schreiben.
(7a)
(7b)
*Weil daß uns hilft klar ist, daß Ede kommt.
Weil klar ist, daß uns hilft, daß Ede kommt.
Eine Verschiebung des einbettenden Prädikats nach COM P im H auptsatz
führt ähnlich zu ungram m atischen Resultaten.
(7c)
*Daß uns hilft, ist klar, daß Ede kommt.
Möglich ist hingegen, einen Subjektssatz ins Nachfeld zu stellen und dabei
das Trägerprädikat in C O M P zu positionieren, wenn dieses Trägerprädikat
nicht in einen daß-Satz eingebettet ist.
(8a)
(8b)
*Daß uns hilft, sagt Sonja, daß Ede Läuse hat.
Uns hilft, sagt Sonja, daß Ede Läuse hat.
Man hat hier freilich die O ption sagt Sonja als Parenthese aufzufassen, so
daß auch hier kein D atum konstruiert ist, das der Inversionshypothese
widerspräche. D am it sind aber alle D aten, die Expletiva oder deren Feh­
len involvieren, in einer konfigurationalen Syntax des Deutschen ohne wei­
teres abhandelbar.
220
7.2. Deutsche Wortstellung
In den vorangehenden Kapiteln hat sich gezeigt, daß alle Datcnberciche,
die anscheinend für eine konfigurationale Theorie des Deutschen proble­
matisch sind, mühelos in einen Ansatz mit einer VP integriert werden kön­
nen. Obendrein erwies sich, daß eine erklecklichc Anzahl von Daten ande­
rerseits nur dann erklärbar ist, wenn die deutsche Syntax einen VP-Knoten
aufweist. Unter dieser Perspektive mag es merkwürdig erscheinen, daß
überhaupt die These der Nichtkonfigurationalität des Deutschen aufgestellt
und mit so viel Erfolg vertreten worden ist.
Allerdings ist ein zentraler Problembereich, der gegen eine VP zu spre­
chen scheint, nämlich die freie Wort- bzw. Konstituentenstellung des D eut­
schen, bislang noch nicht geklärt. Gerade dieses Phänomen scheint die
Arbeit mit einem VP-Knoten so äußerst schwierig und unattraktiv zu
machen. Ist VP nämlich die maximale Projektion des Verbs, die das Subjekt
nicht mit enthält, so ergeben sich aus dem X-bar-Schema strikte Linearisie­
rungsvorhersagen, die im Deutschen nicht realisiert zu sein scheinen. Da
sich die Äste eines Strukturbaum s nicht überschneiden dürfen, folgt näm­
lich, daß eine Kategorie a , die nicht von ß dominiert wird, nicht zwischen
zwei Elem enten r und 6 stehen kann, wenn r und <3 von ß dominiert sind.
Konkret gesprochen darf also das Subjekt nicht zwischen zwei Elementen
stehen, die von VP dominiert sind, also beispielsweise nicht zwischen Verb
und Objekt. Deutsche Sätze wie (9) zeigen jedoch, daß dies, entgegen den
Vorhersagen der X-bar-Theorie, durchaus der Fall sein kann.
(9a)
(9b)
(9c)
Weil den Hans niemand leiden kann.
Daß den Bürgerm eister jeder sehr verehrt.
Obwohl jede Studentin ein Professor eingeladen hat.
Insbesondere verändern sich aber auch die grammatischen Eigenschaften
der verschiedenen NPs nicht mit ihrer jeweiligen Linearisierung im Satz.
Beispielsweise können O bjektsanaphern nur von Subjekten gebunden wer­
den, Subjektsanaphern dagegen existieren nicht, und diese Generalisierung
ist unabhängig von der jeweiligen Position, die die A napher einnimmt.
(10a)
(10b)
Weil jeder sich mag.
Weil sich jeder mag.
Es mag daher plausibler erscheinen, etwa die Gesetzm äßigkeiten der
A naphorik unabhängig von den sich mit der Serialisierung verbundenen
221
c-Kommando-Bcziehungen zu form ulieren. D amit verm eidet man die
offenkundige Schwierigkeit, daß zwar in (lü a) jeder als Subjekt ein in VP
eingebettetes sich asymmetrisch c-kom m andieren kann, aber nicht in
(10b). Hier hängt entw eder, so mag es auf den ersten Blick scheinen, sich
ebenso wie jeder direkt unter dem S-K noten, so daß nun sich jeder c-kommandiert, was Prinzip C der B indungstheorie verletzt. A ndererseits könnte
sich noch höher im Baum hängen als jeder, würde damit aber von jeder
nicht mehr c-kom m andiert, was Prinzip A verletzen würde.
Dieser G edankengang übersieht jedoch zweierlei. Erstens ergeben sich
die Linearisierungsvorhersagen des X-bar-Schemas nur für die D -Struktur;
sie allein wird vom X-bar-Schema erzeugt. In der S-Struktur kann sich
jedoch die Serialisierung der E lem ente durch die A pplikation der Regel
Move a verändert haben, wie wir dies für den Passivfall oder w/i-Fragen
bereits gesehen haben. Da nun bei S anders als bei S' keine spezielle
Landeposition für NPn vorgesehen ist, ergibt sich, daß Voranstellungen wie
in (9) und (10) innerhalb der T heorie erklärt werden können über eine
Chomsky-Adjunktion des O bjekts an den S-Knoten. Diese O peration ist
für die Erklärung von Extrapositionsdaten ohnehin erforderlich (cf. oben
und Felix & Fanselow 1986). Wir können also Sätzen wie (9) eine Struktur
wie (11) zuschreiben.
«i
tj
Aus dem Projektionsprinzip folgt obendrein, daß bei dieser ChomskyAdjunktion von XP an S eine Spur in der Ausgangsposition zurückgelassen
werden muß, da ansonsten die Selektionseigenschaften des Verbs auf der
S-Struktur nicht m ehr erfüllt w ürden. Diese Spur ist nun relevant für die
222
Erklärung der Tatsache, daß Umstellungen von Subjekten mit Objekten
oder Adverbien die grammatischen Eigenschaften der vorangcstellten
Phrase nicht verändern.M it Koster (1982) ist nämlich über das sogenannte
“Kettentransfcrprinzip" zu fordern, daß die einschlägigen c-Kommandobcziehungen sich von der Spur auf das Antezedens vererben. Dieses Prinzip
ist nun nicht ad hoc zur Erklärung von Daten wie (10b) anzusetzen, son­
dern unabhängig motiviert. Auch bei der Voranstcllung von Phrasen ins
Vorfeld, also bei der Applikation von w/i-Bewegung, bleiben nämlich die
wesentlichen grammatischen Eigenschaften erhalten.
(12a)
(12b)
Sich liebt jeder am meisten.
Einander schreiben würden sie sich nie.
ln (12) sind die anaphorischen Ausdrücke jeweils in COMP, d.h. in der
Position von S \ die einerseits alle anderen Ausdrücke im Satz c-kommandiert, andererseits nur von S selbst c-kommandiert wird. Ohne die
A nnahme, daß die zurückgelassene w/i-Spur ihre c-Kommandobeziehungen an das Antezedens in COM P weitergibt, ist die G ram m atikalität dieser
Daten kaum zu erklären.
Es zeigt sich also, daß über die Annahme einer Chomsky-Adjunktion
an S durchaus auch in einem konfigurationalen Ansatz erfaßt werden kann,
daß Objekte dem Subjekt vorangehen können, obwohl letzteres nicht in VP
eingebettet ist. Eine radikale Zerstörung der D-strukturellen Beziehungen,
wie sie etwa Stechow (1980) zur Erklärung von (9) und (10) nötig hält, ist
offenkundig nicht erforderlich.
Man muß sich dabei derTatsache bewußt sein, daß die eben anskizzierte
Erklärung als solche nichts an der Komplexität der deutschen bzw. der Uni­
versalgrammatik ändert. Die Regel Move a und das Kettentransferprinzip
sind unabhängig von der freien Wortstellung des Deutschen erforderlich,
und ebenso ist es ohnehin nötig, davon auszugehen, daß Bewegungsregeln
Positionen entweder in ausgezeichnete Positionen verschieben oder aber zu
Chomsky-Adjunktion führen. Das einzig zu stipulierende Faktum wäre,
daß im Deutschen in der S-Struktur an S adjungiert werden kann (woraus
sich Umstellungen von Subjekt und Objekt ergeben), im Englischen hinge­
gen nicht (weswegen die Sprache eine feste W ortstellung besitzt), aber
irgendein Prinzip ist zur Erklärung des Unterschieds zwischen Deutsch und
Englisch ohnehin erforderlich. Wie die vorangehenden Kapitel gezeigt
haben, ist dieser Unterschied jedoch kaum mit gravierenden Differenzen
in der Grammatik außerhalb des Bereiches der Wortstellung verbunden.
223
Wiederum liegen also zwei Theorien über einen Phänomcnbcreich vor,
den sie beide anscheinend mit der gleichen Leichtigkeit erklären können.
Die nicht-konfigurationalc Theorie geht davon aus, daß Subjekte wie
Objekte und A dverbien ähnliche oder identische strukturelle Positionen im
Satz einnchm en, weswegen sie prinzipiell frei lincarisicrbar sind, wohinge­
gen die konfigurationalc T heorie Scrialisicrungsoptionen, die über die vom
X-bar-Schema erzeugten Konfigurationen hinausgehen, über Movc a
erklärt.
Eine Entscheidung zwischen beiden Ansätzen ist nun durch die Tatsache
ermöglicht, daß für praktisch alle w ohluntersuchten Sprachen der Aus­
druck “freie Wort- bzw. K onstituentcnstellung” eine große Ü bertreibung
ist. Dies hat beispielsweise Kiss (1981) für das Ungarische nachgewiesen.
Die Konstitucntcnstellung ist im Ungarischen nicht wirklich “frei” , son­
dern im G egenteil von sehr strikten Prinzipien geregelt. Direkt vor dem
finiten Verb befindet sich eine Fokusposition, in die quantifizierte Aus­
drücke oder Fragew örter - vermutlich über vWi-Bewegung - geschoben
werden. D avor können m ehrere topikalisierte NPn gesetzt werden. H inter
dem Verb befindet sich der eigentliche S-Knoten. Hier können zwar nun
Subjekt und O bjekt in beliebiger Abfolge stehen, aber wie H orvath (1981)
beobachtete, ist dies in einer pro-drop-Sprache wie dem Ungarischen auch
nicht anders zu erw arten. Schließlich kennen pro-drop-Sprachen ja generell
die Subjekt-VP-Inversion. Ungarisch ist also keinesfalls eine Sprache mit
freier Wortstellung, sondern jeder ungarische Satz muß die Feldergliede­
rung (13) beachten.
(13)
Topik Fokus V S
Arbeitet man nun in einem nicht-konfigurationalen R ahm en, dann macht
die Theorie anders als der konfigurationale Ansatz die Vorhersage, daß die
Stellung der K onstituenten völlig frei sein sollte. Jede Einschränkung der
Wortstellungsmöglichkeiten muß also extra in der G ram m atik stipuliert
werden. Da solche R estriktionen negative D aten darstellen, sind sie ferner
nicht erlernbar, d.h. man m üßte davon ausgehen, daß die entsprechenden
Restriktionen in der Tat angeboren sind. D a es keine einzige Sprache mit
völlig freier W ortstellung zu geben scheint, ist also gewissermaßen die
“Beweislast” gleichmäßig verteilt: der konfigurationale A nsatz muß erklä­
ren, weswegen zusätzlich gewisse Stellungsoptionen existieren, der nichtkonfigurationale steht vor dem Problem , daß er zu viele Serialisierungen
zuläßt. Eine genauere U ntersuchung der Sachlage zumindest im D eutschen
224
ergibt nun, daß der konfigurationale Ansatz im stande ist, A rt und Natur
der Beschränkungen über die Serialisierung in toto vorherzusagen, wäh­
rend der nicht-konfigurationale Ansatz dem nichts entgegenzusetzen hat.
Letztendlich kehrt sich also auch im Bereich der W ortstellungsfreiheit das
Bild um: die D aten, die die VP-Theorie bestätigen, sind nur unter der
Annahme einer VP zu erklären.
Die wichtigste Beobachtung im Kontext der deutschen W ortstellungs­
möglichkeiten ist in Lenerz (1977) ausführlich diskutiert worden. Objekte
und Adverbien können im Mittelfeld nicht vor das Subjekt gesetzt werden,
wenn sie starken Akzent tragen, cf. dazu die Beispiele (14), in denen Kur­
sivsetzung für Hauptakzent stehen.
(14a)
(14b)
(14c)
(14d)
Weil der Präsident im Hilton wohnt.
*Weil im Hilton der Präsident wohnt.
Weil der Präsident dem Minister eine Tasche überreichte.
*Weil dem Minister der Präsident eine Tasche überreichte.
(15a)
(15b)
Weil im Hilton der Präsident wohnt.
Weil dem Minister der Präsident eine Tasche überreichte.
(16a)
(16b)
Weil der Präsident im Hilton wohnt.
Weil der Präsident dem Minister eine Tasche schenkte.
Sind die Objekte jedoch ohne H auptakzent, dann ist Voranstellung durch­
aus möglich (15). D er Konstrast zwischen (14) und (15) kann aber nicht
durch ein Prinzip bedingt sein, das es verböte, Phrasen mit H auptakzent
an die Satzspitze zu stellen. Ist die NP mit H auptakzent nämlich Subjekt,
dann resultiert keine Ungramm atikalität (16). Ein nicht-konfigurationaler
Ansatz kann diese D atenverteilung offenkundig nicht auf einfache Weise
in den Griff bekommen. D er sich aufdrängenden them atischen Beschrän­
kung stehen D aten wie (16) entgegen. Wenn man hingegen - etwas verein­
fachend - H auptakzent mit Fokussierung gleichsetzt, dann ist (14)—(16) im
Rahmen eines konfigurationalen Ansatzes sehr einfach zu erfassen. Offen­
kundig reicht es aus, anzunehm en, daß die Voranstellungsregel, d.h. die
Option zur Chomsky-Adjunktion an S, auf topikalisierte NPn beschränkt
ist. Fokus-NPn können ihr nicht unterzogen werden. Das Subjekt ist konfigurational mit der Expansion S -► NP, VP jedoch autom atisch als das tiefen­
strukturell vorderste Glied des S-Knotens ausgezeichnet. In einem Satz wie
(16a) ist das Subjekt also einfach in seiner D -strukturellen Position anzu­
nehmen, da es nicht bewegt werden muß, und um an der Satzspitze stehen
zu können, unterliegt es auch nicht derTopik-Beschränkung für Voranstel­
lungen im Mittelfeld.
225
(17)
Movc a ist im Mittelfeld aufTopik-N Pn eingeschränkt.
Momentan wollen wir die Beschränkung (17) nur konstatieren; sie wird
später aus unabhängig motivierten Prinzipien einer konfigurationalen Syn­
tax abgeleitet. Wenn Sätze, in denen vor dem Subjekt andere Satzglieder
stehen, also durch ein über (17) eingeschränktes Movc a entstehen, so
schreiben wir ihnen die Struktur (11) zu, und es ist dabei zunächst zu klä­
ren, von welcher N atur die zurückgelassene Spur t, ist. Innerhalb der Rcktions- und Bindungstheorie existieren nun vier Typen leerer Kategorien,
von denen jedoch PRO (das unregiert sein muß) und pro (das von INFL
identifiziert sein muß) sofort für t, ausscheiden. INFL kongruiert ja weder
mit O bjekten noch mit Adverbien, und die Spur befindet sich in (11) auch
in regierter Position, t, kann also nur eine anaphorische NP-Spur oder eine
w/j-Spur sein.
Beide O ptionen machen nun starke empirische Vorhersagen, anhand
derer die Gültigkeit der Bewegungsanalyse für freie Wortstellung überprüft
werden kann. Wenn diese richtig sein sollte, dann muß nämlich t, entweder
die charakteristischen Eigenschaften von NP- oder w/z-Spur besitzen. Bei­
spielsweise müssen also die jeweiligen Lokalitätsforderungen voll erfüllt
sein. Wäre dies nicht der Fall, dann wäre die Behauptung, freie Wortstel­
lung entstünde durch Bewegung, widerlegt, da der Prozeß dann ja die für
Bewegungen charakteristische Eigenschaften nicht besäße. Andererseits
bestätigte der Nachweis, daß die Spur die angesprochenen Eigenschaften
besitzt, den konfigurationellen Ansatz und widerlegt die nicht-konfigurationale Theorie. D enn wenn Umstellung alle Eigenschaften von Bewegungsre­
geln teilt, ist es höchst unplausibel, daß diese Eigenschaft in einem Constraint über freie Basiswortstellung enkodiert sein könnte.
Betrachten wir zunächst die Möglichkeit, daß die Spur in (11) eine Varia­
ble ist. Für Variablen sind zwei Eigenschaften entscheidend: die Beziehung
zum A ntezedens unterliegt keiner anderen Anforderung als der Subjazenz,
und Variablen lizensieren parasitäre Lücken.
Die deutsche Vorfeldbesetzung exemplifiziert wie bereits erwähnt die
Subjazenzbeschränkung. Extraktionen ins Vorfeld sind möglich aus finiten
wie infiniten N ebensätzen, jedoch nicht etwa aus komplexen NPn, cf. (18):
(18a)
(18b)
(18c)
(18d)
D en H anSj denke ich (S' tj (s m a g jeder tj)).
D en HanSj denke ich schon daß jeder tj mag.
Dem H anSj bat ich Maria (PRO tj zu helfen).
*Den H ans kenne ich die Geschichte daß niemand tj mag.
226
Wäre nun die Spur in (11) eine Variable, d.h. wäre die Mittelfeldumstcllung
eine Instanz von w/i-Bewcgung, dann müßten im Mittelfeld alle Phrasen a
vor das Subjekt gestellt werden können, für die eine Bewegung ins Vorfeld
unter Subjazcnz erlaubt ist. Offenkundig ist diese Erwartung nicht erfüllt:
im Mittelfeld können im Regelfall keinesfalls Elem ente aus eingebetteten
finiten oder infiniten Nebensätzen vor das Subjekt gesetzt werden.
(19a)
(19b)
*Ich wundere mich, daß den Mann, niemand denkt, daß
Maria t, mag.
*Ich denke, daß dem Mannj niemand Maria t, zu helfen auf­
forderte.
Zu dieser Generalisierung gibt es nur zwei Ausnahmen: bei einer Handvoll
von Infinitivverben können auch Elemente des Komplem entsatzes vor das
Subjekt des einbettenden Satzes gesetzt werden, cf. (20), und in Acl-Konstruktionen kann unter gewissen Bedingungen dasselbe geschehen (s.u.).
(20)
Weil dem Mannj niemand t, zu helfen versprach.
Eine genauere Untersuchung der Verbgruppe, die K onstruktionen wie (20)
zuläßt, zeigt jedoch, daß es sich dabei um die bereits oben besprochenen Reanalyseverben handelt, bei denen aus unabhängigen G ründen die zwischen
einbettendem und eingebettetem Verb bestehende Satzgrenze beseitigt wor­
den sein muß. In Daten wie (20) steht also anders als in (19) zwischen dem vor­
angestellten Element und seiner Spur keine S-Grenze. A nders als bei wh-Be­
wegung verhindert ein einfacher intervenierender S-Knoten eine korrekte
Beziehung zwischen Spur und Antezedens. In den für w/i-Bewegung charak­
teristischen Kontexten (18) ist, wie (19) zeigt, die M ittelfeldbewegung gerade
nicht zulässig. Dies spricht dagegen, daß die Spur in (11) eine Variable ist.
Variablen lizensieren daneben, anders als NP-Spuren, das Phänomen
der sog. parasitic gaps, d.h. Konstruktionen wie (21), bei denen eine Operatorposition zwei Lücken bindet (cf. Engdahl 1983 und Chomsky 1982a).
(21)
Which article, did he file tj without reading tj.
Im Deutschen ist nun aus einer Reihe teils bekannter, teils unbekannter
Gründe das Phänomen der parasitären Lücken auf wenige Kontexte
beschränkt, die Felix (1985) ausführlich diskutiert hat. Ein Standardfall für
deutsche parasitäre Lücken findet sich etwa in (22).
(22)
LI ist eine Zeitschrift diej man anstatt tj zu kopieren tj abon­
nieren sollte.
227
Wenn nun in (11) eine w/i-Spur vorläge, so müßte sic alle charakteristischen
Eigenschaften von solchen leeren Kategorien teilen, d.h. cs müßten insbe­
sondere in den K ontexten, in denen bei Rclativsatzbildung vWi-Bcwegung
parasitäre Lücken kreiert, ebensolche bei der Mittclfcldumstellung auftreten. Diese Vorhersage ist ebenfalls für praktisch alle Sprecher des D eut­
schen nicht erfüllt.
(23)
*lch hoffe, daß Linguistic Review, niemand anstatt t, kopiert
t, abonniert hat.
Wiederum verhält sich also die Spur in (11) nicht wie eine Variable, was
zusammengenommen mit obigem Ergebnis eindeutig die Vermutung wider­
legt, M ittelfeldumstellung wäre eine Instanz von w/7-Bewegung.
Allerdings berichtet Felix (1985) von einigen Sprechern des Bairi­
schen, die D aten wie (23) akzeptieren würden. Dies widerlegt die eben
gezogene Schlußfolgerung jedoch keineswegs, da das Bairische nur in
sehr wenigen K ontexten überhaupt infinite Satzkonstruktionen kennt
(Donhauser, p.M ., cf. auch Merkle 1975), in der Regel sind bairische
“Infinitive” tatsächlich nominale K onstruktionen. Von ganz wenigen
Ausnahmen abgesehen, dürfen nominale O bjekte in diesen (wie beim
nominalen C harakter der K onstruktion auch zu erw arten) gar nicht auftreten. Innherhalb von NPn sind aber semantische O bjekte kaum syntak­
tisch subkategorisiert, d.h. es besteht kein G rund, in bairischen Ä quiva­
lenten zu (23) überhaupt eine Spur innerhalb des nominalen Infinitivs
anzunehmen.
Aus unabhängigen G ründen kann bei NP-Bewegung keine parasitäre
Lücke auftreten (cf. Chomsky 1982a und die Darstellung in Felix & Fanselow 1986, B d.II). B etrachtet man nun die zweite O ption für tj in (11),
nämlich NP-Spur, dann folgt also die U ngram m atikalität von (23) sofort.
Auch die D aten in (19) sind autom atisch erfaßt. Ist tj NP-Spur, dann
unterliegt sie dem Bindungsprinzip A , muß also innerhalb der Minimal
Governing Category gebunden sein. Da die bei Umstellung entstehenden
Spuren entw eder O bjekts- oder A dverbpositionen einnehm en, sind sie
stets von einem zugänglichen Subjekt innerhalb des sie unm ittelbar domi­
nierenden Satzes c-kom m andiert, weswegen der Satz, in dem sie enthal­
ten sind, ihre M GC bildet. A n d ers form uliert: die bei Umstellung entste­
henden Spuren müssen unm ittelbar innerhalb des Satzes gebunden sein,
der sie enthält. D araus folgt, daß - ceteris paribus - M ittelfeldumstellung
Satzgrenzen nicht verletzen darf. Aus der anaphorischen N atur der Spur
228
in (11) folgt also eine zentrale Eigenschaft von Umstellungspropzessen bzw.
von “freier" Wortstellung, die nicht nur für das Deutsche gültig ist: die
involvierten Elemente müssen in praktisch allen Fällen dem selben Satz
angehören.
Offenkundig ist also die Spur in (11) eine Anapher. Auch in anderen
Ansätzen, die entweder mit einer Scrambling-Regel operieren (cf. Huber
& Kummer 1974) oder bereits in der Basis freie W ortstellung erzeugen (cf.
McCawley 1982 oder LFG-Ansätze) ist eine irgendwie geartete “clausemate-condition" Bestandteil der Beschreibung von Serialisierungsoptionen. Diese Beschränkung auf Schwesterkonstituenten des gleichen Satzes
ist wie eben aufgezeigt eine Konsequenz der anaphorischen Natur der
Spur. Wichtiger ist jedoch, daß eine “clausemate-condition" und der hier
vorgestellte Ansatz in einigen Bereichen unterschiedliche empirische Vor­
hersagen machen, anhand derer zwischen den beiden Theorien entschie­
den werden kann. Nur der hier entwickelte Ansatz macht die Vorhersage,
daß aus all den Positionen, in denen ein Subjekt a eine A napher ß binden
kann, auch eine Phrase r vor das Subjekt a gestellt werden kann. Es sind
nun drei Bereiche, in denen daraus unterschiedliche Umstellungsvorhersa­
gen resultieren.
Erstens kann im Deutschen eine Anapher, die in einer PP enthalten
ist, von einem Subjekt gebunden sein. Analog zu (24a) sollte man also
die Umstellung (24b) finden, da die A napher tj in (24b) genauso korrekt
unter Prinzip A gebunden sein müßte wie die A napher einander in
(24a).
(24a)
(24b)
Daß die M änner die Bücher unter einander, aufteilten.
*Daß den Männern, niemand Bücher unter tj aufteilte.
(24b) scheint also zunächst gegen die Annahme zu sprechen, daß die Mit­
telfeldumstellung vom anaphorischen C harakter der Spur regiert ist.
Würde man fordern, Umstellung dürfe nur K onstituenten des gleichen
Satzes erfassen, wäre hingegen (24b) erklärt, da den Männern ja keine
Satzkonstituente ist. Allerdings übersieht man bei dieser Überlegung das
Faktum, daß Extraktionen aus PPn im Normalfall verboten sind (entwe­
der wegen des ECP, cf. Chomsky 1981 oder wegen Subjazenz, cf. Riemsdijk 1982b). Auch (25) ist ungrammatisch, das Deutsche kennt weder bei
wh- noch bei NP-Bewegung ein preposition stranding. Preposition stranding ist eine markierte Eigenschaft einiger weniger Sprachen, die Extrak­
tion in (24b) ist unabhängig blockiert.
229
(25a)
(25b)
*Wcm, hast du mit t, geredet?
*Hans, ist mit t, geredet worden.
Entscheidend ist nun, daß die präpositionalen Pronomina da und wo aus
einer Reihe von G ründen (cf. Fanselow 1986a) trotz des generellen E xtrak­
tionsverbots PPn verlassen können.
(26a)
(26b)
Wo ist der denn gegen gerannt ?
Da habe ich schon lange nicht mehr mit gerechnet.
Wenn nun die clausemate-Theorie richtig sein sollte, dann dürfte nichts­
destoweniger da nicht im M ittelfeld vorangcstellt werden dürfen, da auch
da trivialcrweise nur Konstituente der PP, nicht des Satzes ist. Ist hingegen
der hier vertretene A nsatz korrekt, ergeben sich genau entgegengesetzte
Erwartungen. Fällt das Verbot der Extraktion aus PP weg wie für da, und
ist Mittelfeldumstcllung nur eine Instanz von Move a , dann muß da im Mit­
telfeld vor das Subjekt gestellt werden können. Die D atenlage ist eindeutig
und bestätigt die hier vertretene Theorie:
(27)
Ich habe da, schon gar nicht m ehr (tj mit) gerechnet.
Auf Extraktionen aus NPn müssen wir nur kurz eingehen, da sie völlig ana­
log gestaltet sind. A naphern können in NPn ohne Subjekt gebunden sein
(28). In den Fällen, in denen bei der Vorfeldbesetzung trotz Subjazenz eine
NP verlassen werden kann (s.o .), ist auch M ittelfeldumstellung wie vorher­
gesagt möglich (29).
(28)
Boris Becker, schenkt den Kindern ein Autogramm von
sich,.
(29a)
Von Boris Becker will niem and ein Autogram m bekom ­
men.
D aß von Boris Becker niem and ein Autogramm haben
möchte.
*Von Boris Becker hat das Autogram m die Zeitung viel
G eld gekostet.
*Daß von Boris B ecker das A utogram m die Zeitung viel
Geld gekostet hat.
(29b)
(29c)
(29d)
Die überzeugendsten A rgum ente für die Bewegungsnatur der M ittelfeld­
umstellung lassen sich jedoch im K ontext der A cl-K onstruktionen formu­
lieren. Hier sind die D aten der anaphorischen Bindung recht komplex
(s.o.), die wir noch einm al kurz resüm ieren wollen.
230
1.) Subjekte des Komplcmentsatzcs können in A cl-K onstruktioncn stets
vom Matrixsatz aus gebunden werden.
(30a)
(30b)
Weil die Männer, sich, die Hymne singen ließen.
Weil die Männer, sich, die Hymne singen hörten.
2.) Objekte des Komplcmentsatzcs können in A cl-K onstruktioncn nur
dann vom Matrixsatz aus gebunden werden, wenn der Komplcmcntsatz
kein Tiefensubjekt enthält (i.e. bei passivierten und ergativen Verben).
(31a)
(31b)
*Wcil das Kind, den Mann die Geschichte sich, vorlescn läßt.
Weil das Kind, die Bücher sich, entgleiten ließ.
3.) A naphern, die in Adverbien eingebettet sind, können stets vom Matrix­
satz aus gebunden werden.
(32a)
(32b)
Weil niemand, den Mann für sich, arbeiten läßt.
Weil Maria, eine Bombe neben sichj platzen hört.
Wenn die Umstellungsmöglichkeiten im Mittelfeld nun aus einer Anwen­
dung von Move a resultieren, wobei eine anaphorische Spur zurückgclassen wird, dann sollte Voranstellung in genau den Kontexten möglich sein,
in denen anaphorische Bindung möglich ist.Konkret gesprochen: alle Sub­
jekte von Acl-Konstruktionen sollten vor das M atrixsatzsubjekt gestellt
werden können, ebenso generell Adverbien aus Acl-Konstruktionen.
Objekte hingegen sollten nur dann in den Matrixsatz wandern können,
wenn die Acl-Konstruktion kein D-Struktur-Subjekt enthält. Diese Vorher­
sage ist wiederum erfüllt, wie die Daten in (33) zeigen.
(33a)
(33b)
(33c)
(33d)
(33e)
(33f)
(33g)
Daß den Mannj niemand (tj schlafen) sah.
*Daß dem M ädchen Hans (einen Mann tj helfen) sah.
*Daß dem Kindj niemand (einen Mann tj gratulieren) ließ.
Daß dem Kindj niemand (Bücher tj entgleiten) ließ.
Daß dem D ien er niemand (einen Apfel tj bringen) ließ.
Daß für Hansj niemand (seine Frau tj arbeiten) ließ.
Daß neben Mariaj niemand (eine Bombe tj platzen) sah.
Insbesondere (33f) und (33g) erweisen deutlich die U nterlegenheit einer
clausemate-Analyse. Wie G rewendorf (1983) und H aider (1985) nämlich
zeigen konnten, findet bei Verben wie sehen und lassen bei Einbettung eines
Satzes mit D-strukturellem Subjekt keine S-Reanalyse statt, die S-Grenze
zwischen Matrix- und Komplementsatz ist noch vorhanden. Weswegen den­
231
noch eine weite Bindung von A naphern im Fall (32) möglich ist, dazu cf.
Fanselow ( 1986c,d). B eschränkte man nun die Umstellung im Mittelfeld
auf Satzkonstituenten, dann machtc man die inkorrekte Vorhersage, daß
(33f) und (33g) ungram matisch sein sollten. W ürde man als Ausweg
Umstellung bei Acl-Verben hingegen generell zulassen, dann bliebe die
üngrammatikalität von (33b) und (33c) ein Rätsel. Ist hingegen der
anaphorische C harakter der Spur allein verantwortlich für die Reichweite
der Umstellungsoperation, dann ist die D atenkonfiguration in (33) sofort
vorhergesagt. Alles deutet darauf hin, daß Um stellungsdom änen und die
Domäne der anaphorischen Bindung identisch sind. Dies kann nur dann
erklärt werden, wenn eine anaphorische Spur angesetzt wird, und d.h. daß
freie Wortstellung aus einer Bewegungsregel resultieren muß.
Unter der Definition der Eigenschaften leerer K ategorien aus Chomsky
(1982a) kann freilich die in (11) zurückgelassene Spur nur dann anaphorisch sein, wenn die an S adjungierte Position keine O peratorposition ist.
Tatsächlich spricht nichts gegen eine solche A nnahm e (cf. Fanselow
1986c,d).
Steht c*i aber in (11) nicht in einer O peratorposition, dann können Phra­
sen, die auf LF O peratoreigenschaften besitzen, auf LF nicht die Stelle von
<Xj einnehmen. Dies hat nun entscheidende Konsequenzen für die Klasse
der Phrasen, die an S Chom sky-adjungiert werden können, weil anschei­
nend von der Position von
aus keine O peratorposition angesteuert wer­
den kann (cf. Chomsky 1986b), d.h. die Struktur (34) ist ungrammatisch,
vermutlich wegen des ECP (cf. Fanselow 1986c,d).
232
Welche Phrasen müssen nun auf LF in O pcratorposition gestellt werden?
Dazu gehören zunächst (cf. Chomsky 1972) alle fokussierten NPn. Wenn
nun aber ein fokussiertes Objekt vor das Subjekt im Mittelfeld gestellt
würde, d.h. wenn a, in (11) eine fokussierte NP wäre, dann müßte sie auf
LF in eine Operatorposition gestellt werden. Dann aber entstünde die
ungrammatische Struktur (34). Daraus folgt, daß fokussierte Phrasen nicht
im Mittelfeld vor das Subjekt gestellt werden können, und diese Vorher­
sage entspricht wie oben bereits angesprochcn den Fakten. Eine Erklärung
der freien Wortstellung des Deutschen über eine A pplikation von Move a
erfaßt also nicht nur, aus welchen Positionen heraus Umstellungen erfol­
gen, sondern darüber hinaus auch die Beschränkung auf Topik-NPn.
Neben fokussierten NPn müssen natürlich noch weitere Phrasen in LF
Operatorpositionen einnehmen. Dazu gehören etwa quantifizierte NPn (cf.
May 1977, Chomsky 1981, Hornstein 1984). Wir machen also die Vorher­
sage, daß quantifizierte O bjekte im Mittelfeld nicht vor Subjekte gestellt
werden können, da ansonsten wieder die ungrammatische LF-Struktur (34)
entstünde. Tatsächlich entspricht auch dies den Fakten:
(35a)
(35b)
(35c)
(35d)
?*Weil jede Frau der Mann liebt.
?*Weil jede Frau ein Mann liebt.
?*Weil viele Frauen jeder Mann liebt.
?*Weil viele Frauen ein Mann liebt.
In Mehrfachfragen können ferner auch w/i-Wörter s-strukturell gesehen in
situ verbleiben. Auf LF müssen diese Fragepronomina auch in O peratorpo­
sitionen gestellt werden. Wieder leitet sich die korrekte Vorhersage ab, daß
im Mittelfeld Fragewörter nicht vor dem Subjekt stehen können.
(36a)
(36b)
(36c)
(36d)
Mit wem hat Hans welchen Kollegen betrogen?
*Mit wem hat welchen Kollegen Hans betrogen?
Was hat Hans wie gemacht?
*Was hat wie Hans gemacht?
Will man eine korrekte Beschreibung der Serialisierungsoptionen in einer
Sprache mit “freier” Wortstellung wie dem Deutschen geben, dann muß
man eine Erklärung für die Lokalitätsbeschränkungen geben können, und
für die Einschränkung der Umstellung auf Phrasen, die keine LF-Operatoren sind. Nimmt man eine Basisstellung Subjekt/Objekt/Verb an, wie sie
nur die VP-Theorie vorsieht, und erlaubt man die A pplikation von Move a
im Mittelfeld, dann werden alle Beschränkungen vorhergesagt, und es ist
233
keine nicht-konfigurationalc Lösung in Sicht, die ähnlich erfolgreich die
Daten beschreiben könnte. Die “freie" Wortstellung widerlegt also die
Annahme einer VP nicht, sie erzwingt sic bei genauerer Analyse geradezu.
Bevor wir uns in Kap. 8 den Schlüssen zuwenden können, die aus der
bisherigen Diskussion zu ziehen sind, muß noch auf zwei Datenbereiche
eingegangen werden, die auf den ersten Blick gegen die hier vorgestellte
Theorie zu sprechen scheinen. Es handelt sich dabei einerseits um das Fak­
tum, daß bei gewissen Verben Abweichungen von der “N ormalabfolge”
Subjekt vor O bjekt zu konstatieren sind, und andererseits quantifizierte
oder fokussierte Subjekte Voranstellungen von O bjekten erleichtern.
Betrachten wir zunächst Daten wie (37).
(37a)
(37b)
Weil einem Mädchen der Schlüssel ins Wasser fiel.
Weil einem Mann das Fahrrad gestohlen wurde.
Offenkundig sind die O bjekte an der Satzspitze quantifiziert und sollten
daher von der M ittelfeldvoranstellung nicht erfaßt werden können. D en­
noch nehmen sie in (37) eine Position vor dem Nominativ ein. Allerdings
ist das Phänomen beschränkt auf die Klasse der ergativen Verben und auf
das Passiv (cf. Lenerz 1977), und hier hat sich ja oben bereits ergeben, daß
die nominativischen NPn keinesfalls Subjekte sein müssen. Sie können
genausogut weiterhin in VP stehen, als nominativische O bjekte. Als solche
widerlegen sie aber nicht die vorgestellte Analyse. Vielmehr geht im Nor­
malfall das D ativ-Objekt dem direkten O bjekt voran. Da die Nominative
in (37) aber ebenfalls direkte O bjekte sind, liegt hier nichts anderes als die
basisgenerierte W ortstellung vor. Die quantifizierten Dative in (37) sind
nicht an S adjungiert; die S truktur (34) kann nicht entstehen. Analog ist
auch (38) grammatisch.
(38)
Wann ist wem ein guter G edanke gekommen?
Nicht ganz so einfach zu erklären sind D aten wie (39).
(39a)
(39b)
Weil keinem A rzt jeder Patient vertraut.
Weil jeden Studenten kein Professor mag.
Auch in (39) gehen quantifizierte O bjekte dem Subjekt voran, doch han­
delt es sich in (39) um transitive Verben, weswegen die Erklärung für (37)
hier nicht einschlägig sein kann. D er entscheidende Faktor scheint viel­
mehr zu sein, daß auch das Subjekt quantifiziert ist. Ist dies der Fall, dann
kann i.d.R . auch ein quantifiziertes O bjekt vorangestellt werden.
234
Wenn nun, wie gesagt, das ECP für die Ungramm atikalität von (34) ver­
antwortlich sein sollte, dann hängen die Vorhersagen für den Status von
(39) von der jeweils verwendeten Version des ECP ab. Wie nun Kayne
(1983) beobachtete, gibt es eine Anzahl von K onstruktionen, bei denen
ECP-Verletzungen aufgehoben oder verbessert werden, wenn eine zweite,
nicht das ECP verletzende Lücke im Satz kreiert wird.
(40a)
(40b)
*A person who, people that talk to t, usually end up fascina­
ted with his mother.
?A person who, people that talk to t, usually end up fascina­
ted with t,.
Kayne versucht dieses Faktum durch eine Reform ulierung des ECP in den
Griff zu bekommen, durch die sogenannte Connectedness-Bedingung.
Intuitiv gesprochen wird im ECP verlangt, daß eine Verbindung zwischen
leerer Kategorie und O perator im Baum konstituiert werden kann. Dies
hat den konzeptuellen Vorteil, daß ersichtlich wird, weswegen das ECP für
nicht-operatorgebundene leere Kategorien wie etwa PRO nicht gültig ist.
Kayne (1983) definiert nun zunächst den Begriff der g-Projektion. Tist eine
g-Projektion von r zunächst dann, wenn r e i n e Projektion von r im Sinne
der X-bar-Theorie ist. Ist nun aber r obendrein ein ordentliches Regens,
dann kann die g-Projektion erweitert werden, falls in der Projektion J , die
eine g-Projektion Tvon r dominiert, T in der Standard-Rektionskonfiguration steht, d.h. in der Position, von der aus in der jeweiligen Sprache struk­
turell regiert wird (i.e. auf einem rechten Ast im Englischen, und auf einem
linken im Deutschen). Die G-Projektionsmenge von a ist dann a , vereinigt
mit der g-Projektion der Kategorie, die a regiert. Ist a beispielsweise eine
Spur in der VP, so umfaßt seine G-Projektionsmenge zunächst mit Sicher­
heit den VP-Knoten selbst, da die Spur von V regiert wird, und VP die Pro­
jektion von V im Sinne der X-bar-Theorie ist. V ist aber ein ordentliches
Regens, und da VP in S in der Standardrektionskonfiguration steht, wird
auch S zur G-Projektionsmenge der Spur gehören, analog S'. Handelt es
sich weiter um einen Objektssatz, dann steht auch dieser innerhalb der ihn
einbettetenden VP in der Standard-Rektionsrichtung, so daß in (41) bei­
spielsweise auch die Matrix-VP zur G-Projektionsmenge der Spur gehört,
und da VP wie eben gesagt selbst in der Standard-Rektionskonfiguration
steht,gehören auch das Matrix-S und S' zur G-Projektionsmenge der Spur.
Das Antezedens bildet hier mit der G-Projektionsmenge der Spur einen
kontinuierlichen Teilbaum.
235
(41)
(s ( comp w/?,) (s . .. (Vp .. (s .. (s . . (vp V t,))))))
Ist dagegen die Spur ein Subjekt, so ist sic von INFL regiert. Betrachtet
man S als Projektion von INFL, so gehört S zur G- Projektionsmenge der
Spur, aber diese G -Projektionsm enge kann nun nicht erweitert werden, da
INFL kein ordentliches Regens ist. In der Struktur (42) erreicht also die
G-Projektionsmenge der Spur das wfc-Antezedens nicht.
(42)
( s '( ( 'o m p
wh
(s*
• - ( vp • • (s • (s t, INFL VP)))))
Kaynes Connectedness-Bedingung als ECP-Rcformulierung besagt nun,
daß die G -Projektionsm enge einer Spur t, das Antezedens in COM P errei­
chen muß. Damit ist offenkunding der Standard-ECP-Kontrast (41) vs.
(42) erfaßt. D er entscheidende Unterschied zum traditionellen ECP
besteht nun darin, daß sich die G-Projektionsm engen der Spuren vereini­
gen, die vom gleichen Elem ent gebunden sind. Dieses Faktum erklärt den
Kontrast in (40). In (40a) ist die Spur tj von to ordentlich regiert, so daß
sich ihre G -Projektionsm enge an sich erw eitern kann. People that talk to ist
jedoch Subjekt, und das Subjekt steht in S nicht in der Standard-Rektionskonfiguration. Also kann die G -Projektionsm enge der Spur nur das Sub­
jekt des Relativsatzes umfassen, und erreicht damit das A ntezedens who
nicht. Der Satz verletzt mithin die Connectedness-Bedingung. In (40b) gilt
zwar für die Spur im Subjektssatz dasselbe, doch liegt hier eine weitere
Spur vor, die mit who koindiziert ist, und da diese in der VP steht, erreicht
ihre G-Projektionsmenge nicht nur das w ho, sondern auch den S-Knoten
des Relativsatzes, also eine Position, die zur G-Projektionsmenge der
ersten Spur adjazent ist. Die beiden G -Projektionsm engen vereinigen sich.
Da nur das Gesamtbild zählt, verletzt nunm ehr (40b) Connectedness nicht.
Für unsere Ü berlegungen ist dabei entscheidend, daß eine Vereinigung
von G-Projektionsmengen auch dann stattfindet, wenn zwei an sich nicht
koindizierte Phrasen von der gleichen O peratorposition aus gebunden sind.
Dies sieht man am K ontrast in (43).
(43a)
(43b)
*We are trying to
was in love with
?We are trying to
was in love with
find out which man said that which woman
him.
find out which man said that which woman
which boy.
In (43) finden sich jeweils »Wi-Phrasen in situ, die auf LF in das COM P
bewegt werden m üssen, in dem syntaktisch bereits which man steht. Bei
236
dieser Bewegung werden Spuren hinterlassen, und da das ECP ein LF-Prinzip ist, verletzt natürlich auch (43a) die Conncctcdncss-Bedingung, denn
die G-Projektionsmenge der Spur von which woman kann das COM P des
obersten eingebetteten Satzes nicht erreichen. Subjekte sind im Englischen
niemals in der Standard-Rektionskonfiguration. Die Schaffung einer zwei­
ten LF-Spur wie für (43b) erforderlich (auch which boy muß nach COMP
geschoben werden) verbessert den Satz wieder erheblich, da die G-Projek­
tionsmenge der Spur von which boy das COM P des obersten eingebetteten
Satzes erreicht. Offenkundig vereinigen sich also auch die G-Projektionsmengen der Spuren von which woman und which boy, da anders nicht zu
erklären wäre, weswegen (43b) nicht wie (43a) Connectedness verletzt.
Generell gilt also, daß die G-Projektionsmengen all der Spuren vereinigt
sind, die vom gleichen COMP aus gebunden sind.
Daraus folgt aber schon, weshalb in (39) auch quantifizierte Objekte
vorangestellt werden können. Eine kurze Extraktion eines quantifizierten
Subjekts auf LF verletzt niemals das ECP, d.h. das Subjekt und seine LFSpur sind konnex. Da sich aber die G- Projektionsmengen von Spuren, die
das gleiche COMP binden, vereinigen, bildet sich, wenn von “unten her­
a u f’ eine konnexe Beziehung zur O peratorposition besteht, eine solche
nun auch für an S adjungierte Lücken. Die Connectedness-Bedingung sagt
also vorher, daß an S adjungierte Phrasen rtur dann O peratoren sein kön­
nen, wenn das Subjekt selbst ein O perator ist. A nders formuliert: sie sagt
vorher, daß quantifizierte Objekte nur dann vorangestellt werden können,
wenn das Subjekt selbst quantifiziert ist.
8. Die Realität des Konfigurationalitätsparameters
g.l. Resümee bezüglich der Lernbarkeit
Die vorangehende Untersuchung einiger Probleme der deutschen Syntax
hat kein einziges Faktum ergeben, das darauf hindeutet, daß die Sprache
keine VP besitzt. Vielmehr ließ die Datcnlage jeweils Evidenzen für eine
VP, nicht gegen sic, konstruieren.
Die w/?-Extraktion zeigte sich auch für Subjekte dann blockiert, wenn
keiner der verschiedenen Auswege über eine exzeptionelle Rektion der
Subjektsstcllc aus COM P heraus mehr möglich war. Da wesentlich das
ECP die Verteilung von vv/j-Spuren steuert und die Rektionsoption aus
COMP ein entscheidender Param eter zu sein scheint, deutet dies eben dar­
auf hin, daß die Subjektsposition im Deutschen unregiert ist, was nur in
einer Sprache mit einer VP zu erw arten ist.
Reanalyse voraussetzende Prozesse erwiesen sich als für nicht-ergative
Subjekte generell blockiert. Es handelte sich dabei einmal um die E xtrak­
tion aus Subjektssätzen heraus, die w/i-Extraktion aus was-für-K onstruktio­
nen, die N P-Aufspaltung, die Verbtopikalisierung. Da Reanalyse durch
Prädikate ausgelöst wird und dabei Voraussetzung ist, daß das zu reanalysierende Elem ent im R ektionsbereich des Prädikats ist, zeigte dies wie­
derum, daß nicht-ergative Subjekte stets außerhalb der Rektion des Verbs
sein müssen. Bindungsdaten deuteten ferner auf eine hierarchische Asym­
metrie zwischen Subjekten und O bjekten hin, etwa kann nur das Subjekt
nach COM P hinein binden. Es fanden sich beim deutschen Passiv auch Evi­
denzen dafür, daß die K onstruktion Bewegung involvieren können muß,
genauso für die K onstruktion “A nhebung zum Subjekt” . Da Bewegung
keine Option für eine nicht-konfigurationale Sprache zu sein scheint, deu­
tet dies ebenso auf den konfigurationalen C harakter der Sprache hin. D er
VP-Knoten blockierte als G renzknoten gewisse Rechts-Extraktionen wie
Satzextraposition, was trivialerweise nur in einer konfigurationalen Spra­
che der Fall sein kann. Weiter ließ sich ableiten, daß die G esetzm äßigkeiten
der “freien” deutschen W ortstellung nur über eine SO V-G rundstruktur mit
Bewegung erklärbar sind.
Alles in allem heißt dies, daß das D eutsche sehr wohl eine Sprache
mit VP sein m uß, wenn das in G overnm ent-and-B inding vorgestellte
238
System im wesentlichen korrekte Vorhersagen für die Universalgrammatik
zu machen erlaubt.
Allerdings interessierte cs ja weniger, ob das Deutsche selbst eine Spra­
che mit VP ist oder nicht. Ausgehend vom logischen Problem des Spracherwerbs ist die Frage zu stellen, inwieweit das Kind, das Deutsch lernt, Evi­
denz für oder gegen die eine oder andere Hypothese bei der Fixierung des
Konfigurationalitätsparameters besitzt, wenn dieser ein realer Bestandteil
der Universalgrammatik sein sollte.
Wir können aber nun praktisch allen betrachteten D aten das Etikett
“negativ” anheften.
Es war Evidenz für eine VP, daß marginale Sätze wie (1) ungrammtisch
sind.
(1)
*Wer weißt du nicht was repariert?
Da das ECP, das (1) ausschließt, eben ein Verbot für das Auftreten
bestimmter Strukturen ist, kann sein Wirken in einer Sprache prinzipiell
nur über negative Daten erkannt werden, nicht aber über positive. Lembarkeit ergäbe sich allerdings, wenn wie bei der Inversion im Englischen
über das Auftreten eines expletiven Elements ein Signal für das Wirken des
ECP aufträte. Aus der Tatsache allein, daß bestimmte Strukturen im
sprachlichen Input nicht Vorkommen, kann das Kind nicht schließen, daß
diese Konstruktionen ungrammatisch sind. Bei der »v/j-Extraktion nun
könnte indirekte Evidenz für das Wirken des ECP in der Umschreibung mit
von + Fragewort plus der Verwendung resumptiver Pronom ina bestehen.
Allerdings könnte ein Kind aus dieser K onstruktion nur dann etwas über
das Wirken des ECP im Deutschen erfahren, wenn wie bei der Inversion
das expletive Element tatsächlich nur dann auftritt, wenn das ECP eine
leere Kategorie ausschließt. Dies ist bei der von-Periphrase im Deutschen
nun sicher nicht der Fall: wie (2) zeigt, kann man hier sowohl zu Subjekts­
pronomina wie zu Objektspronomina Bezüge hersteilen.
(2a)
(2b)
Von wem glaubst du, daß er keine schnellen A utos mag?
Von welchen Dingen glaubst du, daß H ans sie nicht mag?
Resumptive Pronomina ohne vo/i-Periphrase sind für Fragew örter und die
geläufigen Relativpronomina im Deutschen dagegen kaum möglich.
(3a)
(3b)
*Wer weißt du ob er kommen darf?
*Wer hast du vergessen was er repariert hat?
239
Alternativ dazu ist in meinem Dialekt die Strategie möglich, anstelle des
Relativpronomens die Rclativpartikcl wo zusammen mit einem Pronomen
zu verwenden. Allerdings finden sich auch hier keine Subjektspräferenzen,
die es dem Kind erlauben w ürden, Rückschlüsse über die Rektion der Sub­
jektsposition zu ziehen.
(4a)
(4b)
(4c)
(4d)
(4e)
(4f)
"Das ist das Auto das ich den Mann kenne der cs fährt.
Das ist das A uto, wo ich den Mann kenne, der es fährt.
*Das ist der Mann der ich das Auto kenne das er fährt.
Das ist der Mann, wo ich das Auto kenne, das er fährt.
Das ist die Frau, wo ich mich frag’, ob sie angerufen hat.
Das ist die Frau, wo ich mich frag’, wer sie nett finden
könnte.
Auch die von Riemsdijk beschriebene W-Kette der COMPs (s.o.) kennt
keine Unterschiede zwischen Subjekten und Objekten.
(5a)
(5b)
Was glaubst du, wer mich angerufen haben könnte?
Was glaubst du, wen Maria angerufen haben könnte?
Da damit alle offensichtlichen Möglichkeiten abgeprüft sind, ist festzustel­
len, daß aus w/i-Verschiebungsdaten dem Kind keine Evidenz darüber zur
Verfügung steht, ob die Subjektsposition regiert ist.
Die gleiche Konklusion ergibt sich für die Frage der Extrahierbarkeit
aus Subjektssätzen. Die Tatsache, daß Sätze wie (6) ungrammatisch sind,
erwies, daß nicht-ergative Subjektssätze unregiert sind.
(6)
(7)
*Wer beweist es keine Vorhersagen daß angerufen hat?
*Nach w elcher Stadt hat ein Umzug Maria verärgert?
Auch bei (7) stellen sich keine wesentlichen A lternativen zum Ausdruck
der betreffenden Frage, die nicht auch für O bjekte definiert sind. Als Alter­
nativstrategie zur N P-PP-Reanalyse, die für nicht-ergative Subjekte aus
den Rektionsgründen verboten ist, ist selbstverständlich das “pied-piping”
der beiden Phrasen gegeben, und dies ist für O bjekte wie Subjekte gleicher­
maßen marginal möglich.
(8a)
(8b)
?Ein Umzug nach welcher Stadt hat Maria verärgert?
?Einen Umzug nach welcher Stadt würde niemand wagen?
Das gleiche gilt für die beiden zusam m enhängenden Konstruktionen V-Voranstellung und N P-Aufspaltung. Die V-Voranstellung kann keine nicht-
240
ergativen Subjekte mitbewegen, was sich darüber erklärt, daß diese nicht
innerhalb der maximalen Projektion des Verbs stehen. D aher können sie
von der für V-Voranstellung erforderlichen Reanalyse auch nicht betroffen
sein. Natürlich kann das Kind aber hier auch nicht aus der Tatsache, daß es
Sätze wie (9) nicht hört, schließen, daß diese ungrammatisch sind. Die
Alternative zur V-Voranstcllung ist aber einfach die Topikalisicrung eines
anderen Elements, weshalb auch hier keine indirekte Evidenz über die
Ungrammatikalität von (9) vorhanden ist.
(9)
*Der Riese aussaufen kann nur der See.
Bei der NP-Aufspaltung, die sich ebenfalls aus der Beschränkung der
Reanalyse auf maximale Projektionen eines Prädikats erklärte, ist die
Alternative wie bei der NP-PP-Aufspaltung die Topikalisicrung der gesam­
ten Phrase. Auch hier bringt dies bei O bjekten wie Subjekten trivialiter
gleich gute Resultate mit sich.
Bezüglich der Reflexivierungsdaten aus Kap. 4 ist eine Bewertung nicht
so ganz einfach. Was die von G rewendorf (1985) entdeckte Asymmetrie
bezüglich der Bindung in COM P hinein betrifft, so ist festzuhalten, daß
eine Ersetzung der A napher im problematischen Fall durch ein Pronomen
kaum zu besseren Ergebnissen führt.
(10)
*Mit ihm konfrontierte Hans den Studenten.
Allerdings verbessert die Addition von selbst den Satz.
(11)
(12)
Mit ihm selbst konfrontierte Hans den Studenten.
?Mit ihnii selbst konfrontierte uns Hansj.
Wie (12) zeigt, ist es hier fraglich, ob sich ein Bezug zur Subjektsposition
hin konstruieren läßt. Ungeklärt ist allerdings, welche Param eter die Ver­
teilung von ihm selbstlihn selbst o.ä. steuern. Es hat den Anschein, daß
außer in äquativen Strukturen ein generelles Verbot vorliegt, diese Phrase
als Argument unmittelbar auf das Subjekt des gleichen Satzes zu beziehen.
(13a)
(13b)
(13c)
(13d)
*Weil Hans ihn selbst mag.
Weil Hans ein Buch von ihm selbst gelesen hat.
Weil Hans glaubt, daß Karl ihn selbst ausbooten wollte.
Weil Maria nicht mehr sie selbst ist.
Insofern ist also die Ungrammatikalität von (12) nicht unbedingt durch die
Bindungsfähigkeit eines Subjektes nach COM P hinein erklärt, sondern aus
241
einem generelleren Verbot des unm ittelbaren Subjektsbezugs, was wie­
derum auf die c-Komm ando-Asymm ctric zwischen Subjekten und O bjek­
ten hindeutet.
Bezüglich der Passiv- und Raising-Konstruktion gibt cs mehrere Kandi­
daten für positive, also vom Kind lernbare Evidenz für eine VP. Problem a­
tisch mag dabei v.a. die Evidenz aus der Existenz eines bekommen-Passivs
sein. Die lexikalische und damit nicht-konfigurationale Behandlung des
Passivs müßte bei der Integration des Dativpassivs eine lexikalische T heo­
rie voraussetzen, die mehr an Information verarbeiten kann als den them a­
tischen Rahmen des fraglichen Verbs. Allerdings müßte natürlich diese
Änderung in der UG-Theorie vorgenom men w erden, wenn unsere Sprache
VP-los wäre, so daß cs sehr schwierig ist zu entscheiden, inwieweit die
bekom men-D aten wirklich einschlägige Evidenz für die VP sind. Weiter
sind die D aten, die für die Passiv-Analyse von bekom m en sprechen, entw e­
der negativ oder marginal, so daß auch daran wohl kaum die VP-Entscheidung aufgehängt sein kann. Auch die Möglichkeit, den Komplementsatz
bei gewissen Raising-Verben zu extraponieren, war ein Argument für NPBewegung im D eutschen, doch gilt hier, daß die alternative Erklärung für
Daten wie (14) über die Verbinversion sich wiederum nur an den von Wun­
derlich entdeckten negativen D aten ausschließcn läßt (siehe oben).
(14)
Es hat angefangen, ganz fürchterlich zu regnen.
Hier mag allerdings die UG selbst so spezifiziert sein, daß Verbinversionsprozesse keine Phrasen mitschleifen dürfen, die nicht zum Verbkomplex
gehören. (14) erschiene dann als ausgezeichnetes positives Datum für die
Bewegungsanalyse des ‘Raisings’.
Genauso ist das Fernpassiv bei lassen oder versprechen ein positives
Datum für eine Bewegungsanalyse des Passivs, wenn man nicht den einen
oder anderen Ausweg über eine Erw eiterung des Konzepts lexikalischer
Regeln zu gehen bereit ist.
Der B egrenzungscharakter eines VP-Knotens bezüglich Extraposition,
der in Kap. 6.2. besprochen w urde, deutet wiederum nur negativ auf die
Existenz der VP hin. Die A lternativkonstruktion für die Fälle, bei denen
die VP die lange Extraposition blockiert (nämlich die Extraposition des den
fraglichen Satz enthaltenden Infinitivs), ist - wie Kap. 6.2. zeigte - nicht
ausgezeichnet für die S trukturen, in denen VP eine lange Extraposition
blockiert. Negative Evidenz sind auch die “pied-piping”-D aten aus Kap.
6.3. und die W ortstellungsdaten aus Kap. 7.2., die für eine VP sprachen.
242
Aus dieser sehr knappen Zusammenschau der Evidenz für die VP, die
sich bei einer Durchsicht wichtiger Phänomene der deutschen Syntax
ergibt, ist abzulcsen, daß in fast allen Fällen die entscheidenden Daten dem
Kind selbst nicht zugänglich sind. Da das Fernpassiv auf versuchen extrem
marginal ist und von sehr vielen Sprechern abgelchnt wird, können wir
diese Konstruktion auch als Evidenz PRO-VP für das Kind ausschlicßcn.
Es bleibt also eigentlich nur die taiv i-K o n stru k tio n übrig und die Extraponierungsfähigkeit des Komplements gewisser Raising-Vcrbcn. Dem muß
man freilich gegenüberstcllen, daß 5 der 6 Kriterien für Nicht-Konfigurationalität im Deutschen, wie wir in Kap. 1 gezeigt haben, erfüllt sind. Diese
lassen sich zwar, wie diese Arbeit ergab, alle auch konfigurational erklären.
Aber dieses nicht-konfigurationale äußere Erscheinungsbild des Deutschen
läßt es sehr zweifelhaft erscheinen, daß ein Kind allein aus der /cme/i-Kon­
struktion und den Daten wie (14) auf eine VP im Deutschen schließt, auch
angesichts der Tatsache, daß der Konfigurationalitätsparamctcr in der vor­
gestellten Form doch recht zentrale syntaktische Differenzen induziert,
über welche eine Entscheidung schon zu Erwerbsstadien gefallen sein muß,
die der Beherrschung solch komplexer Konstruktionen wie der erwähnten
eigentlich vorangehen sollten.
Man kann also festhalten, daß die Tatsache, daß das Deutsche eine VP
besitzt, für das Kind kaum lernbar sein kann.
8.2. Die Nidit-Existenz des Konfigurationalitätsparameters
Die in Kap. 8.1. zusammengefaßten Ergebnisse dieser A rbeit lassen allein
betrachtet noch nicht den Schluß zu, daß die UG keine nicht-konfiguratio­
nale Option kennt. Zwar ist über die bislang angeführten D aten die konfigurationale Natur des Deutschen nicht erlernbar, aber es könnte sein, daß
die Betrachtung anderer Sprachen zeigt, daß weitere Eigenschaften Pj für
Nicht-Konfigurationalität ausschlaggebend sind. Ist an positiven Daten des
Deutschen nun ablesbar, daß Deutsch Pj nicht besitzt, dann liefe die A rgu­
mentation ins Leere.
Zweitens habe ich in Kap. 1 als weitere Alternative bezüglich des Konfi­
gurationalitätsparameters dargestellt, daß die O ption “VP vorhanden" der
unmarkierte Parameterwert sein könnte. Nur wenn starke Evidenz gegen
eine VP spräche, würde vom Kind die VP-Hypothese aufgegeben. Ist diese
Sichtweise richtig, dann wäre das Fehlen von positiver Evidenz für die VP
243
im Deutschen unproblematisch. Voraussetzung ist freilich, daß diese posi­
tive Evidenz gegen eine VP auch spezifiziert wird, ln Unterkapitel 8.2. soll
versucht werden, diese beiden noch offcngcbliebencn Fragestellungen zu
beantworten.
Zur B eantw ortung der ersten Frage ist cs notwendig, sich der Analyse
weiterer Sprachen zu widmen, die zumindest nicht-konfigurational erschei­
nen. Tatsächlich sind eine ganze Reihe von Sprachen neben dem Deutschen
in der Literatur als nicht-konfigurational bezeichnet worden. Es überrascht
in Anbetracht der Ergebnisse aus Kap. 2 bis 7 allerdings wohl kaum, daß
bei näherem H insehen sehr viele dieser Sprachen sehr wohl konfigurationale Eigcnschaftcn erkennen lassen.
Zunächst mag es plausibel erscheinen, den VSO-Sprachcn die VP- Konstituenz abzusprechen. Eine K ategorie, die Verben und O bjekte, nicht aber
Subjekte enthält, kann ja cx definitionc in dieser Sprachgruppe - betrachtet
man O berflächenstrukturen - nicht vorhanden sein. Chung (1983) fügt dem
die Beobachtung an, daß sich in VSO-Sprachen niemals die klassischen
ECP-Effekte für die Subjektsextraktion finden lassen, die sich für die Konfigurationalität als entscheidend erwiesen haben. Man könnte also in den
VSO-Sprachcn eine nicht-konfigurationale Sprachgruppe verm uten.
Das erste A rgum ent ist jedoch schon deshalb kritisch zu bew erten, weil
es sich allein auf O berflächenstrukturen bezieht. Untersucht man die VSOSprachen genauer, so stellt man zunächst fest, daß alle auch die SVOAbfolge tolerieren (cf. Hawkins 1983), und sich typologisch allgemein wie
SVO-Sprachen verhalten. Tatsächlich konnte McCloskey (1983) durch eine
detaillierte U ntersuchung nachweisen, daß im Irischen eine SVO-Grundstruktur mit VP vorliegen muß, dieses Ergebnis wurde inzwischen auch für
das Walisische bestätigt (Sproat 1985). Die VSO-Abfolge entsteht durch
Bewegung des Verbs in den IN FL-Knoten vor dem Subjekt. Dadurch wird
natürlich das Subjekt von dem Verb in INFL stark regiert, weswegen auch
alle VSO-Sprachen pro-drop-Eigenschaften aufweisen. VSO-Sprachen sind
also keineswegs nicht-konfigurational.
Oftmals, so von Hawkins (1986), wird darauf verwiesen, daß das D eut­
sche in einigen Hinsichten weniger nicht-konfigurational erscheint als
andere Sprachen. Wir können versuchen, anhand der Kriterien von Haie
(1983) diese B ehauptung auf ihre Relevanz für die Lernbarkeitsfrage hin
zu untersuchen.
Zunächst können wir feststellen, daß andere Sprachen ein weitaus
reicheres Kasussystem kennen als das D eutsche, als Beispiele seien nur das
244
Finnische oder das Ungarische genannt. Betrachtet man diese Systeme
jedoch genauer, so stellt man fest, daß die zusätzlichen Kasus nicht dazu
dienen, neue grammatische Funktionen zu definieren. Im Ungarischen bei­
spielsweise vertreten die zusätzlichen Kasus nur thematische Rollen, die
adverbial im Deutschen durch PPn ausgedrückt werden. Für das eigentli­
che Konfigurationalitätsproblem ist aber nur einschlägig, ob die grammati­
schen Funktionen Subjekt, direktes und indirektes O bjekt auch durch
Kasus unterschieden werden können (was im Deutschen zutrifft), nicht
aber ob adverbiale Phrasen, die niemals an grammatischen Prozessen teil­
haben, nominal oder präpositional realisiert werden. A ndererseits ist der
Schluß nicht berechtigt, dem ungarischen Kasussystem generell sem anti­
sche Funktion zuzusprechen, und das deutsche Kasussystem als asemantisch-syntaktisch zu betrachten (cf. Fanselow 1986a zu einer G ramm atik des
deutschen Kasussystems). Subjekte und Objekte tragen nämlich auch im
Ungarischen, wie im Deutschen oder Englischen, durchaus sehr verschie­
dene Typen grammatischer Relationen.
In diesem Zusammenhang ist von Kiss (1985) die B ehauptung aufge­
stellt worden, daß dennoch wesentliche Unterschiede zwischen dem ungari­
schen und englisch/ deutschen Kasussystem bestünden. Kiss (1985) beob­
achtet nämlich, daß im Ungarischen kein produktives Passiv und keine Raising-Konstruktion vorliegen. Sie zieht daraus den Schluß, daß im Ungari­
schen Kasuszuweisung eine eins-zu- eins-Beziehung zwischen Theta-Rolle
und Kasus impliziert, die obendrein nicht-konfigurationale Sprachen aus­
zeichnet. Etwas vereinfacht ausgedrückt: wenn sowohl das Subjekt als auch
das Objekt sich in der VP bzw. im S-Knoten befinden, kann keine struktu­
relle Kasuszuweisungsregel vorliegen, da diese Subjekte von O bjekten
nicht unterscheiden könnte. D aher müsse jeder Theta-Rolle bereits im
Lexikon ein Kasus zugewiesen werden, und diese Verbindung kann in der
Grammatik nicht aufgelöst werden. Dies gibt gleichzeitig dem Hale'schen
Kriterium “keine NP-Bewegungsabhängigkeiten” eine neue Interpreta­
tion. Nach Kiss (1985) käme es für Nicht-Konfigurationalität weniger dar­
auf an, daß beim Passiv z.B. keine Bewegung involviert ist, sondern daß
Passiv überhaupt nicht vorliegt. Ist aber das Fehlen von Passiv ein K rite­
rium gegen die VP, dann stellte die Existenz einer Passiv- Konstruktion
(wie im Deutschen) positive Evidenz für die VP dar, und das Lernbarkeitsargument würde entwertet.
Dieser Gedankengang erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als
höchst problematisch. Zunächst stimmt es gar nicht, daß Kasuszuweisung
245
im Ungarischen strikt an thematische Rollen gebunden ist. Extrahiert man
ein Subjekt aus einem finiten Satz, so muß dieses, wie Kiss (1985) selbst
beobachtet, im Akkusativ erscheinen. Hier liegt ein ähnlicher Prozeß vor,
wie man ihn in verschiedenen Sprachen, so im Englischen oder Französi­
schen beobachten kann. Bei seiner Extraktion wird ein w/i-Pronomen
zunächst nach COM P geschoben. Dort wird cs, unter allgemeinen A nnah­
men über Rektion und Kasus (cf. Chomsky 1986a,b) vom cinbettenden
Verb regiert, und kann auch kasusmarkiert werden. Da es sich in den ein­
schlägigen Fällen im Ungarischen stets um Objektssätze handelt (Kenesei,
p.M ), erw arten wir die Akkusativzuweisung an die w/i-Phrase in COMP,
die auch tatsächlich auftritt. Akkusativ zumindest muß also auch im Unga­
rischen strukturell, d.h. ohne eine gleichzeitige thematische Rollenver­
gabe, zugewiesen werden können.
Daneben ist zu beachten, daß das Ungarische sein Passiv erst im letzten
Jahrhundert verlor (Komlosy 1985), weswegen Ungarisch bis zu dieser
Zeit als konfigurational gerechnet werden müßte, danach jedoch nicht-konfigurational. Diese Konsequenz wäre ziemlich absurd, weil das Ungarische
keinesfalls zu dieser Zeit einen größeren syntaktischen Bruch erkennen
läßt.
Obendrein würde mit diesem Kriterium den allermeisten Kandidaten
für Nicht-Konfigurationalität, nämlich etwa Latein, Russisch und Japa­
nisch die VP zugesprochen. Dies hätte offenkundig die Konsequenz, daß
Faktoren wie freie W ortstellung, das Fehlen von Subjekts-Objektsasymmetrien etc. aus dem Kanon nicht-konfigurationaler Grammatiken ausgeblen­
det werden m üßten, da diese ja dann auch in VP-Sprachen auftreten.
Anders formuliert: die einzige Eigenschaft, die nicht-konfigurationale
Sprachen dann noch von konfigurationalen unterschiede, wäre das Fehlen
einer Passiv-Konstruktion. K eenan (1985) hat eine typologische Studie
über das Passiv vorgelegt, die belegt, daß Passiv ein sehr verbreitetes Phä­
nomen ist; passiv-los sind viele Sprachen in Neu-Guinea, und Tschad-Sprachen, sowie noch einige sino-tibetische und australische Sprachen. Wenn
irgendwelche Faktoren mit dem Fehlen des Passivs Zusammengehen, dann
die Fähigkeit, ein unpersönliches Subjekt der dritten Person zu besitzen
(Keenan 1985). Ein Z usam m enhang zu den typischen Eigenschaften nichtkonfigurationaler Sprachen läßt sich nicht erkennen.
Vielleicht ist noch die B eobachtung einschlägig, daß das Ungarische
eine Sprache mit O bjektskongruenz ist. Typischerweise tendieren solche
Sprachen eher dazu, zum Ergativsystem zu gehören (cf. Fanselow 1986a).
246
Wenn auch der Objektskasus von INFL zugewiesen wird, ergibt sich jedoch
eine einfache Erklärung für das Fehlen eines ungarischen Passivs. Wenn
nämlich die faktische Absorption eines Kasus Voraussetzung für die Passi­
vierung ist, und der Objektskasus von INFL, und nicht vom Verb regiert
wird, kann kein Kasus absorbiert werden.
Das Fehlen von Expletiva, der pro-drop und Extraktionen von Subjek­
ten stehen wegen des ECP in engstem Zusamm enhang. Bei den Subjektsex­
traktionen hatten wir oben erkannt, daß das Fehlen von ECP-Effektcn im
Deutschen nur scheinbar besteht. In einigen Kontexten zeigt sich, daß Sub­
jekte nicht extrahiert werden können.W enn nun eine Sprache existierte, in
der auch in diesen Fällen Subjekte extrahiert werden dürfen, so stellt diese
Extraktion aus den oben diskutierten G ründen - prima facie - positive
Evidenz gegen die VP dar. D er Konfigurationalitätsparam cter ließe sich
also auf folgende Weise retten: die VP-Option ist unm arkiert, da andern­
falls nicht erklärt werden kann, wie Kinder ein Wissen über die kritischen
ECP-Verletzungen aus Kap. 2 erwerben könnten. Allerdings kann bei Vor­
liegen von Subjektsextraktionen aus w/i-Inseln beispielsweise das Kind den
Parameterwert auch anders fixieren.
Nun ist die Frage, ob sich tatsächlich Sprachen identifizieren lassen, in
denen Subjekte wirklich frei extrahiert werden dürfen. Wir können hier
beim Ungarischen bleiben, da die freie Extrahierbarkeit von Subjekten
eines der Argumente von Kiss (1985) gegen die VP darstellt. Tatsächlich
lassen sich Subjekte sogar aus wh- Strukturen herausziehen (Kenesei,
p.M .). Kiss übersieht hier offenkundig, daß Ungarisch eine pro-drop-Sprache ist, für die, wie in Chomsky (1981) gezeigt, generell keine Rektions­
asymmetrien zwischen Subjekten und O bjekten erw artbar sind, auch dann,
wenn die Sprache einen VP-Knoten besitzt, so etwa im Italienischen oder
Spanischen. Da Ungarisch eine pro-drop-Sprache ist, kann das Ungarisch
lernende Kind die freie Extrahierbarkeit von Subjekten nicht zur Param e­
terfixierung bei der VP-Frage verwenden, weil die Rektion der Subjekte
schon aus ersterer Eigenschaft folgt. Anders formuliert : nur wenn in Spra­
chen, die keinen Subjektspronomenschwund zulassen, Subjekte frei extra­
hierbar sind, ergäben sich Probleme für den VP-Ansatz. Tatsächlich ist
dabei noch zu berücksichtigen, daß eine Spur in COM P das Subjekt regie­
ren kann, so im Süddeutschen oder im Norwegischen und Mittelenglischen.
Eine Sprache, die weder diese exzeptionelle Rektion durch COMP- Spuren
kennt, noch einen pro-drop zuläßt, und dennoch Subjekte frei extrahieren
kann, ist bislang jedoch noch nicht entdeckt worden. Wenn man hier nicht
247
noch auf größere Überraschungen bei der Analyse exotischer Sprachen
stossen sollte, scheidet auch die Subjektsextraktion als mögliche Lcrnbasis
für den K onfigurationalitätsparam ctcr aus.
Mit dem ECP ist auch der pro-drop verbunden, und damit wenden wir
uns dem Kriterium von Ken Haie zu, das im Deutschen nicht erfüllt zu sein
scheint. Für eine korrekte Bewertung der Datcnlagc müssen jedoch m eh­
rere Differenzierungen vorgenom men werden. Zunächst ist der Subjcktspro-drop von der freien Weglaßbarkeit von O bjektspronom ina zu unter­
scheiden.
Bei den Subjektspronom ina können wir fcsthalten, daß ihr Fehlen auch
in konfigurationalcn Sprachen, so Spanisch, Katalanisch, Italienisch oder
Portugiesisch, oder in den keltischen Sprachen auftritt, und dabei jeweils
nachgewiesenermaßen durch spezielle Eigenschaften des INFL-Knotens
bedingt ist. Dies zeigt das Irische besonders deutlich: hier sind zwei Inflektionsformen, die analytische und die synthetische zu unterscheiden, und
nur bei einer kann pro-drop auftreten. Das Deutsche ist in dieser Hinsicht
durchaus exzeptionell, da die Inflcktion durchaus genügend Information
trüge, um das Weglassen der Subjekte zu erm öglichen. Dies kann aber
nicht durch “zentrale" grammatische Fakten erklärt w erden, weil im Frühneuhochdeutschen noch pro-drop auftrat, und auch heute noch Expletiva
als leere Subjekte auftreten können. Will man letzteres Faktum über die
Inflektion erklären, so böte sich an, mit Chomsky (1982a) pro als leeres
Subjekt einzuführen, d.h. ein weiteres leeres Elem ent, das von Inflektion
identifiziert werden muß. Als charakteristische Eigenschaft des Deutschen
würde gelten, daß - aus irgendwelchen G ründen, die mit der ausgeprägten
Felderstruktur zu tun haben mögen - referentielle pro nicht auftreten kön­
nen, cf. Fanselow (1986d) für einige Ideen zu diesem Themenkreis.
Kritischer mag dagegen die leere Realisierung von O bjekten sein, die
im Deutschen anscheinend nicht auftritt, aber für eine ganze Reihe nichtkonfigurationaler Sprachen wie dem Ungarischen, dem Japanischen, dem
Warlpiri u.v.a.m. gegeben ist. Allerdings ist dabei zunächst zu beachten,
daß auch konfigurationale G ram m atiken wie die des Chinesischen das näm­
liche Phänomen aufweisen.
G enauere Betrachtungen erweisen ferner, daß unter dem “freien
Objektsschwund" zwei Phänom ene zusam mengefaßt w erden, die gram ma­
tiktheoretisch nichts m iteinander zu tun haben. D er Subjekts-pro-drop
ergibt sich aus dem Faktum , daß Inflektion pro identifizieren kann, weswe­
gen in Sprachen mit O bjektskongruenz erw artet werden kann, daß auch
248
Objekte als pro aufscheinen können. Wenn also im Ungarischen Sätze wie
(15) grammatisch sind, so ist dies durch die Objektskongruenz bedingt, und
nicht durch einen allgemeinen Objekts-pro-drop. Insbesondere können
auch nur direkte Objekte als pro aufscheinen, aber nicht oblique, aus dem
trivialen G rund, daß nur erstere mit INFL kongruieren.
(15)
Szeretlek.
Liebe-ich-dich.
Ganz ähnliche Fakten finden sich in konfigurationalen Sprachen. Einige
Dialekte des Spanischen erlauben etwa generell das clitic-doubling, d.h.
das Phänomen, daß Klitikum und NP zusammen mit der gleichen them ati­
schen Rolle auftreten können (Jaeggli 1982). In allen Varianten ist dies
möglich, wenn das Objekt topikalisiert wurde, cf. (16).
(16)
A Maria, la, quiero.
Mariaacc sieacc liebe-ich.
Offenkundig kann ein Datum wie (16) nicht dadurch erklärt werden, daß
la aus der postverbalen Objektsposition bewegt wurde, da in dieser Stelle a
Maria in der Basis steht. Ganz allgemein gilt, daß Klitika in vielen Spra­
chen beim Verb basisgeneriert sind, und von dieser Position aus ein pro in
Objektsposition identifizieren. Man weist einem spanischen Satz wie (17)
also die Struktur (18) zu, die sich in den wesentlichen Eigenschaften nicht
von der für (15) unterscheidet.
(17)
prOj ( vp (v laj quier-o.) pro;)
Dieselbe Analyse besitzt das Warlpiri, die Sprache also, die Ken Haie als
Standardbeispiel für Nicht-Konfigurationalität zitiert, und an der er das
Kriterium “freier Objektsschwund” plausibel zu machen versuchte. Haie
(1983) rechnete den freien Pronomen-Schwund zu den C harakteristika von
nicht-konfigurationalen Sprachen wegen der D aten wie (18) aus dem Warl­
piri, die Parallelen in anderen australischen Sprachen haben.
(18)
Panti-rni ka.
Speeren-Nichtvergangenheit A UX
Er/sie speert ihn/sie/es auf.
Jelinek (1984) präsentiert nun aber D aten, die zeigen, daß Warlpiri keines­
falls eine Sprache mit freiem Pronomen-Schwund sein kann. D er NichtAusdruck von Argumenten eines Prädikats ist im Warlpiri eben nur mög-
249
lieh, wenn dieses A rgum ent in der dritten Person Singular stehen müßte.
Für alle anderen Persona, wie für die 3.Ps. Dual und Plural muß anstelle
eines Pronomens ein Klitikum an das Verb gefügt werden.
(19)
Panti-rni ka-lu-jana.
Speeren-Niehtvergangenheit Präsens-3.pl.nomi-3.pl.acc
Sie speeren sie auf.
(19) ist ebensowenig ein Satz mit freiem Pronomen-Schwund wie etwa (17).
Für (18) kann Jelinek zeigen, daß die optimale Analyse (20) ist.
(20)
Panti-rni ka-Nullmorphem-Nullmorphem .
Die Nullmorpheme sind dabei keine leere Kategorie im Sinne von
Chomsky (1981, Kap. 6), sondern haben den gleichen Status wie etwa das
Pluralnullmorphem bei sheep. Warlpiri kennt also keinesfalls einen freien
Pronomen-Schwund weil es sich dabei um eine nicht-konfigurationale Spra­
che handelte, sondern weil stets Kongruenz zu den O bjekten vorliegt, wes­
wegen über den generellen pro-drop-M echanism us das A uftreten von E le­
menten wie pro auch an der O bjektsposition nicht verwundern kann. Unga­
risch und Warlpiri sind also Sprachen, deren “pro-drop”-Eigenschaft mit
einer konfigurationalen Syntax sehr gut verträglich ist. Kinder können
Daten wie (15) oder (18) nicht zur Fixierung des Konfigurationalitätsparameters verwenden.
Allerdings existieren auch Sprachen (wie Chinesisch und Japanisch), die
es erlauben, daß O bjektspronom ina weggelassen werden können, ohne
daß O bjektskongruenz vorläge. Diese Sprachen sind von H uang (1984)
untersucht worden.. Seine Analyse beweist, daß es sich bei den leeren
Objekt-NPs in japanischen Sätzen wie (21) weder um pro noch um PRO
handelt, sondern um Variablen im Sinne der Bindungstheorie, wohingegen
leere Subjekte sich genauso verhalten wie das pro des Italienischen.
(21)
Taberu.
E r sie es ißt es.
(2 2 )
( T O P j ( prOj tj V )
Huang erbringt den Nachweis, daß S truktur (22) vorliegt. Japanisch und
Chinesisch kennen eine Regel der freien Voranstellung von topikalisierten
NPn, die von tv/i-Bewegung ausgelöst wird. Diese topikalisierten NPs
können dann getilgt w erden, weswegen der Eindruck einer O bjektstil­
gung entsteht.
250
Unter dieser Perspektive erscheint jedoch das Deutsche in einem neuen
Licht. Auch im Deutschen können topikalisicrte Phrasen mit w/i-Bewe­
gung vorangcstellt werden, und auch im Deutschen können diese topikalisierten Elemente getilgt werden, wie Huang (1984) bemerkt.
(23a)
(23b)
Hab ich schon gesehen!
Hat noch nicht angcrufcn!
Sollte also, aller Evidenz zuwiderlaufcnd, der Objcktsschwund des Japani­
schen kriterial für Nicht-Konfigurationalität sein, so müssen wir fcststcllen,
daß derselbe Mechanismus auch im Deutschen wirkt. Da aber INFL-Koindizierung und Topik-Tilgung die beiden einzigen Mechanismen sind, die in
den Sprachen der Welt den freien Objektsschwund erklären, müssen wir
auch dieses Kriterium aus Haies Liste streichen. Auch hier wird dem Kind
kein Datenmaterial zur Verfügung gestellt, das helfen würde, den Konfigurationalitätsparameter zu fixieren.
Oftmals liest man auch die Aussage, daß die deutsche W ortstellung, im
Vergleich zu der anderer Sprachen, nicht wirklich frei sei. Deskriptiv ist
diese Aussage sicherlich gültig, jedoch geben oberflächlich orientierte Beob­
achtungen nur selten Aufschlüsse über universalgrammatische Prinzipien.
Eine der wesentlichsten Einschränkungen über die Serialisierung von
Phrasen im Deutschen ergibt sich zunächst aus der ausgeprägten Felder­
struktur, anders formuliert, aus der Konfiguration des CP-Knotens des
Deutschen.
(24a)
Vorfeld INFL/COM P Mittelfeld Verben Nachfeld
Solch eine Felderstruktur ist jedoch keine Besonderheit der deutschen
Sprache. Etwas differenziert liegt sie etwa im Ungarischen auch vor, cf.
Kiss (1981).
(24b)
TOPIK FOKUS Verben “M ittelfeld” (i.e. der eigentliche
S-Knoten)
Das Deutsche unterscheidet sich dabei vom Ungarischen v.a. in zweierlei
Hinsicht. Fragewörter müssen im Ungarischen in die Fokus-Position
gesetzt werden. Folgt man Chomsky (1986b) und May (1985) so besitzt
auch die VP eine Operatorposition als Landeplatz für w/i-Bewegung, und
man kann mit Horvath (1981) eben diese Fokusposition zum Verb bzw. sei­
ner Projektion in Beziehung setzen, vgl. Fanselow (1986d). Da aber Rela­
tivpronomina auch im Ungarischen nach COM P geschoben w erden, kann
251
der einschlägige Unterschied zwischen Ungarisch und Dcutsch keiner sein,
der Sprachen unterscheidet.
Zweitens dürfen die entsprechenden Positionen im Ungarischen auch
durch mehrere XPn besetzt werden, während die Vorfeld-COMP-Stclle im
Deutschen für eine Position reserviert ist. Auch diese Differenz kann sich
nicht aus der K onfigurationalitätsdebatte ergeben. G anz generell läßt sich
nämlich zeigen, daß sich Sprachen nicht dahingehend unterscheiden kön­
nen, welche Bewegungen auf der Ebene der Logischen Form ausgeführt
sind, cf. Chomsky (1986a). So müssen auf LF alle Fragewörter, quantifi­
zierte NPn und Fokus-Ausdrücke O peratorpositionen einnehm en, alle
anaphorischen Ausdrücke an 1NFL adjungiert sein. Sprachen können sich
aber dahingehend unterscheiden, welche Bewegungen schon bei der E rstel­
lung der S-Struktur ausgeführt w erden, und welche erst bei der Konstruk­
tion von LF erfolgen. So werden im Japanischen und Chinesischen alle Fra­
gewörter erst auf LF bewegt (cf. H uang 1982), im Deutschen oder Engli­
schen exakt eine O peratorphrase in der S-Struktur nach COM P geschoben,
die übrigen erst auf LF, während Sprachen wie Tschechisch und Polnisch
alle w/i-Wörter - wie das Ungarische - in der S-Struktur bewegen können.
Eine entsprechende Param etrisierung ist also unabhängig von der Konfigurationalität vorzunehm en, und sagt uns, wie dem Sprache erw erbenden
Kind, nichts über die VP-Frage.
Selbstverständlich besteht auch kein U G-Zwang für eine ausgeprägte
S'-Struktur, so treten bekanntlich in norm alen englischen Sätzen keine
COM P-Effekte auf. Wenn auch eine nicht-konfigurationale Sprache (wie
vermutlich das Russische) sich hier wie das Englische verhält, können sich
trivialerweise keine felderbedingten, i.e. durch die O rganisation von
COMP bedingten Einschränkungen über die Abfolge der Elem ente erge­
ben. Einschlägig für die VP-Frage ist einzig die Serialisierung in S.
Innerhalb des Satzes weist das Deutsche zunächst eine strikte Verb-EndForderung auf, befindet sich dam it aber in guter nicht-konfigurationaler
Gesellschaft, da dasselbe, sogar in ausgeprägterem M aße, für das Japani­
sche gilt. Auch im Ungarischen ist die Stellung des Verbs fest, wie obige
Struktur (24b) erkennen läßt.
Einzig die in 7.2. festgestellten Abfolgebeschränkungen der Komple­
mente, die sich aus ihrer them atischen N atur ergeben, können also für die
Realität eines V P-Param eters einschlägig sein. Wenn eine Sprache keine VP
kennt, dann sollte man gerade die them atischen Beschränkungen nicht fin­
den, die sich im D eutschen ergaben. D a es sich dabei obendrein um posi­
252
tive Evidenz handeln würde (bestimmte Abfolgen erscheinen im Input),
böte sich hier eine Lösung für das Lernbarkcitsproblem an. Das Problem
an dieser Überlegung liegt in der schlichten Tatsache, daß es für Sprachen
mit “freier” Wortstellung geradezu charakteristisch ist, daß sie ihre Ele­
mente nach thematischen Kriterien serialisieren. Dies gilt beispielsweise
auch für das Russische (cf. Comrie 1979) und anscheinend sogar für Warlpiri (Uszkoreit, p.M .). Sie ähneln bei eingehenderer Betrachtungen
denen, die man für marginale Umstellungsoptionen im Englischen (cf.
Emonds 1976) oder das ausgebautere System der Umstellung des Italieni­
schen (cf. Wandruszka 1982) findet, cf. Fanselow (1986d). Auch hier bietet
sich also kein Datum an, das dem Kind bei der VP-Parameter-Fixierung
weiterhelfen könnte.
Jelinek (1984) zeigt weiter, daß die freie W ortstellung des Warlpiri und
seine diskontinuierlichen Konstituenten kein satzsyntaktisches Phänomen
im engeren Sinne sind. Die pronominalen Klitika treten nämlich in allen
Sätzen auf, auch dann, wenn nominale Elem ente vorhanden sind. Nomi­
nale Elemente wie in (25) sind, wie Jelinek zeigen kann, dabei als adsententiale Adjunkte zu deuten.
(25)
Ngajulu-rlu ka-rna-rla karli-ki warri-rni.
Ich-ERGATIV Pres.1.sg.no. 3.dat Bumerang-dat suchenNichtvergangenheit.
Ich suche gerade einen Bumerang.
Für die klitischen Pronomina ist ein Nominativ-Akkusativ-System gegeben.
Für sie liegt eine fest vorgeschriebene O rdnung vor. Die nominalen
A djunkte zeigen dagegen ein Ergativsystem und haben eine freie W ortstel­
lung. Beide Eigenschaften sind nicht überraschend. Auch im Deutschen ist
es keinesfalls so, daß für freie Adjunkte Kasusübereinstimmung zu den Trä­
gerpronomina im Satz vorliegen müßte (cf. z.B. Altm an 1981). Während
innerhalb der Expansion von S durch die Verzweigung nach NP und VP und
innerhalb von VP durch die kanonische Rektionsrichtung den NPn feste
Stellungen zukommen müssen, ist dies für alle Phrasen, die an S adjungiert
werden, keinesfalls gegeben. Die freie W ortstellung des Warlpiri ist also
kein großes Wunder, sondern unter dem starken klitischen System der
betreffenden Sprache zu erw arten, da die eigentlichen NPn außerhalb von
S stehen.
Damit bleiben nurm ehr zwei nicht-konfigurationale Phänom ene übrig,
bezüglich derer sich gravierende Unterschiede zwischen Deutsch und ande­
ren Sprachen ergeben. Kiss (1985) verweist auf einige B esonderheiten in
253
Bindungsdaten im Ungarischen. Das Ungarische kennt einerseits keinen
schwachen Crossovcr-Effekt, und erlaubt andererseits keine Pronomina,
die zu eingebetteten Subjekten von NP koreferent sind.
(26a)
(26b)
(27a)
(27b)
(28a)
(28b)
(29a)
(29b)
Who, loves his, m other ?
*Whose, m other does he, love t, ?
Everybody, likes his, m other
*His, m other likes everybody,
Kij szereti az pro, anyät?
Wer liebt die sein M utter?
Kit, szeret az pro, anya?
Wen liebt seine M utter?
Mindenkij szereti az proj anyät.
Jeder liebt seine Mutter.
Mindenkit, szeret az prOj anya.
Wie die englischen D aten (26) und (27) dem onstrieren, kann ein Subjekts­
pronomen nicht zu einem O perator im O bjekt koreferent sein. Man erklärt
dies bespielsweise durch das sog. Bijektionsprinzip, das es verbietet, von
einem O perator aus zwei Variablen zu binden. Gilt eine NP a als Variable
auf LF, falls sie lokal O perator-gebunden ist, so läßt sich der Konstrast in
(26) bzw. (27) leicht ableiten. Ist das Subjekt extrahiert, so c-kommandiert
seine Spur t, das O bjekt, weswegen ein Pronom en innerhalb des O bjekts
nicht lokal vom O perator, sondern von der Spur gebunden ist. Dann kann
keine Bijektionsverletzung auftreten. Ist andererseits ein O bjekt extra­
hiert, so c-kom m andiert die Spur nicht das Pronom en in der Subjektsposi­
tion. D eren Binder ist tatsächlich der O perator in COMP, so daß zwei
Variablen vorliegert.
Besitzt eine Sprache hingegen keine VP, dann c-kom mandiert auch das
Objekt das Subjekt. Folglich wäre auch im Falle (28b) bzw. (29b) das
(leere) Possessivpronomen lokal von der Objektsspur, also von keinem
O perator gebunden. Insofern scheinen die D aten (28) und (29) gegen eine
VP im Ungarischen zu sprechen.
Andererseits ist es im U ngarischen nicht möglich, ein O bjekt a und ein
Pronomen ß zu koindizieren, wenn ß im Subjekt eingebettet ist.
(30a)
(30b)
(31a)
(31b)
John’Sj mother loves hims.
*Hej loves John’Sj mother.
*JänoSj anyja szereti ötj/proj.
Johns M utter liebt ihn.
*öj/prOj szereti Jänosj anyjät.
254
Hier ist lt. Kiss (1985) wiederum die VP-Frage einschlägig. Wenn Subjekt
und Objekt sich gegenseitig c-kommandiercn, dann wird natürlich in (31a)
genauso wie in (30b) inkorrekterwcisc ein R-Ausdruck von einem Prono­
men gebunden.
Effekte des schwachen Crossovcr finden sich jcdoch auch in angeblich
nicht-konfigurationalcn Sprachen, so dem Japanischen (cf. Saito & Hoji
1983). Andererseits kennt das Deutsche den schwachcn Crossovcr nur
marginal.
(32a)
(32b)
Wen, hat seine, Frau betrogen ?
Seinen, Eltern vertraut jeder,.
Das erste Argument ist jedoch nur bedingt verwertbar, weil - wie der
Name selbst anzeigt - der weak crossover nur ein schwaches Phänomen
ist, das nicht auf einmal von allen Sprechern des Englischen nachvollzogen
wird. Auch zeigt die Akzeptabilität entsprechender D aten im Deutschen,
daß die VP-Frage nicht einschlägig sein kann.
Anders scheint es zunächst mit (31) auszusehen. Hier unterscheidet sich
die Grammatik des Ungarischen wesentlich von der des Deutschen oder
Englischen. Hier muß aber in Betracht gezogen werden, daß bezüglich der
Bindung von A naphora das Ungarische die klassischen konfigurationalen
Asymmetrien aufweist. Anders gesagt: wenn (31) über die Annahm e der
VP-Losigkeit erklärt wird, können die Gesetzm äßigkeiten anaphorischer
Bindung im Ungarischen nicht erfaßt werden. Da sich das Ungarische
bezüglich der anderen bislang betrachteten Eigenschaften vom Deutschen
jedoch nicht wesentlich unterschied, entsteht jedoch ein fundam entales
Problem für Kiss’ Gedankengang: das D atum , das gegen die VP sprechen
soll, nämlich (32b), ist ein negatives. Das bedeutet aber, daß ein Ungarisch
lernendes Kind, wie bereits mehrfach betont, aus den B esonderheiten der
Bindung von Possessivpronomina nichts über die VP lernen kann, ja daß es
den D aten selbst nicht ablesen kann, daß diese B esonderheiten bestehen.
Es muß also weitere, positive D aten f t geben, die das Kind, verbunden
mit einem UG-Parameter, darüber informieren, daß (32b) ungrammatisch
ist. Wie schon gesagt, können jedoch die ganzen “nicht-konfigurationalen”
Eigenschaften des Ungarischen dafür nicht einschlägig sein, da das D eut­
sche sie auch besitzt, und daher (32b) auch im D eutschen ungrammatisch
sein sollte, was nicht der Fall ist. Eventuell bestehen solche D aten durch die
Tatsache, daß das Possessivpronomen mit dem Kopf seiner NP kongruieren
muß, und solche Kongruenzmerkmale vom Kopf selbst an die NP weiterge­
geben werden, so daß die Subjekts-NP ein referentielles M erkmal vom Possessor erbt, und dieses Merkmal das koindizierte O bjekt c-kom mandiert.
255
Übrig bleibt mithin allein das Phänomen diskontinuierlicher Konstitu­
enten, das sich im Deutschen ebenfalls zeigt. In einer Sprache wie dem
Ungarischen sind die O ptionen genauso begrenzt wie im Deutschen (Szabolszi, p.M .), jedoch existieren zwei Sprachen, die die Aufspaltung von
Konstituenten wesentlich liberaler handhaben als der Rest anscheinend
nicht-konfigurationaler Syntaxen, nämlich Latein und eine doch erkleckli­
che Anzahl australischer Sprachen, nämlich z.B. Warlpiri (Nash 1980, Haie
1983) oder Dyirbal (Dixon 1972), wobei letztere Sprache noch einige
andere M erkwürdigkeiten aufweist, sie scheint nämlich als einzige eine
“ergative” Syntax zu kennen. Auch das Yidin scheint prinzipiell eine ähn­
lich freie Stellung von W örtern aufzuweisen, wobei die meisten Umstellun­
gen aber stilistisch m arkiert sind (Dixon 1979).
Als H auptproblem der Integration dieser Sprachen ergibt sich, daß
nicht nur K onstituenten frei linearisierbar sind, sondern Wörter. D aher wer­
den häufig Strukturbäum e für diese Sprachen vorgeschlagen, deren Knoten
keine G em einsam keiten m ehr mit den aus den übrigen Sprachen bekann­
ten aufweisen (vgl. etwa einen G roßteil der Analysen in Dixon 1972, 1979).
Andererseits wird auch postuliert, daß die einzige syntaktische Regel etwa
wie (33) sei (so Nash 1980).
(33)
S -* W *
Wir sehen, daß hier ganz andere Param etrisierungen ins Spiel zu kommen
scheinen als bei der Analyse des Japanischen oder des Ungarischen und
Deutschen. Es kann nicht darum gehen, daß eine bestimmte maximale Pro­
jektion, nämlich die von V, fehlt; Analysen wie von Nash (1980) oder Haie
(1983) legen vielmehr nahe, daß in diesen Sprachen keine einzige maximale
Projektion K onstituenten bildet. Anstelle des X-bar-Schemas, so hat es den
Anschein, liegt eine PS-Regel vor, die beliebige Sequenzen von W örtern
erzeugt. Diese werden dann anhand der Kasus- und Inflektionsm erkmale,
etwa durch einen U nifikationsm echanism us, zu “inhaltlichen” G ruppen
zusammengefaßt.
Angesichts der oben besprochenen D atenlage scheint sich damit die ein­
zig sinnvolle und aufrechterhaltbare Lesart des Konfigurationalitätsparameters zu ergeben. Es geht nicht darum , ob eine bestimmte maximale Pro­
jektion fehlt, sondern ob natürlichsprachliche Syntaxen überhaupt maxi­
male Projektionen im Sinne der X-bar-Theorie aufweisen. Nun ist die konfigurationale N atur der N,P beispielsweise w eder für D eutsch, Japanisch,
Ungarisch oder Russisch um stritten, im Ungarischen findet sich sogar die
satznahe Partizipialgruppe, die eindeutig konfigurationale Züge aufweist
(Pröszöky 1985). Die K onfigurationalitätsdebatte beruht also evt. auf
256
einem grundlegenden Mißverständnis der Ideen von Ken Haie. Die grund­
legende Parametrisierung scheint zu sein, ob maximale Projektionen vorlie­
gen oder nicht.
Unsere Arbeit hätte damit nachgewiesen, daß jede Sprache, die eine NP
besitzt, auch alle anderen maximalen Projektionen aufweist, insbesondere
die VP. Kinder hätten herauszufinden, ob maximale Projektionen im Sinne
der X-bar-Theorie vorliegen, oder nicht. H ätten sic eine identifiziert, dann
übertrüge sich dieses Ergebnis auf die anderen lexikalischen Projektionen.
Wenngleich dies eine mögliche Deutung der Ergebnisse ist, so kommt
sie dennoch mit einigen Fakten in Schwierigkeiten. Wie schon beobachtet,
ist die Wortstellung im Warlpiri beispielsweise nicht im strengen Sinne frei,
weil in jedem Falle eine INFL-Zweit-Forderung vorliegt, wobei allerdings
die prä-INFL-Position auch leer sein kann (Nash 1980). Das grundsätzliche
Problem für den Hale'schen Param eter besteht nun in der Tatsache, daß vor
INFL nicht nur ein Wort stehen kann, sondern auch m ehrere, sofern sie
gewisse Bedingungen erfüllen.
(34a)
(34b)
Kurdu- ngku wita-ngku ka maliki wajilipi-nyi.
Kinderg kleinerg präs Hund jagen-nichtvergangenheit.
*Kurdu- ngku maliki ka wita-ngku wajilipi-nyi.
Die entsprechende Bedingung ist nach Haie und Nash, daß ein Auxiliär
“immediately following a single syntactic constituent" sein muß (zitiert nach
Nash 1980:186, Hervorhebungen von mir). U nter etwas anderer Perspek­
tive gesehen: was im Warlpiri vor dem finiten Verb stehen darf, ist maximal
eine Konstituente im konfigurationalen Sinne. E ntbehrte die Warlpiri-Syntax den Begriff der NP, dann könnte nicht erklärt w erden, weswegen (34a)
grammatisch ist, aber nicht (34b). Die korrekte Formulierung der Auxiliarstellungsregel setzt im Warlpiri denselben K onstituentenbegriff voraus, wie
die Formulierung der deutschen Verbzweitregel. Da vor allem aber Daten
wie (34b) negativ sind, müssen wir schließen: auch in einer Sprache, in der
die Wortstellung anscheinend völlig frei ist, Konstituenten völlig durchein­
andergemischt werden können, erwerben Kinder ohne positive Evidenz
den konfigurationalen Begriff der Phrase. Dieser muß also angeboren sein.
Es stellt sich natürlich nun die Frage, wie die freie W ortstellung des
Warlpiri zu beschreiben ist. Wir müssen u.a. dabei erklären, weswegen
neben (34a) auch (34c) bis (34e) grammatisch sind.
(34c)
(34d)
(34e)
Kurdu-ngku ka wita-ngku maliki wajilipi-nyi.
Wita-ngku ka kurdu-ngku maliki wajilipi-nyi.
Kurdu-ngku ka maliki wajilipi-nyi wita-ngku.
257
Anscheinend können auch Teile einer NP vor den INFL-Knoten gesetzt
werden. Zwar mag man sich überlegen wollen, daß im Warlpiri evt. auch
nicht-maximalc K onstituenten bewegt werden können, doch widerspräche
dies der anscheinend gesicherten Erkenntnis, daß in allen anderen Spra­
chen nur maximale oder lexikalische Projektionen von Bewegungen betrof­
fen sein können (Chomsky 1986b). Einschlägiger scheint eine Beobachtung
von Dixon (1972) zu sein, die neben Dyirbal und Warlpiri anscheinend auch
die anderen freien W ortstellungssprachen wie Latein betrifft. Dixon
schreibt, daß eine NP im Dyirbal normalerweise aus einem M arker (etwas
wie A rtikel), einem Nomen und einem Adjektiv (in dieser Abfolge)
besteht, daß daneben aber auch der Marker, das Adjektiv und das Nomen
jeweils allein eine NP bilden können. A nders formuliert: ein gewichtiger
Unterschied zum D eutschen (und extrem er noch zum Englischen oder
Französischen) liegt in der Tatsache, daß im Deutschen N und A in der
Regel alleine keine NP bilden können, cf. die D aten in (35).
(35a)
(35b)
(35c)
(35d)
(35e)
(35f)
(35g)
(35h)
(35i)
Den alten Mann mit dem H ut, der Fische fängt, kenne ich
schon.
Den (e) kenne ich schon.
Den alten (e) kenne ich schon.
Den alten (e) mit dem Hut kenne ich schon.
Den (e) der Fische fängt kenne ich schon.
*A lten kenne ich schon.
*Mann kenne ich schon.
*A lten Mann kenne ich schon.
*Mit dem H ut kenne ich schon.
Wie wir uns nun erinnern, galt für die deutsche Aufspaltungskonstruktion
jeweils, daß die Teile der aufgespaltenen NPn jeweils selbst als NP fungie­
ren können:
(36a)
(36b)
(36c)
Sozialdem okraten kenne ich keine.
Sozialdem okraten kenne ich.
Ich kenne keine.
Die wesentlich stärkeren Aufspaltungsm öglichkeiten des Warlpiri könnten
sich also einfach aus der Tatsache ergeben, daß dort alle NP-Bestandteile
prinzipiell NP-fähig sind. Diese Vermutung kann empirisch sogar überprüft
werden. Im Warlpiri können zwar alle N P-K onstituenten Kasus tragen,
müssen es jedoch nicht. Eine NP ist auch dann schon grammatisch, wenn
der letzte B estandteil allein kasusm arkiert ist.
258
(37)
Kurdu wita-ngku ka maliki wajilipi-nyi.
Ein Wort oder eine Wortgruppc ohne Kasus kann jedoch trivialcrwcisc
keine NP darstellen, da dies den Kasusfiltcr verletzte. Wäre Warlpiri eine
Sprache, die mit (33) erzeugt wird, dann sollten alle Wortstellungsahfolgcn
- das INFL-Zweit-Gebot einmal bciseitcgclasscn - grammatisch sein. E nt­
steht die Wortstellungsfreiheit jedoch durch einen Rcanalyscprozcß, oder
einen dazu äquivalenten Mechanismus, dann machen wir die Vorhersage,
daß nur NP-fähigc Adjektive oder Nomina umgcstcllt werden können.
Diese Vorhersage der konfigurationalcn Theorie ist erfüllt. Kasuslosc
Nomina oder Adjektive können nicht gescrambclt werden.
(38)
*Kurdu ka maliki wita-ngku wajilipi-nyi.
Wir können also ziemlich sicher sein, daß Regel (33) nicht adäquat ist.
Anders formuliert: die freie Wortstellung resultiert aus einer Eigenheit von
Warlpiri oder Latein, daß nämlich jede phonetische K ette, die NP-Bestandteil ist, auch eine ganze NP bilden kann.
Eine wirkliche nicht-konfigurationale Sprache wäre also nur dann iden­
tifiziert, wenn sie völlig freie Wortstellung auch für die W örter besäße, die
nicht auch (als phonetische Kette) eine NP bilden können, doch solche
Sprachen existieren anscheinend nicht.
Wir müssen nun versuchen, den G edanken etwas präziser auszuformu­
lieren. Da man in Europa auf publizierte Schriften über das Warlpiri ange­
wiesen ist, kann dabei die Konklusion nur vorläufig sein. Das H auptpro­
blem besteht in der Tatsache, daß Dixon oder Nash häufig darauf verwei­
sen, daß eine bestimmte Struktur a , die aus der Struktur ß durch Umstel­
lung entsteht, dieselbe Bedeutung wie ß hätte, aber daneben noch eine
andere, letztere jedoch praktisch nie spezifizieren. Auch habe ich bereits
darauf verwiesen, daß Umstellungen im Yidin stilistisch m arkiert sind, und
im Warlpiri pragmatisch gebunden scheinen (Swartz 1985), doch sind kon­
kretere Aussagen dazu nur schwer zu finden.
Prinzipiell stehen zwei O ptionen zur Verfügung. W arlpiri-Umstellungen
könnten durch denselben Reanalyseprozeß wie im Deutschen entstehen.
Aus den angesprochenen G ründen wäre dann Umstellung wesentlich freier
möglich. Berücksichtigen wir noch, daß Warlpiri eine pro-drop-Sprache ist,
also das Subjekt in den verbalen Rektionsbereich gelangen kann, dann sind
auch keine Subjekts-Objektsasymmetrien bei der Reanalyse zu erwarten.
Warlpiri fiele also (wie Latein) völlig in den Bereich des von einer konfigurationalen Syntax vorhergesagten. Allerdings involviert dies anders als im
Deutschen auch eine Adjunktionsoption aufgespaltener Phrasen im “Mit-
259
tclfcld" (sprich nach dem IN FL-Knotcn), doch mag man auch hier G ründe
für diese Differenz finden können.
Folgt man aber Jelinek (1984), dann sind die diskontinuierlichen Konsti­
tuenten des Warlpiri Ergebnis einer A djunktion an S, und könnten dort
auch basisgcncriert sein. Sic wären also cvt. äquivalent zu (39).
(39)
Maria, die schöne, wir mögen sic alle gerne.
Wir können fcsthaltcn: die “freie" W ortstellung des Warlpiri und anderer
australischer Sprachen beruht auf speziellen C harakteristika der M orpholo­
gie und Syntax ihrer NPn, aber nicht auf dem Fehlen von Konstituenten.
Diese sind, cf. (34a) und (34b), auch in diesen Sprachen präsent. Es gibt
also kein einziges D atum , das das Deutsche nicht aufwiesc, und das einem
Kind Evidenz gegen die VP liefern könnte.
Unserem Fazit entsprechend gibt es in jüngerer Zeit eine Vielzahl von
Studien, die für angeblich nicht-konfigurationale Syntaxen den VP-Knoten
nachgewiesen haben. Beispielsweise haben dies für das Japanische Saito &
Hoji (1983) und Saito (1985) geleistet, für das Ungarische kann man Hor­
vath (1981) zitieren, und die Analysen von Pesetsky (1982) für das Russi­
sche weisen ebenso auf D aten hin, die ohne einen VP-Knoten im Russi­
schen nicht erklärt werden könnten. Auch für andere Sprachen mit freier
Wortstellung, wie beispielsweise A kan (Stucky 1983), ist eine VP nachge­
wiesen worden.
Gegen A rbeiten wie Lakoff (1967) oder ähnliche wurde oftmals der EinWand erhoben, daß eine Analyse des Lateins mit einer VP zwar deskriptiv
adäquat sei und auch gewisse Vorhersagen erlaube, daß jedoch die Exi­
stenz dieser VP im Latein eine nicht motivierte A nnahm e sei. Es sei viel­
mehr möglich, eine genauso gut funktionierende Analyse des Lateins ohne
VP zu formulieren, und aus G ründen der ontologisch-grammatischen Spar­
samkeit sei daher auf den V P-Knoten in der lateinischen Syntax zu verzich­
ten. Die meisten A rgum ente gegen die A nnahm e einer VP in einer Spra­
che beschränken sich so auf die Feststellung der Tatsache, daß bestimmte
englisch-spezifische VP-Regeln wie die do so-Pronominalisierung kein Pen­
dant in der jeweiligen Sprache h ätten, so etwa beim Japanischen (vgl.
Hinds 1984 für diesen Punkt) oder auch beim Malayalam (cf. die A rgum en­
tation in M ohanan 1982a,b). Selbst wenn man jedoch kein einziges A rgu­
ment für eine VP in einer Sprache identifizieren kann, besagt dies nichts
gegen die V P-Konstituenz. Entsprechende A rgum ente mißachten die fundamente Aufgabe der Linguistik, zu klären, wie grammatische Regularitäten mental repräsentiert sind, und wie K inder diese R epräsentationen
erwerben können.
260
Die obige Diskussion hatte ja erwiesen, daß es kein einziges Datum
gibt, das dem Deutsch erwerbenden Kind Informationen darüber liefert,
daß seine Sprache eine VP besitzt. Dieser Schluß änderte sich auch nicht
bei der hier in 7.2 vorgenommenen Ausweitung des Blicks auf andere
angeblich nicht-konfigurationale Sprachen. Nun kommt es aber einer Tri­
vialität gleich, daß alles, was ein Mensch nicht aus seiner Umwelt gelernt
haben kann, ihm angeboren sein muß. Bezüglich der Gram m atik kann dies
exakt zwei Konsequenzen haben. Entw eder ist die VP-Information ein
unmarkierter Parameterwert. Dies würde bedeuten, daß Kinder, wollen sie
eine Sprache erwerben, die VP-Frage erst dann them atisieren, wenn ihr
Input Daten aufweist, deren Erklärung mit der Annahm e einer VP nicht
kompatibel ist. Es reicht also nicht aus, aufzuzeigen, daß in einer Sprache
nichts für eine VP spricht, denn das Kind ginge von vornherein davon aus,
daß die VP vorliegt. Man müßte also für verschiedene Sprachen D aten auf­
weisen, die mit der VP nicht kompatibel sein können. Diese O rientierung
findet sich sicherlich in den Arbeiten von Flaider und Kiss, nur haben sie
es, wie ich mich zu zeigen bem ühte, am ungeeigneten O bjekt versucht.
Wenn man die obige Diskussion betrachtet, hat man festzustellen, daß
wirkliche Daten gegen die VP bislang nicht präsentiert wurden und daß
unsere - noch oberflächliche - Kenntnis der Sprachen der Welt es auch
wenig wahrscheinlich erscheinen läßt, daß diese für den Param eter kriti­
schen Daten auch jemals entdeckt werden sollten. Aus all dem scheint mir
zu folgen, daß es keinen Konfigurationalitätsparameter geben kann. Die
VP als syntaktische Kategorie ist Bestandteil des genetischen Programms
des Menschen.
9. Anhang: Die wichtigsten Prinzipien der Rektions- und
Bindungstheorie
9.L Allgemeine Vorbemerkung
Wie bereits in den einleitenden Bem erkungen zu diesem Buch gesagt, kann
es weder Zweck des Anhangs sein, eine Einführung in die Rektions- und
Bindungstheorie von Chomsky (1981) zu geben, noch die wesentlichen
Prinzipien wenigstens zu motivieren. Für beides ist ein eigenes Buch erfor­
derlich. Man kann hier z.B. auf die hervorragende Exposition von Radford
(1981) verweisen, die allerdings auf dem Theoriestand von (1980) verbleibt.
Lightfoot (1980) oder White (1982) stellen den allgemeinen theoretischen
Hintergrund der Rektions- und Bindungstheorie deutlicher und eingehen­
der dar, als es in Kap. 1 möglich war; die technische Ausform ulierung des
Ansatzes ist in der Einführung Riemsdijk & Williams (1985) wiedergege­
ben. Beide A spekte in einem Buch vereint findet man in Felix & Fanselow
(1986).
Eine schnelle O rientierung erlauben hingegen kürzere Darstellungen
wie Bennis & G roos (1982) oder die Einleitung zu Abraham (1985). Im
nachfolgenden sollen hingegen die Prinzipien und R egularitäten im wesent­
lichen nur kurz aufgeführt und erläutert w erden, gedacht als Quasi-Nachschlagwerk für im Text verw endete termini technici wie “E C P” , “Subkatego^isie^ungsp^inzi^>,, usw.
9.2. Die allgemeine Organisation der Grammatik
Die Rektions- und B indungstheorie stellt einen Spezialfall des sog. Y-Modells (häufig auch T-Modell) der G ram m atik dar:
(1)
Tiefenstrukturen
S-Strukturen
Phonetische Form
Semantische
R epräsentationen
262
Tiefenstrukturen werden - wie in der generativen G ram m atik fast durch­
weg üblich - mit der kategorialcn Komponente der G ram m atik, d.h. einer
Version von Phrasenstrukturrcgeln erzeugt. Auf diese werden dann Trans­
formationen angewendet, wie schon im Modell Chomsky (1957) oder
Chomsky (1965) vorgesehen. Ein wichtiger Unterschied besteht zunächst
darin, daß in der Rektions- und Bindungstheoric die Vielfalt der Transfor­
mationen auf einen einzigen Transformationstyp zu reduzieren versucht
wird, auf die Regel “Movc alpha". Hinzu kommen freilich noch kleinere
syntaktische Regeln wie etwa “ Reanalyseprozcsse \ Zweitens liefern die
syntaktischen Transformationen nicht mehr wie noch im Modell Chomsky
(1965) direkt Oberflächenstrukturen, sondern S-Strukturen. Diese S-Strukturen unterscheiden sich von den traditionellen O berflächenstrukturen v.a.
dadurch, daß sie abstrakte Elem ente wie Spuren, Inflektionsmerkmale
usw. enthalten. Auch können gewisse stilistische Prozesse noch nicht ange­
wendet werden.
Die S-Strukturen werden dann mit Hilfe einiger m orphophonetischer
Regeln auf die traditionellen O berflächenstrukturen abgebildet, dabei wen­
den sich z.B. Kontraktionsregeln an, die etwa oughi to auf oughta oder
want to auf wanna abbilden. Die O berflächenstrukturen sind dann letztend­
lich Input für die phonologische Komponente der G ram m atik, die dann die
“phonetische Formen" liefert.
Andererseits werden die S-Strukturen aber auch auf eine weitere syn­
taktische Ebene abgebildet, auf die sog. Logischen Formen. Die Abbil­
dung geschieht durch die aus der Syntax bekannte Regel “Move alpha"
und involviert Q u a n to r e n p h r a s e n , syntaktisch nicht bewegte Fragewörter,
Reflexivpronomina u.v.a.m. Die Logische Form - LF - ist dabei aber
noch eine syntaktische Ebene, und ihre W ohlgeformtheit entscheidet mit
über den grammatischen Status eines Satzes. Logische Formen bilden sich
dann durch semantische Interpretationsregeln in semantischen Repräsen­
tationen ab.
Gewissermaßen orthogonal zum generativen Teil der Rektions- und Bin­
dungstheorie stehen die Beschränkungen, Prinzipien oder Constraints.
Während die generativen Regeln stets sehr generell gefaßt sind und von
daher stets “übergenerieren", ist es die Aufgabe der Beschränkungen,
diese ungrammatischen, aber dennoch erzeugten Strukturen herauszufil­
tern. Dabei hat sich herausgestellt, daß sehr oft völlig divergente deskrip­
tive Kategorien wie “Reflexivpronomina", “Passivregel", usw. von einem
gemeinsamen Prinzip erfaßt werden. Z ur Erklärung eines jeden Konstruk­
tionstyps müssen dabei jeweils mehrere Prinzipien herangezogen werden,
die dann für viele andere K onstruktionen auch einschlägig sind. Es gibt sich
263
somit das Bild eines “ m o d u la r e n ” Aufbaus der G ram m atik . Prinzipien wir­
ken auf alle drei syntaktischen R e p räsentation seb en en, i.e. Tiefen(D)Struktur, S-Struktur od e r LF, od e r sic regeln das Verhältnis dieser R e p rä ­
sentationen zueinander.
9.3. Regeln
Tiefen- oder D -Strukturcn werden mit der Basiskomponente der G ram m a­
tik erzeugt, die das Lexikon der Sprache und das X-bar-Schema enthält.
Das X-bar-Schema ist eine Regelschablone wie (2):
(2)
X '- » . . . . X "1 .........
X ist eine Variable für die syntaktischen Kategorien N, V, A und P. i ist
eine Variable über Projektionen über X, i.e. über phrasale Knoten. X°
dominiert dabei direkt die Lexeme. X1 heißt auch die i-te Projektion von
X. Die traditionellen XPn kann man mit dem maximalen Projektionswert
oder der maximalen Projektion von X identifizieren, ln der Regel geht
man dabei davon aus, daß i= 2 oder i = 3 der maximale Projektionswert
ist. Die Punkte in (2) stehen für eine beliebige Folge von maximalen Pro­
jektionen. Das X-bar-Schema besagt also letztendlich nicht mehr, als daß
alle Expansionen von X' grammatisch sind, wenn nur X'*1 in der Expan­
sion auftritt, und sonst beliebige (evtl. keine) andere maximale Projektio­
nen.
Während in neueren A nsätzen (cf. Felix & Fanselow 1986) die Satzpro­
jektionen in (2) integriert sind, werden sie in Chomsky (1981) noch unab­
hängig vom X-bar-Schema gesondert eingeführt.
(3)
(4)
S -* NP INFL VP
S'
COM P S
Die Regel “Move alpha” erlaubt es uns, beliebige Konstituenten XP an
eine beliebige andere Stelle im Baum zu setzen, vorausgesetzt, Landeposi­
tion und bewegte Phrase stimmen in den kategorialen M erkmalen überein.
Davon ist freilich C O M P als Landeposition ausgenommen. Bei Bewegun­
gen werden an der Ausgangsposition Spuren, d.h. phonetisch leere NPn
oder PPn zurückgelassen, welche mit dem Bewegungsantezedens einen
gemeinsamen Index teilen, sie sind wie man auch sagt koindiziert, cf. etwa
(5):
264
(5)
Whorrij does she love t,?
Reanalyseregeln dürfen lokal, oder wie man auch sagt, bei Vorliegen von
Adjazenz (i.e., wenn die beiden betroffenen Positionen nebeneinander ste­
hen) Strukturen verändern, indem Knoten ohne Verschiebung von Phrasen
an einen anderen Knoten gehängt werden. Etwa darf eine lokale Reanalyse
(6) auf (7) abbilden:
(6)
(s NP(Vp V (pp P NP)))
(7)
(s NP (Vp (v V P) NP))
Reanalysen sind jedoch immer durch ein Lexem ausgelöst, applizieren also
anders als “Move alpha” nicht frei.
9.4. Prinzipien der Tiefenstruktur
Das Subkategorisierungsprinzip besagt, daß unter X 1 alle Phrasen stehen
müssen, die das Element X°, der K o p f von XP subkategorisiert. A nderer­
seits dürfen auch nur subkategorisierte Phrasen unter X 1 stehen.
Das Theta-Kriterium besagt, daß jeder Nominalphrase, PP, oder jedem
Satz, die A-Ausdrücke sind, eine thematische Rolle und nur eine zugewie­
sen werden muß. Auch darf jede thematische Rolle nur einer einzigen
Phrase zugewiesen werden.
A - oder auch Argumentsausdrücke sind alle lexikalischen Nominalphra­
sen außer den expletiven Elementen wie es, there usw., sowie die leeren NPn
(siehe unten), die zur Klasse der Variablen gehören, und das leere Element
PRO.
Thematische Rollen sind in etwa dem Tiefenkasus von Fillmore (1968)
vergleichbar.
Weist das Prädikat a der NP b eine thematische Rolle zu, so sagen wir
auch, es theta-m arkiere diese NP. Wenn a b theta-m arkiert oder wenn a b
subkategorisiert, dann sagen wir, a selegiert b. Subkategorisierung impli­
ziert stets Thetam arkierung.
Das Projektionsprinzip besagt, daß in einer Derivation auf den syntakti­
schen Ebenen sich die Selektionseigenschaften (also Subkategorisierung
und Theta-M arkierung) nicht ändern können.
265
9.5. Kasustheorie
Durch die Regel “Movc alpha” können unter Zurücklassung von Spuren
NPn, PPn oder Sätze an eine andere Position geschoben werden. Die resul­
tierende S-Struktur ist dabei der O rt der Anwendung m ehrerer gram mati­
scher Prinzipien. So wird auf der S-Struktur beispielsweise Kasus zugewie­
sen. Kasuszuweisung geschieht durch Verben oder Präpositionen, oder
durch das Inflektionselem ent INFL. Eine NP kann nur dann kasusmarkiert
werden, wenn der Kasusgeber sie regiert. Dabei ist Rektion über c-Kom ­
mando wie in (8) und (9) definiert:
(8)
a regiert b, wenn a b c-kom mandiert und wenn keine maxi­
male Projektion zwischen a und b steht.
(9)
a c-kom m andiert b, wenn c der erste verzweigende Knoten
über a ist, und c den Knoten b dom iniert, und b nicht in a
enthalten ist.
Verben weisen “objective'’ im Englischen zu, ebenso Präpositionen. INFL
weist den Nominativ zu, und in der Konfiguration (NP NP N) wird “genetive” zugewiesen.
Eine NP, die keinen Kasus zugewiesen bekom m t, fällt dem sog. Kasus­
filter zum Opfer, der alle Strukturen ungrammatisch erklärt, bei denen eine
NP mit phonetischer Matrix keinen Kasus besitzt. Da einerseits Passivparti­
zipien die Fähigkeit verlieren, Kasus zuzuweisen, und andererseits nur ein
finites INFL Nominativ zuweist, dürfen an der Objektsposition von Passiv­
sätzen und an der Subjektsposition von Infinitivsätzen keine NPn mit pho­
netischer Matrix stehen. NPn können hier vor dem Kasusfilter gerettet wer­
den, indem man sie mit “Move alpha” verschiebt an eine Kasusposition
(Passiv, Raising-to-Subject) oder lokal einen exzeptionellen Kasuszuweiser
schafft. Dies geschieht:
(a)
(b)
(c)
(10)
durch o/-Einsetzung im Kontext (NP N NP) (book of Bill)
durch präpositionale K onjunktionen (for him to win would
be unfortunate)
durch die “S'-Tilgung” bei Acl-Verben: wird unter believe
z.B. das S' des eingebetteten Satzes durch S ersetzt, und ist
wie angenom m en S' die maximale Projektion von S, dann
trennt in (10) keine maximale Projektion believe und h im ,
weshalb believe him objective zuweisen kann:
We believe him to have come.
266
9.6. Bindungstheorie
Die Bindungstheorie beschäftigt sich mit der Verteilung von NPn nach den
Typen Reflexiv- und Reziprokpronomen (A naphern), Personalpronomen
(Pronomina) und sonstige NPn (R-Ausdrücke). R-Ausdrücke wie Hans
oder der Mann dürfen von keiner koreferenten Phrase c-kommandiert wer­
den (cf. Reinhart 1976). Wir drücken Koreferenz aus durch Koindizicrung
und definieren wie in (11) den Begriff der Bindung. Dann gilt (12) als Prin­
zip C der Bindungstheorie:
(11)
A bindet b falls a b c-kommandiert und a und b koindiziert
sind;
A ist gebunden, wenn es ein B gibt, das A bindet;
A ist frei, wenn A nicht gebunden ist.
(12)
PRIN ZIP C
R-Ausdrücke müssen frei sein.
D er Begriff “gebunden" bezieht sich dabei auf A-Bindung, d.h. auf Bin­
dung von einer A-Position aus. A-Positionen sind diejenigen Positionen im
Baum, denen prinzipiell eine thematische Rolle zugewiesen werden kann,
für die meisten Fälle genügt es, davon auszugehen, daß bis auf COM P alle
Positionen A-Positionen sind. COM P ist dagegen eine A-quer-Position.
Anaphern im Sinne der Bindungstheorie müssen innerhalb des Bereichs
des nächstliegenden Subjektes gebunden sein. Wir nennen diese Domäne
auch’“Minimal Governing Category”. Pronomina müssen in dieser jedoch
frei sein. Wir haben also die Prinzipien (13):
(13)
PRIN ZIP A
Eine A napher muß in der Minimal Governing Category
gebunden sein.
Ein Pronomen muß in der Minimal Governing Category
frei sein.
Die Minimal Governing Category ist dabei wie in (14) gefaßt:
(14)
X ist die Minimal Governing Category für A , wenn X die
kleinste Kategorie ist, die
(a) A enthält;
(b) ein Regens für A ist;
(c) ein von A verschiedenes und A zugängliches SU BJEK T
enthält.
267
SU BJEK TE sind für NPn und infinite Sätze die traditionellen Subjekte, für
finite Sätze ist INFL das SUBJEKT. Ein SU BJEK T ist A zugänglich, wenn
die Koindizicrung von A mit dem SU BJEK T keine grammatischen Prinzi­
pien verletzen würde. Dabei ist v.a. die i-in-i-Bcdingung relevant:
(15)
i-in-i-Bedingung:
Jede Koindizierung ( — Y, — ), ist ungrammatisch, wenn
Y nicht der Kopf der K onstruktion ist.
PRO, das Subjekt von Kontrollinfinitiven ist als pronom inale A napher defi­
niert. Es kann die Bindungstheorie nur dann erfüllen, wenn es keine MGC
besitzt. Dies ist nur dann der Fall, wenn kein Regens für PRO vorliegt. Wir
beschränken in der Theorie die regierenden Elem ente auf alle Lexeme
sowie ein finites INFL. Dann ist vorhergesagt, daß PRO nur Subjekt von
Infinitiven sein kann.
9.7. Bewegungen
Wir unterscheiden zwei Typen von Bewegungsregeln, NP-Bewegung und
w/i-Bewegung. NP-Bewegung steuert i.d.R . Subjektspositionen an, und
erklärt Passiv- und Raising-Sätze. W7i-Bewegung geht nach COM P (Frage­
sätze, Relativsätze usw.). Beide unterliegen dem Prinzip der Subjazenz, das
es verbietet, bei einer Bewegung m ehr als einen zyklischen Knoten auf ein­
mal zu kreuzen. Zyklische K noten sind im Englischen jedoch NP und S.
Eine anscheinend unbegrenzte Extraktion bei Fragesätzen ist möglich, cf.
Beispiele wie (15), weil wir sukzessiv-zyklisch extrahieren können, d.h. das
w/i-Wort jeweils zunächst ins nächstliegende COM P versetzen können, und
dann von COM P zu C O M P w eiter in den Hauptsatz:
(15)
W ho did he claim that Mary believe that John has invited?
NP-Bewegung hinterläßt in der Ausgangsposition eine anaphorische Spur,
die unter Bindungsprinzip A vom A ntezedens gebunden sein muß. Dies
erklärt die Lokalität von NP-Bewegungen. Diese Spur besitzt keinen
Kasus, und kann keine T heta-R olle tragen, die sie an das Bewegungsantezedens weitergeben muß. Dies geschieht dadurch, daß Spuren mit ihren
Antezedentien sog. A -K etten bilden.
W/i-Bewegung hinterläßt dagegen eine Spur, die ein R-Ausdruck ist,
und Variable genannt wird. Sie muß Kasus tragen und darf als R-Ausdruck
268
nicht A-gebunden sein. Die Variable trägt selbst die thematische Rolle, und
bildet mit der NP in COM P keine Kette. All diese Eigenschaften lassen sich
aus einer allgemeinen Theorie deduzieren (cf. Felix & Fanselow 1986).
9.8. LF-Prinzipien
Auf der Ebene der Logischen Form müssen alle leeren NP-Positioncn stark
regiert sein, dies ist der Gehalt des ECP-Empty Category Principle. Starke
Rektion liegt in genau zwei Fällen vor: Rektion durch N, V oder A, oder
Bindung durch ein Elem ent, von dem die betreffende Phrase durch keine
maximale Projektion getrennt ist. Das ECP gilt auch für die in COM P
zurückgelassenen Spuren.
Das ECP wird in den romanischen Sprachen oberflächlich durch die
Möglichkeit zur Inversion umgangen, durch die das Subjekt an die VP
adjungiert wird und damit in den Rektionsbereich von V gelangt. Bei
Inversion wird PRO an der Subjektsstelle zurückgelassen, welches im fini­
ten Satz - weil durch INFL regiert - an sich verboten sein sollte. D er
PRO-DROP-Parameter regelt nun die verschiedenen O ptionen für PRO
als finites Subjekt in den verschiedenen Sprachen. Wenn die Regel, die
INFL an das Verb klitisiert, die Regel R erst bei der Abbildung zur Pho­
netischen Form appliziert, dann ist PRO in der S-Struktur von INFL
(finit!) regiert, was verboten ist. Appliziert aber R wie im Italienischen
bereits bei der Abbildung zur S-Struktur, dann ist INFL in der S-Struktur
“verschwunden” und kann daher PRO nicht mehr an der finiten Subjektssatzposition blockieren.
Das Bijektionsprinzip besagt, daß jeder O perator (i.e. eine Phrase in
COMP oder eine an S Chomsky-adjungierte Phrase) nur genau eine Varia­
ble lokal binden darf. Lokale Bindung liegt zwischen A und B vor, wenn A
B bindet, und jede weitere Phrase, die B bindet, auch A bindet.
Ergative Verben sind endlich solche, die kein Subjekt theta-m arkieren
und ihr O bjekt nicht kasusmarkieren, wie etwa kom m en. Das O berflächen­
subjekt von Hans kom m t ist in der D -Struktur O bjekt, und muß dann
wegen des Kasusfilters von INFL markiert werden mit Nominativ, i.e. Sub­
jekt werden.
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