Auf der Suche nach den Achillesfersen pathogener

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Isotopologue Profiling
Auf der Suche nach den
Achillesfersen pathogener Bakterien
EVA EYLERT, WOLFGANG EISENREICH
TU MÜNCHEN, GARCHING
Zur Verfolgung des Stoffwechsels infektiöser Bakterien werden stabile
Isotope und moderne Spektroskopie eingesetzt. Die Methode wird als
Isotopologue Profiling bezeichnet.
Isotopologue Profiling is a new technology to trace the metabolism of
pathogenic organisms under infection conditions.
ó Wie ernähren und vermehren sich Krankheitserreger im befallenen Wirtsorganismus?
Gibt es unter bestimmten Bedingungen für
das Wachstum der Eindringlinge essenzielle
Stoffwechselreaktionen, die durch maßgeschneiderte Antibiotika gehemmt werden
können, um die Infektion wirksam zu therapieren? Wie reagiert der Stoffwechsel der
Wirtszellen auf die ungebetenen Gäste? Zur
Bearbeitung dieser Fragestellungen hat die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im
Jahre 2008 das Schwerpunktprogramm 1316
„Wirtadaptierter Metabolismus von bakteriellen Infektionserregern“ ins Leben gerufen. In diesem Verbund arbeiten Infektionsbiologen, Analytiker und Bioinformatiker
zusammen. Als eine Schlüsseltechnologie hat
sich hierbei das Isotopologue Profiling herauskristallisiert, mit dem die Stoffwechselwege der pathogenen Bakterien und deren
chemische Kommunikation mit den Wirtsorganismen kartiert werden können.
Metabolite sind das Abbild der Lebensvorgänge in einem Organismus. Sie werden in
komplexen Stoffwechselnetzwerken gebildet,
um- und abgebaut. Die Aktivitäten dieser
Reaktion sind hoch dynamisch und passen
sich schnell veränderten Bedürfnissen an,
etwa an eine neue Nahrungssituation. Als Folge ändern sich die Stoffflüsse im Netzwerk
und entsprechend die Zusammensetzung und
Menge der Metabolite.
Im Falle von pathogenen Mikroorganismen ist die Anpassung der Metabolitflüsse
und -profile auf die Umgebungen und
Abwehrreaktionen der befallenen Wirtsorganismen entscheidend für die Pathogenität
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und den weiteren Verlauf der Infektion.
Gleichzeitig könnte das Wechselspiel von
Eindringling und Wirt durch maßgeschneiderte Wirkstoffe beeinflusst werden, um das
Fortschreiten einer Infektion zu verhindern.
Das Auffinden von bisher unbekannten
„Achillesfersen“ (Targets) in pathogenen
Mikroorganismen ist dringend geboten, um
der zunehmenden Resistenz zahlreicher
pathogener Bakterien gegen herkömmliche
Antibiotika zu trotzen.
Stoffwechselforschung im Wandel
der Zeit
Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die Erforschung des bakteriellen Stoffwechsels mit der Entdeckung der zentralen Stoffwechselwege einen beeindruckenden Höhepunkt. Allerdings wurden die
meisten dieser Forschungen unter standardisierten Laborbedingungen durchgeführt, und
˚ Abb. 1: Isotopologue Profiling mittels Gaschromatografie/Massenspektrometrie (GC/MS) und
Kernresonanzspektroskopie (NMR). Durch Gaschromatografie werden die einzelnen Metabolite
(hier TBDMS-Aminosäuren) getrennt. Aus den Massenspektren lässt sich die Isotopanreicherung
berechnen und die Häufigkeit von Isotopologgruppen (mit einer bestimmten Anzahl von 13C-Atomen, XY-Gruppen) ableiten. Anhand der Signalaufspaltung im 13C-NMR-Spektrum werden weitere
positionelle Informationen gewonnen (X-Gruppen). Aus den XY- und X-Gruppen lassen sich
schließlich die Isotopologe identifizieren und quantifizieren.
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MET H ODE N & AN WE N DU NGEN
¯ Abb. 2: Isotopologue Profiling am Beispiel des humanpathogenen Bakteriums Listeria
monocytogenes. Die linke Seite zeigt die unterschiedlichen
Markierungsgrade von Aminosäuren unter Infektions- (intrazellulär) bzw. Kulturbedingungen (in vitro) ausgehend von
13C-Glukose. Anhand dieser
Anreicherungen und der positionellen Verteilungen von 13C
wurde eine vereinfachte Stoffwechselkarte des Bakteriums
(grau hinterlegt) unter Infektionsbedingungen abgeleitet
(d. h. wenn sich das Bakterium
innerhalb einer Wirtszelle
ernährt und vermehrt). Die
relevanten Stoffströme sind rot
markiert.
die Bedeutung der einzelnen Wege unter
natürlichen Lebensbedingungen, auch im
Wechselspiel mit anderen Organismen, ist
keineswegs klar.
Ein erneuter Aufschwung der Stoffwechselforschung wird in jüngster Zeit angetrieben
durch hochsensitive Analysemethoden zur
Messung von Metaboliten in komplexen
Mischungen, wie Zellextrakten und biologischen Fluiden (Metabolomics). Ein weiterer
Meilenstein auf dem Gebiet der modernen
Stoffwechselforschung ist die Messung von
metabolen Flüssen am lebenden Objekt (MFA
oder Fluxomics). Vor Kurzem wurden nun
MFA-Methoden zur Bestimmung der Stoffwechselwege unter komplexen Wachstumsbedingungen entwickelt (Isotopolologue Profiling).
Wie funktioniert Isotopologue
Profiling?
Um die Frage zu klären, welche bakteriellen
Stoffwechselwege unter komplexen Umgebungsbedingungen aktiv sind, wird der pathogene Organismus unter Infektionsbedingungen kultiviert. Zusätzlich wird ein Kohlenstoffsubstrat (z. B. Glukose, Fettsäuren oder
Aminosäuren) in 13C-markierter Form zugefüttert. 13C ist ein Stabilisotop, das in natürlicher Materie kaum vorkommt und daher
durch Zufütterung stark angereichert werden
kann. Im Falle von extrazellulär lebenden
Pathogenen (z. B. Pseudomonaden) werden
diese in einem synthetischen Medium kultiviert, das die chemische Umgebung des Infektionsorts simuliert (wie das Sputum von infi-
ziertem Lungengewebe). Im Falle von intrazellulär lebenden Bakterien (z. B. Listerien)
werden die markierten Verbindungen den
infizierten Wirtszellen angeboten oder den
Wirtsorganismen bereits vor der Infektion
zugefüttert.
Nach einer Wartezeit werden die Bakterien
isoliert und stabile Metabolite (z. B. Aminosäuren aus Proteinhydrolysaten) gewonnen.
Anschließend wird für jeden Metaboliten die
Gesamtanreicherung an 13C sowie die Verteilung des Stabilisotops in unterschiedlichen
Isotopologen mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR) und Massenspektrometrie (MS)
meist in Kopplung mit Gaschromatografie
(GC) quantifiziert (Abb. 1). Während sich die
NMR besonders durch ihre hohe Positionsauflösung auszeichnet, ist die MS wesentlich
empfindlicher, und es können Experimente
bereits mit geringen Probenmengen (ab ca.
107 Bakterien) durchgeführt werden.
Was lernt man aus den Daten?
Die 13C-Anreicherung und das Isotopologmuster der Metabolite zeigen nun spezifisch
die jeweilige metabolische Vorgeschichte an.
Diese Muster sind somit Fingerabdrücke aller
Reaktionen, die zur Biosynthese des untersuchten Metaboliten beigetragen haben. Bei
Fütterung von 13C-markierter Glukose kann
aus der 13C-Anreicherung beispielsweise in
Alanin die Effizienz der Aufnahme von Glukose in die bakterielle Zelle und deren Umbau
zu Alanin abgeleitet werden. Da Alanin aus
Brenztraubensäure gebildet wird, zeigt das
Isotopologmuster von Alanin zusätzlich an,
über welchen Stoffwechselweg diese gebildet
wurde (z. B. Glykolyse, Pentosephosphatweg
oder Entner-Doudoroff-Weg). In ähnlicher
Weise können so die Bildungswege für alle
Metabolite und deren Bausteine rekonstruiert werden. Die Messdaten werden dann in
einen Gesamtfahrplan für den Stoffwechsel
des Organismus unter den gewählten Bedingungen zusammengefügt.
Beispiel Listeria: Anpassungen an
den Wirtsstoffwechsel
Die Methode zeichnet sich durch eine breite
Anwendbarkeit aus. Derzeit wird die Technik an zahlreichen Mikroorganismen, wie
Bakterien und Hefen, aber auch an Pflanzen
und Tieren eingesetzt. Im Bereich der Infektionsbiologie wurde die Technik am pathogenen Bakterium Listeria monocytogenes eingeführt. Listeria ist verantwortlich für Listeriose, eine nicht selten tödlich verlaufende
Lebensmittelvergiftung, deren Behandlung
dringend verbesserte Medikamente benötigt
[1, 2]. Im Verlauf der Infektion dringen die
Bakterien in die menschlichen Zellen ein.
Wie die Mikroben sich unter diesen intrazellulären Bedingungen ernähren, war lange
Zeit völlig unklar.
Das Isotopologue Profiling konnte schließlich direkt die Anpassung des bakteriellen
Stoffwechsels an die komplexen Lebensbedingungen aufdecken. So zeigte das Markierungsmuster der Aminosäuren ausgehend
von 13C-Glukose ein völlig verändertes Bild
im Vergleich zu einem Referenzexperiment
unter Kulturbedingungen (Abb. 2). Die MusBIOspektrum | 04.10 | 16. Jahrgang
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ter belegten, dass unter intrazellulären Bedingungen mehrere Kohlenstoffsubstrate aus
dem Zytosol der Wirtszelle genutzt werden.
Insbesondere Aminosäuren und C3-Quellen
wie Glycerin werden bevorzugt verwertet. Die
Daten zeigten außerdem, dass der Citratzyklus im Stoffwechsel von Listeria nicht
geschlossen ist und das Intermediat Oxalessigsäure (Oxa) durch Carboxylierung der
Brenztraubensäure (Pyr) entsteht (Abb. 2).
Die für diese essenzielle Reaktion involvierte Carboxylase könnte deshalb ein attraktives Target für neue Wirksubstanzen darstellen.
Inzwischen werden weitere Krankheitserreger, wie Salmonellen, Staphylokokken,
Streptokokken, Yersinien, Pseudomonaden,
Legionellen und Chlamydien durch Isotopologue Profiling analysiert. Die ersten Daten
zeigen eine enorme Anpassungsfähigkeit der
Mikroben an die jeweiligen Lebensumgebungen mit nur wenigen Achillesfersen [3,
4]. Die gezielte Entwicklung von Medikamenten auf diese Targets wird ein vorrangiges
Ziel der zukünftigen Infektionsbiologie und
medizinischen Chemie sein.
ó
Literatur
[1] Eisenreich W, Slaghuis J, Laupitz R et al. (2006) 13C isotopologue perturbation studies of Listeria monocytogenes carbon
metabolism and its modulation by the virulence regulator
PrfA. Proc Natl Acad Sci USA 103:2040–2045
[2] Eylert E, Schär J, Mertins S et al. (2008) Carbon metabolism of Listeria monocytogenes growing inside macrophages.
Mol Microbiol 69:1008–1017
[3] Schmid A, Neumayer W, Trülzsch K et al. (2009) Crosstalk between type three secretion system and metabolism in
Yersinia. J Biol Chem 284:12165–12177
[4] Eisenreich W, Dandekar T, Heesemann J et al. (2010)
Carbon metabolism of intracellular bacterial pathogens and
possible links to virulence. Nature Microbiol Rev, im Druck
Korrespondenzadresse:
PD Dr. Wolfgang Eisenreich
Dr. Eva Eylert
Technische Universität München
Department Chemie
Lehrstuhl für Biochemie
Center of Isotopologue Profiling
Lichtenbergstraße 4
D-85747 Garching
Tel.: 089-289-13336
Fax: 089-289-13363
[email protected]
www.biochemie.ch.tum.de
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